Wolfgang Frindte · Nicole Haußecker (Hrsg.) Inszenierter Terrorismus
Politische Psychologie Herausgegeben von Christo...
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Wolfgang Frindte · Nicole Haußecker (Hrsg.) Inszenierter Terrorismus
Politische Psychologie Herausgegeben von Christopher Cohrs und Andreas Zick
Die Politische Psychologie ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich mit menschlichem Verhalten und Erleben in gesellschaftspolitischen Kontexten befasst. Was sind die psychologischen Ursachen, dass moderne Gesellschaften ihrem demokratischen und friedlichen Ideal noch immer so fern sind? Welche Gründe gibt es z. B. für Politikverdrossenheit, Diskriminierung, Terroranschläge? Wie können Politik- und SozialwissenschaftlerInnen von psychologischen Betrachtungsweisen profitieren? In der Reihe „Politische Psychologie“ werden wichtige aktuelle Forschungsergebnisse und Diskussionen der Politischen Psychologie in Deutschland und Europa zusammengeführt. Politische Phänomene werden aus psychologischer Perspektive analysiert. Mit dem Ziel, das friedliche Zusammenleben der Menschen innerhalb und zwischen Gesellschaften zu fördern, werden Handlungsansätze für Prävention und Intervention aufgezeigt. Gleichzeitig wird eine Disziplin etabliert, die international längst ein anerkanntes Forschungsfeld ist.
Wolfgang Frindte Nicole Haußecker (Hrsg.)
Inszenierter Terrorismus Mediale Konstruktionen und individuelle Interpretationen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Kea S. Brahms VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17551-5
Inhaltsverzeichnis
Wolfgang Frindte & Nicole Haußecker Vor-Worte ............................................................................................................................................ 9 Wolfgang Frindte I
Ausgangspunkte und Grundlagen ...................................................................................... 15
1 2 3
Anmutungen im Sommer 2009: Irritationen ........................................................................ 15 Der Terrorismus als Weltrisiko – Annäherung I .................................................................. 17 Inszenierter Terrorismus – Annäherung II und das zentrale Projektziel ......................... 32 3.1 Inszenierung ...................................................................................................................... 33 3.2 Terrorismus........................................................................................................................ 36 3.3 Inszenierter Terrorismus.................................................................................................... 39
Wolfgang Frindte II
Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption ............................................ 43
1 2
Anmutungen im Sommer 2007: Mehrdeutigkeiten und der Projektbeginn..................... 43 Ziel- und Fragestellungen, theoretische Grundlagen und methodische Konsequenzen .......................................................................................................................... 49
Nicole Haußecker & Jens Jirschitzka III
Mediale Konstruktion I: Methodisches Vorgehen – Inhaltsanalyse der Terrorberichterstattung in deutschen Fernsehnachrichten ............................................. 67
1 2
Aufzeichnung und Vorauswahl der Nachrichtenbeiträge ................................................. 67 Einheiten der Inhaltsanalyse der Terrorismusberichterstattung ...................................... 69 2.1 Untersuchungseinheit ........................................................................................................ 69 2.2 Codier- und Kontexteinheit................................................................................................ 70 Codierlogik und Kategoriensystem ....................................................................................... 71 3.1 Formale Kategorien ............................................................................................................ 71 3.2 Inhaltliche Kategorien ........................................................................................................ 72 3.3 Codierlogik und Kategorien für Visualisierungen.............................................................. 75 Codiererschulung und Reliabilitätstest ................................................................................ 76 Codiermaske und Datensatz ................................................................................................. 78 Wie weiter? ............................................................................................................................... 79
3
4 5 6
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Inhaltsverzeichnis
Jens Jirschitzka, Nicole Haußecker & Wolfgang Frindte IV
Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen – Ergebnisdarstellung und Interpretation ..................................................... 81
1
Voranalyse – Deskriptive Befunde zur Berichterstattung von ARD, ZDF, RTL, Sat.1, n-tv und ARTE...................................................................................................... 82 1.1 Berichtsaufkommen nach Sendern und im Zeitverlauf ..................................................... 82 1.2 Themenkomplexe ................................................................................................................ 85 1.3 Zwischenfazit ..................................................................................................................... 87 Hauptanalyse (Codierungen) – Deskriptive Befunde zur Berichterstattung von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 ............................................................................................... 87 2.1 Datengrundlage ................................................................................................................. 87 2.2 Thematisierter Kontext von Terrorismus und Terroristen ................................................ 88 2.3 Darstellung von Bedrohungen ........................................................................................... 90 2.4 Darstellung von Ursachen und Maßnahmen .................................................................... 92 2.5 Visualisierung und Emotionalisierung .............................................................................. 95 2.6 Zwischenfazit ..................................................................................................................... 99 Komplexere Analyseschritte................................................................................................... 99 3.1 Faktorenanalytische Suche nach Dimensionen der Berichterstattung ............................. 100 3.2 Clusteranalytische Beitragsgruppierung ......................................................................... 103 3.3 Inhaltliche und formale sendergruppenspezifische Muster .............................................. 109 3.4 Sendergruppenspezifische Dramatisierungen im Zeitverlauf .......................................... 112 3.5 Schlussfolgerungen .......................................................................................................... 115
2
3
Susan Gniechwitz, Jens Jirschitzka & Wolfgang Frindte V
Individuelle Interpretationen des Terrorismus I: Interviews und standardisierte Befragung – Die methodischen Grundlagen ....................................... 121
1 2
Spezifizierte Fragestellungen ............................................................................................... 121 Methodik ................................................................................................................................. 123 2.1 Allgemeines ...................................................................................................................... 123 2.2 Stichprobe, Interviewzeitpunkte und Interviewdurchführung ........................................ 124 2.3 Erstellung der Erhebungsinstrumente ............................................................................. 128 Wie weiter? ............................................................................................................................. 157
3
Wolfgang Frindte, Jens Jirschitzka, Susan Gniechwitz & Daniel Geschke VI
Individuelle Interpretationen des Terrorismus II: Interviews und standardisierte Befragung – Ergebnisdarstellung und Interpretation ........................ 159
1 2
Darstellungslogik ................................................................................................................... 159 Ergebnisse und Interpretation .............................................................................................. 161 2.1 Individuelle (geschlechterspezifische) Interpretationen von Terrorismus und Terroristen ....................................................................................................................... 161
Inhaltsverzeichnis
7
2.2 Der Einfluss ausgewählter soziodemographischer Variablen (Geschlecht, Alter, Bildung, Familienstand) auf das Erleben von Bedrohungen angesichts des Terrorismus...................................................................................................................... 169 2.3 Individuelle Attributionen über Ursachen und Wirkungen bzw. Folgen des Terrorismus...................................................................................................................... 177 2.4 Einfluss ausgewählter soziodemographischer Variablen (Geschlecht, Alter, Bildung, Familienstand) auf die Einstellungen zu Anti-Terror-Maßnahmen ................................ 183 2.5 Zusammenhänge von Bedrohungserleben und Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen ................................................................................................. 193 2.6 Zusammenhänge von individuellen Einstellungen (Autoritarismus, Wertorientierungen, politische und religiöse Orientierungen) und Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen ............................................................................... 203 2.7 Kausale Zusammenhänge zwischen Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen, Outgroup-Ablehnung und Bedrohungserleben ..................... 209 2.8 Einfluss medialer Berichterstattungen über Terrorismus auf das Bedrohungserleben und auf die Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen .................................... 218 2.9 Fazit ................................................................................................................................. 230 Daniel Geschke, Katharina Liborius, Sandy Schumann & Katharina Wolf VII Vorstudien und Vertiefungen ............................................................................................ 231 1
2
Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten (Katharina Wolf) ................................................................................. 232 1.1 Einleitung ....................................................................................................................... 232 1.2 Mediale Inszenierung in Fernsehnachrichten und deren Formen ................................... 233 1.3 Methodik .......................................................................................................................... 238 1.4 Ergebnisse ........................................................................................................................ 241 1.5 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................................... 250 1.6 Ausblick ........................................................................................................................... 253 Der Zusammenhang zwischen externer Bedrohung und internen Prozessen – Eine quantitative Analyse im Rahmen der Jenaer Terrorismus Studie (Sandy Schumann) ................................................................................................................. 254 2.1 Ausgangspunkt und Überblick ........................................................................................ 254 2.2 Terrorismus und mögliche Folgen von Terroranschlägen................................................ 255 2.3 Der Zusammenhang zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Abwertung von Outgroups.............................................................................................. 256 2.4 Fragestellungen und Hypothesen .................................................................................... 259 2.5 Methode............................................................................................................................ 260 2.6 Ergebnisse ........................................................................................................................ 260 2.7 Diskussion........................................................................................................................ 263 2.8 Implikationen und Hinweise für zukünftige Studien....................................................... 265
8
Inhaltsverzeichnis
3
Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland. Spezifische Einstellungen unter dem Einfluss von Werthaltungen und generalisierten Einstellungen (Katharina Liborius und Daniel Geschke) .......................................................................... 266 3.1 Internationaler Terrorismus – Alte Strukturen in neuem Gewand? ............................... 267 3.2 Fragestellungen, theoretischer Hintergrund, Hypothesen ............................................... 269 3.3 Methodische Umsetzung .................................................................................................. 274 3.4 Darstellung der Untersuchungsergebnisse ...................................................................... 277 3.5 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse ................................................................. 289 3.6 Ausblick ........................................................................................................................... 293
Gabriela Christoph, Wolfgang Frindte & Nicole Haußecker VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt – Mediale Sequenzierung und emotionales Erleben........................................................ 295 1 2 3 4
Robespierre-Effekt ................................................................................................................. 295 Theoretischer Rahmen ........................................................................................................... 296 Fragestellung und Hypothesen ............................................................................................ 297 Methode .................................................................................................................................. 299 4.1 Stichprobe......................................................................................................................... 299 4.2 Instrumente ..................................................................................................................... 299 4.3 Durchführung .................................................................................................................. 300 4.4 Nachrichtenfilmmaterial .................................................................................................. 301
5 6
Ergebnisse ............................................................................................................................... 303 Diskussion und Ausblick ...................................................................................................... 310
Wolfgang Frindte, Nicole Haußecker & Jens Jirschitzka IX
Schluss?................................................................................................................................... 313
1 2
Was besagen unsere Befunde? – Eine Zusammenfassung ............................................... 313 Wie verhalten sich mediale Konstruktionen und individuelle Interpretationen des Terrorismus? – Ein Modellvorschlag............................................................................ 321 Nichts Neues im Frühjahr 2010? .......................................................................................... 328
3
Literaturverzeichnis ...................................................................................................................... 331 Internetquellen .............................................................................................................................. 357 Anhang ............................................................................................................................................ 361
Vor-Worte Vor-Worte Vor-Worte „Wer als Soziologe (Psychologe oder Kommunikationswissenschaftler, W.F. & N.H.) die Antizipation intendierter Terrorattentate ins Zentrum rückt, stellt sich selbst in den Dienst der Enthemmung der schwarzen Phantasie, die die Sache der Terroristen betreibt” (Beck, 2007, 30). Weil er/sie sich damit auch an der Inszenierung des Terrors beteiligt.
Globale Risiken, wie die Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus, sind keine Katastrophen, die bereits stattgefunden haben, sondern Inszenierungen und die Vorwegnahme künftigen Unheils. Darauf hat Ulrich Beck (2007) vor einiger Zeit eindringlich aufmerksam gemacht. Im Sommer 2007, als wir mit dem Projekt starteten, über dessen Ergebnisse dieses Buch berichtet, gehörte der Terrorismus, neben den ökologischen Krisen und der Finanzkrise, die von einigen schon erahnt wurde, zu den zentralen globalen Risiken. Anfang 2010 schien die globale Finanzkrise fast überwunden – zumindest versuchten das die Politiker ihren Wählerinnen und Wählern zu vermitteln. Kurz vor Abschluss dieses Buches kam der Euro arg ins Schwanken und die Politiker, die Banken, die Börsen und auch die Medien offerierten und inszenierten diverse Rettungsversuche. Ob diese gelingen, ist offen; zu groß scheinen die Kontroversen über das, was getan werden muss. Auch die ökologische Krise hält an und leidet ebenfalls – nach den Enttäuschungen, die die 15. Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 bereitete – unter globalen Definitionskämpfen. Und wie steht es mit dem Terrorismus? Im neuen „Jahrbuch Terrorismus 2009“ kommt Joachim Krause (2010) zu der vorsichtigen Prognose, dass die Jahre 2008 und 2009 eine Zeit der Wende eingeläutet haben könnten. Die Zahl der weltweit verübten Terroranschläge hat sich in diesen Jahren verringert; in Europa und den USA ist es trotz Ankündigungen und Planungen zu keinen größeren Terroranschlägen gekommen. „Aber“, so Joachim Krause (ebd., S. 13), „man kann auch nicht behaupten, dass das Ende des Tunnels in Sicht ist – im Gegenteil gerade im Irak und in Afghanistan ist noch alles möglich“; und: „Deutlich wird aber in der hier beobachteten Periode, wie sehr sich Demokratien schwer damit tun, auf die unterschiedlichen terroristischen Bedrohungen angemessene Antworten zu finden“ (ebd., S. 14). Und so dürfte der Ausgangspunkt, von dem aus wir 2007 unsere Forschungen konzipierten, auch 2010 nichts an seiner Relevanz eingebüßt haben: Die Inszenierung des Terrorismus zeigt sich nicht nur in spektakulären Gewaltakten oder Videobotschaften der Terroristen. An der Inszenierung des Terrorismus sind die Terroristen, ihre Netzwerke und Sympathisanten ebenso beteiligt wie die politischen Strategen, die wissenschaftlichen Beobachter, die bedrohte Bevölkerung und nicht zuletzt die Medien. Nur so erhält der Terrorismus seine Form und kann seine Wirkung entfalten.
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Vor-Worte
Dieser Ausgangspunkt, seine Konsequenzen, die sich daraus ergebenden Fragestellungen und die theoretischen Erklärungen werden in den Kapiteln I und II (Wolfgang Frindte) dargestellt und entwickelt. Um einen wissenschaftlichen Einblick in die Inszenierung des Terrorismus zu erlangen, haben wir im Zeitraum von Juli 2007 bis November 2009 ein umfangreiches Forschungsprojekt realisiert, das unter dem Titel „Terrorismus – mediale Konstruktion und individuelle Interpretation: Ein friedenswissenschaftlicher Beitrag zur medien- und sozialwissenschaftlichen Analyse und Bewertung terroristischer Bedrohungen in Deutschland“ großzügig durch die Deutsche Stiftung Friedensforschung unterstützt wurde. Das Projekt wurde von Wolfgang Frindte, Nicole Haußecker und Bertram Scheufele geleitet, koordiniert und ist ein Teil eines größeren Forschungsvorhabens unter dem Titel Jenaer Terrorismus Studie. In einem ersten Teil dieses Projekts wurden zwischen August 2007 und Februar 2009 über einen Zeitraum von 551 Tagen die Hauptnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 (und für Voranalysen außerdem auch die Abendnachrichten Arte-Info und n-tv-Der Abend) aufgezeichnet. Dabei wurden 1962 (Voranalyse) bzw. 1145 (Hauptanalyse) Nachrichtenbeiträge, in denen Terroranschläge, Terrorismus und Anti-Terror-Maßnahmen thematisiert wurden, identifiziert und quantitativen sowie qualitativen Inhaltsanalysen unterzogen. Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Sowohl in den öffentlich-rechtlichen als auch in den privaten Fernsehnachrichten wird über Ursachen von Terrorismus relativ wenig berichtet. Anti-Terror-Maßnahmen werden dagegen umso häufiger thematisiert. Den Fernsehzuschauern werden also die Gefahren der Terrorbedrohung und die Notwendigkeit des Anti-Terror-Kampfes vermittelt; Erklärungen für die Terrorgefahr, ihre Ursachen und Begründungen für politisch beschlossene AntiTerror-Maßnahmen werden dagegen medial kaum angeboten. Die Privatsender berichten zwar tendenziell weniger über Terrorismus. Aber wenn sie über Terrorismus berichten, dann nutzen sie stärker ausgeprägte Dramatisierungsstrategien als die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Das heißt, die Wirkung der Terrorismus-Berichterstattungen scheint eher von deren Qualität, als der Quantität abzuhängen. Während die Terrorismusbeiträge von den Privatsendern nicht einmal die Hälfte aller untersuchten Terrorismusbeiträge ausmachen, stammt mehr als die Hälfte der Beiträge mit starken Dramatisierungseffekten von den Privatsendern. Dabei handelt es sich vor allem um bildliche Darstellungen von Opfern, Verletzten/Toten oder um mögliche Folgen vereitelter Terroranschläge, über die mit dramatischen Sprach- und Toneffekten berichtet wird. Leserinnen und Leser, die sich nur für das methodische Vorgehen und die Ergebnisse dieser Analysen interessieren, verweisen wir auf die Kapitel III (Nicole Haußecker und Jens Jirschitzka) und IV (Jens Jirschitzka, Nicole Haußecker und Wolfgang Frindte). In einem zweiten Projektteil wurden 100 ausgewählte erwachsene deutsche Personen im Verlauf von zwei Jahren im Rahmen einer Panelstudie zu drei Erhebungszeitpunkten (Ende 2007, Mitte 2008 und Anfang 2009) wiederholt interviewt und befragt. Der eingesetzte Interviewleitfaden bestand aus einem halbstandardisierten Teil, in dem den Interviewten Fragen vorgelegt wurden, die sie frei beantworten konnten und einem standardisierten Teil mit Antwortvorgaben. Die Interview- und Befragungsdaten der Panelstudie wurden
Vor-Worte
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qualitativ (mittels ATLAS.ti-basierter Inhaltsanalyse) bzw. quantitativ (u.a. mittels CrossLagged-Analysen zur Prüfung von Kausaleffekten) ausgewertet, interpretiert und mit den erhobenen Mediendaten verglichen. Das methodische Vorgehen und die Befunde dieses Projektteils präsentieren wir in den Kapiteln V (Susan Gniechwitz, Jens Jirschitzka und Wolfgang Frindte) und VI (Wolfgang Frindte, Jens Jirschitzka, Susan Gniechwitz und Daniel Geschke). Zusammengefasst zeigen diese Ergebnisse: Die Mehrheit der Befragten lehnt – über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg – verschärfte Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen und verstärkte Militäreinsätze im „Kampf gegen Terrorismus“ ab. Die in internationalen Studien gefundenen Zusammenhänge zwischen dem persönlichen Bedrohungserleben und den Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen konnten nicht bestätigt werden. Vielmehr sind es vor allem jene Personen, die Muslime generell ablehnen und militärische Einsätze und verschärfte Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen im „Kampf gegen den Terrorismus“ befürworten. Überdies zeigt sich, dass persönliches Bedrohungserleben angesichts terroristischer Gefahren die Ablehnung von Muslimen erhöhen kann. Das Bedrohungserleben durch den Terrorismus wiederum hängt – den Ergebnissen folgend – mit dem als stark erlebten medialen Einfluss der privaten Fernsehsender zusammen: Personen, die angeben, mehr Privatfernsehen als ÖffentlichRechtliches zu schauen und die sich in ihrer Meinungsbildung über den Terrorismus vornehmlich von privaten Fernsehnachrichten beeinflussen lassen, erleben stärkere persönliche Bedrohungen als Personen, die sich überwiegend durch die Öffentlich-Rechtlichen beeinflusst sehen oder möglicherweise auch gar nicht fernsehen. Wir führen diese Effekte vor allem auf die stärker ausgeprägten Dramatisierungsstrategien in den privaten Fernsehsendern zurück und schlussfolgern: Nachgewiesenermaßen gehen vom transnationalen und internationalen Terrorismus lokale und globale Gefahren aus; der Umgang mit diesen Gefahren wird allerdings nicht leichter, wenn die Terrorgefahren und Terrorrisiken – durch die privaten Fernsehsender – in medial inszenierter Weise dramatisiert werden. Flankiert wurden die beiden Projektteile durch verschiedene Magister-, Diplom- und Bachelorarbeiten, in denen die theoretische Konzeption und der methodische Ansatz der Jenaer Terrorismus Studie vorgetestet, vertieft und erweitert wurden. Eine Auswahl dieser Arbeiten präsentieren wir im Kapitel VII. Im ersten Beitrag dieses Kapitels untersucht Katharina Wolf an einem ausgewählten Sample der aufgezeichneten Hauptnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 spezifische Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung. Die vorgelegten deskriptiven Befunde bestätigen und erweitern die Sicht auf die besonders ausgeprägten Dramatisierungseffekte in den Privatsendern. Sandy Schumann analysiert im zweiten Beitrag Befragungsdaten aus der oben genannten Panelstudie, um auf spezifische Zusammenhänge zwischen Bedrohungserleben und dem sogenannten Intergroup Bias (gemeint ist Abwertung von relevanten Fremdgruppen und die Aufwertung der eigenen Gruppe oder Gemeinschaft) hinzuweisen. Die Arbeit, die Katharina Liborius gemeinsam mit Daniel Geschke vorstellt, gehört zu den eigentlichen Voruntersuchungen im Rahmen der Jenaer Terrorismus Studie, um ausgewählte theoretische Annahmen und das methodische Design der Jenaer Terrorismus Studie zu testen. Geprüft werden in diesem Beitrag die komplexen Zusammenhänge von Werthaltungen, generalisierten Einstellungen und dem Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland.
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Vor-Worte
Was machen die Medien mit uns, den Rezipienten, und was machen wir mit den Medien? Das scheint ja nach wie vor eine der Gretchenfragen medienwissenschaftlicher Forschung zu sein. Bezogen auf das zentrale Thema dieses Buches könnte eine Antwort auf diese Frage lauten: Die Nutzung des Privatfernsehens als wichtige Informationsquelle, ablehnende Einstellungen gegenüber Muslimen, verstärktes Bedrohungserleben und die Unterstützung massiver AntiTerror-Maßnahmen stehen in einem sich wechselseitig verstärkenden Zusammenhang. Um noch etwas mehr über die damit angedeutete Dialektik von medialer Inszenierung und individuellen Interpretationen zu erfahren, führten wir im Rahmen der Jenaer Terrorismus Studie auch verschiedene experimentelle Untersuchungen durch. Über eines dieser Experimente berichtet Gabriela Christoph gemeinsam mit Wolfgang Frindte und Nicole Haußecker im Kapitel VIII. Vorgestellt wird ein Experiment, in dem die Wirkung spezifischer Dramatisierungstendenzen im Rahmen von Terrorismusberichten auf die emotionale Befindlichkeit der Rezipienten untersucht wurde. Konkret geht es dabei um den experimentellen Nachweis eines medialen Effekts, der in der Literatur als Robespierre-Effekt bezeichnet wird. Ursprünglich von Jürgen Grimm (1999) als Robespierre-Affekt in die Literatur eingeführt, lässt sich damit eine Motivation beschreiben, aus scheinbar moralisch guten Gründen Gewalt zu legitimieren. Da – wie die Untersuchungen von Grimm zeigten – eine derartige Motivation durchaus auch durch mediale Einflüsse gefördert und bekräftigt werden kann, lag es für uns auf der Hand, auch nach der empirischen Relevanz dieses Effekts in der medialen Inszenierung des Terrorismus zu fahnden. Im letzten, dem neunten Kapitel, ziehen Wolfgang Frindte, Nicole Haußecker und Jens Jirschitzka, so wie es sich für gute wissenschaftliche Praxis gehört, ein Resümee: Die Ergebnisse, die in den vorausgehenden Kapiteln präsentiert wurden, werden zusammengefasst und in einem hypothetischen Modell integriert, um die Dialektik von medialen Konstruktionen und individuellen Interpretationen in der Inszenierung des Terrorismus zu rekonstruieren. Wie meinte der Geheime Rat aus Weimar aber: „Hypothesen sind Gerüste, die man vor dem Gebäude aufführt und die man abträgt, wenn das Gebäude fertig ist. Sie sind dem Arbeiter unentbehrlich; nur muss er das Gerüst nicht für das Gebäude ansehn“ (Johann Wolfgang Goethe; zit. n. Goethe – Ein Lesebuch, 1979, S. 377).
Insofern ist besagtes Modell ein Angebot für zukünftige Forschung; nicht mehr und nicht weniger. Schließlich ist der Inszenierte Terrorismus nur ein Beispiel, wenn auch ein sehr prägnantes, für die Dialektik von medialen Konstruktionen und individuellen Interpretationen schlechthin. In dieser Dialektik vollzieht sich das alltägliche Spiel von Medienproduktion und Medienrezeption, ob es nun um die Inszenierung der Finanzkrise, der Umweltkrise oder um diverse Regierungs- und Staatskrisen geht. Wir, die Herausgeber, Autorinnen und Autoren, sind uns bewusst, dass die Lektüre des vorliegenden Buches kein Spaziergang ist. Obwohl wir uns mühten, unsere Analyseschritte und die jeweiligen Ergebnisse nachvollziehbar und transparent darzustellen, ließen sich gerade deshalb manche sehr akribischen und fachspezifischen Ausführungen der jeweiligen Forschungsweisen nicht vermeiden.
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Um dennoch auch den statistisch und sozialwissenschaftlich weniger versierten Leserinnen und Lesern die Lektüre etwas zu vereinfachen, enthält jedes Kapitel Passagen (Zwischenfazits bzw. Schlussfolgerungen), in denen die Zwischenergebnisse zusammengefasst werden und auf die weiteren Forschungsschritte verwiesen wird. Schlussendlich wollen wir uns bei jenen bedanken, ohne deren Hilfe das Forschungsprojekt nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte. An erster Stelle bedanken wir uns bei Bertram Scheufele, der als Freund, Kollege, kreativer Mitstreiter und wachsamer Kritiker den medienanalytischen Teil des Projekts befördert und vorangetrieben hat. Wir bedanken uns auch bei allen Mitarbeitern, Diplomandinnen, Magister- und Bachelorstudenten und -studentinnen der Jenaer Terrorismus Studie: Franziska Arnold, Christin Babin, Kristin Breternitz, Gabriela Christoph, Nico Ditscher, Johanna Elster, AnneKathrin Fuchs, Daniel Gerstenhauer, Katrin Hesse, Kathrin Hille, Katharina Liborius, Christin Lüttger, Christin Nase, Nicole Orlamünder, Toni Rack, Caroline Rook, Johannes Schneider, Karoline Schultz, Sandy Schumann, Diana Schumann, Katharina Schurz, Anja Uhlmann, Johanna Volkmar, Katharina Wolf u.v.a. Ein besonderes Dankeschön gebührt Nico Dietrich, der mit scharfem Blick die Literaturprüfung und die Endkorrekturen des Manuskripts besorgt hat. Christopher Cohrs und Andreas Zick danken wir für die wohlwollende Begleitung und Unterstützung bei der Herausgabe. Dem Verlag für Sozialwissenschaften und besonders Frau Kea Brahms gilt unser Dank für die Hilfe beim Fertigstellen des Endmanuskripts. Der Deutschen Stiftung Friedensforschung danken wir für die großzügige Förderung des Projekts und die konstruktive Unterstützung. Schließlich danken wir jenen für die Zusprüche, Korrekturen, Streitgespräche und vor allem für die Liebe in risikovollen Zeiten, die wissen, dass wir sie meinen. Jena, im Juni 2010 Wolfgang Frindte und Nicole Haußecker
Wolfgang Frindte
I
Ausgangspunkte und Grundlagen
I Ausgangspunkte und Grundlagen
1 Anmutungen im Sommer 2009: Irritationen 1 Anmutungen im Somer 2009: Irritationen Interviewauszug (Interviewter: RW98-1)1: „ (…) Im Moment erleben wir ja sehr viel Diskussion über solche Dinge und die Sachen die gemacht wurden sind ja zunächst von der Verfassung nicht gedeckt, vom Gesetz nicht gedeckt und deshalb wird diskutiert, dass man das nie, nie wieder machen darf, aber grundsätzlich, denk ich, dass es tendenziell zu weit geht. Und warum? Muss man fragen. Ja, weil hier der Innenminister, sozusagen, den Hut auf hat und der Innenminister, das ist eine seiner wichtigsten Aufgaben, der muss da ein starker Mann sein und ein rauer Hund und muss da durchgreifen, der muss gucken, dass es im Inneren alles läuft und da ist ihm eine Kamera mehr lieber, als eine weniger, das ist ganz verständlich, jedoch hat der Innenminister eigentlich auch noch ein zweites Aufgabengebiet und das nennt sich „Schutz der Verfassung“ also sozusagen, da wo unsere Freiheitsrechte formuliert sind, und ich glaube, dass ihm das manchmal, sozusagen, in den Aufregungen des Tagesgeschäftes, das durch Terrorismus auch geprägt ist, teilweise, ganz, dass er das aus den Augen verliert an der Stelle und da finde ich geht er schon zu weit. Um es platt zu formulieren, wir können ja nun relativ schlecht für Freiheit kämpfen, wenn wir selber nicht mit leuchtendem Beispiel vorangehen, das ist sozusagen, Guantanamo in den USA, also ja“.
Die öffentlichen Diskurse über den internationalen und transnationalen Terrorismus, die von ihm ausgehenden Gefahren und die Wege seiner Bekämpfung sind auch im Sommer 2009, kurz vor Abschluss des Projekts, über das hier berichtet wird, divers. Das betrifft die öffentlich geäußerten Meinungen über die Terrorrisiken, die Diskussionen über die Ursachen des Terrorismus und seiner Akteure, die Auffassungen über die innenpolitischen und außenpolitischen Maßnahmen der Terrorbekämpfung im Allgemeinen und die Einstellungen zu den Sicherheitsstrategien der Bundesregierung und den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan im Besonderen. So kritisierte am 11. August 2009 der FDP-Innenexperte Max Stadler in einem Interview mit der Berliner Zeitung die ständigen allgemeinen Terrorwarnungen. Er könne – so Stadler – die Informationspolitik der Bundesregierung und anderer Politiker nicht nachvollziehen. Diese warnten und fügten gleichzeitig hinzu, dass es keine konkreten Hinweise gebe. „Das führt nur dazu, dass die Bevölkerung Terrorwarnungen nicht mehr
1
Personenbezogene Bezeichnungen werden der besseren Lesbarkeit wegen und wenn nicht anders hervorgehoben in der männlichen Form wiedergegeben.
W. Frindte, N. Haußecker (Hrsg.), Inszenierter Terrorismus, DOI 10.1007/978-3-531-92579-0_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
ernst nimmt und ein Gewöhnungseffekt eintritt“, sagte Stadler der „Berliner Zeitung“ (Quelle: Stadler, 2009; Internetquelle2). Die Tagesschau startete auf ihrer Online-Ausgabe nach Stadlers Kritik an den ständigen Terrorwarnungen eine nichtrepräsentative Umfrage, an der sich 2973 Personen beteiligten: „Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler hat die häufigen allgemeinen Terrorwarnungen für Deutschland kritisiert. Diese führten dazu, dass die Bevölkerung die tatsächliche Gefahr immer weniger ernst nehme. Hat Stadler recht? Ja: 2260 Stimmen, dies entspricht circa 76.0% Nein: 554 Stimmen, dies entspricht circa 18.6% Keine / eine andere Meinung: 159 Stimmen, dies entspricht circa 5.3% Stimmen gesamt: 2973“ (Tagesschau.de, 2009; Internetquelle)
Auch der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy warnte – im Südwestrundfunk – davor, Terrorismusgefahr im Bundestagswahlkampf zu „instrumentalisieren“. Deutschland gehöre zwar zum „weltweiten Gefahrenraum“, sei aber weniger gefährdet als etwa die USA, Großbritannien und Israel. Es gebe „keinen Anlass, jetzt sozusagen in Panik zu verfallen“ (Edathy, 2009; Internetquelle). Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, mahnte dagegen zur gleichen Zeit zu „erhöhter Obacht“ vor möglichen Terroranschlägen vor der Bundestagswahl. Terroristen könnten versuchen, „durch Anschläge Einfluss auf die deutsche Beteiligung am Afghanistaneinsatz zu nehmen", sagte Bosbach den „Ruhr Nachrichten“. Die von der Union geforderte Grundgesetzänderung, um die Bundeswehr im Notfall auch im Innern zur Terrorbekämpfung einsetzen zu können, sei „dringend notwendig“ (Bosbach, 2009; Internetquelle). Im September 2009, zwei Wochen vor der Bundestagswahl, bezeichnete auch der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gegenüber dem „Handelsblatt“ die Gefahr vor terroristischen Anschlägen in Deutschland als unverändert hoch (Schäuble, 2009; Internetquelle). Die Sorgen der deutschen Behörden, Deutschland könnte im Jahre 2009 zum bevorzugten Anschlagsziel terroristischer Aktionen werden, stützen sich seit Beginn des Jahres u.a. auf verschiedene Video-Botschaften, die zuerst im Januar 2009 auf „YouTube“ auftauchten. In einem der Videos wurde behauptet, „Deutschland und vier andere Länder werden ab Februar '09 Probleme kriegen“. In einem anderen Video meinte ein vermutlich Deutscher marokkanischer Herkunft mit Zugang zu Führungsstrukturen von Al Qaida, die Deutschen wären „leichtgläubig und naiv“, wenn sie meinten, in Afghanistan „als drittgrößter Truppensteller ungeschoren davon zu kommen“. Es sei sein Wunsch, „sich für Allah in die Luft zu sprengen“ (Welt-Online, 2009; Internetquelle). Im Mai 2009 drohte der 2
Referenzen, die sich auf Internetquellen beziehen, werden im Text, so wie es dieses Beispiel zeigt, zitiert. Die vollständigen Angaben finden sich im Literaturverzeichnis unter der Rubrik „Internetquellen“ aufgeführt.
2 Der Terrorismus als Weltrisiko – Annäherung I
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Deutsche Eric Breininger ebenfalls über Video den „Ungläubigen“ den Heiligen Krieg an und im September 2009 tauchte ein weiteres Video von Eric Breininger auf, in dem er deutsche und österreichische Muslime auffordert, für den Heiligen Krieg Geld zu spenden (Die Presse, 2009; Internetquelle). Und wenige Tage vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 forderte der deutsche Dschihadist Bekkay Harraeh ebenfalls in einer Videobotschaft den Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan, andernfalls drohe Deutschland nach der Bundestagswahl „ein böses Erwachen“ (Quelle: www.youtube.com, 2009; Internetquelle). Bereits im Juli 2009 veröffentlichte eine Arbeitsgruppe des israelischen „International Institute for Counter Terrorism“ am Interdisciplinary Center Herzliya einen 15-seitigen Bericht über „Threats on Germany in a Series of Jihadi Clips“ (International Institute for Counter Terrorism, 2009; Internetquelle). Mit diesen Drohvideos – so die Verfasser des Berichts – sollen neue Sympathisanten für den Terrorismus gewonnen und gezielt Druck auf Deutschland im Vorfeld der Bundestagswahlen ausgeübt werden. Dass die Protagonisten der Diskurse (die Politiker, die Journalisten, die wissenschaftlichen Experten etc.) trotz solcher Drohungen in ihren Meinungsäußerungen über den Terrorismus, seine Gefahren und die Wege seiner Bekämpfung offenbar so unterschiedliche, eben diverse Auffassungen vertreten, hängt nicht nur mit dem Bundestagswahlkampf zusammen, sondern dürfte gegenstandsimmanent sein. Terrorismus und die von ihm ausgehenden Gefahren sind Risiken, die eintreten könnten, aber keinesfalls mit Notwendigkeit eintreten müssen und deshalb mit einem hohen Maß an Irrealität verknüpft sind, wie Ulrich Beck meint: „Risiken sind soziale Konstruktionen und Definitionen auf dem Hintergrund entsprechender Definitionsverhältnisse. Sie existieren in Form eines (wissenschaftlichen und alternativ-wissenschaftlichen) Wissens. Folglich kann ihre ‚Realität‘ dramatisiert oder minimiert, verwandelt oder schlicht geleugnet werden gemäß den Normen, nach denen über Wissen und Nichtwissen entschieden wird. Sie sind Produkte von Definitionskämpfen und Definitionskonflikten im Rahmen bestimmter Definitionsmachtverhältnisse, also (mehr oder weniger erfolgreiche) Resultate von Inszenierungen“ (Beck, 2007, S. 66; Hervorhebung im Original).
Besondere Risiken, die globale Terrorismusgefahren, die sozialen Konstruktion der Terrorismusgefahren und die gruppenspezifischen Interpretationen (und Bewertungen) dieser Gefahren, sind die Untersuchungsgegenstände, über die wir in diesem Buch berichten.
2 Der Terrorismus als Weltrisiko – Annäherung I 2 Der Terrorismus als Weltrisiko – Annäherung I Interviewauszug (Interviewter: DK 60) „Also erfahren habe ich davon direkt durch die SMS von einem Freund, na ja und dann bin ich natürlich nach Hause und habe diverse Nachrichtensender laufen lassen CNN, Phoenix etc. Also die ich hören kann auf allen Kanälen. Wie ich die Berichterstattung wahr genommen habe, na ja es wurden halt immer wieder diese Bilder präsentiert, die natürlich auch ziemlich heftig waren. Meine erste Reaktion war, als ich gesehen hab wie der erste von
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I Ausgangspunkte und Grundlagen den beiden Türmen zusammen gestürzt ist, OK, das ist Weltkrieg drei. Und wo auch immer das herkam, das ist demnächst der tiefste Punkt der Erde, also wo auch immer die Attentäter herkamen, was sich ja nicht als wahr raus gestellt hat. Das Saudi Arabien existiert ja nach wie vor zum Glück.“
Der 11. September 2001 wird als „Wendepunkt“ (Hoffmann & Schoeller, 2001), als „Apokalypse“ (Giovanna Borradori, in: Habermas & Derrida, 2004, S. 9), als „Superlativ ohne Präzedenz“ (Schneckener, 2006, S. 12), als „Akt von beispielloser Symbolkraft“ (Bock, 2009, S. 7) oder als das erste „welthistorische Ereignis im strengen Sinne“ (Habermas, in: Habermas & Derrida, 2004, S. 52) beschrieben. Auch Noam Chomsky, der bekannte USamerikanische Sprachwissenschaftler, der in den letzten Jahrzehnten vor allem wegen seiner USA-kritischen Haltung berühmt wurde, verwies 2001 darauf, dass US-amerikanische Wissenschaftler meinten, mit dem 11.9.2001 sei die Welt in ein „Zeitalter des Terrors“ eingetreten, eine neue Epoche habe begonnen (Chomsky, 2001, S. 7). Jean Baudrillard spitzt noch weiter zu: „Mit dem Attentat auf das World Trade Center in New York haben wir es sogar mit einem absoluten Ereignis zu tun, mit der ‚Mutter‘ aller Ereignisse, mit einem reinen Ereignis, das alle nie stattgefundenen Ereignisse in sich vereint“ (Baudrillard, 2003, S. 11). In einem Interview mit SPIEGEL-ONLINE bezeichnet Baudrillard dieses Ereignis und seine Folgen gar als den „Vierten Weltkrieg“ (Baudrillard, 2002; Internetquelle). Dass das Phänomen des Terrorismus eine lange Geschichte hat und älter als sein Begriff ist, gehört mittlerweile fast zum Allgemeinwissen (vgl. z.B. Hoffman, 2002, 2006; Kushner, 2003; Laqueur, 2001; Mader, Micewski & Wieser, 2001; Rapoport, 1984; Waldmann, 2005a u.v.a.). Wir wollen deshalb an dieser Stelle nur kurz einige bemerkenswerte Entwicklungen markieren. Vorläufer des Terrorismus lassen sich bis ins erste Jahrhundert n. Chr. zurückverfolgen. Rapoport (1984), Laqueur (2001), aber auch Waldmann (2005a) verweisen gern, um den Beginn der Frühgeschichte des Terrorismus zu benennen, auf die Sikarier, von denen Flavius Josephus seiner Geschichte des Judäischen Krieges (De bello Judaico) berichtet. Josephus schildert umfassend und eindringlich den großen Aufstand der Juden gegen Rom in den Jahren 66 bis 70 n. Chr. Getragen und geführt wurde dieser Aufstand vor allem von den Zeloten (die „Eiferer“), eine – aus heutiger Sicht – paramilitärische Widerstandsbewegung. Der Ausdruck Zelot (vom Griechischen zelos Eifer, hebräisch kanai ʩʠʰʷ) leitet sich von der biblischen Gestalt Pinchas dem Zeloten, dem Enkel Aharons, ab, der mit dem Speer in der Hand für seinen Gott „eiferte“, indem er einem anderen „Mann aus Jisraels“, der sich mit einer der „Töchter Moabs“ eingelassen hatte, in dessen Zelt folgte und ihn und die Frau mit einer Lanze durchbohrte („In der Wüste“, 25,1-13; zit. nach „Die Schrift“, Buber & Rosenzweig, 1987). Eine Untergruppe der Zeloten waren die Sikarier (auch Dolchträger genannt; von lat. sica = Dolch), über die Josephus u.a. schreibt: „Sie begingen am hellen Tage und mitten in der Stadt Morde, mischten sich besonders an Festtagen unter das Volk und erstachen ihre Gegner mit kleinen Dolchen, die sie unter ihrer Kleidung versteckt trugen. Stürzten ihre Opfer zu Boden, so beteiligten sich die Mörder an den Kundgebungen des Unwillens und waren durch dieses unbefangene Benehmen gar
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nicht zu fassen. Der erste, der von ihnen erdolcht wurde, war der Hohepriester Jonathan, und in der Folgezeit häuften sich die Morde von Tag zu Tag derart, dass die Furcht vor ihnen mehr Entsetzen verbreitete als die Unglücksfälle selbst, da wie in der Schlacht niemand auch nur einen Augenblick vor dem Tode sicher war“ (Flavius Josephus; Ausgabe 1978, S. 177).
Nach der Zerstörung des Tempels und dem Fall Jerusalems zogen sich die Sikarier auf die Bergfestung Massada zurück. Dort konnten sich 973 Sikarier der Übermacht von 15.000 römischen Legionären der X. Legion unter dem Befehlshaber Flavius Silva noch bis 73 n. Chr. widersetzen. Flavius Josephus berichtet, dass die Belagerten, unter Führung von Eleazar ben-Ya'ir, angesichts ihrer aussichtslosen Lage beschlossen, lieber als freie Menschen zu sterben, als den Römern in die Hände zu fallen. Per Los bestimmten sie einige Soldaten, die den Rest der Gruppe und anschließend sich gegenseitig töten sollten. Als die römischen Legionäre die Festung schließlich stürmten, fanden sie nur noch zwei Frauen und fünf Kinder lebend vor. Durch diese Überlieferung wurde Massada zum Symbol des jüdischen Freiheitswillens. Die von Josephus berichtete Geschichte der Sikarier bietet genügend Stoff, um sie als einen Gründungsmythos des Terrorismus immer wieder erzählen zu können (vgl. auch Rapoport, 1984): Die Sikarier wandten Gewalt an, um politische und religiöse Ziele zu erreichen. Die Opfer der Gewalt waren in der Regel mehr oder weniger Unbeteiligte; zumindest nicht die Verantwortlichen der römischen Besatzung. Die Gewalttaten wurden öffentlichkeitswirksam auf Markt- und Versammlungsplätzen (der Agora) inszeniert. Die auf der Agora versammelten und feiernden Menschen fungierten quasi als Publikum, das in Angst und Schrecken versetzt bzw. zur Unterstützung der Gewalt angeregt werden sollte. Ein weiteres Beispiel findet sich im siebten Jahrhundert in Indien: die Glaubensgemeinschaft der „Thugs“. Sie erdrosselten ihre Opfer, um sie dann ihrer Hindu-Göttin Kali zu opfern (Waldmann, 2005a). Später, im 11. bis zum 13. Jahrhundert, war die schiitische Glaubensgemeinschaft der „Assassinen“ für eine Vielzahl an politischen Morden verantwortlich. Auch sie verwendeten wie die Sikarier den Dolch als Tatwaffe. Neben diesem Traditionsstrang des Terrorismus gibt es noch einen weiteren: den Tyrannenmord. Es geht hierbei um das Recht der Untertanen, politische Machtträger, die ihre grundlegenden Verpflichtungen nicht erfüllten, abzusetzen oder gar umbringen zu lassen. Diese Richtung lässt sich von Zeiten Aristoteles bis ins 18. Jahrhundert verfolgen und findet sein populärstes Beispiel in der Ermordung Caesars (44 v. Chr.), da dieser die republikanische Ordnung abgeschafft hatte (Waldmann, 2005a). Der Begriff „Terrorismus“ selbst taucht zum ersten Mal in der Zeit der französischen Revolution (1789-94) auf. Unter dem Terminus „terreur“ verstand man zu dieser Zeit einen durchaus positiven Begriff. Der Jakobiner Maximilien de Robespierre glaubte, dass die Tugend zu Zeiten des Friedens die Hauptquelle einer volkstümlichen Regierung sei, aber dass sie sich in Zeiten revolutionärer Phasen mit Terror verbinden müsse, damit die Demokratie siegen kann (Hoffman, 2002). Nach dem Sturz des regime de la terreur und der Hinrichtung Robespierres durch die Guillotine begann sich der Begriff des Terrors zu wandeln. Seitdem ist das Wort Terrorismus „ein politischer Kampfbegriff“ und wird je nach Interessenlage eingesetzt, wie das häufig kolportierte Diktum „des einen Terroristen, des
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
anderen Freiheitskämpfer“ zeigt (Schneckener, 2006, S. 31). Infolge der Industriellen Revolution und der damit einhergehenden Verbreitung des Kapitalismus kamen neue Gesellschaftstheorien zum Vorschein, die den Begriff des Terrorismus neu prägen sollten. Vor allem die Idee der „Propaganda der Tat“ von Carlo Pisacane nahm einen großen Einfluss auf Rebellen und Terroristen der Folgezeit. Carlo Pisacane gehört wohl zu den prominentesten und schillerndsten Vertretern und Vordenkern des modernen Terrorismus. Als Angehöriger des italienischen Hochadels kämpfte er gegen die Bourbonen und starb 1857 bei einer gescheiterten Revolte gegen die Bourbonenherrschaft. Mit dem Begriff „Propaganda der Tat“ verband Pisacane eine Idee, die einen großen Einfluss auf spätere Terroristen und terroristische Organisationen ausüben sollte. Nach Pisacane sei Gewalttätigkeit nicht nur notwendig, um Aufmerksamkeit zu erregen, sondern um zu informieren und die Massen für die Ziele der Revolution zu motivieren. Das Volk müsse durch Gewaltanschläge aufgerüttelt und den Feinden der Revolution Angst gemacht werden (vgl. auch Hoffman, 2002). Die sozialrevolutionäre Bewegung „Narodnaja Wolja“ (auch als Volkswille bezeichnet) versuchte als eine der ersten Terrororganisationen der Propaganda der Tat zu folgen. Sie ging gegen die autokratische Unterdrückung in Russland vor, indem sie gezielt und mit Sorgfalt ausgewählte Repräsentanten des Zarismus verfolgte und schließlich 1881 Zar Alexander II. tötete. Auch die irischen Gewaltbewegungen im 19. Jahrhundert gegen die englische Vorherrschaft ließen sich von der Propaganda der Tat inspirieren und prägten die Entwicklung des Terrorismus entscheidend mit. Die Ideen und Methoden des Clan na Gael und der IRB (Irisch-Republikanische Bruderschaft) gingen weit über die Ermordung einzelner Personen hinaus und es wurde keine Rücksicht mehr auf unschuldige Menschen genommen. Fortschrittliche Maßnahmen der irischen Bewegungen lagen zum einen darin, sich eine sichere Basis im Ausland zu schaffen, um von da aus agieren zu können, finanzielle Mittel zu beschaffen und Propaganda zu betreiben. Zum anderen wurden neue Methoden, wie Bomben mit Zeitzündern, eingesetzt und Anschläge auf Massenverkehrsmittel verübt (Hoffman, 2002). Mit den Methoden der Massenunterdrückung durch totalitäre Staaten oder Diktatoren fand in den 1930er Jahren ein weiterer Bedeutungswandel des Terrorismusbegriffs statt. Totalitäre Regime, wie beispielsweise im nationalsozialistischen Deutschland oder im stalinistischen Russland, übten völlige Kontrolle über ihr Land und Volk aus und verfolgten Staatsfeinde mit eiserner Konsequenz. In den 1940er bis 1980er Jahren spielte die revolutionäre Komponente wieder eine bedeutsamere Rolle, aber auch die ethno-nationalen/separatistischen und ideologisch motivierten Bewegungen gehören seit diesem Zeitpunkt zum Rahmen des Terrorismusbegriffs. Wir erinnern z.B. an den „Terror“ der Partisanenverbände im Zweiten Weltkrieg, an die „Roten Khmer“ oder an die von den USA finanzierten Contras in Nicaragua. Der Terrorismus als nichtstaatliches, organisiertes und transnational agierendes Netzwerk trat also schon vor dem 11.9.2001 auf die Bühne des Weltgeschehens und dies mit dem Anspruch, die Welt zu verändern. Ulrich Schneckener (2006, S. 12) verweist zwar darauf, dass die Anschläge auf das World Trade Center in New York und auf das Pentagon durchaus als singuläre Ereignisse betrachtet werden können. Dafür sprächen die destruktive
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Dimension der Anschläge (nie zuvor habe ein Terroranschlag mehr Tote gefordert und größere ökonomische Schäden verursacht), die mediale Dimension (erstmals in der Geschichte gab es Live-Bilder von einem Anschlag), die operative Dimension (die komplexe Logistik der Anschläge) und die weltpolitische Dimension (der erste erfolgreiche und von außen geplante Anschlag auf das Territorium der USA). Mit diesen Dimensionen würden die Anschläge aber auch den vorläufigen Höhepunkt eines Trends markieren, der sich bereits Anfang der 1990er Jahre abgezeichnet habe. Dieser Trend und die Dynamisierung und Globalisierung des Terrorismus und damit der Übergang vom nationalen zum transnationalen Terrorismus lasse – so Ulrich Schneckener – sich prototypisch an der Entwicklung des Netzwerks Al-Qaida, das bereits 1988/89 in Afghanistan und Pakistan gegründet wurde, nachzeichnen (Schneckener, ebd., S. 50-57): In einer ersten Phase (von 1988-1990) konzentrierten sich die Aktionen von Al-Qaida vornehmlich auf den Krieg, den die Sowjetunion in Afghanistan führte. In einer zweiten Phase (1990-1996) weiteten sich die Aktivitäten von Al-Qaida aus. Zwischen 1990 und 1996 hielt sich Bin Laden mit mehreren hundert ehemaligen Afghanistankämpfern im Sudan auf, um den islamisch geprägten Norden im Krieg gegen den Süden zu unterstützen. Außerdem verschärfte Al-Qaida in dieser Zeit den Propagandafeldzug gegen „korrupte“ Eliten in muslimisch geprägten Ländern, vor allem gegen das saudische Königreich. In der dritten Phase (1996-2001) erklärte Al-Qaida den USA und ihren Verbündeten den „Heiligen Krieg“ („Declaration of War Against the Americans Occupying the Land of the Two Holy Places“ vom 23.8.1996 und „Jihad Against Jews and Crusaders“ vom 23.2.1998; vgl. Schneckener, 2006, S. 55). Die vierte Phase in der Entwicklung von Al-Qaida begann mit dem 11. September 2001. Transnationaler Terrorismus unterscheidet sich vom national agierenden Terrorismus vor allem durch seine global agierenden Netzwerke, durch die soziale und symbolische Bindung an „Gleichgesinnte“, die in anderen Teilen der Welt aktiv sind. Wichtige und entscheidende Übergangsform zwischen nationalem und transnationalem Terrorismus sei der international operierende Terrorismus, bei dem Terroristen entweder Bürger oder das Territorium eines anderen Staates attackieren (Schneckener, ebd., S. 42ff. ebd.). Spätestens seit 1972, dem spektakulären Attentat, bei dem Terroristen der palästinensischen Terrororganisation „Schwarzer September“ während der Olympischen Sommerspiele in München elf Athleten der israelischen Olympia-Mannschaft als Geiseln nahmen und später töteten, hat sich der Terrorismus die internationalen Operationsgebiete erobert. Dieser Terroranschlag und seine Folgen scheint u.E. eine Initialzündung für die Internationalisierung und spätere Globalisierung des Terrorismus ausgeübt zu haben.3 Zumindest lässt die seit den frühen 1970er Jahren beobachtbare dynamische Zunahme an Terroranschlägen weltweit eine solche Vermutung nicht abwegig erscheinen. Allerdings sind die Datenquellen, auf denen solche Beobachtungen aufzubauen vermögen, auch nur bedingt als valide einzuschätzen. 3
Bruce Hoffman (2002, S. 85) sieht diese Initialzündung bereits durch einen anderen, früheren Terroranschlag ausgelöst und meint, das erste Auftauchen des „modernen internationalen Terrorismus“ könne auf den 22. Juni 1968 datiert werden. An diesem Tag kidnappten palästinensische Terroristen der Volksfront für die Befreiung Palästinas ein israelisches AL-EL-Flugzeug auf dem Weg von Rom nach Tel Aviv.
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
Bevor der Gedanke über die beginnende Internationalisierung und Dynamisierung des Terrorismus nach 1972 wieder aufgenommen wird, wollen wir uns deshalb kurz der Problematik der statistischen Erfassung von Terroranschlägen zu wenden. Die in der Literatur häufig genutzte Datenquelle, um einen Überblick über die Entwicklung des Terrorismus – gemessen an den Anschlägen pro Jahr – zu erhalten, war meist die von der St. Andrews Universität in Schottland in Zusammenarbeit mit der RANDCorporation (Kalifornien) betreute und gepflegte Datenbank; bis etwa Mitte 2008 unter der Webadresse http://db.mipt.org erreichbar (vgl. z.B. Waldmann, 2005a, S. 23). Diese Quelle scheint öffentlich aber nicht mehr zugänglich zu sein. Die RAND-Corporation hingegen bietet öffentlichen Nutzern (unter http://www.rand.org/ise/projects/terrorismdatabase) einen Zugang auf eine umfangreiche Database of Worldwide Terrorism Incidents an, die seit mehr als 30 Jahren gepflegt wird. Dem öffentlichen Nutzer wird aber nur der Zugang auf eine DemoVersion erlaubt, mit der nur ca. 10% der von RAND gesammelten Daten eingesehen und analysiert werden können. Dafür bekommt er aber einen uneingeschränkten Zugang zu vergangenen Publikationen der RAND-Corporation, aus denen sich zumindest ein gewisses Bild über die Entwicklung des internationalen Terrorismus in den 1970er und 1980er Jahren zeichnen lässt. So geben Karen Gardela und Bruce Hoffman in ihrer 1992 veröffentlichten RAND Chronology of International Terrorisms for 1988 folgenden Überblick:
Anzahl internationaler Terroranschläge
500 460 420 380 340 300 260 220 180 140 100 1968
1970
1972
1974
1976
1978
1980
1982
1984
1986
1988
Jahr
Abbildung 1.1: Zahlenmäßige Entwicklung terroristischer Anschläge weltweit (1968 bis 1988; erstellt nach Gardela & Hoffman, 1992; Internetquelle) Die Abbildung illustriert den o.g. in den 1970er beginnenden dynamischen Entwicklungstrend des internationalen Terrorismus.
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Anzahl internationaler Terroranschläge
Einen zeitlich umfangreicheren Überblick über diesen Entwicklungstrend bietet eine andere, ebenfalls US-amerikanische Quelle, die Global Terrorism Database, an. Die Global Terrorism Database (GTD) ist eine frei zugängliche Quelle, die vom US-amerikanischen National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorismus (einer Einrichtung des US-amerikanischen Department of Homeland Security) betreut wird und an der University of Maryland beheimatet ist. Die Informationen, auf die sich die Daten der GTD über den internationalen Terrorismus stützen, stammen alle ausschließlich aus frei zugänglichen Quellen, z.B. aus Internetnachrichten, digitalen Archiven, Büchern, Zeitungen und anderen öffentlichen Dokumenten. Internationale Ereignisse, die als Terroranschläge gewertet und in die GTD aufgenommen werden, müssen zunächst als „intentional act of violence or threat of violence by a non-state actor“ identifizierbar sein und überdies zwei von den folgenden drei Kriterien entsprechen: „1. The violent act was aimed at attaining a political, economic, religious, or social goal; 2. The violent act included evidence of an intention to coerce, intimidate, or convey some other message to a larger audience (or audiences) other than the immediate victims; and 3. The violent act was outside the precepts of International Humanitarian Law” (zit. n. Global Terrorism Database; Internetquelle). Eine auf dieser Basis mögliche Analyse der Entwicklung des internationalen Terrorismus zeigt die folgende Abbildung. 5400 4500 3600 2700 1800 900 0
Jahr
Abbildung 1.2: Zahlenmäßige Entwicklung terroristischer Anschläge weltweit (1970 bis 2007), für 1993 liegen keine Daten vor; erstellt nach Global Terrorism Database
Auffallend ist zunächst, dass sich die Zahl der jährlich angegebenen Terroranschläge gravierend von jenen unterscheidet, die aus der auf der Datenbasis der RAND-Corporation
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
fußenden Abbildung 1.1 zu entnehmen sind. Während diese Datenbasis z.B. für 1988 ca. 450 Terroranschläge verzeichnet, sind es in der GDT für das selbe Jahr etwa 3600 Anschläge. Die einzig tröstende Übereinstimmung zwischen beiden Statistiken zeigt sich in dem relativ, nicht absolut, ähnlichen dynamischen Zuwachs der Terroranschläge von Beginn der 1970er bis zum Ende der 1980er Jahre. Dass die Angaben der GDT nun aber keinesfalls unrealistisch hoch sein müssen, zeigt ein anderer Vergleich. In der Abbildung 1.2 ist u.a. zu erkennen, dass weltweit 2005 etwa 1.800 und 2007 ca. 2.800 Terroranschläge gezählt wurden. Der im April 2009 vom United States Department of State vorgelegte offizielle Country Reports on Terrorism 2008 weist hingegen für 2005 11.157 und für 2007 14.506 Terroranschläge weltweit aus (Country Reports on Terrorism, 2008; Internetquelle). Auf wiederum ganz andere Zahlen kommen die Forscher vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Die von ihnen ermittelten Daten (Jahrbuch Terrorismus 2009) verweisen für 2007 auf 5.026 (und in 2008 auf 2.515) terroristische Anschläge weltweit. Dass eine generelle Vorsicht gegenüber diesen und ähnlichen Daten geboten ist, hängt nicht nur mit der gegenstandsimmanenten Schwierigkeit zusammen, Terrorismus zu definieren und seine Erscheinungen, eben terroristische Akte, zu beobachten. Die Vorsicht hat auch mit den offenbar politisch motivierten Zählweisen zu tun. So hat Florian Rötzer (2005; Internetquelle) darauf aufmerksam gemacht, dass das US-amerikanische National Counterterrorism Center in den Jahren 2003 und 2004 nicht zutreffende Zahlen verkündet habe, nach denen der Terrorismus weltweit zurück gegangen sei. Tatsächlich sei er aber angestiegen. Ob tatsächlich Rechenfehler, wie vom damaligen US-amerikanischen Außenministerium mitgeteilt, zu den fehlerhaften Angaben geführt haben, oder ob auch politische Absichten (z.B. um auf vermeintliche Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus aufmerksam zu machen) dafür verantwortlich waren, lässt sich heute schwer entscheiden. Die vermutete dynamische Entwicklung weltweiter terroristischer Anschläge seit Beginn der 1970er Jahre einmal angenommen, ließe sich fragen, ob es Hinweise gibt, die diesen Trend zu erklären vermögen. Folgt man der Argumentation von Bruce Hoffman (2002), so waren es vor allem die PLO und ihre Untergruppen, die in den 1970er Jahren ein Modell anboten, an dem sich weltweit andere Terrorgruppen orientierten. Zwischen 1968 und 1980 waren die palästinensischen Terrorgruppen die aktivsten in der Welt (ebd., S. 87) und dienten sowohl den ethnisch-nationalistischen als auch den linksextremen Terrorgruppen (z.B. der RAF) als Vorbild. So erweiterten nicht nur palästinenische Terrorgruppen in den frühen 1970er Jahren ihre Operationsgebiete; z.B. durch die von dem Terroristen Carlos geleiteten Anschlägen auf El-Al-Flugzeuge auf dem Pariser Flughafen Orly im Januar 1975 oder durch die Attentate auf OPEC-Führer in Wien im Dezember 1975. Auch die deutsche Rote-Armee-Fraktion oder die japanische Rote Armee führte in den 1970er Jahren spektakuläre Anschläge auf internationalem Terrain durch (siehe auch Schneckener, 2006, S. 44).4 Gleichzeitig intensivierte sich die internationale Zusammenarbeit zwischen verschiedenen nationalen Terrorgruppen. 4
Beispiele: So besetzten am 24. April 1975 sechs RAF-Terroristen Teile der westdeutschen Botschaft in Stockholm und forderten die Freilassung der inhaftierten RAF-Spitze. Dabei wurden zwei Diplomaten durch die Terroristen erschossen. Am 30. Mai 1972 ermordeten Mitglieder der japanischen Roten Armee am internationalen Flughafen von Tel Aviv (heute Flughafen Ben Gurion) im Auftrag der palästi-
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„Bereits in den siebziger Jahren reichte die Kooperation von der gemeinsamen Ausbildung bis hin zur Planung und Bildung gemischter und multinationaler Kommandos zur Durchführung von Anschlägen (z.B. Beziehungen der RAF zum Schwarzen September)“ (Schneckener, 2006, S. 45).
In den 1970er Jahren dürfte sich auch eine besondere Form der staatlichen Unterstützung international agierender Terrorgruppen herausgebildet haben. Bekannt und hinlänglich beschrieben sind die Rolle Libyens als Hauptunterstützer des international agierenden Terrorismus5, die Einflussnahme des Iran auf die Entwicklung und die Ziele des international agierenden Terrorismus in den 1980er Jahren bis heute oder die Hilfe, die die sozialistischen Länder und die mit ihnen verbündeten „Volksdemokratien“ international operierenden Terrorgruppen angedeihen ließen (z.B. Schneckener, ebd., S. 47f.; Laqueur, 2001, S. 204ff.). Zeitversetzt genossen in den 1980er Jahren neue Terrorgruppen die Unterstützung durch die westlichen Demokratien, vor allem durch die USA. So unterstützte die CIA noch vor dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan im Dezember 1979 die Widerstandsbewegungen, die sich im Lande nach der Machtübernahme durch die kommunistische Demokratische Volkspartei Afghanistans unter Nur Muhammad Taraki 1978 organisierten. Nach der Besetzung des Landes durch sowjetische Truppen (im Jahre 1988 befanden sich mehr als 100.000 sowjetische Soldaten in Afghanistan) wurden die Widerstandsbewegungen vor allem durch die USA und durch Saudi-Arabien finanziell unterstützt. Diese Unterstützungen beliefen sich auf mehrere hundert Millionen Dollar pro Jahr. Die Waffen, die vor allem aus China, Ägypten, Israel, den USA und Großbritannien stammten, wurden von der CIA über Pakistan an die Mudschahedin geliefert (vgl. auch Rashid, 2001). Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen im Jahre 1989 eskalierte der Bürgerkrieg, an dem sich auch Al-Qaida und Osama bin Laden beteiligt haben (vgl. z.B. Schneckener, 2006, S. 51f.) und in den ab 1995 auch die Taliban eingriffen. Die Etablierung von terroristischen Gruppierungen in den 1970er und 1980er Jahren in den westlichen Demokratien und die zeitversetzte Unterstützung terroristisch agierender muslimischer Gruppierungen durch die westlichen Demokratien6 verweisen auf zentrale Hintergründe des modernen (national und/oder international operierenden) Terrorismus. Erinnert sei beispielhaft an die Rote Armee Fraktion in Deutschland, an die japanische Rote Armee oder an die Brigate Rosse in Italien7, aber auch an die Zusammenarbeit dieser
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nensischen Terrororganisation „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ 26 Menschen und verletzten Dutzende Weitere. Bruce Hoffman (2002, S. 257) macht darauf aufmerksam, dass nach der Chronologie des internationalen Terrorismus von RAND-St. Andrews University (jene Datenquelle, die gegenwärtig nicht mehr öffentlich zugänglich ist) im Jahre 1987 mindestens 15 und im Jahr darauf acht terroristische Zwischenfälle durch die Unterstützung Libyens durchgeführt wurden. Dass Pakistan und die USA die Taliban anfangs finanziell und materiell unterstützt haben, scheint mittlerweile unumstritten zu sein. Die Roten Brigaden (italienisch Brigate Rosse, BR) wurden als Terrororganisation 1970 gegründet. Zwischen 1970 und 1988 verübte die Gruppe 73 Mordanschläge und organisierte zahlreiche Entführungen und Banküberfälle. Den Höhepunkt des italienischen Linksterrorismus bildete die Entführung und Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Aldo Moro im Jahre 1978.
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
Gruppierungen und anderer terroristisch agierender „Befreiungsbewegungen“ mit den Geheimdiensten sozialistischer Länder8. Entstehung und Beginn der dynamischen Entwicklung des modernen Terrorismus und sein Übergang von nationalen zu internationalen Formen finden nicht zufällig in den 1970er Jahren statt. 1975 mussten die USA ihre Niederlage im Vietnam-Krieg eingestehen und 1979 begann mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan die Selbstzerstörung der Sowjetunion. In beiden Fällen wurde der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt, dass die Großmächte und ihre Ideen und Ideologien nicht unbesiegbar sind. Spätestens nach ihrer nationalen Etablierung wurden die modernen Terrorgruppierungen von den Großmächten und den dominierenden ideologischen Deutegemeinschaften in West und Ost in die Definitionskämpfe des Kalten Krieges eingebunden und instrumentalisiert. So meinte etwa Zbigniew Brzezinski, in der Zeit des Afghanistan-Krieges Berater für nationale Sicherheitsfragen unter US-Präsident Jimmy Carter, in einem 1998 erschienen Interview in Le Nouvel Observateur (Paris), dass Carter am 3. Juli 1979 (also noch vor dem Einmarsch der sowjetischen Truppen) den Befehl zur verdeckten Unterstützung der Gegner des pro-sowjetischen Regimes in Kabul gegeben habe. Auf die Frage „When the Soviets justified their intervention by asserting that they intended to fight against a secret involvement of the United States in Afghanistan, people didn't believe them. However, there was a basis of truth. You don't regret anything today?” antwortete Brzezinski: „Regret what? That secret operation was an excellent idea. It had the effect of drawing the Russians into the Afghan trap and you want me to regret it? The day that the Soviets officially crossed the border, I wrote to President Carter. We now have the opportunity of giving to the USSR its Vietnam war. Indeed, for almost 10 years, Moscow had to carry on a war unsupportable by the government, a conflict that brought about the demoralization and finally the breakup of the Soviet empire” (Brzezinski, 1998; Internetquelle).
Die je nach ideologischen und Machtinteressen erfolgte Zusammenarbeit zwischen den Terrorgruppierungen und die internationalen Unterstützungen in den 1970er und 1980er Jahren verweisen letztlich auch auf die systeminternen Schwächen der sich im Kalten Krieg gegenüberstehenden Macht- und ideologischen Definitionssysteme.9 Angesichts solcher Zusammenhänge und Hintergründe wird verschiedentlich davor gewarnt, sich zu stark von der Einzigartigkeit der Ereignisse des 11. September 2001 fesseln zu lassen (z.B. Hillebrandt, 2007, S. 48; Sloterdijk, 2006, S. 69). 8
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So gibt es Belege, dass die Regierungen der sozialistischen Länder nicht nur einzelnen Terroristen erlaubten, in ihren Ländern unterzutauchen (so wurden nach 1989 insgesamt zehn RAF-Aussteiger, die in der DDR untergetaucht waren, enttarnt), sondern dass Terroristen durch Geheimdienste und Regierungsbehörden in den sozialistischen Ländern finanzielle und logistische Unterstützung erhielten (z.B. Laqueur, 2001, S. 216ff.; Wunschik, 2007; Internetquelle; Hille, 2006; dagegen aber: Allertz, 2008). Jacques Derrida (in Habermas & Derrida, 2004, S. 127ff.) spricht im Zusammenhang mit dem internationalen Terrorismus sogar von einem autoimmunitären Prozess des Systems, das faktisch, aber auch im übertragene Sinne, am 11. September 2001 das Ziel der Terroranschläge war. „Ein autoimmunitärer Prozess ist, wie man weiß, jenes seltsame Verhalten des Lebendigen, das sich in fast selbstmörderischer Weise daran macht, ‚sich selbst‘, seinen eigenen Schutz zu zerstören, sich gegen seine ‚eigene‘ Immunität zu immunisieren“ (ebd., S. 128).
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Man könnte eher zunächst Folgendes vermuten: Nachdem Jean-Francois Lyotard bereits 1979 (deutsche Übersetzung: 1986) das Ende der „großen Erzählungen“ diagnostizierte und 1990 „Marx‘ Gespenster“ (Derrida, 1995) offenbar geschlagen von der Weltbühne abtraten, schien sich zunächst auch der globale Wettlauf der Systeme erledigt zu haben. Der antagonistische Widerspruch zwischen Kapitalismus und Kommunismus hatte, weil einer der Gegensätze, nämlich der Kommunismus, aus dem Wettstreit ausschied, seine Form verloren, in der er sich bewegen konnte.10 Für kurze Zeit schien mit dem „Ende der Geschichte“ (Fukuyama, 1992) der weitere Lauf des weltpolitischen Geschehens klar.11 Aber nicht nur die „großen Erzählungen“ von der sozialistischen Utopie waren mit dem Zusammenbruch des „real existierenden Sozialismus“ an ihrem Ende angekommen, auch die Vorstellungen über die ständig prosperiende kapitalistische Gesellschaft gerieten angesichts der Risiken, die in den und durch die hochentwickelten Industriegesellschaften weltweit produziert werden, ins Wanken. Barry Smart (1992) schreibt: „The disarticulation of Comecon and the collapse of repressive totalitarian political regimes in Eastern Europe demonstrate the economic ineffectiveness and political unacceptability of a particular (per)version of socialism. It does not necessarily constitute a vindication of either ‘the West’ or ‘capitalism’“ (S. 2). Zeichen dafür sind etwa: „... the escalating international debt crisis, the increasing volatility of industrial and commercial life, the growing risk of financial failure and bankruptcy, the continuing waste of resource, the degradation of the meaning and place of work in the lives of the majority of people, and the prospect of an accelerating ecological crisis ...“ (Smart, ebd., S. 3)12
Auch die Erwartungen, die in den Ländern des „Nordens“ über die Länder des „Südens“, die Länder der „Dritten Welt“, gehegt wurden (z.B. diese Länder könnten sich mit ihrer Rolle als ständige Rohstofflieferanten, als Billiglohnländer, als friedliche Post-Kolonien, als ökologische Zukunftsnischen usw. abfinden), waren trügerisch. Der Hunger in der Dritten Welt, der zunehmende ökologische Kollaps in der Region des Regenwaldes, das Patchwork der Bürgerkriege, neue oder wiederbelebte alte Fundamentalismen, aber auch die 10
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12
Diese Formulierung ist ein Hommage an Karl Marx, der gelegentlich vermerkte, die Methode, wodurch sich wirkliche Widersprüche lösen, bestehe im Schaffen einer Form, worin sie sich bewegen könnten (Marx, Das Kapital, Bd. 3, MEW, Bd. 23, S. 118). Dass sich am Ende des 20. Jahrhunderts die „liberale Demokratie“ gegenüber ihren autoritären Konkurrenten (Faschismus und Kommunismus) als einzige und „endgültige menschliche Regierungsform“ durchgesetzt habe und damit das „Ende der Geschichte“ erreicht sei, bezweifelt Fukuyama mittlerweile auch. Zumindest ist er – nicht zuletzt unter dem Eindruck der Terroranschläge vom 11. September 2001 – skeptischer geworden ob des endgültigen Siegeszuges der westlich liberalen Weltordnung (vgl. Fukuyama, 2004). Hinweis für Freunde der deutschen Sprache: Smart meint bereits 1992 sinngemäß, dass die Sprachlosigkeit der ökonomischen Gemeinschaft der sozialistischen Länder und der Zusammenbruch der repressiven totalitären Regime in Osteuropa demonstriert hätten, wie ökonomisch ineffizient und politisch inakzeptabel diese besondere (Per-)Version des Sozialismus sei. Dies würde aber in keiner Weise die „Richtigkeit“ des westlichen oder kapitalistischen Weges begründen. Die eskalierenden internationalen Krise, die explosive Lage des industriellen und kommerziellen Lebens, die zunehmenden Bankzusammenbrüche, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt und die ökologischen Krisen seien genügende Hinweise für die Probleme des kapitalistischen „Westens“.
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
beginnende wirtschaftliche Expansion einiger ehemaliger Dritte-Welt-Länder belehrten uns eines Besseren und sind mit ein Grund für die weltweiten Migrations- und Widerstandsbewegungen. Und allgemeiner macht Peter Sloterdijk auf Folgendes aufmerksam: „Es sind die neuen Sammlungsbewegungen der kampfbereiten Unzufriedenen und der energischen Überflüssigen, es sind die rapiden Vernetzungen des Verliererhasses, die unterschwelligen Proliferationen der Sabotage- und Zerstörungsmittel, die für die Wiederkehr des historischen Schreckens und der entsprechenden Hoffnungen zu sorgen scheinen“ (Sloterdijk, 2006, S. 69).
Vor diesem Hintergrund schien es fast, als würde der alte globale Systemwiderspruch wieder neu belebt, nun aber mit sich neu definierenden Protagonisten: Am Abend des 11.9.2001 verkündete der damalige US-Präsident Bush bekanntlich den „Krieg gegen den Terrorismus“ und der Bundeskanzler Schröder sicherte Bush in einem Schreiben „die uneingeschränkte Solidarität“ Deutschlands zu. Am 12. September 2001, dem Tag nach den Anschlägen, beschließt die NATO zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall: „Ein bewaffneter Angriff gegen einen Bündnispartner wird als Angriff gegen alle angesehen“, erklärt Generalsekretär George Robertson. Auch der Sicherheitsrat der vereinten Nationen wertete in seinen Resolutionen 1368 und 1373 die Anschläge vom 11.9.2001 als Akte, die das Recht auf Selbstverteidigung zu Tragen bringen (vgl. auch Bauer, 2007, S. 245). Damit definierten die USA, die NATO und möglicherweise die „westliche Welt“ den globalen Freund-Feind-Widerspruch neu: Auf der einen Seite, der Freundesseite, steht der zivilisierte Westen, der vom Hauptfeind Nr. 1, dem globalen Terrorismus, bedroht und zum Krieg gezwungen wird. „Amerika ist in einen großen Kampf eingetreten, der unsere Stärke und unsere Geschlossenheit auf die Probe stellt. ... Wir werden die Terroristen in Städten, Lagern und Höhlen in der ganzen Welt jagen. Dabei werden wir von einer großen Koalition von Nationen unterstützt, die die Welt vom Terror befreien will. Und wir werden es nicht zulassen, dass Terroristen oder Tyrannen die Zivilisation mit Massenvernichtungswaffen bedrohen. Jetzt und in der Zukunft werden die Amerikaner als freie Menschen leben, nicht in Angst, und niemals in der Gnade irgendeiner ausländischen Verschwörung oder Macht“ (Auszug aus der Rede von US-Präsident George W. Bush an die Nation am 11.9.2002 zum Jahrestag der Terroranschläge, Bush, 2002; Internetquelle).
Dass solche Aussagen die weltpolitische Situation auf ein einfaches Freund-FeindVerhältnis reduzieren, liegt auf der Hand. Die Kritik an den Kriegsreden von Bush und Rumsfeld entwickelte sich demzufolge nicht nur in Deutschland nach dem 11.9.2001 vehement. Aber keine Frage, seit diesem Tage hat sich die Welt gravierend verändert: Seit dem 11.9.2001 befindet sich die USA, und vielleicht auch die westliche Welt, im Krieg gegen
2 Der Terrorismus als Weltrisiko – Annäherung I
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den Terrorismus, auch wenn das von deutschen Politikern im Hinblick auf den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan semantisch lange Zeit ganz anders umschrieben wurde.13 Auch für die Protagonisten des international agierenden Terrorismus schien der alte globale Systemwiderspruch semantisch neu aufgeladen zu sein: In den o.g. Erklärungen von Al-Qaida im Jahre 1996 und 1998 werden die USA und ihre Verbündeten zum Hauptfeind erklärt, der für die weltweite Unterdrückung der Muslime verantwortlich sei (vgl. Schneckener, 2006, S. 55). Die Befreiung der Muslime sei nur möglich, wenn der Hauptfeind besiegt und vertrieben sei. Schneckener schreibt weiter: „In der Erklärung von 1998 wurde das Töten von US-Amerikanern, Zivilisten wie Soldaten, sowie die Plünderung ihres Eigentums zur muslimischen Pflicht erhoben: ‘We – with God’s help – call on every Muslim who believes in God and wishes to be rewarded to comply with God‘ order to kill the Americans and plunder their money wherever and whenever they find it‘“ (Schneckener, 2006, S. 66f.).
Cornelia Beyer (2007) sieht in der weltpolitisch starken und dominierenden Rolle, die die USA nach dem Zusammenbruch des Kommunismus einzunehmen versuchte, mögliche Ursachen für den internationalen Terrorismus nach 1990. Sie zitiert Richard K. Betts: „American global primacy is one of the causes of this war” (Betts, 2002, S. 20; zit n. Beyer, ebd., S. 59).
Die selbst definierten Positionen der Protagonisten im neu bestimmten Systemwiderspruch schienen sich nach 2001 spiegelbildartig zu ergänzen. Man könnte meinen, der internationale (islamistische) Terrorismus versuche seit Ende der 1990er Jahre, den Widerspruch zwischen den Weltsystemen und ihren gegenseitigen Kampf mit neuen, gewaltsamen Inszenierungen fortzusetzen und zu dynamisieren und die westliche Welt unter Führung der USA habe sich auf diesen „neuen“ Grundwiderspruch der Epoche eingelassen.14 Trotzdem fand der Widerspruch nicht die Form, in der er sich bewegen und zum Hauptmerkmal der Globalisierung werden konnte. Einerseits begann die Koalition der Willigen („coalition of the willing”), die Allianz von Staaten, die den Angriff der USA im Frühjahr 2003 auf den Irak im Dritten Golfkrieg politisch und militärisch unterstützten, bereits 2004 mit dem Rückzug der spanischen Soldaten aus dem Irak zu bröckeln. Andererseits gelang es dem internationalen (islamistischen) Terrorismus im Allgemeinen und Al-Qaida im Besonderen zwar transnationale Netzwerkstrukturen zu generieren; die Zielstellungen, die internationale Ordnung zu ändern und die sunnitisch-islamistische
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In der „WELT-ONLINE“ vom 11.7.2009 konnte man unter Überschrift „Deutschland lügt sich den Krieg in Afghanistan weg“ u.a. lesen: „Als Rom brannte, musizierte Nero. Afghanistan brennt, und in Deutschland tobt eine Schlacht um die Semantik. Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin: Indem man so tut, als gäbe es keinen Krieg, kann man die alte Losung der Grünen Wirklichkeit werden lassen. Freilich um den Preis der Wahrheit.“ (Welt-Online, 2009b; Internetquelle). Das Neue des neuen Terrorismus ist eben nicht – wie Thomas Kron meint (Kron, 2007, S. 85) – der Anspruch, „die strategische Überwindung von Gegensätzen und Widersprüchen“, sondern genau das Gegenteil.
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
Ideologie (Schneckener, 2006, S. 61) allen Muslime in der Welt als Leitideologie aufzuzwingen, konnten hingegen nicht erreicht werden. Mit anderen Worten: Die bipolare Weltordnung (Beck, 2007, S. 82) ist 1989 zusammengebrochen. Sie lässt sich auch nicht durch das Beschwören des „ancient battle between good and evil“ (so US-Präsident Bush im Mai 2008 in seiner Rede vor der Knesset in Jerusalem; Bush, 2008; Internetquelle) wiederbeleben. Ebenso wenig dürfte die Verbreitung einer besonders militanten Version der Dschihad-Ideologie (etwa der sunnitisch islamistischen Strömung Al-Takfir wal-Hijra)15 geeignet sein, einen neuen Grundwiderspruch der Epoche, nun den zwischen dem kulturell aufgeklärten Westen und dem militanten fundamentalistischen Islam, zu definieren. Die globalen Risiken lassen sich weder auf die neoliberale, imperialistische Dominanz der USA in den letzten Jahrzehnten noch auf die politischen und religiösen Wertsysteme der Muslime reduzieren (vgl. auch Ash, 2007; Internetquelle). Im Mai 2009 veröffentlichte das renommierte Gallup-Institut den Gallup Coexist Index 2009 (Gallup-Institut, 2009; Internetquelle). Der Gallup Coexist Index soll die Einstellungen gegenüber Menschen mit unterschiedlichen Glaubenstraditionen messen. Dieser Index setzt sich aus den Antworten auf folgende fünf Fragen zusammen: I always treat people of other religious faiths with respect. Most religious faiths make a positive contribution to society. I would not object to a person of a different religious faith moving next door. People of other religions always treat me with respect. In the past year, I have learned something from someone of another religious faith.
Aus den Antworten auf diese Fragen haben die Forscher vom Gallup-Institut Kriterien entwickelt, um angeben zu können, wie isoliert, tolerant oder integriert die jeweiligen Befragten sind. Zur Ermittlung des Index wurden 2008 in 27 Ländern jeweils mehr als 1000 Muslime befragt. Die folgende Abbildung zeigt u.a., dass in den aufgeführten Ländern ca. 50% der Muslime sich als tolerant gegenüber anderen Religionen einschätzen. Allerdings sieht sich in Deutschland und in Großbritannien – im Gegensatz zu den USA und Kanada – auch ein relativ großer Prozentsatz als isoliert gegenüber den Menschen anderer Religionen.
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„Die ,al-Takfir wal-Hijra‘ (am häufigsten übersetzt mit ‚für ungläubig erklären und auswandern‘) ist keine fest strukturierte Organisation, sondern eine sunnitisch islamistische ideologische Strömung, die sich durch eine äußerst aggressive Militanz auszeichnet. ‚Takfiris‘ (Anhänger dieser Glaubensrichtung) lehnen alle Staatsformen, die nicht auf den Grundsätzen der Scharia basieren, als unislamisch ab und bekämpfen sie. Sie bezeichnen Andersdenkende als ungläubig und erklären ihre Schädigung für rechtens. Die Ideologie der TwH hat unter arabischen Mujahidin weite Verbreitung gefunden“ (Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2009; Internetquelle).
2 Der Terrorismus als Weltrisiko – Annäherung I
Germany
31
38%
Netherlands
49%
30%
United Kindom
13%
55%
35%
45%
15% 20%
France
29%
49%
22%
Italy
29%
47%
24%
Belgium
28%
47%
25%
Norway
28%
Canada United States
44%
20%
28%
50%
15%
30%
52%
Isolated
Tolerant
33%
Integrated
Abbildung 1.3: Gallup Coexist Index 2009 (erstellt nach Gallup-Institut, 2009; Internetquelle)
Man kann sicher Peter Sloterdijk zustimmen, wenn er die von ihm o.g. „Wiederkehr des historischen Schreckens und der entsprechenden Hoffnungen“ als Schein bezeichnet und klarstellen möchte: „Insbesondere der sogenannte globale Terrorismus ist ein durch und durch posthistorisches Phänomen. Seine Zeit bricht an, wenn sich der Zorn der Ausgeschlossenen mit der Infotainmentindustrie der Eingeschlossenen zu einem Gewalttheatersystem für letzte Menschen verbindet. Diesem Terrorbetrieb einen geschichtlichen Sinn andichten zu wollen, wäre ein makabrer Missbrauch erschöpfter Sprachreserven“ (Sloterdijk, 2006, S. 69f.).
Einen geschichtlichen Sinn hat der moderne Terrorismus sicher nicht; zu den globalen Risiken gehört er sehr wohl. Für Ulrich Beck (2007) zählen die terroristischen Gefahren neben den ökologischen Krisen und den globalen Finanzkrisen zu den drei zentralen „Logiken“ globaler Risiken. Um diesen Logiken und ihren Folgen für die „Weltrisikogesellschaft“ auf die Spur zu kommen, wählt Beck einen Zugang, den auch wir uns im Folgenden zu eigen machen und der den begrifflichen Fokus unseres Projekts bildet: Beck (ebd., S. 29f.) unterscheidet zunächst zwischen Katastrophe und Risiken. Während Katastrophen, weil sie bereits stattgefunden haben, räumlich, zeitlich und sozial bestimmt sind, handelt es sich bei Risiken um die Möglichkeit künftiger Ereignisse und Entwicklungen. Die Anschläge am 11.9.2001 haben stattgefunden. Die terroristischen Ereignisse waren katastrophal und ihre Folgen sind es bis heute. Nicht nur die über 3000 Toten sind zu beklagen. Auch nicht, dass die Terroranschläge auf New York 0.25 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts gekostet haben (so die Aussage von Friedrich Schneider, Wirtschaftsprofessor an der Universität Linz, der im Auftrag der EU-Kommission ein For-
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
schungsprojekt zur „Ökonomie der Sicherheit“ bearbeitet; HANDELSBLATT, Donnerstag, 24. April 2008). Entscheidend, um solche Katastrophen von Risiken zu unterscheiden, ist für Beck die Frage, welche Antizipationen diese Ereignisse in den „Köpfen und Institutionen, und zwar vielfach über Grenzen von Nationen, Regionen, Religionen, politischen Parteien, Armen und Reichen hinweg“ erzeugt haben. Beck geht es dabei um die Frage, auf welchen Wegen globale Risiken, wie eben die terroristischen Gefahren, das Attribut „wirklich“ erlangen. Becks Antwort lautet: „Das Weltrisiko ist die Realitätsinszenierung des Weltrisikos… ‚Inszenierung‘ meint dabei nicht, wie in der Umgangssprache, die bewusste Verfälschung der Wirklichkeit durch das Aufbauschen ‚irrealer‘ Risiken. Die Unterscheidung zwischen Risiko als antizipierter Katastrophe und der tatsächlichen Katastrophe erzwingt vielmehr eine Beschäftigung mit der Rolle der Inszenierung. Denn nur durch die Vergegenwärtigung, die Inszenierung des Weltrisikos wird die Zukunft der Katastrophe Gegenwart – oft mit dem Ziel, diese abzuwenden, indem auf gegenwärtige Entscheidungen Einfluss genommen wird“ (Beck, 2007, S. 30; Hervorhebungen im Original).
3 Inszenierter Terrorismus – Annäherung II und das zentrale Projektziel 3 Inszenierter Terrorismus Interviewauszug (Interviewter: BJ86): „Also ich glaube, dass die Medien eine wesentliche Rolle beim Terrorismus spielen, weil auch der Terrorismus eben davon lebt, dass – Ein Terroranschlag ist auch nur dann ein Terroranschlag – oder ist ein effektiver Terroranschlag wenn die Medien darüber berichten. Ich. Die Al Qaida hat gesagt, sie werden dafür sorgen, dass die westliche Welt nie wieder ruhig schlafen kann. Und das hat sie in dem Sinne eigentlich erreicht, indem sie einen Terroranschlag macht in einem Urlaubsgebiet oder in der Türkei oder auf Bali wo auch immer und dass die Menschen eben in Angst leben. Dass sie Angst haben, dass sie ihre eigenen Freiheiten in ihren Demokratien verlieren, weil eben die Innenminister schärfere Gesetze einführen, die Überwachung der einzelnen Personen verschärfen, dass die bürgerlichen Freiheiten, die wir durch unser Grundgesetz haben, immer mehr eingeschränkt werden, um eben dem Terror zu begegnen. Und wir letztendlich in Unfreiheit leben, weil wir Angst haben vorm Terror. (…) Und ich habe mir oft die Frage gestellt, ob – wie´s wäre wenn eigentlich sagt – damit leben würde, wie man Krebs oder AIDS lebt und sagt: „Ok, ob ich jetzt an Krebs sterbe oder an AIDS oder an einem Herzinfarkt oder eben an einem Terroranschlag, ist mir scheißegal, aber meine persönliche Freiheit ist mir wichtiger.“ (…) Z.B. dass ich nicht überall gefilmt werde, dass nicht überall meine Fingerabdrücke genommen werden, dass meine Daten nicht überall gespeichert werden, dass (…) ich – mein Rechner nicht durchsucht wird, dass – dieser Überwachungsstaat führt ja dazu, dass die ganze westliche Welt sich, wenn man es mal überspitzt sagt, zu einem riesen großen Gefängnis entwickelt, (…) wo jeder jeden überprüft, nur um die Terroranschläge zu verhindern. Und es ist schon erschreckend mit welch primitiven und wenigen Mitteln diese Menschen, also Al Qaida oder Terroristen im Allgemeinen, das geschafft haben, das so weit zu treiben.“
3 Inszenierter Terrorismus
33
3.1 Inszenierung16 Ulrich Beck bietet keine eindeutige Definition von Inszenierung, aber genügend Andeutungen, um sich selbst einen Begriff zu machen: Er verweist darauf, dass ein wissenschaftlicher Begriff von Inszenierung von seiner umgangssprachlichen Deutung unterschieden werden muss und spricht in diesen Zusammenhängen von „Antizipation“ von Zukünftigem, von „Vergegenwärtigung“ und von „sozialer Konstruktion“ und „sozialer Definition“ (Beck, 2007, S. 30). Die Folgen der Antizipationen, um die es in den Inszenierungen geht, finden in den (individuellen) Köpfen, aber auch in (sozialen) Institutionen statt. Auch soziale Konstruktionen oder soziale Definitionen haben diese doppelte (individuelle und soziale) Beschaffenheit.17 Damit ist zunächst nicht viel gewonnen. Wichtiger ist wohl der Becksche Hinweis im Zusammenhang mit der Inszenierung des globalen Terrorrisikos. Hier (ebd., S. 131) nutzt Beck die leicht verstörende Formulierung von „gezielter Herstellung der wirklichen Möglichkeit“ (S. 131) und verweist damit auf die Konstruktionsbedingungen und deren Ziele im Rahmen von Inszenierung. Nun ist der Begriff der Inszenierung zumindest im Alltagssprachgebrauch zumeist mit negativen Konnotationen besetzt.18 Als Synonyme werden Trug, Schein oder Simulation angeführt, die nach normativer Tradition die Gegenbegriffe zu Sein, Wahrheit und Authentizität darstellen. In populärwissenschaftlichen Äußerungen, journalistischen Texte oder auch politischen Auseinandersetzungen erscheint der Inszenierungsbegriff eher als Mittel, um latente Diskreditierungen zu transportieren; z.B. wenn Kampagnen von Politikern oder Parteien als Show, Spektakel, Werbung, Vermarktung, also als inszeniert bezeichnet werden, um sie als Übertreibung, gestellte Idealisierung oder gar als unwahr zu entlarven und ihre Akteure als „Marionetten professionalisierter Werbestrategen“ zu identifizieren (Meyer, Ontrup & Schicha, 2000a, S. 127). Damit steht der Inszenierungsbegriff zunächst im Spannungsverhältnis zwischen Schein und Sein. Um unsere Auffassung zu begründen, dass dieses Spannungsverhältnis aber wohl eher einen individuell und sozial konstruierten (dialektischen) Widerspruch zwischen Realität und Fiktion ausdrückt, erlauben wir uns einen kleinen Exkurs in die Begriffsgeschichte: Nach Erika Fischer-Lichte (1998) stammt der Begriff „Inszenierung“/„In die Szene setzen“ aus dem Französischen. Der französische Begriff „mise en scène“ („Inszenierung“) taucht nach 1800 auf, und zwar zu einer Zeit, als sich grundlegende Veränderungen auf dem Theater ankündigten: der Regisseur wurde zum Künstler, zum Meister des „In Szene
16 17
18
Unter Mitarbeit Toni Rack; siehe auch Rack (2010). Soziale Konstruktionen der Wirklichkeit oder soziale Wirklichkeitskonstruktionen sind in sozialen Gemeinschaften (Gesellschaften, Organisationen, Gruppen etc.) von den betreffenden Mitgliedern geteilte (konventionalisierte) und weitergegebene (tradierte) Deutungen von Welt, einschl. der Welt der eigenen Gemeinschaft (vgl. auch Frindte, 1998, S. 77). Goffmans Ansatz, nachdem alle Menschen immer Theater spielen, ist eben kein Allgemeinplatz; siehe: „The Presentation of Self in Everyday Life“, das 1959 veröffentlichte und 1969 in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag“ erschienene Buch von Erving Goffman (1991).
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
setzen“, durch das „Unsichtbares“ zur Erscheinung gebracht werden soll. August Lewald beschrieb 1837 Inszenierung als einen Prozess, ein „dramatisches Werk vollständig zur Anschauung [zu] bringen, um durch äußere Mittel die Intension des Dichters zu ergänzen und die Wirkung des Dramas zu verstärken“ (Fischer-Lichte et al., 2000, S. 14). Mit Hilfe der Auswahl und Kombination sämtlicher Darstellungselemente durch einen Regisseur wurden die Vorstellungen des Dichters zur wirkungsvollen Darstellung verwandelt. Die Tätigkeit des ‚In-Szene-Setztens’ wurde damit zum schöpferischen Akt, die Aufführung, das gemeinsame Handeln der Schauspieler auf dem Theater, zum Prozess und zum Resultat der Inszenierung. Bis heute hat sich an der Einordnung von Inszenierung in den theatralen Kontext offenbar nicht viel geändert. Was allerdings die französische Herkunft des Wortes betrifft, so geht dem mis-en-scène die Verwendung von mettre quelqu'un, quelque chose sur la scène voraus. Schon um 1660 drückte man im Französischen damit die Platzierung von etwas oder jemand in einem künstlerischen (z.B. literarischen) Werk aus. Damit gemeint war ebenso etwas oder jemand in einem Theater(-stück) zum Gegenstand (bzw. zum Thema) zu machen (vgl. FischerLichte, 2005). Demnach ist der eigentliche Ursprung des Begriffs ein Vorgang, der an sich viel älter ist, als der Ausdruck Inszenierung dafür. Eine Person, einen Gegenstand oder einen Umstand zu thematisieren ist ein grundlegender kommunikativer Akt. Allein über eine Person zu sprechen, thematisiert diese. Um darüber hinaus noch nachhaltig Aufmerksamkeit (gegebenenfalls von einer größeren Menge an Personen) auf dieses Objekt oder Subjekt zu lenken, kann es fixiert werden. Eine Möglichkeit dafür ist die bereits erwähnte Platzierung in einem künstlerischen (z.B. literarischen) Werk. Damit wird auch die Vergänglichkeit eines bloßen Gesprächs überwunden, da z.B. ein verschriftlichter Text – so er denn erhalten bleibt – auch noch zeitversetzt rezipiert werden kann. Auf einen weiteren Aspekt von Inszenierung macht Martin Seel (2001) aufmerksam. In seinem Aufsatz Inszenierung als Erscheinenlassen – Thesen über die Reichweite eines Begriffs (2001) schreibt er: „Inszenierungen sind […] absichtsvoll eingeleitete oder ausgeführte sinnliche Prozesse, die vor einem Publikum dargeboten werden“ (Seel, 2001, S. 49). Dabei fällt auf, dass Inszenierungen als Prozess stets absichtsvoll eingeleitet oder ausgeführt werden. Seel will damit die Erfordernis intentionalen Handelns herausstellen. So heißt es weiter „Innerhalb von Inszenierungen kann sich vieles absichtslos vollziehen, aber keine Inszenierung kann sich absichtslos vollziehen“ (ebd., S. 49). Demnach kann die Inszenierung auch (nur) der Vorgang sein, der darauf aufbauende Ereignisse oder Situationen einleitet, anstößt bzw. erst ermöglicht. Dass nach dem Einleiten auch die komplette Ausführung intendiert ist, stellt also eine Art Extrembeispiel von Inszenierung dar. So ist dies z.B. am Theater der Fall, wo hoch professionelle Schauspieler die Anweisungen des Regisseurs detailgetreu umsetzen. Überdies macht Seel explizit deutlich, dass das Publikum für eine Inszenierung unverzichtbar ist. Inszeniert wird für Rezipienten und nie zum Selbstzweck. Dabei kann das Publikum aus mehr oder weniger präsenten Anderen bestehen. Weniger präsent ist z.B. ein Publikum, das am heimischen Fernsehapparat oder mit Blick auf den Desktop einer medialen Inszenierung beiwohnt. Auf eine solche kommunikations- und medienwissenschaftliche Verwendung des Begriffes Inszenierung beziehen sich Christian Schicha und Rüdiger Ontrup, die teils zusammen mit Thomas Meyer am DFG-Forschungsprojekt „Theatralität. Theater als kulturelles
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Modell in den Kulturwissenschaften“ mitgewirkt haben. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf der Inszenierung des Politischen. Inspiriert und beeinflusst wurde diese Arbeit auch von weiteren Fachdisziplinen, wie Theaterwissenschaft, Soziologie, Philosophie, Psychologie und Sozialwissenschaft, die am DFG-Projekt teilnahmen. In diesem Kontext wurde auch der Versuch einer allgemeingültigen Definition von Inszenierung unternommen: Inszenierungen sind Vorgänge, durch die „Handlungen oder Zusammenhänge absichtsvoll und mit einer bestimmten Wirkungsabsicht zur Erscheinung gebracht werden“ (Schicha & Ontrup, 1999, S. 80). Eine Inszenierung impliziert damit das „kalkulierte Auswählen, Organisieren und Strukturieren von Darstellungsmitteln, das in besonderer Weise strategisch auf Publikumswirkung berechnet ist“ (ebd.). Nach Herbert Willems19 kann man damit „die verschiedenen Inszenierungsvarianten jenseits des Theaters […] im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners grundsätzlich analog zum Modell des auf einer Theaterbühne eine fiktionale Realität ‚In-Sezene-Setzens‘ definieren“ (Willems, 2009, S. 80). Etwas in besonderer Weise absichtsvoll zum Erscheinen bringen, damit es seine Wirkung beim Publikum entfalten kann, so ließe sich Inszenierung im Sinne von Schicha und Ontrup (ebd.) definieren. Inszenierung wird auf diese Weise zu etwas Alltäglichem. Ähnlich wie bereits Schicha und Ontrup hebt auch Hickethier (1998) in seiner Definition die Intentionalität des ‚In-Szene-Setzens’ hervor. So beschreibt er Inszenierung als „absichtsvolle Anordnung des Mitzuteilenden“ (S. 190). Hinter dem Begriff absichtsvoll steckt eine individuelle und/oder soziale Bewusstheit oder Intention, welche sich auf die Anordnung, sprich die Art und Weise der Gestaltung, auswirkt. Und ein weiterer, bereits angedeuteter Aspekt des Inszenierungsbegriffs darf nicht unerwähnt bleiben: die mediale Inszenierung. Mediale Inszenierung ist in vielen Strategien zwar der theatralen Inszenierung ähnlich. Während aber im Theater in der Regel Klarheit darüber herrscht, dass das, was auf der Bühne zu sehen ist, Fiktion ist, kann in medialen Inszenierungen neben der Fiktion auch die Realität direkt zum Gegenstand bzw. zum Thema werden, etwa dann, wenn in Nachrichtensendung über Naturkatastrophen oder Terrorismus berichtet wird. So heißt es denn auch bei Christa Karpenstein-Eßbach u.a.: „(Mediale) Inszenierungen zielen auf gesteigerte Erfahrungen und Faszination im momentanen Erleben von Zuschauern. Sie verdichten und potenzieren Ereignisse und Rollen zur auf Dauer gestellten Sensation im Programm (speziell des Fernsehens), und dies gleichermaßen im privaten und öffentlichen Raum wie in den Bereichen Fiktion und Realität“ (Karpenstein-Eßbach, 2004, S. 208).
Durch die inszenierte Fokussierung und (Über-)Betonung einzelner Merkmale von Personen oder Geschehnissen verschwimmen in der medialen Inszenierung die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sowie zwischen privatem und öffentlichem Leben. Dass dies für die Wirkung und Wahrnehmung von medialen Inszenierungen relevant ist, wollen wir an dieser Stelle vermerken und später wieder aufgreifen. Damit schließt sich zunächst einmal der Kreis zu den Beck‘schen Andeutungen und zu dem von uns für die weitere Darstellung genutzten Begriff von Inszenierung. 19
Herausgeber der DFG-Forschungsergebnisse „Theatralisierung der Gesellschaft“.
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
Wir verstehen unter Inszenierung die gezielte Herstellung von sozialen (kommunikativ verfassten) Formen, in denen mögliche Ereignisse und Prozesse als wirkliche (also wirkende) interpretiert werden können. Inszenierungen liefern Formate oder Angebote für die soziale und individuelle Konstruktion von Wirklichkeit. Wie diese Formen beschaffen sind und welche Ereignisse und Prozesse damit in welcher Weise als Wirklichkeiten konstruiert werden, hängt entscheidend von den – ebenfalls von Beck (2007, S. 64ff.) beschriebenen – Definitionsverhältnissen ab. Er führt diesen Begriff in Analogie zu dem von Karl Marx explizierten Begriff der Produktionsverhältnisse ein. Zu den Definitionsverhältnissen gehören nach Beck „…die Regeln, Institutionen und Kapazitäten, die die Identifikation und Anerkennung von Risiken in bestimmten Kontexten (z.B. innerhalb von Nationalstaaten, aber auch in den Beziehungen zwischen ihnen) vorgeben. Sie bilden die rechtliche, epistemologische und kulturelle Machtmatrix, in der die Risikopolitik organisiert wird“ (ebd., S. 68f.).
Die sozialen Formen, in denen mögliche Ereignisse und Prozesse als wirkliche erscheinen können und die individuellen Formen, in denen sie interpretiert und bewertet werden, stellen Rahmen zur (Re-)Konstruktion von Wirklichkeit dar. Solche Formen oder Rahmen sind das Ergebnis von Unterscheidungen und die Grundlage für weitere Unterscheidungen. Wir werden im Weiteren diese Formen oder Rahmen auch Frames nennen (siehe ausführlich Kap. II).
3.2 Terrorismus Terror und Terrorismus sind unscharfe Begriffe. Die damit bezeichneten Phänomene sind es nicht minder. Die Bemühungen, eine umfassende, passfähige und gleichermaßen operationalisierbare Definition zu finden, scheitern meist, „… denn die Natur des Terrorismus verändert sich je nach Ort und Zeit, was für eine terroristische Bewegung … zutrifft, gilt nicht notwendigerweise auch für eine andere Gruppe in einem anderen Land, einer anderen Zeit und einer anderen politischen Tradition“ (Laqueur, 2003, S. 208; vgl. auch Hoffman, 2002, S. 34ff.).
Die Versuche „Terrorismus“ und „Terror“ zu definieren, sind zahlreich und umstritten. Einige dieser Definitionen (z.B. die Erklärung des U.S. State Departments; Livingston, 1994) heben vor allem die Motive, andere dagegen vor allem die Ziele der terroristischen Aktionen (z.B. die von der Rand Corporation entwickelte Definition; vgl. Weimann & Brosius, 1989) hervor. Andere Begriffsbestimmungen definieren den Terrorismus durch seine kriminelle Gewaltaffinität (z.B. die Definition der United Nations oder der Task Force on Disorder and Terrorism; vgl. Biernatzki, 2002). Waldmann (2005a) und Berger und Weber (2006) betonen, dass Terrorismus „von nicht-staatlichen Gruppen oder Individuen“ ausgeübt wird. Hoffman (2002) sieht im Terrorismus eine Gewalthandlung, um ein politisches System radikal zu verändern. Berger und Weber (2006) meinen indes auch, dass
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es dem Terrorismus nicht immer um politische Ziele gehe. Die intendierte Erzeugung psychischer Effekte (wie Angst, Furcht und Schock) steht im Mittelpunkt einer weiteren Gruppe von Definitionen (z.B. Brinkemper, 2002, S. 212). Die Neutralität der Opfer bzw. die Unterscheidung zwischen Terrorzielen und Terroropfern bilden ebenfalls einen Kern möglicher Begriffsbestimmungen (Schmid & de Graaf, 1982, S. 15; Biernatzki, 2002, S. 5). Berger und Weber (2006), Hoffman (2002), Jenkins (1975), Tsfati und Weimann (2002), Waldmann (2005a) u.a. betonen überdies, dass auch die angestrebte massenmediale Verbreitung der geplanten und/oder realisierten terroristischen Aktionen zu den Merkmalen von Terrorismus zu rechnen seien. Mediale Berichterstattung schafft Öffentlichkeit und nur dadurch sei es den Terroristen überhaupt erst möglich, ihre Ziele zu realisieren. Der Terrorismus und die damit verbundene Gewalt sind Zeichen, deren Auftrittswahrscheinlichkeiten und Bedeutungen viel schwerer zu entschlüsseln sind, als ihre brachialen Akte es erscheinen lassen. Für Peter Fuchs (2002; Internetquelle) etwa ist der Terror blindwütig, „weil er selbst keine Adresse hat. Auch an den Terror kann man nicht schreiben“. Sicher, terroristische Netzwerke agieren autonom und eigendynamisch. Insofern mag der Terror blindwütig sein; seine Akteure hingegen sind es nicht. Horst Entorf konzeptualisiert Terroristen in diesem Sinne „als rationale Akteure …, die versuchen mit den ihnen gegebenen Ressourcen den Grad ihrer gemeinsamen Zielerreichung zu maximieren“ (Entorf, 2005, S. 5). Auch mögen sich die Vorbereitung terroristischer Aktionen, die personalen und sozialen Charakteristika der terroristischen Gruppen und ihrer Führer etc. zwar weitgehend herkömmlicher sozialwissenschaftlicher Erforschung entziehen (Hudson, 1999), die sozialen Potentiale und Latenzen des Terrorismus sind keinesfalls unbestimmt und durchaus beobachtbar. Es handelt sich um die Mythen und Ideologien der Gegen-Moderne und ihre Vertreter. Phänomenologisch haben wir es dabei u.a. mit politisch, religiös und/oder ethnisch begründeten Ethnozentrismen, Nationalismen, sozialen Diskriminierungen, Anti-Amerikanismen, Anti-Semitismen und Gewaltbefürwortungen zu tun. Alex P. Schmid (1984) und Schmid und Jongman (1988) verglichen über 100 Terrorismusdefinitionen und prüften sie auf ihre Gemeinsamkeiten. Dabei ließen sich zwar 22 definitorische Elemente finden, die Terrorismus charakterisieren, aber keines kam in allen Definitionen vor; die meisten Elemente wurden nicht mal in der Hälfte der Definitionen verwendet (siehe Tabelle 1.1).
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
Tabelle 1.1: Häufigkeit der definitorischen Elemente in 101 Definitionen von Terrorismus (Schmid & Jongman et al., 1988; in: Hoffman, 2002, S. 51) Element 1. Gewalt, Zwang 2. Politisch 3. Hervorhebung von Furcht und Schrecken 4. Drohung 5. Psychologische Effekte und antizipierte Reaktionen 6. Opfer-Ziel-Differenzierung 7. Zielgerichtetes, geplantes, systematisches, organisiertes Handeln 8. Methoden des Kampfes, Strategie, Taktik 9. Außerhalb der Normalität, Verletzung akzeptierter Regeln, ohne humanitäre Rücksichtnahmen 10. Nötigung, Erpressung, Herbeiführung von Nachgiebigkeit 11. Publizitätsaspekte 12. Willkürlichkeit; unpersönlicher Zufallscharakter; Wahllosigkeit 13. Zivilisten, Nicht-Kombattanten, Neutrale, Außenseiter als Opfer 14. Einschüchterung 15. Hervorhebung der Schuldlosigkeit der Opfer 16. Gruppe, Bewegung, Organisation als Täter 17. Symbolische und demonstrative Aspekte 18. Unberechenbarkeit, Unvorhersehbarkeit, Plötzlichkeit d. Auftretens von Gewalt 19. Heimlichkeit 20. Wiederholbarkeit; Serien- oder Kampagnencharakter der Gewalt 21. Kriminell 22. Forderungen an dritte Parteien
Häufigkeit % 83.5 65.0 51.0 47.0 41.5 37.5 32.0 30.5 30.0 28.0 21.5 21.0 17.5 17.0 15.5 14.0 13.5 9.0 9.0 7.0 6.0 4.0
Auch wenn sich dieser Versuch, eine passende Definition zu finden, als unrentabel erwies und Walter Laqueur meint, dass es „weder möglich noch der Mühe wert“ sei, derartige Versuche zu unternehmen (Laqueur, in: Hoffman, 2002, S. 50), sollte man sich zuerst einmal die Frage stellen, was die Definition des Terrorismus eigentlich so schwierig macht. Ein Teil der Antwort liegt sicherlich in den „semantischen Verwirrspielen politischer Akteure“, wie Münkler (2002) betont oder hängt mit der Macht der von Beck (2007) beschriebenen Definitionsverhältnissen zusammen. Die ausschließlich negative Konnotation des Terrorismus-Begriffes führt zu einer Brandmarkung von politischen Feinden und der Verachtung ihrer Methoden. Kaum jemand lässt sich deshalb wohl selbst gerne als Terrorist bezeichnen. Verdeutlicht wird dies zum Beispiel durch die Jassir Arafat zugeschriebene Aussage, dass man wohl niemanden als Terrorist bezeichnen kann, der für eine gerechte Sache eintritt. Es geht eben neben dem Stigmatisierungsaspekt auch um ein Abgrenzungsproblem, denn die klare Trennung von Terrorismus, Partisanen-, Guerilla- und Freiheitskampf gestaltet sich nicht ganz so leicht. Diese Komplexität des Terrorismusphänomens macht eine allgemein akzeptierte und handhabbare Begriffsbestimmung fast unmöglich. Eine Arbeitsdefinition dürfte allerdings für die wissenschaftliche Beschäftigung keinesfalls unnütz sein, um zumindest in Umrissen
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zu bestimmen, welche Gewaltstrategien und Ökonomien man mit dem Begriff Terrorismus bezeichnet und wie man ihn von anderen politisch-militärischen Strategien abgrenzt (Münkler, 2002). Um die in den vielen Definitionen angesprochenen Ziele des Terrorismus (Unsicherheit, Schrecken, Schadenfreude und Sympathie) erreichen zu können, bedarf es der medialen Inszenierung von Terror, Terroranschlägen und Terrorismus. Jenkins (1975; aber auch Tsfati & Weimann, 2002) sprechen deshalb vom „Theater of Terror“. Peter Fuchs (2004, S. 82f.) sieht zwischen Terrorismus bzw. Terror und den Massenmedien strukturelle Kopplungsbeziehungen. Bruce Hoffman (2002, S. 279) verweist zwar mit Recht darauf auf, dass das 1975 von Jenkins formulierte Fazit, Terroristen wollten, dass möglichst viele Menschen zusehen und zuhören, aber nicht sterben, angesichts der Ereignisse des 11. September als gefährlicher Anachronismus betrachtet werden müsse. Eine enge Verbindung zwischen medialer Inszenierung des Terrors und seinen Wirkungen stellt aber auch er nicht in Frage. Hoffman trifft sich da mit Peter Waldmann, der meint: Terrorismus sei primär eine Kommunikationsstrategie (Waldmann, 2005a, S. 15). Und das führt uns schließlich zu folgender Arbeitsdefinition: Terrorismus (von lat. terror: „Furcht, Schrecken“) ist a. b. c. d.
eine kalkuliert inszenierte gewalttätige Kommunikationsstrategie, mit der (nichtstaatliche) Akteure versuchen, die Gesellschaft, Staaten, deren Institutionen oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen zu schädigen und/oder in Angst und Schrecken zu versetzen, um auf diese Weise politische Ziele zu erreichen.
3.3 Inszenierter Terrorismus Die inszenierte gewalttätige Kommunikationsstrategie funktioniert dann und nur dann, wenn sich a) die Gesellschaften, Staaten, deren Institutionen oder einzelne gesellschaftliche Gruppen, die als Ziele und potentiellen Opfer geschädigt werden sollen, b) politische, wissenschaftliche und journalistische Beobachter und c) potentielle Unterstützer und/oder Sympathisanten der Terrorakteure auf die gewalttätigen Inszenierungen einlassen, sie interpretieren, definieren, mögliche Folgen antizipieren und so schließlich selbst mit zu Protagonisten der Inszenierung von Terrorrisiken werden. Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Verbreitungsmedien. Die Leserinnen und Leser werden sich erinnern: Am 11.9.2001 wurden vier Flugzeuge der United und der American Airlines gekapert. Um 8:46 New Yorker Ortszeit – 14:46 Uhr mitteleuropäischer Zeit – flog die erste Boeing 767 in den Nordturm des World Trade Center (WTC). Acht Minuten später erschien die erste Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press; gegen 15.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit konnten deutsche Fernsehzuschauer die ersten Live-Bilder auf n-tv und N24 verfolgen. Um 15.00 Uhr berichten auch die ersten deutschen Radiosender, dass in Manhattan ein Flugzeug in den Nordturm des WTC geflogen sei. Um 15:10 Uhr geht Peter Klöppel mit der ersten Sondersendung zu den Anschlägen für den Sender RTL auf Sendung. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender
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I Ausgangspunkte und Grundlagen
folgen kurze Zeit später. Peter Klöppel bleibt am 11.9.2001 mit RTL-aktuell von 15:10 bis 19:21 Uhr auf Sendung und erhält im März 2002 dafür den Grimme-Preis. Die Tagesschau erzielt an diesem Tag mit mehr als neun Millionen Zuschauern Rekordeinschaltquoten. Von Jean Baudrillard stammt der folgende zugespitzte Satz: „Es gibt keine gute Weise des Mediengebrauchs, die Medien sind Teil des Ereignisses, sie sind Teil des Terrors, und sie wirken im einen oder im anderen Sinne“ (Baudrillard, 2003, S. 32).
Zweifellos treibt Baudrillard mit dieser Aussage die Medienkritik auf die Spitze. Den Massenmedien kann einerseits kaum die Schuld oder Verantwortung für die Terroranschläge der letzten Jahre zugeschrieben werden. Die Verbreitungsmedien schaffen aber andererseits die Voraussetzungen, damit lokale terroristische Ereignisse globale Wirkungen erzielen und ein globales Publikum finden. Moderner Terrorismus ist auf die Funktion von Verbreitungsmedien angewiesen und spekuliert auf deren Wirkungen (vgl. auch Schmid & de Graaf, 1982; Biernatzki, 2002; Brosius, 2001; Fuchs, 2004; Dobkin, 2005; Nacos, 2007; Waldmann, 2005a; Glaab, 2007 u.v.a.). Das Dilemma der Medien besteht darin, dass indem über Terroranschläge und latente Terrorrisiken berichtet wird, ein basales Ziel von Terroristen erfüllt wird: eine breite Öffentlichkeit nimmt Kenntnis davon. Dem Vorwurf, dass Medien mit ihrer inszenierten Berichterstattung terroristischen Absichten (wie der Verbreitung von Angst und Schrecken) zum Erfolg verhelfen, ist entgegenzusetzen, dass Medienmacher selbst gar nicht die Wahl haben, über Terroranschläge zu berichten oder zu schweigen. Anhand festgelegter Nachrichtenfaktoren20 wird selektiert, was zur Nachricht wird und was nicht. Terroranschläge, gerade in der Größenordnung der Anschläge vom 11.9.2001, haben einen so hohen Nachrichtenwert, dass sie in den Nachrichten schlichtweg nicht verschwiegen werden können. Allerdings bleibt die Entscheidung, in welcher Art und Weise darüber berichtet wird, sprich wie terroristische Aktionen medial inszeniert werden. Die für uns relevante Frage lautet demzufolge nicht, wie sich Nachrichten über Terrorereignisse in den Meinungen der Rezipienten widerspiegeln, sondern, ob und in welcher Weise die von Medien produzierten und konstruierten Definitionsrahmen über terroristische Anschläge den individuellen Interpretationen über Terrorismus entsprechen, sie verstärken oder verändern können. Zwischenfazit Die wirksame Inszenierung des Terrorismus bemisst sich also nicht nur an der symbolhaften und spektakulären Gewaltperformance, schließt auch nicht nur die mediale Aufführung durch Journalisten und Medienmacher ein. Sondern an der Inszenierung sind die Akteure und Sympathisanten des Terrorismus, die Ziele, die Opfer, die politischen, 20
Nachrichtenfaktoren sind die Selektionskriterien, nach denen Journalisten entscheiden, was zur Nachricht wird und was nicht. Z.B. räumliche Nähe, Negativität, Überraschung, Bezug auf Elitepersonen oder Elitenationen, etc. (Nachzulesen u.a. bei Ruhrmann & Woelke, 2003). Umstritten ist dabei allerdings, ob bzw. inwieweit diese Merkmale den Ereignissen tatsächlich selbst „anhaften“ oder ihnen bloß (subjektiv geleitet) zugeschrieben werden (siehe dazu auch Burkart, 1998, S. 283-287).
3 Inszenierter Terrorismus
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wissenschaftlichen und Alltags-Beobachter und die Medien gleichermaßen beteiligt. Nur so erhält der Terror seine Form und Wirkung (vgl. auch Klimke, 2002).
Abbildung 1.4: „Matrix“ der Protagonisten in der Inszenierung von Terrorismus
1.
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Wir sprechen vom Terrorismus als kalkulierte Inszenierung und meinen damit genau den Wortsinn, den das Wort „kalkuliert“ hat. In der Wirtschaftssprache und in der Mathematik geläufig hat es die Bedeutung von „berechnend“ und „geplant“. Und eben in diesem Sinne ist der Terrorismus eine berechnende und geplante Inszenierung. Wir sprechen vom Terrorismus als kalkulierte Inszenierung, weil er eine geplante und berechnende Aufführung und Vorstellung von etwas ist, das gleichzeitig verstellt und verschleiert aufgeführt wird. Jede Inszenierung lebt aus dem, was sie nicht ist (Iser, 1991, S. 511). Inszenierung ist die gezielte Herstellung von Formen, in denen mögliche
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3.
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I Ausgangspunkte und Grundlagen Ereignisse und Prozesse als wirkliche (also wirkende) erscheinen. Terroristen geht es nicht in erster Linie darum, Zivilisten zu töten (auch wenn das in den o.g. Erklärungen von Al-Qaida explizit betont wird), sondern sie wollen den Gegner zwingen, den Terrorismus als Risiko zu interpretieren und risikovolle Risikofolgeentscheidungen zu treffen, mit denen sie (die Gegner) sich sukzessiv weiter schwächen. Wie jede Inszenierung sind auch die des Terrorismus und des Anti-Terrorismus mit Mehrdeutigkeiten, Paradoxien und Irritationen verknüpft (vgl. auch Japp, 2007). So stehen die Anschläge auf Unschuldige offenbar im Widerspruch zu den Absichten des transnationalen Terrorismus, sich von der Vormachtstellung der USA und ihrer Verbündeten zu befreien. Der „Krieg gegen den Terrorismus“ andererseits scheint in seinen konkreten Facetten den demokratischen und liberalen Wertvorstellungen der Anti-Terror-Akteure zuwider zu laufen. Wir sprechen vom Terrorismus als kalkulierte Inszenierung, weil sich die Protagonisten der Inszenierung mit ihrer Inszenierung selbst inszenieren. Die Selbstinszenierung der Terroristen ist keine Selbstoffenbarung, sondern mit dem Terrorakt wollen sich die Terroristen selbst idealisieren und ihre eigenen Unzulänglichkeiten auf die Terrorziele und Terroropfer projizieren. Auch den Kämpfern und Koalitionen gegen den Terrorismus geht es in ihren Selbstinszenierungen nicht selten darum, von den eigenen internen Widersprüchen in ihren Zivilgesellschaften abzulenken. Der Terrorismus ist die kalkulierte Inszenierung, weil es Beobachter (ein Publikum, Journalisten, Wissenschaftler etc.) gibt, die entweder in Angst und Schrecken versetzt werden oder sich willig als Sympathisanten an der Inszenierung beteiligen sollen. Auf jeden Fall steht dieses Publikum vor einem psychologischen Dilemma: Entweder es erkennt die o.g. Mehrdeutigkeiten, Paradoxien und Irritationen in der Inszenierung von Terrorismus und Anti-Terrorismus als solche oder es versucht, den Situationen der Ambiguität mit komplexitätsreduzierenden, vereinfachenden Schemata zu begegnen. Terrorismus und Anti-Terrorismus als kalkuliertes und inszeniertes „Theatre of Terror” erreichen die Aufmerksamkeit der internationalen Medien. Dabei erhoffen sich die Terroristen durch die Darstellung ihrer Gewaltanschläge einen maximalen „Störeffekt“ auf der Seite der Terroropfer und -ziele, die Kämpfer gegen den Terrorismus erhoffen und erwarten Unterstützung in ihrem „Krieg gegen den Terrorismus“ und die Medien erwarten durch dramatisierende und emotionalisierende Gewaltberichterstattung einen maximalen Marktanteil (Weichert, 2006). Aufgrund der von Nachrichtenfaktoren geprägten Selektionslogik der Massenmedien kann sich der Journalismus der Berichterstattung über terroristische Attentate nicht entziehen. Die Frage ist dabei nicht, ob berichtet werden soll, sondern wie berichtet wird. An der kalkulierten terroristischen Inszenierung kann sich das Publikum wie auch immer anschließen, weil es über den medialen Zugang der Inszenierung verfügt.
Wolfgang Frindte
II Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption II Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption
1 Anmutungen im Sommer 2007: Mehrdeutigkeiten und der Projektbeginn 1 Anmutungen im Sommer 2007 Interviewer: Hmh. Ok. Was denkst du, ist es in Deutschland zum Schutz vor möglichen Terroranschlägen notwendig, die Sicherheitsbestimmungen und Überwachungsmaßnahmen zu verschärfen? GB41: Nee.
Im Juni 2007, einen Monat vor dem Start unseres Projekts, äußerte der Staatssekretär August Hanning in einem Hintergrundgespräch mit ausgewählten Medienvertretern, dass die Sicherheitslage in Deutschland so dramatisch wie nie zuvor sei. In islamistischen Kreisen herrsche eine Stimmung, die an den Sommer 2001 erinnere. Der zu dieser Zeit amtierende bayerische Innenminister Günther Beckstein relativierte dagegen die Hinweise aus dem Bundesinnenministerium. Die von Hanning dargestellte Terrorgefahr erscheine ihm, Beckstein, als Zuspitzung und „aus bayerischer Sicht eher etwas überzogen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Es gebe keine konkreten Hinweise auf besondere Anschlagsziele, etwa konkrete Orte oder bestimmte Verkehrsmittel. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Fritz-Rudolf Körper, sprach unverhohlen von einem Zusammenhang zwischen der Terrorwarnung und der von Innenminister Schäuble geplanten Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Man dürfe keine „hysterischen Komponenten“ in die Terrordebatte bringen (alle Zitate aus Welt-Online, 24.6.2007; Internetquelle). Wenige Wochen später, Anfang September 2007, wurden die „Sauerland-Terroristen“ festgenommen. Die Terroristen sollten Bombenanschläge in mehr als einem halben Dutzend deutscher Städte erwogen haben. Die Männer hätten Tatorte in Frankfurt a.M., Dortmund, Düsseldorf, Stuttgart, München, Köln und im pfälzischen Ramstein, Sitz eines US-Luftwaffenstützpunktes, in Betracht gezogen, so teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am 5.9.2007, dem Tag der Festnahme, mit. Den Männern, zwei Deutschen und einem Türken, wird unter anderem die Mitgliedschaft in einer inländischen terroristischen Vereinigung, die Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens und eines Mordes vorgeworfen. Am 20.9.2007 berichtete „tagesschau.de“ über eine aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble verteidigte dabei seine Äußerungen zu möglichen atomaren Terroranschlägen in Deutschland. Dies sei die größte Sorge aller Sicherheitsexperten. Es gebe zwar keine „konkreten Hinweise“, dass derzeit in Deutschland Anschläge mit einer sogenannten schmutzigen Bombe geplant seien, die Behörden bräuchten für ihre „erfolgreiche Arbeit“ aber die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen und auch schärfere Sicherheitsgesetze. Von der FDP, den Grünen, der Linkspartei und auch vom Koalitionspartner SPD wurde Schäuble wegen seiner Äußerungen scharf kritisiert. Petra Pau von der Linkspartei beklagte,
W. Frindte, N. Haußecker (Hrsg.), Inszenierter Terrorismus, DOI 10.1007/978-3-531-92579-0_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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II Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption
Deutschland werde zu einem „präventiven Sicherheitsstaat“ (Tagesschau.de, 2007; Internetquelle). Während sich also die gewählten Volksvertreter über das Terrorrisiko stritten, zeigten sozialwissenschaftliche Erhebungen vor Beginn unseres Projekts, dass sich nicht unbeträchtliche Teile der deutschen Bevölkerung durch den Terrorismus durchaus bedroht fühlten. Eine im Jahre 2006 veröffentlichte Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie zeigte, dass die Furcht vor Terroranschlägen in Deutschland – so die Forscher vom Bodensee – größer als je zuvor ist (Quelle: Allensbacher Institut für Demoskopie, 2006; Internetquelle). Im Zeitraum vom 1.9 bis 13.9.2006 hatte das Institut repräsentativ ca. 2000 Deutsche ab dem 16. Lebensjahr befragt. 61% der Bevölkerung befürchteten im September 2006, dass auch Deutschland zur Zielscheibe des internationalen Terrorismus werden könnte (Abbildung 2.1). Befürchtungen eines Terroranschlags in nächster Zeit in Deutschland
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57 40 32
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Bevölkerung ab 16 Jahre Angaben in Prozent Abbildung 2.1: Bevölkerungsumfrage, Institut für Demoskopie Allensbach, erstellt nach Allensbacher Institut für Demoskopie (2006; Internetquelle)
Auch wenn die meisten Befragten nicht daran glaubten, dass es irgendwie möglich sei, den Terrorismus in den Griff zu bekommen, hielt zum Zeitpunkt der Befragung die Mehrheit es für sinnvoll, bestehende Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken oder ganz neue Sicherheitsvorkehrungen zu entwickeln. 69% befürworteten eine stärkere Videoüberwachung der Bahnhöfe; 42% äußerten sich überzeugt, dass bewaffnetes Sicherheitspersonal in den Zügen den Bahnkunden mehr Sicherheit als bisher gewährleisten würde. Die wenige Monate zuvor (vom 6. bis zum 18. März 2006) vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel mit 817 zufällig ausgewählten volljährigen Personen aus dem ganzen Bundesgebiet durchgeführten Telefoninterviews zeigten zwar nicht ganz so dramatische Tendenzen; aber auch hier schätzte fast ein Drittel (32,7%), die Gefahr eines
1 Anmutungen im Sommer 2007
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terroristischen Anschlages in Deutschland „hoch“ ein (Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, 2006; Internetquelle). Und auf die Frage „Sollen die Maßnahmen zur Terrorbekämpfung auch unter Einschränkung der Bürgerrechte verstärkt werden?“ antworteten 44.2%, dass sie mit einer Verschärfung solcher Maßnahmen einverstanden wären. Die Mehrheit der Befragten (52.5%) meinte allerdings, die Maßnahmen zur Terrorbekämpfung sollten nicht unter Einschränkung der Bürgerrechte verschärft werden. Außerdem zeigte sich, dass Befürworter der Verschärfung der Maßnahmen die Gefahr eines terroristischen Anschlages in Deutschland prozentual höher einschätzten (38.8%) als die Gruppe der Gegner (27.9%) – siehe ebenda. Dass Teile der deutschen Bevölkerung auch im Jahre 2007 durchaus schärfere Sicherheitsmaßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus befürworten würden, illustriert eine im Frühjahr 2007 im Auftrag des regionalen Privatsenders NRW.TV durchgeführte repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Innofact in Nordrhein-Westfalen. Die Mehrzahl der Bürger dieses Bundeslandes fühlte sich zum Befragungszeitpunkt zwar nicht direkt von Terror bedroht, fordert aber dennoch mehr Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei und den Verfassungsschutz (Meinungsforschungsinstituts Innofact, 2007; Internetquelle). Eine elektronische Passbildkontrolle oder eine Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen als Möglichkeiten der Überwachung durch Polizei und Verfassungsschutz befürworteten 83% der Befragten. 78% begrüßten gespeicherte Fingerabdrücke im Ausweis. Zugleich lehnte eine deutliche Mehrheit der Befragten jedoch Maßnahmen wie Überwachung von E-Mails, Abhören von Telefonaten oder die Verwanzung von Wohnungen ab. Allerdings zeigten sich auch nur 26.7% der Befragten davon überzeugt, dass mehr Überwachung Straftaten verhindern kann. Ebenfalls 2007 (im September) wurden in Berlin die Ergebnisse der Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ vorgestellt, die das Infocenter der R+V Versicherung seit 1991 jährlich in Auftrag gibt. In dieser Studie werden ca. 2.400 Menschen ab 14 Jahren nach ihren persönliche Ängsten und Sorgen, die sie sich um Gesellschaft, Wirtschaft und Politik machen, befragt (R+V Versicherung, 2007; Internetquelle). Danach gab 2007 jeder zweite Deutsche an, große Angst vor Terrorismus zu haben. Im Jahre 2006 waren es 41%, die Angst vor Terrorismus äußerten (siehe Abbildung 2.2, in der auch die Angaben aus den vorjährigen Befragungen) wiedergegeben sind).
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II Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption Angst vor Terrorismus (in Prozent)
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Auch an dieser Stelle werden die schon angesprochenen Irritationen in der Inszenierung von Terrorrisiken deutlich. Während also die repräsentative Umfrage der R+V Versicherung darauf hinweist, dass 2007 50% der Deutschen Angst vor Terrorismus zu haben scheinen, sind es im Eurobarometer Spezial (Eurobarometer Spezial 273; Internetquelle) im Jahre 2006/2007 europaweit 25% und in Deutschland 27%, die angeben, der Terrorismus beunruhige sie. Auch eine ebenfalls im September 2007, wenige Wochen nach Beginn unseres Projekts und wenige Monate vor der ersten Interviewwelle, veröffentlichte Forsa-Umfrage, in der vom 30. Juli bis 10. August 2007 1.505 erwachsene Bürgerinnen und Bürger mit Hilfe computergestützter Telefoninterviews befragt wurden, zeigt ein wenig anderes Bild (AlfredHerrhausen-Gesellschaft, 2007; Internetquelle): Wurden die Bürger offen, d.h. ohne jede Vorgabe nach den aus ihrer Sicht wichtigsten Problemen gefragt, dann nannten sie vor allem ökonomische und soziale Probleme. Nur ca. 7% der Befragten gaben bei dieser Frage an, die wichtigsten Probleme seien Fragen der Sicherheit im Zusammenhang mit der Terrorismusbedrohung. Dennoch äußerten 23% große Angst, Opfer eines Terroranschlages zu werden und 66% stimmten der Aussage zu, dass der Terrorismus das Leben der einzelnen Menschen in Deutschland bedrohe. Deshalb sahen auch ca. 48% in der Bekämpfung des weltweiten Terrorismus eine der wichtigsten Aufgaben des Staates. Bei der Frage, ob die Rechte des Staates für eine wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus und des weltweiten Verbrechens auch dann ausgeweitet werden sollen, wenn dadurch die persönlichen Freiheiten des einzelnen Bürgers eingeschränkt würden, gingen die Meinungen der Bundesbürger – ähnlich wie in der Telefonbefragung des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel aus dem Jahre 2006 – auseinander:
1 Anmutungen im Sommer 2007
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44% würden eine Ausweitung der Rechte des Staates auch auf Kosten der Freiheitsrechte des Einzelnen für richtig halten; 51% sprachen sich dagegen aus. Mehrheitlich wurde eine Ausweitung der staatlichen Rechte zu Lasten der Freiheitsrechte von den Ostdeutschen, den über 60-Jährigen sowie den Anhängern der CDU und der FDP befürwortet. Versucht man ein Fazit, so lässt sich wohl nur sagen, dass nicht nur die Meinungen der deutschen Politiker über das Ausmaß des Terrorrisikos und über die Mittel seiner Bewältigung divergieren; auch das Bedrohungserleben der deutschen Bevölkerung und die öffentliche Meinung zu Anti-Terror-Maßnahmen sind divers. Die Umfragen, z.B. die erwähnten des Allensbacher Instituts für Demoskopie bzw. der R+V Versicherung, zeigen zwar für die Jahre von 2001 bis 2006 bzw. 2007 eine Zunahme der Angst und Furcht vor weiteren Terroranschlägen; die Befunde über das Ausmaß des Bedrohungserlebens sind – zieht man zum Vergleich die Ergebnisse des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel oder das Eurobarometer Spezial 273 heran – keinesfalls eindeutig. Festhalten lässt sich aber, dass ein zumindest nicht unbeträchtlicher Teil der deutschen Bevölkerung im Jahre 2007 verschärften Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus zuzustimmen scheint. Daniel Schmidthäussler (2006, S. 51) machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass sich die reale Bedrohungslage in Deutschland, gemessen an tatsächlich stattgefundenen Terroranschlägen, zwischen 2001 und 2006 nicht geändert habe und die trotzdem erhöhte Bedrohungswahrnehmung der deutschen Bevölkerung eher auf die mediale Berichterstattung über den Terrorismus zurückzuführen sei. Für diese Vermutung sprechen die von Schmidthäussler (ebd.) vorgelegten Befunde über die Präsenz terrorismusrelevanter Themen in der Tagesschau, den Hauptnachrichten der ARD, zwischen 1968 und 2006. Erfasst und inhaltsanalytisch ausgewertet wurden zwischen dem 1.01.1968 und dem 30.06.2006 insgesamt 2744 Nachrichtenbeiträge, in denen über Terrorismus berichtet wurde. Das entspricht etwa einem Bericht alle fünf Tage. Dass sich diese Berichte nicht gleichmäßig über den Zeitraum (von 14060 Tage) verteilten, sondern nach 2001 in Anzahl und Umfang dramatisch zunahmen, illustriert die folgende Abbildung.
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II Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption
Abbildung 2.3: Tagesschau: Anzahl und Gesamtlänge der Beiträge in Minuten, Zahlen für 2006 hochgerechnet; erstellt nach Schmidthäussler, 2006
Wie aus der Abbildung ersichtlich ist, ist die Präsenz von Terrorismus in den Hauptnachrichten der ARD seit dem 11. September 2001 dramatisch angestiegen. Die Berichterstattung über terrorismusrelevante Themen hat sich in den letzten Jahren im Vergleich mit der Zeit vor 2001 verdoppelt und lag zwischenzeitlich sogar auf dem Dreifachen des Durchschnitts der vorhergehenden 30 Jahre (Schmidthäussler, ebd., S. 51). Bemerkenswert ist, neben vielen anderen interessanten Ergebnissen in der Analyse von Schmidthäussler, auch der Befund, dass sich in den Berichten nach 2001 eine eindrucksvolle Steigerung der Präsenz von AntiTerror-Maßnahmen beobachten lässt (ebd., S. 50). Schlussfolgernd meint Schmidthäusler: „Indem die Medien bestimmten Arten der Gewalt den Namen Terrorismus geben, lenken sie die Angst der Bevölkerung in einen bestimmten Kanal, der bedient werden kann. Dass dieser Kanal bedient wird, wird deutlich an der Häufigkeit mit der in der Zeit nach 9/11 das Wort Terrorismus in Beiträgen auftaucht, die ursprünglich nichts mit Terrorismus im originären Sinne zu tun haben“ (ebd., S. 56).
Dass Massenmedien, wie in diesem Falle die Hauptnachrichten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, Rahmen zur Beurteilung und Interpretation des Terrorismusrisikos anbieten, ist keine neue Erkenntnis. Auch zahlreiche internationale Studien haben gezeigt, dass und wie Massenmedien über den Terrorismus berichten. So untersuchten z.B. Jasperson und ElKikhia (2003), wie CNN und Al Jazeera über den Krieg in Afghanistan berichten; Nacos und Torres-Reyna (2003) gingen der Frage nach, wie amerikanische Muslime nach dem 11. September in den US-Zeitungen dargestellt wurden; Mogensen et al. (2002) analysierten die Terrorismusberichterstattung in den US-amerikanischen Fernsehsendern CNN, CBS, ABC,
2 Ziel- und Fragestellungen, theoretische Grundlagen und methodische Konsequenzen
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NBC und Fox; Papacharissi und de Fatima Oliveira (2008) verglichen die mediale Darstellung des Terrorismus in britischen und US-amerikanischen Zeitschriften. Wenig untersucht scheint allerdings die Frage, ob und inwieweit die massenmediale Terrorismusberichterstattung und die individuellen Sichtweisen und Befindlichkeiten potentieller Rezipienten überhaupt etwas miteinander zu tun haben. Mit dieser Frage und den o.g. Anmutungen starteten wir im Juli 2007 das Projekt: Terrorismus – mediale Konstruktion und individuelle Interpretation: Ein friedenswissenschaftlicher Beitrag zur medien- und sozialwissenschaftlichen Analyse und Bewertung terroristischer Bedrohungen in Deutschland21
2 Ziel- und Fragestellungen, theoretische Grundlagen und methodische Konsequenzen 2 Ziel- und Fragestellungen, theoretische Grundlagen und methodische Konsequenzen Interviewauszug (Interviewter: DK 60): „Terror ist Krieg, Krieg ist Terror.“
Die Inszenierung des Terrorismus stellt eine grundsätzliche Bedrohung des nationalen und internationalen Friedens dar, weil durch die asymmetrische Verknüpfung von terroristischen Aktionen und antiterroristischen Reaktionen die Gefahr wächst, basale Eigenschaften von Zivilgesellschaften (Freiheit, Menschenrechte, Demokratie) zu desavouieren. Terrorismusforschung ist demzufolge in ihren Grundlagen Konflikt- und Friedensforschung (Eckert, 2006, S. 80). Diesem Anspruch fühlen sich die Antragsteller verpflichtet. „… was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien… Andererseits wissen wir so viel über die Massenmedien, dass wir diesen Quellen nicht trauen können“, meint Niklas Luhmann (1996, S. 9).
Berichterstattungen über terroristische Ereignisse sind Teil eines komplexen (sozialen) Inszenierungssprozesses, an dem die Vermittlungsmedien (und die Medienproduzenten), die (potentiellen) Terroristen, die Ziele (und Opfer) des Terrors, aber auch die „Durchschnittsbevölkerung“ beteiligt sind. Erst durch dieses komplexe Netz erhalten die Berichterstattungen ihre Bedeutungen und entfalten ihre Wirkungen. Die Frage lautet demzufolge nicht, wie sich Nachrichten über Terrorereignisse in den Meinungen der Rezipienten widerspiegeln, sondern, ob und in welcher Weise die von Medien produzierten und konstruierten medialen Frames über Terrorismus und Anti-Terrorismus den individuellen Interpretationen (den individuellen Frames) über Terrorismus entsprechen, sie verstärken oder verändern können. Aus dieser Frage leiten wir zwei zentrale Fragestellungen ab: 1. 2.
Welche Rolle spielen die Verbreitungsmedien in der Terrorismus-Inszenierung? Wie nehmen Vertreter der deutschen Bevölkerung die Terrorismus-Inszenierung wahr und mit welchen Interpretationen beteiligen sie sich an diesen Inszenierungen?
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Um es an dieser Stelle noch einmal zu betonen: Das Projekt wurde unter der Projektnummer PA 002/07 Nr. 004/12-2006 von der Deutschen Stiftung Friedensforschung großzügig unterstützt.
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II Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption
Zur Fragestellung 1: Welche Rolle spielen also die Verbreitungsmedien in der Terrorismus-Inszenierung? Medien bilden die Wirklichkeit nicht ab. Sie stellen vielmehr Formen oder Rahmen bereit, um die Wirklichkeit zu interpretieren. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Inszenierung. Wenn Medien kein objektives Abbild der Wirklichkeit liefern, sondern Formen oder Rahmen zur Konstruktion von Wirklichkeit anbieten, dann gibt es auch keinen Referenten, keinen Bezugspunkt, auf den sich die medialen Konstruktionen eindeutig beziehen lassen. Und wenn es keinen Referenten, kein Kriterium für die medialen Konstruktionen gibt, lassen sich mediale Berichte auch kaum am Wahrheitskriterium messen. Aus konstruktivistischer Sicht lassen sich mediale, aber auch andere soziale und individuelle Konstruktionen über die Welt nicht mehr danach bewerten, ob und inwiefern sie mit einer objektiven Realität übereinstimmen. An die Stelle von Wahrheitskriterien treten die Nützlichkeit und Passfähigkeit medialer Konstruktionen im Hinblick auf die von sozialen Gemeinschaften oder einzelnen Personen jeweils angestrebten Ziele oder Wertvorstellungen. Entscheidend dürfte sein, welche medialen Interpretationsrahmen bzw. Frames über terroristische Anschläge, Terrorismus, Terrorakteure und über antiterroristische Maßnahmen massenmedial vermittelt werden und wie diese Interpretationsrahmen bzw. Frames sozial und individuell genutzt werden. Ein erstes Ziel und Arbeitsmodul des Projekts ist deshalb auf die Analyse und Bewertung terrorrelevanter medialer Berichterstattungen und die damit bereitgestellten Interpretationsrahmen gerichtet. Das „Theatre of Terrorism“ beabsichtigt mit seiner Inszenierung generelle Aufmerksamkeit und braucht dazu die internationalen Medien. „It has become more alluring for the frantic few to appear on the world stage of television than remain obscure guerrillas of the bush.” (Bell, 1975, S. 89, zit. nach Brosius & Weimann, 1991, S. 499). Um Medienaufmerksamkeit zu erlangen, bedarf es einer sorgfältigen Inszenierung der terroristischen Risiken. Indem sich die Medien an diesen Inszenierungen beteiligen und Angebote zur Antizipation terroristischer Anschläge unterbreiten, erfüllen sie bereits ein Ziel des Terrorismus, nämlich das Erreichen von Öffentlichkeit (Biernatzki, 2002; Frindte u.a., 2007; Haußecker, 2007). Dabei können die psychologischen Effekte der Risikoinszenierung, also der Antizipation des Möglichen oftmals stärker sein als die der eigentlichen Anschläge (vgl. auch Gerrits, 1992). Warum? Die Terroranschläge am 11. September vom 2001 haben dazu geführt, dass sich zahlreiche Forschungsprojekte mit den Medienberichterstattungen über den Terrorismus beschäftigen (vgl. z.B. Ahern et al., 2002; Das et al., 2009; Kemmesies, 2006; Kennedy & Lum, 2003; Matsaganis & Payne, 2005; Ost et al., 2008; Propper et al., 2007; Shoshani & Slone 2009; Slone, Shoshani & Baumgarten-Katz, 2008; Surette, Hansen & Nobel, 2009; Tsfati & Weimann, 2002; Werthes, Kim, & Conrad, 2002; Wicks, 2006 u.v.a.). So zeigen Propper et al. (2007), dass Personen in den USA, die die Terroranschläge vom 11. September 2001 nicht selbst real erlebt, aber die medialen Berichterstattungen intensiv und aufmerksam verfolgt haben, Stress und Belastungssymptome berichten. Auch Ahern et al. (2002), die im Oktober und November 2001 mehr als 1000 New Yorker telefonisch interviewten, finden bei den Personen, die sich vor allem an die dramatischen und emotionalisierten Bildberichte über die Terroranschläge in New York erinnerten („people falling or jumping from the towers of the World Trade Center“), mehr posttraumatische
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Stressphänomene, mehr depressive Neigungen als bei jenen Personen, die sich weniger oder kaum an solche und ähnliche Bilder erinnerten. Enny Das et al. (2009) berichten von experimentellen Befunden, die darauf hinweisen, dass und wie mediale Berichterstattungen über Terrorismus Vorurteile gegenüber Fremdgruppen verstärken können. Auch nach experimentellen Untersuchungen von Jugert und Hiemisch (2005) spricht einiges dafür, dass die mediale Konfrontation mit Terrorismus (besonders die Art und Häufigkeit der Berichterstattungen) existenzielle Ängste bekräftigen und verstärken kann. Vor diesem Hintergrund und bezogen auf die o.g. Fragestellung 1 beabsichtigten wir keine traditionelle Medienwirkungsanalyse, in der gefragt wird, wie sich Nachrichten über zielgruppenorientierten Berichterstattungen in den Meinungen der befragten Ziel- und Vergleichsgruppen widerspiegeln. Vielmehr ging es in einem ersten Schritt darum zu untersuchen, wie die medialen Inszenierungen des Terrorismus bzw. die medialen Interpretationsangebote über den Terrorismus beschaffen sind. Wenn Inszenierungen – wie von uns weiter oben behauptet – Angebote für die soziale und individuelle Konstruktion von Wirklichkeit bereitstellen und wir nach den Formen oder Rahmen, in denen diese Angebote vorliegen, fragen, so öffnet sich ein Forschungsfeld, das Jörg Matthes (2007, S. 150) in Anlehnung an Lakatos (1974) das Framing-Forschungsprogramm nennt. Nach Lakatos (ebenda) und Herrmann (1979a,b) definieren sich Forschungsprogramme über sog. Indisponible Annahmekerne. Dabei handelt es sich „... um Theoriekonzeptionen, um Explikationsmittel bzw. Explanantiken, d.h. um Konstruktionen, mit denen etwas erläutert oder erklärt werden soll“ (Herrmann, 1979b, S. 202). Den indisponiblen oder „harten“ Kern des Framing-Forschungsprogramms bildet nach Matthes eben „die Annahme von Frames“ (ebd., S. 148). Die Auffassungen darüber, was unter Frames verstanden werden kann, scheinen nun allerdings doch sehr divers zu sein. Auch Matthes (2007, S. 20) gesteht, dass sich in der Framing-Forschung sehr unterschiedliche Auffassungen von und unterschiedliche Zugänge zu Frames finden lassen (vgl. auch Tankard et al., 1991, Bonfandelli, 2001, Scheufele, 2003 u.v.a.). Etwas drastischer formuliert das Alexander Degelsegger (Internetquelle, 2008) von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: „Wer sich auf die Framing-Literatur einlässt, begibt sich in ein multidisziplinäres Spannungsfeld, in dem auf den ersten Blick begrifflicher Wildwuchs herrscht. Von der Soziologie, der Medienwissenschaft, der Politikwissenschaft bis hin zur Linguistik und den Gender Studies wurde eine große Anzahl von Framing-Ansätzen entworfen und diskutiert, die nur mangelhaft integriert wurden oder gar unvereinbar sind. Dies gilt sowohl für die theoretischen Modelle als auch für empirische Beobachtungen (vgl. Scheufele 1999, 118). Zudem traten in der Literatur oftmals voneinander verschiedene Bezeichnungen auf, die das gleiche Phänomen beschreiben. Neben Frames und der häufigsten deutschen Übersetzungsvariante Rahmen treffen wir auf Deutungsrahmen, Deutungsmuster, Schemata, Interpretive Schemes, Skripts, Szenarios, Vorstellungsmuster, Erwartungsstrukturen, etc.“ (Hervorh. im Original).
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Man ist angesichts dieser diversen Forschungslage versucht, das Framing-Forschungsprogramm eher ein „Quasi-paradigmatisches Forschungsprogramm“ (Herrmann, 1979b, S. 202) zu nennen.22 Die in diesem Programm identifizierbaren Auffassungen über Frames scheinen aber doch gewisse Gemeinsamkeiten zu besitzen: „Frames are organizing principles that are socially shared and persistent over time, that work symbolically to meaningfully structure the social world“ (Reese et al., 2001, S. 21). Die wohl bekannteste operationale Definition von Frames, auf die sich – bei aller Divergenz – die meisten Protagonisten des Framing-Forschungsprogramm stützen (vgl. z.B. Matthes, 2007; Scheufele, 2003; Schmidthäussler, 2006; Waber, 2006;), ist die von Robert M. Entman (1993): „To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation” (Entman, 1993, S. 52).
In diesem Sinne werden durch Frames a. bestimmte Sichtweisen oder Definitionen auf bzw. von Wirklichkeit hervorgehoben, b. Bewertungen der dargestellten Wirklichkeit nahe gelegt, c. Erklärungen über Ursachen für die so dargestellten Wirklichkeitsausschnitte bereit gestellt und d. Möglichkeiten zur Bewältigung dieser Wirklichkeit offeriert (vgl. auch Waber, 2006). Frames liefern individuelle und/oder soziale (u.a. mediale) Interpretationsrahmen oder Bezugssysteme zur (Re-)Konstruktion von Wirklichkeit. Im Hinblick auf die mediale Konstruktion von Wirklichkeit und die damit angebotenen Interpretationsrahmen sprechen wir von Medien-Frames und unterscheiden formal-stilistische Medien-Frames und inhaltsbezogene Medien-Frames (Matthes, 2007, Scheufele, 2003 u.a.). Während sich formalstilistische Frames auf die Struktur- und Präsentationsform (also auf das „Wie“) einer Medienbotschaft beziehen (z.B. auf die Beschaffenheiten der visuellen Darstellung), geht es bei inhaltsbezogenen Frames um das „Was“ von Medienbotschaften, um die Darstellung und Rahmung der Medieninhalte. Um inhaltliche und formal-stilistische Beschaffenheiten medialer Frames oder Interpretationsrahmen für Terrorismus-Inszenierungen identifizieren zu können, haben wir uns zum einen an der o.g. Definition von Entman (1993) orientiert und die von ihm genannten vier Aspekte medialer Frames (problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation) als inhaltsbezogene Frameelemente bestimmt. Zum anderen haben wir diese vier Aspekte durch ein formal-stilistisches Frameelement, Ausmaß und Effekte der medialen Dramatisierung, ergänzt (siehe Abbildung 2.4).
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„Quasi-paradigmatisch“ bezeichnet Herrmann (1979a) jene Forschungsprogramme, die noch nicht die Reife besitzen, die Thomas Kuhn (1981) an wichtigen naturwissenschaftlichen Forschungsprogrammen (z.B. der Physik) entdeckt zu haben meint.
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Abbildung 2.4: Elemente der Medien-Frames
Besonders seit dem 11. September 2001 ist es Terroristen gelungen, eine hohe Beachtung in der Medienberichterstattung zu erhalten. Sie haben es geschafft, eine diffuse Atmosphäre von Unsicherheit und Angst zu verbreiten und diese durch weitere medienwirksame Anschläge kontinuierlich aufrechtzuerhalten. Eine stark emotionalisierende Berichterstattung über Terrorismus spielt nicht nur den Zielen der Terroristen in die Hände, eine diffuse Atmosphäre von Angst und Schrecken zu verbreiten (Nacos, 2002, 2007), sondern kann auch das Verständnis der Problematik behindern, weil sie zum einen die Informationsverarbeitung beeinflusst und zum anderen Stereotypisierung, Vorurteile und vorschnelle Freund-Feind-Schemata aktivieren kann. Die nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 gestarteten Forschungsprojekte beschäftigen sich nicht nur mit den Stimmungen und Einstellungen in der Bevölkerung, sondern auch kritisch mit den Medieninhalten und ihren Gestaltungen. So wird der vornehmlich auf Ereignisse fokussierte Berichterstattung u.a. vorgeworfen, die Darstellung von Ursache-Wirkungszusammenhänge und Konfliktanalysen zu vernachlässigen, dafür aber emotionalisierende Merkmale und negative Stereotypisierungen in den Vordergrund zu rücken (vgl. u.a. Becker, 2002; Haußecker, 2003; Kuntze, 2003; Werthes, Kim, & Conrad, 2002). Auch die Terrorismus-Berichterstattung in den Bildmedien scheint mit der ansteigenden Tendenz zu Visualisierung und Emotionalisierung (auf die auch Biernatzki, 2002 oder Maier, 2003 hinweisen) eine immer größere Rolle in der Inszenierung des Terrorismus zu spielen. So nähert sich eine stark dramatisierende und emotionalisierende Berichterstattung nicht nur den Inszenierungszielen der Terroristen an, sondern beeinflusst auch die Wahrnehmung, Bewertung und Interpretation des Terrorismus und kann stereotype und vorurteilsbehaftete Sichtweisen auf den Terrorismus verstärken (vgl. auch Haußecker, 2003, 2007). Auch Differenzierungen zwischen Religion, Islamismus, Extremismus, Fundamentalismus und Terrorismus finden sich in derartigen Ereignisberichterstattungen kaum (Werthes et al., 2002).23 Werthes et al. (ebd.) dokumentieren in ihrer inhaltsanalytischen Studie über die Printberichterstattung24 des 11. September 2001, wie und in welchem Umfang starke Visualisierungen genutzt und verhältnismäßig wenig Hintergrunddarstellungen geliefert werden. Dagegen standen überwiegend emotionalisierende Darstellungen über Menschen, Schicksale, Opfer, Augenzeugen, Helfer und Täterspekulationen im Fokus der Berichte.
23 24
Vor allem im TV-Journalismus liegen Begriffsverwirrungen vor und das Grundwissen, was den Islam und Handlungsweisen der Terrorgruppen angeht, scheint nicht sehr elaboriert (Weichert, 2006). FR, der SZ und der FAZ u.a.
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Auch Maren Kuntze (2003) findet in ihrer Zeitungsanalyse25 vom 11. September bis Oktober 2001 eine unkritische Berichterstattung verbunden mit Feindbildkonstruktionen und mangelnder Hintergrundberichterstattung.26 Haußecker (2003) zeigt in einer Analyse über die Fernsehberichte zu den Terroranschlägen in Kenia am 28.11.2002, dass formale Emotionalisierungstechniken, wie die Dramatisierung genutzt werden, um durch narrative Inszenierung der Situation ein hohes emotionalisierendes Potential zu erzeugen. Dabei wird das abstrakte Niveau des Berichtens meist verlassen und mit emotionaler Wortwahl der Bedeutungsgehalt einer Aussage betont entsachlicht. Weitere Emotionalisierungstechniken sind die Personifizierung des Konfliktes bei fehlenden Fakten sowie die Personalisierung, die die Handlungen auf Einzelpersonen ausrichtet. Komplexe Ereignisse werden damit auf einfache Strukturen reduziert, womit sie besser visualisier- und emotionalisierbar werden. Dies geschieht jedoch meist nur auf einer Seite der Konfliktpartei, so dass man sich besser mit dem „Guten“ identifizieren kann und mehr Verständnis für die Bekämpfung des „Bösen“ aufbringt.27 Zusammenfassend lässt sich behaupten, dass in der Terrorismusberichterstattung mittels Framing bestimmte „aspects of perceived reality“ (Entman, 1993) betont und andere ignoriert werden. In Anlehnung an Scheufele (2003, S. 68) lassen sich nun verschiedene Arten von Framing-Effekten unterscheiden: Erstens können Medien-Frames bereits vorhandene individuelle Schemata und Einstellungen der Rezipienten aktivieren. Durch kumulatives und konsonantes (also wiederholtes und weitgehend widerspruchsfreies) mediales Framing können individuelle Schemata und Einstellungen wiederholt bekräftigt und damit zu stabilen und leichter zugänglichen Mustern für die Interpretation, Bewertung und Erklärung von (medialen) Wirklichkeiten werden. Zweitens können individuelle Schemata und Einstellungen der Rezipienten durch kumulatives und konsonantes Medien-Framing sukzessive in Richtung des Medien-Frames verändert werden. Drittens können sich neue individuelle Schemata und Einstellungen durch mediales Framing entwickeln, womit potentielle Rezipienten in die Lage versetzt werden, eine neue kognitiv-emotionale Verknüpfung zwischen den medialen Darstellungen und den eigenen individuellen Position herzustellen. Die Stärke des Framing-Konzeptes im Verhältnis zu anderen kommunikationswissenschaftlichen Ansätzen liegt darin, dass sowohl Medien-Frames (die Beschaffenheit von Medieninhalte) als auch individuellen Folgen medialer Wirkungen (die Beschaffenheit von Individual- bzw. Rezipienten-Frames) erklärt werden können. Vor diesem theoretischen Hintergrund haben wir die zentrale Fragestellung 1 (Rolle der Verbreitungsmedien in der Terrorismus-Inszenierung) folgendermaßen spezifiziert:
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FAZ und der NZZ Becker (2002) geht sogar so weit zu behaupten, die öffentliche, mediale Verarbeitung der terroristischen Anschläge habe vor allem Feindbilder über den Islam konstruiert. Die dargestellten Befunde beziehen sich ausschließlich auf die Berichterstattung über terroristische Ereignisse, zur allgemeinen Terrorismusberichterstattung (z.B. Terrorismus-Bedrohung und Anti-TerrorKampf) liegen bisher wenig differenzierte Befunde vor.
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Die Fragestellung 1: A) Welche Sichtweisen oder Definitionen auf oder von Terrorismus und Terroristen werden medial angeboten? B) Wie werden Terrorismus und die von ihm ausgehende Gefahr in den Medien dargestellt und bewertet? C) Welche Erklärungsmuster über die Ursachen des transnationalen Terrorismus und seine Folgen liefern die medialen Berichte? D) Über welche Möglichkeiten zur Bewältigung des Terrorismus (z.B. Anti-TerrorMaßnahmen) wird wie berichtet? E) Welche Dramatisierungsmittel lassen sich in den Medienberichten über den Terrorismus, identifizieren?
Um diese Teilfragen der Fragestellung 1 beantworten zu können, mussten zunächst passfähige theoretische Erklärungen und methodische Instrumentarien entwickelt werden. Die theoretischen Konzeptualisierungen und Operationalisierungen orientieren sich an den erwähnten medienwissenschaftlich rekonzeptualisierten Frame-Ansätzen (Entman, 1993; Matthes, 2007; Scheufele, 1999, 2003), um zu klären, wie und warum mediale Berichterstattung über Terrorismus bestimmte Vorstellungen über Terror salient machen kann und bestimmte kausale Interpretationen, moralische Bewertungen und/oder die Beschäftigung mit den entsprechenden Aspekten gefördert werden können. Um formale und dramatisierende Aspekte der zu untersuchenden Medienpräsentationen und medialen Deutungen und Erklärungen des Terrors analysieren zu können, stützten wir uns auf ein im deutschsprachigen Raum erprobtes Modell der Nachrichtenfaktoren (Haußecker, 2003; Ruhrmann & Woelke, 2003), auf emotionsfokussierte Wirkungstheorien (Zillmann, 2002, Zillmann & Brosius, 2000), auf Forschungen zum sog. Affektfernsehen (Bente & Fromm, 1997; Winterhoff-Spurk, 1999) und auf empirische Analysen zur Wirkung medialer Emotionalisierung (u.a. Cantor, 1994; Dohle, Wirth & Vorderer, 2003; Flohr, 1991; Unz, 2007). Zur Fragestellung 2: Wie nehmen Vertreter der deutschen Bevölkerung die TerrorismusInszenierung wahr und mit welchen Interpretationen beteiligen sie sich an diesen Inszenierungen? In der zweiten Fragestellung geht es darum, ob und in welcher Weise die von Medien produzierten und konstruierten medialen Frames über Terrorismus den individuellen Interpretationen über Terrorismus entsprechen, sie verstärken oder verändern können. In der Beantwortung dieser Frage greifen wir die in der Literatur nicht unübliche Unterscheidung von Medien-Frames und Individual- bzw. Rezipienten-Frames auf (u.a. Kempf, 2005, 2006; Matthes, 2007; Neuman, Just & Crigler, 1992; Scheufele, 1999, 2003). Neuman, Just und Crigler (1992, S. 60) definieren Rezipienten-Frames als „conceptual tools which (…) individuals rely on to convey, interpret, and evaluate information“ (zit. n. Matthes, 2007, S. 91f.). Wilhelm Kempf (2006) spricht in diesem Zusammenhang von mentalen Modellen und versteht darunter kognitiv-emotionale Interpretationsrahmen. Michael Nerad (2009), der sich auf den Kempfschen Ansatz stützt, macht auf eine interessante und für unsere weiteren Zwecke praktikable Gemeinsamkeit zwischen Individual-Frames, mentalen Modellen und individuellen Einstellungen aufmerksam, die
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auch die o.g. Definition von Neuman, Just und Crigler (ebd.) nahelegt: Individuelle Frames bzw. mentale Modelle dienen ebenso wie Einstellungen der kognitiven Strukturierung, der emotional-affektiven Bewertung und der Verhaltensorientierung (vgl. z.B. Eagly & Chaiken, 1993). Ebenso wie mentale Modelle oder individuelle Frames sind auch Einstellungen nicht direkt beobachtbar, sondern können nur indirekt, mit Hilfe von entsprechenden Indikatoren erfasst werden. Mentale Modelle können deshalb – so Nerad (ebd., S. 4) – auch als MetaEinstellungen verstanden werden, die verschiedene Einstellungen zu einem Thema integrieren und organisieren. Folgt man diesem Gedankengang, so wird es möglich, Individual-Frames bzw. mentale Modelle als komplexe Einstellungsmuster zu operationalisieren. Wohl wissend, dass die Gleichsetzung von (Meta)-Einstellungen und Individual-Frames bzw. mentalen Modellen noch weitere Begriffsarbeit verlangt, werden wir in unseren weiteren Arbeitsschritten Individual-Frames als individuelle Einstellungsmuster zur Interpretation, Bewertung, Erklärung und zum handlungsbezogen Umgang von Wirklichkeit betrachten und analysieren.28 Dabei nehmen wir an, dass individuelle Einstellungsmuster (Individual-Frames), mit denen Personen Terrorismus und terroristische Gefahren interpretieren, bewerten, erklären und zu bewältigen versuchen, eine analoge Struktur wie entsprechende Medien-Frames aufweisen können (siehe Abbildung 2.5).
Abbildung 2.5: Elemente der Individual-Frames Um diese vier, in Abbildung 2.5 dargestellten, Facetten oder Elemente von Individual-Frames gruppieren sich auch die wichtigsten Forschungsschwerpunkte, mit denen sich seit 2001 die sozialwissenschaftlichen Studien zum Terrorismus beschäftigen. Die von der American Psychological Association (APA) betreute und veröffentlichte Datenbasis PsycInfo verweist z.B. von 2001 bis heute auf über 700 Publikationen, die sich mit den psycho-sozialen Befindlichkeiten und Einstellungen zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und seinen Nachwirkungen und Folgen auseinandersetzen (vgl. auch als Überblick über relevante Arbeiten aus den Verhaltens- und Sozialwissenschaften bis 2002, Blumberg, 2002). Besonders dominant sind jene, bereits angedeuteten Untersuchungen, die sich auf die emotionalen Bewertungen, Befindlichkeiten und das Bedrohungserleben angesichts der Terrorrisiken beziehen. So belegen zahlreiche Studien, dass viele Menschen als Folgereaktionen auf den 11. September u.a. unter posttraumatischen Stresssymptomen, Angst bzw. Furcht vor Terrorattacken leiden (z.B. Carroll et al., 2006; Chen et al., 2003; Chu et al.,
28
Dass wir uns damit dem Vorwurf von Matthes (2007, S. 92) aussetzen könnten, Individual- bzw. Rezipienten-Frames – ebenso wie viele andere Autoren – als Metapher zu behandeln, ist uns bewusst.
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2006; DeLisi et al., 2003; Fredrickeson et al., 2003; Gidron, 2002; Klein et al., 2009; Marshall et al., 2002; Murphy, Wissmar & Freeman, 2003; Neria et al., 2007, 2008; Schuster et al., 2002; Silver et al., 2005; Strous et al., 2003; u.v.a.). Eine besondere Rolle in der sozialwissenschaftlichen und psychologischen Beschäftigung mit dem Terrorismus und seinen Folgen nehmen verstärkt seit etwa 2005 auch die Forschungen zum Anti-Terrorismus und seiner Beurteilung ein.29 Dazu gehören u.a. Arbeiten, in denen die Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen (z.B. Einstellungen zur militärischen Bekämpfung des Terrorismus und zum Militäreinsatz in Afghanistan, vgl. z.B. Cohrs et al., 2002, 2003, 2005a,b), zu verschärften Sicherheitsmaßnahmen an öffentlichen Plätzen (vgl. z.B. Chandler, 2008) und zu Anti-Terrorwarnungen (vgl. z.B. Kimmel & Stout, 2006) untersucht wurden. Zudem werden zunehmend Studien veröffentlicht, in denen nach Zusammenhängen zwischen dem Erleben von Terrorbedrohungen, dem Sicherheitserleben und der Zustimmung zu bzw. der Ablehnung von nationalen und internationalen Sicherheits- und AntiTerror-Maßnahmen gefahndet, die Effektivität von Anti-Terror-Maßnahmen untersucht oder nach den Folgen von Anti-Terror-Maßnahmen für muslimische Minderheiten in den europäischen Ländern gefragt wird (z.B. Huddy, Feldman & Weber, 2007; Lum, Kennedy & Sherley, 2006; Staub, 2007). So gaben nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zwei Drittel der Amerikaner an, dass sie Einschränkungen in ihren Bürgerrechten zustimmen würden, wenn der Terrorismus dadurch besser bekämpft werden könnte (Skitka, Baumann & Mullen, 2004). Landau et al. (2004) weisen im Rahmen einer Studie zur TerrorManagement-Theorie nach, dass das Priming mit Gedanken zum 11. September 2001 eine größere Unterstützung für George W. Bush und seine Antiterrorpolitik erzeugen konnte. Skitka et al. (2006) belegen in einer repräsentativen US-amerikanischen Studie (N = 550), dass nicht Terrorangst, sondern Zorn ein entscheidender Prädiktor für die Zustimmung zum Afghanistan-Krieg ist; Menschen, die dagegen Angst vor Terrorismus empfinden, befürworten eher als zornige Menschen die Ausweisung von arabischen Amerikanern. Yalei Bloch-Elkon (2007) analysiert mehrere repräsentative Meinungsumfragen zwischen 2001 und 2005 und zeigt das zunehmend geringer werdende Zutrauen der US-amerikanischen Bevölkerung gegenüber den Anti-Terror-Maßnahmen der Bush-Regierung. Darüber hinaus richten sich zahlreiche Studien auf die Untersuchung der individuellen und sozialen Bedingungen terroristischer bzw. anti-terroristischer Einstellungen. So werden u.a. sozio-psychologische Bedingungen der Wahrnehmung und Beurteilung der eigenen (bedrohten) Gruppe und fremder (potentiell bedrohlicher) Gruppen und der Einfluss 29
Eine Initialfunktion hatte in diesem Zusammenhang sicher der von Fathali M. Moghaddam (2005) in „American Psychologist“ veröffentlichte Artikel „The Staircase to Terrorism. A Psychological Exploration“ (vgl. auch kritisch: Paniagua, 2005).Moghaddam geht von einer stufenweisen Entwicklung bzw. Sozialisation terroristischer Akteure aus: „Although the vast majority of people, even when feeling deprived and unfairly treated, remain on the ground floor, some individuals climb up and are eventually recruited into terrorist organizations. These individuals believe they have no effective voice in society, are encouraged by leaders to displace aggression onto out-groups, and become socialized to see terrorist organizations as legitimate and out-group members as evil. The current policy of focusing on individuals already at the top of the staircase brings only short-term gains. The best long-term policy against terrorism is prevention, which is made possible by nourishing contextualized democracy on the ground floor” (Moghaddam, 2005, S. 161).
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sozialer Kategorisierungen (z.B. Ethnozentrismus, Nationalismus, Patriotismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Anti-Amerikanismus, Islamophobie), auf terrorrelevante Attributionen (z.B. über Ursachen, Wirkungen und Wahrscheinlichkeiten von Terroranschlägen) und die Akzeptanz von Terrorismus bzw. Anti-Terror-Maßnahmen untersucht. Dabei zeigen nationale wie internationale Befunde nach 2001 enge Zusammenhänge zwischen negativen bzw. ablehnenden Einstellungen gegenüber relevanten Fremdengruppen (vor allem Muslimen), der Zunahme sog. Ingroup-Favorisierungen (Ethnozentrismus, Nationalismus und Patriotismus) und den Einstellungen gegenüber Terrorismus im Allgemeinen und der Angst vor Terroranschlägen im Besonderen (z.B. Bonanno & Jost, 2006; Cheung-Blunden & Blunden, 2008; Davies, Steele & Markus, 2008; Kam & Kinder, 2007; Moskalenko et al., 2006; Oswald, 2005; Skitka, 2005; Sahar, 2008). Diese Resultate differenzieren zwischen Kulturen, ethnischen Gruppen und sind abhängig von der erlebten Nähe potentieller und/oder tatsächlicher Terroranschläge (z.B. Glick et al., 2006; Huddy et al., 2002a,b; Li & Brewer, 2004). Außerdem werden das Bedrohungserleben, die gruppenbezogenen Einstellungen (Ingroup-Favorisierungen und Outgroup-Diskriminierungen) und anti- und pro-terroristische Stellungnahmen (z.B. die Befürwortung oder die Ablehnung von Anti-Terror-Maßnahmen) durch verschiedene personale und soziale Variablen mediiert. Zu diesen Vermittlungsvariablen gehören Alter, Religion, Geschlecht, Bildung, die Qualität sozialer Beziehungen, individuelle autoritäre Neigungen, soziale Dominanzorientierungen, Zukunftsorientierungen und übergreifende Werthaltungen (Bar-Tal & Labin, 2001; Brosig & Brähler, 2002; Castano, 2003; Eederico, Golec & Dial, 2005; Esses et al, 2002; Goodwin, Willson & Gaines, 2005; Haddad & Kashan, 2002; Holman & Silver, 2005; Landau et al., 2004; McFarland, 2005; Crowson, Debacker & Thoma, 2005, 2006; Monteith, 2002; Näätänen, Kanninen, Qouta & Punamäki, 2002; Shamir & Shikaki, 2002; Sidanius, Henry, Pratto & Levin, 2004; Skitka et al., 2004, 2006; Skitka, 2005; Smith et al., 2001; Thabet, Abed & Vostanis, 2002; van Zelst et al., 2003). Schließlich finden sich Studien, die sich den medialen Konstruktionen des Terrorismus im Sinne seiner Beschreibung, Bezeichnung bzw. Definition und den medialen Wirkungen widmen. So fragen Kruglanski et al. (2008) in Bezug auf anti-terroristische Maßnahmen „What should this fight be called?”. Lemyre et al. (2006) liefert Hinweise, dass und wie die Kanadischen Medien die individuellen Beurteilungen und Bewertungen des Terrorismus beeinflussen (ähnlich für Australien auch Toohey & Taylor, 2006). Pronin, Kennedy und Butsch (2006) zeigen in zwei experimentellen Studien, wie die Bezeichnung von Terroristen (entweder als rational oder irrational agierende Akteure) die Bereitschaft von Versuchspersonen beeinflussen kann, auf den Terrorismus entweder militärisch oder durch Verhandlungsangebote („Bombing versus Negotiating“) zu reagieren. Die vielfältigen und z.T. auch recht unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Befunde erlauben es, auch die zentrale Fragestellung 2 zu spezifizieren:
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Die Fragestellung 2 (Wie nehmen Vertreter der deutschen Bevölkerung die TerrorismusInszenierung wahr und mit welchen Interpretationen beteiligen sie sich an diesen Inszenierungen?): A) Wie werden Terrorismus und Terroristen individuell wahrgenommen und interpretiert? B) Wie werden die Terrorismusgefahr und der „Kampf gegen den Terrorismus“ bewertet und u.U. als bedrohlich erlebt? C) Wie werden die Ursachen und die Folgen des Terrorismus beurteilt und interpretiert? D) Inwiefern wird den Anti-Terror-Maßnahmen zugestimmt bzw. unter welchen Bedingungen und mit welchen Begründungen werden solche Maßnahmen abgelehnt? E) Welche gruppenbezogenen Einstellungen (Ingroup-Favorisierungen, Outgroup-Ablehnungen) äußern die Befragten und inwieweit hängen diese gruppenbezogenen Einstellungen mit der Beurteilung des Terrorismus und des Anti-Terrorismus und mit dem Bedrohungserleben zusammen? F) Gibt es Zusammenhänge zwischen der Beurteilung des Terrorismus und der Anti-TerrorMaßnahmen, dem Bedrohungserleben und dem Mediennutzungsverhalten (z.B. den allgemeinen Medienerfahrungen, den allgemeinen Medienpräferenzen, speziellen TV-Präferenzen, der Einschätzung, inwieweit soziale Bezugsgruppen die individuelle Mediennutzung beeinflussen)? G) Inwieweit werden die ermittelten Einstellungen und Überzeugungen von personalen und sozialen Bedingungen (von individuellen generalisierten Einstellungen und soziodemografischen Merkmalen) mediiert oder moderiert?
Die mit diesen spezifizierten Fragestellungen angezielten individuellen Interpretationen, emotionalen Bewertungen, Attributionen und potentiellen Handlungsbereitschaften fassen wir mit dem Begriff „Individual-Frames“ zusammen (siehe oben dargestellte Abbildung 2.5) und operationalisieren die Individual-Frames darunter als komplexe Einstellungsmuster. Zwischenfazit Mit den zwei zentralen Fragestellungen und den darauf bezogenen methodischen Konsequenzen richtet sich der Fokus des hier berichteten Projekts auf zwei Strukturelemente und deren Relationen innerhalb der in Kapitel I (siehe dort Abbildung 1.4) vorgestellten „Matrix“ der Protagonisten in der Inszenierung von Terrorismus, nämlich einerseits auf die Medien und andererseits auf potentielle Rezipienten, Beobachter und/oder Beurteiler des Terrorismus (siehe Abbildung 2.6).
60
II Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption
Abbildung 2.6: Forschungsgegenstände des Projekts
Theoretische Differenzierungen Mit den zwei zentralen Fragestellungen und ihren Spezifikationen wird ein hypothetischer Problemraum aufgespannt, dessen Variablen und deren Zusammenhänge theoretisch und im Hinblick auf ihre Operationalisierung weiter zu differenzieren sind. Abbildung 2.7 illustriert diese Differenzierung. Die umkreisten Variablen beziehen sich auf die o.g. Elemente der Individual-Frames; die übrigen Variablen haben sich in verschiedenen nationalen und internationalen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen zum Terrorismus als Prädiktoren, Mediatoren oder Moderatoren für den individuellen und/oder gruppenbezogenen Umgang mit Terrorismus erwiesen. Die Abbildung ist weitgehend selbsterklärend, so dass wir aus Platzgründen auf eine ausführliche Erläuterung verzichten und ausschließlich die zugrunde liegenden sozial- und medienwissenschaftlichen Einzeltheorien bzw. Befunde erwähnen: 1.
Die Aufnahme der Variablen des ersten Blocks in das integrative Theorie-Modell erfolgt vor dem Hintergrund, dass soziodemografische Variablen (wie Alter, Geschlecht, Bildung), generalisierte Einstellungen30 (das reinterpretierte Autoritarismus-Konzept nach Altemeyer, 1996; Wertorientierungen im Sinne der Theory of Human Values, Schwartz, 1992, 1999; politische Orientierungen, Zick & Küppers, 2006;
30
Autoritäre Orientierungen, Wertorientierungen, politische und religiöse Orientierungen betrachten wir in Anlehnung an Six (1996) als generalisierte Einstellungen. Bernd Six, der diese Bezeichnung für den Autoritarismus eingeführt hat, versteht darunter in Anlehnung an Allport (1935) programmatische oder ideologische Überzeugungen (vgl. auch Frindte, 2006).
2 Ziel- und Fragestellungen, theoretische Grundlagen und methodische Konsequenzen
61
Religiosität), aber auch das Medienwahl- und Mediennutzungsverhalten in nationalen und internationalen Studien als Prädiktoren bzw. Mediatoren für die im zweiten, dritten und vierten Block aufgeführten Variablen hinlänglich nachgewiesen wurden (vgl. siehe oben). Liborius (2007) konnte in einer diesem Projekt vorausgehenden Pilotstudie u.a. zeigen, dass Männer militärischen Anti-Terror-Maßnahmen eher zustimmen als Frauen. Darüber hinaus zeigte die Studie von Goodwin, Willson und Gaines (2005), dass Frauen eine höhere Angst vor terroristischen Anschlägen wahrnehmen als Männer. Anzunehmen, weil durchaus plausibel, ist außerdem, dass sich auch Personen mit höherer Bildung in der Einschätzung der Anti-TerrorMaßnahmen und im Bedrohungserleben von Personen mit geringerem Bildungsstand unterscheiden. Auch der Familienstand (verheiratet versus ledig) dürfte in dieser Weise Einfluss auf die Einstellungen zu Anti-Terror-Maßnahmen und auf das Bedrohungserleben haben. Überdies scheint das Bedrohungserleben ein sehr sensibles, ereignisabhängiges und situationsbezogenes Phänomen zu sein, das von unterschiedlichen Personen (Männer, Frauen, Gottesgläubige und Nichtgottesgläubige, Verheiratete und Ledige) zu unterschiedlichen Zeiten sehr unterschiedlich geäußert wird (vgl. auch Brockhaus, 2002). Auch zwischen den generalisierten Einstellungen und dem individuellen Bedrohungserleben finden sich in der Literatur empirisch nachgewiesene Zusammenhänge. So konnte Altemeyer (1988) im Experiment eine kausale Beziehung zwischen sozialer Bedrohung und Autoritarismus nachweisen. Er beschrieb autoritäre Personen als vorurteilsbehaftet und intolerant, was sich in einer erhöhten Bereitschaft zur Bestrafung von Abweichlern äußern könne. Zusammenhänge zwischen Autoritarismus und wahrgenommener Bedrohung findet auch McFarland (2005). In Vorarbeiten zum vorliegenden Projekt bestätigten auch Breternitz (2007), Marinell (2005), Liborius (2007) und Partal und Ehrenstrasser (2005) ebenfalls, dass hohe Autoritarismusausprägungen mit hoher wahrgenommener Bedrohung einhergehen. In diesem Sinne wäre auch zu erwarten, dass sich Personen mit hohen Autoritarismuswerten durch den Terrorismus besonders bedroht und auf die Bedrohung mit stärkerer Befürwortung von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung reagieren. Dies ließe sich entweder als klassische autoritäre Reaktion nach Oesterreich (Flucht in die Sicherheit von Autoritäten; Oesterreich, 1996, 2000) oder als Wunsch nach Wiederherstellung der normativen, sicheren Welt interpretieren (Duckitt et al., 2002). Auch eine erhöhte Zustimmung zu verschärften Sicherheitsmaßnahmen wäre zu erwarten, selbst wenn solche Maßnahmen nur durch Abbau von Bürgerrechten zu erreichen sind (vgl. auch Cohrs et al., 2005a,b). Die Befunde von Cohrs et al. (2005a,b) legen außerdem auch einen moderierenden Einfluss von zentralen Wertorientierungen auf den Zusammenhang von Bedrohungserleben und Einstellungen gegenüber militärischen Maßnahmen nahe. Besonders Wertorientierungen, die auf Konformität, Sicherheit, Macht und Leistung gerichtet sind, korrelieren in dieser Studie mit militaristischen Einstellungen. Hinweise auf den Einfluss von Werthaltungen auf wahrgenommene terroristische Bedrohungen finden sich auch bei Frink et al. (2004) und Goodwin et al. (2005). Dass auch politische und religiöse Orientierungen den Zusammenhang zwischen Bedrohungserleben und Anti-Terror-Maßnahmen moderieren können, dürfte ebenfalls plausibel sein (z.B. Echebarria-Echabe & Fernandez-Guede, 2006). Und schließlich
62
2.
II Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption nehmen wir auch Zusammenhänge zwischen dem Medienwahl- und -nutzungsverhalten einerseits und dem subjektiven Umgang mit dem Terrorismus an. In einer Vorstudie von Fuchs (2007) zeigte sich z.B., dass 74.5% der Befragten ihre Informationen über Terrorismus aus dem Fernsehen beziehen. Dass Fernsehberichte, vor allem dann, wenn über Terroranschläge berichtet wird, besonders dramatisiert und emotionalisiert inszeniert sind, konnte Haußecker (2003, 2007) in ihren Analysen feststellen. Besonders verstärkte Dramatisierungs- und Emotionalisierungsstrategien wiesen, wie die Studien von Brosius (2001), Brosda (2002) und Weichert (2006) belegen, die Berichterstattungen über die Terroranschläge am 11.9.2001 in New York auf. Verstärkte Dramatisierungs- und Emotionalisierungseffekte werden u.a. dadurch erreicht, dass Tote und Verletzte sowie Trümmer, Zerstörung und Gefühle von Betroffenen dargestellt werden. Des Weiteren werden spezifische sprachliche Mittel und eine entsprechende akustische Untermalung eingesetzt (Büttner et al., 2008). Breckenridge und Zimbardo (2007) nehmen deshalb an, dass den Fernsehberichten über Terrorismus ein entscheidender Einfluss auf die Wahrnehmung von Vulnerabilität und auf das persönliche Bedrohungserleben der Rezipienten zugesprochen werden müsse. Von besonderer Bedeutung scheint überdies im Hinblick auf das Medienwahlbzw. Mediennutzungsverhalten der sog. Dritte-Person-Effekt zu sein. W. Phillips Davison hat diesen Effekt als bereits 1983 im Zusammenhang mit der Rolle der Medien bei der öffentlichen Meinungsbildung (Davison, 1983; Fiske & Taylor, 1991) analysiert. Entsprechend der Annahme des Dritte-Person-Effektes schreiben Personen ihren Mitmenschen eine höhere Beeinflussbarkeit durch Medieninhalte zu als sich selbst. Inzwischen konnte im Rahmen einer Vielzahl von Studien und Forschungsarbeiten der von Davison postulierte Effekt mehrfach nachgewiesen werden und erscheint heute als ein robuster empirischer Befund (Hoffner et al., 1999, 2001; Hwang, 2008; Perloff, 1999). Die theoretische Konzeptualisierung der Variablen des zweiten Blocks stützt sich auf Arbeiten zum individuellen und gruppenspezifischen Verständnis von Gewalt, Terror und makrosozialen Bedrohungen (vgl. z.B. Boehnke, et al., 1993; Boehnke, Frindte, Reddy & Singhal, 1993; Doty, Winter, Peterson & Kemmelmeier, 1997; Verkuyten & Hagendoorn, 1998; Whitley, 1999), vor allem auf die Integrated Threat Theory of Predjudice (ITT) (Stephan & Stephan, 2000) und deren Überarbeitung (Stephan & Renfro, 2002) sowie auf empirische Arbeiten zur differenzierten Wahrnehmung von persönlichen, gruppenspezifischen und nationalen Bedrohungen durch Terror (z.B. Brosig & Brähler, 2002; Huddy et al., 2002a,b). So unterscheiden Huddy et al. (2002a,b) zwischen persönlicher und nationaler Bedrohung. Persönliche Bedrohung erlebt eine Person dann, wenn sie sich selbst gefährdet fühlt und erwartet, die Konsequenzen der Bedrohung persönlich zu erfahren. Bei der nationalen Bedrohung handelt es sich um Bedrohungen, die sich gegen das eigene Heimatland bzw. die Nation richten, in der man lebt oder in der man geboren wurde. Zusammenhänge zwischen erlebter Bedrohung und der Forderung nach Anti-Terror-Maßnahmen (also Variablen des vierten Blocks) werden in der Literatur ebenfalls berichtet. So berichten Niemi et al (1989) u.a., dass Personen angesichts internationaler oder nationaler Bedrohungen politische Gegenmaßnahmen ablehnen oder nicht bereit sind, ihnen zuzustimmen. Doty et al. (1991, 1997) hingegen konnten zeigen, dass Menschen, die sich durch den Terrorismus
2 Ziel- und Fragestellungen, theoretische Grundlagen und methodische Konsequenzen
3.
31
63
bedroht fühlen, eher bereit waren, auf grundlegende Bürgerrechte zu verzichten, wenn sie glaubten, dass dadurch die Bedrohung abzuwenden sei. Gordon und Arian (2001) verweisen darauf, dass unter diesen Umständen auch mit erhöhter Unterstützung militärisch-politischer Aktionen zu rechnen ist. Eine erhöhte Unterstützung militärischer Einsätze im Kampf gegen den Terrorismus oder einer verschärften Rechtsprechung angesichts wahrgenommener Terrorbedrohungen lässt sich auch aus den Befunden von Ullrich und Cohrs (2007) ableiten. Bei der Erklärung der Variablen des dritten Blocks und ihres Zusammenhanges zu den Variablen des zweiten Blocks einerseits und den vierten Blocks andererseits stützen wir uns auf Untersuchungen zum Intergroup Bias31 (Bar-Tal & Lapin, 2001; Hewstone, Rubin & Willis, 2002; Pettigrew, 1998), auf die Längsschnittstudie zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (Heitmeyer, 2002, 2008), auf die Integrated Threat Theory of Predjudice (Stephan und Renfro, 2002) und auf die empirisch relativ gut bestätigten Aussagen der Terror-Management-Theory (vgl. z.B. Kosloff et al., 2006; Pyszczynski, Solomon & Greenberg, 2003; Pyszczynski et al., 2009). Sowohl die revidierte Integrated Threat Theory (ITT, Stephan & Renfro, 2002) als auch die Konzeption der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (Heitmeyer, 2008) postulieren einen positiven Zusammenhang zwischen der erlebten Bedrohung bzw. wahrgenommenen Konflikten und der Abwertung relevanter Fremdgruppen (Outgroups), die für die Bedrohung verantwortlich gemacht werden. Vor allem die ITT lieferte den theoretischen Hintergrund für die in Abbildung 1.10 illustrierten Zusammenhänge zwischen Bedrohungserleben (Variablenblock 2), Outgroup-Diskriminierung (Variablenblock 3) und Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen (Variablenblock 4). Die revidierte ITT (Stephan & Renfro, ebd.) postuliert erstens, dass Menschen zumindest zwei Formen von Bedrohungen erleben können: a. persönliche Bedrohungen (Threats to Individual) und b. Bedrohungen, die sich auf ihre Bezugsgruppen (Ingroup) beziehen können (Threats to Ingroup). Derartige Bedrohungserlebnisse können zweitens a. Folge der spezifischen Beziehungen zwischen ihren Bezugsgruppen (Ingroup) und relevanten Fremdgruppen (Outgroups) sein (Relation between Groups), b. vor dem Hintergrund spezifischer kultureller Bedingungen (Cultural Dimensions) entstehen, c. aufgrund individueller Besonderheiten oder Dispositionen (Individual Differences) als gravierend wahrgenommen werden (z.B. durch eine ausgeprägte soziale Dominanzorientierung oder durch einen geringen Selbstwert) oder d. durch besondere situative Bedingungen (Situational Factors) beeinflusst sein. Folge der erlebten persönlichen oder Ingroup-Bedrohung können drittens spezifische psychologische Reaktionen (z.B. Vorurteile gegenüber den als bedrohlich eingestuften Fremdgruppen) und/oder spezifische Verhaltensreaktionen (z.B. Aggression gegenüber Fremdgruppen oder bestrafende Maßnahmen, aber auch Unterordnung etc.) sein. Die ITT wurde in zahlreichen empirischen Arbeiten bestätigt und konnte z.B. Vorurteile Der Begriff „Intergroup Bias“ wird hier als Oberbegriff für die zwei sich ergänzenden Prozesse der Ingroup-Favorisierung und der Outgroup-Ablehnung benutzt. „Intergroup bias refers generally to the systematic tendency to evaluate one's own membership group (the in-group) or its members more favorably than a nonmembership group (the out-group) or its members” (Hewstone, Rubin & Willis, 2002).
64
4.
II Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption gegenüber nationalen und ethnischen Gruppen oder Geschlechtsgruppen vorhersagen (Stephan et al., 2000, 2002). Die Variablen des vierten Blocks bilden die eigentlich abhängigen Variablen. Erklärt werden sollen schließlich, wie Menschen die Terrorismus-Inszenierung beurteilen und mit welchen Interpretationen sie sich an diesen Inszenierungen beteiligen. Konkret geht es um die Frage: Inwieweit stimmen Menschen Anti-Terror-Maßnahmen zu oder lehnen sie ab bzw. tolerieren terroristische Gruppierungen und Aktionen? Damit wird auch noch einmal ein zentrales Merkmal deutlich, durch das sich das vorliegende Projekt auszeichnet: Es geht nicht primär darum, Bedingungen und/oder Ursachen für individuelle Bedrohungslagen angesichts der Terrorismusrisiken zu eruieren oder die Hintergründe für die individuellen Auffassungen über Terrorismus zu analysieren. Diese Bedingungen, Ursachen und Hintergründe sollen zwar auch untersucht werden (siehe o.g. spezifizierten Fragestellungen); vornehmliches Ziel ist es aber, die individuellen und/oder sozialen Antizipationen und Reaktionen auf die TerrorismusInszenierungen zu untersuchen. Dabei gehen wir mit Ulrich Beck (2007, S. 195) davon aus: „Auf den ersten Blick ist Prävention immer überlegen, weil sie die Wahnsinnstat verhindert; und der Zwang zur prä-aktiven Aufmerksamkeit wächst mit dem Wahnsinn der antizipierten Terrorattentate. Je größer die Bedrohung ist – oder gemacht wird –, desto leichter findet man in der Demokratie Mehrheiten für Freiheitsbeschränkungen. Vor die Alternative Freiheit oder Sicherheit gestellt, würde die Mehrheit der Bevölkerung vermutlich immer für Sicherheit plädieren.“
2 Ziel- und Fragestellungen, theoretische Grundlagen und methodische Konsequenzen
65
Abbildung 2.7: Theoretisches Variablennetz Methodische Konsequenzen Die empirische Identifikation der für die Fragestellung 1 relevanten und im o.g. Variablenblock 5 illustrierten Frameelemente impliziert die Erhebung von Zeitverlaufsdaten. Aus diesem Grunde wurde eine quantitative und qualitative Inhaltsanalyse der Nachrichten von ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und eine Voranalyse der Nachrichten von ARTE und n-tv in Deutschland gewählt. ARD, ZDF, RTL und Sat.1 sind, wie die folgende Tabelle zeigt, nach wie vor die Fernsehsender mit den größten Marktanteilen. Tabelle 2.1: Marktanteile der Fernsehprogramme in Deutschland; Zuschauer ab 3 Jahren, Mo-So, 3.00-3.00 Uhr, in Prozent (erstellt nach Zubayr & Gerhard, 2010, S. 109)
ARD ZDF RTL Sat.1
2007
Anteil am TV-Konsum 2008
2009
13.4 12.9 12.4 9.6
13.4 13.1 11.7 10.3
12.7 12.5 12.5 10.4
66
II Das Projekt, seine Ziele und die theoretische Konzeption
Ab August 2007 wurden alle abendlichen Hauptnachrichtensendungen dieser Fernsehsender aufgezeichnet, kodiert und einer umfangreichen Auswertung unterzogen (siehe die ausführliche Erläuterung im Kap. III).32 Aus forschungsorganisatorischen Gründen, die vor allem mit der notwendigen Zeit für die Datenauswertung zusammenhängen, wurden vorerst nur die Mediendaten vom August 2007 bis Februar 2009 ausgewertet. Dabei handelte es sich um mehr als 15.000 Variablen, die in die jeweiligen Datenanalysen eingegangen sind. Das zugrundeliegende methodische Konzept wurde bereits erfolgreich von Haußecker (2003, 2007) erprobt und orientiert sich methodisch an den Untersuchungsdesigns von Fahr und Scheufele (2007), Früh (2001b), Ruhrmann et al. (2003) und Scheufele (2003, 2004a,b). Um die Fragestellung 2 zu beantworten, wurden 100 ausgewählte erwachsene deutsche Personen (im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Bildung annähernd repräsentativ für die Gesamtbevölkerung) im Verlaufe der Projektzeit zu drei Erhebungszeitpunkten wiederholt interviewt. Aus forschungsmethodischen Gesichtspunkten (die im Wesentlichen mit dem Dropout von Interviewten zusammenhängen) wurden in den Interviewwellen 2 von den ursprünglich 100 Personen nur noch 80 und in der dritten Erhebungswelle 50 Personen interviewt. Die Interviews erfolgten mittels offener und strukturierter Fragen (siehe Kap. V). Mit unserer Interviewstudie strebten wir keine repräsentative Erhebung an; vielmehr ging es uns darum, die im o.g. theoretischen Variablennetz (Abbildung 2.7) illustrierten Zusammenhänge zu prüfen. Dazu war es notwendig, eine gewisse Mindestgröße der Stichprobe über die drei Erhebungszeitpunkte zu sichern. Wie wir in den Kapitel V und VI zeigen werden, ist uns das auch gelungen. Da wir zumindest N = 50 Interviewte über zwei Jahre hinweg insgesamt drei Mal befragen und interviewen konnten, verfügen wir über ein Datensample, dass es uns erlaubt, auf statistischem Wege nach Wirkungszusammenhängen (Kausalitäten) zwischen einzelnen o.g. theoretisch abgeleiteten Variablen zu suchen.
32
Die Aufzeichnung und Kodierung wird gegenwärtig im Rahmen eines neuen Projekts fortgesetzt.
Nicole Haußecker & Jens Jirschitzka
III Mediale Konstruktion I: Methodisches Vorgehen – Inhaltsanalyse der Terrorberichterstattung in deutschen Fernsehnachrichten III Mediale Konstruktion I: Methodisches Vorgehen
Die Medienanalyse der vorliegenden Untersuchung zielt auf die Betrachtung der medialen Konstruktion von Terrorismus. Dafür haben wir mit Hilfe einer quantitativen Inhaltsanalyse untersucht, wie die wichtigsten Nachrichtensendungen (Abendnachrichten und Journale) des deutschen Fernsehens die Terrorismusproblematik darstellen. Zunächst wird die methodische Vorgehensweise der Inhaltsanalyse vorgestellt, um im darauffolgenden Kapitel auf die empirischen Ergebnisse einzugehen.33
1 Aufzeichnung und Vorauswahl der Nachrichtenbeiträge 1 Aufzeichnung und Vorauswahl der Nachrichtenbeiträge Das Fernsehen stellt, selbst bei Jugendlichen mit intensiver Internetnutzung, nach wie vor ein zentrales Leitmedium dar (vgl. Van Eimeren & Ridder, 2005), so dass die Analyse von Fernsehnachrichten sinnvoll erscheint. Auch die ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation zeigt, dass das Fernsehen eines der meistgenutzten Medien verkörpert. So umfasst die Nutzungsdauer des Fernsehens 2005 220 Minuten pro Tag (im Jahr 2009 wird das Fernsehen noch 212 Minuten pro Tag genutzt, vgl. Zubayr & Gerhard, 2010), während Tageszeitung 28 Minuten und Internet 44 Minuten pro Tag einnehmen (Van Eimeren & Ridder, ebd., S. 496). Selbst bei der sogenannten ‚Inselfrage‘, also der Frage, welches Medium man auf eine Insel mitnehmen würde, steht das Fernsehen seit 1970 immer noch an der Spitze – auch wenn der Anteil insgesamt rückläufig ist. Die Reichweite des Fernsehens hat sich in den letzten Jahrzehnten hingegen stark erhöht (von 72% im Jahr 1970 auf 89% im Jahr 2005). Zudem übersteigt die Tagesreichweite des Fernsehens jene anderer tagesaktueller Medien. Im Vergleich dazu kämpft die Tageszeitung seit den 1990er Jahren gegen einen deutlichen Rückgang ihrer Reichweiten (Van Eimeren & Ridder, 2005, S. 495-496). Vor allem jedoch ist das Fernsehen noch immer eines der glaubwürdigsten Medien (Egger & Van Eimeren, 2008, S. 581). Der Fokus auf Nachrichtensendungen lässt sich damit begründen, dass die Thematisierung von Terrorismus hier die meisten Rezipienten erreicht. Sicherlich wird Terrorismus auch in Magazinsendungen dargestellt, aber die Zuschauerzahlen für TV-Nachrichten sind weit höher (Zubayr & Geese, 2005). So schalteten 2004 täglich durchschnittlich über 35
33
An dieser Stelle sei nochmals herzlichst Bertram Scheufele gedankt, der den medienanalytischen Teil des Projekts sehr befördert und vorangetrieben hat.
W. Frindte, N. Haußecker (Hrsg.), Inszenierter Terrorismus, DOI 10.1007/978-3-531-92579-0_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
68
III Mediale Konstruktion I: Methodisches Vorgehen
Millionen Zuschauer eine TV-Nachrichtensendung34 ein (ebd, S. 152f.). Das sind rund 56 Prozent aller Bundesbürger ab 14 Jahre in Deutschland bzw. 73 Prozent aller Zuschauer ab 14 Jahren (ebd.). Die Auswahl der TV-Sender, die wir für unsere Inhaltsanalyse berücksichtigen, erfolgte auf Basis aktueller Zuschauerzahlen (vgl. Basisdaten Media Perspektiven, 2006; Media Control: TV ratings Juli 2007; Internetquelle). Ausgewählt wurden die Nachrichtensendungen mit den höchsten Marktanteilen. An der Spitze steht die ARD-Tagesschau, gefolgt von ZDF-heute, ZDF-heute-Journal, RTL-aktuell, ARD-Tagesthemen, Sat.1-Nachrichten, RTL-Nachtjournal, n-tv-Der Abend sowie ARTE-Info. Die Aufzeichnung der TV-Nachrichten erfolgte automatisch, durch ein von der Firma NET.BOOCK programmiertes Computersystem namens ReportRecord. Von den zunächst aufgezeichneten Nachrichtenbeiträgen berücksichtigten wir ausschließlich Beiträge über Terrorismus im Allgemeinen sowie Beiträge über terroristische Ereignisse. Die Auswahl erfolgte in zwei Schritten: (1) Im ersten Schritt wurden alle Beiträge des Untersuchungszeitraums ausgewählt, die mindestens eines der Schlagwörter „Terror“, „Attentat“ oder „Selbstmordanschlag“ (linksund/oder rechtstrunkiert35) enthalten. Damit wurden beispielsweise auch Beiträge in das Sample aufgenommen, die von einem „Terrorrakt“ oder „terroristischen“ Ereignis oder von „Attentaten“ sprachen. Berichte über terroristische Ereignisse ohne Verwendung eines der Schlagwörter wurden für die Vorauswahl ausgewählt und zur weiteren Diskussion vorgelegt. (2) Im zweiten Schritt wurden alle ausgewählten Beiträge daraufhin geprüft, ob sie Terrorismus oder ein terroristisches Ereignis auch tatsächlich thematisierten – auch wenn das nur am Rande oder in einem Nebensatz der Fall war. Wurde Terrorismus nicht thematisiert, obwohl eines der Schlagworte fiel, dann wurden die Beiträge von der Codierung ausgeschlossen (vgl. Abbildung 3.1). So wurden etwa Beiträge, die über militärische Ereignisse oder Attentate bzw. Anschläge ohne terroristischen Hintergrund berichten oder den Terrorbegriff in anderen Kontexten verwenden (z.B. Telefonterror), vernachlässigt. Bei passender Thematik wird Beitrag codiert Ein Schlüsselwort im Beitrag?
nein Bei unpassender Thematik wird […] Beitrag NICHT codiert
ja
Passender Kontext? (anhand Kriterienkatalog)
nein ja
Beitrag wird NICHT codiert
Beitrag wird codiert
Abbildung 3.1: Schema zur Auswahl der Terrorismusnachrichtenbeiträge für die inhaltsanalytische Codierung 34 35
Dabei wurden die Nachrichten von folgenden Sendern berücksichtigt: ARD, ZDF, Dritte Programme, 3sat, Phoenix, RTL, Sat.1, ProSieben, RTL II, Kabel 1, VOX, n-tv und N 24. Trunkieren ist ein Phänomen der Wortbildung. So wird ein Wort auf bei der Zusammensetzung auf eine bestimmte Länge verkürzt. Zum Beispiel das Schlagwort „terror“ kann rechtstrunkiert (z.B. Anti-Terror), linkstrunkiert (z.B. Terrorwarnung) sowie links- und rechtstrunkiert (z.B. Anti-Terror-Maßnahmen) oder untrunkiert (z.B. Terror) vorkommen.
2 Einheiten der Inhaltsanalyse der Terrorismusberichterstattung
69
Die Stichprobe der Vorauswahl zeigt Tabelle 3.1. Bei der Voranalyse wurden insgesamt 1962 Beiträge in den Hauptnachrichten von ARD, ZDF, RTL, Sat.1, ARTE und n-tv vorausgewählt. Diese wurden von einem Expertenteam einer weiteren Kontrolle unterzogen, so dass für die Hauptanalyse weniger Beiträge berücksichtigt wurden. Diese thematisierten dann aber tatsächlich Terrorismus und Zweifelsfälle wurden ausgeschlossen. Auch die Beiträge von ARTE und n-tv wurden in der Hauptanalyse nicht mehr berücksichtigt. Vorund Hauptanalyse unterschieden sich also bezüglich der berücksichtigten Sender, Sendungen sowie im Analyseverfahren. Tabelle 3.1: Voranalyse und Hauptanalyse – Anzahl und Anteile (Zeilenprozent) der Nachrichtenbeiträge über Terrorismus nach Sendern ARD
ZDF
RTL
Sat.1
ARTE
n-tv
Gesamt
N
397
358
302
196
463
246
1962
%
20
18
15
10
24
13
100
Voranalyse
Hauptanalyse
2 Einheiten der Inhaltsanalyse der Terrorismusberichterstattung 2 Einheiten der Inhaltsanalyse der Terrorismusberichterstattung Alle Nachrichtenbeiträge des Samples wurden einer quantitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Dabei haben wir Untersuchungs-, Codier- und Kontexteinheiten unterschieden.
2.1 Untersuchungseinheit Die Untersuchungseinheit wurde durch den Untersuchungszeitraum, die Mediengattung, die Sender und Rubriken sowie die Beitragskriterien definiert. Die Auswahl der Sender haben wir bereits begründet. Aufgezeichnet wurden alle Nachrichtenbeiträge in den erwähnten Nachrichtensendungen vom 18. August 2007 bis 18. Februar 2009 (551 Tage). Die Zeiträume zeigt Tabelle 3.2.
70
III Mediale Konstruktion I: Methodisches Vorgehen
Tabelle 3.2: Untersuchungszeiträume für Sendungen nach Sendern Sendung ZDF-heute
Start-Datum 09.08.2007a; 15.08.2007 09.08.2007
RTL-aktuell Sat.1-Nachrichten
09.08.2007a; 16.08.2007 09.08.2007a; 15.08.2007 09.08.2007a; 16.08.2007 09.08.2007
n-tv-Der Abend ARTE-Info ARD-Tagesschau a
End-Datum 18.02.2009 18.02.2009 18.02.2009 18.02.2009 18.02.2009 18.02.2009
Probelauf: Testphase der Nachrichtenaufzeichnung
Das Medien-Sample umfasst demzufolge die Hauptnachrichtensendungen der bereits erwähnten sechs Sender (vgl. Tabelle 3.3). Tabelle 3.3: Fernsehsender und Nachrichtensendungen Mediengattung Hauptnachrichten
Ausgewähltes Medium Öffentlich-rechtliche Sender (täglich) Private Sender (täglich)
ARD-Tagesschau ZDF-heute ARTE-info RTL-aktuell Sat.1-Nachrichten n-tv-Der Abend Pro7-Newstime
Hinsichtlich Rubriken und Stilformen gingen wir für alle Sender vergleichbar vor, berücksichtigten aber die Charakteristika des jeweiligen Formats. Das Rubriken-Sample umfasste bei allen Sendungen den gesamten redaktionellen Teil mit Ausnahme von Wetter, Sport und Teasern (Vorspann). Auch Laufbänder etwa bei n-tv wurden nicht untersucht. Die jeweiligen journalistischen Stilformen (vgl. z.B. Fahr, 2001) wurden alle berücksichtigt und codiert.
2.2 Codier- und Kontexteinheit Das Codebuch orientiert sich vor allem an den Erhebungsinstrumenten von Haußecker (2003) und Scheufele (2005). Insgesamt gab es drei Codiereinheiten: den gesamten TVBeitrag, das terroristische Ereignis sowie die Bildeinstellung im Fernsehbeitrag. Die beiden ersten Codiereinheiten folgten weitgehend Scheufele (2005, S. 117-118).
3 Codierlogik und Kategoriensystem (1)
(2)
(3)
71
Für die allgemeine Terrorismusberichterstattung – etwa wenn über eine internationale Sicherheitskonferenz zu Terrorismus berichtet wurde – war der einzelne Beitrag in den Fernsehnachrichten die Codiereinheit. Während solche Beiträge als abgeschlossene redaktionelle Einheiten einfach zu definieren und identifizieren sind, verlangte die Codierung terroristischer Ereignisse eine andere Vorgehensweise. Das terroristische Ereignis als Codiereinheit konnte z.B. eine Meldung zu einem terroristischen Anschlag sein. Die Merkmale der terroristischen Ereignisse wurden auf der Ebene des einzelnen Ereignisses codiert. So wurde pro Ereignis beispielsweise gefragt, welcher Typ von terroristischen Ereignissen laut Beitrag vorliegt. Pro Beitrag können bis zu drei Ereignisse codiert werden. Als „terroristisch“ galten nur Ereignisse (z.B. Anschlag), die der Beitrag explizit als solche bezeichnete. Wurden Ereignisse summarisch thematisiert, dann galt dies als Sammelereignis36. Ein Sammelereignis wurde wie ein singuläres terroristisches Ereignis betrachtet und vergleichbar codiert. Für die visuelle Codierung, die sich vor allem an einem Codebuch von Haußecker (2003) orientierte, wurde die einzelne Kameraeinstellung als Codiereinheit festgelegt (vgl. ausführlicher Kap. V.3.3).
Als Kontexteinheit für Zweifelsfälle dienten alle Beiträge des betreffenden Medienangebots im Untersuchungszeitraum.37
3 Codierlogik und Kategoriensystem 3 Codierlogik und Kategoriensystem 3.1 Formale Kategorien Das Codebuch unterscheidet zwischen formalen und inhaltlichen Kategorien. Die formalen Kategorien, die bei der Vor- und bei der Hauptanalyse codiert wurden, zeigt Tabelle 3.4. Tabelle 3.4: Formale Kategorien Kategorie
Voranalyse
Hauptanalyse
Medium Datum Platzierung Umfang Nachrichtenwert Quelle/Verfasser Stilform Thema-Kategorie Thema-offen codiert
X X X X X
X X X X X X X X
36 37
X X
Ein Sammelereignis wäre z.B. die Thematisierung von mehreren Anschlägen einer Organisation an verschiedenen Orten. Einzelfälle wurden im Forscherteam (einschließlich der Codierer) geklärt.
72
III Mediale Konstruktion I: Methodisches Vorgehen
3.2 Inhaltliche Kategorien Prinzipiell konnte ein Beitrag sowohl ein konkretes terroristisches Ereignis (bzw. ein Sammelereignis) ansprechen als auch Terrorismus in allgemeiner Hinsicht thematisieren. Voraussetzung für eine Codierung ist das Vorliegen von mindestens einem der drei Bereiche, im Beitrag. Je nachdem, was der Beitrag thematisierte, wurden inhaltliche Kategorien codiert.
3.2.1 Kategorien für konkrete terroristische Ereignisse und Sammelereignisse Die Identifizierung der terroristischen Ereignisse erfolgt auf Beitragsebene. Wie erwähnt, konnten bis zu drei terroristische Ereignisse codiert werden. Erfasst wurden die drei zentralen und dabei aktuellsten Ereignisse, die im Beitrag angesprochen wurden. Alle Ereignisse, die am gleichen Tag und Ort stattfanden, galten als ein Ereignis (Sammelereignis). Codiert wurden die – bemessen am Zeitpunkt der Veröffentlichung des Fernsehbeitrags – aktuellsten Ereignisse. Zuerst wurde immer das aktuellste Ereignis, also das vom Publikationsdatum (z.B. 23.03.2008) am ‚kürzesten zurückliegende‘ Ereignis (z.B. vom 20.03.2008) erfasst. Waren mehr als drei Ereignisse vergleichbar aktuell, wurden jene drei berücksichtigt, die im Beitrag am umfangreichsten angesprochen wurden. Vergangene terroristische Ereignisse (z.B. 11. September 2001, Madrid 2004) wurden codiert, wenn der Beitrag sie für einen Vergleich mit einem aktuellen Ereignis heranzog. Die Codierung der Merkmale jedes terroristischen Ereignisses erfolgte auf Ereignisebene. Pro Ereignis wurden folgende Kategorien erfasst:
Der Zeitfokus erfasste, ob es sich bei dem Ereignis um einen aktuellen oder um einen bereits länger zurückliegenden und nur erneut thematisierten Terrorakt handelte. Mit der Terrorismus-Art wurde erhoben, um welche Art (z.B. Anschlag) es sich bei dem im TV-Beitrag berichteten Ereignis handelte. Zudem wurde erfasst, welche Struktur des Terrorismus (z.B. Netzwerk, singuläre Terrorzelle) im Hinblick auf das erfasste Ereignis angesprochen wurde. Des Weiteren wurde codiert, ob das Ereignis mit früheren Ereignissen oder deren Drahtziehern bzw. Gruppierungen verglichen bzw. in Verbindung gebracht wurde. Außerdem konnten bis zu fünf Bezeichnungen pro Ereignis codiert werden. Dafür wurde den Codierern eine Liste mit diversen Tatbezeichnungen und kriegs-metaphorischen Begriffen vorgegeben. Allerdings konnte dabei auch dynamisch codiert werden, d. h. weitere Bezeichnungen, die nicht in der Liste waren, aber während der Codierung auftauchten, wurden ebenfalls erfasst. Schließlich wurden folgende Merkmale der Täter des terroristischen Ereignisses erfasst: Anzahl der Täter, Alter, Bildung, Geschlecht, Nationalität bzw. Herkunft sowie Religion. Zudem wurden die Gruppenzugehörigkeit der Täter (z.B. Al-Qaida als Drahtzieher) sowie ihre Motivation (z.B. islamistisch) codiert. Hinzu kamen Bezeichnungen, Um- und Beschreibungen (z.B. „Terrorbomber“, „Islamist“) für die Täter.
3 Codierlogik und Kategoriensystem
73
Wurden Opfer des Ereignisses thematisiert, dann erfolgte eine Codierung der Anzahl, Versehrtheit (z.B. schwer verletzt), des Geschlechts, Alter, deren Rolle (z.B. Militär, Zivilist) sowie Nationalität bzw. Herkunft. Darüber hinaus konnten auch hier Bezeichnungen, Um- und Beschreibungen für die Opfer erfasst werden.
3.2.2 Kategorien für die allgemeine Terrorismusberichterstattung Wenn der Fernsehbeitrag Terrorismus in allgemeiner Hinsicht thematisierte, wurden folgende Kategorien codiert:
Die thematische Einordnung von Terrorismus erfasste, ob z.B. über Terrorismus als allgegenwärtige Gefahr, über den Kampf gegen Terrorismus oder über Kommunikationsstrategien von Terroristen berichtet wurde. Auch für die allgemeine Terrorismusberichterstattung wurden, wie bei der oben genannten ereignisspezifischen Berichterstattung Art und Struktur des thematisierten Terrorismus codiert sowie Vergleiche und Bezeichnungen für Terrorismus erfasst. Für terroristische oder potentielle Täter jenseits konkreter Terrorakte wurden Nationalität bzw. Herkunft, Religion, Gruppenzugehörigkeit sowie Motivation und deren Bezeichnung codiert. Bezüglich der Opfer von Terrorismus wurden Anzahl und Versehrtheit, Geschlecht, Alter, Rolle, Nationalität bzw. Herkunft erfasst.
3.2.3 Kategorien für Problemdefinition und Kausal- bzw. Finalattributionen In Anlehnung an die Elemente von Medien-Frames (vgl. z.B. Entman 1993 und Kap. II) sowie das Codebuch von Scheufele (2005) wurden auf Beitragsebene Problemdefinitionen sowie Kausal- und Finalzuschreibungen erfasst. Diese Kategorien konnten ereignisspezifisch oder bezüglich der allgemeinen Terrorismusberichterstattung codiert werden. Jeweilige Besonderheiten sind bei den einzelnen Beschreibungen der Kategorien mit aufgenommen. Bedrohung Zunächst wurde codiert, ob und welche allgemeine Bedrohung durch Terrorismus der Fernsehbeitrag thematisiert. Es konnten bis zu zwei solcher Bedrohungen codiert werden, wobei jene mit dem meisten Umfang im Beitrag Priorität besaßen. Eine Codierung erfolgte nur, wenn die Bedrohung im Beitrag explizit angesprochen wurde.38 Welche Arten der Bedrohung codiert werden konnten, zeigt Tabelle 3.5. Pro Bedrohung wurde auch deren Reichweite sowie der Urheber der Bedrohung nebst seiner Nationalität/Herkunft erfasst. Die Kategorie Bedrohungsreichweite ermöglicht Aussagen darüber, ob es sich z.B. um eine
38
Es wurde beispielsweise nicht codiert, wenn eine Bedrohung bestritten wurde. Zudem durften jene Passagen im Beitrag nicht berücksichtigt werden, die ein konkretes terroristisches Ereignis ansprachen.
74
III Mediale Konstruktion I: Methodisches Vorgehen
Bedrohung für die Demokratie weltweit oder lediglich für die Demokratie in Deutschland handelt. Tabelle 3.5: Bedrohung durch Terrorismus (Beitragsebene) Code
Ausprägung
Beschreibung
Individuelle Bedrohungen 100 110 120 130 140
Bedrohung für Akteure Für Zivilisten, Bevölkerung Für Polizei/Justiz Für militärische Personen Für Politiker
z.B. Bevölkerung in Deutschland z.B. NATO z.B. Präsident Putin
Nationale/Globale/Universelle Bedrohungen 200 210 220 230
Bedrohung für Infrastrukturen Für zivile Einrichtungen Für militärische Einrichtungen Für die Wirtschaft
300 310 320 330 340 350
Bedrohung für Werte, normative Prinzipien des bedrohten Landes Für Demokratie z.B. mangelndes Vertrauen in Demokratie Für Freiheit z.B. Einschränkung bürgerlicher Freiheiten Für Staat/Rechtsstaat Für Frieden z.B. drohende Gefahr eines weiteren Weltkriegs Für Sicherheit z.B. Gefährdung der Sicherheit allgemein
999 000
Unbestimmte Bedrohung Nicht erwähnt
z.B. Aktienmärkte
Ursachen und Maßnahmen Pro Beitrag konnten bis zu drei Kausalzuschreibungen erfasst werden. Auch hier wurden diese nur erfasst, wenn explizit auf Ursachen, Hintergründe oder Bedingungsfaktoren verwiesen wurde oder ein kausaler Zusammenhang explizit erkennbar war. Dabei berücksichtigen wir z.B. individuelle, tätergebundene Faktoren, aber auch gesellschaftlichkulturelle Bedingungsfaktoren (z.B. Religiosität) oder politisch-wirtschaftliche Hintergründe (z.B. Krieg). Zusätzlich wurde erfasst, ob die Kausalfaktoren historisch oder aktuell einzuordnen waren. Analog zu den oben beschriebenen Bedrohungsnennungen wurden auch hier die Urheber der Kausalzuschreibungen erfasst. Zusätzlich wurde auch die Betroffenheit der Urheber codiert. Analog dazu erhoben wir die im Fernsehbeitrag erwähnten Präventions- bzw. Interventionsmaßnahmen (vgl. „treatment recommendation“ bei Entman, 1993, S. 52). Pro Beitrag konnten bis zu drei solcher Finalzuschreibungen erfasst werden. Der Begriff der Intervention bezeichnet Maßnahmen gegen bereits stattfindenden oder schon eingetretenen Terrorismus. Prävention bezeichnet dagegen eine Vorbeugung, umfasst also Maßnahmen, um Terroris-
3 Codierlogik und Kategoriensystem
75
mus von vornherein zu verhindern oder einzudämmen (z.B. Vorratsdatenspeicherung). In Fernsehbeiträgen kommen Präventions- und Interventionsmaßnahmen oft durch Forderungen oder Initiativen zum Ausdruck. Dabei spielte keine Rolle, ob die Prävention bzw. Intervention bereits umgesetzt war oder nur gefordert wurde. Für jede Maßnahme mussten zudem deren Reichweite (geographische/regionale Verortung) und Urheber erfasst werden.
3.2.4 Kategorien für Emotionalisierung Schließlich wurden in Anlehnung an Wirth und Früh (1996) explizite und implizite Gefühlssituationen erfasst. Zunächst erfolgt die Codierungen danach, ob und welche Gefühle der Fernsehbeitrag thematisierte. Dabei durften nur offensichtliche Emotionen codiert werden. Als explizite Gefühlssituationen galten Emotionen einer oder mehrerer Personen, die anhand von Mimik und Gestik (z.B. Trauergeste) explizit erkennbar bzw. verbalisiert (z.B. Schluchzen) wurden (vgl. Früh & Wirth, 1996; Haußecker, 2003; auch Izard, 1994, S. 407-408). Implizite Gefühlssituationen sind gekennzeichnet durch verbale und visuelle Präsentationen bestimmter Inhalte, die bei Zuschauern Emotionen auslösen, ohne in Wort oder Bild konkrete Gefühle oder Gefühlsäußerungen darzustellen. Außerdem ist die Stärke und Intensität der Emotion entscheidend und wird berücksichtigt (vgl. dazu Haußecker, 2003). Bei der Emotionalisierung39 von Nachrichten spielt auch die Dramatisierung in Sprache und Ton eine wichtige Rolle (vgl. dazu z.B. Grimm, 1996; Muckenhaupt, 2000; Wegener, 1994). Daher wurde der Einsatz von dramaturgischen Mitteln zur Emotionssteigerung im Fernsehbeitrag codiert (z.B. Übertreibungen, Toneffekte).
3.3 Codierlogik und Kategorien für Visualisierungen Für die Visualisierung in der Fernsehberichterstattung wurde ein weiterer Codebuchteil, vor allem in Anlehnung an Haußecker (2003), ergänzt. Die visuellen Kategorien haben wir zunächst summarisch betrachtet. Die Codiereinheit bei der Bildcodierung war die Kameraeinstellung. Eine Einstellung ist eine visuelle, nicht unterbrochene Einheit bzw. Bildpassage. Diese Kameraeinstellungen sind durch einen Bildschnitt klar voneinander getrennt (vgl. Fahr, 2001, S. 73). Bei Zooms, Schwenks und Kamerafahrten wird nur dann eine neue Einstellung codiert, wenn ein neues relevantes Objekt oder Geschehen ins Bild kommt oder in Großaufnahme in Szene gesetzt wird. Es wurden ausschließlich die tatsächlichen Bilder, ohne Berücksichtigung des verbalen Inhalts codiert. Außerdem wurden für die Terrorismus-Studie inhaltlich irrelevante Visualisierungen vernachlässigt. Solche sind Bilder, die themenunabhängig immer wieder in den Nachrichten auftreten, wie beispielsweise Porträteinstellungen von Experten, Politikern, Journalisten usw. im Interview. Waren im Hintergrund dabei themenrelevante Bilder zu sehen, die z.B. ein Terrorereignis, die Täter oder Opfer zeigten, oder waren bei
39
Weitere Ausführungen zur Emotionalisierung (Ursprünge, Begriffsbestimmung, Mittel etc.) finden sich im Beitrag von Katharina Wolf in diesem Band.
76
III Mediale Konstruktion I: Methodisches Vorgehen
Journalisten explizite Gefühlsäußerungen festzustellen, dann wurde die Einstellung codiert. Bilder, die Folgen des Ereignisses, wie z.B. Trümmer, Täter oder Opfer zeigten, waren von besonderem Interesse, da sie besonders für die Emotionalisierung (vgl. Kap. III.3.2.4) relevant sind. Insgesamt spielen visuelle Darstellungen eine entscheidende Rolle für die Emotionalisierung und Dramatisierung der Terrorismusberichterstattung, was die Ergebnisdarstellung unserer Analyse verdeutlicht (vgl. Kap. IV). Auch bei den Visualisierungen haben wir formale und inhaltliche Kategorien unterschieden. Die formalen Kategorien umfassen Dauer der Einstellung, Stilform (z.B. Sprechermeldung mit Vollgraphik), Art des Bildmaterials, Urheber der Aufnahme (z.B. Überwachungskamera, Videobotschaft von Terroristen) und Aktualität (z.B. Bilder aus der Vergangenheit). Zu den inhaltlichen Kategorien gehörte erstens das sichtbare Anschlagsziel, die Authentizität des Ereignisses (z.B. Zuschauer als Augenzeuge), Trümmer und Zerstörung sowie diverse Tätermerkmale (z.B. militärischer Kleidungsstil) und Opfermerkmale (z.B. Darstellung von Wunden, von Gefühlsobjekten wie z.B. Kindern). Zudem wurden auch Bilder von Präventions- bzw. Interventionsmaßnahmen (z.B. Bilder einer Militärpatrouille) sowie Symbolbilder (z.B. Fadenkreuz, Logos, Schattenbilder) erfasst.
4 Codiererschulung und Reliabilitätstest 4 Codierschulung und Reliabilitätstest Das sehr umfangreiche Codebuch enthielt insgesamt 83 Kategorien mit zahlreichen Ausprägungen auf den erwähnten drei Codierebenen. Ein solches Codebuch erfordert eine ausführliche Codiererschulung. Insgesamt waren zehn Hilfskräfte mit der Vorauswahl und Codierung beschäftigt. Das Gütekriterium der Reliabilität drückt die Verlässlichkeit des Untersuchungsinstruments aus (vgl. z.B. Früh, 1998; Rössler, 2005). Oft wird dafür der Reliabilitätskoeffizient nach Holsti (1969) bestimmt, der Übereinstimmungen zwischen Codiererpaaren ermittelt (Inter-Coder-Reliabilität). Aufgrund der komplexen Datenstruktur konnten wir nicht auf entsprechende Programme zurückgreifen, die auch andere Koeffizienten (vgl. z.B. Krippendorff, 1978) bestimmen. Stattdessen haben wir eine eigene Auswertungsmatrix zur Berechnung des Holsti-Maßes entwickelt. Die Reliabilitätswerte wurden ausschließlich auf Beitragsebene berechnet. Dabei wurden drei Zusatzkriterien angewendet: (1)
(2)
Wenn für eine Kategorie (z.B. Terrorismusart) innerhalb eines Beitrages von beiden Codierern keine Ausprägung codiert wurde – d.h. wenn beide Codierer für einen Beitrag lediglich die Ausprägung „nicht vorhanden“ bzw. „nicht erwähnt“ codiert haben – dann ging diese Art von Codierungen nicht in die Zählung der Summe der Codierungen beider Codierer ein und auch nicht in die Zählung der Anzahl von Übereinstimmungen. Dies hätte den Koeffizienten sonst künstlich erhöht. Hat ein Codierer für einen bestimmten Beitrag jedoch eine Kategorie mit „nicht vorhanden“ bzw. „nicht erwähnt“ codiert, während der zweite Codierer im identischen Beitrag eine Ausprägung dieser Kategorie codiert hat (z.B. religiöser Terrorismus bei Terrorismusart), dann gingen sowohl die Nichtcodierung des einen als auch die Codierung des anderen Codierers in die Zählung der Gesamtanzahl der
4 Codierschulung und Reliabilitätstest
(3)
77
Codierungen ein. Damit wurden Bedeutung und Symmetrie des Übereinstimmungskoeffizienten gewährleistet. Auf Beitragsebene wurde bei der Zählung der Übereinstimmungen beider Codierer die Reihenfolge der Codierungen berücksichtigt, d.h. zwei identische Codierungen wurden nur dann als Übereinstimmung gewertet, wenn sie sich auf denselben Beitrag bezogen haben.
Der Wertebereich des Reliabilitätskoeffizienten entsprach dem Holsti-Maß: Ein Wert von r = 1.00 (0.00) bedeutet eine perfekte Übereinstimmung (nicht vorhandene Übereinstimmung) zwischen zwei Codierern. Da der Koeffizient die Anzahl der Kategorienausprägungen nicht berücksichtigt, haben wir diese in Tabelle 3.6 ausgewiesen. Wir dokumentieren dabei nicht jeden Paarvergleich, sondern den Mittelwert aller Paarvergleiche.40 Tabelle 3.6: Reliabilitätstest auf Gesamtbeitragsebene Kategorie
Medium Umfang Platzierung Themenbereiche Ereignisbezug Ereignisart Zeitfokus Drahtzieher Opfer thematisiert ja/nein Verletzte/Tote Opferrolle Ursachen thematisiert ja/nein Gefühle Anzahl Bildeinstellungen Visualisierungsart Zerstörung Täterhandlungen Täterzustand Opfervisualisierung Opferkategorie
Mittlere Codierer-MasterÜbereinstimmung A (modifiziert nach Holsti, 1969) 1.00 1.00 1.00 .66 .75 .75 .75 .75 .90 .81 .75 .50 .72 .87 .86 .67 .71 .79 .77 .77
Mögliche (Einzel-)Ausprägungen 6 3 max. 20 11 26 9 8 55 4 56 10 2 17 unbegrenzt 7 3 10 8 4 5
A
Mittelwerte aller paarweisen Übereinstimmungen zwischen je einem von fünf Codierern und dem Master-Codierer. Ausgewiesen sind nur Reliabilitätswerte für Kategorien, die bei den ausgewählten sechs Nachrichtenbeiträgen codiert werden konnten.
40
Ein Paar bildeten dabei jeweils eine der fünf studentischen Hilfskräfte und der Master-Codierer, der sich aus dem Forscherteam rekrutierte. Damit gab es fünf Codierer-Master-Vergleiche, aus denen dann der Mittelwert berechnet wurde.
78
III Mediale Konstruktion I: Methodisches Vorgehen
Aufgrund der aufwendigen Codierung der Fernsehnachrichten sowie aus Kostengründen wurden nur sechs, allerdings inhaltlich sehr unterschiedliche, Fernsehnachrichtenbeiträge für den Reliabilitätstest berücksichtigt. Da etliche Kategorien pro Beitrag mehrfach codiert werden konnten, war die Anzahl der Codierungen größer als die Anzahl der Beiträge. Für Kategorien, die nicht in den für den Reliabilitätstest herangezogenen Beiträgen vorkamen und damit nicht codiert werden konnten, zeigt Tabelle 3.6 keine Reliabilitätswerte. Insgesamt sind die Reliabilitätswerte zufriedenstellend. Das betrifft vor allem die für die Codierer nicht einfache Erfassung der Visualisierung. Weniger zufriedenstellend sind auf den ersten Blick die Reliabilitätswerte für Themenbereiche oder Ursachenidentifizierung. Allerdings spielt dabei die geringe Anzahl der für den Reliabilitätstest herangezogenen Beiträge sowie das seltene Auftreten der beiden Kategorien bei diesen wenigen Beiträgen eine Rolle. Unter solchen Bedingungen schlagen sich schon ein bis zwei NichtÜbereinstimmungen stark im Reliabilitätswert nieder. Bei Ereignissen konnte dagegen bis zu dreimal codiert werden. Hier basieren die Reliabilitätswerte demzufolge auf mehr Fällen als die Reliabilitätswerte für die Ursachenidentifizierung oder den Themenbereich. Damit dürften sich auch bei jenen Kategorien, die für die Beitragsauswahl des Reliabilitätstests gar nicht oder nur selten codiert werden konnten, Reliabilitätswerte in vergleichbarer Größenordnung ergeben, wenn man weit mehr Nachrichtenbeiträge berücksichtigen würde – was aber aus Kostengründen nicht möglich war. Zudem sind die Charakteristika des codierten Materials zu berücksichtigen: Bei Fernsehcodierungen liegen die Beiträge nicht in schriftlicher Form vor wie bei Printmedien. Außerdem mussten die Codierer auch die visuellen Eindrücke berücksichtigen. Darüber hinaus enthielt das Codebuch eine ganze Reihe sogenannter weicher Kategorien, bei denen Reliabilitätswerte üblicherweise geringer ausfallen. Schließlich wurden schlechtere Reliabilitätswerte in gewisser Hinsicht dadurch ausgeglichen, dass wir sämtliche Merkmale auf die Beitragsebene ‚hochaggregierten‘. Diesen Schritt erläutern wir nun etwas ausführlicher.
5 Codiermaske und Datensatz 5 Codiermaske und Datensatz Die Codierung erfolgte nicht mit einem Codebogen, sondern mit einer standardisierten Eingabe- bzw. Codiermaske, die Jens Jirschitzka41 eigens für unser Projekt entwickelt hat. Die Daten lagen nach der Eingabe in diese Maske zunächst als Excel-Datei vor und wurden dann in den eigentlichen Datensatz überführt. Zum Verständnis der nachfolgend präsentierten Ergebnisse sind zwei zentrale Datenaufbereitungsschritte bzw. Variablentypen zu erläutern: (1)
Wir haben zunächst alle nominalen Variablen in binäre Variablen (Dummies) zerlegt. Anschließend haben wir sogenannte Summendummies für jede binäre Variable gebildet. Dazu folgendes Beispiel: Das Ereignismerkmal bzw. die Kategorie „Terrorismusart“
41
An dieser Stelle sei nochmal ganz herzlich Jens Jirschitzka für die Entwicklung einer Datenbank und der makrobasierten Eingabeformulare gedankt, die die computergestützte Codierung stark erleichterte und auch in Folgeprojekten genutzt werden kann.
6 Wie weiter?
(2)
79
hatte ein Dutzend Ausprägungen, die in ebenso viele Dummies zerlegt wurden. Da pro Beitrag bis zu drei Ereignisse erwähnt sein konnten, für die jeweils die Terrorismusart erfasst wurde, konnte jede Ausprägung des Summendummies (z.B. „Terrorismusart: Islamistisch“) Werte von 0 (z.B. kein Ereignis ist ein islamistischer Terrorakt) bis 3 (jedes der drei im Beitrag erwähnten Ereignisse ist ein islamistischer Terrorakt) annehmen. Die Summendummies drücken also aus, wie häufig eine Merkmalsausprägung im Gesamtbeitrag vorkommt. Auf ähnliche Weise wurden Mindestdummies gebildet. Sie drücken nicht aus, wie häufig etwas im Gesamtbeitrag erwähnt wird (Summendummies), sondern, ob eine Merkmalsausprägung im Gesamtbeitrag überhaupt, also mindestens einmal erwähnt wird. Die Mindestdummies haben damit keine Werte zwischen 0 und 3, sondern nehmen den Wert 0 oder 1 an. Es handelt sich hierbei um eine Dummy-Variable im engen Sinne.
An dieser Stelle mag man sich fragen, warum wir nicht von vornherein alles auf Beitragsebene codiert haben. Das hat vor allem zwei Gründe: Einerseits war für die Codierer die Erfassung der Kategorien auf den oben beschriebenen Codierebenen leichter nachvollziehbar. Beispielsweise hätten sich die Summendummies kaum direkt codieren lassen. Andererseits war die Aggregierung aller Merkmalsausprägungen auf Beitragsebene in Form der Summendummies schon deswegen sinnvoll, weil die Faktorenanalysen, die wir noch vorstellen werden, metrisches Skalenniveau verlangten. Auch die auf den Ergebnissen der Faktorenanalyse aufbauenden Clusteranalysen profitierten so indirekt von der Einführung dieser Summendummies. Alle Dummies wurden in einer Gesamtdatei zusammengefasst. Die nachfolgenden Analysen beziehen sich durchweg auf diesen finalen Datensatz.
6 Wie weiter? 6 Wie weiter? Um die Auswertung dieses finalen Datensatzes, die Ergebnisse und ihre Interpretation geht es also im nächsten Kapitel. In der Analyse und Interpretation der Mediendaten lassen wir uns von unserem Lieblingsphilosophen Paul Feyerabend leiten, der – zwar bezogen auf andere Zusammenhänge – meinte, „dass das Kriterium der Wissenschaftlichkeit nicht genügt und dass es durch ein ethisches oder soziales Kriterium ergänzt werden muss“ (Feyerabend, 1986, S. 212).42
42
Paul Karl Feyerabend (1924-1994), Philosoph und Wissenschaftstheoretiker, der einen philosophischen Relativismus entwickelte und propagierte, nach dem sich wissenschaftliches Arbeiten durch einen Pluralismus der Theorien und Methoden auszeichnen müsse.
Jens Jirschitzka, Nicole Haußecker und Wolfgang Frindte
IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen – Ergebnisdarstellung und Interpretation IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen
Wir stellen die Ergebnisse der quantitativen Inhaltsanalyse in zwei Schritten vor.43 Zunächst werden die deskriptiven Befunde von Vor- und Hauptanalyse präsentiert. In einem zweiten Schritt folgen die Ergebnisse komplexerer Analyseschritte. Wichtig für die nachfolgenden Darstellungen ist, dass für diese Analysen alle terrorismusrelevanten Beiträge in den Abendnachrichten der jeweils betrachteten deutschen Fernsehsender für den Analysezeitraum von August 2007 bis Februar 2009 ausgewählt und untersucht wurden. Es handelt sich bezogen auf dieses Zeitfenster also um eine Totalerhebung. Deshalb bedarf es für Aussagen über die Terrorismusberichterstattung innerhalb dieses Untersuchungszeitraums streng genommen keiner inferenzstatistischen Verfahren. Soweit im Folgenden dennoch von Signifikanztests die Rede ist, so richten sich diese bereits auf Aussagen und Schlussfolgerungen, die über den analysierten Untersuchungszeitraum hinausreichen.44 In den nachfolgenden Diagrammen sollen entsprechende Signifikanztests vor allem die für den Erhebungszeitraum nachweisbaren Tendenzen verdeutlichen und unterstreichen.
43 44
An dieser Stelle bedanken wir uns bei Bertram Scheufele für die wertvollen und kritischen Blicke, Hinweise und Ergänzungen zu diesem Kapitel. Mit einem Signifikanztest wird versucht, in Bezug auf interessierende Merkmale von einer Stichprobe auf die Population bzw. Grundgesamtheit zu schließen. Die damit verbundene Logik lässt sich sehr stark vereinfacht wie folgt beschreiben (z.B. Bortz, 2005; Nachtigall & Wirtz, 1998): Unter Rückgriff auf die Behauptung einer sog. Nullhypothese (z.B. „Es gibt in der Population keinen Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen“) betrachtet man die bedingte Wahrscheinlichkeit, bei hypothetischer Gültigkeit dieser Nullhypothese, in einer Stichprobe den empirisch gefundenen oder einen noch extremeren Kennwert aufzufinden. Ist diese bedingte Wahrscheinlichkeit – der sog. p-Wert – sehr gering (per Konvention üblicherweise kleiner als 5%), entscheidet man sich gegen die Nullhypothese und für die von dem Forscher vor dem Testen aufgestellte und meist auch angezielte Alternativhypothese (z.B. „In der Population gibt es einen linearen Zusammenhang ungleich Null zwischen den beiden Merkmalen“). Das Ergebnis eines Signifikanztests ist jedoch auch abhängig vom Umfang der Stichprobe. Je größer die Stichprobe, umso eher werden auch kleinere empirische Auffälligkeiten signifikant und umso genauer sind die Schätzungen für die Populationswerte. Diesem Aspekt kommt bei der hier betrachteten hohen Anzahl von Nachrichtenbeiträgen eine wichtige Rolle zu.
W. Frindte, N. Haußecker (Hrsg.), Inszenierter Terrorismus, DOI 10.1007/978-3-531-92579-0_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
82
IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen
1
Voranalyse – Deskriptive Befunde zur Berichterstattung von ARD, ZDF, RTL, Sat.1, n-tv und ARTE 1 Voranalyse Für die Voranalyse werden die terrorismusassoziierten Nachrichtenbeiträge aller im Analysezeitraum berücksichtigten Fernsehsender (ARD, ZDF, ARTE, RTL, Sat.1 und n-tv) betrachtet. Die Analyseeinheit hierbei ist der einzelne Nachrichtenbeitrag.
1.1 Berichtsaufkommen nach Sendern und im Zeitverlauf Abbildung 4.1 zeigt die tägliche Thematisierung von Terrorismus über den gesamten Untersuchungszeitraum für die Sender ARD, ZDF, ARTE, RTL, Sat.1 und n-tv. Dabei wird der Anteil an Tagen mit mindestens einem Fernsehbeitrag über Terrorismus zugrunde gelegt. Über alle Sender hinweg wurde im Durchschnitt an fast jedem zweiten Tag (44% aller Tage des Untersuchungszeitraums) mindestens ein Beitrag über Terrorismus in den Hauptnachrichten präsentiert. Nur an 95 Tagen des Untersuchungszeitraums (17% aller untersuchten Tage) wurde von keinem der betrachteten Sender über Terrorismus berichtet. Insgesamt hat der Sender ARTE an den meisten Tagen über Terrorismus berichtet – dicht gefolgt von ARD und ZDF. Dagegen gab es bei Sat.1 weit mehr Tage, an denen überhaupt nicht über Terrorismus berichtet wurde. Fasst man die beiden öffentlichrechtlichen Sender ARD und ZDF und die privaten Sender RTL und Sat.1 jeweils zusammen, dann scheint Terrorismus häufiger in den täglichen Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Sender als in jenen der Privatsender thematisiert zu werden. Auch inferenzstatistisch kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Umfang der Tage mit Terrorismusberichterstattung unabhängig davon ist, welchen Sender man betrachtet [Λ²(5) = 96.36, p < .001]. 100% 80% 60% 40%
51%
48%
54%
49%
43% 31%
20%
37%
35%
0% ARD
ZDF
ARTE
RTL
Sat.1
n-tv
ZDF/ARD (ÖR)
RTL/Sat.1 (Private)
Abbildung 4.1: Anteil der Tage mit mindestens einem Beitrag über Terrorismus bei ARD, ZDF, ARTE, RTL, Sat.1, n-tv bzw. bei den beiden öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF (ÖR) und den Privatsendern RTL und Sat.1 im Untersuchungszeitraum (18.08.2007 bis 18.02.2009)
1 Voranalyse
83
Die Anzahl terrorrelevanter Nachrichtenbeiträge im Untersuchungszeitraum illustriert Abbildung 4.2. Die Unterschiede zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und den Privatsendern im Berichtsaufkommen zeigen sich nun noch deutlicher. Entsprechend ist auch hier inferenzstatistisch nicht von einer Gleichverteilung der Beiträge auf die Sender auszugehen [Λ²(5) = 148.94, p < .001].45 Krüger (2006) konnte in einer Nachrichtenanalyse der Sender ARD, ZDF, RTL und Sat.1 von Januar bis Dezember 2005 zeigen, dass sich die öffentlich-rechtlichen und privaten Nachrichtensendungen im Umfang der Berichterstattung über Terrorismus nur wenig unterscheiden. Entgegen diesen Ergebnissen aus dem Jahr 2005 zeigen sich hier jedoch tendenzielle Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern im Berichtsaufkommen. 500 400
463 397
378
358
300
302 249
246
200 196 100 0 ARD
ZDF
ARTE
RTL
Sat.1
n-tv
ZDF/ARD (ÖR)
RTL/Sat.1 (Private)
Abbildung 4.2: Anzahl der Beiträge über Terrorismus im Rahmen der Voranalyse (N = 1962) Anmerkung: Die Angaben für die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF (ÖR) und die Privatsender RTL und Sat.1 sind die Mittelwerte der Fallzahlen der entsprechenden Sender.
Den Nachrichtenwert von Beiträgen über Terrorismus in den Abendnachrichten öffentlichrechtlicher und privater Sender zeigt Abbildung 4.3 im Zeitverlauf. Unter dem Nachrichtenwert versteht man die Publikationswürdigkeit von Meldungen oder Ereignissen (vgl. z.B. Staab, 1990). Den Nachrichtenwert eines Fernsehbeitrags haben wir als Index aus Platzierung und Beitragsdauer operationalisiert (vgl. dazu Ruhrmann et al., 2003). Je höher dieser Indexwert bzw. je höher der Ausschlag im Zeitverlauf in Abbildung 4.3, umso länger wurde in den Beiträgen an den entsprechenden Tagen berichtet und umso früher wurden diese Beiträge innerhalb der Nachrichtensendungen platziert. Ein hoher Ausschlag zeigt sich beispielsweise Ende November 2008 aufgrund der Anschlagsserie in der indischen Stadt Bombay (Mumbai).
45
Eine Gleichverteilung der Beiträge würde bedeuten, dass sich die Beitragsanzahl zwischen den Sendern kaum unterscheidet. Genau dies testet z.B. ein Λ²-Verteilungstest (z.B. Bortz, 2005).
84
IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen
Abbildung 4.3: Nachrichtenwert (Index aus Platzierung und Umfang) von Beiträgen über Terrorismus in den Abendnachrichten öffentlich-rechtlicher (ÖR) und privater Sender im Zeitverlauf (Mittelwerte für Sendergruppen)
Zur Illustration zeigt Abbildung 4.4 den Dezember des Jahres 2007 als exemplarischen Monat mit jenen Ereignissen, die einen hohen Nachrichtenwert aufwiesen.
Abbildung 4.4: Zeitverlauf des Nachrichtenwertes (Index aus Platzierung und Umfang) von Beiträgen über Terrorismus in den Abendnachrichten öffentlich-rechtlicher und privater Sender im Dezember 2007 (Mittelwerte für Sendergruppen)
1 Voranalyse
85
1.2 Themenkomplexe In einem nächsten Schritt betrachten wir die zentralen Themen der Fernsehberichterstattung über Terrorismus (vgl. Abbildung 4.5). Hierzu wurde jedem Beitrag ein charakterisierendes Thema zugeordnet. Es zeigt sich, dass in den Beiträgen der untersuchten Sender vor allem zwei Themenkomplexe dominieren: der Kampf gegen den Terrorismus und terroristische Ereignisse. Weitere Themen wie z.B. Terrorgefahren und Hintergründe sind dagegen seltener im Fernsehen präsent.46 Die Sender scheinen die Zuschauer also weniger über Terrorismus und dessen Hintergründe aufzuklären, sondern vor allem ereignisbezogene Primärberichterstattung zu leisten.
Kommunikation von Terroristen; 2%
Terror-Begriff zus.hanglos; 1%
Sonstiges; 8%
Politische Treffen; 2% Vereitelter/ geplanter Terror; 2% Folgen terroristischer Ereignisse; 4%
Kampf gegen Terrorismus; 38% Allgemeine Terrorgefahr; 10%
Terroristisches Ereignis; 33%
Abbildung 4.5: Prozentuale Verteilung der Themen in den Beiträgen über Terrorismus der Sender ARD, ZDF, ARTE, RTL, Sat.1 und n-tv (N = 1962)
Welche Themen verbergen sich hinter dem Themenkomplex Kampf gegen Terrorismus? Abbildung 4.6 verdeutlicht, wie in diesem Themenkomplex vor allem die Maßnahmen dominieren und die damit möglicherweise einhergehenden Konsequenzen kaum thematisiert werden (z.B. Reaktionen oder Opfer im Rahmen von Anti-Terror-Maßnahmen).47
46 47
Auch inferenzstatistisch zeigen sich diese Themenfelder nicht gleichverteilt, Λ²(8) = 2862.89, p < .001. Von einer Gleichverteilung dieser Subthemen ist nicht auszugehen, Λ²(7) = 468.48, p < .001.
86
IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen ARD/ZDF/ARTE
RTL/Sat.1/n-tv
50% 40% 30%
32% 28%
20%
23%
24%
22% 17%
10%
13% 12%
4%
0%
6%
5% 1%
0%
3%
5%
5%
Abbildung 4.6: Prozentuale Verteilung der Subthemen zum Themenkomplex „Kampf gegen Terrorismus“ innerhalb der öffentlich-rechtlichen (ARD, ZDF, ARTE) und privaten (RTL, Sat.1, n-tv) Sender Anmerkungen: Die sendergruppenspezifischen Prozentwerte addieren sich zu 100%.
Betrachten wir die Subthemen des zweiten zentralen Themenkomplexes Terroristische Ereignisse getrennt für die einzelnen Sender, so zeigen sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Sendern. Durchweg überwiegt die Thematisierung terroristischer Anschläge (vgl. Abbildung 4.7).48 Attentat/Anschlag
Entführung/Freilassung
Vergangenes Ereignis
ARD
5%
87%
ZDF
11%
82%
ARTE
8%
89%
RTL
11%
79%
Sat.1
15%
78%
n-tv
5%
88% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Abbildung 4.7: Prozentuale Verteilung der Subthemen zum Themenkomplex „Terroristische Ereignisse“ für ARD, ZDF, ARTE, RTL, Sat.1 und n-tv Anmerkungen: Die senderspezifischen Prozentwerte addieren sich zu 100%. 48
Von einer Gleichverteilung dieser Subthemen ist nicht auszugehen, Λ²(2) = 785.89, p < .001.
2 Hauptanalyse (Codierungen)
87
1.3 Zwischenfazit Die Ergebnisse der Voranalyse lassen sich zu drei vorläufigen Feststellungen zusammenfassen:
Die vergleichsweise starke und kontinuierliche Präsenz von Terrorismus in den Fernsehnachrichten unseres Untersuchungszeitraums lässt sich in einen größeren zeitlichen Kontext einordnen, wenn man die Studie von Schmidthäussler (2006) heranzieht. Nach dessen Untersuchung hat sich die Verwendung des Begriffs „Terrorismus“ in der ARD-Tagesschau von 1968 bis 2006 seit dem 11. September 2001 nahezu verdoppelt. Die öffentlich-rechtlichen Sender berichten unseren Befunden zufolge häufiger über Terrorismus als die privaten Sender. Vergleichbares zeigte sich für das Jahr 2008 bei Rook (2009), die auf Grundlage des Datenmaterials des Infomonitor 2008 (vgl. Krüger 2009) die Nachrichtenthemen von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 für 2008 untersuchte.49 Im Gegensatz zu unserer Studie hat die Autorin auch die Gewichtung von Terrorismus im Vergleich zu Naturkatastrophen und Verkehrsunfällen untersucht. Dabei zeigte sich, dass ARD und ZDF häufiger über Terrorismus als über die beiden anderen Themen berichteten, während sich dieses Muster in den Nachrichten von RTL und Sat.1 umgekehrt darstellte. In den Nachrichtenbeiträgen über Terrorismus der von uns untersuchten Sender dominieren zwei Themenkomplexe – Beiträge über den Kampf gegen Terrorismus und Berichte über terroristische Ereignisse.
2
Hauptanalyse (Codierungen) – Deskriptive Befunde zur Berichterstattung von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 2 Hauptanalyse (Codierungen) Nach einigen ersten Eindrücken aus der Voranalyse folgen nun in einem zweiten Schritt die Ergebnisse der Hauptanalyse, die auf den umfassenden inhaltlichen Kategorien des Codierbuchs beruhen. Berücksichtigt werden hierbei die Sender ARD, ZDF, RTL und Sat.1.
2.1 Datengrundlage Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf alle terrorismusbezogenen Nachrichtenbeiträge von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 im gesamten Untersuchungszeitraum vom 18.08.2007 bis zum 18.02.2009. Zur Datenbereinigung wurden zunächst Zweifelsfälle – d.h. Beiträge, die nicht eindeutig den terrorismusbezogenen Beitragsauswahlkriterien des Codierbuchs genügen – ausgeschlossen. Die verbleibenden 1145 Nachrichtenbeiträge bilden die Datengrundlage für die nun vorgestellten Ergebnisse. Wie in Kapitel III bereits erläutert wurde, haben wir alle
49
Mit dem Infomonitor untersucht das Institut für empirische Medienforschung (IFEM) im Auftrag der ARD/ZDF-Medienkommission die wichtigsten Nachrichtenangebote im deutschen Fernsehen.
88
IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen
Merkmalsausprägungen, auch jene, die z.B. auf Ereignisebene codiert wurden, in beitragsbezogene Summen- und Mindestdummies überführt. Die Analyseebene aller nachfolgenden Auswertungsschritte ist damit der Fernsehbeitrag. Tabelle 4.1 bestätigt zunächst einmal die Befunde der Voranalyse: Die öffentlichrechtlichen Sender berichten häufiger über Terrorismus als die privaten Sender, dabei aber weniger ereignisbezogen, wenn man die Anzahl der berichteten Ereignisse ins Verhältnis zu den publizierten Beiträgen setzt (innerhalb aller analysierten 1145 Beiträge wurden insgesamt 650 terroristische Ereignisse erfasst). Ansonsten gibt es bemessen an der Anzahl der Beiträge vergleichsweise wenig Unterschiede zwischen den Sendern. Auffallend ist aber bereits hier, dass alle vier Sender recht selten auf Ursachen und Bedingungsfaktoren für Terrorismus eingehen (190 Ursachen-Nennungen), aber fast fünf Mal so häufig Maßnahmen gegen den Terrorismus thematisieren (1012 Maßnahmen-Nennungen). Darauf werden wir noch ausführlicher eingehen. Tabelle 4.1: Überblick zur terrorismusbezogenen Berichterstattung von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 im Untersuchungszeitraum – absolute Häufigkeiten Anzahl Beiträge gesamt Beiträge mit Ereignisbezug Tatbezeichnungen a Täterbezeichnungen a Bedrohungs-Nennungen b Beiträge mit Bedrohungs-Nennung Ursachen-Nennungen c Beiträge mit Ursachen-Nennung Maßnahmen-Nennungen c Beiträge mit Maßnahmen-Nennung Gefühlsnennungen c Visualisierungen
ARD n 368 174 744 636 114
ZDF n 323 153 919 602 111
RTL n 273 150 510 502 78
Sat.1 n 181 101 383 332 61
Gesamt N 1145 578 2556 2072 364
94
97
66
50
307
50
61
41
38
190
41
48
34
33
156
344
298
212
158
1012
239
205
151
112
707
341 2390
339 2594
285 2606
194 1955
1159 9545
Pro Analyseeinheit (terroristisches Ereignis oder Terrorismus allgemein) waren jeweils bis zu fünf Codierungen zugelassen, so dass pro Beitrag jeweils bis zu 25 Codierungen möglich waren. b Pro Beitrag waren jeweils bis zu zwei Codierungen zugelassen. c Pro Beitrag waren jeweils bis zu drei Codierungen zugelassen. a
2.2 Thematisierter Kontext von Terrorismus und Terroristen Die Problemdefinition ist das erste zentrale Element eines Medien-Frames (vgl. Kap. II). Zur terrorismusbezogenen Problemdefinition gehört auch die mediale Darstellung der Arten des Terrorismus. Hierbei dominierte in den Fernsehnachrichten der vier Sender eindeutig
2 Hauptanalyse (Codierungen)
89
der religiöse Terrorismus (vgl. Abbildung 4.8). Dies ist aufgrund der Rolle des 11. September 2001 als Schlüsselereignis nur wenig verwunderlich. Die anderen Formen des Terrorismus fristen publizistisch ein eher marginalisiertes Dasein. Die öffentlich-rechtlichen Sender scheinen sich dabei am ehesten noch dem ethnisch-nationalistischen bzw. separatistischen Terrorismus zuzuwenden (z.B. in Beiträgen über den Kurdenkonflikt oder über die baskische ETA). Der Fokus des Fernsehens auf religiösen Terrorismus stellt sich fast durchweg als ein Fokus auf islamistischen Terrorismus heraus. Dies zeigt ein Blick auf die thematisierte Religionszugehörigkeit terroristischer Akteure (vgl. Abbildung 4.9). In etwa jedem fünften Beitrag wird dieser Aspekt genannt – und fast ausnahmslos ist dann von islamistischen Terroristen die Rede. Vergleichbares fand Steiger (2007) für die Printberichterstattung. ARD
ZDF
RTL
Sat.1
50% 40% 30% 20% 10%
20% 20% 21% 19% 7% 5%
1% 1%
2% 3% 3% 4%
3% 3% 2% 2%
1% 1% 1% 1%
0%
Abbildung 4.8: Arten von Terrorismus in den Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis Anmerkungen: Die Anteilswerte beziehen sich auf die Beitragsebene (Mindestdummies; vgl. Kap. III). Die Terrorismus-Art wurde nicht in jedem Beitrag angesprochen bzw. konnten mehrere Formen innerhalb eines Beitrages thematisiert werden. Die Summe der Anteilswerte pro Sender ergibt daher nicht zwangsläufig 100%. ** Verteilung dieser Ausprägung weist auch bei Chi²-Test (df = 3) auf spez. Senderabhängigkeiten hin (p < .01).
90
IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen ARD
ZDF
RTL
Sat.1
50% 40% 30% 20%
20%
19%
23%
22%
10% 0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
Abbildung 4.9: Thematisierte Religion terroristischer Akteure in den Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis Anmerkungen: Die Anteilswerte beziehen sich auf die Beitragsebene (Mindestdummies; vgl. Kap. III). Nicht in jedem Beitrag wurde die Religion terroristischer Akteure angesprochen bzw. konnten auch verschiedene Glaubenszugehörigkeiten innerhalb eines Beitrages thematisiert werden. Die Summe der Anteilswerte pro Sender ergibt daher nicht zwangsläufig 100%.
2.3 Darstellung von Bedrohungen Als weiteres Element von Medien-Frames für Terrorismus kann die Darstellung der Bedrohung durch den Terrorismus aufgefasst werden. Abbildung 4.10 zeigt zunächst die im Fernsehen thematisierte Reichweite terroristischer Bedrohungen. Die Senderunterschiede sind insgesamt recht gering – wenngleich das ZDF ein wenig mehr als die anderen Sender Bedrohungen für sonstige Staaten (z.B. Afghanistan) thematisiert. Bei der Betrachtung von Abbildung 4.10 entsteht zudem der Eindruck, die Fernsehnachrichten würden den Zuschauern vermitteln, dass im Vergleich zu anderen Ländern wie etwa den USA vor allem auch Deutschland durch den Terrorismus bedroht sei. Dies lässt sich leicht mit der Nachrichtenwerttheorie erklären (vgl. z.B. Eilders, 1997; Staab, 1990). Denn entsprechende Themen und Ereignisse, die Deutschland betreffen und ansonsten womöglich kaum berichtet würden, sind nachrichtengeografisch eben gerade für deutsche Fernsehsender von besonderem Interesse. Dabei legen die beiden öffentlich-rechtlichen Sender nicht sehr viel weniger als die beiden Privatsender einen erkennbaren Fokus auf die Terrorgefahr für Deutschland. Dass die Bedrohungswahrnehmung auch in der Bevölkerung nicht im Verhältnis zur tatsächlichen Terrorgefahr steht, wie Schmidthäussler (2006) feststellt, könnte mit solchen Fernsehdarstellungen zusammenhängen. Zwar lässt sich die tatsächliche Bedrohung durch Terrorismus für verschiedene Länder kaum objektiv bestimmen. Dennoch könnte man wohl mit einiger Berechtigung behaupten, dass die terroristische Bedrohung im Untersuchungszeitraum für Staaten wie z.B. USA, Großbritannien, Israel, Pakistan, Afghanistan oder Irak deutlich stärker gewesen sein dürfte als für die Bundesrepublik.
2 Hauptanalyse (Codierungen)
91
ARD
ZDF
RTL
Sat.1
50% 40% 30% 20% 10%
18% 13%
10%
13% 7%
8%
10%
8% 1%
0%
2%
1%
2%
2%
2%
3%
2%
2%
1%
0%
2%
3%
1%
1%
3%
Abbildung 4.10: Reichweite der thematisierten Bedrohungen in den Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis Anmerkungen: Die Anteilswerte beziehen sich auf die Beitragsebene (Mindestdummies; vgl. Kap. III). Eine Bedrohung wurde nicht in jedem Beitrag angesprochen bzw. konnten auch mehrere Reichweiten innerhalb eines Beitrages thematisiert werden. Die Summe der Anteilswerte pro Sender ergibt daher nicht zwangsläufig 100%. * Verteilung dieser Ausprägung weist auch bei Chi²-Test (df = 3) auf spez. Senderabhängigkeiten hin (p < .05).
Welche Bedrohungsarten die Fernsehnachrichten vermitteln, das zeigt Abbildung 4.11. Auffallend ist, dass unbestimmte Bedrohungen (z.B. „Weitere Terroranschläge sind bereits geplant“ oder „Die Terrorgefahr ist nach wie vor sehr hoch“) sowie Bedrohungen für Individuen (bspw. als Besucher öffentlicher Veranstaltungen wie z.B. dem Oktoberfest) am häufigsten thematisiert werden. Etwas seltener erwähnt wird die Bedrohung von Werten (z.B. Freiheit und Demokratie) durch den Terrorismus. Bei diesen drei Bedrohungsarten lassen sich nur geringe Senderunterschiede ausmachen. Die öffentlich-rechtlichen Sender gehen kaum häufiger als die Privatsender auf eine unspezifische Bedrohung oder auf eine Gefahr für Werte ein. Gruppenspezifische Bedrohungen, wie z.B. Risiken für bestimmte religiöse Gruppen, werden relativ selten berichtet, am häufigsten noch von ZDF und Sat.1.
92
IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen ARD
ZDF
RTL
Sat.1
20%
10%
10%
11%
9%
8%
9%
8%
10% 9%
7%
6%
4%
5%
3%
6%
5% 1%
1%
2%
2%
2%
0%
Abbildung 4.11: Arten der thematisierten Bedrohung in den Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis Anmerkungen: Die Anteilswerte beziehen sich auf die Beitragsebene (Mindestdummies; vgl. Kap. III). Eine Bedrohung wurde nicht in jedem Beitrag angesprochen bzw. konnten auch mehrere Bedrohungsarten innerhalb eines Beitrages thematisiert werden. Die Summe der Anteilswerte pro Sender ergibt daher nicht zwangsläufig 100%. * Verteilung dieser Ausprägung weist auch bei Chi²-Test (df = 3) auf spez. Senderabhängigkeiten hin (p < .05).
2.4 Darstellung von Ursachen und Maßnahmen Zu den zentralen Elementen von Medien-Frames, wie z.B. in der Definition von Entman (1993), gehören auch die von den Sendern erwähnten Ursachen bzw. Erklärungen sowie die medial thematisierten Maßnahmen und Problemlösungen. Unsere Inhaltsanalyse der Fernsehberichterstattung bestätigt, was bereits andere Studien nach dem 11. September 2001 festgestellt und kritisiert haben (vgl. z.B. Biernatzki, 2002; Werthes et al., 2002), nämlich dass die Fernsehzuschauer den Eindruck gewinnen müssen, dass vor allem der Kampf gegen Terrorismus entscheidend sei, während Erklärungen und die Suche nach Ursachen eher nebensächlich sind (vgl. Abbildung 4.12).
2 Hauptanalyse (Codierungen)
93
Anti-Terror-Maßnahmen
Ursachen für Terrorismus
100% 80% 65%
63%
62%
55%
60% 40% 20%
15%
11%
18%
12%
0% ARD
ZDF
RTL
Sat.1
Abbildung 4.12: Beiträge mit Thematisierung von Ursachen und Maßnahmen in den Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis Anmerkungen: Die Anteilswerte beziehen sich auf die Beitragsebene (Mindestdummies; vgl. Kap. III). Zur Veranschaulichung wurden die Anteilswerte für Ursachen und Maßnahmen innerhalb einer Grafik abgebildet. Eine Summierung der entsprechenden Anteilswerte ist jedoch nicht zulässig.
Wenn jedoch in den Fernsehnachrichten über Ursachen des Terrorismus berichtet wird, dann stehen noch am ehesten gesellschaftlich-kulturelle und politisch-wirtschaftliche Ursachen im Vordergrund (vgl. Abbildung 4.13). Individuelle Erklärungen (bspw. „pathologische Persönlichkeitsmuster von Terroristen“) werden dagegen nicht thematisiert. Letzteres deckt sich weitgehend mit den Erkenntnissen der Terrorismusforschung, wonach individuelle Dispositionen keine hinreichende Bedingung für terroristische Handlungsmuster darstellen (vgl. Kruglanski et. al., 2009; Victoroff, 2009). ARD
ZDF
RTL
Sat.1
20%
10%
10% 6%
6%
6%
7% 4%
5%
6% 2%
0%
1%
3%
3% 1%
0%
0%
0%
1%
1%
1%
1%
Abbildung 4.13: Arten von thematisierten Ursachen für Terrorismus in den Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis Anmerkungen: Die Anteilswerte beziehen sich auf die Beitragsebene (Mindestdummies; vgl. Kap. III). Ursachenarten wurden nicht in jedem Beitrag angesprochen bzw. konnten auch mehrere Ursachenarten innerhalb eines Beitrages thematisiert werden. Die Summe der Anteilswerte pro Sender ergibt daher nicht zwangsläufig 100%.
94
IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen
Im Vergleich zur Thematisierung von Ursachen werden die Maßnahmen gegen Terrorismus weitaus häufiger thematisiert. Dabei dominieren insbesondere jene Maßnahmen, die man hauptsächlich unter dem Etikett „Krieg/Kampf gegen den Terrorismus“ zusammenfassen kann (vgl. Abbildung 4.14). Es handelt sich um polizeiliche Maßnahmen, innenpolitische Sicherheitsmaßnamen, die bei Sat.1 und ARD etwas häufiger zur Sprache kommen als in den anderen Sendern, sowie militärische Maßnahmen und außenpolitische Aktivitäten. Entwicklungspolitische Maßnahmen werden von allen vier Sendern kaum thematisiert – und falls doch, dann fast immer im Kontext militärischer Maßnahmen. Ein Beispiel ist die Wiederaufbauhilfe in Afghanistan unter Einbindung der Bundeswehr, wobei dieser Einsatz vor allem in jüngster Zeit immer wieder von Anschlägen und Kampfhandlungen überschattet wird. ARD
ZDF
RTL
Sat.1
50% 40% 30% 20% 10%
23% 22% 24% 24%
17% 10% 8% 10% 9%
19% 12% 12%
7% 7%
13% 15% 11% 13% 2%
6%
4% 6% 3% 2%
6%
9%
4% 4%
0%
Abbildung 4.14: Arten von Maßnahmen in den Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis Anmerkungen: Die Anteilswerte beziehen sich auf die Beitragsebene (Mindestdummies; vgl. Kap. III). Nicht in jedem Beitrag wurden Maßnahmen angesprochen bzw. konnten auch mehrere Maßnahmen innerhalb eines Beitrages thematisiert werden. Die Summe der Anteilswerte pro Sender ergibt daher nicht zwangsläufig 100%. * Verteilung dieser Ausprägung weist auch bei Chi²-Test (df = 3) auf spez. Senderabhängigkeiten hin (p < .05).
Abgesehen von einzelnen senderspezifischen Akzentuierungen berichten die vier Sender auch über Maßnahmen recht ähnlich. Ausgeprägte Senderunterschiede zeigen sich jedoch, wenn man die Visualisierung von Maßnahmen berücksichtigt. Auf Visualisierungen werden wir im nächsten Abschnitt ausführlich eingehen, an dieser Stelle aber bereits eine Tendenz hervorheben, die sich in Abbildung 4.15 zeigt: wenn die Privatsender über polizeiliche und militärische Maßnahmen gegen den Terrorismus berichten, dann bebildern sie diese Maßnahmen auch erkennbar häufiger als die öffentlich-rechtlichen Sender. Stärker als ARD und ZDF unterstreichen RTL und Sat.1 visuell den Eindruck, dass bei dem Thema Terrorismus vor allem ein „Durchgreifen und Bekämpfen“ entscheidend sei. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass visuell bekräftigte Botschaften meist prägnanter sind als reine Textbotschaften.
2 Hauptanalyse (Codierungen)
95
ARD 50% 42%
ZDF
RTL
Sat.1
43% 38%
40% 30%
30%
32% 28%
31%
22%
20% 10% 3%
3%
5%
5%
6%
2%
5%
3%
0%
Abbildung 4.15: Visualisierung von Maßnahmen in den Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis Anmerkungen: Die Anteilswerte beziehen sich auf die Beitragsebene (Mindestdummies; vgl. Kap. III). Nicht in jedem Beitrag wurden Maßnahmen visualisiert bzw. konnten auch mehrere Maßnahmen innerhalb eines Beitrages visualisiert werden. Die Summe der Anteilswerte pro Sender ergibt daher nicht zwangsläufig 100%. ** Verteilung dieser Ausprägung weist auch bei Chi²-Test (df = 3) auf spez. Senderabhängigkeiten hin (p < .01). *** Verteilung dieser Ausprägung weist auch bei Chi²-Test (df = 3) auf spez. Senderabhängigkeiten hin (p < .001).
2.5 Visualisierung und Emotionalisierung Visualisierung und Emotionalisierung gehören zwar nicht explizit zu den Elementen von Medien-Frames, wie sie beispielsweise Entman (1993) postuliert, beide Aspekte können entsprechende mediale Bezugsrahmen aber unterstützen. Abbildung 4.16 stellt zunächst die senderspezifische Anzahl themenrelevanter Nachrichtenbeiträge (linke Abbildungshälfte) der durchschnittlichen Anzahl von Visualisierungen gegenüber (rechte Abbildungshälfte). Dabei wird deutlich, dass die beiden öffentlich-rechtlichen Sender zwar häufiger als RTL und Sat.1 über Terrorismus berichten, dabei aber visuell zurückhaltender sind. Im Untersuchungszeitraum zeigt sich für Sat.1 die geringste Häufigkeit terrorismusrelevanter Nachrichtenbeiträge, diese zeigen im Sendervergleich jedoch die höchste Anzahl terrorismusrelevanter Visualisierungen. Anders ausgedrückt lässt sich festhalten, dass die Beiträge der Privatsender mehr terrorismusrelevante Visualisierungen bzw. eine schnellere Schnittfrequenz (cuts) aufweisen, was diesen Beiträgen eine gewisse Dynamik verleiht. Solch „schnelle Schnitte“ (Bonfa-
96
IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen
delli, 1993, S. 166) können neben anderen Gestaltungsmerkmalen (z.B. Nahaufnahmen oder ungewöhnliche Perspektiven) bei den Zuschauern die physiologische Erregung erhöhen bzw. entsprechende Emotionen hervorrufen (vgl. Winterhoff-Spurk, 2004, S. 8). Was bei den Zuschauern tatsächlich ausgelöst wird und in welchem Ausmaß, lässt sich jedoch ohne Wirkungsstudie zunächst einmal nicht klären. 500
14,00 12,00
400
10,00
368 300
323
10,80 9,55
8,00 273
6,00
200 181 100
8,03 6,49
4,00 2,00 0,00
0 ARD
ZDF
RTL
Sat.1
ARD
ZDF
RTL
Sat.1
Abbildung 4.16: Anzahl an Beiträgen über Terrorismus und durchschnittliche Anzahl von terrorismusbezogenen Kameraeinstellungen pro Beitrag in Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 Anmerkungen: Die linke Abbildung zeigt die absoluten Häufigkeiten der Beiträge über Terrorismus pro Sender, während die rechte Abbildung die mittlere Anzahl der Kameraeinstellungen pro Beitrag (Mittelwerte) enthält. Bei dem Befund auf der linken Seite ist auch inferenzstatistisch nicht von einer Gleichverteilung auszugehen [Λ²(3) = 67.38, p < .001], bei dem Befund rechts nicht von einer Gleichheit der Erwartungswerte [F(3, 1141) = 15.03, p < .001].
Nach Maier und Stengel (2007) hat die Visualisierung in den letzten zehn Jahren in der Berichterstattung über Krieg und Terrorismus deutlich zugenommen. Die dramatischen und zahlreich wiederholten Bilder von den einstürzenden Zwillingstürmen am 11. September 2001 sind dafür prototypisch. Und diese der Weltöffentlichkeit vorgeführten Bilder voller Dramatik und Emotion sind letztlich auch das, was die Terroristen angezielt haben. Waldmann (2005b) spricht in diesem Kontext von einer einseitigen, verzerrten Mediendarstellung. Ob und inwieweit auch die von uns untersuchten Nachrichtenbeiträge von Dramatisierung und Emotionalisierung Gebrauch machen, haben wir anhand unterschiedlicher Indikatoren untersucht. Abbildung 4.17 zeigt zunächst, dass RTL und Sat.1 häufiger als ARD und ZDF Bilder von Opfern zeigen. Auch inferenzstatistisch kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Anteil von Beiträgen mit Opfervisualisierungen unabhängig davon ist, welchen Sender man betrachtet [Λ²(3) = 23.21, p < .001]. Zusammen mit dem Befund zur Visualisierung von Maßnahmen deutet auch dieses Ergebnis auf eine ausgeprägtere Visualisierungstendenz bei den Privatsendern hin.
2 Hauptanalyse (Codierungen)
97
100% 80% 60% 40% 33%
29%
20%
48%
41%
0% ARD
ZDF
RTL
Sat.1
Abbildung 4.17: Beiträge mit Visualisierung von Opfern in Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis
Insbesondere Bilder von verletzten oder getöteten Opfern kommen in den Beiträgen der Privatsender etwas häufiger vor als in den Beiträgen der öffentlich-rechtlichen Sender (vgl. Abbildung 4.18). Dabei ist anzumerken, dass alle vier Sender, wenn getötete Terrorismusopfer gezeigt werden, am häufigsten verdeckte Tote zeigen – d.h. Bilder von Leichen, die z.B. unter Decken liegen. Abgerissene oder zerfetzte Körperteile werden von allen vier Sendern fast überhaupt nicht gezeigt, nur in 8 von 1145 Beiträgen war dies der Fall. ARD
ZDF
RTL
Sat.1
20%
8% 9%
10% 5%
0%
6% 6% 3%
6% 4%
8% 5%
11%
9%
8%
4% 2%
3% 4% 3%
12%
6%
5% 2% 3% 3%
1% 1% 1% 0%
Abbildung 4.18: Visualisierung von Verletzungen und Toten in Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis Anmerkungen: Die Anteilswerte beziehen sich auf die Beitragsebene (Mindestdummies; vgl. Kap. III). Nicht in jedem Beitrag wurden Verletzte und Tote visuell dargestellt bzw. konnten auch mehrere dieser Ausprägungen innerhalb eines Beitrages visualisiert werden. Die Summe der Anteilswerte pro Sender ergibt daher nicht zwangsläufig 100%. * Verteilung dieser Ausprägung weist auch bei Chi²-Test (df = 3) auf spez. Senderabhängigkeiten hin (p < .05).
98
IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen
Zur Emotionalisierung gehört auch die Dramatisierung in Sprache und Ton. Als Indikatoren für Dramatisierung wurden beispielsweise eine dramatische Sprechweise50, ein explosives Vokabular51, Übertreibungen (Superlative, Hyperbeln, Partikel der Bekräftigung: vgl. dazu Früh, 1998; Müller, 1985; Voss, 1999), Metaphern52 sowie Toneffekte erfasst. Bei Toneffekten handelt es sich um Musik und Töne (z.B. Klangeffekte), spezifische Geräusche (z.B. Sirenenklänge) oder Tonverzerrungen zur Anonymisierung. Abbildung 4.19 zeigt, dass die ARD-Nachrichten vor allem hinsichtlich dramatischer Sprechweise und explosivem Vokabular deutlich zurückhaltender sind als die Nachrichtenbeiträge von RTL, Sat.1 und teilweise auch des ZDF. ARD
ZDF
RTL
Sat.1
50% 40% 30% 20% 10%
18% 10%
22% 20% 9%
14%
20% 19% 5%
8%
8%
13%
9%
12% 11%
8%
5%
5%
7%
7%
7%
9%
14% 12%
0%
Abbildung 4.19: Formen der Dramatisierung in Sprache und Ton in Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – Prozentuale Anteile an der senderspezifischen Gesamtbeitragszahl als Basis Anmerkungen: Die Anteilswerte beziehen sich auf die Beitragsebene (Mindestdummies; vgl. Kap. III). Dramatisierung in Sprache und Ton erfolgte nicht in jedem Beitrag bzw. konnten auch mehrere dieser Ausprägungen innerhalb eines Beitrages auftreten. Die Summe der Anteilswerte pro Sender ergibt daher nicht zwangsläufig 100%. * Verteilung dieser Ausprägung weist auch bei Chi²-Test (df = 3) auf spez. Senderabhängigkeiten hin (p < .05). *** Verteilung dieser Ausprägung weist auch bei Chi²-Test (df = 3) auf spez. Senderabhängigkeiten hin (p < .001).
50
51
52
Eine dramatisierende Sprechweise steht im Gegensatz zur sachlichen, nüchternen Sprechweise (vgl. Haußecker, 2003, 2007). Dazu gehören etwa Reizwörter (z.B. „Drama“, „Tragödie“, „Grauen“), bewertende und verstärkende Adjektive (z.B. „süßes Mädchen“, „verheerender Unfall“), Stakkatosätze oder Ellipsen (z.B. „Ein verzweifelter Mann“). Explosives Vokabular fördert Dramatik und Dynamik eines Beitrags. Beispiele sind Wörter wie „Blutbad“ und „Inferno“. „Schicksal“ gilt als übermächtiges Eindruckswort und „Angst“ als emotionsgeladener Begriff, der eng mit „Tod“, „Unglück“ oder „Drama“ verbunden sein kann. Besonders attributive Adjektive sind semantisch stark besetzt und besitzen bildliche Kraft wie z.B. „alarmierende Nachricht“, „lähmendes Entsetzen“ (vgl. Voss, 1999). Hierunter fallen auch Wörter mit negativen Assoziationen. Sie besitzen neben dem sachlichen Bedeutungsgehalt (Denotatbereich) ein eindeutig negatives Assoziationsumfeld. Indikatoren dafür sind z.B. „durchboxen“, „Bulle“ oder „Umweltverseuchung“ (vgl. Früh, 1998). Eine Metapher gilt als jene sprachliche Ausdrucksweise, bei welcher die Wörter in übertragener, bildhafter Bedeutung verwendet werden. Die Sprache springt dabei aus einem Vorstellungsbereich in einen anderen (vgl. Habicht, 1995, S. 345).
3 Komplexere Analyseschritte
99
2.6 Zwischenfazit Die deskriptiven Befunde der Hauptanalysen lassen sich zu drei vorläufigen Feststellungen zusammenfassen:
Problemdefinition: Die Ergebnisse zeigen, dass die beiden öffentlich-rechtlichen Sender etwas häufiger über Terrorismus berichten als die beiden Privatsender. Terrorakte, die man als Primärereignisse bezeichnen kann, kommen – bemessen an der Anzahl der Beiträge – seltener als vermutet vor. Überdeutlich ist jedoch der Fokus der Fernsehnachrichten auf islamistisch motivierten Terrorismus. Diese scharf konturierte Problemdefinition zeichnet alle vier Sender aus. Zur Problemdefinition kann auch die Thematisierung von Art, Ausmaß und Reichweite terroristischer Bedrohungen gerechnet werden. Die untersuchten Fernsehnachrichten sehen dabei recht häufig auch eine Gefahr für Deutschland. Insgesamt stehen neben unspezifischen Bedrohungsszenarien die Bedrohungen für Individuen und Werte im Vordergrund. Ursachen und Maßnahmen: Die Nachrichtenbeiträge aus dem Untersuchungszeitraum liefern den Zuschauern nur wenig Hintergrundwissen zu den Bedingungsfaktoren und Ursachen des Terrorismus. Vergleichbares haben schon andere Autoren kritisiert (vgl. z.B. Kuntze, 2003; Lietz, 2002; Schicha, 2002). Am ehesten werden gesellschaftlich-kulturelle und politisch-wirtschaftliche Ursachenfaktoren in den Fernsehnachrichten thematisiert. Auffällig häufiger informieren die Fernsehsender dagegen über Anti-Terror-Maßnahmen. Dazu gehören Sekundärereignisse wie z.B. polizeiliche und militärische Aktivitäten oder der sicherheitspolitische Diskurs. Insgesamt stehen Maßnahmen im Vordergrund, die man unter dem Etikett eines „verschärften Vorgehens gegen Terrorismus“ fassen kann. Insbesondere diese Fernsehbotschaft wird durch entsprechende Bilder unterstützt. Visualisierung, Dramatisierung und Emotionalisierung: Während sich die vier Sender in Bezug auf Problemdefinition, Ursachenzuschreibungen und Maßnahmen kaum unterscheiden, zeigen sich bei den visuellen Botschaften zum Teil durchaus Unterschiede. Hinsichtlich terrorismusrelevanter Bilder weisen die Privatsender eine höhere Visualisierungstendenz auf als die öffentlich-rechtlichen Sender (z.B. für Bilder von Opfern und bestimmten Maßnahmen). Auch die Dramatisierung in Sprache und Ton wird von RTL und Sat.1, aber zum Teil auch dem ZDF, häufiger eingesetzt als von der ARD.
3 Komplexere Analyseschritte 3 Komplexere Analyseschritte Im Folgenden suchen wir zunächst nach relevanten übergeordneten Dimensionen bzw. Faktoren, zu denen sich die Themen und Aspekte in der Terrorberichterstattung verdichten lassen. In einem zweiten Schritt werden wir versuchen, die Nachrichtenbeiträge hinsichtlich der Ausprägung auf diesen Dimensionen nach ähnlichen bzw. unähnlichen Mustern zu gruppieren, um herauszufinden, welche Schwerpunkte in den jeweiligen Beitragsgruppen gesetzt werden und ob bzw. inwieweit sich die vier Sender (ARD, ZDF, RTL und Sat.1) in diesen Schwerpunktsetzungen unterscheiden. Wir nehmen also an, dass mögliche Wirkungen der Terrorismusberichterstattung nicht so sehr von einzelnen Beiträgen abhängen,
100 IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen sondern mit charakteristischen Themensetzungen bzw. Themenbündelungen zusammenhängen, die möglicherweise auch senderunabhängig sind.
3.1 Faktorenanalytische Suche nach Dimensionen der Berichterstattung Um aus der Vielzahl möglicher Einzelvariablen relevante übergeordnete Dimensionen abzuleiten und für weitere Analysen aufzubereiten, bietet sich die Faktorenanalyse als statistische Methode der Wahl an (z.B. Backhaus et al., 2000; Bortz, 2005).53 Hierbei haben wir uns für die Hauptkomponentenanalyse entschieden, um zunächst über die Ebene der Kategorienausprägungen hinausreichende Dimensionen zu identifizieren, mit deren Hilfe sich die terrorrelevanten Nachrichtenbeiträge beschreiben lassen. Als Analysebasis bzw. Merkmalsträger fungieren wie im vorhergehenden Abschnitt die 1145 Nachrichtenbeiträge der vier Sender. Als manifeste Einzelvariablen wurden die Häufigkeitsvariablen (Summendummies; vgl. Kap. III) verwendet. Um in die endgültige faktorenanalytische Lösung aufgenommen zu werden, mussten die ausgewählten Variablen bestimmten Kriterien entsprechen. Erstens musste die Häufigkeit der Ausprägungen zumindest für einen Teil der Beiträge von Null verschieden sein. Zweitens musste sich die faktorenanalytische Eignung einer Variable anhand eines variablenspezifischen MSAWertes (measure of sampling adequacy) größer als .50 nachweisen lassen (z.B. Dziuban & Shirkey, 1974).54 Drittens mussten die Variablen am Erreichen bedeutsamer Faktorladungen unter Vermeidung von Doppelladungen beteiligt sein. Zur globalen Abschätzung der faktorenanalytischen Eignung der Korrelationsmatrix wurde der Kaiser-Meyer-Olkin-Index (KMO) herangezogen, welcher einem variablenübergreifenden MSA-Wert entspricht. Der KMO-Index nimmt für die vorliegenden Daten einen Wert von .73 an und weist damit auf eine zu vertretende Eignung der in die Faktorenanalyse eingehenden Korrelationsmatrix hin (vgl. Dziuban & Shirkey, 1974; Kaiser, 1974). Insgesamt verblieben für die finale faktorenanalytische Lösung 30 Kategorienausprägungen bzw. Häufigkeitsvariablen (vgl. Tabelle 4.2). Mit diesen 30 Variablen konnten in der Hauptkomponentenanalyse nach dem KaiserGuttman-Kriterium insgesamt neun Faktoren mit einem Eigenwert größer als 1 extrahiert werden, die gemeinsam 62% der Varianz aufklären. Da es plausibel ist, davon auszugehen,
53
54
Mit faktorenanalytischen Verfahren wird versucht, die korrelativen Zusammenhänge zwischen mehreren manifesten Einzelvariablen mit einer kleineren Anzahl zugrundeliegender Faktoren bzw. Dimensionen zu erklären. Stark vereinfacht ausgedrückt handelt es hierbei sich um eine Gruppierung von Einzelvariablen. Die Hauptkomponentenanalyse ist ein häufig angewendetes Verfahren aus dem faktorenanalytischen Methodenspektrum und unterscheidet sich technisch von anderen Formen der Faktorenanalyse durch den mathematischen Weg, auf dem die Faktoren extrahiert werden. Die inhaltliche Interpretation der mathematisch erzeugten Faktoren erfolgt schließlich anhand derjenigen Einzelvariablen, welche am höchsten mit dem jeweiligen Faktor zusammenhängen. Im Anschluss werden die zu einem Faktor gehörenden Einzelvariablen häufig durch Summierung oder Mittelwertsbildung zu einer Skala bzw. zu einem Index zusammengefasst. Das von Kaiser, Meyer und Olkin entwickelte MSA-Kriterium (oder Kaiser-Meyer-Olkin-Index, KMO) kann sowohl für einzelne Variablen als auch für die Variablengesamtheit berechnet werden. Das Maß gibt Aufschluss über die Eignung der Daten für die Durchführung einer Faktorenanalyse (vgl. Dziuban & Shirkey, 1974; Kaiser, 1974).
3 Komplexere Analyseschritte
101
dass die zu extrahierenden Faktoren nicht unabhängig voneinander sind, wurden diese nach der Extraktion der obliquen Oblimin-Rotation unterzogen.55 Tabelle 4.2 zeigt die MSAWerte, die Kommunalitäten (Anteil der durch die Faktoren aufgeklärten Varianz einer Variablen) und die standardisierten Regressionskoeffizienten der Oblimin-Faktoren für die einzelnen Variablen. Die Regressionskoeffizienten werden der inhaltlichen Interpretation der Faktoren zugrunde gelegt (z.B. Amelang & Bartussek, 1997). Tabelle 4.2: MSA-Werte, Kommunalitäten (KM) und partielle Regressionskoeffizienten der Faktorgefügematrix nach Hauptkomponentenanalyse und Oblimin-Rotation (N = 1145) Variablen Thematisierung von Gefühlen Visuelle Authentizität Visuelle Opferdarstellung Dramatisierung in Sprache/Ton Polizei im Einsatz (visualisiert) Aktualität (Zeitfokus) Terroranschlag Trümmer/Zerstörung (visuell) Zivilisten als Opfer Religion der Täter: Islam Religiöser Terrorismus Religiöse Motive der Täter Bedrohung Deutschlands Unbestimmte Terrorgefahr Allgegenwart der Gefahr Polizei im Innendienst (visuell) Sicherheitspolitik im Innern Polizeiliche Maßnahmen Justiz (visualisiert) Juristische Maßnahmen Militär (visualisiert) Militärische Maßnahmen Entwicklungspol. Maßnahmen Ethnisch-National. Terrorismus Herkunft der Täter: Europa Politische Tätermotive Sozialrevolutionär. Terrorismus Extremistische Motive der Täter Herkunft der Täter: Deutschland Politiker als Opfer
MSA
KM
.81 .75 .79 .83 .82 .70 .72 .84 .74 .80 .79 .81 .79 .79 .77 .69 .62 .79 .53 .58 .58 .61 .60 .51 .59 .51 .60 .63 .73 .66
.61 .77 .58 .51 .42 .73 .73 .63 .51 .85 .84 .84 .58 .50 .51 .48 .43 .49 .63 .69 .68 .67 .34 .73 .67 .41 .81 .71 .65 .48
1 .75 .60 .65 .68 .40
2
Partielle Regressionskoeffizienten der Faktoren 3 4 5 6 7 8
9
.86 .72 .62 .65 .91 .90 .90 .67 .64 .59 .69 .59 .52 .79 .78 .81 .80 .46 .85 .81 .55 .91 .83 .64 .54
Anmerkungen: Die Tabelle berücksichtigt nur partielle Regressionskoeffizienten die mindestens einen Wert von 0.40 aufweisen. Die Regressionskoeffizienten können größere Werte als 1.0 annehmen, aus Platzgründen wurde jedoch die für Korrelationen übliche Schreibweise verwendet. Die Faktoren 3, 6 und 7 wurden zur Vereinfachung der Interpretation umgepolt.
55
Die Annahme korrelierter Dimensionen gründet auf der Überlegung, dass thematische Dimensionen, die sich für die Berichterstattung über Terrorismus finden lassen, nicht völlig unabhängig voneinander auftreten sollten. Zum Beispiel erfolgen polizeiliche Maßnahmen nicht vollkommen losgelöst von terroristischen Gefahrenlagen. Wenn z.B. in vielen einzelnen Beiträgen vor allem dann über polizeiliche Maßnahmen berichtet wird, wenn auch Terrorgefahren erwähnt werden, dann liegt eine Kovariation dieser beiden Dimensionen vor. In unserer Analyse haben wir das Oblimin-Kriterium nach Jennrich und Sampson (1966) verwendet. Der Oblimin-Parameter Έ wurde auf den Wert Null gesetzt, wobei eine dem obliquen Quartimin-Kriterium ähnliche Lösung resultiert, welche die Interkorrelationen der Faktoren begünstigt (vgl. Harman, 1976, S. 321-322).
102 IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen Die neun extrahierten Faktoren lassen sich inhaltlich wie folgt interpretieren bzw. benennen: Gestalterische Dramatisierung (Faktor 1), Aktueller Terroranschlag (Faktor 2), Islamistischer Terrorismus (Faktor 3), Unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland (Faktor 4), Polizei und Sicherheitspolitik im Innern (Faktor 5), Justiz und juristische Maßnahmen (Faktor 6), Militär und militärische Maßnahmen (Faktor 7), Ethnisch-Nationalistischer/Separatistischer Terrorismus (Faktor 8) und Sozialrevolutionärer Terrorismus (Faktor 9). Da der faktorenanalytischen Suche nach charakteristischen Dimensionen die Annahme zugrunde lag, dass die zu extrahierenden Faktoren nicht unabhängig voneinander sein müssen, können wir nun auch die Interkorrelationen der Oblimin-Faktoren und deren Zusammenhänge mit dem Nachrichtenwert betrachten. Der Nachrichtenwert – so hatten wir weiter oben ausgeführt – stellt die Publikationswürdigkeit von Ereignissen und Themen dar. In unserer Analyse haben wir die Wertigkeit einer terrorrelevanten Meldung anhand eines Index gemessen, der mithilfe der Variablen Platzierung der Meldung und Umfang der Meldung konstruiert wurde. Je höher dieser Wert ist, umso eher könnte eine Nachricht das Interesse und auch die emotionale Beteiligung der Rezipienten wecken (Staab, 1990, S. 41). Signifikante Zusammenhänge zwischen den Nachrichtenwerten und den mittels Faktorenanalyse herauspräparierten Dimensionen der Terrorismusberichterstattung verweisen somit auf die nachrichtenbezogene Wertigkeit der entsprechenden Dimensionen. Tabelle 4.3 zeigt die Interkorrelationen der Oblimin-Faktoren und deren Zusammenhänge zu den Nachrichtenwerten. Tabelle 4.3: Interkorrelationen der Oblimin-Faktoren und Korrelationen mit den Nachrichtenwerten 1 1 Gestalterische Dramatisierung 2 Aktueller Terroranschlag 3 Islamistischer Terrorismus 4 Unbestimmte Terrorgefahr in 5 Polizei und Sicherheitspolitik im 6 Justiz und juristische Maßnahmen 7 Militär und militärische 8 Ethnisch-National./Separat. 9 Sozialrevolutionärer Terrorismus Nachrichtenwert (NW)
2 3 4 5 -.24* -.17* -.03* -.03* -.07* -.11* -.03* -.21* -.10* -.12*
6 -.06* -.01* -.06* -.07* -.07*
7 -.07* -.03* -.09* -.05* -.09* -.03*
8 -.06* -.04* -.05* -.00* -.05* -.03* -.05*
9 -.11* -.02* -.06* -.03* -.02* -.04* -.10* -.04*
NW .33* -.06* .15* .14* .17* .03 .20* .01 .01
Anmerkung: Die Faktoren 3, 6 und 7 wurden zur Vereinfachung der Interpretation umgepolt. * p < .05 (zweiseitig, N = 1145).
Auch wenn man bei der Betrachtung signifikanter Oblimin-Interkorrelationen die zugrunde liegende relativ große Stichprobenzahl (1145 Beiträge) ins Kalkül ziehen muss, so fallen doch zumindest die linearen Zusammenhänge von Faktor 1 (Gestalterische Dramatisierung) zu Faktor 2 (Aktueller Terroranschlag) und Faktor 3 (Islamistischer Terrorismus) ebenso auf wie die Korrelation zwischen Faktor 3 (Islamistischer Terrorismus) und Faktor 4 (Unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland). Erwähnenswert ist überdies der im Vergleich relativ hohe
3 Komplexere Analyseschritte
103
positive Zusammenhang zwischen dem Nachrichtenwert und Faktor 1 (Gestalterische Dramatisierung). Eine Berichterstattung mit ausgeprägten gestalterischen Dramatisierungen (z.B. mittels Sprache und Ton oder durch visuelle Darstellung von Opfern) besitzt somit tendenziell auch eine besonders hohe Publikationswürdigkeit. Das gilt offenbar auch, wenngleich im eingeschränkteren Maße, für Berichterstattungen über den islamistischen Terrorismus (Faktor 3), für Nachrichten über die unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland (Faktor 4), für Berichte über polizeiliche Maßnahmen und die Sicherheitspolitik im Inland (Faktor 5) und für die mediale Darstellung von Militär und militärischen Maßnahmen (Faktor 7). Die mit diesen Dimensionen im Zusammenhang stehenden Schwerpunkte der Terrorismusberichterstattung werden potentiellen Rezipienten also an prominenter Stelle und relativ umfangreich dargeboten. Inwieweit sich mit diesen zum Teil prominent platzierten charakteristischen Dimensionen bereits relevante Muster für alle Beiträge und für alle vier Sender im gleichen Maße abbilden lassen, ist damit noch nicht geklärt. In einem nächsten Analyseschritt fragen wir deshalb, welche Beitragsgruppen sich finden lassen, wenn wir die faktorenanalytisch herauspräparierten Dimensionen der Berichterstattung einer entsprechenden Gruppenbildung zugrunde legen.
3.2 Clusteranalytische Beitragsgruppierung Die faktorenanalytischen Dimensionen werden im Folgenden verwendet, um die Nachrichtenbeiträge hinsichtlich ihrer Ausprägungen auf diesen Dimensionen zu gruppieren und somit Beitragsgruppen mit ähnlichen inhaltlichen Schwerpunkten zu identifizieren. Als Mittel der Wahl bieten sich zu diesem Zweck clusteranalytische Verfahren an. Vor der Durchführung clusteranalytischer Verfahren haben wir drei wesentliche Einschränkungen vorgenommen. Die erste Einschränkung bezieht sich auf Faktor 1 (Gestalterische Dramatisierung). Wie bereits im vorigen Abschnitt betont, handelt es sich bei diesem spezifischen Faktor um eine Dimension der formalen Gestaltung eines Nachrichtenbeitrages. Die anderen Dimensionen verweisen demgegenüber auf die inhaltliche Ausrichtung der Nachrichtenbeiträge, also auf die inhaltlichen Elemente möglicher Medien-Frames. Um die Nachrichtenbeiträge inhaltlich zu gruppieren, haben wir die formal-stilistische Dimension (Faktor 1) zunächst nicht in die nachfolgend beschriebenen clusteranalytischen Gruppierungsverfahren aufgenommen. Stattdessen wurde separat über alle Beiträge aller vier Sender aus den Indikatormerkmalen von Faktor 1 ein Dramatisierungsindex gebildet, indem die zugehörigen Indikatorvariablen zunächst z-transformiert (d.h. auf einen Mittelwert von 0 und eine Streuung von 1 gebracht) und dann gemittelt wurden. Die Reliabilität des so gewonnenen Dramatisierungsindex beträgt .73 (Cronbachs ΅). Auf diesen Dramatisierungsindex kommen wir nach erfolgter Beitragsgruppierung wieder zurück. Die zweite Einschränkung in Vorbereitung auf die clusteranalytische Auswertung betrifft Faktor 9 (Sozialrevolutionärer Terrorismus). Diese Dimension und die zugehörigen Indikatormerkmale weisen augenscheinlich auf den RAF-Terrorismus der 1970er Jahre hin. Eine inhaltliche Inspektion der Beiträge bestätigt diesen Eindruck. Es sind insbesondere die Nachrichtenbeiträge mit Bezugnahme auf die Rote-Armee-Fraktion, die auf Seiten der
104 IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen Merkmalsträger maßgeblich zum Auffinden von Faktor 9 beigetragen haben (z.B. Beiträge zur Haftentlassung von Christian Klar und rückblickende Berichterstattung im Rahmen des Geburtstags von Helmut Schmidt kurz vor der Jahreswende 2008/2009). Da unsere zentralen Forschungsinteressen auf die mediale Konstruktion und die individuellen Interpretationen insbesondere des transnationalen und aktuell bedeutsamen Terrorismus gerichtet sind, haben wir den Faktor 9 ebenfalls nicht in die clusteranalytischen Gruppierungsverfahren einbezogen. Methodisch besteht zudem die Gefahr, dass einzelne Indikatormerkmale dieser Dimension verzerrend auf clusteranalytische Lösungen wirken, wie dies z.B. bei der Indikatorvariable „Täter/Sympathisanten aus Deutschland“ der Fall ist, die sowohl für die RAF-Akteure der 1970er Jahre als auch für islamistische Täter und Sympathisanten unter aktuellem Bezug thematisierbar ist. Faktor 9, die zugehörigen Indikatormerkmale und alle eindeutig mit der RAF assoziierten Beiträge wurden aus diesen Gründen von der clusteranalytischen Betrachtung ausgeschlossen. Die Anzahl der verbleibenden zu gruppierenden Beiträge reduzierte sich damit von 1145 auf 1105 Beiträge. Die dritte Einschränkung bezieht sich auf die Eingangsvariablen für die Clusteranalyse. Als Eingangsvariablen nutzen wir nun nicht – wie in der Faktorenanalyse – Häufigkeitsvariablen (Summendummies), sondern die Faktorwerte der Beiträge auf den verbleibenden sieben Faktoren. Die Faktoren hatten wir ja als charakteristische Dimensionen der Terrorismusberichterstattung identifiziert und diese dienen nun als Merkmale, welche bei jedem einzelnen Beitrag mehr oder weniger stark ausgeprägt sein können. Um diese Faktorwerte den genannten Einschränkungen anzupassen, wurde zunächst noch einmal eine Faktorenanalyse berechnet, bei welcher die Indikatorvariablen der Faktoren 1 und 9 ausgeschlossen wurden, ebenso wie die mit der RAF assoziierten Beiträge. Die resultierende Korrelationsmatrix weist einen KMO-Wert von .72 und damit eine vertretbare faktorenanalytische Eignung auf. Nach Kaiser-Guttman-Kriterium konnten in einer Hauptkomponentenanalyse sieben Faktoren extrahiert werden, die gemeinsam 62% der Varianz aufklären. Bei einer nachfolgenden Oblimin-Rotation konnten die bereits mit der ersten Faktorenanalyse gefundenen Dimensionen trotz der Einschränkungen repliziert werden (vgl. Tabelle 4.4). Zur Vereinfachung, Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit mit der ersten Faktorenanalyse wird die ursprüngliche Nummerierung der sieben nun resultierenden ObliminFaktoren nicht verändert. Um dennoch eine Unterscheidbarkeit zu gewährleisten, werden die Ziffern für die Faktoren der zweiten Faktorenanalyse mit dem Buchstaben „b“ gekennzeichnet. Die Nummerierung beginnt demgemäß bei 2b, wobei es sich um folgende Faktoren handelt: Aktueller Terroranschlag (Faktor 2b), Islamistischer Terrorismus (Faktor 3b), Unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland (Faktor 4b), Polizei und Sicherheitspolitik im Innern (Faktor 5b), Justiz und juristische Maßnahmen (Faktor 6b), Militär und militärische Maßnahmen (Faktor 7b) und Ethnisch-Nationalistischer/Separatistischer Terrorismus (Faktor 8b). Die als z-Werte vorliegenden Faktorwerte der verbliebenen 1105 Nachrichtenbeiträge auf diesen sieben Oblimin-Faktoren zeigen für jeden Beitrag an, in welchem Ausmaß jede dieser Dimensionen ausgeprägt ist. Negative Faktorwerte eines Beitrages deuten auf eine im Vergleich zu den anderen Beiträgen unterdurchschnittliche und positive Werte auf eine überdurchschnittliche Ausprägung hin, während Werte nahe Null auf eine durchschnittliche Ausprägung hinweisen.
3 Komplexere Analyseschritte
105
Tabelle 4.4: MSA-Werte, Kommunalitäten (KM) und partielle Regressionskoeffizienten der Faktorgefügematrix der zweiten Hauptkomponentenanalyse (ohne Faktoren 1 und 9, ohne RAF-Beiträge) nach Oblimin-Rotation (N = 1105) Variablen
Partielle Regressionskoeffizienten der Faktoren der zweiten Hauptkomponentenanalyse
MSA
KM
Aktualität (Zeitfokus)
.74
.64
.77
2b
3b
4b
5b
6b
7b
8b
Terroranschlag
.72
.71
.80
Trümmer/Zerstörung (visuell)
.79
.59
.74
Zivilisten als Opfer
.72
.51
.71
Religion der Täter: Islam
.79
.85
Religiöser Terrorismus
.80
.84
.89
Religiöse Motive der Täter
.81
.84
.89
Bedrohung Deutschlands
.80
.60
Unbestimmte Terrorgefahr
.78
.57
.72
Allgegenwart der Gefahr
.78
.46
.63
Polizei im Innendienst (visuell)
.65
.58
Sicherheitspolitik im Innern
.61
.41
.63
Polizeiliche Maßnahmen
.81
.45
.46
Justiz (visualisiert)
.49
.70
.84
Juristische Maßnahmen
.51
.71
.81
Militär (visualisiert)
.55
.64
Militärische Maßnahmen
.54
.67
.80
Entwicklungspol. Maßnahmen
.62
.41
.53
Ethnisch-National. Terrorismus
.54
.71
Herkunft der Täter: Europa
.56
.67
.81
Politische Tätermotive
.60
.45
.57
.90
.70
.77
.80
.84
Anmerkungen: Die Tabelle berücksichtigt nur partielle Regressionskoeffizienten die mindestens einen Wert von 0.40 aufweisen. Die Regressionskoeffizienten können größere Werte als 1.0 annehmen, aus Platzgründen wurde jedoch die für Korrelationen übliche Schreibweise verwendet. Faktor 4b wurde zur Vereinfachung der Interpretation umgepolt.
Diese Faktorwerte dienen nun als Eingangsvariablen für die clusteranalytische Beitragsgruppierung. Das Ziel einer Clusteranalyse ist die Gruppierung bzw. Klassifikation von Objekten (Merkmalsträgern) hinsichtlich der Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit bzgl. bestimmter Eingangsmerkmale. Dabei sollten die Mitglieder eines Clusters möglichst homogen im Hinblick auf ihre Merkmalsausprägungen sein und die Mitglieder verschiedener Cluster möglichst heterogen (vgl. z.B. Scheufele & Engelmann, 2009). In diesem Sinne fungiert die Clusteranalyse nun als Instrument, um Beiträge mit ähnlichen Faktorwert-Ausprägungsmustern zu Clustern zusammenzufassen. Für die vorliegenden metrischen und z-transformierten Faktorwerte eignet sich als Fusionsalgorithmus das Verfahren nach Ward (1963) unter Verwendung der quadrierten euklidischen Abstände als Distanzmaße. Aufgrund der Anfälligkeit der Ward-Methode für Ausreißer wurde eine Single-Linkage-Clusteranalyse vorgeschaltet, um potenzielle Aus-
106 IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen reißer zu identifizieren. Anhand des Ausmaßes der Fehlerquadratsummen-Zuwächse im Dendrogramm konnten 10 Beiträge als Ausreißer identifiziert und ausgeschlossen werden. In die anschließende Clusteranalyse mit Ward-Methode gingen daher 1095 Nachrichtenbeiträge ein. Als Anhaltspunkt zur Bestimmung einer sinnvollen Clusteranzahl wurde das Struktogramm herangezogen (z.B. Bortz, 2005). Ein auffälliger Sprung im Anwachsen der Fehlerquadratsumme zeigte sich zwischen den Fusionsstufen mit acht bzw. sieben Clustern, so dass die Lösung mit acht Clustern ausgewählt wurde. Diese Cluster lassen sich folgendermaßen beschreiben: Aktueller Terroranschlag (Cluster 1), Islamistischer Terrorismus (Cluster 2), Islamistische/Unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland (Cluster 3), Polizei und Sicherheitspolitik im Innern (Cluster 4), Justiz und juristische Maßnahmen (Cluster 5), Militär und militärische Maßnahmen (Cluster 6), Ethnisch-Nationalistischer/ Separatistischer Terrorismus (Cluster 7) und Terrorismus unspezifisch (Cluster 8). Tabelle 4.5 zeigt die clusterspezifischen Mittelwerte auf den sieben faktorenanalytischen Dimensionen.56 Zur Absicherung der sich in Tabelle 4.5 augenscheinlich anbietenden Interpretationsmöglichkeiten wurden entsprechende multi- und univariate Mittelwertvergleiche durchgeführt (z.B. Bortz, 2005), wobei die varianzanalytische Gruppeneinteilung der Clusterzugehörigkeit entspricht und die abhängigen Variablen durch die Oblimin-Faktorwerte gestellt werden. Da mehrere abhängige Variablen – die sieben Oblimin-Faktorwerte – vorliegen, wurde zunächst der multivariate Haupteffekt der Clusterzugehörigkeit mittels multivariater Varianzanalyse geprüft.57 Zur Berechnung des F-Wertes der multivariaten Varianzanalyse wurde Pillais Spurenkriterium ausgewählt (vgl. Bortz, 2005). Der multivariate Haupteffekt der Clusterzugehörigkeit zeigt sich signifikant [F(49, 7609) = 178.87, p < .001]. Entsprechend wurden nachfolgend separate univariate Varianzanalysen getrennt für jede Faktorwertvariable berechnet.58 Alle univariaten Haupteffekte der Clusterzugehörigkeit erweisen sich als signifikant [F(7, 1087) jeweils größer 160, p jeweils kleiner als .001, erklärte Varianzanteile ² reichen von .41 bis .66]. Aufgrund der Vielzahl der nun möglichen paarweisen Einzelvergleiche und der enormen Teststärke wurden nachfolgend nur diejenigen Scheffé-Tests (΅ = .05) betrachtet, mit denen geprüft werden kann, ob sich ein Beitragscluster in dem von ihm schwerpunktmäßig vertretenen Faktor durch eine entsprechend überdurchschnittlich hohe Mittelwertausprägung signifikant von den jeweils anderen Clustern unterscheidet (vgl. Tabelle 4.5). Dies ist für alle Cluster der Fall (p < .01), mit Ausnahme des unspezifischen 56
57
58
Eine strikte Differenzierung zwischen den Beitragsgruppen Aktueller Terroranschlag und Islamistischer Terrorismus sowie Ethnisch-Nationalistischer/Separatistischer Terrorismus erscheint möglicherweise schwierig. Auch Beiträge über islamistischen Terrorismus berichten z. T. über terroristische Ereignisse. Letztlich liegt der entscheidende Aspekt dabei jedoch im Ausmaß und in der Gewichtung der Thematisierung spezifischer Kontexte. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für die multivariate Varianzanalyse weist ein Box-Test auf Verletzung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix hin, F(196, 199511) = 30.48, p < .001, wobei jedoch auch die durch die Stichprobengröße bedingte hohe Teststärke berücksichtigt werden sollte. Dennoch sollten die folgenden Ergebnisse mit entsprechender Vorsicht interpretiert werden. Levene-Tests verweisen auch univariat auf Verletzungen der Varianzhomogenitätsannahme (jeweils p < .20) und korrigierte Kolmogorov-Smirnov-Tests weisen jeweils auf Verletzungen der univariaten Normalverteilungsannahme hin (in nur 3 von 56 Fallgruppen ein p > .20), wobei jedoch auch hier die Stichprobengröße und die damit einhergehende enorme Teststärke berücksichtigt werden muss.
3 Komplexere Analyseschritte
107
Clusters 8, welches entsprechend in keinem der hier betrachteten Faktoren eine überdurchschnittlich hohe Ausprägung besitzt. Tabelle 4.5: Clusterspezifische Mittelwerte bei den Faktorwerten 2b bis 8b (N = 1095)
Clusterbezeichnung
n
Faktoren der zweiten Hauptkomponentenanalyse:
%
Mittelwerte (Streuung) 2b
3b
4b
5b
6b
7b
8b
TerrorAnschlag
Islamist. Terrorism.
Gefahr in Deutschl.
Polizei, Innenpolit.
Justiz
Militär
Ethn./Nat. Terror
(1) Aktueller Terroranschlag
193 18%
1.36a (0.72)
-0.52 (0.16)
-0.31 (0.41)
-0.25 (0.43)
-0.25 (0.19)
-0.26 (0.37)
-0.20 (0.34)
(2) Islamistischer Terrorismus
142 13%
0.55 (1.25)
1.66a (1.01)
-0.20 (0.69)
0.00 (0.81)
-0.22 (0.42)
-0.23 (0.67)
-0.24 (0.32)
(3) Islamist./Unbest. Terrorgefahr in Deutschland
42 4%
-0.43 (0.48)
2.11a (1.37)
3.07a (1.09)
0.56 (1.05)
0.02 (0.70)
-0.48 (0.35)
-0.21 (0.28)
(4) Polizei und Sicherheitspolitik im Innern
44 4%
-0.41 (0.48)
-0.37 (0.29)
-0.31 (0.53)
2.56a (0.96)
-0.08 (0.38)
-0.38 (0.26)
0.42 (0.89)
(5) Justiz und juristische Maßnahmen
75 7%
-0.32 (0.61)
0.07 (0.84)
-0.28 (0.55)
-0.30 (0.46)
2.68a (1.88)
-0.29 (0.35)
-0.03 (0.45)
(6) Militär und militärische Maßnahmen
159 15%
-0.31 (0.73)
-0.26 (0.72)
0.04 (1.02)
-0.37 (0.39)
-0.21 (0.26)
1.86a (1.25)
-0.29 (0.30)
(7) EthnischNational./Separat. Terrorismus
68 6%
-0.19 (0.74)
-0.28 (0.27)
-0.22 (0.64)
-0.25 (0.52)
0.01 (0.89)
-0.08 (1.05)
2.39a (1.27)
(8) Terrorismus unspezifisch
372 34%
-0.59 (0.34)
-0.40 (0.24)
-0.03 (0.83)
-0.06 (0.63)
-0.27 (0.13)
-0.39 (0.27)
-0.27 (0.26)
Anmerkung: Positive (Negative) Werte weisen auf eine überdurchschnittliche (unterdurchschnittliche) Merkmalsausprägung hin. a Beitragscluster unterscheidet sich in Bezug auf diese Faktorwertvariable jeweils signifikant von den anderen Beitragsclustern (Scheffé-Tests, p < .01).
108 IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen Entsprechend den zur Vorsicht mahnenden Ergebnissen vorgeschalteter Voraussetzungstests wurden anschließend noch verteilungsfreie Verfahren eingesetzt (vgl. z.B. Bortz, 2005), um diese Ergebnisse abzusichern. Kruskal-Wallis-Tests zeigen auch hier für alle sieben Faktorwerte einen Effekt der Clusterzugehörigkeit (χ²-Werte bei df = 7 zwischen 492.01 und 147.95, p jeweils kleiner als .001). Bei der Prüfung, ob sich – mit Ausnahme des unspezifischen Clusters 8 – ein Cluster jeweils bei dem von ihm augenscheinlich schwerpunktmäßig vertretenen Faktor durch höhere Rangplätze von den anderen Clustern abhebt, konnte dies in Einzelvergleichen mittels Mann-Whitney-U-Tests für alle Cluster bestätigt werden (|zWert| jeweils größer als 3.29, p der zweiseitigen Tests jeweils kleiner als .001). Allerdings unterscheiden sich hierbei die Cluster Islamistischer Terrorismus (Cluster 2) und Islamistische/Unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland (Cluster 3) nicht signifikant in ihren mittleren Rangplätzen in Bezug auf den Faktor Islamistischer Terrorismus (z = 1.85, p = .064). Das bedeutet, dass sich beide Cluster durch hohe Ausprägungen auf der Dimension 3b (Islamistischer Terrorismus) auszeichnen. Dieser Umstand wurde bei der Benennung bzw. Namensgebung für diese beiden Cluster berücksichtigt. Von den acht Clustern repräsentieren sechs Cluster also schwerpunktmäßig jeweils eine der Dimensionen, die in der vorgeschalteten zweiten Faktorenanalyse gewonnen wurden: Aktueller Terroranschlag (Cluster 1), Islamistischer Terrorismus (Cluster 2), Polizei und Sicherheitspolitik im Innern (Cluster 4), Justiz und juristische Maßnahmen (Cluster 5), Militär und militärische Maßnahmen (Cluster 6) und Ethnisch-Nationalistischer/Separatistischer Terrorismus (Cluster 7). Cluster 3 (Islamistische/Unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland) hat seine Schwerpunkte demgegenüber bei den beiden faktorenanalytischen Dimensionen 3b (Islamistischer Terrorismus) und 4b (Unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland). Zudem fällt die recht große Gruppe von Fernsehbeiträgen auf, die sich in Cluster 8 (Terrorismus unspezifisch) verorten und sich in keiner der faktorenanalytischen Dimensionen durch prägnante und überdurchschnittlich hohe Ausprägungen auszeichnen. Die thematische Schwerpunktsetzung der einzelnen Cluster lässt sich jedoch nicht nur anhand der Clusterzentren ablesen, sondern auch mithilfe eines externen Kriteriums. Jeder Beitrag wurde vor der eigentlichen Codierung zu Dokumentationszwecken und unabhängig von allen weiteren Schritten durch einen Vorauswähler mit einem Kurztitel versehen. Betrachtet man die Kurztitel der Beiträge innerhalb eines jeden Clusters, so zeigt sich eine deutliche Passung zwischen qualitativer Titelvergabe und mathematisch produzierter Clusterzugehörigkeit. Als Beispiele für die einzelnen Cluster verweisen wir exemplarisch auf folgende Beitragstitel: „Selbstmordanschlag im Irak“ (Cluster 1: Aktueller Terroranschlag), „Selbstmordanschlag in Kabul“ (Cluster 2: Islamistischer Terrorismus), „Neues Terrorvideo aufgetaucht“ (Cluster 3: Islamistische/Unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland), „Neues Gesetz zur Terrorabwehr beschlossen“ (Cluster 4: Polizei und Sicherheitspolitik im Innern), „Urteil im Kofferbomberprozess“ (Cluster 5: Justiz und juristische Maßnahmen), „Bundeswehreinsatz in Afghanistan“ (Cluster 6: Militär und militärische Maßnahmen) und „Kurden-Konflikt“ (Cluster 7: Ethnisch-Nationalistischer/Separatistischer Terrorismus). Diese Passung verweist letztlich auch auf die Relevanz der faktorenanalytisch gewonnenen Dimensionen. Versuchen wir nun ein vorläufiges Fazit zu ziehen, so lässt sich Folgendes festhalten: Die ursprünglich faktorenanalytisch gewonnenen charakteristischen Dimensionen der
3 Komplexere Analyseschritte
109
Terrorismusberichterstattung spiegeln die medialen Konstruktionen (und medialen Deuteangebote) über den Terrorismus zwar in ihrer Gesamtheit wider, sind aber keineswegs charakteristisch für alle Beiträge. Vielmehr unterscheiden sich die einzelnen Beiträge in ihren Ausprägungen auf diesen Dimensionen. Diese Dimensionen eignen sich demgemäß, um die Nachrichtenbeiträge zu gruppieren und zu bündeln. Entscheidend ist allerdings auch, in welchem Ausmaß Nachrichtenbeiträge aus bestimmten Beitragsgruppen in den Nachrichtensendungen vertreten sind und ob sich die Fernsehsender hinsichtlich der Verwendung dieser Beitragsgruppen unterscheiden. Dieser Frage werden wir im nächsten Abschnitt nachgehen.
3.3 Inhaltliche und formale sendergruppenspezifische Muster Zeigen sich zwischen den vier untersuchten Sendern (ARD, ZDF, RTL, Sat.1) Unterschiede in Bezug auf die gefundenen charakteristischen Dimensionen und Gruppierungen der Terrorismusberichterstattung? Mit dieser Frage verbinden wir einen weiteren Schritt in der Analyse der medialen Angebote für potentielle Rezipienten, denn die Relevanz dieser Frage ergibt sich zwangsläufig auch aus den Senderpräferenzen potentieller Rezipienten. Betrachtet man die sendergruppenspezifische Häufigkeitsverteilung der Beiträge innerhalb der Cluster, dann scheint sich zunächst auch innerhalb der Beitragscluster der eingangs erwähnte Befund widerzuspiegeln, dass die öffentlich-rechtlichen Sender häufiger über Terrorismus berichten als die beiden Privatsender (vgl. Abbildung 4.20). Dieser Unterschied erscheint jedoch nur noch marginal bei Cluster 1 (Aktueller Terroranschlag) und verschwindet gar bei Cluster 3 (Islamistische/Unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland), so dass hier öffentlich-rechtliche und private Sender hinsichtlich der absoluten Häufigkeiten in etwa gleich auf liegen – obwohl die privaten Sender insgesamt weniger über Terrorismus berichten als die öffentlich-rechtlichen Sender. Schließlich stellt sich nun die Frage, inwieweit sich in den formal-stilistischen Dimensionen, also in der Gestaltung der Berichterstattung, cluster- und senderspezifische Unterschiede finden lassen. Um diese Frage beantworten zu können, greifen wir jetzt auf den eingangs berechneten Dramatisierungsindex zurück. Dieser Index wurde – wie erwähnt – über alle Beiträge aller vier Sender aus den Indikatormerkmalen von Faktor 1 der ersten Faktorenanalyse gebildet (vgl. Tabelle 4.2): „Thematisierung von Gefühlen“, „visuelle Authentizität“, „visuelle Opferdarstellung“, „Dramatisierung in Sprache und Ton“ und „visualisierter Polizeieinsatz“. Diese Variablen, die auf Faktor 1 substantiell laden, wurden zunächst z-transformiert. Der Dramatisierungsindex eines jeden Beitrags wurde dann als Mittelwert dieser z-transformierten Summendummies gebildet (Cronbachs ΅ = .73).59
59
Erwähnenswert ist ferner der bedeutsame positive Zusammenhang zwischen Dramatisierungsindex und Nachrichtenwert [r(1143) = .32, p < .001].
110 IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen ÖR (ARD/ZDF)
Privat (RTL/Sat.1)
104
Aktueller Terroranschlag *
89 85
Islamistischer Terrorismus
57 19 23
Islamist./Unbest. Gefahr in Deutschl. *
27
Polizei/Sicherheitspolitik im Innern
17 46
Justiz und juristische Maßnahmen
29 95
Militär und militärische Maßnahmen
64 51
Ethnisch-Nation./Separatist. Terrorismus *
17 233
Terrorismus unspezifisch
139 0
20
40
60
80
100 120 140 160 180 200 220 240 Anzahl Beiträge
Abbildung 4.20: Sendergruppenspezifische Häufigkeitsverteilung der Beiträge von ARD/ZDF (N = 660) und RTL/Sat.1 (N = 435) auf die Cluster – Absolute Häufigkeiten (Gesamtbeitragszahl N = 1095) Anmerkungen: Clusteranalyse erfolgte auf Grundlage von Faktorwerten. * Verteilung in diesem Cluster weicht bei Chi²-Test (df = 1) signifikant von einer bei stochastischer Unabhängigkeit erwarteten Verteilung ab (p < .05).
Ein Vergleich der senderspezifischen Mittelwerte des Dramatisierungsindex über alle Nachrichtenbeiträge zeigt für die vier Sender folgende Werte: -0.16 (ARD), -0.03 (ZDF), 0.11 (RTL) und 0.20 (Sat.1). Der augenscheinliche Unterschied zwischen den Sendern wird durch einen signifikanten varianzanalytischen Haupteffekt der Senderzugehörigkeit gestützt [(F(3, 1141) = 14.15, p < .001] und erweist sich jeweils für die Einzelvergleiche ARD/RTL, ARD/Sat.1 und ZDF/Sat.1 als signifikant (Scheffé-Tests, ΅ = .05). Allerdings sind diese Ergebnisse mit Vorbehalt zu interpretieren.60
60
So führt einerseits die hohe Stichprobengröße (die Anzahl der Beiträge pro Sender) zu einer enormen Teststärke. Aber auch der erklärte Varianzanteil von ² = .04, die ungleichen Gruppengrößen und Hinweise auf Verletzung der Normalverteilungsannahme anhand korrigierter Kolmogorov-SmirnovTests (p jeweils kleiner als .001) sowie der Verweis auf Verletzung des Varianzhomogenitätskriteriums anhand eines Levene-Tests [(F(3, 1141) = 6.97, p < .001] fordern zur Vorsicht im Umgang mit diesen signifikanzstatistischen Ergebnissen auf.
3 Komplexere Analyseschritte
111
Insgesamt sind die senderspezifischen Unterschiede hinsichtlich des Dramatisierungsindex jedoch nicht von der Hand zu weisen. Auch eine Prüfung mittels des nichtparametrischen Kruskal-Wallis-Tests zeigt den Effekt der Senderzugehörigkeit [(χ²(3) = 44.70, p < .001]. Mann-Whitney-U-Tests (zweiseitig) verweisen auf signifikante rangplatzbezogene Unterschiede bzgl. des Dramatisierungsindex bei folgenden Einzelvergleichen: ARD/ZDF, ARD/RTL, ARD/Sat.1, ZDF/RTL und ZDF/Sat.1 (p jeweils kleiner als .05). In Abbildung 4.21 sind die sendergruppenspezifischen Dramatisierungsmittelwerte für jedes Cluster veranschaulicht.61 Eine varianzanalytische Prüfung zeigt einen signifikanten Haupteffekt der Sendergruppe [F(1, 1079) = 30.62, p < .001, ² = .03] und einen bedeutsamen Haupteffekt der Clusterzugehörigkeit [F(7, 1079) = 21.56, p < .001, ² = .12]. Dagegen bleibt der Interaktionseffekt bedeutungslos [F(7, 1079) = 0.69, p = .677, ² = .00]. Der signifikante Haupteffekt der Sendergruppeneinteilung unterstreicht damit den Eindruck, dass die Beiträge der Privatsender unabhängig von der Clusterzugehörigkeit – es zeigte sich kein signifikanter Interaktionseffekt – im Durchschnitt höheren Dramatisierungsgehalt aufweisen als die Beiträge der öffentlich-rechtlichen Sender. Privat (RTL/Sat.1)
ÖR (ARD/ZDF)
0,60 0,40 0,20 0,00 -0,20 -0,40 -0,60
Abbildung 4.21: Dramatisierungsindex getrennt nach Clusterzugehörigkeit und Sendergruppen – Mittelwerte Anmerkungen: Der Dramatisierungsindex wurde durch Mittelung der z-transformierten Indikatorvariablen von Faktor 1 (Gestalterische Dramatisierung) der ersten Faktorenanalyse gebildet.
61
In Bezug auf die nachfolgende varianzanalytische Prüfung sei zunächst zu vermerken, dass korrigierte Kolmogorov-Smirnov-Tests auf Verletzungen der Normalverteilungsannahme hindeuten (in nur 1 von 16 Fallgruppen ein p > .20). Ein Levene-Test verweist zudem auf Verletzung des Varianzhomogenitätskriteriums. Insoweit ist einerseits wieder Vorsicht bei der Interpretation der nachfolgenden varianzanalytischen Mittelwertsvergleiche angebracht. Andererseits scheint aufgrund der Stichprobengröße aber ebenso eine gewisse Skepsis gegenüber inferenzstatistischen Ergebnissen generell angeraten, auch einschließlich gegenüber Voraussetzungstests.
112 IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen Um diese Befunde zu erhärten, wurden weitere Prüfungen mit verteilungsfreien Verfahren durchgeführt. Dabei zeigt ein Mann-Whitney-U-Test (zweiseitig) ebenfalls einen signifikanten Unterschied (z = -5.86, p < .001) zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern (mittlerer Rangplatz = 526.62) und den privaten Sendern (mittlerer Rangplatz = 643.60) hinsichtlich des Dramatisierungsindex. Das heißt, wenn die privaten Fernsehnachrichten über Terrorismus berichten, dann nutzen sie clusterunabhängig ausgeprägtere Dramatisierungsstrategien als die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Diese Schlussfolgerung legen zumindest die bisherigen Befunde anhand der hier vorgenommenen Operationalisierung nahe. Allerdings wurde bei den bisherigen Vergleichen eine zeitraumübergreifende Perspektive eingenommen, da alle sender- und clusterspezifischen Beiträge des gesamten Untersuchungszeitraumes miteinander verglichen wurden.
3.4 Sendergruppenspezifische Dramatisierungen im Zeitverlauf Dass sich die Sendergruppen im Ausmaß der Dramatisierung in ihren Berichterstattungen über den Terrorismus unterscheiden, lässt sich zumindest im Vergleich der sendergruppenspezifischen Beiträge des gesamten Untersuchungszeitraums zeigen. Es ist aber auch zu fragen, ob diese Unterschiede auch dann noch erkennbar sind, wenn die beiden Sendergruppen bzw. die vier Sender im Zeitverlauf betrachtet werden. Abbildung 4.22 zeigt, bezogen auf alle Nachrichtenbeiträge, dass diese Unterschiede in der Dramatisierung zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Sendern augenscheinlich auch für den Zeitverlauf anzunehmen sind. Privat (RTL/Sat.1)
ÖR (ARD/ZDF)
0,80 0,60 0,40 0,20 0,00 -0,20 -0,40 -0,60
Januar 09
Februar 09
Dezember 08 *
Oktober 08
November 08 *
September 08 *
Juli 08
August 08
Mai 08
Juni 08
April 08
März 08 *
Februar 08 *
Januar 08
Dezember 07
Oktober 07 *
November 07
September 07 **
August 07
-0,80
Abbildung 4.22: Mittlerer Dramatisierungsindex aller terrorismusbezogenen Beiträge (N = 1145) in den öffentlich-rechtlichen (ARD/ZDF) und privaten (RTL/Sat.1) Fernsehnachrichten im Zeitverlauf – Sendergruppenspezifische Mittelwerte pro Monat Anmerkungen: Der Dramatisierungsindex wurde durch Mittelung der z-transformierten Indikatorvariablen von Faktor 1 (Gestalterische Dramatisierung) der ersten Faktorenanalyse gebildet. * Rangplatzbezogene signifikante Sendergruppenunterschiede auch mittels Mann-Whitney-UTest (p < .05). ** Rangplatzbezogene signifikante Sendergruppenunterschiede auch mittels Mann-Whitney-UTest (p < .01).
3 Komplexere Analyseschritte
113
Abgetragen in Abbildung 4.22 sind die Mittelwerte des Dramatisierungsindex für die öffentlich-rechtlichen und die privaten Sender, bezogen auf die monatlich angefallenen terrorismusrelevanten Nachrichtenbeiträge – von August 2007 bis Februar 2009. Die Spitzen der Dramatisierung bei den privaten Fernsehsendern und die damit einhergehenden Unterschiede zu den öffentlich-rechtlichen Sendern sind nicht zu übersehen. Es handelt sich insbesondere um die Monate September und Oktober des Jahres 2007 und um die Monate Februar, März, September, November und Dezember des Jahres 2008 (vgl. Abbildung 4.22). Die folgende Tabelle 4.6 gibt exemplarisch einen Überblick über einzelne Beiträge, die in diesen Monaten in den privaten Fernsehnachrichten besonders hohe Dramatisierungsindizes aufwiesen. Tabelle 4.6: Beispiele für Beitragsthemen der privaten Fernsehsender mit hoher Dramatisierung in den Monaten mit ausgeprägten Unterschieden zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern
Themen der Beiträge in den Fernsehnachrichten von RTL und Sat.1 mit hohem Dramatisierungsgehalt
Dramatisierungsindex (aus z-standardisierten Variablen)
Festnahme von Terrorverdächtigen in Deutschland
1.91
Debatten über verstärkte Sicherheitsmaßnahmen
1.53
Terrorverdacht in Deutschland Gedenken an 11. September 2001
1.33 1.10
Oktober 2007
Urteile in Terror-Prozess Terrorermittlungen
2.22 1.10
Februar 2008
Kontrollen an EU-Außengrenzen Selbstmordanschlag im Irak Terrorgefahr in Deutschland
3.68 1.66 1.14
März 2008
Prinz Harry als Terrorziel Jahrestag Irak-Krieg / Lage im Irak Anti-islamischer Film schürt Terrorgefahr
1.95 1.57 1.49
September 2008
Bombenanschlag in Pakistan Gedenken an 11. September 2001
1.84 1.58 2.64 2.40
November 2008
Anschlagsserie in Indien (Bombay) Geschichte eines israelischen Jungen, der Opfer eines Terroranschlages wurde Hinrichtung der Attentäter von Bali BND-Mitarbeiter wegen Terrorverdacht in Untersuchungshaft
Dezember 2008
US-Truppenaufstockung in Afghanistan Urteil im Kofferbomber-Prozess Diskussion über Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen
1.62 1.59 1.32
September 2007
1.52 1.21
114 IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen Wenn wir nun die vier Sender (ARD, ZDF, RTL und Sat.1) differenziert betrachten, so fallen in Abbildung 4.23 zunächst senderspezifische Spitzen im Zeitverlauf auf. Hierbei zeigt sich insbesondere bei Sat.1 ein sehr unruhiger Verlauf der Dramatisierungswerte, begleitet von vereinzelten besonders hohen Dramatisierungsspitzen. ARD
ZDF
RTL
Sat.1
1,50 1,00 0,50 0,00 -0,50
Februar 09
Januar 09
Dezember 08 **
November 08 +
Oktober 08
September 08 +
August 08
Juli 08
Juni 08
Mai 08
April 08
März 08
Februar 08 +
Januar 08
Dezember 07
November 07 **
Oktober 07 +
September 07 **
August 07 +
-1,00
Abbildung 4.23: Mittlerer Dramatisierungsindex aller terrorismusbezogenen Beiträge (N = 1145) der Sender ARD, ZDF, RTL und Sat.1 im Zeitverlauf – Senderspezifische Mittelwerte pro Monat Anmerkungen: Der Dramatisierungsindex wurde durch Mittelung der z-transformierten Indikatorvariablen von Faktor 1 (Gestalterische Dramatisierung) der ersten Faktorenanalyse gebildet. ** Rangplatzbezogene signifikante Senderunterschiede (Kruskal-Wallis-Tests, p < .01). + Rangplatzbezogene marginale Senderunterschiede (Kruskal-Wallis-Tests, p < .10).
In Tabelle 4.7 sind abschließend die Ergebnisse der inferenzstatistischen Prüfung der Unterschiede zwischen den vier Sendern anhand monatsweiser Einzelvergleiche aufgeführt. Auffällig hierbei ist insbesondere der wiederkehrende Unterschied zwischen ARD einerseits und RTL und Sat.1 andererseits. Zudem lassen sich für keinen Monat signifikante Unterschiede auffinden, bei denen ein öffentlich-rechtlicher Sender höhere Dramatisierungswerte aufwies als ein privater Fernsehsender.
3 Komplexere Analyseschritte
115
Tabelle 4.7: Signifikante rangplatzbezogene Unterschiede im Dramatisierungsindex zwischen den Sendern ARD, ZDF, RTL und Sat.1 nach monats- und paarweisen Einzelvergleichen mittels Mann-Whitney-U-Test Paarweise Dramatisierungsindex-Vergleiche und Richtung des Unterschieds: ARD < ZDF August 2007
p < .05
September 2007
p < .05
Oktober 2007
ARD < RTL
ARD < Sat.1
p < .05
p < .001
ZDF < Sat.1
RTL < Sat.1
p < .01
p < .05
November 2007
p < .01
p < .01
Februar 2008
p < .05
p < .05
März 2008
p < .05
September 2008
p < .05
p < .05
November 2008
p < .05
p < .05
Dezember 2008
p < .01
p < .01
Anmerkung: Es sind nur Monate mit mindestens einem signifikanten Unterschied aufgeführt (΅ = .05).
3.5 Schlussfolgerungen In Kapitel II haben wir ausgeführt, dass Berichterstattungen über terroristische Ereignisse Teil eines komplexen sozialen Inszenierungsprozesses sind, an dem die (potentiellen) Terroristen, die Opfer des Terrors, die Vermittlungsmedien, aber auch die Bevölkerung (als Rezipienten) beteiligt sind. Wir fragen deshalb abschließend, ob sich aus den hier gewonnenen Befunden relevante mediale Muster für die individuellen Interpretationen und Konstruktionen des Terrorismus – d.h. für potentielle Rezipienten – ableiten lassen. Erstens: Mit der eingangs vorgestellten faktorenanalytischen Inspektion unserer Mediendaten gelang es uns, relevante Dimensionen bzw. Faktoren zu identifizieren, welche die Terrorberichterstattung über alle Beiträge hinweg auszeichnen. Gemäß unseren theoretischen Grundlagen betrachten wir diese Dimensionen als diejenigen, mit denen sich die Terrorismusberichterstattung der vier analysierten Sender (ARD, ZDF, RTL und Sat.1) im Untersuchungszeitraum charakterisieren und verorten lässt. Da wir im Kapitel II den Anspruch begründet hatten, auf der theoretischen Grundlage eines erweiterten Frame-
116 IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen Ansatzes die Rolle der Verbreitungsmedien (in unserem Falle der Fernsehnachrichten) in der Terrorismus-Inszenierung zu untersuchen, versuchen wir nun, die extrahierten Faktoren und deren Indikatorvariablen den fünf Elementen von Medien-Frames zuzuordnen. In Anlehnung an die Frame-Definition von Entman (1993) hatten wir vier inhaltliche Elemente (problem definition, causal interpretation, moral evaluation, treatment recommendation) und ein formal-stilistisches Frameelement, das Ausmaß und die Effekte der medialen Dramatisierung, als wesentliche Aspekte von Medien-Frames hervorgehoben. Auf diese fünf Frame-Elemente hatten sich auch die Spezifikationen der Fragestellung 1 unseres Projekts bezogen: (A) Welche Sichtweisen oder Definitionen auf oder von Terrorismus und Terroristen werden medial angeboten? (B) Wie werden Terrorismus und die von ihm ausgehende Gefahr in den Medien dargestellt und bewertet? (C) Welche Erklärungsmuster über die Ursachen des transnationalen Terrorismus und seine Folgen liefern die medialen Berichte? (D) Über welche Möglichkeiten zur Bewältigung des Terrorismus (z.B. AntiTerror-Maßnahmen) wird wie berichtet? (E) Welche Dramatisierungsmittel lassen sich in den Medienberichten über den Terrorismus identifizieren? Tabelle 4.8 enthält eine theoretisch-induktive Zuordnung der extrahierten Faktoren (Zeilen) zu den fünf Elementen von Medien-Frames (Spalten). In die einzelnen Zellen der Tabelle haben wir die Indikatorvariablen gesetzt, die sich in der Faktorenanalyse als bedeutsam für die jeweiligen Faktoren erwiesen haben. Der Zuordnung liegen folgende Überlegungen zugrunde: Erstens nehmen wir an, dass mit Berichterstattungen über den Islamistischen Terrorismus (Faktor 3), den Ethnisch-Nationalistischen/Separatistischen Terrorismus (z.B. über den Terrorismus der baskischen ETA; Faktor 8) und den Sozialrevolutionären Terrorismus (insbes. über die RAF in Deutschland; Faktor 9) vor allem mediale Sichtweisen auf bzw. Definitionen von Terrorismus präsentiert werden. Zweitens meinen wir, dass Berichterstattungen über Aktuelle Terroranschläge (Faktor 2) und Unbestimmte Terrorgefahren in Deutschland (Faktor 4) auch Bewertungen des Terrorismus und Befindlichkeiten angesichts terroristischer Gefahren transportieren. Drittens lassen sich terrorismusrelevante Berichterstattungen über den Einsatz von Polizei und die Sicherheitspolitik im Innern (Faktor 5) und über Justiz und juristische Maßnahmen (Faktor 6) ebenso wie Berichterstattungen über Militär und militärische Maßnahmen (Faktor 7) relativ problemlos den terrorismusbezogenen Bewältigungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten zuordnen. Viertens schließlich dürfte die Gestalterische Dramatisierung in den Berichterstattungen (Faktor 1) dem Frame-Element Dramatisierung und Emotionalisierung entsprechen.
3 Komplexere Analyseschritte
117
Tabelle 4.8: Zuordnung der faktoranalytisch gewonnenen Dimensionen der Terrorismusberichterstattung (Faktoren 1 bis 9 der ersten Faktorenanalyse) und deren Indikatorvariablen zu den Frame-Elementen Elemente der Medien-Frames Extrahierte Faktoren
Problemdefinition
Moralische Bewertungen und Befindlichkeiten
Ursachenerklärungen
Bewältigungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten
Faktor 1: Gestalterische Dramatisierung
Visuelle Opferdarstellung Aktualität
Faktor 2: Aktueller Terroranschlag
Faktor 3: Islamistischer Terrorismus
Dramatisierung/ Emotionalisierung Visuelle Dramatisierung in Sprache und Ton Authentizität
Thematisierung von Gefühlen
Polizei im Einsatz (visualisiert)
Terroranschlag
Zivile Opfer Trümmer/Zerstörung (visualisiert) Religiöser Terrorismus Religion der Täter: Islam Religiöse Motive der Täter Unbestimmte terroristische Bedrohung
Faktor 4: Unbestimmte Terrorgefahr in Deutschland
Bedrohung Deutschlands Allgegenwart der Gefahr Polizei im Innendienst (visualisiert)
Faktor 5: Polizei und Sicherheitspolitik im Innern
Sicherheitspolitik im Innern
Faktor 6: Justiz und juristische Maßnahmen
Juristische Maßnahmen
Polizeiliche Maßnahmen
Justiz (visualisiert)
Militär (Visualisierungen)
Faktor 7: Militär und militärische Maßnahmen
Militärische Maßnahmen Entwicklungspolitische Maßnahmen Ethnisch-nationalistischer Terrorismus
Faktor 8: Ethn.-Nation./ Separatistischer Terrorismus
Herkunft der Täter: Europa
Faktor 9: Sozialrevolutionärer Terrorismus
Sozialrevolutionärer Terrorismus Extremistische Motive Herkunft der Täter: Deutschland Politiker als Opfer
Politische Tätermotive
Auffallend ist, dass sich dem Frame-Element Ursachenerklärung keiner der extrahierten Faktoren zuordnen lässt. Sofern unsere Zuordnung passfähig ist, würde dies noch einmal die entsprechenden deskriptiven, die faktorenanalytischen und die clusteranalytischen Befunde unterstreichen: Ursachen des Terrorismus werden in den Fernsehnachrichten vergleichsweise selten thematisiert, während Anti-Terror-Maßnahmen umso häufiger im Fokus der Berichterstattung stehen. Überdies scheint die Interpretation nahe liegend, dass mit der medialen Fokussierung auf den Islamistischen Terrorismus (Faktor 3), auf die unbestimmte Gefahrenlage, der Deutschland durch den Terrorismus ausgesetzt ist (Faktor 4) und auf die Betonung notwendiger sicherheits- und verteidigungspolitischer Maßnahmen (Faktoren 5, 6 und 7) bei gleichzeitig dramatisierender Berichterstattung (Faktor 1) auch relevante mediale Muster für die individuellen Interpretationen des Terrorismus – also für potentielle Rezipienten – angeboten werden. Über alle Sender und über den Zeitraum unserer Medienanalyse (von August 2007 bis Februar 2009) hinweg wird potentiellen Rezipienten folgendes – hier zugespitzt formuliertes – Muster über den Terrorismus vermittelt:
118 IV Mediale Konstruktion II: Die Konstruktion des Terrorismus im deutschen Fernsehen Es handelt sich um eine unbestimmte aber allgegenwärtige terroristische Gefahr, der Deutschland durch den islamistischen Terrorismus ausgesetzt ist und die vor allem mit verschärften Gesetzen und mit verstärkten polizeilichen, militärischen, sicherheits- und verteidigungspolitischen Mitteln bekämpft werden muss. Erklärungen für historische, politische, soziale oder kulturelle Hintergründe und Ursachen werden potentiellen Rezipienten durch die medialen Berichterstattungen ebenso spärlich angeboten, wie hinreichende und nachvollziehbare Begründungen für die verstärkten sicherheitspolitischen und militärischen Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus. Die korrelativen Zusammenhänge zwischen den faktorenanalytisch gewonnenen Dimensionen dieses Musters und den Nachrichtenwerten verweisen außerdem darauf, dass dieses Muster eine besondere Publikationswürdigkeit besitzt – vor allem dann, wenn es mit ausgeprägten Dramatisierungen in Sprache, Ton und Bild verbunden ist. In Bezug auf die gefundene Divergenz zwischen Berichterstattungen über Ursachen und Maßnahmen muss letztlich jedoch berücksichtigt werden, dass die Abendnachrichten im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeitspanne nicht die Rolle einer umfassenden Informationsinstanz (z.B. zu langfristigen und gleichbleibenden Ursachen) oder eines Forums für breite Meinungsdebatten spielen können. So spricht die Agenda-Setting-Forschung (vgl. z.B. Rössler, 1997) nicht umsonst von der Scheinwerfer-Funktion des Fernsehens. Die hier vorgelegten Befunde zur Terrorismusberichterstattung belegen darüberhinaus die Rolle des 11. September 2001 als Schlüsselereignis. Denn 9/11 hat die Berichterstattung und die öffentlichen Debatten über Terrorismus zweifellos in Richtung islamistischer Terror und hin zum „Kampf gegen den Terror“ verschoben (vgl. z.B. Haußecker, 2007; Junge, 2003; Kleinsteuber, 2003; Kuntze, 2003; Schicha, 2001; Schiffer, 2005; Steiger, 2007; Waldmann, 2005a,b; Werthes, 2002). Zweitens: Eine der Faktorenanalyse nachgeschaltete Clusteranalyse konnte zeigen, dass die Nachrichtenbeiträge auf den faktorenanalytischen Dimensionen unterschiedliche Ausprägungen besitzen und sich entsprechend ihren Ausprägungsmustern zu Beitragsgruppen bündeln lassen. Eine erste Beitragsgruppe umfasst 34% aller Nachrichtenbeiträge und enthält Berichte, die sich unspezifisch dem Terrorismus widmen, d.h. ohne sonderlich ausgeprägte Schwerpunkte bei den hier betrachteten Dimensionen der Terrorismusberichterstattung. Die nächstgrößere Beitragsgruppe (18% der Beiträge) enthält Berichte über aktuelle Terroranschläge. Im Untersuchungszeitraum verging kein Monat, in dem nicht über Terroranschläge (insbes. im Nahen und Mittleren Osten) berichtet wird. Inwieweit dies zu einer Abstumpfung des Problembewusstseins bei den Rezipienten führt, kann an dieser Stelle jedoch nicht beantwortet werden. Gemäß ihren Anteilen an der Gesamtbeitragszahl folgen Berichte mit diesen Schwerpunktsetzungen: militärische Anti-Terror-Maßnahmen (15% der Beiträge), islamistischer Terrorismus (13% der Beiträge), Justiz und juristische Maßnahmen (7% der Beiträge), ethnischnationalistischer/separatistischer Terrorismus (6% der Beiträge), polizeiliche Maßnahmen und Sicherheitspolitik im Innern sowie die unbestimmte Gefahr, die vom islamistischen Terrorismus für Deutschland ausgeht (jeweils 4% der Beiträge). Schlussfolgernd lässt sich somit feststellen: Potentielle Rezipienten werden mit charakteristischen Dimensionen oder
3 Komplexere Analyseschritte
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Mustern der Terrorismusberichterstattung konfrontiert, die bestimmten Gewichtungen unterliegen und damit in gewisser Weise eine ausschnitthafte Berichterstattung spezifizieren. Drittens: Fernsehnachrichten bilden die „Wirklichkeit“ nicht einfach ab, sondern konstruieren Wirklichkeit und versehen sie dabei mit senderspezifischen Akzenten. Bei unserer Diskussion um die Terrorismusberichterstattung geht es uns aber ganz bewusst nicht um eine pauschale Schelte des Fernsehens. Vielmehr soll die Sensibilität für jene Berichterstattungsmuster geschärft werden, die zu einem eingeschränkten Blick auf Terrorismus und dessen Bekämpfung führen können. Die vorgestellten Befunde zeigen zunächst, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF insgesamt mehr über den Terrorismus berichten als die Privatsender RTL und Sat.1. Wenn die Privatsender jedoch über Terrorismus berichten, dann nutzen sie stärker ausgeprägte Visualisierungs- und Dramatisierungsstrategien als die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Auch über die Zeitspanne unseres Untersuchungszeitraums lassen sich entsprechende Tendenzen in den Beiträgen von RTL und Sat.1 im Vergleich zu ZDF und insbesondere ARD aufzeigen. Vor allem gegenüber ARD weisen RTL und Sat.1 mehr monatliche Dramatisierungsspitzen auf als gegenüber dem ZDF. Der Vergleich zwischen ARD und ZDF zeigt überdies, dass die ARD-Nachrichten im Durchschnitt die am wenigsten dramatisierten Beiträge senden. Ob dies, zumindest in Bezug auf die terrorismusrelevanten Nachrichtenbeiträge von ZDF, RTL und Sat.1, als Hinweis auf eine zunehmende Konvergenz – nach der sich die öffentlich-rechtlichen den privaten Programmen zunehmend annähern – zu interpretieren ist, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden (vgl. auch Wutz, Brosius & Fahr, 2004). Unsere Analyse der Dramatisierungsspitzen im Zeitverlauf stützt zunächst einmal die Aussage, dass die vier Sender auch im Zeitverlauf die Terrorismusberichterstattung in unterschiedlichem Maße dramatisieren und dass RTL und Sat.1 dies in stärkerem Maße tun. Besondere Dramatisierungsspitzen finden sich bei den Privatsendern jeweils in den Monaten vor den Panelbefragungen und Interviews, mit denen die zweite große Fragestellung unserer Arbeit beantwortet werden soll: Wie nehmen Vertreter der deutschen Bevölkerung die Terrorismus-Inszenierung wahr und mit welchen Interpretationen und Konstruktionen beteiligen sie sich an diesen Inszenierungen? Die Befragungen und Interviews fanden in den Zeiträumen November 2007 bis Januar 2008, Mai bis Juli 2008 und Januar bis März 2009 statt. Die gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sendern auffallenden Dramatisierungsspitzen bei den Privatsendern finden sich im September und Oktober 2007, im Februar und März 2008 sowie im September, November und Dezember 2008. Fazit Geht man nun von der Annahme aus, dass potentielle Nachrichtenrezipienten aus der Panelstudie (aufgrund ihrer Senderpräferenzen) vor allem Privatsender nutzen, um sich (ggf. beiläufig) über den Terrorismus zu informieren, dann liegt die Vermutung nahe, dass diese Rezipienten im Vorfeld der Befragungen und Interviews unter anderem auch mit Nachrichten konfrontiert wurden, die einen besonders hohen Dramatisierungsgehalt aufweisen. Welche Folgen – oder zumindest Korrelate – entsprechende mediale Darstellungsweisen haben könnten, werden wir in den nächsten Kapiteln darstellen.
Susan Gniechwitz, Jens Jirschitzka & Wolfgang Frindte
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I: Interviews und standardisierte Befragung – Die methodischen Grundlagen V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
1 Spezifizierte Fragestellungen 1 Spezifizierte Fragestellungen Wir erinnern noch einmal an die Absichten und Ziele unseres Projekts: Mit unseren Forschungen suchen wir nach Antworten auf zwei Fragen: 1. Welche Rolle spielen die Verbreitungsmedien in der Terrorismus-Inszenierung? 2. Wie nehmen Vertreter der deutschen Bevölkerung die Terrorismus-Inszenierung wahr und mit welchen Interpretationen beteiligen sie sich an diesen Inszenierungen? Den Problemraum, den wir mit beiden Fragestellungen zu bestimmen versuchten, hatten wir in der Abbildung 2.7 illustriert (siehe Kap. II). Die in dieser Abbildung dargestellten Variablenkomplexe bilden die empirisch relevanten Größen, auf die sich unsere Analysen zur Beantwortung der beiden zentralen Fragestellungen unseres Projekts richten. Nachdem wir im vorausgehenden Kapitel IV Antworten auf die erste Fragestellung darstellten, geht es nun um die zweite Fragestellung. Ausgehend von o.g. Abbildung 2.7 stellen wir in der folgenden Abbildung 5.1 die Variablenkomplexe vor, die wir zur Beantwortung der zweiten Fragestellung nutzen. Die erste Spalte in der Abbildung bezieht sich auf die Zielgrößen unserer Interview- und Befragungsstudie und auf Fragestellung 2, um die es in diesem Kapitel gehen wird. Wir haben diese Zielgrößen – in Analogie zu den Medien-Frames – Individual-Frames genannt und damit die relativ stabilen individuellen Muster bezeichnet, mit denen Personen den Terrorismus interpretieren, bewerten, seine Ursachen erklären und antiterroristische Bewältigungsmöglichkeiten beurteilen. Die zweite Spalte verweist darauf, dass wir die IndividualFrames als individuelle Einstellungsmuster operationalisieren und empirisch analysieren wollen. Dem Individual-Frame-Element der Problemdefinition ordnen wir auf der empirischanalytischen Ebene die subjektiven Interpretationen und kognitiven Konzepte über Terror, Terrorismus und Terroristen zu; die moralischen und emotionalen Bewertungen und Befindlichkeiten analysieren wir unter dem Blickwinkel der individuell erlebten Bedrohungen angesichts terroristischer Gefahren; das Frame-Element kausale Interpretationen werden wir durch die Analyse individueller Attributionen über Ursachen und Wirkungen von Terrorismus abzubilden versuchen; den Bewältigungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten entsprechen auf der empirisch-analytischen Ebene zustimmende bzw. ablehnende Einstellungen gegenüber AntiTerror-Maßnahmen bzw. gegenüber terroristischen Gruppierungen und deren Aktionen. In der dritten Spalte der oben dargestellten Abbildung sind jene Variablen aufgeführt, die wir – auf der Basis des Forschungsstandes – als mögliche Prädiktoren, Moderatoren bzw. Mediatoren für die in Spalte 2 genannten Variablen ansehen und analysieren werden. Die sich daraus ergebenden empirisch-analytischen Schritte, über die wir in diesem Kapitel berichten
W. Frindte, N. Haußecker (Hrsg.), Inszenierter Terrorismus, DOI 10.1007/978-3-531-92579-0_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
122
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
– und darauf soll der Text-Einschub zwischen Spalte 2 und 3 verweisen – konzentrieren sich erstens auf die Ausprägung der Variablen in diesen Spalten, zweitens auf mögliche Veränderungen dieser Ausprägungen im Analysezeitraum und drittens auf mögliche Zusammenhänge zwischen den Variablen. Analyse terrorismusrelevanter Individual-Frames (Fragestellung 2, bearbeitet in Modul 2)
Elemente der IndividualFrames
Operationalisierung terrorismusrelevanter Individual-Frames als individuelle Einstellungsmuster
Operationalisierung möglicher Prädiktoren, Moderatoren bzw. Mediatoren der individuellen Einstellungsmuster
Individuelle Einstellungsmuster zur Interpretation, Bewertung, Erklärung und Bewältigung terrorrelevanter Wirklichkeiten
Prädiktoren, Moderatoren bzw. Mediatoren der individuellen Einstellungsmuster
Problemdefintion: Individuelle Interpretationen von Terror und Terrorismus (z.B. was ist Terrorismus, wer ist ein Terrorist? etc.)
Moralische und emotionale Bewertungen und Befindlichkeiten: Individuelle Bewertungen und Befindlichkeiten angesichts des Terrorismus
Kausale Interpretationen:
Soziodemografische Merkmale:
Subjektive Interpretationen und (naive) Konzepte
Alter, Geschlecht, Bildung, Familienstand, Einkommen, Anzahl der Kinder
über Terror, Terrorismus und Terrorakteure
Bewertungen von und Bedrohung durch Terrorismus persönlich und/oder national relevant, als realistisch und/oder symbolisch
Attributionen
Empirische Suche nach Antworten auf Fragestellung 2: Ausprägung und Veränderung der Einstellungen und Zusammenhänge mit potentiellen Prädiktoren, Moderatoren bzw. Mediatoren
Generalisierte Einstellungen: Autoritarismus Wertorientierungen politische Orientierungen Religion, Religiosität
Ingroup-Favorisierung: Nationalismus, Patriotismus. Outgroup-Ablehnung: Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Ablehnung von Muslimen, Pro- bzw. AntiAmerikanismus
Individuelle Erklärungen über Ursachen und Wirkungen des Terrorismus
über Ursache, Wirkung und Wahrscheinlichkeit von Terror
Bewältigungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten:
Anti-Terrorismus: Akzeptanz anti-terroristischer Maßnahmen.
Medienwahl- und Mediennutzungsverhalten:
Individuelle Einstellungen zu den Möglichkeiten von AntiTerrormaßnahmen
Pro-Terrorismus: Akzeptanz terroristischer Gruppierungen und Aktionen
Dauer, Präferenzen, Motive, Beeinflussbarkeit (Dritte-PersonEffekt)
Abbildung 5.1: Problemraum des Forschungsprojektes mit zugehörigen Fragestellungen, Konstrukten und Variablen
Die empirisch gehaltvollen Fragen, die wir mit diesen Schritten beantworten wollen, hatten wir bereits am Schluss des zweiten Kapitels spezifiziert und wollen sie an dieser Stelle noch einmal wiederholen:
2 Methodik A) B) C) D) E)
F)
G)
123
Wie werden Terrorismus und Terroristen individuell wahrgenommen und interpretiert? Wie werden die Terrorismusgefahr und der „Kampf gegen den Terrorismus“ bewertet und u.U. als bedrohlich erlebt? Wie werden die Ursachen und die Folgen des Terrorismus beurteilt und interpretiert? Inwiefern wird den Anti-Terror-Maßnahmen zugestimmt bzw. unter welchen Bedingungen und mit welchen Begründungen werden solche Maßnahmen abgelehnt? Welche Einstellungen (Ingroup-Favorisierungen, Outgroup-Ablehnungen) äußern die Befragten und inwieweit hängen diese gruppenbezogenen Einstellungen mit der Beurteilung des Terrorismus und des Anti-Terrorismus und mit dem Bedrohungserleben zusammen? Gibt es Zusammenhänge zwischen der Beurteilung des Terrorismus und den AntiTerror-Maßnahmen, dem Bedrohungserleben und dem Mediennutzungsverhalten (z.B. den allgemeinen Medienerfahrungen, den allgemeinen Medienpräferenzen, speziellen TV-Präferenzen, der Einschätzung, inwieweit soziale Bezugsgruppen die individuelle Mediennutzung beeinflussen)? Inwieweit werden die ermittelten Einstellungen und Überzeugungen von personalen und sozialen Bedingungen (von individuellen generalisierten Einstellungen und soziodemografischen Merkmalen) mediiert oder moderiert?
2 Methodik 2 Methodik 2.1 Allgemeines Um die o.g. spezifizierten Fragestellungen beantworten und individuelle Einstellungsmuster zur Interpretation, Bewertung, Erklärung von und zum handlungsbezogenen Umgang mit Terrorismus analysieren zu können, haben wir uns entschieden, eine Kombination verschiedener und aufeinander bezogener Erhebungs- und Auswertungsverfahren einzusetzen. Mit diesem methodischen Vorgehen sollte den Forderungen einer methodischen Triangulation (vgl. z.B. Flick, 2008) Rechnung getragen werden. Verschiedene Datenerhebungs- und Auswertungsverfahren wurden kontrolliert und sich wechselseitig ergänzend eingesetzt, um zuverlässige Antworten auf die o.g. Fragestellungen ableiten zu können. Umgesetzt haben wir dieses methodische Vorgehen zum Einen, indem ca. 100 deutsche Personen mittels eines standardisierten Fragebogens, eines halbstandardisierten Interviewleitfadens und eines Medientagebuches über drei Erhebungszeitpunkte wiederholt interviewt, befragt bzw. um Dokumentation ihrer Mediennutzungsgewohnheiten gebeten wurden. Es handelt sich also zwar um eine kleine Stichprobe, die aber durch die dreiwellige Panelerhebung die Untersuchung kausaler Zusammenhänge erlaubt. Zum anderen kombinierten wir verschiedene qualitative und quantitative Datenauswertungsverfahren. Die ausgewählten Personen sollten im Hinblick auf zentrale soziodemografische Merkmale annähernd repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sein. Die Auswahl der Teilnehmer richtete sich nach dem Alter, dem Geschlecht und der Bildung. Dabei wurde eine Gleichverteilung der Stichprobe im Bezug auf diese Attribute angestrebt. Mit dem standardisierten Fragebogen sollten relevante Einstellungen zum Terrorismus erfasst und operationalisiert werden. Mit dem Interviewleitfaden für die halbstan-
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V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
dardisierten Interviews wurden den Teilnehmern Fragen vorgelegt, die sie frei beantworten konnten. Außerdem führten alle Interviewten für zwei Wochen vor jedem Interview ein Medientagebuch, in dem sie festhielten, welche Sendungen sie wann schauten. Begründen lässt sich diese Form der methodischen Triangulation mit dem möglichen wechselseitigen Bezug der gewonnenen Aussagen. So liefert die schriftliche standardisierte Befragung wichtige Informationen über das Ausmaß und die Zusammenhänge relevanter Einstellungen in der befragten Stichprobe. Aussagen über die Verknüpfung der erhobenen Variablen auf der Subjektebene sind damit aber nur bedingt möglich. Für die Analyse von Zusammenhängen, die den Befragten nicht (sofort) bewusst sind oder deren Sinnstrukturen über das im Fragebogen Vorstrukturierte hinausgehen, ist die freie Form des Interviews wesentlich besser geeignet, da sie den Interviewten größeren Spielraum bei der Beantwortung lässt. Mit dem Medientagebuch sollten die Präferenzen für die Fernsehnachrichten ermittelt und Informationen gewonnen werden, um die Interviews über den Projektverlauf adjustieren zu können. Allerdings mussten wir feststellen, dass die Interviewten diese Medientagebücher nur sehr oberflächlich führten, so dass wir uns nach der ersten Erhebungsphase entschieden, den standardisierten Fragebogen und den halbstandardisierten Interviewleitfaden durch Fragen zu ergänzen, mit denen wir in spezifischer Weise das Medienwahl- und Nutzungsverhalten der Interviewten erfassen konnten. Wir werden deshalb im Weiteren auf die Darstellung der Medientagebücher und ihrer Inhalte verzichten.
2.2 Stichprobe, Interviewzeitpunkte und Interviewdurchführung Stichprobengewinnung Für die dreiwelligen Interviews wurden im November 2007 insgesamt 106 Personen aus Jena, Thüringen und verschiedenen Bundesländern mittels eines Schneeballsystems und anhand eines speziellen Stichprobenplans ausgewählt und um Teilnahme an der Studie und den Interviews in den nachfolgenden Wellen gebeten. Im ursprünglichen Projektantrag war vorgesehen, aus der Grundgesamtheit der deutschen Bevölkerung zufällig Probanden auszuwählen, die der GfK-Zuschauerstruktur entsprechen (Woelke, 2003). Aus forschungspraktischen Überlegungen62 haben wir auf diese Kriterien verzichtet und eine alternative Vorgehensweise bei der Stichprobengewinnung gewählt. Zunächst wurden bereits erfahrene Interviewer rekrutiert und für die Befragung geschult. Die Interviewer haben dann anhand der o.g. Kriterien (Alter, Geschlecht und Bildung) aus ihrem Bekanntenkreis unterschiedliche Personen ausgewählt, die über die drei Erhebungszeitpunkte bzw. über einen Zeitraum von zwei Jahren jeweils von demselben Interviewer befragt wurden. Dieses Vorgehen hatte gegenüber dem ursprünglich geplanten Auswahlverfahren mehrere Vorteile: Zum Einen ließ sich auf diese Weise die Compliance (also das Vertrauen) der interviewten Personen gewährleisten, da sie die Interviews über den Projektzeitraum immer mit den ihnen vertrauten Interviewern führen konnten. Zum anderen wurde auf diese Weise eine „Blind-Stichprobe“ gewonnen, innerhalb derer die
62
Diese forschungspraktischen Überlegungen hängen auch mit den begrenzten finanziellen Ressourcen des Projekts zusammen.
2 Methodik
125
Identität der interviewten Personen lediglich dem Interviewer bekannt war, nicht aber den Projektleitern. Die folgende Tabelle gibt in der ersten Spalte die Anzahl der Interviewten wieder, die in Welle 1 insgesamt teilgenommen haben, wie viel davon den standardisierten Fragebogen im Rahmen des Interviews beantwortet haben, wie viel Personen bereit waren, auch am halbstandardisierten, qualitativen Interview teilzunehmen und wie viele Personen letztlich in die Auswertung der Welle aufgenommen werden konnten. Die zweite und dritte Spalte informiert, wie viel Personen von Welle 1 auch an den nachfolgenden Wellen noch teilgenommen haben. Tabelle 5.1: Überblick Gesamtstichprobe über drei Befragungswellen Welle 1 November 2007 – Januar 2008
Welle 2 Mai 2008 – Juli 2008
Welle 3 Januar 2009 – März 2009
Befragte gesamt
106
80
50
Standardisierte Befragung
103
80
50
Halbstrukturiertes Interview
97
78
50
Auswertbare Datensätze
103/97
80/78
50/50
Die Verringerung der Anzahl über die drei Wellen ist vor allem durch Dropouts zu erklären. Diesen Dropouts über die drei Wellen hinweg liegen unterschiedliche Ursachen zugrunde. Einerseits kam es während des Projektzeitraums zu nicht vorhersehbaren Veränderungen in den Lebens- und Arbeitssituationen einiger Befragter und auch eines Interviewers (z.B. Unfälle oder langfristige Erkrankungen). Andererseits haben wir in den Wellen 2 und 3 die Interviewstichprobe reduzieren müssen, um die Kosten für die Interviews und deren Transkriptionen im kalkulierten Rahmen halten zu können. Schlussendlich aber ist die Datenreduktion durchaus akzeptabel, wie die Darstellung und Interpretation der Ergebnisse in Kapitel VI zeigen werden. Stichprobenbeschreibung An der standardisierten Befragung der ersten Welle nahmen 103 Personen teil. Die Teilnehmer waren zu diesem Zeitpunkt im Mittel 37 Jahre alt (s = 14.1); 48 waren weiblich und 55 männlich. Von den verbliebenen 78 Personen der zweiten Welle waren 41 weiblich und 37 männlich und an der dritten Welle nahmen 26 Frauen und 24 Männer teil. Die Mehrheit der Stichprobe gab als höchsten Schulabschluss einen Studienabschluss an (33.3%), gefolgt von einem mit dem Abitur vergleichbaren Abschluss (31.4%). Eine Berufsausbildung hatten 11.8% der Teilnehmer abgelegt und nur ein geringer Anteil der Stichprobe verfügt als höchsten Schulabschluss über einen Realschulabschluss (4.9%). 68% der Interviewten waren zum Zeitpunkt des ersten Interviews ledig, 26.2% verheiratet, 2% lebten getrennt, eine Person war geschieden und drei Personen machten keine Angaben. Die überwiegende Mehrheit der Interviewten war somit zum Zeitpunkt der ersten Interview-
126
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
welle ledig. Daran änderte sich zum Zeitpunkt 2 nichts. In Welle 3 gaben zwei Personen an, inzwischen verheiratet zu sein. 42.2% gaben beim ersten Interview an mindestens ein Kind zu haben. Die Stichprobe weist insgesamt, nicht nur wegen ihrer geringen Größe, einen Bildungsund einen Altersbias auf. Die Absicht, eine Interviewstichprobe zu ziehen, die annähernd vergleichbar mit der Gesamtbevölkerung ist, konnte damit nicht umgesetzt werden. Dennoch gehen wir davon aus, dass die mehrwellige Erhebung der Interviewdaten geeignet ist, Aussagen über sozialpsychologische Zusammenhänge und Prozesse generieren zu können. Interviewerschulung, Ablauf der Befragung und Interviewsituation An jeder Befragungswelle waren zwischen acht und zehn Interviewer beteiligt. Es wurde angestrebt, möglichst erfahrene Personen als Interviewer zu gewinnen, die einerseits über einen längeren Zeitraum zur Mitarbeit zur Verfügung stehen konnten, andererseits aber auch durch die bestehenden praktischen Erfahrungen im Bereich der Gesprächsführung ein geringes Maß an Einarbeitungszeit und -aufwand erwarten ließen. Die Interviewer wurden teilweise im universitären Bereich angeworben oder es wurde auf durch die Projektleitung bekannte Personen zurückgegriffen. Die Interviews sollten in der häuslichen Umgebung des Gesprächspartners und unter Ausschluss dritter Personen stattfinden. Damit wollten wir sicherstellen, dass sich die interviewten Personen ausschließlich auf den Inhalt des Gespräches und den Interviewer konzentrieren und durch möglichst wenige Unterbrechungen der zeitliche Rahmen des Gespräches eingehalten werden konnte. Schlussendlich bot dieses „private Setting“ dem Interviewer die Möglichkeit, anders als in einer standardisierten Laborsituation, persönlich schwierige, intime und in der Öffentlichkeit tabuisierte Themen ansprechen zu können. Die Länge der Interviews (halbstandardisierter und standardisierter Teil) bewegte sich zwischen 60-90 Minuten. Zu Beginn des Gespräches erfolgte eine Begrüßung, die Erfassung des Personen-Codes und der auf der ersten Seite des Interviewleitfadens geforderten Daten. Anschließend wurden vom Interviewer einige einleitende Worte vorangestellt, die ebenfalls standardisiert im Inventar festgehalten sind. Danach begann die eigentliche Interviewaufzeichnung, an deren Anfang wiederum kurz der Personen-Code durch den Interviewer eingesprochen wurde, um eine Zuordnung der Daten zu ermöglichen. Der Einstieg in das Interviewthema erfolgte über eine „warm-up“-Frage, die in Welle 1 als „Eisbrecher“ fungieren und gleichzeitig auf die Thematik einstimmen sollte. In die Auswertung wurde diese Antwort allerdings nicht einbezogen.
2 Methodik
127
Interviewteil (freundlicher Plauderton) Æ Zunächst interessiert uns Ihre Meinung zu folgenden Fragen. Verraten Sie uns ganz kurz: 01: - Würden Sie eine Reise an einen Ort Ihrer Wahl gewinnen, wo würden Sie am liebsten hinreisen und warum? 02: Haben Sie in den letzten Jahren Ihr Reiseverhalten verändert? Wenn ja, warum? (evtl. nachfragen, ob es noch andere Gründe gibt.) 03: In welche drei Länder oder Orte würden Sie auf keinen Fall verreisen und warum? Abbildung 5.2: Auszug aus dem Interviewleitfaden der ersten Welle, Warm-up-Frage
Diesem „Eisbrecher“ folgte direkt die Erfassung des soziodemografischen Hintergrundes der interviewten Personen (z.B. Bildungsabschluss, Herkunft, derzeitiger Lebensmittelpunkt, etc.). In den Wellen 2 und 3 wurde dieser Teil nicht mehr in dieser Ausführlichkeit erfasst, sondern stattdessen kam ein „Fragebogen bei Veränderungen in Beruf, Umfeld, Wohnsituation, familiärer und Partnersituation“ (Veränderungsfragebogen) zum Einsatz, der nur im Falle der Veränderung in den benannten persönlichen Lebensbereichen abzufragen war. Die Interviewfragen waren teils offen, teils aber auch nach Vorgabe eines Antwortmusters zu beantworten, bei dem die Teilnehmer Aussagen oder Fragen auf einer Ratingskala einschätzen sollten. Der Interviewer trug in diesem Falle die entsprechenden Antworten in die Antwortfelder des Interviewleitfadens ein. Nach Abschluss des offenen, halbstandardisierten Interviews wurden die Teilnehmer gebeten den standardisierten Fragebogen auszufüllen. Datenrücklauf und Datensicherung Das vom Interviewer digital aufgezeichnete Gespräch mit den interviewten Personen wurde zusammen mit dem Fragebogenteil an die Projektleiter zum Ende der jeweiligen Befragungswelle übergeben. Diese eingehenden Daten aus der schriftlichen Befragung und den Interviews wurden durch die Projektverantwortlichen mittels eines eigens dafür erarbeiteten Interviewmanager-Systems gesichert und verwaltet. Diese Datenbank ermöglichte die Erfassung der Probanden-Codes, der Interviewer und aller weiterer anonymisierter Informationen, die die Nachverfolgung der Probanden über den Längsschnitt hinweg notwendig machten. Neben z.B. den Kontaktdaten des Interviewers, dem Zeitpunkt der Befragung, Informationen, ob der jeweilige Fragebogen und das Interview vollständig oder unvollständig absolviert wurden, den Besonderheiten in der Befragungssituation, bot das Interviewmanager-System zusätzlich einen Überblick zum Stand der Transkription der Interviews. Zudem ließ sich mittels dieses Systems der IST-Stand im Projekt prozessorientiert ermitteln; auch Probleme konnten frühzeitig diagnostiziert und bewältigt werden. So war es beispielsweise im Falle des kurzfristigen Ausstiegs eines Interviewers aus der Studie möglich, durch Kontaktaufnahme zu einem anderen Interviewer, diesen um Übernahme der Interviewtermine und notwendige Abstimmungen mit dem fehlenden Interviewer zu bitten, ohne dass eine Beeinträchtigung der Anonymität der Probanden drohte oder eine zeit- und kostenintensive Neuanwerbung von Interviewern notwendig wurden. Die genaue Zuordnung der gewonnenen Daten untereinander (quantitative zu qualitative Interview- und Befragungsdaten) über die drei Befragungswellen hinweg wurde
128
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
mittels eines Probanden-Codes sichergestellt, der wiederum keinerlei Rückschlüsse auf die Identität der befragten Personen zuließ. Transkription der Interviewaufzeichnungen Nach Sicherung der Audio-Datei des jeweiligen Interviews unter dem Probanden-Code wurde diese Audio-Datei tontechnisch nochmals aufbereitet und transkribiert. Bei der Transkription galt es, sich auf Grundregeln zu einigen, da sowohl die technische Überführung und Weiterbearbeitung der Transkripte in ATLAS.ti, als auch die weitere inhaltliche Codierung und Auswertung der Interviews eine solche Standardisierung erforderlich machte.
2.3 Erstellung der Erhebungsinstrumente 2.3.1 Erstellung des Interviewleitfadens (offener und halbstandardisierter Fragebogenteil) Für die Auswahl der Leitfragen im halbstandardisierten Interviewleitfaden orientierten wir uns an dem Variablennetz, das in Abbildung 2.7 (siehe Kap. II) vorgestellt wurde. Das heißt, die Konstruktion des Interviewleitfadens und – wie wir später noch erläutern werden – auch die Auswertung der Interviews erfolgte theoriegeleitet. Die Variablen, die wir mit den Leitfragen im halbstandardisierten Interviewleitfaden zu operationalisieren versuchten, sind in folgender Abbildung 5.3 in schwarzer Schrift wiedergegeben. Die in grauer Schrift gekennzeichneten Variablen standen nicht im Mittelpunkt der halbstandardisierten und freien Interviews, sondern wurden in der standardisierten Befragung erfasst, auf die wir noch eingehen. Dafür legten wir in diesem Interviewteil das Hauptaugenmerk auf die Variablen der ersten Spalte, mit denen – wie weiter oben begründet – die vier Facetten von Individual-Frames „Problemdefinition“, „Bedrohungserleben“, „Ursachenattribution“ und „Anti-Terror-Maßnahmen“ operationalisiert werden sollten. 2.3.1.1 Adjustierung und Modifikation des Leitfadens Die relevanten qualitativen Leitfragen für die Interviews, auf die wir uns auch in der späteren Auswertung konzentrieren werden, wurden im Rahmen mehrerer interdisziplinärer Expertenrunden im Abgleich mit den Items und Skalen der standardisierten Befragung entwickelt. Außerdem wurden im Laufe der drei Wellen neben den Antworten der Interviewten auch die Rückmeldungen der Interviewer systematisch gesammelt und für die Adjustierung und Modifikation der Leitfragen, des gesamten Interviewleitfadens und des Interviewablaufes genutzt. 2.3.1.2
Entwicklung eines Codierbuches zur qualitativen Inhaltsanalyse des Interviewmaterials Die Entwicklung des Codierbuches zur Auswertung der Interviews und die Auswertungsschritte erfolgten auf der Grundlage der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1995), der dafür ein allgemeines inhaltsanalytisches Ablaufmodell vorschlägt, dem auch wir folgten (siehe Abbildung 5.4).
2 Methodik
Abbildung 5.3: Grundlegende Variablen zu den Leitfragen des halbstandardisierten Interviews
129
130
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
Abbildung 5.4: Allgemeines Inhaltsanalytisches Ablaufmodell (nach Mayring, 1995, S. 50)
Schritt 1 und 2: Gegenstand, Fragestellung und Kategoriendefinition Nach der Bestimmung des Gegenstandes bzw. der Fragestellung (Schritt 1: Festlegung des Materials, Analyse der Entstehungssituation, Formale Charakteristika des Materials) erfolgten in einem zweiten Schritt eine allgemeine Kategoriendefinition, die Festlegung des Selektionskriteriums und des Abstraktionsniveaus der Kategorienbildung. Im Falle unserer leitfadengestützten Interviews liefert das in Abbildung 5.3 aufgezeigte Netz mit den vier Frame-Elementen „Problemdefinition des Terrors“, „Ursachen-Attribution des Terrors“, „Bedrohungserleben des Terrors“ und „Befürwortung und Ablehnung von Anti-Terror-Maßnahmen“ die Grundlage für die Ableitung der Fragestellung, die Bestimmung des Gegenstandes und nicht zuletzt die Basis für die oberen Auswertungskategorien. Im Rahmen von Expertenrunden und zu diesem Zweck einberufenen Fokusgruppen wurde zu jedem Frame-Elemement mindestens eine Leitfrage ausgewählt, die dieses Element am treffendsten veranschaulichen und somit einen Prototyp hierfür darstellen sollte. Tabelle 5.2 liefert neben den ausgewählten acht Leitfragen anhand der Themenbereiche (Frame-Elemente) auch einen Überblick zu den Code-Familien und InterCoder-Reliabilitäten, auf die weiter unten noch näher eingegangen wird.
2 Methodik
131
Tabelle 5.2: Überblick zu acht ausgewählten Leitfragen für die ATLAS.ti – Codierung
Kürzel
Code-Familien
Themenbereiche/Leitfragen
Inter-CoderReliabilität
Problemdefinition – subjektive Interpretationen und Konzepte über Terror, Terrorismus und Terroristen Was sind Terroristen für Menschen?
S1
Nennen Sie bitte in Stichworten ihre ersten Gedanken! Was fällt Ihnen spontan zu den folgenden 4 Begriffen – Terror (TAF_1), Terrorismus (TAF_2), Terroranschlag (TAF_4) ein?
S2
A1-A18
.67 *
Attribution über Ursachen, Wirkungen und Wahrscheinlichkeit von Terror Welche Bedingungen und Faktoren sind ihrer Meinung nach notwendig und führen ihrer Meinung nach zu einem Terroranschlag?
U1
A1-A3
.63
B1-B4
.62
G
.57
Bewertung von Bedrohung durch Terrorismus Was stellt ihrer Meinung nach derzeit die größten weltweiten Bedrohungen dar?
B1
X1-X12
.72
Denken Sie, dass Sie persönlich oder Ihre Familien bzw. Freunde Opfer eines Terroranschlages werden können?
B2
A1
.76
Inwiefern denken Sie, besteht eine konkrete Gefahr?
B3
**
Anti-Terror-Maßnahmen – Akzeptanz anti-terroristischer Maßnahmen Beschreiben Sie Ihre Einstellung gegenüber militärischen und nichtmilitärischen Möglichkeiten der Terrorismusbekämpfung!
M1
Stellen Sie sich vor, jemand aus ihrem Bekanntenkreis oder ihrer Firma ist Opfer einer Geiselnahme (durch Terroristen). Welches Vorgehen würden Sie befürworten?
M2
A1-A10
.44
B1-B7
.43
C3
.53
A1
.76
A2
.74
Anmerkungen: *Da diese Leitfrage – aufgrund der damit abgefragten Assoziationen – nur grob ausgewertet wurde, haben wir auf die Berechnung der Inter-Coder-Reliabilität verzichtet. **Da die Code-Kategorien der Leitfrage B3 zu große Ähnlichkeiten zu denen der Leitfrage B2 aufwiesen, wurde bei B3 auf eine Mastercodierung und somit auf die Berechnung der InterCoder-Reliabilität verzichtet.
132
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
Schritt 3: Schrittweise Kategorienbildung aus dem Material Im dritten Schritt wurden schrittweise aus dem Material heraus Kategorien gebildet und entsprechend ihrer Definition und Abstraktionsniveaus bestimmt. Dabei wurde eine Subsumtion unter alle Kategorien oder eine Kategorien(neu)bildung angestrebt. Dieser dritte Schritt der Qualitativen Inhaltsanalyse erfolgte für jede Leitfrage getrennt, d.h. für jede Auswertungs-Oberkategorie separat. Die dazugehörigen Definitionen und Abstraktionsniveaus, auch für die Unterkategorien, wurden auf der Basis einer Bottom-up Analyse von 23 zufällig ausgewählten Transkripten der Welle 1 erarbeitet. Dabei wurde so vorgegangen, dass direkte Stichworte, Assoziationen, Leitgedanken, zentrale Äußerungen aus dem Interviewmaterial gesammelt und mit der jeweiligen Oberkategorie verglichen wurden. Anschließend wurde daraus ein Codierleitfaden entwickelt, der neben den Kategorien und deren Definitionen die unterschiedlichen Antwortausprägungen enthielt, so wie sie in den zufällig ausgewählten 23 Interviews gefunden wurden. Die im fertigen Codierleitfaden erstellten Kategorien und deren Definitionen wurden um Beispiel-Aussagen aus diesen ausgewählten 23 Interviews und weiteren 10 Interviews einer „Probecodierung“ ergänzt. Diese Beispiel-Aussagen lieferten neben der genauen Definition wichtige Hinweise für die Codierer zur Präzisierung und Abgrenzung der Unterkategorien. Schritt 4: Überarbeitung der Kategorien nach 10-50% des Materials und formative Reliabilitätsprüfung Parallel zum Überarbeitungsschritt bei etwa 50% des Materials erfolgte eine formative Reliabilitätsprüfung durch die Codierer selbst. Im Ergebnis konnten wieder neue Kategorien innerhalb des bestehenden Kategoriensystems gebildet undandere umdefiniert werden. Die Codierer waren während des Codiervorganges der Welle 1 und Welle 2-Interviews aufgefordert, über die Vergabe eines Codes: „Sonstige“ kenntlich zu machen, welche Aussagen des Interviewten ihrer Ansicht nach unter die entsprechende Oberkategorie subsumiert werden konnten, im Kategoriensystem aber noch nicht die gewünschte Unterkategorie enthalten war. Stimmten die Codierer bei ihrem Vorschlag einer neuen Unterkategorie mit dem Master überein und wurde gleichzeitig aus Sicht der Codierer eine solche Kategorieneubildung in mindestens 5 Interviews erforderlich, konnte hier der gesamte Codierleitfaden in Rückkopplung mit den Experten erweitert werden. Diesen Prozess betrachten wir als formative Reliabilitätsprüfung des Kategoriensystems. Schritt 5: Endgültiger Materialdurchgang und summative Reliabilitätsprüfung Der abschließende endgültige Materialdurchgang wurde von einer summativen Reliabilitätsprüfung begleitet. Die Interviews der dritten Welle wurden dazu mit dem vollständigen Codierleitfaden codiert. Die neu eingeführten Codes wurden dafür an den Interviews der Welle 1 und Welle 2 nachcodiert, so dass das gesamte Material (Welle 1 bis 3) am Ende des Prozesses mit dem vollständigen Codierleitfaden analysiert werden konnte. Um die Interviewtexte nach ihrer Transkription einer theoriegeleiteten kategorialen Auswertung unterziehen zu können, nutzten wir das Textanalyseprogramm ATLAS.ti. Die in ATLAS.ti vorliegenden Daten wurden für die weiteren Auswertungsschritte in das Statistikprogramm SPSS überführt und statistisch weiter bearbeitet. Die dazu vorliegenden Daten besitzen in
2 Methodik
133
der Regel nominale und dichotome Datenniveaus, so dass die darauf aufbauenden Ergebnisse durch Charts dargestellt bzw. mittels parameterfreier Prüfverfahren weiter bearbeitet werden konnten. Die summative Reliabilitätsprüfung erfolgte anhand einer Master-Codierung. Das Ergebnis dieser Reliabilitätsprüfung ist in o.g. Tabelle 5.2 dargestellt. Damit wird auch die Güte, d.h. die Genauigkeit und Passung der erarbeiteten Kategorien im Hinblick auf das codierte Material deutlich. Schlussendlich erfolgte im Ergebnis des vierten Schrittes, des Materialdurchganges – in diesem Fall des Codierprozesses – die Auswertung der Interviews.
2.3.2 Items und Skalen der standardisierten Befragung der Interviewten: Quellen der Operationalisierung, Skalen- und Itemauswahl und Skalengüte Der standardisierte Fragebogenteil des Interviews setzte sich aus verschiedenen Subskalen und Einzelitems zusammen, mit denen die in folgender Abbildung 5.5 in schwarzer Schrift wiedergegebenen Variablen operationalisiert werden sollten. Die explizite Operationalisierung der in grauer Schrift wiedergegebenen Variablen (subjektive Interpretationen, subjektive Konzepte und Attributionen) erfolgte – wie weiter oben dargestellt – aus folgenden Gründen im halbstandardisierten Interview: Subjektive Konzepte über Terror, Terrorismus und Terrorakteure und Attributionen über die Ursachen, Wirkungen und Wahrscheinlichkeiten sind jene individuellen Sichtweisen einzelner Personen, mit denen diese Bereiche ihres Wirklichkeitsbezuges (in diesem Falle die Terrorismusinszenierungen) deuten und bewerten. Subjektive Konzepte haben also den Status Subjektiver Theorien (im Sinne von Groeben & Scheele, 1988). Das heißt, es handelt sich um „Kognitionen der Selbst- und Weltsicht als komplexes Aggregat mit (zumindest impliziter) Argumentationsstruktur, das die objektiven (wissenschaftlichen) Theorien parallelen Funktionen der Erklärung, Prognose und Technologie erfüllt“ (ebd., S. 3). Folgt man dem elaborierten Forschungsprogramm, das Brigitte Scheele und Norbert Groeben zur Rekonstruktion Subjektiver Theorien vorgeschlagen haben,63 so wird deutlich, dass eine ausschließliche Analyse der Subjektiven Konzepte mittels standardisierter Befragung dem Phänomen nicht gerecht werden kann. Deshalb stützte sich die Erfassung der subjektiven Konzepte über Terror, Terrorismus und Terrorakteure und der Attributionen über Ursachen und Wirkungen des Terrorismus vornehmlich auf die offenen bzw. halbstandardisierten Interviewfragen, über die noch ausführlich zu berichten sein wird. Dass wir allerdings auch aus den quantitativen Befragungsdaten Rückschlüsse auf die subjektiven Konzepte und individuellen Attributionen ziehen können, werden die später berichteten prüfstatistischen Befunde noch zeigen. 63
Ausgehend von den Annahmen des Menschenbildes, der Analogie zwischen Alltags- und Wissenschaftstheorien sowie den definitorischen Prämissen, leiten Scheele und Groeben (1988) ein zweiphasiges Forschungsmodell ab, mit dem Ziel der Integration von (beschreibendem) Verstehen und (beobachtendem) Erklären. Die erste Phase wird als kommunikative Validierung bezeichnet und meint den (qualitativen) Prozess der Erhebung und Rekonstruktion komplexer Kognitionsinhalte als Subjektive Theorien. Die zweite Phase der explanativen Validierung umfasst die (quantitative) Überprüfung der ‚Richtigkeit‘ Subjektiver Theorien im Sinne ‚objektiver Erkenntnis‘.
134
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
Abbildung 5.5: Grundlegende Variablen zu den Leitfragen des halbstandardisierten Interviews
Im Folgenden werden wir also die Operationalisierung jener Variablen vorstellen, die mittels der standardisierten Befragung erhoben wurden. Die Reihenfolge der Darstellung orientiert sich an o.g. Abbildung 5.5: Zunächst werden die Operationalisierungen der
2 Methodik
135
Variablen präsentiert, mit denen wir individuelle Bedrohungen bzw. Rechtfertigungen von Terrorismus und Einstellungen zum Anti-Terrorismus zu erfassen versuchten. Danach folgt die Vorstellung der Variablen, die als Prädiktoren, Moderatoren bzw. Mediatoren betrachtet werden. Dargestellt werden die statistischen Kennwerte der jeweiligen Skalen bzw. Items (Skalen- bzw. Itemmittelwerte und entsprechende Streuungsmaße, Angaben zur internen bzw. Retest-Reliabilität64). Die Mittelwertsausprägungen der operationalisierten Variablen werden a. je Interviewwelle auf der Basis der unterschiedlich starken Stichprobengrößen (Welle 1: N = 103; Welle 2: N = 78; Welle 3: N = 50) mitgeteilt und b. als Mittelwertsunterschiede in diesen Variablen über die drei Wellen auf der Basis der Daten, die wir nur von jenen Interviewten erhoben haben, die an allen drei Wellen teilgenommen haben (also N = 50). Und eine weitere Anmerkung ist zu machen: Da die Interviews max. 60 bis 90 Minuten dauern sollten, waren wir gezwungen, den standardisierten Teil des Interviewleitfragens stark zu beschränken. Das hatte zur Folge, dass zur Operationalisierung einiger Variablen nur Einzelitems eingesetzt werden konnten. Den damit verbundenen Problemen sind wir uns durchaus bewusst. Vor allem ist natürlich zu fragen, ob die mit Einzelitems operationalisierten Konstrukte valide und reliabel gemessen werden können. Wir können auf diese Frage im Rahmen unseres Projekts keine eindeutige Antwort liefern, meinen aber, dass dann, wenn mit den gebildeten Einzelitem-Skalen plausible Befunde und darauf aufbauende Erklärungen gefunden werden, auch Hinweise auf die Güte der Skalen vorliegen.65 Allerdings sind zumindest die jeweils berichteten Retest-Werte durchaus akzeptabel. Die Auswahl der Einzelitems für alle nachfolgend berichteten Einzelitem-Skalen erfolgte in Gruppendiskussionen und auf der Basis der Kennwerte, die über diese Items in den Originalarbeiten (siehe jeweils die angegebenen Referenzen) berichtet werden.
64
65
Zur Überprüfung der Reliabilität berechneten wir Cronbach‘s Alpha als Maß der internen Konsistenz, dass heißt der Zusammenhänge zwischen einem einzelnen Item der Skala mit den restlichen Items der Skala (Bortz & Döring, 2006). Auf die Problematik von Kurzskalen machen auch Heyder, Iser und Schmidt (2005) im Zusammenhang mit der Erforschung antisemitischer Einstellungen aufmerksam. In ihren Untersuchungen im Rahmen der Langzeitstudie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (u.a. Heitmeyer, 2005, 2008) haben die Autoren Kurzskalen mit jeweils zwei Items eingesetzt und verweisen auf die Arbeit von Meloen, van der Linden und de Witte (1996). Meloen, van der Linden und de Witte können u.a. zeigen, dass die von ihnen untersuchten Kurzversionen der Autoritarismusskalen nicht sonderlich schlechter sind als die geprüften Langfassungen. Ob diese Ergebnisse allerdings auch für entsprechende Skalen zur Erfassung von antisemitischen Einstellungen übertragbar sind, ist bisher nicht erwiesen.
136 2.3.2.1
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I Items und Skalen zur Operationalisierung des Bedrohungserlebens und der Akzeptanz von anti- bzw. pro-terroristischer Maßnahmen Bewertungen von und Bedrohung durch Terrorismus persönliche und/oder national relevant, als realistisch und/oder symbolisch
Die dafür entwickelten Subskalen stützen sich vor allem auf die theoretischen Überlegungen von Huddy et al. (2002a, b). Die Autoren entwickelten – wie in Kapitel II bereits erwähnt – ein Konzept, das zwei Facetten der Bedrohung einschließt: persönliche (oder proximale) und nationale (oder distale) Bedrohung. Persönliche Bedrohung, die eine Person dann erlebt, wenn sie sich selbst gefährdet fühlt und/oder erwartet, die Konsequenzen der Bedrohung persönlich zu erfahren, könne – nach Annahme der Autoren – zu Angst, Depressionen oder Schlafstörungen führen und die Betroffenen veranlassen, nach Handlungsalternativen zu suchen, die das Risiko verringern könnten, etwa, indem nationale Politiken unterstützt werden, die Recht und Ordnung fördern und betonen (vgl. auch Huddy et al., 2005; Sears et al., 1980; Smith et al., 2001). Das Erleben von Bedrohungen, die sich vornehmlich auf die eigene Nation oder das eigene Land richten, spreche dagegen weniger die emotionalen Befindlichkeiten des Einzelnen an und könne recht konträre Reaktionen auslösen. Dabei scheint es – sowohl im Falle der persönlichen als auch der nationalen bzw. internationalen Bedrohung – weitgehend irrelevant zu sein, wie realistisch die tatsächlichen Bedrohungs- bzw. Risikolagen sind. Die Items zur Erfassung des Erlebens persönlicher und nationaler Bedrohung wurden auf der Grundlage dieser und ähnlicher Befunde für den standardisierten Interviewteil von uns neu entwickelt, wobei inhaltliche und thematische Anregungen aus Untersuchungen von Cohrs et al. (z.B. 2005a) und Niketta (2002) sowie im Internet veröffentlichten Umfragen des Allensbacher Institutes (2006; Internetquelle) aufgegriffen wurden. Zur Operationalisierung des Bedrohungserlebens wurden folgende Items, die wiederum auf einer sechsstufigen Likertskala (1 = stimme gar nicht zu; 6 = stimme voll zu) beantwortet werden konnten, ausgewählt: Tabelle 5.3: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für Bedrohungserleben, Welle 1 bis 3 Skalenbezeichnung Bedroh_persön Bedroh_nation
Bedroh_persön
Bedroh_persön
Itemformulierung Fühlen Sie sich persönlich durch Terroranschläge bedroht?
Welle 1 M
s
Welle 2 M
s
Welle 3 M
2.15
1.32
2.19
1.34
3.29
1.35
3.08
1.19
3.04
1.22
Haben Sie Angst vor Terroranschlägen hier in Deutschland?
2.74
1.47
2.48
1.28
2.35
1.21
Sind Sie besorgt, ob Sie in Deutschland vor Terroranschlägen sicher sind?
2.38
1.28
2.38
1.23
Halten Sie es bloß für eine Frage der Zeit, bis auch Deutschland Schauplatz massiver Terroranschläge wird?
2.04
s
2.31
1.07
1.15
2 Methodik
137
Die für alle drei Wellen gerechneten Hauptkomponenten-Faktorenanalysen66 lieferten über die vier Items zunächst jeweils eine Ein-Faktor-Lösung (Varianzaufklärung W1 = 68.5%, W2 = 72.8%, W3 = 74.8%). Die daraufhin aus den jeweiligen Items pro Welle gebildeten Subskalen („Bedrohung-Allgemein“) wiesen relativ hohe Reliabilitätswerte auf (Cronbach’s Alpha W1(N = 103): .84, W2(N = 78): .88, W3(N = 50): .87). Mit den gefundenen Ein-Faktor-Lösungen in allen drei Wellen konnten wir zunächst die von Huddy et al. (2002a,b) postulierten und für US-amerikanische Verhältnisse auch empirisch bestätigten zwei Facetten von Terrorbedrohung (personal versus national bzw. proximal versus distal) nicht bestätigen. Um dennoch diese beiden Facetten getrennt erfassen zu können, haben wir die Bildung von zwei entsprechenden Subskalen erzwungen. Zunächst wurde durch Mittelung der Werte der drei Items „Bedroh_persön“ eine Skala „Persönliche Bedrohung“ erstellt. Das Item „Bedroh_nation“ wurde zur Einzelitem-Skala „Nationale Bedrohung“. Die Reliabilitätswerte der Skala „Persönliche Bedrohung“ wiesen eine hohe Güte auf (Cronbach’s Alpha W1(N = 103): .86, W2(N = 78): .88, W3(N = 50): .95). Zudem lassen sich die Retest-Stabilitätswerte im Hinblick auf beide Subskalen „Persönliche Bedrohung“ und „Nationale Bedrohung“ in Tabelle 5.4 ablesen. Tabelle 5.4: Retest-Stabilität der Skala „Persönliche Bedrohung“ und „Nationale Bedrohung“ zwischen den jeweiligen Erhebungswellen Skalen Persönliche Bedrohung Nationale Bedrohung
Retest-Stabilität Welle 1/Welle2 Welle 2/Welle3 .75 .81 .64 .50
Welle 1/ Welle 3 .77 .62
Anti-Terrorismus Akzeptanz anti-terroristischer Maßnahmen Pro-Terrorismus Akzeptanz terroristischer Gruppierungen und Aktionen Zur Operationalisierung dieser Variablen haben wir verschiedene Subskalen konstruiert bzw. Einzelitems genutzt, deren Auswahl sich auf explorative Arbeiten zur Terrorismuswahrnehmung der deutschen Bevölkerung (Cohrs et al., 2002, 2003; Niketta, 2002) und auf Ergebnisse von Qualifikationsarbeiten (Breternitz, 2007; Fuchs, 2007; Liborius, 2007; Partal & Ehrenstrasser, 2005) stützte. Die Items der Subskalen wurden wiederum für jede Welle getrennt faktoranalysiert. Die Skalenbildung erfolgte über die gemittelten Itemwerte, die auf
66
Für die faktorenanalytische Untersuchung wurde in der Regel eine Hauptkomponenten-Faktorenanalyse mit Varimax- Rotation eingesetzt, vor deren Anwendung die Items mit dem Kaiser, Meyer & Olkin-Maß (KMO) sowie der Anti-Image-Korrelationsmatrix (AIC) auf ihre generelle Eignung für diese Analyseart überprüft wurden. Die Zahl der letztlich extrahierten Faktoren richtete sich nach den Eigenwerten und deren Verlaufskurven (Screeplots), wobei die Kennwerte dieser Verfahren aus Gründen der Übersichtlichkeit nur bei Nichteignung explizit aufgeführt wurden.
138
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
einem Faktor hochladen (Faktorladung >.70). Anschließend wurde die Reliabilität jeder Subskala (über Cronbach’s Alpha) ermittelt. Die Variable „Akzeptanz anti-terroristischer Maßnahmen“ wurde durch folgende Subskalen operationalisiert: Skala: Zustimmung zu bzw. Ablehnung von verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen („Anti_Terror_Sicher“) Es wurde mit sechs geschlossenen Items in Aussage- bzw. Frageform danach gefragt, inwieweit die Befragten verstärkten Sicherheits- bzw. Überwachungsmaßnahmen zustimmen bzw. diese ablehnen. Alle Items konnten auf einer sechsstufigen Likertskala (1 = „gar nicht“ bzw. „stimme gar nicht zu“ bis 6 = „sehr stark“ bzw. „stimme sehr stark zu“) beantwortet werden. Die Items und die Subskala sind mit ihren statistischen Kennwerten in folgender Tabelle wiedergegeben. Dabei ist zu beachten, dass die Werte der vier letzten Items umcodiert wurden, so dass auch hier niedrige Werte eher Ablehnung und hohe Werte eher Zustimmung zum Ausdruck bringen. Tabelle 5.5: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für „Anti_Terror_Sicher“, Welle 1 bis 3 Itemformulierung Ist es in Deutschland zum Schutz vor möglichen Terroranschlägen notwendig, die Sicherheitsbestimmungen und Überwachungsmaßnahmen zu verschärfen? Wenn nötig müssen auch Gesetze geändert werden, wenn diese engmaschigen Überwachungs- und Sicherheitsmaßnahmen im Wege stehen. Bürgerrechte und Privatsphäre dürfen auch zum Schutz von Terrorismus nicht aufgehoben oder eingeschränkt werden. Deutschland sollte keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen beschließen, weil sich Deutschland bereits auf dem besten Weg befindet, zum Überwachungsstaat zu werden. Deutschland sollte keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen beschließen, weil übertriebene Sicherheitspolitik die Freiheit aller Bürger beschränkt. Deutschland sollte keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen beschließen, weil noch stärkere Überwachung einen Angriff auf die Privatsphäre der Bürger darstellt.
Welle 1 M
s
Welle 2 M
s
Welle 3 M
s
2.23
1.48
2.34
1.53
2.14
1.43
2.21
1.62
2.10
1.50
2.15
1.52
2.07
1.51
2.05
1.43
2.06
1.37
2.05
1.28
2.66
1.45
2.60
1.49
1.98
1.32
1.95
1.19
2.39
1.23
1.98
1.32
1.99
1.25
2.25
1.31
Die über alle drei Wellen gerechneten Hauptkomponenten-Faktorenanalysen lieferten über die sechs Items jeweils eine Ein-Faktor-Lösung (Varianzaufklärung W1 = 67.1%, W2 = 63.8%, W3 = 65.9%). Die daraufhin gebildete Subskala wies relativ hohe Reliabilitätswerte auf
2 Methodik
139
(Cronbach’s Alpha W1(N = 103): .89, W2(N = 78): .88, W3(N = 50): .89. Auch die Retest-Werte sind noch akzeptabel (siehe Tabelle 5.6). Tabelle 5.6: Retest-Stabilität der Skala „Anti_Terror_Sicher“ zwischen den jeweiligen Erhebungswellen 1-3 Retest-Stabilität der Skala „Zustimmung zu bzw. Ablehnung von verstärkten Sicherheitsund Überwachungsmaßnahmen“ Skalen-Kürzel Welle 1/Welle2 Welle 2/Welle3 Welle 1/ Welle 3 .76 .81 .80 Anti_Terror_Sicher
Skala: Zustimmung zu bzw. Ablehnung von militärischen Einsätzen („Anti_Terror_Militär“) Die Zustimmung zu bzw. Ablehnung von militärischen Einsätzen als Mittel im Kampf gegen den Terrorismus wurde mit vier Items abgefragt. Wiederum konnten alle Items auf einer sechsstufigen Likertskala (1 = „gar nicht“ bzw. „stimme gar nicht zu“ bis 6 = „sehr stark“ bzw. „stimme sehr stark zu“) beantwortet werden. Die folgende Tabelle gibt die statistischen Kennwerte wieder. Die Werte der ersten zwei Items wurden wiederum umcodiert, so dass auch hier niedrige Werte eher Ablehnung und hohe Werte eher Zustimmung zum Ausdruck bringen. Tabelle 5.7: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für „Anti_Terror_Militär“, Welle 1 bis 3 Itemformulierung Zur Bekämpfung des Terrorismus sind alle Mittel erlaubt, auch wenn dabei manchmal Unschuldige zu Schaden kommen. Begegnet man Terrorismus vorrangig mit massiven Militäreinsätzen, so heizt dies nur die Gewaltspirale an. Militärische Präsenz in internationalen Krisengebieten ist das einzige wirksame Mittel gegen internationalen Terrorismus. Die Androhung militärischer Gewalt ist häufig die beste Möglichkeit, aggressive Staaten in Schach zu halten.
Welle 1 M
s
Welle 2 M
s
Welle 3 M
s
1.77
1.16
1.94
1.14
1.85
1.16
1.83
1.25
1.90
.91
2.00
1.11
1.90
1.21
2.03
1.09
2.02
1.02
2.25
1.33
2.23
1.23
2.30
1.31
Die Hauptkomponenten-Faktorenanalysen der vier Items lieferten auch in diesem Falle über alle drei Wellen hinweg jeweils eine Ein-Faktor-Lösung (Varianzaufklärung W1 = 48.7%, W2 = 52.7%, W3 = 54.7%). Die Reliabilitätswerte der aus den Items gebildeten Subskalen weisen zwar relativ geringe, für Gruppenvergleiche aber noch akzeptable Größen aus (Cronbach’s Alpha W1(N = 103): .64, W2(N = 78): .66, W3(N = 50): .70). Die Reliabilitätskoeffizienten ließen sich durch Entfernen einzelner Items nicht wesentlich verbessern. Aus Tabelle 5.8 lassen sich die entsprechenden Retest-Stabilitäten der Skala „Anti-Terror-Militär“ ablesen.
140
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
Tabelle 5.8: Retest-Stabilität der Skala „Anti_Terror_Militär“ zwischen den jeweiligen Erhebungswellen 1-3 Retest-Stabilität der Skala „Zustimmung zu bzw. Ablehnung von militärischen Maßnahmen“ Skalen-Kürzel Welle 1/Welle2 Welle 2/Welle3 Welle 1/ Welle 3 .68 .68 .56 Anti_Terror_Militär
Einzelitem-Skalen: Zustimmung zu bzw. Ablehnung von verantwortungsvoller Wirtschafts- und Entwicklungspolitik („Anti_Terror_Politik“), von humanitärer Hilfe („Anti_Terror_Human“), von Gesprächen mit Terroristen („Anti_Terror_Gespräch“) Mit den folgenden Items sollte die Zustimmung zu bzw. Ablehnung von folgenden AntiTerror-Maßnahmen erhoben werden: verantwortungsvolle Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, humanitäre Hilfe, Gesprächen mit Terroristen. Die Items konnten wiederum auf einer sechsstufigen Likertskala (1 = „gar nicht“ bzw. „stimme gar nicht zu“ bis 6 = „sehr stark“ bzw. „stimme sehr stark zu“) beantwortet werden. Die folgende Tabelle gibt die statistischen Kennwerte wieder. Tabelle 5.9: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für „Anti_Terror_Gespräch“, „Anti_Terror_Politik“, „Anti_Terror_Human“, Welle 1 bis 3 Skalen-Bezeichnung
Itemformulierung
Zustimmung zu bzw. Ablehnung von verantwortungsvoller Wirtschafts- und Entwicklungspolitik (Anti_Terror_Politik) Zustimmung zu bzw. Ablehnung von humanitärer Hilfe (Anti_Terror_Human)
Kann eine verantwortungsvolle Wirtschafts- und Außenpolitik der Industrienationen die Ursachen für Terrorismus bekämpfen?
Zustimmung zu bzw. Ablehnung von Gesprächen mit Terroristen (Anti_Terror_Gespräch)
Selbst wenn es nur eine geringe Chance auf Erfolg gibt, sollte man immer wieder das Gespräch mit den terroristischen Gruppen suchen.
Um dem Terrorismus die Sympathisanten zu entziehen, müssen die Ursachen bekämpft werden, zum Beispiel durch humanitäre Hilfe.
Welle 1 M
s
Welle 2 M
s
Welle 3 M
s
4.60
1.41
4.56
1.32
4.58
1.43
5.54
.99
5.49
1.08
5.38
1.03
4.56
1.21
5.35
.91
5.04
1.12
Einzelitem-Skala: Akzeptanz terroristischer Gruppierungen und des Terrorismus („Legitimierung von Terror“; „Anti_Terror_Legitim“) Mit dieser ebenfalls aus einem Item bestehenden Skala sollten zumindest ansatzweise proterroristische Einstellungen erhoben werden. Das Item konnte wiederum auf einer sechsstufigen Likertskala (1 = „gar nicht“ bzw. „stimme gar nicht zu“ bis 6 = „sehr stark“ bzw. „stimme sehr stark zu“) beantwortet werden. Die folgende Tabelle gibt die statistischen Kennwerten wieder. Die Retest-Stabilität dieses Einzelitems weist gute bis akzeptable Werte auf (W1/W2= .67, W2/W3 = .73, W1/W3 = .65).
2 Methodik
141
Tabelle 5.10: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für „Anti_Terror_Legitim“, Welle 1 bis 3 Skalenbezeichnung Akzeptanz terroristischer Gruppierungen und des Terrorismus (Legitimierung von Terror; Anti_Terror_Legitim)
2.3.2.2
Itemformulierung Kann Terrorismus unter Umständen legitim sein, wenn keine andere Chance zur Durchsetzung gerechtfertigter politischer Interessen besteht?
Welle 1 M
2.20
s
1.61
Welle 2 M
2.09
s
1.43
Welle 3 M
2.13
s
1.54
Items und Skalen zur Operationalisierung möglicher Prädiktoren Soziodemografische Merkmale Alter, Geschlecht, Bildung, Familienstand, Einkommen, Anzahl der Kinder
Soziodemografische Merkmale zeigten sich in verschiedenen Studien als mögliche Prädiktoren für den individuellen Umgang mit Terrorismusrisiken und ihren Inszenierungen. So konnten Goodwin et al. (2005) Geschlecht (und auch Alter) als Prädiktoren für wahrgenommene Bedrohung nachweisen. Huddy et al. (2002a) fanden überdies, dass Personen mit höherem Bildungsabschluss eine geringere persönliche Bedrohung durch den Terrorismus wahrnehmen als Personen mit niedrigerem Bildungsabschluss. Wir vermuten außerdem, dass auch der Familienstand, der soziale Status (gemessen z.B. an der Höhe des Einkommens) und die Anzahl der Kinder die individuelle Bewertung und Beurteilung des Terrorismus beeinflussen kann. Am Schluss des Interviews wurden deshalb diese Variablen mit folgenden Fragen erhoben: Geschlecht: Einschätzung durch den Interviewer Alter: In welchem Jahr wurden Sie geboren? Bildungsabschluss: Welchen Bildungsabschluss haben Sie erreicht? kein Schulabschluss, 8./9. Klasse (vergleichbar Hauptschule), 10. Klasse (vergleichbar Realschule), 12./13. Klasse (vergleichbar Abitur), Berufsausbildung, Studium (FH/Uni), Promotion. Familienstand: ledig, verheiratet, geschieden, wiederverheiratet, getrennt lebend, verwitwet. Einkommen: Wie hoch ist Ihr durchschnittliches monatliches „Taschengeld“ (Einkommen abzüglich Fixkosten!)? <250 € (netto), 250 – 500 € (netto), 500 – 1000 € (netto), 1000 – 2000 € (netto), 2000 – 3000€ (netto). Kinder: Haben Sie Kinder? Wenn ja wie viele und wie alt?
142
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
Über die Ergebnisse dieses Fragenteils wurde weiter oben bereits im Zusammenhang mit der Stichprobenbeschreibung berichtet. Generalisierte Einstellungen Autoritarismus, Wertorientierungen, Politische Orientierungen, Religion, Religiosität Autoritarismus Autoritarismus (Right-Wing-Authoritarianism nach Bob Altemeyer) ist eine Persönlichkeitseigenschaft bzw. eine individuelle Differenzvariable, nach der Menschen sich mehr oder weniger Autoritäten unterwerfen, gegen Außenseiter vorgehen und sich beständig konventionellen Normen anpassen (Altemeyer, 1996, S. 8). Ein detailliertes theoretisches Fundament, auf dem seine Erklärungen für die Auswahl dieser drei Dimensionen gründen könnten, stellt Altemeyer allerdings nicht zur Verfügung. Vielmehr leitet er seinen Ansatz und die darauf aufbauende Right-Wing-Extremism Scale (RWA-Skala) aus der eigenen Empirie ab. Trotz der sparsamen theoretischen Konzeptionen zur Genese des Autoritarismus gilt die RWA-Skala als „das Standardinstrument der modernen (quantitativen) Autoritarismusforschung“ (Funke, 2002, S. 50, Hervorhebung im Original). Nach einer Vielzahl verschiedener Studien an mehr als 20.000 vornehmlich studentischen Versuchspersonen berichtet Altemeyer (1988, 1996) von sehr zufrieden stellenden Reliabilitäten der RWA-Skala. Im deutschsprachigen Raum ließen sich ähnliche Werte für adaptierte RWASkalen finden. Autoritarismus wird dabei, dem Vorschlag von Six (1996; auch Six, Wolfradt & Zick, 2001) folgend, als generalisierte Einstellung betrachtet, deren Einfluss auf das Erleben und Bewerten von lokalen und globalen Bedrohungen vielfach nachgewiesen wurde (vgl. ausführlich Breternitz, 2007; Frindte, 2006; Funke, 2005; Liborius, 2007; Marinell, 2005 und Partal & Ehrenstrasser, 2005). Im Weltbild von Personen mit ausgeprägten autoritären Einstellungen dürften – gemäß dieser Befunde – gerade Terroristen und die Gefahr von terroristischen Angriffen als extrem bedrohlich erscheinen. Auch wir gehen in unserem Projekt davon aus, dass sich autoritäre Orientierungen als zeitlich relativ stabile generalisierte Einstellungen konzeptualisieren und operationalisieren lassen. Um autoritäre Einstellungen erfassen zu können, haben wir uns auf die Jenaer Autoritarismus-Skala (RWA³D-Skala) von Funke (2002) gestützt. Funke entwickelte mit der RWA3D-Skala eine zum Ansatz von Altemeyer (1996) passende dreidimensionale Skala, in der die Dimensionen (autoritäre Aggression, autoritäre Submission und Konventionalismus) klar voneinander getrennt operationalisiert wurden, aber auch ein Autoritarismuswert – über alle drei Subskalen gemittelt – ausgewiesen werden kann. Die Skala besteht aus 12 Items, die sich zu gleichen Teilen auf die Dimensionen „Autoritäre Aggression“, „Autoritäre Submission“ und „Konventionalismus“ verteilen. Der Vorteil liegt in einer erhöhten Aussagefähigkeit wie z.B. der Vergrößerung des Anteils erklärter Varianz an politischen Einstellungen und anderen Variablen, wodurch eine hochauflösende Betrachtungsweise ermöglicht wird. Der Rückgriff auf die RWA3D-Skala erfolgte in unserer Panelstudie auf zwei Wegen: Zum einen entwickelten wir eine Kurzskala mit zwei Items, die in allen drei Wellen den Interviewten vorgelegt wurde. Diese Items wurden aus der RWA3D-Skala ausgewählt und
2 Methodik
143
spiegeln nach Absprache mit Friedrich Funke (mündliche Mitteilung) autoritäre Einstellungen in prototypischer Weise wider: a. b.
Wie wichtig ist es, sich in der Gesellschaft den Autoritäten unterzuordnen? Wie wichtig ist es, dass diejenigen, die sich in der Gesellschaft nicht unterordnen, bestraft werden?
Beide Items sollen entweder die Dimension autoritäre Submission (Item a) oder die autoritäre Aggression (Item b) präsentieren. Zum anderen kam in Welle 2 und 3 auch die vollständige RWA3D-Skala mit den 12 Items als Langskala zum Einsatz. Die Items der Kurz- und Langskala konnten wiederum auf einer sechsstufigen Likertskala (1 = unwichtig; 6 = wichtig) beantwortet werden. Sowohl die Kurzskala als auch die Langskala erwiesen sich über die drei Wellen hinweg als hinreichend reliabel und stabil (siehe Tabelle 5.11). Tabelle 5.11: Reliabilitätsprüfung und Retest-Stabilität für „RWA-kurz“, innerhalb und zwischen den Wellen 1 bis 3 Reliabilität und Retest-Stabilität für RWA kurz und RWA lang SkalenKürzel
RWAkurz RWAlang
Skalenbezeichnung
AutoritarismusKurzskala AutoritarismusLangskala
Welle 1
Welle 2
Welle 3
Welle 1/ Welle 2 RetestStabilität
Welle 1/ Welle 3 RetestStabilität
Welle 2/ Welle 3 RetestStabilität
Itemkorrelation Cronbach’s Alpha
Itemkorrelation Cronbach’s Alpha
Itemkorrelation Cronbach’s Alpha
.53
.65
.52
.76
.70
.74
---
.86
.88
---
---
.92
Angesichts dieser Befunde und der berichteten ausgezeichneten Reliabilitätswerte (interne und Retest-Reliabilität) haben wir für die weiteren prüfstatistischen Schritte entschieden, a. aus den Autoritarismus-Kurzskalen der drei Wellen eine für alle drei Wellen anwendbare Gesamt-Kurzskala zu bilden und b. in analoger Weise aus den zwei AutoritarismusLangskalen der Wellen 2 und 3 eine Gesamt-Langskala zu konstruieren. Die Bildung dieser Skalen erfolgte, in dem die jeweiligen Skalenwerte über alle drei bzw. zwei Wellen gemittelt wurden. Die auf diese Weise gebildete Gesamt-Kurzskala und die Gesamt-Langskala korrelieren hochsignifikant (r=.75). Diese Zusammenhänge, die hohe interne Reliabilität der Langskala in den Wellen 2 und 3 und der hohe Retest-Wert der Langskala stützt die o.g. Annahme, dass es sich bei den von uns gemessenen autoritären Orientierungen um relativ stabile und generalisierte Einstellungen handelt. Deshalb werden wir in den weiter unten berichteten Analysen – wenn nichts anderes erwähnt ist – vornehmlich die Werte der Autoritarismus-Gesamt-Langskala (also die über Welle 2 und 3 gemittelten Werte der RWA3DSkala) nutzen.
144
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
Wertorientierungen Die Untersuchung der individuellen Werteprioritäten der Teilnehmer basiert auf den theoretischen Annahmen der Werteorientierungen von Schwartz (1992)67, der zehn universelle und grundlegende Wertetypen postuliert: Macht, Leistung, Hedonismus, Stimulation, Selbstbestimmung, Universalismus, Wohltätigkeit, Tradition, Konformität, Sicherheit. Im „Portrait Value Questionaire“ von Schwartz, Melech, Lehmann, Burgess, Harris & Owens (2001) werden den Probanden 40 Aussagen vorgelegt, um die 10 zentralen Wertorientierungen zu erfassen. In den dreiwelligen Interviews unseres Projekts beschritten wir wiederum einen sehr sparsamen Weg zur Operationalisierung und Erfassung der von Schwartz identifizierten Wertorientierungen: Erstens wurden diese Wertorientierungen nur in der ersten Erhebungswelle erfasst, da wir – ähnlich wie in der Konzeptualisierung und Operationalisierung autoritärer Einstellungen – davon ausgehen, dass Wertorientierungen das über längere Zeiten hinweg für eine Person charakteristische subjektive Bewertungssystem bzw. Motivsystem ausdrücken (vgl. auch Graumann & Willig, 1983; Schlöder, 1993; Schwartz, 1992, 1996; Six, 1985). Zweitens bekamen die Interviewten keinen WerteFragebogen vorgelegt, sondern der Interviewer las den Interviewten Umschreibungen der verschiedenen Wertorientierungen (außer Universalismus)68 vor; nannte also nicht direkt die Wertetypen. Die Umschreibungen entsprachen den Definitionen der Wertetypen von Schwartz (Schwartz & Bardi, 2001). „Stimulation“ wurde beispielsweise als „Das Streben nach aufregenden und inspirierenden Situationen und neuen Herausforderungen und das Vermeiden von Langeweile im Leben“ beschrieben. Die Teilnehmer sollten zunächst erläutern, was diese gesellschaftlichen Werte für sie persönlich bedeuteten. Im Anschluss schätzen sie die Wichtigkeit der Werte auf einer Skala von 1 bis 6 (1 = unwichtig bis 6 = sehr wichtig) ein. Eine höhere Bewertung der Items verdeutlicht eine höhere Priorität dieses Wertes. In den zweiten und dritten Erhebungswellen wurde diese Prozedur nur bei jenen Interviewten angewandt, die auch den Veränderungsfragebogen ausfüllten. Diese Veränderungsfragen kam – wie weiter oben geschildert – nur dann zum Einsatz, wenn die Interviewten angaben, zwischen Welle 1 und den nachfolgenden seien gravierende Veränderungen in Beruf, Umfeld, Wohnsituation, familiärer und Partnersituation eingetreten. Entsprechend wurden die Items in den Interviewwellen 2 und 3 nur von wenigen Personen beantwortet (Welle 2, N = 22 und in Welle 3, N = 3). Die für diese Personen angegebenen Kennwerte (Mittelwert und Streuung) sind somit nicht nur nicht berechenbar, sondern vor allem nicht aussagefähig. Wir werden deshalb die Wertorientierung im Weiteren nur für die Beantwortung von Fragestellungen nutzen können, die sich auf die Interviewwelle 1 beziehen. Die Werteumschreibungen, die den Interviewten vorgelegt wurden, und die statistischen Kennwerte aus der ersten Erhebungswelle, finden sich in folgender Tabelle.
67
68
Der umfassende Typologieansatz von Schwartz und Bilsky (1987) ist eine inhaltliche Differenzierung und Weiterentwicklung der Theorie von Rokeach (1960). Für Schwartz (1996) sind Werte Konzepte oder Meinungen über wünschenswerte Zielzustände oder Verhaltensweisen, die spezifische Situationen transzendieren, Selektionen und Bewertungen von Verhaltensweisen und Ereignissen steuern und nach relativer Wichtigkeit geordnet sind. Universalismus stellte aus unserer Sicht ein zu komplexes Konzept dar und wurde deshalb nicht erfasst.
2 Methodik
145
Tabelle 5.12: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für „Wertorientierungen“, Welle 1 bis 3 Item-Kürzel
Wertumschreibung
Selbstbestimmung
Entscheidungen über das eigene Leben eigenständig zu treffen und umsetzen zu können.
Macht
Leistung
Sicherheit
Konformität
Eine gesellschaftliche Stellung anzustreben, die einem die Verantwortung und Kontrolle über andere Menschen und über Ressourcen ermöglicht. Danach Streben, durch eigenes Wirken und eigenes Engagement bestimmte Ziele zu erreichen, bzw. Aufgaben zu bewältigen. Das Streben danach, in einem geschützten oder geordneten Umfeld zu leben, das frei von unvertretbaren Risiken oder Beeinträchtigungen ist. Sich immer an Regeln zu halten, sich im Allgemeinen gut zu benehmen, höflich zu sein und ältere Menschen zu respektieren, so dass keiner über einen sagen kann, man habe etwas falsch gemacht.
Welle 1 (N = 103) M
s
5.51
.64
2.76
1.35
4.79
1.07
4.33
1.30
3.97
1.41
Benevolenz (Wohlwollen)
Danach Streben, dass es anderen Menschen gut geht.
4.79
1.05
Hedonismus
Das Streben nach Genuss und Spaß, nach Sinneslust und Vergnügen.
4.47
1.09
2.88
1.31
4.11
1.22
Tradition
Stimulation
Eigenes Denkens und Handeln an überlieferten Überzeugungen, Vorstellungen und Bräuchen auszurichten. Das Streben nach aufregenden und inspirierenden Situationen und neuen Herausforderungen und das Vermeiden von Langeweile im Leben.
In Vorstudien (z.B. Liborius, 2007; Schumann, 2008; siehe auch Kap. VII) hatten wir geprüft, welche Wertorientierungen als mögliche Prädiktoren für den individuellen Umgang mit Terrorismus (den Bedrohungen und den Anti-Terror-Maßnahmen) besonders geeignet sein könnten. Dabei hatten sich vor allem die Wertorientierungen Macht, Sicherheit, Konformität und Tradition als robust erwiesen. Die folgende Tabelle bestätigt diesen Befund auch für die 1. Interviewwelle unseres Projekts. Diese und nur diese vier Wertorientierungen korrelieren signifikant mit Einstellungen zu ausgewählten Anti-Terror-Maßnahmen und/oder mit dem Bedrohungserleben. Für die weiteren prüfstatistischen Schritte zur Beantwortung unserer
146
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
o.g. Forschungsfragen werden wir diese vier, in Tabelle 5.13 zusätzlich gekennzeichneten, Wertorientierungen in ihrer prädikativen Kraft zu prüfen versuchen. Tabelle 5.13: Korrelationsmatrix für Wertorientierungen, Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen, Einstellungen zu militärischen Einsätzen, sowie persönliche und nationale Bedrohung SelbstMacht bestimmung
Leistung
Sicherheit
Konformität
Macht
-.08
Leistung
.17
-.04
Sicherheit
.07
-.09
.07
Konformität
-.08
-.14
-.05
.5**
Benevolenz Wohlwollen
.12
.01
.02
.17
.23*
Hedonismus
.28**
.03
.12
.14
.18
Tradition
.00
.22
*
,13
.20
.29
Stimulation
.17
.15
,22*
Einstellung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen
.01
.07
Einstellung zu militärischen Einsätzen
-.11
Persönliche Bedrohung Nationale Bedrohung
Benevolenz - HedonisWohlwollen mus
Tradition
Stimulation
.29**
**
.17
.19
-.04
-.10
-.02
.29**
.03
-,16
.31**
.20*
.15
.10
.18
-.03
.21*
-,08
.11
.06
-.11
-.01
.07
-.08
.15
-.01
.00
.26**
.34**
.02
.18
.44**
-.18
.11
-.05
-,08
.16
.30**
.07
.13
.17
-.21*
*
Anmerkung: + p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001.
Politische Orientierungen Die Teilnehmer wurden gebeten, sich selbst auf einer sechsstufigen Likertskala, die das politische Spektrum von ganz links (1) bis ganz rechts (6) widerspiegelt, einzuordnen. Diese Operationalisierung durch ein Item wurde bereits in zahlreichen Untersuchungen gewählt (vgl. z.B. Heitmeyer, 2002; Jost et al., 2007) und hat sich dabei als adäquates und „zuverlässiges Instrument“ erwiesen. Die Retest-Stabilität dieses Items ist zwar über die drei Wellen nicht besonders hoch (W1/W2 = .69, W2/W3 = .53, W1/W3 = .51), verweist aber dennoch auf eine Güte, die für statistische Gruppenvergleiche noch ausreichend ist (vgl. Lienert, 1967, S. 246).
2 Methodik
147
Tabelle 5.14: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für „Politische Orientierung“, Welle 1 bis 3 Skalenbezeichnung
Itemformulierung
Politische Orientierung: Links-Rechts
Wie würden Sie sich politisch einordnen? (1=ganz links; 6=ganz rechts)
Welle 1 M s
Welle 2 M s
Welle 3 M s
2.71
2.57
2.76
.73
.75
.78
Die Mehrheit der Interviewten der ersten Welle ordneten sich politisch eher in der Mitte mit linker Tendenz an (53.4%); 32.0% eher links und 2.9% ganz links. Der rechten Mitte fühlen sich 6.8% der Teilnehmer zugehörig und ein Teilnehmer (1%) gab an, sich politisch ganz rechts zu positionieren. Diese Verteilung ändert sich in den Welle 2 und 3 nicht signifikant. Religion, Religiöse Orientierungen In allen drei Wellen beantworteten die Teilnehmer die dichotome Frage, ob sie an Gott oder eine höhere Wirklichkeit glauben oder nicht. In der ersten Welle diente diese Frage als Filterfrage für die nachfolgenden Fragen aus dem Münchner Motivationspsychologischen Religiositäts-Inventar (MMRI) (Grom et al., 1998), da nur für Personen, die die Gottesfrage bejahen, die ausgewählten Items des MMRI „persönlich relevant sein“ sollten (Huber, 1996, S. 195) und damit auch nur für diese auswertbar waren. Aus diesem und aus den schon mehrfach genannten zeitökonomischen Gründen haben wir in der Welle 2 und 3 auf den Einsatz des MMRI verzichtet und nur die o.g. Filterfrage erhoben. Über die Kennwerte dieser Frage berichtet die folgende Tabelle. Die Retest-Stabilitätsprüfung der EinzelitemSkala weist zudem zufrieden stellende Werte aus (W1/W2 = .74, W2/W3 = .86, W1/W3 = .76). Tabelle 5.15: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für „Glaube an Gott“, Welle 1 bis 3 Skalenbezeichnung
Itemformulierung
Glaube an Gott
Glauben Sie an Gott, ein göttliches Prinzip bzw. Spiritualität? (0=Nein; 1=Ja)
Welle 1 M s .51
.50
Welle 2 M s .46
Welle 3 M s
.50
.52
.51
Ingroup-Favorisierung: Nationalismus, Patriotismus Outgroup-Ablehnung: Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Ablehnung von Muslimen, Pro- bzw. Anti-Amerikanismus Unter Ingroup-Favorisierung bzw- Ingroup Bias lässt sich allgemein eine verzerrte Wahrnehmung und Beurteilung der eigenen Gruppe verstehen (vgl. auch Aberson, Healy, Romero, 2000). Folgen dieser Verzerrungen sind einerseits die Aufwertung (oder Favorisierung) der Eigengruppe (oder Ingroup) und andererseits die Abwertung relevanter Fremdgruppen (oder auch Outgroup-Diskriminierung). Beide Tendenzen, Aufwertung der
148
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
eigenen und Abwertung fremder Gruppen hatten wir oben – in Anlehnung an Hewstone, Rubin und Willis (2002) – als Intergroup Bias bezeichnet. Einzelitem-Skalen: Ingroup-Favorisierung – Nationalismus und Patriotismus Als Indikator für die Aufwertung der eigenen Gruppe, in diesem Falle der Deutschen, wurde das Konzept des Nationalismus genutzt und quasi als Gegenentwurf auch das Konzept des Patriotismus operationalisiert. Dabei stützten wir uns u.a. auf die Studien von Becker, Wagner und Christ (2007), Blank und Schmidt (1997, 2003), Heyder und Schmidt (2002) und Frindte und Wammetsberger (2008), in denen jeweils nach Zusammenhängen zwischen nationalistischen Orientierungen, ausländerfeindlichen bzw. antisemitischen Einstellungen und Bedrohungserleben gefahndet wurde. Operationalisiert wurden nationalistische Einstellungen in der Untersuchung von Blank und Schmidt (1997) u.a. mit folgenden Items: Sind Sie stolz, Deutscher zu sein? Ich bin auf die deutsche Geschichte stolz. Ich bin auf die deutschen Erfolge im Sport stolz. Ich bin stolz darauf, dass Deutschland in Europa die Nr. 1 ist. Patriotische Einstellungen stützten sich auf folgende Operationalisierungen: Ich bin auf die demokratischen Institutionen Deutschlands stolz. Ich bin auf die sozialstaatlichen Leistungen Deutschlands stolz. Ich bin auf die politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten stolz. In ähnlicher Weise haben auch Heyder und Schmidt (2002) im Rahmen der schon mehrfach erwähnten Langzeitstudie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ Nationalismus und Patriotismus operationalisiert, allerdings je Konstrukt nur zwei Items eingesetzt. Wir haben aus schon erwähnten Gründen nur jeweils ein Item genutzt, das jeweils auf einer Likertskala von 1 (gar nicht stolz) bis 6 (sehr stolz) zu beantworten war. Die Itemformulierungen und die statistischen Kennwerte finden sich in Tabelle 5.16. Tabelle 5.16: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für „Nationalismus“, „Patriotismus“, Welle 1 bis 3 Skalenbezeichnung Nationalismus
Patriotismus
Itemformulierung
Welle 1 M s
Welle 2 M
Sind Sie stolz darauf, Deutsche(r) zu sein?
3.14
1.66
3.31
1.81
3.41
1.66
Sind Sie stolz auf die Demokratie in Deutschland?
3.73
1.49
3.74
1.45
4.02
1.67
s
Welle 3 M
s
Tabelle 5.17: Retest-Stabilität für „Nationalismus“ und „Patriotismus“ zwischen den Erhebungswellen 1-3 Retest-Stabilität der Einzelitem-Skalen „Nationalismus“ und „Patriotismus“ Skalenbezeichnung Welle 1/Welle2 Welle 2/Welle3 Welle 1/ Welle 3 .75 .86 .64 Nationalismus .57 .66 .49 Patriotismus
Die nationalistischen Einstellungen liegen leicht oberhalb des Skalenmittels von 3.0. Die Mittelwerte der drei Wellen unterscheiden sich nicht signifikant. Das heißt, die nationalistischen Einstellungen blieben über den Untersuchungszeitraum von Ende 2007 bis
2 Methodik
149
Anfang 2009 im wesentlichen stabil. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Becker, Wagner und Christ (2007) im Rahmen der repräsentativen Längsschnittstudie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“. Sie konnten von 2002 bis 2006 an einer Panelstichprobe mit ca. 550 deutschen Erwachsenen ebenfalls durchschnittliche und über die Erhebungszeiträume stabile Nationalismuswerte nachweisen. Im Mittel lagen die Zustimmungen zu den Items „Ich bin stolz darauf, Deutscher/Deutsche zu sein“69 bzw. „Sind Sie stolz auf die deutsche Geschichte?“ auf einer vierstufigen Likertskala zwischen 2.25 und 2.97. Auch hier wurden über die Zeit keine signifikanten Veränderung festgestellt. Mittlere und über die drei Erhebunsgwellen stabile Werte weisen auch die in unserem Projekt erhobenen patriotischen Einstellungen auf. Auch diese Befunde decken sich wieder mit denen, die Becker, Wagner und Christ (2007) für die Jahre 2002 bis 2006 ermittelt haben. Unsere Stichprobe scheint zumindest im Hinblick auf nationalistische und patriotische Einstellungen ein gewisses Spiegelbild der deutschen Grundgesamtheit darzustellen. Einzelitem-Skalen: Outgroup-Ablehnung – Ausländerablehnung, Antisemitismus, Ablehnung von Muslimen, Pro- oder Anti-Amerikanismus Je nach politischer und/oder ideologischer Orientierung kann sich diese Verantwortungszuschreibung für den Terrorismus auf ganz unterschiedliche Fremdgruppen beziehen. Nach dem 11.9.2001 bezieht sich diese Verantwortungszuschreibung zunächst und vornehmlich auf die Muslime. Schon 1992 konnte Johnson (1992) zeigen, dass Muslime als nichtvertrauenswürdig, unzivilisiert und als Unterstützer des Terrorismus betrachtet wurden. Zwei Jahre nach den Anschlägen in New York konstatiert Wilhelm Heitmeyer (2003, S. 267), dass rund 65% der Deutschen die Auffassung vertreten, die muslimische Kultur passe nicht in unsere Welt. Wir haben deshalb eines der Items, die Heitmeyer und Kollegen (2007, S. 26) zur Operationalisierung der „Islamophobie“ im Rahmen der Längsschnittstudie zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit einsetzen, auch in unserer Studie genutzt, um die Ablehnung von Muslimen zu erfassen. Darüber hinaus scheint die Outgroup-Ablehnung in Folge von wahrgenommener Terrorbedrohung auch durch eine generelle Ablehnung von Ausländern gekennzeichnet zu sein. Überdies konnten Echebarria-Echabe und FernándezGuede (2006) zeigen, dass nach den Bombenangriffen in Madrid 2004 nicht nur antiarabische, sondern auch antisemitische Einstellungen zunahmen. Deshalb haben wir aus einer gut bewährten Skala zur Erfassung antisemitischer Einstellungen (Frindte, 2006; Frindte, Wettig & Wammetsberger, 2005) ein Item ausgewählt, dass manifeste antisemitische Einstellungen messen soll. Außerdem konnten Cohrs et al. (2003, 2005a) zeigen, dass Personen, die ihren Angaben nach pazifistisch sind, die Außenpolitik der USA und die wirtschaftliche Dominanz des Westens für wichtige Ursachen der Terroranschläge vom 11. September halten. Um zumindest einen gewissen Eindruck von den Einstellungen der Interviewten gegenüber der US-amerikanischen Politik zu bekommen, wurde auf ein Item aus der von Cohrs et al. (ebenda) entwickelten Skala „Einstellungen zu den USA“ zurückgegriffen (s.u.), das eine „pro-amerikanische“ Meinung widerspiegeln soll.
69
Mit diesem Item haben auch wir nationalistische Einstellungen zu operationalisieren versucht (siehe oben).
150
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
Vor diesen Hintergründen haben wir zunächst die vier folgenden Einzelitem-Skalen gebildet, die jeweils wieder mit einer sechsstufigen Likertskala (1 = stimme gar nicht zu; 6 = stimme voll zu) versehen waren. Außerdem wurde aus zwei Items (Ausländerablehnung und Ablehnung von Muslimen, siehe unten) über die gemittelten Itemwerte je Erhebungswelle eine neue Skala „Outgroup-Ablehnung“ gebildet. Dass die Items zur Erfassung antisemitischer bzw. proamerikanischer Einstellungen nicht mit aufgenommen wurden, ergab sich aus den geringen Korrelationen dieser Items mit den beiden anderen. Die Itemformulierungen und die statistischen Kennwerte finden sich in folgender Tabelle: Tabelle 5.18: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für „Ausländerablehnung“, „Antisemitismus“, „Ablehnung von Muslimen“ „Pro-USA-Einstellungen“ und „OutgroupAblehnung“, Welle 1 bis 3 Skalenbezeichnung
Itemformulierung
Welle 1 M s
Welle 2 M s
Welle 3 M s
Ausländerablehnung, Anti-Ausl
Es leben zu viele Ausländer in Deutschland.
1.70
1.23
2.12
1.53
2.20
1.39
Antisemitismus, Anti_Sem
Die Juden haben zu viel Einfluss in Deutschland.
1.42
.95
1.46
.99
1.68
.109
Ablehnung von Muslimen, Anti_Muslim
Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.
1.31
.69
1.60
1.13
1.78
1.18
Pro-Amerikanische Einstellungen, ProUSA
Die militärische Macht der USA schafft Sicherheit und Stabilität in der Welt.
2.29
1.29
1.95
1.12
2.32
1.13
1.51
.83
1.86
1.16
1.99
1.19
Outgroup-Ablehnung (2 Items ohne Antisemitismus)
Tabelle 5.19: Retest-Stabilität für „Ausländerablehnung“, „Antisemitismus“, „Ablehnung von Muslimen“ „Pro-USA-Einstellungen“ und „Outgroup-Ablehnung“ zwischen den jeweiligen Erhebungswellen 1-3 Skalen-Kürzel Anti_Ausl Anti_Sem Anti_Muslim Pro-USA Out_Ablehnung
Welle 1/Welle2 .77 .50 .54 .77 .81
Retest-Stabilität Welle 2/Welle3 .82 .68 .55 .71 .81
Welle 1/ Welle 3 .82 .52 .50 .66 .81
2 Methodik
151
Die mittleren Ausprägungen der Ausländerfeindlichkeit unterscheiden sich über die drei Wellen bei jenen Personen, die an allen drei Wellen teilgenommen haben (abhängige Stichproben; N = 50) nicht signifikant und liegen in allen drei Wellen unter dem Skalenmittel von 3.0. Damit weisen die Werte im Vergleich mit den in der Längsschnittstudie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zwischen 2002 und 2007 ermittelten Befunde (Heitmeyer, 2008) niedrigere Ausprägungen auf. Dort schwanken sie zwischen 2.5 (im Jahre 2002) und 2.4 (im Jahre 2007) leicht oberhalb des Skalenmittels von 2.0. Auch die Antisemitismus-Werte und die Ausprägung der Ablehnung von Muslimen unterscheiden sich bei den Personen, die an allen drei Interviewwellen teilgenommen haben, nicht signifikant; und sie liegen ebenfalls weit unter dem Skalenmittel. Das aus der Studie von Cohrs et al. (2003) ausgewählte Item zum Pro-Amerikanismus zeigt ebenfalls über die drei Erhebungswellen stabil niedrige Werte unterhalb des Skalenmittels und verweist auf die nur marginal ausgeprägten USA-freundlichen Einstellungen unserer Interviewpartner. Wie bereits berichtet, haben wir aus zwei Items (Ausländerablehnung und Ablehnung von Muslimen) eine neue Skala „Outgroup-Ablehnung“ gebildet. Die Ausprägungen auf dieser Skala sind der folgenden Abbildung zu entnehmen.
Abbildung 5.6: Outgroup-Ablehnung (Mittelwerte) für die Erhebungswellen 1 bis 3
152
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
Auch die Werte dieser Skala („Outgroup-Ablehnung“) liegen jeweils unterhalb des Skalenmittels. Über die Interviewwellen hinweg ist bei jenen Personen, die an allen drei Wellen teilgenommen haben (N = 50), aber eine signifikante Zunahme an diskriminierenden Einstellungen zu beobachten (M1=1.79, M2=2.07; t(49)=-2.79, p =.008; M1=1.79, M3=1.97; t(49)=.1.76, p < .05; M2=2.07, M3=1.97; t(49)=.96, p = .34). Das heißt, die Outgroup-Diskriminierung nimmt von Welle 1 zu Welle 2 hochsignifikant und von Welle 1 zu Welle 3 signifikant zu. Medienwahl- und Mediennutzungsverhalten: Dauer, Präferenzen, Motive, Beeinflussbarkeit (Dritte-Person-Effekt) Mit den Variablen zur Medienwahl und zum Mediennutzungsverhalten bauen wir quasi die Brücke zur zentralen Fragestellung 1: Welche Rolle spielen also die Verbreitungsmedien in der Terrorismus-Inszenierung und in welcher Weise können die von Medien produzierten und konstruierten medialen Frames über den Terrorismus den individuellen Interpretationen (den individuellen Frames) über Terrorismus entsprechen, diese verstärken oder verändern? Um diese Fragen beantworten zu können, war es notwendig zu erfahren, ob und in welchem Umfange die Interviewten die medialen Terrorismus-Inszenierungen überhaupt rezipieren. Dazu haben wir die Interviewten gebeten, folgende Fragen bzw. Items zu beantworten: Erstens: Im qualitativen, nichtstandardisierten Teil des Interviews beantworteten die Interviewten in allen drei Erhebungswellen zunächst folgende offene Fragen, mit denen die Präferenzen für bestimmte Verbreitungsmedien und die Dauer des Fernsehkonsums abgefragt werden sollten:
Welche Medien (Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, Internet) nutzen Sie? Wie viel Fernsehen schauen Sie pro Woche (ca. in Stunden)?
Die Antworten wurden transkribiert und werden weiter unten berichtet. Zweitens: In den Erhebungswellen 2 und 3 wurden die Interviewten überdies gebeten einzuschätzen, in welchem Verhältnis ihr Fernsehkonsum zur Nutzung anderer Medien steht (TV prozentual gegenüber anderen Medien) und in welchem Umfange sie öffentlichrechtliches Fernsehen im Vergleich zu privaten Fernsehsendern nutzen (öffentlichrechtliches TV prozentual gegenüber privaten Sendern). Drittens: Außerdem wurden den Interviewten in den Wellen 2 und 3 folgende standardisierten Fragen vorgelegt, die auf einer sechsstufigen Skala (1 = unwichtig, 6 = sehr wichtig bzw. 1 = gar nicht; 6 = sehr stark) beantwortet werden konnten:
Wie wichtig ist Ihnen ein täglicher Nachrichtenkonsum im TV? In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: ARD? In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: ARTE? In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: n-tv? In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: RTL? In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: Sat.1? In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: ZDF?
2 Methodik
153
Die folgenden Tabellen berichtet über die Kennwerte aller Items bzw. der Indizes, mit denen wir im standardisierten Teil des Interviews das Medienwahl- und Mediennutzungsverhalten zu erheben versuchten: Tabelle 5.20: Statistische Kennwerte (M=Mittelwert, s=Streuung) für Items des Medienwahl- und Mediennutzungsverhaltens, Welle 1 bis 3 Item- bzw. Skalenbezeichnung
TV prozentual gegenüber anderen Medien
Öffentlichrechtliches TV prozentual gegenüber privaten Sendern TV-Wichtigkeit
ARD-Nutzung
ARTE-Nutzung
nt-v-Nutzung
RTL-Nutzung
Sat.1-Nutzung
ZDF-Nutzung
Itemformulierung
Wie viel Fernsehen schauen Sie pro Woche (ca. in Stunden)? Gewichten Sie bitte, welchen Anteil Ihr Fernsehkonsum im Vergleich zur Nutzung anderer Medien einnimmt (prozentuale Angaben). Gewichten Sie bitte, welchen Anteil Ihr Fernsehkonsum von öffentlich-rechtlichen Sendern im Vergleich zur Nutzung der Privaten einnimmt (prozentuale Angaben). Wie wichtig ist Ihnen ein täglicher Nachrichtenkonsum im TV? (1=unwichtig; 6=sehr wichtig) In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: ARD (1=gar nicht; 6=sehr stark) In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: ARTE (1=gar nicht; 6=sehr stark) In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: n-tv (1=gar nicht; 6=sehr stark) In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: RTL (1=gar nicht; 6=sehr stark) In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: Sat.1 (1=gar nicht; 6=sehr stark) In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: ZDF (1=gar nicht; 6=sehr stark)
Welle 1
Welle 2
M
s
15.2
7.3
Welle 3
M
s
M
s
11.5
8.6
12.9
8.1
42.2
27.9
45.2
30.1
76.4
25.7
72.8
30.5
3.72
1.59
4.84
1.71
4.64
1.65
4.84
1.42
2.63
1.58
3.07
1.71
2.15
1.31
2.22
1.44
2.13
1.48
2.33
1.42
1.77
1.17
1.67
.85
4.03
1.75
4.45
1.56
Die Angaben, wie viel Stunden pro Woche geschaut wird, unterscheiden sich über die drei Wellen hinweg nicht signifikant. Ebenso gibt es zwischen Welle 2 und 3 keine signifikanten Unterschiede in den Angaben zum Fernsehkonsum im Vergleich zur Nutzung anderer Medien, in der Nutzung öffentlich-rechtlicher und privater Sender und in den Angaben zur Wichtigkeit des täglichen Fernsehkonsums. Auch die Werte der weiteren Variablen zur
154
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
Erfassung des Mediennutzungsverhaltens unterscheiden sich zwischen Welle 2 und 3 nicht signifikant. Um die selbst eingeschätzte Beeinflussbarkeit durch mediale Berichterstattung zu erfassen, haben wir außerdem auf ein prominentes und medienpsychologisch gut untersuchtes Konzept zurückgegriffen: auf den Third-Person-Effect (Dritte-Person-Effekt, im Folgenden: DPE). Der DPE wurde bereits 1983 von W. Phillips Davison (Davison, 1983) untersucht und besagt, dass Personen ihren Mitmenschen eine höhere Beeinflussbarkeit durch Medieninhalte zuschreiben als sich selbst. Das heißt, die eigene Person wird als kaum beeinflussbar wahrgenommen, wohingegen Fremde als besonders leicht „manipulierbar“ gelten (Davison, 1996; Perloff, 1993). Inzwischen wird der von Davison postulierte Effekt als robuster empirischer Befund betrachtet (Hoffner et al., 1999, 2001; Hwang et al., 2008; Perloff, 1999). Auch liegen mittlerweile zahlreiche Untersuchungen vor, die zeigen können, dass sich der DPE unter bestimmten Bedingungen auch umkehren kann. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn es als „smart“ gelten kann, sich beeinflussen zu lassen. Der zum DPE gegenläufige Effekt – der „Erste-Person-Effekt“ – beschreibt die Neigung des Rezipienten einen Medieneinfluss auf sich selbst als stärker wahrzunehmen, als auf die Mitmenschen. Bei Werbethemen mit „Non-Profit-Inhalten“ (z.B. Spendenaufrufe) oder staatlichen Aufklärungskampagnen (z.B. Anti-Raucher-Kampagnen) kann beobachtet werden, dass sich der DPE stark abschwächt und sich teilweise im Sinne eines Erste-Person-Effektes umkehrt (Moser & Leitl, 2006). Im standardisierten Teil der Interviews haben wir den DPE in vier Kontexten zu erfassen versucht: 1. 2. 3. 4.
Als Einschätzung, wie begründet die eigene politische Meinungsbildung im Vergleich zur Allgemeinheit und im Vergleich zu Freunden beurteilt wird. Als Einschätzung, wie stark man sich selbst im Vergleich zur Allgemeinheit und zu Freunden durch die Massenmedien beeinflussen lässt. Als Einschätzung, wie stark man sich selbst im Vergleich zur Allgemeinheit und zu Freunden durch die privaten Fernsehsender beeinflussen lässt. Als Einschätzung, wie stark man sich selbst im Vergleich zur Allgemeinheit und zu Freunden durch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender beeinflussen lässt.
Die zur Operationalisierung des DPE entwickelten Items orientieren sich an den von Neuwirth, Frederick und Mayo (2002) genutzten Aussagen. Im Folgenden sind die Itemformulierungen und ihre Kürzel aufgelistet. Die Items waren auf einer sechsstufigen Likertskala (1 = sehr gering; 6 = sehr groß) zu beantworten. Zum Kontext 1:
DPE_3a: Wie gut begründet ist die politische Meinungsbildung der Allgemeinheit? DPE_3b: Wie gut begründet ist die politische Meinungsbildung Ihres Freundeskreises? DPE_3c: Wie gut begründet ist Ihre eigene politische Meinungsbildung?
2 Methodik
155
Zum Kontext 2:
DPE_4a: Wie stark lässt sich die Allgemeinheit durch die Massenmedien beeinflussen? DPE_4b: Wie stark lässt sich Ihr Freundeskreis durch die Massenmedien beeinflussen? DPE_4c: Wie stark lassen Sie sich selbst durch die Massenmedien beeinflussen?
Zum Kontext 3:
DPE_1a: Wie groß ist der Einfluss der Privatsender auf die Meinungsbildung der Allgemeinheit über Terrorismus? DPE_1b: Wie groß ist der Einfluss der Privatsender auf die Meinungsbildung Ihres Freundeskreises über Terrorismus? DPE_1c: Wie groß ist der Einfluss der Privatsender auf Ihre eigene Meinungsbildung über Terrorismus?
Zum Kontext 4:
DPE_2a: Wie groß ist der Einfluss der öffentlich-rechtlichen Sender auf die Meinungsbildung der Allgemeinheit über Terrorismus? DPE_2b: Wie groß ist der Einfluss der öffentlich-rechtlichen Sender auf die Meinungsbildung Ihres Freundeskreises über Terrorismus? DPE_2c: Wie groß ist der Einfluss der öffentlich-rechtlichen Sender auf Ihre eigene Meinungsbildung über Terrorismus?
Zur Analyse des DPE in den vier Kontexten bildeten wir über alle drei Wellen jeweils einen Index nach folgenden Subtraktionsvorschriften:
DPE-Begründung der politischen Meinung (DPE_PolMei): DPE_3a – DPE_3c. DPE-Beeinflussung durch Massenmedien (DPE_Mass): DPE_4a – DPE_4c. DPE-Beeinflussung durch Privatsender (DPE_Privat): DPE_1a – DPE_1c. DPE-Beeinflussung durch Öffentlich-Rechtliche (DPE_Öffent_Recht): DPE_2a – DPE_2c.
Die auf diese Weise für jede interviewte Person ermittelten Differenz-Indizes verweisen bei hohen positiven Werten darauf, dass die Allgemeinheit als beeinflussbarer angesehen wird und ein Dritte-Person-Effekt vorliegt. Bei niedrigen Werten sieht man sich selbst als beeinflussbarer im Vergleich zur Allgemeinheit an und es ist ein Erste-Person-Effekt zu vermuten.
156
V Individuelle Interpretationen des Terrorismus I
Tabelle 5.21: Retest-Stabilität für Items des Medienwahl- und Mediennutzungsverhaltens II zwischen den jeweiligen Erhebungswellen 1-3 Index-Kürzel DPE_PolMei DPE_Mass DPE_Privat DPE_Öffent_Recht
Retest-Stabilität der DPE-Indizes Indexbezeichnung Welle 1/Welle2 Welle 2/Welle3 DPE-Begründung der .60 .66 politischen Meinung DPE-Beeinflussung .42 .49 durch Massenmedien DPE-Beeinflussung .52 .54 durch Privat-TV DPE-Beeinflussung .45 .11 durch ÖffentlichRechtliche
Welle 1/ Welle 3 .28 .29 .58 .14
Die Retest-Stabilität des Dritte-Person-Effekts weist eigentlich nur bei der Beeinflussung durch private Fernsehsender über alle drei Wellen hinweg gleich bleibende relativ zufrieden stellende (wenn auch nicht sonderlich hohe) Werte aus. Die Werte in den DPE-Indizes „DPE-Begründung der politischen Meinung“70 und „DPE-Beeinflussung durch Öffentlich-Rechtliche“71 weisen niedrige Werte auf, was darauf schließen lässt, dass die Interviewten im Mittel meinen, a. ihre eigene politische Meinung sei begründeter als die der Allgemeinheit und b. sie (die Interviewten) würden sich in ihrer Meinungsbildung über den Terrorismus stärker als die Allgemeinheit von den öffentlichrechtlichen Fernsehsendern beeinflussen lassen, was in diesem Falle für einen Erste-PersonEffekt spricht. Hingegen weisen die Indizes zu „DPE-Beeinflussung durch Massenmedien“72 und „DPE-Beeinflussung durch Privat-TV“73 relativ hohe Werte auf, was für das Auftreten eines Dritte-Person-Effekts zumindest in der Einschätzung des Einflusses der Massenmedien im Allgemeinen und der privaten Fernsender im Besonderen sprechen könnte. Allerdings scheint dieser Dritte-Person-Effekt über die drei Interviewwellen hinweg nicht für alle Interviewten zu gelten. Zumindest gibt es in jeder Interviewwelle zwischen 9% bis 14% von Interviewten, die sich durch die privaten Fernsehsender in ihrer Meinungsbildung über den Terrorismus stärker oder zumindest in ähnlicher Weise wie die Allgemeinheit beeinflusst sehen.
70 71 72 73
Die Indizes, welche den Dritte-Personen-Effekt hier anzeigen, bewegen sich zwischen -1.52 (W1), -1.48 (W2) und -1.44 (W3). Die Indizes, welche den Dritte-Personen-Effekt hier anzeigen, bewegen sich zwischen 0.04 (W1), 0.02 (W2) und -0.40 (W3). Die Indizes, welche den Dritte-Personen-Effekt hier anzeigen, bewegen sich zwischen 1.73 (W1), 1.60 (W2) und 1.63 (W3). Die Indizes, welche den Dritte-Personen-Effekt hier anzeigen, bewegen sich zwischen 2.21 (W1), 2.17 (W2) und 2.38 (W3).
3 Wie weiter?
157
3 Wie weiter? 3 Wie weiter? Im nächsten Kapitel werden wir die Befunde, die wir mit der standardisierten Befragung und dem halbstandardisierten Interview gewonnen haben, zusammenführen und bezogen auf die zentralen Ergebniskomplexe darstellen und interpretieren. Außerdem werden wir Ergebnisse präsentieren, die eine Brücke zu den Befunden unserer Medienanalysen (Kap. IV) zu schlagen gestatten. Das heißt, es wird im folgenden Kapitel auch darum gehen, Zusammenhänge zwischen den medialen Konstruktionen des Terrorismus und seinen individuellen Interpretationen aufzudecken. Die von uns gewählten Strategien zur Analyse und Interpretation dieser Zusammenhänge lässt sich wieder recht gut mit einem Hinweis von Paul Feyerabend, den wir schon am Ende des dritten Kapitels zitiert haben, beschreiben: „Für die objektive Erkenntnis brauchen wir viele verschiedene Ideen. Und eine Methode, die die Vielfalt fördert, ist auch als einzige mit einer humanistischen Auffassung vereinbar“ (Feyerabend, 1986, S. 54).
Wolfgang Frindte, Jens Jirschitzka, Susan Gniechwitz & Daniel Geschke
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II: Interviews und standardisierte Befragung – Ergebnisdarstellung und Interpretation VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
1 Darstellungslogik 1 Darstellungslogik Um die folgenden Ergebniskomplexe zu strukturieren, gehen wir von der schon mehrfach erwähnten und gezeigten Übersicht der operationalisierten Variablen aus (siehe folgende Abbildung 6.1).
Abbildung 6.1: Übersicht über die in der Befragung und in den Interviews operationalisierten Variablen
W. Frindte, N. Haußecker (Hrsg.), Inszenierter Terrorismus, DOI 10.1007/978-3-531-92579-0_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
160
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Dieser Struktur entsprechend berichten wir über folgende qualitativ-quantitativen Ergebniskomplexe: 1. 2.
3. 4. 5. 6.
7. 8.
Über die individuellen (geschlechterspezifischen) Interpretationen von Terrorismus und Terroristen, Über den Einfluss ausgewählter soziodemographischer Variablen (Geschlecht, Alter, Bildung, Familienstand) auf das Erleben von Bedrohungen angesichts des Terrorismus, Über die individuellen Attributionen über Ursachen und Wirkungen bzw. Folgen des Terrorismus, Über den Einfluss ausgewählter soziodemographischer Variablen (Geschlecht, Alter, Bildung, Familienstand) auf die Einstellungen zu Anti-Terror-Maßnahmen, Über Zusammenhänge von Bedrohungserleben und Einstellungen gegenüber AntiTerror-Maßnahmen, Über Zusammenhänge von individuellen Einstellungen (Autoritarismus, Wertorientierungen, politische und religiöse Orientierungen) und Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen, Über kausale Zusammenhänge zwischen Bedrohungserleben, Outgroup-Ablehnung und Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen, Über den Einfluss medialer Berichterstattungen über Terrorismus auf das Bedrohungserleben und auf die Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen.
Für jeden einzelnen Ergebniskomplex liegen qualitative und/oder quantitative Befunde vor. Bei jenen Ergebniskomplexen, die sich sowohl auf die halbstandardisierten Interviews als auch auf die standardisierten Befragungen stützen, beginnen wir die Darstellung mit ausgewählten wörtlichen Zitaten aus den transkribierten Interviews der ersten Erhebungswelle. Danach werden zusammengefasste und deskriptive Ergebnisse aus den quantitativ mit SPSS aufbereiteten Interviewdaten der ersten Erhebungswelle vorgestellt und – sofern relevant und aussagekräftig – mit entsprechenden Daten aus den zwei anderen Erhebungswellen und mit den deskriptiv und prüfstatistisch aufbereiteten Befunden aus den standardisierten Befragungen aller drei Erhebungswellen verglichen (die jeweilige Datenbasis wird dabei immer explizit hervorgehoben). Außerdem präsentieren wir deskriptive und prüfstatistische Befunde aus der standardisierten Befragung, mit denen auf eventuelle Veränderungen der damit operationalisierten Variablen über die drei Erhebungswellen hingewiesen werden soll (Panelvergleich). Bei der Darstellung der Panelbefunde ist zu beachten, dass sich die Mittelwerte je Erhebungswelle in den später dargestellten Abbildungen und in den Angaben zu den prüfstatistischen Befunden wegen der unterschiedlichen Stichprobengröße nicht notwendigerweise decken. Die Mittelwertangaben in den nachfolgenden Abbildungen stützen sich – wenn keine anderen Angaben gemacht werden – auf die drei unterschiedlich starken originalen Stichprobengrößen (N=103 aus der 1. Erhebungswelle, N=78 aus der 2. Welle, N=50 aus der 3. Welle)74. 74
Den prüfstatistischen Angaben hingegen liegen generell nur die Mittelwerte der Personen zugrunde, die an allen drei Erhebungswellen teilgenommen haben (N = 50).
2 Ergebnisse und Interpretationen
161
Um es noch einmal zu betonen: Unsere Ergebnisdarstellung folgt einer komplexen Darstellungslogik, in der die qualitativen und quantitativen Befunde je Erhebungswelle und im Vergleich über alle drei Erhebungswellen bezogen auf die o.g. einzelnen Ergebniskomplexe zusammengefasst berichtet und interpretiert werden. Diese Darstellungsweise erlaubt es uns, die verschiedenen Auswertungsverfahren und die damit gewonnenen Ergebnisse aufeinander zu beziehen, im Sinne einer Triangulation wechselseitig abzugleichen und ein zusammenfassendes Interpretationsangebot je Ergebniskomplex vorzulegen. Um den Lesern die Orientierung und den Umgang mit unserer Darstellungsweise zu erleichtern, haben wir die jeweils genutzten Daten durch folgende kursiv gesetzte Überschriften gekennzeichnet: Interviewbeispiele (Zitate aus den transkribierten Interviews), Aggregierte Interviewdaten (deskriptive Ergebnisse aus den SPSS-aufbereiteten Interviewdaten), Quantitative Befunde der standardisierten Befragung (deskriptive und prüfstatistische Befunde aus Erhebungswelle 1, 2 und 3), Quantitativer Panelvergleich (Veränderungen der damit operationalisierten Variablen über die drei Erhebungswellen). Die Darstellung jedes einzelnen Ergebniskomplexes wird mit einem kurzen Fazit (als Interpretationsangebot) abgeschlossen.
2 Ergebnisse und Interpretation 2 Ergebnisse und Interpretationen 2.1 Individuelle (geschlechterspezifische) Interpretationen von Terrorismus und Terroristen Die individuellen Interpretationen von Terrorismus und Terroristen wurden ausschließlich in den halbstandardisierten Interviews erfragt. Die erste zentrale Interviewfrage zu diesem Komplex lautete: Was sind Terroristen für Menschen? Interviewbeispiele: Wir illustrieren die Aussagen zu dieser Frage zunächst mit ausgewählten Zitaten aus Interviews der Erhebungswelle 1.75 AJ00 (männlich): „… Also es gibt sehr fanatische, selbst angetriebene Leute und auch kleine verleitete Wichte, die was eingeredet kriegen und das dann tun.“ NM72 (männlich): „…Ich glaube das ist eine gezielte Beeinflussung irgendwie. Ich glaube nicht, dass jemand aus dem Bett aufwacht und sagt, ich bin jetzt Terrorist. Sondern es ist irgendwie ähm -. Das sind äußere Umstände, wo man aufgewachsen ist und wer einem was für Sachen erzählt und ähm ja. Das ist auf jedem Fall Beeinflussung von Außen.“
75
Individuelle Besonderheiten in der Aussprache und Sprechweise der Interviewten sind in den Originalinterviews so wie wiedergegeben vorhanden. Häufige Pausen oder Zwischenlaute werden allerdings weggelassen.
162
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
RG68 (männlich): „Ja, wie schon gesagt, also es sind halt irgendwie verzweifelte Menschen, die jetzt ist ja ein letzter Schritt, ich meine Terroranschlag endet ja meistens mit dem Ende des eigenen Lebens und von daher müssens verzweifelte Menschen sein, oder äh sehr indoktrinierte Leute mehr so, die die halt so sehr manipuliert wurden, dass sie sozusagen sich selbst aufgeben für ne größere Sache. Von daher sind's für mich also nicht unbedingt gesunde Menschen, weil wenn man an so nen Punkt kommt, wo man sich wirklich seines Lebens entledigen will, obs nun aus nem Wahn heraus ist oder für ne größere Sache, kanns für mich irgendwie kein gesunder Zustand mehr sein. Ja also, wie gesagt, also bei mir ist halt wirklich die Gefahr, dass ich mir die Leute wirklich äh als mehr als Opfer sehe denn als Täter und ich dann immer irgendwie nach den Strukturen frage, die denn dahinter stehen. Weil durch irgendwas sind die halt beeinflusst und getrieben worden zu dieser Tat und ja, das wäre die- dieser Punkt.“ DR61 (weiblich): „Skrupellos, ähm, völlig fanatisch, weil sie ja meistens auch irgendeiner Religion oder ja, und …ich komme jetzt auf den einen Begriff nicht. Also sich sehr in ihre Ideale reinsteigernd, nicht fanatisch, das ist der falsche, das ist ein anderer Begriff. Ich komme jetzt nicht drauf. Also zumindest unmenschlich, würde ich mal sagen.“ IG52 (weiblich): „Fanatische, fanatische, radikale Menschen, die Dinge oder ihre Umwelt nur von einer Seite sehen können, in der Art eben [ja] und als aggressiv, empfinde ich sie auch noch.“ Zunächst scheinen sich die Aussagen der Interviewten sehr zu ähneln. Terroristen werden als fanatisch bzw. als Verführte beschrieben. Eine nähere Betrachtung zeigt aber doch gewisse Unterschiede. Der Vergleich zwischen den Zitaten der drei männlichen Interviewten und der zwei weiblichen macht auf einen Unterschied aufmerksam, der sich in der Betrachtung aller Interviews der ersten Welle und im Vergleich zwischen männlichen und weiblichen Interviewten noch erhärtet: Während Frauen „den Terroristen“ als Individuum im Blick haben, beziehen männliche Interviewte vornehmlich externe Bedingungen, unter denen Menschen zu Terroristen werden können, in ihre Urteile ein. Aggregierte Interviewdaten: Sehen wir uns zunächst im Überblick die von allen Interviewten der ersten Erhebungswelle genannten Beschreibungen über Terroristen an (Abbildung 6.2).
2 Ergebnisse und Interpretationen
163
Abbildung 6.2: Aggregierte Interviewdaten zur Leitfrage „Was sind Terroristen für Menschen?“, Welle 1; die Antworten pro Ausprägung stützen sich auf die N = 97, die am halbstandardisierten Interview teilgenommen haben; Häufigkeit der Antwortkategorien in %; Prozentwerte ergänzen sich nicht zu 100%
Aus Sicht der Interviewten erscheinen Terroristen vor allem als manipuliert, verführt und fehlgeleitet, die unmenschlich handeln, aber durchaus auch als verzweifelte bzw. als extrem fundamentalistisch orientierte oder religiös überzeugte Menschen, die sich selbst opfern. Dass den Terroristen von mehr als 20% der Interviewten auch positive allgemein menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden, ist überdies bemerkenswert. Betrachtet man die aggregierten Einschätzungen von männlichen und weiblichen Interviewten der ersten Welle im Vergleich, so zeigen sich noch weitere Auffälligkeiten (vgl. auch Abbildung 6.3):76 Frauen heben in ihren Beschreibungen von „den Terroristen“ stärker 76
Auf eine Berechnung von Chi²-basierten Unabhängigkeitstests wird an dieser und späteren Stellen verzichtet, da die Stichprobenanzahl sehr gering ist und die erwarteten Häufigkeiten z. T. kleiner als 5 sind (vgl. z.B. Nachtigall & Wirtz, 1998). Die entsprechenden Diagramme haben damit vor allem beschreibenden und qualitativen Charakter und komplettieren die Ergebnisse der quantitativen Ratingskalen.
164
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
als Männer individuelle Besonderheiten hervor. So nennen Frauen deutlich häufiger als Männer Merkmale wie „unmenschlich/inhuman“ (Frauen 37%, Männer 27%), „extrem/ fundamentalistisch“ (Frauen 30%, Männer 22%) und „pathologisch/abhängig“ (Frauen 20%, Männer 10%), aber auch „hoch gebildet“ (Frauen 15%, Männer 6%), um Terroristen zu charakterisieren. Für Männer scheinen solche persönlichen Merkmale weitaus weniger relevant zu sein. Um Terroristen als Menschen zu beschreiben, werden von den Männern häufiger als bei Frauen Attribute wie „manipuliert/verführt/fehlgeleitet“ (Männer 39%, Frauen 28%) oder „Personenschaden zufügen wollen“ (Männer 14%, Frauen 9%) verwendet.
50%
Frauen
40% Männer
30% 20% 10%
Sachschaden
Verbohrt-starr
Niedrig-gebildet
Hoch-gebildet
Personenschaden
Macht-Größenwahn
Politisch-idealistisch überzeugt
Pathologisch-abhängig
Selbst opfern
Positive menschl. Eigenschaft
Religiös überzeugt
Extrem-fundamentalistisch
Verzweifelt-depriviert
Inhuman/unmenschlich
Manipuliert-verführtfehlgeleitet
0%
Abbildung 6.3: Aggregierte Interviewdaten zur Leitfrage „Was sind Terroristen für Menschen?“, Welle 1, N = 97; Häufigkeit der Antwortkategorien in %, Männer vs. Frauen
Man könnte meinen, dass „Terroristen“ aus Sicht der Männer eher external gesteuerte „Kampfmaschinen“ sind, die trainiert oder „programmiert“ werden, maximalen Schaden herbeizuführen. Frauen hingegen versuchen, das Verhalten von Terroristen als Indiz für individuelle Überzeugungen zu interpretieren. Wenn wir die von allen Interviewten über alle drei Erhebungswellen genannten Beschreibungsmerkmale, Interpretationen und Assoziationen über „Terroristen“ schematisch anhand der im Codebuch verankerten Auswertungskategorien (vgl. Kap. V) zusammenfassen, so zeigt sich ein noch differenzierteres Muster (siehe Abbildung 6.4).
2 Ergebnisse und Interpretationen
165
Was sind Terroristen für Menschen? Codieren von genannten Eigenschaften (Code: Terroristeneigenschaften) (trifft zu oder nicht) Oberkategorie A: Überzeugungstäter Ja oder Nein
Planer bzw. Veranlasser, Strippenzieher
Politisch überzeugt
Ausführer
Religiös überzeugt (fester Glaube)
Oberkategorie B: Verführte Ja oder Nein
Oberkategorie C: Unabhängig von A oder B genannte Eigenschaften und Merkmale
Handlungsziele
Allgemeine Eigenschaften
Bereit zu sterben, sich opfern
ehrgeizig
Bereit zu töten
Wertkonservativ
Politisch und religiös überzeugt Selbstmörder
Staat, Konzern, Gebäude etc. zerstören
Andere in Angst und Schrecken versetzen Wollen etwas erreichen
Fanatisch, fanatisiert, rücksichtslos
Skrupellos, kaltschnäuzig
Unzufrieden, hoffnungslos, verzweifelt Engstirnig, borniert, verbohrt
Sozialisation
Soziale Gründe, weil nichts mehr zu verlieren
Gehirngewaschen
Politisch überzeugt
Religiös überzeugt (fester Glaube) Politisch und religiös überzeugt
manipuliert
Fehlgeleitet
verblendet
Sozial nicht anerkannt, Halt suchend, gedemütigt
abhängig
Gut ausgebildet, intelligent
Ausführer
Stehen oder standen unter starker Beeinflussung
Übersteigertes Geltungsbedürfnis
Geistig krank, geistesgestört, krank, psychisch gestört, dumm
Planer bzw. Veranlasser, Strippenzieher
Verführt
reingeraten
Opfer
Geringe Bildung Wissen, was sie tun; haben eine Idee, haben ein Ziel, glauben an eine Sache Starke Menschen Ganz normal
Abbildung 6.4: Beispiel einer Codierstruktur zur Leitfrage „Was sind Terroristen für Menschen?“
166
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Fazit: Aus Sicht unserer Interviewpartner lassen sich Terroristen zumindest in zwei Kategorien einordnen: entweder in die Kategorie der „Überzeugungstäter“, denen auch extrem religiös bzw. politisch fundamentalistische Orientierungen zugeschrieben werden, oder der Kategorie der „Verführten“, die allerdings auch aus politischen und/oder religiösen Motiven heraus handeln. Darüber werden beiden Kategorien in z.T. unterschiedlicher Weise jene Eigenschaften zugeschrieben, die wir bereits in Abbildung 6.2. hervorgehoben haben. Die zweite Interviewfrage lautete: Nennen Sie bitte in Stichworten ihre ersten Gedanken! Was fällt Ihnen spontan zu den folgenden drei Begriffen – Terror, Terrorismus, Terroranschlag ein? Interviewbeispiele: Auch hier zunächst vier ausgewählte Zitate aus Interviews der Erhebungswelle 1: RW07 (weiblich): „Na, da weiß ich eben auch nicht, ob das alles so Dinge sind, die immer über den Äther gehen, um Angst zu machen und die Leute zu verunsichern, um nachher zu sagen: „Ach ja, wir (müssen) jetzt noch mal die Abhörmaßnahmen verfeinern“, die Herr Schäuble, jetzt so was fällt mir da immer ein. Und da denke ich: ‚Nützt den das jetzt eigentlich ganz gut?’ Da werde ich schon wieder misstrauisch. Wenn man die eigene Bevölkerung nicht liebt und als Feind ansieht, das haben wir ja schon mal erlebt im Osten, würde ich mal sagen, ist das gar nicht so schlecht, wenn es jetzt so was gibt. Das kann man ja gut ausbauen. So schlimm wie das ist, wenn jetzt so was passiert, wenn in der U-Bahn irgendwelche Anschläge vollzogen werden oder irgendwo anders. Das ist schlimm, aber ich denke manchmal: ‚Inwieweit sind wir mit dran schuld, dass überhaupt so was passiert ist.’ Und zum zweiten: Inwieweit nützt das jetzt wieder, um irgendwelche Mittel, Gesetze durchzudrücken und den eigenen Menschen in der Bevölkerung, also den eigenen, wie sagt man, die eigenen Menschen in der Gesellschaft zu kontrollieren, abzuschätzen...“ DE40 (männlich): „Ähm, des einen Terroristen ist des anderen Freiheitskämpfer. Hat, ähm, ich weiß es leider nicht mehr. Das fällt mir spontan zu Terrorist ein. Und zu Terrorismus, ähm, fällt mir ein, dass man natürlich, ähm, sehr, sehr viel irgendwie differenzieren kann, äh, in religiösen, politischen Terrorismus. Dass sich natürlich auch solche Dinge vermischen, dass es an sich kein neues Phänomen ist und dass es letztendlich immer als Art von Kriegstaktik, ähnlich der Guerillataktik genutzt wird von Gruppen, die an sich sozusagen nicht in einer Machtposition sind, um einen richtigen Krieg anfangen zu können bzw. nicht in der gesellschaftlichen Position sind, um anders ihre Interessen zu artikulieren bzw. deren Interessen sozusagen nicht wahrgenommen werden. Also immer als Reaktion auf ein Gerechtigkeitsdefizit auch in einer Gesellschaft.“ BJ86 (männlich): „Ja spontane Gedanken zu Terror, Terror kann vielseitig sein, kann überall sein. Wenn einer zehnmal am Tag anruft, kann ich das schon als Terror empfinden. Also hat auf jeden Fall was – für mich zu tun mit. Ja wie soll man das ausdrücken. Dass einem jemand absichtlich Schaden zufügen will. Es ist für mich, eine Art und Weise Krieg zu führen oder wie Krieg geführt wird, eben nur auf eine ganz andere Art und Weise. Es ist eben auch eh – mir fällt dann gleich die Bedrohung von meiner eigenen Person oder meines Umfeldes ein und dass man Terrorismus so richtig nicht
2 Ergebnisse und Interpretationen
167
Herr werden kann … Terroranschläge sind ein – ja eine Erscheinung, die sich – die zu Terrorismus gehören. Ja ein Terroranschlag, ein Angriff in jedweder Form muss nicht immer eine Bombe sein oder mit Toten verbunden sein. Es gibt auch Terroranschläge, die z.B. gezielt auf Gebäude oder Einrichtungen gezielt sind, auf Trinkwasserversorgung oder – Also ein Terroranschlag kann sehr sehr vielseitig sein, selbst wenn er – auch verbal.“ DS82 (weiblich): (Terror) „Ist was Schlimmes. (Terroranschlag) Ist genauso schlimm. Also es gibt ja nichts Schlimmeres. Das eine hat ja fast mit dem anderen zu tun. Kann man fast nicht ausschließen. Terrorismus macht einen Angst und man ist so ohnmächtig, ja, gegenüber dem, was soll man tun. Man weiß nicht, von jeder Ecke, wo es kommen kann.“ Die von den Interviewten über alle drei Erhebungswellen hinweg geäußerten Assoziationen sind so vielfältig, dass wir auf eine SPSS-Aufbereitung verzichten mussten. Stattdessen haben wir versucht, die zahlreichen und vielfältigen Assoziationen zu Terrorismus in Teamdiskussionen zusammenzufassen. Dabei kristallisierten sich im Wesentlichen die in folgender Abbildung 6.5 dargestellten Assoziationsgruppen heraus, die – das sei an dieser Stelle hervorgehoben – große Ähnlichkeiten mit einigen in der Medienanalyse faktorenanalytisch gewonnenen charakteristischen Dimensionen der Terrorismusberichterstattung aufweisen (so mit den Faktoren bzw. Dimensionen Islamistischer Terrorismus, EthnischNationalistischer/Separatistischer Terrorismus und Sozialrevolutionärer Terrorismus). Fazit In den Assoziationsgruppen finden sich sowohl verschiedene Formen des Terrorismus als auch Folgen terroristischer Anschläge, Verknüpfungen mit Krieg, Gewalt und Terror im Alltag aber auch Bezüge zu den anti-terroristischen Maßnahmen. Damit zeigt sich auch, dass die Befragten ein differenziertes Verständnis der einzelnen Terrorismusbegriffe äußern, welche jeweils sowohl historische als auch gegenwärtige Formen von Terrorismus umfassen.
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VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Assoziationen Terror, Terrorismus, Terroranschlag
Staatsterrorismus
z.B.Stalinismus, Nationalsozialismus
Religiös motivierter Terrorismus
z.B. islamistischer Extremismus
Sozial-
Ethnisch-
Revolutionärer
nationalistischer
Terrorismus
Terrorismus
z.B. RAF
z.B. ETA-Terror
Sachschäden
Personenschäden
Pro- und ContraArgumente
z.B. Zerstörungen
Physisch/ psychisch: Tote, Angst etc.
z.B. gerechter, ungerechter Terrorismus, Freiheitskampf
Krieg und Gewalt
Terror im Alltag
z.B. Krieg im Irak, in Afghanistan, Afrika, im Nahen Osten
z.B. Psycho-Terror
Anti-Terror
Z.B. Pro und Contra militärischer Einsätze, Sicherheit und Überwachung
Abbildung 6.5: Aggregierte Assoziationen zu den Begriffen „Terror“, „Terrorismus“ und „Terroranschlag“
2 Ergebnisse und Interpretationen
169
2.2 Der Einfluss ausgewählter soziodemographischer Variablen (Geschlecht, Alter, Bildung, Familienstand) auf das Erleben von Bedrohungen angesichts des Terrorismus Dieser Ergebniskomplex stützt sich auf die qualitativen Befunde aus den halbstandardisierten Interviews, die aggregierten SPSS-Aufbereitungen und auf die quantitativen Befunde der standardisierten Befragung. Wir beginnen wieder mit der Darstellung der Interviewbefunde. Die entsprechenden Leitfragen im Interview lauteten: A) B) C)
Was stellt Ihrer Meinung nach derzeit die größten weltweiten Bedrohungen dar? Denken Sie, dass Sie persönlich oder Ihre Familien bzw. Freunde Opfer eines Terroranschlages werden können? Inwiefern denken Sie, besteht eine konkrete Gefahr?
Interviewbeispiele: Zunächst zu drei ausgewählten Zitaten aus Interviews der ersten Erhebungswelle: BW39 (männlich): „Die größten weltweiten Bedrohungen? Erstens die Wasserknappheit, also die Ausbreitung der Dürren und Wasserknappheit, dann der Kampf ums Öl, der auch uns natürlich von den Medien auferlegt wurde, aber, also der Kampf um Ressourcen wie Öl und Gas, Wasser, Öl. Und dann vielleicht auch noch der Platz zum Leben für den Menschen. Also zumindest in den Bereichen des Lebens, wo die Lebensbedingungen sind, weil, es gibt ja noch genug Platz in Sibirien und Kanada oder auch in vielen Teilen Afrikas, aber dort kann man nicht adäquat leben. SG67 (männlich): Krieg, Egoismus und. Ich würde sagen unsoziale Gesellschaft, unsoziale Gesellschaft. TG30 (weiblich): Also die größte ist für mich die Umweltpolitik, weil da halt irgendwie nicht alle mitziehen wollen und es nicht funktionieren wird, wenn nicht alle mitziehen. Das zweite ist eher die Ungleichverteilung, also die Armut in der Dritten Welt beziehungsweise das extreme Geld- und Machtstreben in den westlichen Ländern. Und das dritte ist sicherlich auch Terrorismus, also dass halt einfach die Kulturkreise so weit auseinander differieren und immer extremer werden, dass sie bald nicht mehr miteinander auskommen können beziehungsweise es ja zum Teil jetzt schon nicht mehr können. Das sind so die drei wichtigsten Gebiete, also Umwelt, Armut und, ja, Terror möchte ich es nicht nennen, das ist so einen abgedroschene Phrase. Ja, Ungleichheit. Die Gefahren, die der Terrorismus mit sich bringen kann, tauchen erstaunlicherweise in diesen Zitaten nur am Rande auf. Sehen wir uns deshalb die aggregierten Interviewdaten zu dieser Frage an. Aggregierte Interviewdaten: Gefragt war in der o.g. Interviewfrage A) nach der derzeit größten weltweiten Bedrohung, die von den Interviewten momentan gesehen wird. Die Interviewpartner hatten die Möglichkeit, mehrere Bedrohungen zu nennen. In der folgenden Abbildung 6.6 haben wir
170
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
nur die Bedrohungsarten aufgeführt, die von den Interviewten in der ersten Erhebungswelle (Ende 2007 - Anfang 2008) jeweils auf den ersten Rangplatz gesetzt wurde. Wie zu sehen, meinte die Hälfte der 86 Interviewten, die auf diese Frage antworteten, nämlich 43, die größte Bedrohung gehe momentan vom Klima und der Umwelt aus. Nur 17 Interviewpartner sahen im Terror und dem Terrorismus die gegenwärtig größte Bedrohung.
Abbildung 6.6: Erstgenannte weltweit größte Bedrohung
Dabei unterscheiden sich Männer und Frauen in ihren Einschätzungen, wie die anschließende Abbildung 6.7 illustriert, nicht auffallend.
2 Ergebnisse und Interpretationen
171
Abbildung 6.7: Erstgenannte größte weltweite Bedrohung, Männer vs. Frauen
Sehen wir uns im Vergleich die Bedrohungseinschätzungen in der zweiten (Mai/Juli 2008) und dritten Erhebungswelle (Januar/März 2009) an (vgl. Abbildungen 6.8 und 6.9). Die Anzahl der Interviewten war – wie weiter oben erläutert – in diesen Erhebungswellen kleiner als in der ersten Welle; außerdem gaben nicht alle Interviewten auswertbare Einschätzungen ab.
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VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Abbildung 6.8: Erstgenannte weltweit größte Bedrohung
2 Ergebnisse und Interpretationen
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Abbildung 6.9: Erstgenannte weltweit größte Bedrohung
Die Veränderungen sind auffallend, aber nicht leicht zu interpretieren. In der zweiten Erhebungswelle nannte die Mehrheit der in dieser Welle Interviewten das Klima und die Umwelt als größte Quelle der weltweiten Bedrohungen; danach folgen gesellschaftliche Krisen (möglicherweise ist damit auch die sich ankündigende Finanzkrise gemeint) und danach erst der Terrorismus. In der dritten Erhebungswelle stehen der Terrorismus, Klima und Wirtschaft bzw. Kapital als mögliche größte Bedrohungen auf nahezu gleichem Rangplatz. Ob für diese Veränderungen zwischen Welle 2 und 3 die unterschiedlichen Stichprobengrößen (also methodische Gründe) oder tatsächliche Bedrohungswahrnehmungen (z.B. in Folge der Ende 2008 erfolgten Terroranschläge in Indien bzw. des Gaza-Krieges Ende 2008, Anfang 2009) verantwortlich sind, lässt sich kaum eindeutig interpretieren. Denkbar ist aber auch, dass die Interviewten durch die vorangegangenen Erhebungswellen und die geführten Interviews für die Terrorismusproblematik stärker sensibilisiert wurden. Interviewbeispiele zur o.g. Leitfrage B: „Denken Sie, dass Sie persönlich oder Ihre Familien bzw. Freunde Opfer eines Terroranschlages werden können?“:
174
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
DS82 (weiblich): „Das kann durchaus sein. Das hab ich ja vorhin schon gesagt. Das kann mich jeden Tag und meiner Familie, kann mir das passieren. Überall.“ TW42 (weiblich): „Ich hoffe es natürlich nicht, aber es kann passieren, klar. Warum – also klar kann es passieren.“ BW39 (männlich): Ich denke schon, aber realistischer ist, dass jemand Opfer eines Autounfalls wird oder sich beim Spazierengehen das Bein bricht. Also da ich viele Freunde habe, die rumreisen oder auch mal in Ecken rumreisen, wo so was passieren kann, ist es nicht unrealistisch, aber ob das wirklich zutrifft. DE40 (männlich): „Ja... Ähm, die latente Gefahr besteht immer, aber eine akute Gefahr besteht nicht.“ Aggregierte Interviewdaten: Die in diesen Zitaten sich andeutenden Unterschiede zwischen den männlichen und weiblichen Interviewpartnern, bestätigen sich, wenn die Aussagen aller Interviewpartner aus der ersten Erhebungswelle aggregiert werden (siehe folgende Abbildung 6.10). 50%
Frauen
46% 39%
40%
Männer
28%
30%
27%
24% 20%
17%
10%
0% Wahrscheinlichkeit immer gegeben
geringe Wahrscheinlichkeit
Wahrscheinlichkeit gleich null
Abbildung 6.10: Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terroranschlages zu werden (Welle 1), Männer vs. Frauen
Insgesamt sind 24% der Männer und 46% Frauen zum Zeitpunkt der ersten Erhebungswelle der Ansicht, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Terroranschlag im eigenen Umfeld
2 Ergebnisse und Interpretationen
175
immer gegeben sei. Dagegen meinen mehr Männer als Frauen, dass die Wahrscheinlich gleich Null sei (Männer 27%, Frauen 17%) oder nur eine geringe Wahrscheinlichkeit (Männer 39%, Frauen 28%) für einen Terroranschlag bestehe. Demnach fühlen sich die von uns interviewten Frauen durch Terroranschläge im eigenen persönlichen Umfeld bedrohter als die Männer. Quantitative Befunde der standardisierten Befragung: Wir betrachten deshalb im nächsten Schritt die entsprechenden Befunde aus der standardisierten Befragung. Wie im Kapitel V dargestellt, haben wir im Fragebogen das Erleben von Bedrohung durch den Terrorismus mit zwei Skalen erhoben: mit der Einzelitemskala „Erleben nationaler Bedrohung“ (Item: „Halten Sie es bloß für eine Frage der Zeit, bis auch Deutschland Schauplatz massiver Terroranschläge wird?“) und der reliablen Skala „Erleben persönlicher Bedrohung“. (Items: „Fühlen Sie sich persönlich durch Terroranschläge bedroht?“, „Haben Sie Angst vor Terroranschlägen hier in Deutschland?“, „Sind Sie besorgt, ob Sie in Deutschland vor Terroranschlägen sicher sind?“) Die deskriptive und prüfstatistische Auswertung der Antworten auf diesen Skalen zeigte folgende Ergebnisse: 1
2
3
4
Geschlechterunterschiede: Nur in der Erhebungswelle 1 äußerten Frauen stärker, sich durch den Terrorismus persönlich bedroht (M = 2.76) zu fühlen, als Männer (M = 2.13; t(97) = 2.40, p = .008), für nationales Bedrohungserleben fanden sich keine bedeutsamen Unterschiede. Auch in den Wellen 2 und 3 zeigten sich keine Geschlechterunterschiede im persönlichen und nationalen Bedrohungserleben. Altersunterschiede: Überdies und in Ergänzung zu den Ergebnissen der halbstandardisierten Interviews zeigten sich in den Erhebungswellen 1 und 3 signifikante Unterschiede im Bedrohungserleben unterschiedlicher Altersgruppen: Wir haben für die statistische Überprüfung die Stichproben in den jeweiligen Erhebungswellen mittels Mediansplit in zwei Altersgruppen (Gruppe 1: 18 bis 29-Jährige; Gruppe 2: 30bis 78-Jährige) geteilt. In Welle 1 äußerten die Personen aus der jüngeren Altersgruppe ein geringeres persönliches Bedrohungserleben (M = 2.07) als die Interviewten der älteren Gruppe (M = 3.70; t(74) = -2.26, p = .027). Auch in der Erhebungswelle 3 äußeren die Älteren signifikant mehr persönliche Bedrohung (M = 2.70) als die Jüngeren (M = 1.88; t(45) = -2.47; p = .018). Unterschiede im Erleben nationaler Bedrohung zwischen den Altersgruppen ließen sich hingegen in den drei Wellen nicht nachweisen. Bildungsunterschiede: Die Interviewgruppen wurden außerdem je Erhebungswelle in zwei Gruppen mit unterschiedlichem Bildungsabschluss aufgeteilt (Gruppe 1: Interviewte ohne Schulabschluss bzw. mit 8/9- oder 10-Klassenabschluss bzw. Berufsbildung und Gruppe 2: Interviewte mit Abitur bzw. Studienabschluss). Ein Vergleich zwischen diesen Bildungsgruppen ergab über alle drei Erhebungswellen hinweg aber keine nennenswerten Unterschiede beim Erleben nationaler oder persönlicher Bedrohung. Familienstand: In Erhebungswelle 1 äußerten verheiratete Personen ein stärkeres nationales Bedrohungsempfinden durch den Terrorismus (M = 3.74) als ledige Personen (M
176
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II = 3.10, t(92) = -2.15, p = .034) und in Welle 2 zeigten Verheiratete (M = 2.75) im Vergleich zu Ledigen (M = 2.14, t(73) = -2.24, p = .028) mehr persönliche Bedrohung.
Quantitativer Panelvergleich: Das Erleben nationaler Bedrohung („Halten Sie es bloß für eine Frage der Zeit, bis auch Deutschland Schauplatz massiver Terroranschläge wird?“) hat sich über die drei Erhebungswellen hinweg – unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung und Familienstand der Interviewpartner – verringert. Die Veränderungen zwischen der ersten und der dritten Erhebungswelle (M1 = 3.40, M3 = 3.04; t(49) = -2.27, p = .028)77 sind signifikant. Die Interviewten, die an allen drei Erhebungswellen teilnahmen (N = 50), meinen also Anfang 2009, Deutschland sei weniger bedroht als Ende 2007. Auch persönlich scheinen sich die Interviewten, die an allen drei Wellen teilnahmen, durch den Terrorismus im Jahre 2009 (wiederum unabhängig von den soziodemografischen Merkmalen) weniger bedroht zu fühlen als im Jahre 2007 und im Jahre 2008. Während sich Ende 2007 noch etwa 12% der Befragten mehr oder weniger persönlich durch den weltweiten Terrorismus bedroht fühlten, waren es im Jahre 2008 nur 9% und im Jahre 2009 gar nur 6%. Die Unterschiede im persönlichen Bedrohungserleben zwischen Welle 1 (M1 = 2.63) und Welle 3 (M3 = 2.22) sind signifikant (t(48) = 3.83, p < .000), ebenso die Unterschiede zwischen Welle 2 (M2 = 2.45) und Welle 3 (M3 = 2.22; t(48) = 2.32, p = .03). Fazit Das Ausmaß der erlebten Bedrohung angesichts von Terrorgefahren scheint in unserer Stichprobe (über alle drei Erhebungswellen) wesentlich geringer zu sein als in der Gesamtbevölkerung. Das mag an der Besonderheit unserer Stichprobe liegen, könnte aber mit unserer – im Vergleich zu den eher gröberen repräsentativen Meinungsumfragen – sehr sensiblen Erhebungs- und Interviewmethode zusammenhängen. Relativ kompatibel mit den Befunden repräsentativer Meinungsumfragen sind dagegen unsere Panelergebnisse. Sowohl das nationale als auch das persönliche Bedrohungserleben hat sich in unserer Stichprobe über die drei Erhebungswellen signifikant verringert. Das ist einerseits nicht sonderlich überraschend. Auch repräsentative Untersuchungen zeigen, dass die Angst vor Terrorismus in den Jahren 2008 und 2009 – im Vergleich zu früheren Jahren – nicht mehr zu den größten Ängsten der deutschen Bevölkerung gehört (vgl. z.B. R+V Versicherung, 2009; Internetquelle). Andererseits scheinen diese und ähnliche Befunde im Widerspruch zu offiziellen Terrorwarnungen zu stehen, die in den Jahren 2008 und 2009 auch in Deutschland veröffentlicht wurden. Es entsteht der Eindruck, als würden diese Terrorwarnungen nicht mehr wirken. Es scheint, dass die (von uns interviewten) Personen derartigen Warnungen kritisch oder skeptisch begegnen, oder durch ein Übermaß an derartigen Hinweisen bereits für Terrorwarnungen desensibilisiert und deshalb gleichgültig sind. Letztendlich bleiben die Ursachen zunächst unklar.
77
Die tiefgestellten Indizes bei den Angaben der Mittelwerte M1, M2 und M3 verweisen hier und im Folgenden auf die jeweiligen Erhebungswellen 1, 2 und 3.
2 Ergebnisse und Interpretationen
177
2.3 Individuelle Attributionen über Ursachen und Wirkungen bzw. Folgen des Terrorismus Dieser Ergebniskomplex stützt sich nur auf die qualitativen Befunde aus den halbstandardisierten Interviews und den aggregierten SPSS-Aufbereitungen der Interviewdaten. Die entsprechende Leitfrage im Interview lautete: „Welche Bedingungen und Faktoren sind Ihrer Meinung nach notwendig und führen Ihrer Meinung nach zu einem Terroranschlag?“ Interviewbeispiele: Wir illustrieren die Antworten auf die Interviewfrage zunächst mit ausgewählten Zitaten aus Interviews mit weiblichen Interviewpartnerinnen der ersten Erhebungswelle: GA38 (weiblich): „Ja, also auf jeden Fall Fanatismus, aber eigentlich auch nur, weil sie keine andere, also weil ihnen auch dieser Weitblick fehlt. Die haben auch keine anderen Möglichkeiten als, äh, keine andere Möglichkeit, ähm, an was anderes zu glauben, wenn nichts anderes da ist, an was sie glauben können. Und deswegen halten sie sich an das, was da ist, und das ist halt nur ein Glaube und wenn man nicht dazugehört, ist man Außenseiter, deswegen gehört man dazu. Man gehört mehr dazu, wenn man halt so Terroranschläge macht oder was auch immer, die Familie wird geehrt, aus falschen Gründen natürlich. Deswegen denke ich, dass es manchmal sogar keine andere Wahl gibt, um irgendwie aus der Masse zu stechen oder ein bisschen besser zu leben oder der Familie vielleicht ein besseres Leben zu ermöglichen, als sich dann mit so einer Gruppe anzulegen.“ EJ91 (weiblich): „Also ich denke, dass, äh, bei dem Ziel zum Beispiel, dass Religion eine große Rolle spielt. Das zum einen oder komplette, ähm, wenn Kulturen aufeinanderprallen, und zwar radikale Ansichten von Kulturen, dann ja, nur im Sinne von Ziel halt und dann, wenn machtpolitische Interessen dazukommen, wie es jetzt bei den Staaten ist, dann denke ich, dass das halt so das Ziel rechtfertigt, ja? Dann gibt es sicherlich auch eine Art von Terroristen, die halt einfach Aufmerksamkeit wollen, wo das Ziel, glaube ich, willkürlich einfach ausgesucht wird, wo es noch nicht mal eine so große Rolle spielt, Hauptsache es gibt viel Publicity, das ist eine andere Sache, das ist ja dann, glaube ich, ein bisschen Trittbrettterrorismus.“ RJ80 (männlich): „Generell wahrscheinlich – Unzufriedenheit, ja, wahrscheinlich auch so ein gewisses Gefühl der Hilflosigkeit, also dass man dann wirklich keinen anderen Ausweg mehr sieht bzw. den Weg, den man wählt, als gerechtfertigt empfindet, – ja und eine extreme Weltanschauung wahrscheinlich – in welcher Form auch immer, religiös oder gesellschaftlich. Das wahrscheinlich.“ SG67 (männlich): „Ähm, Terrorismus geht immer, zurzeit geht es ja meistens immer zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe bzw. gegen bestimmte Staaten. […] Ich denke, das ist auch eine radikale Verbreitung des Glaubens, also wir könnten das mit Sicherheit gleichstellen, also nicht in dem Sinne gleichstellen, aber mit der Missionierung, ist eine Art der Missionierung vielleicht auch, für den Koran, für den, ja, die Verbreitung des Korans. Und sozusagen ist es ja eine Bestrafung der Nichtgläubigen, soll der Terrorismus auch ausdrücken. Alle die Nichtgläubigen sind sozusagen Sünder [hmh] und die sollen bestraft werden.“
178
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
DK60 (männlich): „Na ja, einerseits denk ich entsteht Terrorismus in erster Linie durch Ohnmacht. Ohnmacht verknüpft mit dem täglichen Erleben oder Anblick von, von großen Ungerechtigkeiten. Also zum Beispiel wenn man jetzt mit einer Besatzungsmacht konfrontiert ist und man halt tagtäglich erlebt wie an irgendwelchen Check Points oder an anderen Situationen Zivilisten schikaniert wird. Und man dann vielleicht noch irgendwie man selber persönlich davon betroffen wird. Oder weil man so was persönlich erlebt oder weil ein Familienmitglied auf diese Art und Weise gekannt wird oder verhaftet wird oder getötet wird dann denk ich mal, dass das eine Bedingung oder eine Voraussetzung, das Leute ab einen gewissen Punkt der Meinung sind, nur noch über Terror oder mit terroristischen Mitteln was erreichen zu können und sei es nur um Rache zu nehmen oder vielleicht in einem anderen Kontext. Um etwas größerem, wenn Leute die vielleicht auf einem höheren, als das was ich bis jetzt gesagt hab, trifft denk ich mal ja auch auf Leute aller möglichen Schichten zu aber halt durchaus auch ärmere Leute aber halt durchaus auch Mittelstand oder so. Jetzt sagen die armen Teufel, die sich im Irak oder in Afghanistan an in die Luft sind glaub ich eher nicht aus dem gehobenen aus der Elite der Bevölkerung während die Attentäter vom 11. September zum Beispiel, durchaus aus eh, einer gehobenen Mittelschicht stammten und das wiederum lässt sich denk ich mal damit erklären, dass Leute der Meinung sind, dass ihre Kultur in irgend einer Art und Weise systematisch von übermächtigen Gegner bedroht wird und halt der Meinung sind mit terroristischen Anschlägen mit der entsprechenden Wirkung, die die Bilder davon hinterlassen in der Öffentlichkeit irgendetwas erreichen zu können und sei es nur die Leute zum Nachdenken zu bringen.“ Die Interviewbeispiele zeigen, dass unsere Interviewpartner die Frage nach Bedingungen und Faktoren, die zu einem Terroranschlag führen können, durchaus sehr umfassend zu beantworten versuchten. So stellen die Interviewten Überlegungen an, wie sich sozusagen im Kontext interkultureller Beziehungen oder familiärer Verhältnisse Bedingungen für die Bereitschaft, terroristische Anschläge auszuführen, entwickeln. Aber auch makro-soziale Bedingungen werden genannt, die generell zum Terrorismus führen können. Außerdem finden sich in den Zitatbeispielen auch Hinweise auf individuelle Motive und Überzeugungen potentieller Terroristen. Wir greifen in den nachfolgend dargestellten aggregierten Interviewdaten der ersten Erhebungswelle diese unterschiedlich angesprochenen Kontextbedingungen und individuellen Faktoren auf. Aggregierte Interviewdaten: Zunächst betrachten wir die von den Interviewten generell genannten Bedingungen und Faktoren für Terrorismus: Die Mehrheit der Interviewten macht vor allem (wie Abbildung 6.12 zeigt) persönliche Überzeugungen, Motive und Ziele der Terroristen und gruppendynamische Verhältnisse innerhalb terroristischer Vereinigungen für den Terrorismus verantwortlich. Sozial-politische, wirtschaftliche oder kulturell-religiöse Verhältnisse werden in diesem Zusammenhang vergleichs- und überraschenderweise seltener als Ursachen für den Terrorismus angesehen.
2 Ergebnisse und Interpretationen
179
Abbildung 6.11: Aggregierte Interviewdaten zu Ursachenkomplexen in Form von Attributionen, Welle 1 Anmerkung: Persönliche Überzeugungen der Terroristen (z.B. religiöse Einstellungen), Gruppendynamik (z.B. Attribution auf Intergruppenverhältnisse der jeweiligen Herkunftsgesellschaft), Sozial-politische Verhältnisse (z.B. Attribution auf Bildungsmangel, Perspektivlosigkeit der Herkunftsgesellschaft), Persönliche Sozialisation (z.B. familiäre Herkunft, Kindheitserfahrungen), Wirtschaftliche Verhältnisse (z.B. Wirtschaftliche Missstände u. Abhängigkeiten des jeweiligen Herkunftslandes, Armut, Arbeitslosigkeit), Empfundene soziale Ungleichwertigkeit (z.B. objektive und subjektive soziale Deprivation hinsichtlich Güter, Ressourcen, etc.), kulturell-religiöse Verhältnisse (z.B. unterschiedliche Kulturen und Religionen prallen aufeinander).
Die folgende Abbildung 6.12 illustriert außerdem, dass sich männliche und weibliche Interviewpartner in der ersten Erhebungswelle in ihren Sichtweisen auf die möglichen Ursachen für Terrorismus nicht auffallend unterscheiden.
180
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Abbildung 6.12: Aggregierte Interviewdaten zu Ursachenkomplexen in Form von Attributionen, Welle 1, Männer vs. Frauen
Einigkeit zwischen Männern und Frauen besteht auch darin (siehe Abbildung 6.13), dass Terrorismus auch in den jeweiligen Intra- und Intergruppenverhältnissen, in denen die betroffenen Personen eingebunden sind, verwurzelt ist (gesamt 38%). Die Existenz von Führer-Gefolgschaft-Verhältnissen, also hierarchischer Strukturen innerhalb der familiären, kulturellen und/oder familiären Gemeinschaften, in denen potentielle Terroristen sozialisiert werden, werden als Rahmenbedingung ebenfalls genannt (gesamt 16%). Männer wie Frauen äußern außerdem übereinstimmend (wenn auch relativ selten), dass die erfahrene Androhung von psychischer und physischer Gewalt (gesamt 9%) bis hin zu tatsächlicher Folter und körperlicher Bestrafung (gesamt 2%) durch Mitglieder der eigenen Gemeinschaften weitere Ursachenfaktoren für Terrorismus sein könnten.
2 Ergebnisse und Interpretationen
181
50%
40%
Frauen
39%
37%
Männer
30% 20%
20%
14% 9% 10%
10%
2%
2%
0% Gruppendynamik (psych./sozial)
Führer-Gefolgschaft
Androhung von körperliche Gewalt/ psychischer Gewalt Folter/Bestrafung
Abbildung 6.13: Aggregierte Interviewdaten zu Intra-und Inter-Gruppenverhältnissen als Ursachen von Terrorismus, Welle 1, Männer vs. Frauen Anmerkungen: Gruppendynamik (z.B. Attribution auf Intergruppenverhältnisse der jeweiligen Herkunftsgesellschaft), Führer-Gefolgschaft (z.B. Attribution auf eine Führungsperson, die andere Mitläufer zu terroristischen Akten motiviert) Androhung von psychischer Gewalt (z.B. Menschen werden bedroht), körperliche Gewalt/Folter/Bestrafung (z.B. Menschen werden Folter ausgesetzt und dies macht sie zu Terroristen).
Wenn Motive und Überzeugungen genannt werden (siehe Abbildung 6.14), von denen sich Menschen leiten lassen, wenn sie terroristische Anschläge planen und u.U. auch ausführen, so finden sich in den Interviews wiederum einige Unterschiede zwischen den männlichen und weiblichen Interviewten. Auffallend ist vor allem, dass ein großer Teil der Männer im Glauben bzw. in der Religion wichtige Gründe sehen, durch die Terroristen schlussendlich bereit sind, Terroranschläge zu verüben. Zirka ein Drittel der befragten Frauen heben hingegen (und im Unterschied zu den Männern) die Ziele bzw. Wirkungen hervor, die Terroristen mit ihren Taten erreichen wollen. In allen anderen genannten persönlichen Motive bzw. Überzeugungen stimmen Männer und Frauen weitgehend überein. Überdies sind diese Nennungen (bis auf die „extremen Einstellungen“) auch nur marginal ausgeprägt.
182
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
50%
Frauen 41%
40%
Männer
30%
30% 20%
20%
22%
22% 18%
17% 12%
13%14% 9% 8%
10%
11% 4%
0% Glaube/Religion
Extreme Einstellungen
Ideologie
Persönliches Gewaltpotential
Abbildung 6.14: Aggregierte Interviewdaten zu Persönlichen Überzeugungen / Motiven / Zielen als Ursache von Terrorismus, Welle 1, Männer vs. Frauen
Fazit Unsere Interviewpartner und -partnerinnen scheinen sich in der Erklärung der Ursachen für Terrorismus und Terroranschläge weitgehend einig zu sein. Betont werden vor allem persönliche Überzeugungen und individuelle Motive potentieller Terroristen, aber auch gruppendynamische Prozesse in den terroristischen Vereinigungen. Auch konkrete Sozialisationsbedingungen und religiöse Überzeugungen sind aus der Sicht der Interviewten – und auch da scheinen sich die interviewten Frauen und Männer weitgehend einig zu sein – Teilaspekte und zugleich Resultate intergruppaler Diskriminierungsprozesse, die sich innerhalb der kulturellen Lebenskontexte von potentiellen Terroristen entwickeln und entfalten können. Aus attributionstheoretischer Perspektive überwiegen in den Erklärungen über die Ursachen und Wirkungen des Terrorismus vor allem internale und gruppenbezogene externale Attributionen, worauf wir mit der folgenden Abbildung 6.15 noch einmal explizit (durch Fettschrift) hinweisen wollen.
2 Ergebnisse und Interpretationen
183
Abbildung 6.15: Zusammenschau der internalen und gruppenbezogenen externalen Ursachenattributionen, Welle 1
2.4 Einfluss ausgewählter soziodemographischer Variablen (Geschlecht, Alter, Bildung, Familienstand) auf die Einstellungen zu Anti-Terror-Maßnahmen Dieser Ergebniskomplex stützt sich auf die qualitativen Befunde aus den halbstandardisierten Interviews, den aggregierten SPSS-Aufbereitungen und auf die quantitativen Befunde der standardisierten Befragung. Die entsprechenden Leitfragen im Interview lauteten: A) B)
„Beschreiben Sie Ihre Einstellung gegenüber militärischen und nichtmilitärischen Möglichkeiten der Terrorismusbekämpfung!“ „Stellen Sie sich vor, jemand aus Ihrem Bekanntenkreis oder Ihrer Firma ist Opfer einer Geiselnahme (durch Terroristen). Welches Vorgehen würden Sie befürworten?“
Wir beginnen mit wörtlichen Zitaten aus der Erhebungswelle 1. Interviewbeispiele: RM79 (männlich): „Also ich halte die Terrorbekämpfung im nicht militärischen Bereich für die wesentlich effektivere, effizientere Methode und ich halte auch das ganze laute Getöse und Geklingel diese öffentliche Diskussion über Terrorbekämpfung für überhaupt nicht zielführend, sondern da sollte man innerhalb der Geheimdienste, des Verfassungsschutzes in Ruhe koordiniert, abgestimmt in der EU, Nato und so weiter – man sollte natürlich auch militärische Fachverbände dazu ziehen, die Nato hat ja Aufklärungsmöglichkeiten, aber da sollte man überhaupt nicht an die große Glocken hängen, sondern wirklich effizient im Stillen abarbeiten. Ja?“
184
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
DR61 (weiblich): „Ja, ich weiß jetzt nicht, da gibt es ja verschiedene. Es hängt ja immer davon ab, was die Forderungen sind, ob es halt Gelder sind oder ob es irgendwelche, wiederum finde ich halt, wenn es so kleine Einzelgruppen sind, die dann irgendwas verlangen, zum Beispiel die Herausgabe von einem Häftling, der irgendwo ist und eben auch sehr gefährlich ist, das kann ich jetzt nicht aber ich bin auf jeden Fall jetzt im größeren Rahmen immer für nicht militärische. Dass erst mal verhandelt wird, diplomatisch darüber geredet wird und vielleicht erst mal, ähm, auf dieser Basis zu einer Lösung zu kommen. Ich kenne aber nicht große Politik.“ TG41 (männlich): „Ich glaube Militäreinsätze sind immer das Letzte, was man in Betracht ziehen sollte. Ich denke ähm Terrorbekämpfung also Krieg erzeugt Krieg und Gewalt erzeugt Gewalt. Daran glaube ich und ich denke das ist auch richtig. Ähm, deswegen sollte man versuchen mit bestehendem Terrorismus und das ist jetzt wirklich nicht einfach mit bestehendem Terrorismus umzugehen, das ist denke ich das schwierigste überhaupt. Man sollte sich aber trotzdem bemühen, kein anderen oder keinen neuen Terrorismus entstehen zu lassen. Äh mit bestehendem Terrorismus umzugehen, denke ich sollte man dann ähm aber auch nicht davor zurückschrecken im Endeffekt wenn nichts mehr geht und sich dort keine weiteren Möglichkeiten ergeben, diplomatisch die Sache einfach zu lösen oder zu behandeln, auch von der militärischen nicht wirklich zurückschrecken. Jetzt glaube ich widerspreche ich mir in dem Punkt.“ NS27 (weiblich): „Ja, ich glaube, das kommt immer drauf an, was die Terroristen so fordern. Aber, das ist schwierig. Ich glaube, eben, das ist ja das Blöde daran, weil die ja meistens mit gewalttätigen oder mit militärischen Aktionen vorgehen, denken die anderen, die müssten das mit militärischen Aktionen irgendwie beenden. Aber ich glaube, das ist einfach total sinnlos, weil irgendwie alles sinnlos ist. Ich glaube, da hilft nur noch ausbomben.“ Aggregierte Interviewdaten: Wir beginnen mit der o.g. zweiten Leitfrage: „Stellen Sie sich vor, jemand aus Ihrem Bekanntenkreis oder Ihrer Firma ist Opfer einer Geiselnahme (durch Terroristen). Welches Vorgehen würden Sie befürworten?“ Im Hinblick auf diese Frage gibt es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen (Abbildung 6.16): Unabhängig vom Geschlecht der Befragten spricht sich die Mehrzahl für „Verhandlungen“ (44%) mit den Geiselnehmern aus. 26% aller Befragten sind zudem der Ansicht, in diesem persönlichen Fall ein „Optimales Vorgehen“ seitens der Polizei, Behörden und Betroffenen anzustreben. Knapp 21% meinen überdies, man solle die Geiseln mit Gewalt befreien. Nur 2% plädieren für einen Austausch der Geiseln.
2 Ergebnisse und Interpretationen
185
Abbildung 6.16: Aggregierte Interviewdaten zur Leitfrage von Maßnahmen bei eigener Betroffenheit, Welle 1
Mit der anderen Leitfrage wurden die Interviewten direkt nach ihren Einstellungen von militärischen im Unterschied zu nicht-militärischen Maßnahmen befragt. Dabei zeigen Männer wie Frauen Einigkeit darüber, dass nicht-militärische Maßnahmen stets den militärischen vorzuziehen sind, militärische Maßnahmen aber auch eine gewisse Notwendigkeit haben (Frauen 13%, Männer 14%). Andererseits sind es aber die Männer (20%), die im Unterschied zu den Frauen (13%) dem Einsatz nicht-militärischer Maßnahmen einen klaren und eindeutigen Vorrang vor den militärischen Maßnahmen geben (vgl. Abbildung 6.17). Die oben genannten Zitatbeispiele illustrieren überdies, dass Männer ihre Präferenzen gegenüber nicht-militärischen Maßnahmen ausführlicher begründen als Frauen. Über alle Interviews der ersten Erhebungswelle hinweg zeigt sich dieser Unterschied noch deutlicher. Die männlichen Interviewpartner differenzieren in ihren Bewertungen von militärischen und nicht-militärischen Maßnahmen stärker als die weiblichen Interviewpartnerinnen.
186
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
25%
Frauen 20%
20% 15%
Männer 13%
13%
14%
10% 4%
5%
2%
2%
0% nM besser als M nM besser als M, aber M ist auch notwendig
nM und M notwendig
M besser als nM
nM und M nutzlos
Abbildung 6.17: Aggregierte Interviewdaten zum Verhältnis von militärischen (M) zu nichtmilitärischer (nM) Anti-Terror-Maßnahmen, Welle 1, Männer vs. Frauen
Der Anteil an Aussagen zum Einsatz militärischer Mittel in Abhängigkeit von Bedingungen (z.B. „als letztes Mittel einsetzbar“ oder „wenn die Ziele und Konsequenzen klar sind, dann…“) ist bei den Männer größer (siehe Tabelle 6.1). Frauen äußern sich deutlich ambivalenter – aber auch unsicherer – bei der Bewertung von militärischen Maßnahmen. Tabelle 6.1: Aggregierte Interviewdaten zur Bewertung militärischer Anti-Terror-Maßnahmen, Welle 1, Männer vs. Frauen
Militärisch Negativ
Frauen (N = 46) % 37
Männer (N = 51) % 39
Gesamt (N = 97) % 38
Militärisch Positiv
15
6
10
Militärisch Bedingungsabhängigkeit
20
35
28
Militärisch Ambivalenz
11
8
9
Anzahl
Wenn es gleichzeitig um die Begründung einer negativen oder positiven Bewertung von militärischen Maßnahmen geht, geben auch hier die Männer differenziertere Aussagen ab
2 Ergebnisse und Interpretationen
187
als die Frauen. Das zeigt sich z.B. am Grad der Abstraktheit, mit dem über Beispiele berichtet wird. Männer wählen konkretere Beispiele (z.B. „Militärischer Einsatz in Afghanistan“), Frauen eher abstraktere und gleichzeitig ambivalentere (z.B. „Krieg“, „möglicherweise Einsatz von Militär“) (vgl. Abbildung 6.18). 25%
Frauen
20%
Männer
15% 12% 10%
9%
9% 6%
8%
6% 4%
5%
2% 2%
0% Abstrakte Beispiele: Pro Milit.
Konkrete Beispiele: Pro Milit.
Abstrakte Beispiele: Contra Milit.
Konkrete Beispiele: Contra Milit.
Abstrakte Beispiele: Ambivalent Milit.
Abbildung 6.18: Aggregierte Interviewdaten zur Form der Beispielnennungen von militärischen Anti-Terror-Maßnahmen Anmerkung: Pro Milit. meint die Nennung von Beispielen zur Verstärkung einer zustimmenden Aussage von militärischen Maßnahmen, Contra Milit. meint hingegen die Beispielnennung mit dem Ziel der Ablehnung solcher militärischen Maßnahmen.
Auch bei der positiven Einschätzung und Begründung von nicht-militärischen Maßnahmen weisen die Aussagen der Männer mehr Differenzierungen auf als die der Frauen. Zudem begründen Frauen ihre positiven Bewertungen in deutlich geringerem Maße (24%) als Männer (14%) – Männer (25%) ziehen häufiger bestimmte Ziele und Konsequenzen dieser Maßnahmen als Begründung für ihre positive Bewertung heran als Frauen (2%) (siehe Abbildung 6.19).
188
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
50%
Frauen
40%
Männer
30%
25%
24% 20% 14% 10% 2% 0% Positive Bewertungen ohne Begründung
Positive Bewertungen mit der Begründung von Zielen / Konsequenzen
Abbildung 6.19: Aggregierte Interviewdaten zu positiven Bewertungen nichtmilitärischer Anti-Terror-Maßnahmen, Welle 1, Männer vs. Frauen
Quantitative Befunde der standardisierten Befragung: Im standardisierten Fragebogen wurden die Einstellungen zu Anti-Terror-Maßnahmen mit folgenden reliablen Skalen erfasst:
Mit der Skala „Zustimmung zu bzw. Ablehnung von verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen“ Mit der Skala „Zustimmung zu bzw. Ablehnung von militärischen Einsätzen“ Mit den Einzelitem-Skalen „Zustimmung zu bzw. Ablehnung von verantwortungsvoller Wirtschafts- und Entwicklungspolitik“, „Zustimmung zu humanitärer Hilfe“ und „Zustimmung zu Gesprächen mit Terroristen“ und schließlich Mit der Einzelitem-Skala „Akzeptanz terroristischer Gruppierungen und des Terrorismus“.
Wir bestimmten zunächst je Erhebungswelle die mittleren Zustimmungen zu den verschiedenen Anti-Terror-Maßnahmen. Dann prüften wir mittels T-Test, ob es über alle Befragten Unterschiede in der durchschnittlichen Zustimmung zu den verschiedenen Maßnahmen gibt (unabhängig von soziodemografischen Charakteristika der Befragten). Dabei zeigte sich, dass die Interviewten der Welle 1 (N = 103) signifikant häufiger eher solchen Anti-Terror-Maßnahmen zustimmen, die sich auf verantwortungsvolle Wirtschaftsund Entwicklungspolitik, auf humanitäre Hilfe und auf die Suche nach Gesprächen mit den Terroristen beziehen, als auf verstärkte Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen und
2 Ergebnisse und Interpretationen
189
militärische Einsätze. Die gleichen Ergebnisse zeigten sich in Welle 2 (N = 78) und in Welle 3 (N = 50). Die Unterschiede in den Zustimmungen zu den verschiedenen Anti-TerrorMaßnahmen sind in allen drei Erhebungswellen jeweils auf dem 0.1-Prozentniveau signifikant. Wir verzichten auf die vollständige Darstellung der prüfstatistischen Ergebnisse und illustrieren die Befunde stattdessen in den Abbildungen 6.20, 6.21 und 6.22.
Abbildung 6.20: Zustimmung zu Anti-Terror-Maßnahmen – Welle 1 (Mittelwerte und Standardabweichungen)
190
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Abbildung 6.21: Zustimmung zu Anti-Terror-Maßnahmen – Welle 2 (Mittelwerte und Standardabweichungen)
2 Ergebnisse und Interpretationen
191
Abbildung 6.22: Zustimmung zu Anti-Terror-Maßnahmen – Welle 3 (Mittelwerte und Standardabweichungen)
Im nächsten Schritt suchten wir nach Unterschieden zwischen Männern und Frauen im Hinblick auf die Einstellungen zu Anti-Terror-Maßnahmen: Obwohl aufgrund der geringen Größe der Stichprobe die Überprüfung des Einflusses soziodemographischer Variablen auf die o.g. Einstellungen zu Anti-Terror-Maßnahmen nicht sonderlich ergiebig bzw. generalisierbar ist, halten wir die folgenden Nachweise zumindest zur weiteren Differenzierung der Stichprobe für nicht uninteressant. Auffallende Unterschiede ließen sich vor allem in der ersten Erhebungswelle nachweisen: So stimmten in der Erhebungswelle 1 Männer (M = 4.88) einer verantwortungsvollen Wirtschafts- und Entwicklungspolitik als Mittel gegen den Terrorismus eher zu als Frauen (M = 4.31; t(96) = -2.03, p < .05). Frauen (M = 5.52) wiederum stimmten eher Gesprächen mit den Terroristen zu als Männer (M = 4.98; t(97) = 2.26, p = .026). Und Männer halten Terrorismus eher (M = 2.67) als Frauen (M = 1.67; t(96) = -3.22, p < .002) für legitim. Auch in der Erhebungswelle 2 zeigten Männer (M = 2.54) eher als Frauen (M = 1.71; t(74) = -2.64, p < .01) Neigungen, Terrorismus zu legitimieren. Weitere Unterschiede ließen sich in dieser Erhebungswelle zwischen Frauen und Männern nicht finden. In der Erhebungswelle 3
192
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
fanden sich – bedingt durch die kleine Stichprobe – überhaupt keine bedeutsamen Unterschiede zwischen Männern und Frauen. In einem dritten Schritt fahndeten wir nach Effekten von Alters- und Bildungsunterschieden im Hinblick auf die Einstellungen zu Anti-Terror-Maßnahmen und verglichen diesbezüglich zunächst jüngere mit älteren und dann verheiratete mit ledigen Interviewpartnern. Die Aufteilungen der Substichproben folgte nach dem Muster wie im Abschnitt 2.2 beschrieben. Die Mittelwertsvergleiche zeigten allerdings über alle drei Erhebungswellen hinweg keine nennenswerten Unterschiede zwischen den gebildeten Sub-Gruppen. Quantitativer Panelvergleich: Wir fragen zunächst, ob sich die durchschnittlichen Zustimmungen bzw. Ablehnungen von verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen über die drei Erhebungswellen verändert haben. Dass die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen in allen drei Wellen nur gering ausgeprägt ist und unterhalb des Skalenmittels (bei einer 6-stufigen Skala) liegt, hatten wir bereits gezeigt. An dieser nur gering ausgeprägten Zustimmung ändert sich (bei Betrachtung der Interviewten, die an allen drei Wellen teilnahmen; N = 50) auch über die drei Wellen nichts. Diese Prüfung erfolgte mittels T-Test für abhängige bzw. verbundene Stichproben und ergab keine signifikanten Unterschiede (M1 = 1.19, M2 = 1.18; t(49) = .03, p = .98; M1 = 1.19, M3 = 1.12; t(49)= 1.06, p = .29; M2 = 1.18, M3 = 1.12; t(49) = 1.06, p = .29).78 Mit anderen Worten: Die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen im „Kampf gegen den Terrorismus“ ist in unserer Stichprobe marginal ausgeprägt und ändert sich auch über die Zeit nicht bedeutsam. Zum Zweiten fragen wir, ob sich die Zustimmungen bzw. Ablehnungen von militärischen Maßnahmen über die drei Erhebungswellen verändert haben? Auch in diesem Falle zeigen sich über die drei Wellen hinweg keine signifikanten Veränderungen (M1 = 2.49, M2 = 2.45; t(49) =. 53, p = .60; M1 = 2.49, M3 = 2.38; t(49) =.1.05, p = .30; M2 = 2.45, M3 = 2.38; t(49) = .74, p = .46). Die geringe Zustimmung zu militärischen Einsätzen bleibt ebenso wie die zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen über die Zeit stabil und das – übrigens – unabhängig vom Geschlecht, Alter, dem Bildungsund Familienstand. Ein dritter Prüfschritt bezieht sich auf die Veränderungen der Zustimmungen bzw. Ablehnungen von verantwortungsvoller Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, humanitärer Hilfe und Gesprächen mit Terroristen über die drei Erhebungswellen. Die bereits dargestellte ausgeprägt starke Zustimmung zu verantwortungsvoller Wirtschafts- und Entwicklungspolitik als Anti-Terror-Maßnahme bleibt – bei Betrachtung der Interviewten, die an allen drei Wellen teilnahmen – über die Erhebungswellen stabil (M1 = 4.33, M2 = 4.44; t(48) =-.55, p = .58; M1 = 4.33, M3 = 4.61; t(48) =-.1.43, p = .16; M2 = 4.44, M3 = 4.61; t(48) = -1.21, p = .23). Auch die Zustimmung zu humanitärer Hilfe als Anti-Terror-Maßnahme weist – wiederum bei Betrachtung der Interviewten, die an allen drei Wellen teilnahmen (N = 50) –
78
Die tiefgestellten Indizes bei den Angaben der Mittelwerte M1, M2 und M3 verweisen wiederum auf die jeweiligen Erhebungswellen 1, 2 und 3.
2 Ergebnisse und Interpretationen
193
über die drei Erhebungswellen hinweg stabil hohe Werte auf (M1 = 5.33, M2 = 5.43; t(48) = .59, p = .56; M1 = 5.33, M3 = 5.40; t(48) =-.50, p = .62; M2 = 5.43, M3 = 5.40; t(48) = -.30, p = .77). Diese hohen und über die Zeit der drei Erhebungswellen stabilen Zustimmungswerte finden sich auch, wenn nach der Möglichkeit gefragt wird, dem Terrorismus durch Gespräche mit den Terroristen zu begegnen (M1 = 5.24, M2 = 5.28; t(47) = -.37, p = .71; M1 = 5.24, M3 = 5.09; t(47) =.98, p = .33; M2 = 5.28, M3 = 5.09; t(47) = 1.42, p = .16). Ebenso bleiben die relativ gering ausgeprägten Zustimmungen zur Legitimierung von Terrorismus über alle drei Wellen stabil (M1 = 2.19, M2 = 2.09; t(48) = .74, p = .46; M1 = 2.19, M3 = 2.12; t(48) = .64, p = .52; M2 = 2.09, M3 = 2.12; t(48) = -.39, p = .70). Fazit Die Mehrheit der Befragten steht sowohl im halbstandardisierten Interview als auch in der standardisierten Befragung militärischen Anti-Terror-Maßnahmen aber auch verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen eher skeptisch gegenüber. Im Abwägen diverser Anti-Terror-Maßnahmen äußern sich die männlichen Interviewpartner differenzierter als die weiblichen Interviewpartnerinnen. Insgesamt befürworten Männer wie Frauen, unabhängig vom Alter, ihrer Bildung und ihres Familienstandes eher Maßnahmen, die im Zusammenhang stehen mit einer verantwortungsvollen Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, humanistischer Hilfe oder Gesprächen mit den Terroristen. Die Befunde sind einerseits – angesichts der soziodemografischen Beschaffenheit unserer Stichproben – selbstverständlich nicht generalisierbar. Andererseits decken sie sich mit Ergebnissen, die wir in dem Projekt vorausgehenden Pilotstudien ermitteln konnten. So konnte Katharina Liborius (2007; siehe auch Kap. VII, Abschnitt 5) in einer Fragebogenuntersuchung mit N = 314 Erwachsenen ebenfalls zeigen, dass die Mehrheit der Befragten militärischen und Sicherheitsmaßnahmen weniger stark zustimmen als beispielsweise diplomatischen oder humanitären Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus. Unsere Befunde legen trotz der kleinen und nicht repräsentativen Stichprobe zumindest folgende Vermutung nahe: Ende 2007, Mitte 2008 und Anfang 2009 äußerten sich relativ hoch gebildete und sich weitgehend links von der politischen Mitte einordnende Personen aus einer im Mittel 37 Jahre alten (oder jungen) Gruppe überwiegend ablehnend zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen und militärischen Einsätzen als Mittel im Kampf gegen den Terrorismus und vornehmlich zustimmend zu Maßnahmen, mit denen eine verantwortungsvolle Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, humanitäre Hilfe und (diplomatische) Gespräche mit (potentiellen) terroristischen Gruppen möglich werden.
2.5 Zusammenhänge von Bedrohungserleben und Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen Auf die im halbstandardisierten Interview gestellten Leitfragen zu diesen Themen sind wir bereits eingegangen. Neben diesen Fragen wurde den Interviewpartnern auch die folgende Frage vorgelegt:
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VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Wie kann man Ihrer Meinung nach den Terrorismus bekämpfen? (Eventuell nach innenund außenpolitischen Aussagen zu konkreten Maßnahmen, Handlungen oder Aktionen, z.B. militärischen, diplomatischen, nachrichtendienstlichen Maßnahmen, humanistischer und Entwicklungshilfe bzw. anderen Formen der Konfliktlösung fragen). Interviewbeispiele: RW98 (weiblich): „Ja das ist natürlich eine schwierige Frage, das ist ja wie bei der Gewissensprüfung in der Bundesrepublik, dann sozusagen, ob man wirklich nicht schießen würde, oder doch schießen würde in so einer Situation. Ähm, wie würde man vorgehen? Weil die wollen ja nur eins, die wollen sich irgendeinen greifen, den haben sie gekriegt, offensichtlich, dummerweise jetzt jemand, den ich kenne oder also wahrscheinlich dann auch mag, ähm und ähm, ja was wollen die jetzt, die wollen jetzt ihre Forderungen durchsetzen und das Problem ist, dass ihre Forderungen weitreichend sind, die sind so weitreichend, dass jeder (…) sagt: Naja, (…) wir können doch jetzt nicht die ganze Welt umkrempeln, nur weil hier einer in Geiselhaft ist und von Geiselnehmern bedroht ist, dann kommt noch ein zweites hinzu, dass dann die Regierungslinie oft ist: „Wir sind nicht erpressbar.“ Was auch richtig ist, also was eigentlich auch ok ist. In dem Moment würde ich dann aber, ach ich weiß es nicht, ich würde trotzdem auf Dialog setzen und ich sage mal so, die Polizeieinheiten im Land, die haben schon relativ Gutes geleistet, womöglich wäre es tatsächlich denkbar, dass auch da an ne, ne Befreiung der Geiseln zu denken ist.“ AS 65 (männlich): „Wenn die Gefahr natürlich da ist und man konkret Hinweise hat, würde ich auch mit größerer militärischer Macht hier zurückschlagen.“ EF11 (männlich): „Ich sage immer, weil das als Beispiel auch der Herr Schäuble immer gern möchte, dass die Bundeswehr im Inland sozusagen tätig werden kann, ich sage immer, Soldaten an der Straßenecke mit Maschinengewehr vermitteln nie ein Gefühl von Sicherheit. Weil, wenn ich nämlich anfangen muss, Soldaten bewaffnet irgendwo hinzustellen, ist es immer ein Zeichen, dass irgendwo Gefahr droht. (…) Deswegen ist es auch völlig unnütz, das zu machen. Wenn es jetzt darum geht, Schifffahrtswege zu bewachen, dass die keine Waffen oder was weiß ich, Plutonium von A nach B schmuggeln, da finde ich es natürlich durchaus richtig, weil, das kann die Polizei einfach nicht leisten. Aber im Inland selber, dazu hast du doch eine Polizei, die sich kümmert. Oder du hast meinetwegen noch einen Inlandsgeheimdienst, den Verfassungsschutz, da müssen die sich halt kümmern, dafür sind sie doch da. Aber da brauche ich kein Militär in Inland.“ TG30 (weiblich): „Also ich denke, mit militärischen Möglichkeiten Terrorismus zu bekämpfen, geht nicht, weil ich nie die erwische, die ich erwischen will, sondern immer alle anderen und ja, die anderen Varianten (…). Ich bevorzuge ja eher die Variante, gerade in diesen Gebieten, wo halt diese terroristischen Organisationen agieren, dass man da vielleicht, indem man einfach die Bevölkerung unterstützt auch mit wirtschaftlichen Mitteln, wieder mehr Zufriedenheit hervorrufen kann, so dass die vielleicht nicht mehr ganz so viel Zulauf haben, wie sie es eine Zeit lang hatten. Das wäre eher so der Weg, den ich als richtig empfinden würde.“
2 Ergebnisse und Interpretationen
195
Die Zitatbeispiele illustrieren noch einmal Befunde, die wir im vorangegangenen Abschnitt vorgestellt haben: Unabhängig vom Geschlecht äußern unsere Interviewpartner große Skepsis gegenüber militärischen und auf verstärkte Überwachung gerichtete Anti-TerrorMaßnahmen. Inwieweit diese Skepsis mit dem Erleben von Terror-Bedrohungen, die sich auf die Gesellschaft als Ganzes (nationale Bedrohung) oder auf die eigene Person (persönliche Bedrohung) richten, verknüpft ist, lässt sich aus diesen Interviewbeispielen und den aggregierten Interviewbefunden allerdings nicht ablesen79. Deshalb stützen wir uns im Folgenden ausschließlich auf die Befunde, die wir mit den Skalen der standardisierten Befragung gewonnen haben. Dass die Annahme von Zusammenhängen zwischen dem Bedrohungserleben und den Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen nicht unplausibel ist, hatten wir u.a. mit Verweis auf Befunde von Doty et al. (1991, 1997), Gordon und Arian (2001) und Ullrich und Cohrs (2007) weiter oben zu begründen versucht. Um diese Annahme mit unseren Befragungsdaten auf statistischem Wege zu prüfen, nutzten wir zwei verschiedene Prüfverfahren: Zunächst wurden innerhalb der drei Erhebungswellen statistische Zusammenhänge zwischen persönlicher und nationaler Bedrohung und den verschiedenen Einstellungen zu Anti-Terror-Maßnahmen mittels Pearson-Korrelationen auf Signifikanz geprüft. Diese Ergebnisse präsentieren wir unter der Überschrift Quantitative Befunde der standardisierten Befragung. Das Panel-Design unserer Interviewstudie (die zu drei Zeitpunkten wiederholten standardisierten Befragungen mit identischen Personen) ermöglicht aber auch die Prüfung von Annahmen über kausale Beziehungen zwischen dem Bedrohungserleben und den Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen. Solche statistischen Prüfungen lassen sich mit Hilfe sogenannter Cross-Lagged-Regressionsanalysen (Cook & Campell, 1979; Reinders, 2006; Rogosa, 1980) durchführen. Auf die methodische Umsetzung dieser Analysen und ihre Ergebnisse gehen wir weiter unten unter der Überschrift Quantitative Panelvergleiche ausführlich ein. Zunächst aber zu den Korrelationsprüfungen. Quantitative Befunde der standardisierten Befragung: Die nachfolgenden Tabellen 6.2, 6.3 und 6.4 berichten über die querschnittlichen korrelativen Zusammenhänge.
79
Aus den aggregierten Interviewbefunden über den gesamten Befragungszeitraum hinweg (Welle 1 bis 3, N = 50) wird lediglich ersichtlich, dass die weltweite Bedrohung durch Terror und Terrorismus bei den Personen, die sich deutlich mehr von privaten Fernsehsendern beeinflusst sehen, in stärkerem Maße über alle drei Wellen ansteigt, als bei denjenigen, die sich von Privatsendern weniger stark beeinflusst sehen. In Welle 1 sind 40% der stark Privat beeinflussten der Meinung, dass Terror eine der weltweit größten Bedrohungen darstellt; in Welle 2 sind es bereits 65% der stark Privat beeinflussten; in Welle 3 noch knapp über die Hälfte der stark Privat beeinflussten (56%), die dieser Auffassung sind.
196
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Tabelle 6.2: Querschnittliche Korrelationen zwischen nationaler oder persönlicher Bedrohungswahrnehmung und der Zustimmung zu verstärkten Sicherheitsund Überwachungsmaßnahmen bzw. militärischen Einsätzen Zustimmung zu verstärkten Sicherheitsund Überwachungsmaßnahmen Welle 1 Bedrohung-National Welle1
Welle 2
.28**
Welle 2
Welle 3
.27* .39
.10
**
.26
**
Welle 2
Welle 2
.11 .43
.35
Zustimmung zu militärischen Einsätzen Welle 1
**
Welle3 Bedrohung-Persönlich Welle1
Welle 3
.61
*
.32**
**
Welle 3
.72
.36*
**
Anmerkungen: Stichprobengrößen: Welle 1, N = 103; Welle 2, N = 78; Welle 3, N = 50; Signifikanzniveau: * p < .05, ** p < .01.
Die Ergebnisse sprechen in allen drei Erhebungswellen für die erwarteten positiv signifikanten Zusammenhänge zwischen nationalem und persönlichem Bedrohungserleben einerseits und der Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen bzw. militärischen Einsätzen: umso stärker sich die Personen bedroht fühlen, desto eher stimmen sie solchen Maßnahmen zu. Tabelle 6.3: Querschnittliche Korrelationen zwischen nationaler oder persönlicher Bedrohungswahrnehmung und der Zustimmung zu verantwortungsvoller Wirtschaftsund Entwicklungspolitik bzw. humanitärer Hilfe Zustimmung zu verantwortungsvoller Wirtschafts- und Entwicklungspolitik Welle 1 Bedrohung-National Welle1
Bedrohung-Persönlich Welle1 Welle 2 Welle 3
Welle 3
.14
Welle 2 Welle 3
Welle 2
Zustimmung zu humanitärer Hilfe-Welle 1
Welle 2
Welle 3
-.07 -.04
,
-.12 .44**
.08
.06 -.15
.07
-.02 .18
-.04
Anmerkungen: Stichprobengrößen: Welle 1, N = 103; Welle 2, N = 78; Welle 3, N = 50; Signifikanzniveau: ** p < .01.
2 Ergebnisse und Interpretationen
197
Zwischen dem Bedrohungserleben und den Zustimmungen zu Wirtschafts- und Entwicklungspolitik bzw. zu humanitärer Hilfe findet sich hingegen nur ein einziger signifikanter Zusammenhang (in der Tabelle 6.3 fett hervorgehoben). Tabelle 6.4: Querschnittliche Korrelationen zwischen nationaler oder persönlicher Bedrohungswahrnehmung und der Zustimmung zu Gesprächen mit den Terroristen Zustimmung zu Gesprächen mit den Terroristen-Welle 1 Bedrohung-National Welle1
Welle 2
.10
Welle 2
.11
Welle 3 Bedrohung-Persönlich Welle1 Welle 2
Welle 3
-.08 .15 .19
Welle 3
-.07
Anmerkungen: Stichprobengrößen: Welle 1, N=103; Welle 2, N=78; Welle 3, N=50;
Die Zustimmung zu Gesprächen mit Terroristen weist überhaupt keinen sinnhaften Zusammenhang mit dem Bedrohungserleben auf. Wir werden uns deshalb im Weiteren nur mit den in Tabelle 6.2 illustrierten signifikanten positiven Zusammenhängen zwischen dem Bedrohungserleben und der Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen bzw. militärischen Einsätzen beschäftigen. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die nach möglichen kausalen Einflüssen des Bedrohungserlebens auf die Einstellungen zu diesen zwei Anti-Terror-Maßnahmen. Quantitative Panelvergleiche Damit zum zweiten Schritt – dem Nachweis kausaler Beziehungen zwischen dem Bedrohungserleben und den Einstellungen gegenüber den Anti-Terror-Maßnahmen. Bevor wir die Befunde darstellen und referieren, sind einige Erläuterungen zu den prüfstatistischen Schritten notwendig. Dazu beziehen wir uns auf den ausgezeichneten Beitrag von Heinz Reinders (2006) und verweisen auf die Ausführungen im nachfolgenden Kasten: Ein statistischer Hinweis auf Kausalität zwischen einer unabhängigen (in unserem Falle dem Bedrohungserleben) und abhängigen Variable (den Einstellungen gegenüber AntiTerror-Maßnahmen) liegt dann vor, wenn erstens die Ursache der Wirkung zeitlich vorgelagert ist. Das heißt, die Messung der unabhängigen Variablen (UV) muss vor der Messung der abhängigen Variablen (AV) erfolgen. Zweitens müssen Ursache und Wirkung kovariieren. Es muss also ein nicht zufälliger Zusammenhang zwischen unabhängiger und abhängiger Variablen nachgewiesen werden. Schließlich muss die Ursache die alleinige (oder mindestens hauptsächliche) Erklärung für die Wirkung darstellen. Die Effekte der unabhängigen auf die abhängige Variable müssen signifikant größer als andere Effekte ausfallen. Prinzipiell ist in diesem Sinne die Überprüfung von
198
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Kausalität nicht nur in Prä-Post-Experimenten möglich, sondern kann auch durch Längsschnittstudien erfolgen. Dazu müssen z.B. bei einer Befragung mit mindestens zwei Messzeitpunkten die UV und AV zeitversetzt erfasst (zeitliche Vorordnung der UV) und deren empirische Relation zueinander (Kovaration von UV und AV) ermittelt werden (Reinders, 2006, S. 570). Das auf diesen Annahmen aufbauende Vorgehen in Cross-LaggedAnalysen ist in der folgenden Abbildung illustriert:
Abbildung 6.23: Illustration der Vorgehensweise in einer Cross-Lagged-Analyse
Mittels Regressionsanalysen sind dabei schrittweise folgende Korrelationen zu berechnen: Erstens die Autokorrelationen 4, 5, 6, 7, 8 und 9, welche jeweils die Stabilität der entsprechenden Konstrukte über die Zeit widerspiegeln. Die Pfade (1, 2 und 3) repräsentieren das Ausmaß des mittleren linearen Zusammenhangs zwischen den beiden Variablen jeweils innerhalb der drei Messzeitpunkte (den drei Interviewwellen). Im Mittelpunkt der Analysen stehen nun aber vor allem die Kreuzkorrelationen (10, 11, 12 und 13) und deren interne Relation zueinander. Vereinfacht ausgedrückt wird von einem kausalen Zusammenhang ausgegangen, wenn einer der beiden Kreuzfade substanziell höher als der andere ausfällt (minimale Bedingung, bidirektionaler kausaler Zusammenhang, der in
2 Ergebnisse und Interpretationen
199
einer Richtung stärker ist) oder aber nur einer der beiden Kreuzpfade einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Variablen X und Y über die Zeit ausweist (maximale Bedingung, unidirektionaler kausaler Zusammenhang). Mit diesem Vorgehen werden somit die drei o.g. Kriterien zum Nachweis von Kausalität erfüllt: Ursache und Wirkung werden zeitversetzt erhoben, es wird der Nachweis einer Kovariation von UV und AV über die Zeit anvisiert und eine alternative Erklärung wird durch den jeweils konkurrierenden Kreuzpfad berücksichtigt. Gerechnet werden nun mittels Regressionsanalyse zwei Modelle: Im ersten Modell wird der Zusammenhang zwischen der Variable X zum zweiten und der Variable Y zum ersten Messzeitpunkt unter Kontrolle der Variable X zum ersten Messzeitpunkt bestimmt. Dadurch kann gezeigt werden, ob Variable Y einen kausalen Einfluss auf Variable X unter Kontrolle der Stabilität von X hat. Analog erfolgt die Rechnung zwischen zweitem und drittem Messzeitpunkt, bzw. auch zwischen erstem und drittem Messzeitpunkt. Im zweiten Modell wird der entgegen gesetzte Kreuzpfad von Variable X (Messzeitpunkt 1) zur Variable Y (Messzeitpunkt 2) unter Kontrolle der Variable Y (Messzeitpunkt 1) getestet (vgl. ausführlich über das weitere Vorgehen, Reinders, 2006). Sehen wir uns nun die einzelnen Prüfschritte und die Ergebnisse genauer an. Gerechnet wurden mehrere Gruppen linearer Regressionsanalysen: Eine erste Gruppe von Regressionsanalysen zielte auf den Nachweis eines kausalen Einflusses des nationalen und persönlichen Bedrohungserlebens auf die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen. Zu diesem Zwecke wurden insgesamt acht Regressionsanalysen in folgender Reihenfolge durchgeführt: Mit den ersten zwei Analysen prüften wir den Einfluss des persönlichen Bedrohungserleben (PBE) zum ersten Messzeitpunkt (MZP1 = Erhebungswelle 1) auf die Zustimmung zu Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen (SÜ) zum Messzeitpunkt 2 (MZP2 = Erhebungswelle 2). Dazu wurden in der ersten Regressionsanalyse – um den kausalen Effekt der persönlichen Bedrohung auf die Zustimmung zu Sicherheitsund Überwachungsmaßnahmen zu testen – zunächst die Variable SÜ zum Messzeitpunkt 2 (MZP2) als abhängige Variable eingeführt und die Variable SÜ zum Messzeitpunkt 1 als erste unabhängige Variable (als erster Prädiktor), um die Stabilität von SÜ zu kontrollieren, und die Variable PBE zum MZP1 als weiterer zusätzlicher Prädiktor aufgenommen. Die Anpassungsgüte des gerechneten Regressionsmodell ist mit R2 = .58 sehr zufriedenstellend. Mit einer zweiten Regressionsanalyse wurde der Kausaleffekt der Variable SÜ (MZP1) – als erster Prädiktor – auf die Variable PBE (MZP2) als abhängige Variable getestet. Außerdem wurde PBE (MZP1) als weiterer Prädiktor aufgenommen, um wiederum die Stabilität von PBE zu prüfen. Auch hier zeigte sich mit einem R2 = .59 eine sehr zufriedenstellende Anpassungsgüte. In zwei weiteren Regressionsmodellen wurden in analoger Weise der Einfluss von PBE (MZP2) auf SÜ (MZP3) bzw. der Einfluss von SÜ (MZP2) auf PBE (MZP3) geprüft (R2 = .68 bzw. R2 = .69). Die Ergebnisse haben wir nachvollziehbar in der folgenden Abbildung 6.24 illustriert. Außer den standardisierten Pfadkoeffizienten (Beta) – in der Abbildung als Kennwerte für die Pfeile dargestellt – gibt die Abbildung auch die querschnittlichen Korrelationen zwischen den Variablen wieder. Die signifikanten Befunde wurden fett illustriert.
200
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Abbildung 6.24: Prüfung von kausalen Effekten der persönlichen Bedrohung auf die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen Anmerkung: + p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001.
Auffallend sind zunächst die über alle drei Interviewwellen hinweg signifikanten Autorkorrelationen über die Zeit zwischen dem persönlichen Bedrohungserleben, ebenso jene zwischen den Zustimmungen zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen, welche die (relativ hohe) Stabilität der jeweiligen Messungen repräsentieren. Das Ergebnismuster der Kreuzkorrelationen zeigt allerdings keine eindeutig unidirektional kausalen Zusammenhänge zwischen den betrachteten Variablen. Zwischen erstem und zweitem Messzeitpunkt sind beide Kreuzkorrelationen ähnlich stark und positiv, aber nicht signifikant. Zwischen zweitem und drittem Messzeitpunkt sind beide Kreuzkorrelationen wieder ähnlich stark und positiv, aber diesmal auch signifikant bzw. marginal signifikant. Somit lässt sich an Hand dieser Daten ein (zwischen dem zweiten und dritten Messzeitpunkt signifikanter) bidirektionaler kausaler Zusammenhang zwischen dem persönlichen Bedrohungserleben und der Zustimmung zu stärkeren Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen zeigen. Das heißt, ein höheres Bedrohungserleben kann über die Zeit zu stärkerer Zustimmung zu Sicherheitsmaßnahmen führen, während simultan diese Zustimmung auch das subjektive Bedrohungsempfinden verstärken kann. Mit den nächsten zwei Regressionsanalysen prüften wir in analoger Weise den Einfluss des nationalen Bedrohungserleben (NBE) zum ersten Messzeitpunkt (Erhebungswelle 1) auf die Zustimmung zu Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen (SÜ) zum Messzeitpunkt 2 (Erhebungswelle 2); Anpassungsgüte: R2 = .52 bzw. R2 = .37. In zwei weiteren Regressionsmodellen wurden in analoger Weise der Einfluss von NBE (MZP2) auf SÜ (MZP3) bzw. der Einfluss von SÜ (MZP2) auf NBE (MZP3) geprüft (R2 = .68 bzw. R2 = .27).
2 Ergebnisse und Interpretationen
201
Die folgende Abbildung 6.25 illustriert wiederum die Befunde.
Abbildung 6.25: Prüfung von kausalen Effekten der nationalen Bedrohung auf die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen Anmerkung: + p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. Anmerkung: Die gegenüber der Abbildung 6.25 gering veränderten Stabilitätswerte der Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen über die drei Erhebungswellen erklärt sich aus den neu aufgenommenen Prädiktoren und aus der leicht variierenden Stichprobengröße.
Hier zeigen sich keine signifikanten kausalen Effekte zwischen dem (nationalen) Bedrohungserleben und der Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen. Eine zweite Gruppe von Regressionsanalysen zielte auf den Nachweis eines kausalen Einflusses des persönlichen und nationalen Bedrohungserlebens auf die Zustimmung zu militärischen Maßnahmen. Wiederum wurden 2 x 4 Analysen in gleicher Weise berechnet. Die folgenden Abbildungen 6.26 und 6.27 zeigen die zusammengefassten Befunde.
202
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Abbildung 6.26: Prüfung von kausalen Effekten der persönlichen Bedrohung auf die Zustimmung zu militärischen Maßnahmen Anmerkung: + p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001.
Abbildung 6.27: Prüfung von kausalen Effekten der nationalen Bedrohung auf die Zustimmung zu militärischen Maßnahmen Anmerkung: * p < .05, ** p < .01, *** p < .001.
2 Ergebnisse und Interpretationen
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Auch wenn die Annahme plausibel erscheint, dass die Zustimmung zu verstärkten AntiTerror-Maßnahmen von der erlebten Bedrohung abhängig und beeinflusst sein könnte, konnten wir weder für persönliches noch für nationales Bedrohungserleben im Hinblick auf die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen bzw. militärischen Einsätzen diese Annahme bestätigen: entweder zeigten sich keine signifikanten kausalen Zusammenhänge, oder sie waren simultan in beiden Kausalrichtungen (marginal) signifikant (die Zusammenhänge zwischen der persönlichen Bedrohung und der Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen zwischen dem zweiten und dritten Messzeitpunkt). Dabei ist anzumerken, dass das Auffinden von statistisch bedeutsamen Zusammenhängen durch die kleine Stichprobe generell eher unwahrscheinlich ist. Fazit Unsere Befunde scheinen zunächst einmal im Gegensatz zu verschiedenen nationalen und internationalen, mehr oder weniger repräsentativen Untersuchungen nach 2001 zu stehen (z.B. Brosig & Brähler, 2002; Cohrs et al., 2005; Gordon & Arian, 2001), die nahe legen, dass das persönliche Bedrohungserleben der Bevölkerung angesichts des internationalen Terrorismus zugenommen hat und in Folge dessen u.a. militärisch-politische Aktionen oder verstärkte Sicherheitsmaßnahmen eher unterstützt werden.
2.6 Zusammenhänge von individuellen Einstellungen (Autoritarismus, Wertorientierungen, politische und religiöse Orientierungen) und Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen Der nun zu berichtende Ergebniskomplex stützt sich wieder ausschließlich auf die Befunde, die wir mit den Skalen der standardisierten Befragung gewonnen haben. Um den Einstieg in die Darstellung zu erleichtern, geben wir auch einige wörtliche Zitate aus den halbstandardisierten Interviews der ersten Erhebungswelle wieder. Dort wurde u.a. in Ergänzung zu den vorgelegten standardisierten Skalen noch einmal nachgefragt: Was würden Sie sagen, wie wichtig ist es, sich in der Gesellschaft den Autoritäten unterzuordnen? Interviewbeispiele: EF11 (männlich): „Man darf sich nicht alles gefallen lassen. Das Schöne an der Demokratie ist, man muss sich nicht alles gefallen lassen und hat ja auch Mittel und Wege, das zu machen. [hmh] Also nur Mitläufer finde ich auch nicht schön. Also man muss auch mal klar sagen: ‚Damit bin ich nicht einverstanden. Dagegen tue ich was.‘ Auf legalem Wege natürlich.“ AS65 (männlich): „Das ist eigentlich gar nicht wichtig, weil, eh, ich vertrete meine eigene Meinung und da muss ich mich nicht unbedingt jemanden unterordnen, nur weil er vielleicht irgendwie wichtig ist, muss ich das nicht akzeptieren wenn mir das nicht gefällt, also ich denke ich vertrete meine eigene Meinung und würde mich da nicht irgendwie unterordnen wollen.“
204
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
GA38 (weiblich): „Also ich habe es gelernt, bin mit 18 ausgezogen, also weil ich wollte, nicht weil ich musste, nee, also ich wollte ganz schnell ausziehen und da war es so, dass ich mich niemandem unterordnen wollte. Also dann ist es mir, wo ich dann angefangen habe zu arbeiten, bewusst geworden, dass es manche Sachen gibt, die muss man einfach respektieren.“ EJ91 (weiblich): „Ähm, die Frage ist, was Autoritäten in dem Zusammenhang bedeuten. Weil, ähm, ich habe halt so in meinem Familienleben gemerkt, dass es sicherlich in einer gewissen Art und Weise wichtig ist, sich unterzuordnen, aber man sollte auch nicht alles als gegeben annehmen. Und das hat mich halt auch erst dazu gebracht, so ein gutes Verhältnis zu meinem Vater zu entwickeln, weil er erst gemerkt hat, dass ich erwachsen bin und das so eine inspirierende Beziehung doch ist, weil man auf einer anderen Ebene miteinander redet. Im Verhältnis Chef zum Arbeitgeber und so weiter ist es vor allen Dingen am Anfang sehr, sehr wichtig sich unterzuordnen, aber man sollte halt auch irgendwie nicht kuschen.“ Die Interviewten, deren Antworten hier beispielhaft wiedergeben sind, stimmen keinesfalls in ihren Auffassungen zum Unterordnen unter Autoritäten überein. Dieser relativ geringe Konsens zeigt sich auch in den Antworten, die unsere Interviewpartner auf unsere im halbstandardisierten Interview gestellten Fragen nach der Zustimmung oder Ablehnung zentraler Werte abgaben. Dies und die im Kapitel II berichteten Befunde aus anderen Studien über Zusammenhänge zwischen generalisierten Einstellungen (z.B. Autoritarismus, Wertorientierungen, politischen und religiösen Orientierungen) und der Befürwortung oder Ablehnung von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung veranlasste uns, die vorliegenden Daten aus der standardisierten Befragung auch unter diesem Aspekt zu analysieren. Quantitative Befunde der standardisierten Befragung: Wir prüften diese Zusammenhänge je Interviewwelle mittels linearer Regressionsanalysen. Die Zustimmung zu den verschiedenen Anti-Terror-Maßnahmen betrachteten wir dabei als abhängige Variablen. Die individuellen Einstellungen wurden schrittweise als Prädiktoren eingeführt, um sukzessive ihre jeweiligen Effektstärken zu prüfen. Welle 1: In einer ersten Regressionsanalyse wurde die Variable „Verstärkte Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen“ als abhängige Variable gesetzt und folgende Prädiktoren eingeführt: Autoritäre Einstellungen gemessen mit der Autoritarismus-Gesamt-Langskala (siehe Kap. 5)80; die Wertorientierungen Macht, Sicherheit, Konformität, Tradition; Politische Orientierung (mit der Einzelitemskala „Politische Orientierung – Links-Rechts“) und Religiöse Orientierung (gemessen mit der Einzelitemskala „Glaube an Gott“). Die autoritären Einstellungen zeigen sich bereits im ersten Schritt als signifikanter Prädiktor (Beta = .42) für die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen. Durch die zusätzliche Einführung der Variable Politische Orientierung, die 80
Erinnert sei an dieser Stelle noch einmal daran, dass die Autoritarismus-Gesamt-Langskala die aus den Erhebungswellen 2 und 3 gemittelten Werte wiedergibt (siehe Kapitel V). Das heißt, in die nachfolgend berichteten Regressionsanalysen gehen über alle drei Erhebungswellen immer diese gleichen, über die Zeit gemittelten Autoritarismuswerte ein.
2 Ergebnisse und Interpretationen
205
sich ebenfalls als signifikanter Prädiktor (Beta = .22) erweist, erhöhte sich die erklärte Gesamtvarianz R2 von .25 auf .29. Alle weiteren eingeführten potentiellen Prädiktoren wurden im Laufe der Analyse durch SPSS ausgeschlossen, da sie keine signifikante Wirkung auf die abhängige Variable hatten. Das heißt, nur das Ausmaß der autoritären Einstellungen und die politische Orientierung eignen sich in der ersten Interviewwelle zur Voraussage für die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen: je autoritärer die Interviewten sind und je „rechter“ sie sich auf der LinksRechts-Skala verorten, desto eher befürworten sie derartige Maßnahmen. In einer zweiten Regressionsanalyse wurde die Variable „Militärische Maßnahmen“ als abhängige Variable gesetzt und wiederum die o.g. Variablen schrittweise als Prädiktoren eingeführt: In diesem Falle zeigt sich die Wertorientierung Macht im ersten Schritt als signifikanter Prädiktor (Beta = .34) für die Zustimmung zu militärischen Maßnahmen. Durch Einführung der Variable autoritäre Einstellungen, die sich nun auch als signifikanter Prädiktor (Beta = .33) erweist, erhöhte sich R2 von .13 auf .24. Alle weiteren eingeführten potentiellen Prädiktoren wurden wieder ausgeschlossen. Die Analyse von Welle 1 zeigt mithin, dass Personen, für die Macht einen zentralen Wert darstellt und/oder sich als autoritär beschreiben, militärischen Anti-Terror-Maßnahmen eher zustimmen. Welle 2: In einer ersten Regressionsanalyse wurde wiederum die Variable „Verstärkte Sicherheitsund Überwachungsmaßnahmen“ als abhängige Variable gesetzt und erneut folgende Prädiktoren eingeführt: Autoritäre Einstellungen – gemessen mit der AutoritarismusGesamt-Langskala; Politische Orientierung (gemessen mit der Einzelitemskala „Politische Orientierung – Links-Rechts“) und Religiöse Orientierung (gemessen mit der Einzelitemskala „Glaube an Gott“). Auf die Wertorientierungen als mögliche Prädiktoren mussten wir in Welle 2 und 3 verzichten (siehe auch Kap. V, Abschnitt 2.3.2.2). Die Wertorientierungen wurden nur in der Erhebungswelle 1 umfassend erhoben; in Welle 2 und 3 wurden die entsprechenden Skalen nur von wenigen Personen beantwortet. Erneut zeigen sich die autoritären Einstellungen als signifikanter und in diesem Fall einziger Prädiktor (Beta = .59; R2 = .42) Alle weiteren Variablen wurden im Laufe der Analyse automatisch ausgeschlossen, weil sich keine signifikanten Zusammenhänge fanden. Personen die sich als autoritär beschreiben, stimmen somit auch in Welle 2 eher verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen zu. Die Zustimmung zu militärischen Einsätzen in der zweiten Interviewwelle lässt sich nur durch die politische Orientierung (Beta = .32) vorhersagen (R2 = .12): je rechter sich die Personen beschreiben, desto eher stimmen sie solchen Maßnahmen zu. Welle 3: Wiederum wurde in einer ersten Regressionsanalyse die Variable „Verstärkte Sicherheitsund Überwachungsmaßnahmen“ als abhängige Variable gesetzt und erneut folgende Prädiktoren eingeführt: Autoritäre Einstellungen – gemessen mit der Autoritarismus-GesamtLangskala; Politische Orientierung (gemessen mit der Einzelitemskala „Politische Orientierung – Links-Rechts“) und Religiöse Orientierung (gemessen mit der Einzelitemskala
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VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
„Glaube an Gott“). Bedeutsamer und einziger Prädiktor sind auch in diesem Falle die autoritären Einstellungen (Beta = .66; R2 = .43). Dieses Bild wird nicht viel bunter, wenn nach bedeutsamen Prädiktoren für die Zustimmung zu militärischen Einsätzen in Welle 3 gefahndet wird. Mit den Prädiktoren autoritäre Einstellungen (Beta = .39) und politische Orientierung (Beta = .31) erhöht sich R2 von .36 auf .52. Militärische Einsätze zur Terrorbekämpfung werden demnach auch in Welle 3 vor allem von solchen Personen unterstützt, die sich als autoritär und politisch eher rechts beschreiben. Um die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen vorauszusagen, erweisen sich vor allem die autoritären Orientierungen über alle Interviewwellen hinweg als robuste Prädiktoren: autoritärere Personen stimmen diesen Maßnahmen eher zu. Die herausragenden Befunde über den Einfluss der autoritären Einstellungen veranlasste uns zu prüfen, ob und inwieweit sich diese Variable auch in entsprechenden Cross-Lagged-Regressionsanalysen als kausale Ursache für die Zustimmung zu Anti-TerrorMaßnahmen bewährt. Quantitative Panelvergleiche Wir prüften wiederum angelehnt an der oben beschriebenen Methode der Cross-LaggedAnalysen. Dabei wurden die autoritären Einstellungen jeweils in separaten Regressionsanalysen im Hinblick auf ihren kausalen Einfluss auf die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen bzw. militärischen Einsätzen getestet. Da wir die autoritären Einstellungen als stabile, generalisierte Einstellungen betrachten und mit der Autoritarismus-Gesamtskala jedem Befragten einen, über alle drei Erhebungswellen stabilen Wert zugeordnet haben, können wir in den folgenden Analysen nicht die mögliche Wirkung der Zustimmung zu den jeweiligen Anti-Terror-Maßnahmen auf die autoritären Einstellungen prüfen. Es zeigt sich (vgl. Abbildung 6.28) ein mit den theoretischen Erwartungen konsistentes Bild hinsichtlich Welle 2: Autoritäre Einstellungen haben einen signifikanten Einfluss auf die vermehrte Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen zum Erhebungszeitpunkt 2. Ähnliche Befunde liefert auch die Prüfung des Einflusses der autoritären Einstellungen auf die Zustimmung zu militärischen Maßnahmen (nächste Abbildung 6.29).
2 Ergebnisse und Interpretationen
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Abbildung 6.28: Prüfung von kausalen Effekten der autoritären Orientierungen auf die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen Anmerkung: + p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. Die Autokorrelationen zwischen den autoritären Orientierungen erreichen den maximalen Wert von 1.00, weil wir zur Operationalisierung der autoritären Orientierung die Autoritarismus-Gesamt-Langskala (gemittelte Werte aus Welle 2 und 3) eingesetzt haben (siehe oben).
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VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Abbildung 6.29: Prüfung von kausalen Effekten der autoritären Orientierungen auf die Zustimmung zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen Anmerkung: + p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. Die Autokorrelationen zwischen den autoritären Orientierungen erreichen den maximalen Wert von 1.00, weil wir zur Operationalisierung der autoritären Orientierung die Autoritarismus-Gesamt-Langskala eingesetzt haben (siehe oben).
Die autoritären Einstellungen haben offensichtlich einen signifikanten Einfluss auf die Zustimmung zu militärischen Maßnahmen in Welle 3: Umso autoritärer die Personen sind, desto eher favorisieren sie militärische Maßnahmen. Fazit Unsere Vermutungen bzw. Annahmen über Zusammenhänge von individuellen Einstellungen (Autoritarismus, Wertorientierungen, politische und religiöse Orientierungen) und Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen lassen sich zumindest partiell durch die empirischen Befunde belegen. So konnten wir – wenn auch nicht in konsistenter Weise und nicht über alle Erhebungswellen hinweg – solche Zusammenhänge zumindest zwischen den autoritären Einstellungen, spezifischen Wertorientierungen (Macht) und politischen Orientierungen einerseits und den Zustimmungen zu militärischen Einsätzen bzw. verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen nachweisen. Vor allem die autoritären Einstellungen haben sich dabei – wie in anderen Studien – als relativ robuste Erklärungsvariablen bestätigt. Auch Rickert (1998) fand in seinen Untersuchungen, dass Personen mit hohen Autoritarismus-Werten dazu neigen – wenn sie sich stark bedroht fühlten – restriktiven und strengeren politischen Maßnahmen eher zuzustimmen als Personen mit niedrigen Autoritarismus-Werten. Ein solcher Befund lässt – vor dem Hintergrund neuerer Konzeptualisierungen des Autoritarismus – verschiedene, sich aber keinesfalls widersprechende Interpretationen zu: Zum einen ist anzunehmen, dass autoritär eingestellte Personen gegenüber
2 Ergebnisse und Interpretationen
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potentiellen Terroristen allgemein sehr feindselig eingestellt sind, weil Terroristen in hohem Maße gegen die Normen und Standards der westlichen Welt verstoßen (Duckitt et al., 2002; Lippa & Arad, 1999) und damit das Weltbild von autoritären Personen besonders stark bedrohen. Zum anderen ist auch die Annahme denkbar, dass autoritär eingestellte Personen aus ihrem (dem Autoritarismus per se zugehörigem) Sicherheitsbedürfnis Militäreinsätzen und verstärkten Sicherheitsmaßnahmen zustimmen, um den Terrorismus zu beseitigen, noch bevor er ihnen gefährlich werden kann. Aber auch eine weitere, dritte Interpretation ist denkbar. Autoritäre Einstellungen können nicht nur als Ursachen für die Zustimmung zu verschärften Anti-Terror-Maßnahmen auftreten, sondern auch als situative Reaktionen auf Bedrohung interpretiert werden (z.B. im Sinne der autoritären Reaktion; Doty et al., 1991; Feldman, 2000; Oesterreich, 2000; Stellmacher, 2004). Der Staat mit seinen Möglichkeiten im „Kampf gegen den Terrorismus“ wäre in diesem Falle die Instanz, die mit entsprechenden Anti-Terror-Maßnahmen das bedrohte Sicherheitsbedürfnis wieder befriedigen könnte.
2.7 Kausale Zusammenhänge zwischen Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen, Outgroup-Ablehnung und Bedrohungserleben Dieser Ergebniskomplex stützt sich ausschließlich auf die quantitativen Panelbefunde auf der Basis der standardisierten Befragung über die drei Erhebungswellen. Das Bedrohungserleben scheint ein sehr sensibles, ereignisabhängiges und situationsbezogenes Phänomen zu sein, das von unterschiedlichen Personen (Männern, Frauen, Gottesgläubigen und Nichtgläubigen, Verheirateten und Ledigen, Älteren und Jüngeren) zu unterschiedlichen Zeiten sehr unterschiedlich geäußert wird (vgl. Abschnitt 2.1; vgl. auch Brockhaus, 2002). Andererseits konstruieren die medialen Berichterstattungen über den Terrorismus nicht nur Bedrohungsszenarios („Dieses Land fühlt sich nicht wirklich bedroht“; FAZ, am 19.07.09), sondern vermitteln vor allem Interpretationen über Terroristen, ihre Sympathisanten und deren kulturell-religiöse Einbindungen. Mit diesen medialen Interpretationen (oder medialen Frames) über Terroristen werden auch Bezugsrahmen und/oder Bestätigungen für individuelle und/oder gruppenbezogene Vorurteile gegenüber Fremden im Allgemeinen und Muslimen im Besonderen bereitgestellt (vgl. auch Huddy et al., 2002a). Damit liegt der Schluss nahe, danach zu fahnden, ob und inwieweit derartige spezifische Vorurteile gegenüber Ausländern oder Muslimen oder die Bereitschaft, Mitglieder solcher Gruppen abzulehnen (Outgroup-Diskriminierung), die Zustimmung oder Ablehnung von AntiTerror-Maßnahmen fördern können. Wir prüften deshalb, inwieweit erstens die Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen kausal von Vorurteilen in Bezug auf spezifische Gruppen abhängen und zweitens, ob die spezifischen Vorurteile kausal vom subjektiven Bedrohungsempfinden angesichts der Terrorgefahren beeinflusst werden. Zur Operationalisierung der Vorurteile nutzten wir eine weiter oben (Kap. V) vorgestellte Skala „Outgroup-Ablehnung“, die wir aus zwei Items (Ausländerablehnung und Ablehnung von Muslimen) gebildet haben. Die statistische Prüfung erfolgte wiederum mit Hilfe der oben beschrieben Cross-Lagged-Analysen, die wir allerdings hier um einen Schritt erweiterten. Wir prüften nicht nur die entsprechenden
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VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
kausalen Zusammenhänge zwischen Welle 1 und Welle 2 bzw. Welle 2 und Welle 3, sondern auch jene zwischen Welle 1 und Welle 3. In der statistischen Auswertung zeigten sich dabei Zusammenhänge, die aufgrund des methodischen Vorgehens durchaus als Wirkzusammenhänge zu interpretieren sind, auch wenn sie sich zunächst nicht so einfach erschließen lassen. Die folgende Abbildung 6.30 illustriert zusammenfassend die Befunde über die querschnittlichen, längsschnittlichen und kausalen Zusammenhänge zwischen der Ablehnung von Outgroups (Ablehnung von Ausländern und Muslimen) und den Einstellungen zu AntiTerror-Maßnahmen (Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen und militärische Einsätze). Zur besseren Übersicht haben wir alle nichtsignifikanten Zusammenhänge nicht aufgeführt.
Abbildung 6.30: Querschnittliche, längsschnittliche und kausale Zusammenhänge zwischen Ablehnung von fremden Gruppen (Ausländern und Muslimen) und der Zustimmung zu Anti-Terror-Maßnahmen Anmerkung: + p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001.
2 Ergebnisse und Interpretationen
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Die kausalen Pfade zeigen, dass es über die Zeit unidirektionale kausale Wirkungen von ablehnenden Einstellungen gegenüber Fremdgruppen (Outgroups) zu Anti-Terror-Maßnahmen gibt, während die umgekehrten Kausalpfade nicht signifikant sind. In anderen Worten: Personen, die fremde Gruppen stärker ablehnen, befürworten deshalb auch verschärfte Anti-Terror-Maßnahmen, in diesem Falle militärische Einsätze und verstärkte Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen. Die Ablehnung von Fremden bzw. die Outgroup-Ablehnung setzt sich in unserer Untersuchung aus zwei Facetten zusammen: aus der Ablehnung von Ausländern im Allgemeinen und aus der Ablehnung von Muslimen im Besonderen. Dass heißt, Personen, die Ausländer und Muslime ablehnen, befürworten auch eher die besagten verschärften Anti-TerrorMaßnahmen. Wir haben deshalb weitergefragt, ob die Ablehnung von Ausländern und Muslimen in irgendeiner Weise mit dem Erleben von Terrorbedrohung zusammenhängt und fanden zunächst keine interpretierbaren Zusammenhänge zwischen dem Gesamtkonstrukt OutgroupAblehnung und den Facetten der wahrgenommenen Bedrohung durch Terrorismus (persönliche und nationale Bedrohung). In den weiteren Schritten haben wir deshalb das Gesamtkonstrukt Outgroup-Ablehnung wieder in seine Facetten (Ablehnung von Ausländern und Ablehnung von Muslimen) zerlegt und nach jeweiligen Prädiktoren für diese beiden Facetten gesucht. Die folgende, unsere Analysen zusammenfassende Abbildung 6.31 illustriert zum einen noch einmal die signifikanten Kausalbeziehungen zwischen dem Gesamtkonstrukt Outgroup-Ablehnung einerseits und den Zustimmungen zu militärischen Einsätzen bzw. zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen andererseits über die drei Erhebungswellen. Zum anderen sind die signifikanten Korrelationen zwischen dem Gesamtkonstrukt Outgroup-Ablehnung und den darin enthaltenen zwei Facetten aufgeführt und zum dritten verweist die Abbildung auf die noch offene Frage nach Prädiktoren für die zwei Facetten des Konstrukts Outgroup-Ablehnung.
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VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Abbildung 6.31: Signifikante Kausalbeziehungen zwischen dem Gesamtkonstrukt Outgroup-Ablehnung und den Zustimmungen zu militärischen Einsätzen bzw. zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen, Welle 1-3
In einem ersten Schritt suchten wir nach Prädiktoren für die ablehnenden Einstellungen gegenüber Ausländern (Einzelitem-Skala „Es leben zu viele Ausländer in Deutschland.“) und gegenüber Muslimen (Einzelitem-Skala „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“; beide mit hoher Retest-Stabilität; siehe Kap. V). Unter all den Variablen, die wir erhoben haben, haben sich – wiederum in Cross-Lagged-Analysen – nur die autoritären Einstellungen (gemessen mit der Autoritarismus-Gesamt-Langskala) als statistisch bedeutsame Prädiktoren erwiesen. Analog zu den Prüfungen im vorigen Abschnitt konnten wir auch in diesem Falle nur die kausalen Effekte der autoritären Einstellungen auf die ablehnenden Einstellungen gegenüber Ausländern und Muslimen prüfen; die Prüfung der umgekehrten Effekte war auch diesmal aus den besagten Gründen (wie in den Abbildung 6.30 und 6.31) nicht möglich. In diesen Prüfungen erwiesen sich – wie gesagt und erwartet – die autoritären Einstellungen über alle drei Erhebungswellen als signifikante Prädiktoren sowohl für die Ablehnung von Ausländern als auch für die Ablehnung von Muslimen. Die folgende Abbildung 6.32 gibt die Befunde wieder.
2 Ergebnisse und Interpretationen
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Abbildung 6.32: Querschnittliche, längsschnittliche und kausale Zusammenhänge zwischen Ablehnung von fremden Gruppen (Ausländern und Muslimen) und Autoritarismus Anmerkung: + p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001.
Bevor wir noch nach weiteren kausalen Effekten fahnden, wollen wir es nicht versäumen, anhand der folgenden Tabelle einige interessante korrelative Zusammenhänge zwischen den autoritären Einstellungen und anderen Variablen vorzustellen (vgl. Tabelle 6.5).
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VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Tabelle 6.5: Produkt-Moment-Korrelationen (nach Pearson) zwischen Autoritarismus, persönlichem Bedrohungserleben, Ablehnung von Muslimen, Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit, Welle 1-3 Bedrohung- Bedrohung- BedrohungNationalismus Nationalismus Nationalismus Persönlich Persönlich Persönlich Welle 1 Welle 2 Welle 3 Welle 1 Welle 2 Welle 3 AutoritarismusGesamt
.58**
.62**
.55**
.57**
.60**
.62**
Ablehnung von Muslimen Welle 1
.41**
.41**
.13
.46**
.54**
.40**
Ablehnung von Muslimen Welle 2
.46**
.48**
.38*
.48**
.46**
.51**
Ablehnung von Muslimen Welle 3
.50**
.46**
.50**
.48**
.58**
.52**
Ausländerfeindlichkeit Welle 1
.59**
.60**
.68**
.62**
.64**
.60**
Ausländerfeindlichkeit Welle 2
.55**
.68**
.67**
.36*
.55**
.53**
AusländerFeindlichkeit Welle 3
.48**
.59**
.66**
.47**
.65**
.61**
Anmerkungen: ** Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant; *. Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Die in den Zellen wiedergegebenen statistischen Kennziffern sind Korrelationskoeffizienten, also nicht identisch mit den Effektstärken (den Beta-Werten), mit denen die Stärke der kausalen Zusammenhänge in den Cross-Lagged-Analysen ausgedrückt werden. Die erste Zeile in der Tabelle zeigt, dass autoritäre Einstellungen über alle drei Erhebungswellen hinweg signifikant positiv mit der persönlichen Bedrohung angesichts terroristischer Gefahren und mit nationalistischen Einstellungen korreliert sind. Die nationalistischen Einstellungen wurden – wie in Kap. V vorgestellt – mit einer EinzelitemSkala („Sind Sie stolz darauf, Deutsche(r) zu sein?“) operationalisiert. Damit legen die korrelativen Zusammenhänge die Annahme nahe, dass sich autoritär eingestellte Personen angesichts des Terrorismus persönlich bedrohter fühlen und nationalistischen Aussagen eher zuzustimmen als weniger autoritär eingestellte Personen (und umgekehrt). Die signifikanten, positiven Korrelationen in den übrigen Zeilen verweisen darauf, dass sich auch Personen, die Ausländer und Muslimen eher ablehnen, persönlich bedrohter
2 Ergebnisse und Interpretationen
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fühlen und offenbar auch nationalistischer eingestellt sind, als Personen, die geringere Ablehnungen äußern. Um eine nachvollziehbare Interpretation für diese Zusammenhänge und die oben berichteten kausalen Effekte zu finden, sehen wir uns noch einen weiteren Befund an. In statistischen Kausalanalysen über alle Interviewwellen hinweg zeigte sich nämlich überdies, dass die spezifische Ablehnung von Muslimen in Welle 3 offenbar eine Folge der subjektiv wahrgenommenen persönlichen Terrorbedrohungen in den Wellen 1 und 2 ist. Umso stärker sich Personen in Welle 1 und/oder 2 persönlich bedroht gefühlt haben, desto stärkere Ablehnung von Muslimen haben sie in Welle 3 geäußert. Für die spezifische Ablehnung von Ausländern und auch für das Gesamtkonstrukt Outgroup-Ablehnung konnten indes diese Zusammenhänge nicht nachgewiesen werden. Die folgende Abbildung 6.33 fasst die Befunde – erneut ohne die nichtsignifikanten Zusammenhänge – zusammen:
Abbildung 6.33: Kausale Zusammenhänge zwischen persönlichem Bedrohungserleben und der Ablehnung von Muslimen Anmerkung: + p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001.
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VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Fazit 1.
Betrachten wir zunächst die in Abbildung 6.32 illustrierten Befunde: Der Zusammenhang zwischen Autoritarismus und Fremdenfeindlichkeit bzw. Minderheitendiskriminierung ist mittlerweile vielfach dokumentiert worden (Cohrs et al., 2005a,b; Duriez & van Hiel, 2002; Frindte, Wettig & Wammetsberger, 2005; Frindte & Zachariae, 2005b; Heitmeyer & Heyder, 2002; Lippa & Arad, 1999; Schmidt & Heyder, 2000; van Hiel, Pandelaere und Duriez, 2004; Zakrisson & Löfstrand, 2002). Altemeyer (1988, 1998) verweist selbst auf substantielle Zusammenhänge zwischen RWA und diskriminierenden Einstellungen gegenüber Arabern, Asiaten, bzw. Afroamerikanern. Duriez und van Hiel (2002), Heitmeyer und Heyder (2002), Lippa und Arad (1999), van Hiel, Pandelaere und Duriez (2004) und Zakrisson und Löfstrand (2002) und viele andere können die vorurteilsvollen, rassistischen oder fremdenfeindlichen Wesenszüge Autoritärer ebenfalls belegen. Mit Recht haben Feldman (2000), Oesterreich (1996) und andere, darunter auch Jost, Glaser, Kruglanski und Sulloway (2003), aber auch darauf aufmerksam gemacht, dass es ein Fehler sei, autoritäres Verhalten nur aus der Sicht auf stabile individuelle Besonderheiten (z.B. den autoritären Überzeugungen) erklären zu wollen und dabei situative, soziale Einflüsse zu vernachlässigen. Autoritarismus wird im Umgang mit unsicheren, ambivalenten Situationen gelernt. In derartigen Situationen orientieren sich Menschen an sozialen Bezugssystemen bzw. Ideologien, die – nach Oesterreich (2000) – Sicherheit anbieten können. Oesterreich nennt diese Orientierung an Schutz gewährenden Instanzen die „Flucht in die Sicherheit“ bzw. „autoritäre Reaktion“ (vgl. auch Doty et al., 1991; Feldman, 2000; Stellmacher, 2004). Hinter dieser Orientierung steht – psychologisch betrachtet – das Grundmotiv nach Ordnung, Struktur und nach Vermeidung von Unsicherheit und in zugespitzter Weise die Intoleranz gegenüber ambivalenten Situationen. Die Ausländer, Muslime, Fremde sind aus der Sicht autoritär eingestellter Personen die Personifikation unsicherer, ambivalenter und u.U. bedrohlicher Situationen, vor denen sich die Autoritären durch Abwertung der betreffenden Fremdgruppen zu schützen versuchen. Mit einer solchen Erklärung lassen sich nicht nur die Befunde über die kausalen Zusammenhänge zwischen autoritären Einstellungen und Outgroup-Ablehnung interpretieren, auch die korrelativen Zusammenhänge in Tabelle 6.5 werden damit verständlich: Autoritäre Einstellungen sind offenbar – wie auch fremdenfeindliche Einstellungen (gegenüber Ausländern und Muslimen) – häufig auch mit Bedrohungserlebnissen verknüpft. Die gleichfalls gefundenen signifikanten Korrelationen zwischen den autoritären und den fremdenfeindlichen Einstellungen einerseits und den nationalistischen Einstellungen andererseits können nun auch als Hinweise gelesen werden, dass autoritär und fremdenfeindlich eingestellte Personen u.U. in der Nation oder dem Nationalstaat die Instanzen zu finden hoffen, die die erwünschte Sicherheit in ambivalenten und bedrohlichen Situationen zu bieten vermögen. Auch die Befunde, die wir in Abbildung 6.30 illustriert haben, sind mit einer solchen Erklärung kompatibel. Die kausalen Effekte zwischen den Outgroup-Ablehnungen und den Zustimmungen zu militärischen und sicherheitspolitischen Anti-Terror-Maßnahmen sprechen dafür, dass diejenigen, die Fremde (Ausländer und Muslime) ablehnen, im Staat mit seinen Möglichkeiten im
2 Ergebnisse und Interpretationen
2.
217
„Kampf gegen den Terrorismus“ eine wichtige Instanz sehen, die mit entsprechenden Anti-Terror-Maßnahmen das persönliche Bedrohungserleben und das bedrohte Sicherheitsbedürfnis zu reduzieren vermag. Die Ergebnisse in Abbildung 6.33 über den – zumindest teilweise nachgewiesenen – kausalen Zusammenhang zwischen persönlichem Bedrohungsempfinden und der Ablehnung von Muslimen entspricht weitgehend den Annahmen der Integrated Threat Theory of Predjudice (ITT, Stephan & Stephan, 2000; Stephan & Renfro, 2002) und anderer aktueller sozialpsychologischer Theorien zum Intergroup Bias. Die revidierte ITT postuliert u.a., dass Menschen auf persönliche Bedrohungen und oder gruppenbezogen Bedrohungen (die sich auf ihre Bezugsgruppen beziehen können) mit Vorurteilen gegenüber den als bedrohlich eingestuften Fremdgruppen und/oder spezifische Verhaltensreaktionen (z.B. Aggression gegenüber Fremdgruppen oder bestrafende Maßnahmen) reagieren können. Persönliche oder gruppenbezogene Bedrohungen können sich auf die Identität der Eigengruppe, auf ihre Ziele und Werte, aber auch auf ihre Existenz und die ihrer Mitglieder beziehen (Hewstone, Rubin & Willis, 2002). Solche Bedrohungen können materiell (z.B. wenn es um begrenzte Ressourcen geht) oder symbolisch sein (z.B. bei der Bedrohung von Werten, Gebräuchen und Traditionen der Eigengruppe, vgl. Esses et al. 1993). Im Falle einer wahrgenommenen Bedrohung werden Fremdgruppen eher als eine geschlossene Einheit aufgefasst, was wiederum dazu führt, dass sie verstärkt als aggressiv und gefährlich wahrgenommen werden. Unsere Befunde verweisen nun offensichtlich darauf, dass persönliches Bedrohungsempfinden angesichts terroristischer Gefahren die Ablehnung von Muslimen erhöhen kann. Offenbar werden in diesem Falle vor allem die Muslime für die terroristischen Gefahren und den Terrorismus verantwortlich gemacht. Das bestätigen zum Einen auch einige der weiter oben berichteten Interviewbefunde über die individuellen Interpretationen des Terrorismus. Zum Anderen spiegeln derartige Attributionen auch die öffentlichen und medial verbreiteten Alltagsdiskurse über den Zusammenhang von Terrorismus, Islam und Muslimen wider (vgl. z.B. Becker, 2002; Werthes et al., 2002). Auch unsere Medienanalysen (siehe Kap. IV) zeigen, dass Terrorismus medial vor allem als islamistischer, religiös motivierter Terrorismus in Szene gesetzt wird und potentiellen Terroristen religiöse Motive attribuiert werden. Dass sich manche Attentäter selbst auf den Islam berufen, um ihre Taten zu legitimieren, befördert derartige Attributionen noch. Auch wenn in offiziellen (politischen) Stellungnahmen gegen derartige Zusammenhänge und Attributionen argumentiert wird, lässt sich spätestens seit dem 11. September eine Zunahme an expliziten Schuldzuweisungen gegenüber Muslimen für Gewalt und Terrorismus feststellen. Sabine Schiffer (2005) meint in diesem Zusammenhang aber auch, dass derartige Schuldzuweisungen nicht neu sind und den unterschwellig unterstellten negativen Eigenschaften des Islams im Alltagsdiskurs entsprechen. Das sei auch der Grund, warum derartige Zuschreibungen vielen zunächst so plausibel erscheinen. Hewstone, Rubin und Willis (2002) argumentieren, dass Bedrohungserlebnisse häufig auch mit starken Intergruppengefühlen, wie Angst oder Wut, verknüpft sein können. Intergruppengefühle sind Emotionen, die in Intergruppenkontexten ausgelöst werden, also Gefühle, die man als Mitglied einer Ingroup gegenüber relevanten Fremdgruppen
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VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II und deren Mitgliedern haben kann. Während derartige Angstgefühle meist dazu führen, dass sich die Betroffenen von den bedrohlichen Fremdgruppen zu distanzieren versuchen, fördern Wutgefühle eher Befürwortung von Aggression und Gewalt gegenüber diesen Fremdgruppen (vgl. auch Smith, 1993). Derartige Intergruppengefühle könnten die emotionalen Grundlagen dafür sein, dass – wie in Abbildung 6.31 dargestellt – Personen, die Fremdgruppen (Outgroups) ablehnen, entweder aus Angst verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen oder aus Wut militärischen Maßnahmen im „Kampf gegen den Terrorismus“ eher zustimmen. Unsere Daten reichen allerdings nicht aus, um eine solche Erklärung empirisch zu begründen. Deshalb müssen wir es vorerst bei diesen theoretisch begründeten Vermutungen belassen.
Eine andere Frage liegt allerdings nahe: Erlauben unsere Daten Rückschlüsse darauf, ob und inwieweit der empirisch nachgewiesene Zusammenhang zwischen dem persönlichen Bedrohungserleben angesichts terroristischer Gefahren, der darauf aufbauenden Ablehnung von Muslimen und der verstärkten Zustimmung zu militärischen und sicherheitspolitischen Anti-Terror-Maßnahmen in Folge von Outgroup-Ablehnung eine Parallele zu den öffentlichen und medial verbreiteten Diskursen über die vermeintliche Verknüpfung von Terrorismus, Islam und Muslimen aufweist? In der Suche nach einer Antwort auf diese Frage stießen wir nun auf ein interessantes Ergebnis, mit dem sich eine Brücke zum ersten Teil unseres Projekts schlagen lässt – zur Untersuchung der medialen Konstruktionen des Terrorismus. Darüber berichten wir im folgenden Abschnitt.
2.8 Einfluss medialer Berichterstattungen über Terrorismus auf das Bedrohungserleben und auf die Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen Dieser letzte Ergebniskomplex stützt sich wieder auf die qualitativen Befunde aus den halbstandardisierten Interviews, den aggregierten SPSS-Aufbereitungen und auf die quantitativen Befunde der standardisierten Befragung. Die entsprechenden Leitfragen im Interview lauteten: A) B)
„Wie groß ist der Einfluss der Privatsender auf Ihr eigenes Meinungsbild über Terrorismus?“ „Wie groß ist der Einfluss der öffentlich-rechtlichen Sender auf Ihr eigenes Meinungsbild über Terrorismus?“
Wir beginnen entgegen der bisherigen Darstellungslogik nicht mit Interviewzitaten, sondern mit einer ersten Darstellung aggregierter Interviewbefunde.
2 Ergebnisse und Interpretationen
219
Aggregierte Interviewdaten: Die Antworten auf die Fragen erlaubte es uns, die Interviewten in jeweils zwei Teilgruppen zu unterteilen: Personen, die sich durch Privatsender „hoch“ oder „gering“ beeinflusst sehen und/oder Personen, die sich durch öffentlich/rechtliche Sender (ÖR) „hoch“ oder „gering“ beeinflusst sehen. Da alle Interviewten im Hinblick auf beide Fragen um eine persönliche Einschätzung gebeten wurden, sind die daraus resultierenden Befunde so zu interpretieren, dass eine Person simultan auch Teil beider Untergruppen (z.B. „Privat hoch“ und „ÖR hoch“) sein kann und somit eine hohe bzw. niedrige Beeinflussung von Privatsendern und gleichzeitig eine entsprechende Beeinflussung von öffentlich-rechtlichen Sendern für wahrscheinlich hält. Befunde: 1. Ursachen des Terrors und Medieneinfluss Die Ursachenattributionen zum Terrorismus haben wir – siehe auch Abschnitt 2.3. – mit der folgenden Leitfrage im Interview eruiert: „Welche Bedingungen und Faktoren sind ihrer Meinung nach notwendig und führen ihrer Meinung nach zu einem Terroranschlag?“ Betrachtet man die generellen Ursachenattributionen getrennt nach dem jeweils subjektiv eingeschätzten Einfluss der öffentlich-rechtlichen und der privaten Fernsehsender lässt sich zunächst erkennen, dass in beiden Untergruppen („Privat hoch“ und „ÖR hoch“) der größte Teil der Interviewten sowohl (personen-)internale als auch (personen-)externale Ursachenerklärungen für Terrorismus formulieren. Bei den Personen, die den Einfluss der Privatsender auf das eigene Meinungsbild höher einschätzen (untere Grafik in Abbildung 6.34, schwarze Balken) liegt der Anteil der tatsächlich im Gespräch genannten externalen Ursachenfaktoren bei 94%, hingegen bei den Personen, die sich stark durch öffentlich-rechtliche Sender beeinflusst sehen bei 78% (obere Grafik der Abbildung 6.34, schwarze Balken). Zudem erklären deutlich mehr Personen, die sich stärker durch die Privatsender beeinflusst sehen, die Ursachen des Terrorismus in Form von sog. Zusammenhangskonstruktionen (68%), als Personen, die sich ihrer Meinung nach vor allem durch öffentlich-rechtliche Fernsehen beeinflussen lassen (52%). Zusammenhangskonstruktionen haben wir dann codiert, wenn die Interviewten unterschiedliche Ursachen für den Terrorismus genannt und miteinander in Beziehung gebracht haben (z.B. „Ich denke, dass hier unterschiedliche Ursachen eine Rolle spielen: In dem Land herrscht große Armut – dann kommt hinzu, dass sicherlich deshalb auch Bildungswege verschlossen bleiben und damit liegt es auf der Hand, dass man empfänglich wird für Gedanken, die einen Ausweg aus der Lage aufzeigen – wenn dann noch fanatische religiöse Überzeugungen hinzu kommen … dann ist das der Nährboden für Terrorismus…“). Die Nennung solcher Konstruktionen im Interview muss nicht zwangsläufig auf das elaborierte Wissen der interviewten Person verweisen, sondern könnte auch durch Unsicherheit im Festlegen auf eine mögliche Ursache bedingt sein.
220
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II 100%
83%86%
80%
89% 78%
ÖR gering 64% 52%
60%
ÖR hoch 36% 28%
40% 20% 0%
100% 80% 60% 40%
91% 81%
94% 75%
Privat gering
68% 49% 36% 24%
Privat hoch
20% 0%
Abbildung 6.34: Ursachen für Terrorismus getrennt nach medialem Einfluss Anmerkungen: Privat = Subjektives Ausmaß der Beeinflussung durch private Fernsehsender, ÖR = Subjektives Ausmaß der Beeinflussung durch öffentlich/rechtliche Sender.
2 Ergebnisse und Interpretationen
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Betrachtet man die internalen Ursachenattributionen im Detail, so fällt auf, dass sich beide Gruppen der Interviewten („Privatsender-Beeinflusste“ versus „Öffentlich-Rechtlich-Beeinflusste“) bei den Attributionen von persönlichen Überzeugungen, Zielen und Motiven der Terroristen unterscheiden (siehe Abbildung 6.35). Es sind vor allem Personen, die sich stärker durch Privatsender beeinflusst sehen, die den Terroristen religiöse Motive, extreme Einstellungen und ideologisches Denken zuschreiben. Hier liegt die Anzahl der Personen zwischen 20% und 43% (untere Grafik Abbildung 6.35, schwarze Balken), wobei religiöse Motive mit 43% am häufigsten genannt werden. Interessant ist auch, dass je geringer sich die Personen einem Einfluss von Privatsendern ausgesetzt sehen, desto häufiger den Terroristen bestimmte Ziele und angestrebte Wirkungsweisen unterstellt werden. Hier liegen die Nennungen bei 31% (untere Grafik, Abbildung 6.35, graue Balken). Darüber hinaus wird deutlich, dass Personen, die sich durch Privatsender beeinflusst sehen, in der Oberkategorie externaler Ursachenattributionen (Sozialisationsbedingungen) ihre Aussagen ausschließlich auf das Frustrationserleben/Negative Erleben von Terroristen beziehen (29%). Personen, die vor allem den öffentlich-rechtliche Sender mehr Einfluss zuschreiben, berichten hingegen ein differenzierteres Ursachengefüge, bestehend aus dem bereits genannten Frustrationserleben der potentiellen Täter (19%), aber auch das Durchleben der eigenen Opferrolle (7%), generelle politische Sozialisationsbedingungen (3%) und Erziehungsmaßnahmen (3%) werden als attributive Erklärungen angeführt. 2. Bedrohungserleben und Medieneinfluss Die drei Leitfragen zur Eruierung des Bedrohungserlebens im Interview lauteten: A) B) C)
„Was stellt Ihrer Meinung nach derzeit die größten weltweiten Bedrohungen dar?“ „Denken Sie, dass Sie persönlich oder Ihre Familien bzw. Freunde Opfer eines Terroranschlages werden können?“ „Inwiefern denken Sie, besteht eine konkrete Gefahr?“
Sehen wir uns zunächst ausgewählte Zitate für die unterschiedlich konstruierten Bedrohungswahrnehmungen in Bezug auf die Themenbereiche „Klima und Umwelt“, „Gesellschaft“ sowie „Terror und Terrorismus“ an. Interviewbeispiele: EJ80 (ÖR hoch/Privat hoch): „Die weltweit größten Bedrohungen. Ähm als erstes Klimaveränderungen. Ich nenne das jetzt nicht Klimakatastrophe weil mit Klimaveränderung weiß niemand Richtung positiv oder negativ werden kann oder soll. Aufgrund der Klimaveränderung sehe ich große Bedrohungen einfach auch der Kampf ums Öl. Also is schon erschreckend wenn die letzten Ölfelder sich jetzt schon chinesische oder amerikanische Armeen stationieren sage ich mal. Aber ich sehe auch Gefahr einfach dahingehend dass verschiedene extreme Strömungen, sei es aus dem Christentum, aus dem Islam doch sehr viel auch die Medien nutzen. Aber auch rechtsextreme Gruppen sich immer mehr in den einzelnen europäischen Staaten z.B. ihre Diskrepanzen ablegen und gemeinsame Sachen tun und das schon als Gefährdung ansehe...“
222
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
50% 40% 30%
ÖR gering ÖR hoch
20% 10% 0%
Privat gering 50%
Privat hoch
40% 30% 20% 10% 0%
Abbildung 6.35: Person-interne Ursachen für Terrorismus: Persönliche Überzeugungen/Ziele/Motive, getrennt nach medialem Einfluss Anmerkungen: Privat = Subjektives Ausmaß der Beeinflussung durch private Fernsehsender, ÖR = Subjektives Ausmaß der Beeinflussung durch öffentlich/rechtliche Sender.
2 Ergebnisse und Interpretationen
223
RG68 (ÖR hoch/Privat gering): „Tja, globale Bedrohungen, also, von uns aus, also von mir aus gesehen ist ja ne Bedrohung immer für die westliche Zivilisation irgendwie, wenn man so sagen will, und da ist natürlich irgendwie die Angst vor terroristischen Übergriffen auch immer noch da, (.) ist zwar jetzt zurück gegangen, würd ich mal sagen, diese Angst, das Bewusstsein der terroristischen Übergriffe, also gerade jetzt für unsere westeuropäische Region, würd ich mal sagen. Von daher ist es nicht global, ansonsten ist es halt die Umweltproblematik, die immer 'n Thema ist auf den globalen Konferenzen, weils ja wirklich 'n globales Thema ist…“ DS82 (ÖR gering/Privat hoch): „Die weltweiten Bedrohungen, na, einmal ist es unsere Umweltgeschichte, würde ich sagen, das ist ja momentan extrem. Na gut, dann die Kriege untereinander, dass was man ja gar nicht weiß, wer morgen irgendwo in Afrika gegeneinander wieder loslegt. Oder die USA, was denen irgendwann noch mal einfällt. Aber das ist so vielschichtig.“ Aggregierte Interviewdaten: Vergleicht man nun wiederum die beiden Gruppen der eher durch öffentlich rechtliche Sender beeinflussten (ÖR hoch) und der eher durch Privatsender beeinflussten Personen (Privat hoch), so fällt auf, dass „Terror und Terrorismus“ in beiden Gruppen erst als viert größte weltweite Bedrohung hinter „Klima und Umwelt“, „Gesellschaft“ und „Krieg und Rüstung“ genannt wird. Auch der prozentuale Anteil der Befragten, die diese Urteile abgeben, unterscheidet sich nicht nennenswert: Personen, die sich stärker durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen beeinflusst sehen, äußern in 34% der Fälle Bedrohungserleben durch Terror und Terrorismus. Personen, die sich stärker durch private Fernsehsender beeinflusst sehen, äußern dies zu 38%. Die größeren und interessanteren Unterschiede liegen deutlich in den Bedrohungswahrnehmungen der ersten drei Themenbereiche. Diejenigen Personen, die sich eher durch öffentlich-rechtliche Sender beeinflusst sehen, schätzen auch zu einem höheren Anteil die Bedrohung durch „Klima und Umwelt“ (81%) und „Gesellschaft“ (48%) als relevant ein. Bei Personen, die sich stärker durch private Sender beeinflusst sehen, fällt die Bedrohungseinschätzung von Faktoren, die unter diese beiden ersten Themenbereiche fallen, deutlich geringer aus („Klima und Umwelt“, 68%; „Gesellschaft“, 41%). Im Hinblick auf die zweite und dritte Leitfrage („Denken Sie, dass Sie persönlich oder Ihre Familien bzw. Freunde Opfer eines Terroranschlages werden können?“ „Inwiefern denken Sie, besteht eine konkrete Gefahr?“), die das unmittelbare persönliche Bedrohungserleben im Unterschied zu den globalen Bedrohungen eruieren sollten, zeigt sich, dass auch hier wieder der Anteil der Personen, die sich in ihren Meinungen stärker durch Privatsender beeinflusst sehen, höher ist als in der Gruppe der Personen, die den öffentlichrechtlichen Sender mehr Einfluss unterstellen.
224
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II 100% 80%
ÖR gering
81% 61%
60%
48%
40%
28%
43% 28%
ÖR hoch 36%34%
28% 22%
20%
25% 10%
0%
100% 80% 60% 40% 20%
Privat gering
76% 68% 39%41% 36%41% 32% 12%
38% 34%
Privat hoch 24% 12%
0%
Abbildung 6.36: Wahrgenommene weltweite Bedrohungen (über alle 3 Rangplätze hinweg) getrennt nach medialem Einfluss
Die Wahrscheinlichkeit für ein Terrorereignis in der direkten persönlichen Umgebung wird von „Privat-Beeinflussten“ zu 44% als „immer gegeben“ eingestuft, bei den ÖffentlichRechtlich-Beeinflussten sind es dagegen 33%. Über ein Drittel (34%) der Befragten in der Gruppe der „Öffentlich-Rechtlich-Beeinflussten“ meinen, dass dieses Szenario „nur eine geringe Wahrscheinlichkeit“ aufweist, bei den „Privat-Beeinflussten“ ist der entsprechende Wert etwas niedriger und liegt bei 29% (vgl. Abbildung 6.37).
2 Ergebnisse und Interpretationen
225
50% 40%
ÖR gering
33%
33%
36%
34%
30%
ÖR hoch
25% 21%
20% 10% 0% Wahrscheinlichkeit immer gegeben
50%
Wahrscheinlichkeit gleich null
Privat gering
44% 39%
40% 30%
geringe Wahrscheinlichkeit
Privat hoch
29% 25%
24%
21%
20% 10% 0% Wahrscheinlichkeit immer gegeben
Geringe Wahrscheinlichkeit
Wahrscheinlichkeit gleich null
Abbildung 6.37: Wahrscheinlichkeit für Terrorismusopfer im nahen Umfeld getrennt nach medialem Einfluss
Abbildung 6.38 verdeutlicht, dass „Öffentlich-Rechtlich-Beeinflusste“ die Wahrscheinlichkeit, auf Reisen, im Urlaub oder in Großstädten selbst Opfer von Terrorismus zu werden, als deutlich höher bewerten. Aber auch in den anderen Antwortkategorien finden sich öfter Aussagen, welche auf eine stärkere Meinungsdifferenzierung seitens dieser Personengruppe hinweisen.
226
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II 25% 20%
ÖR gering
19% 17%
ÖR hoch
14% 12%
15%
8% 9%
10%
8% 6%
5%
3%
3%
0% Reisen, Urlaub
Großstädte vs.Provinz
in bestimmten überall möglich Deutschland Ländern vs.Ausland Gefahr
Privat gering
25% 21% 20%
17%
Privat hoch
15%
15% 10%
9%
10% 6%
6% 3%
5%
7% 3%
0% Reisen, Urlaub Großstädte vs.Provinz
in bestimmten überall möglich Deutschland Ländern vs.Ausland Gefahr
Abbildung 6.38: Begründungen des subjektiven Bedrohungserlebens durch Terrorismus mit räumlich-geografischer Dimension getrennt nach medialem Einfluss
3. Anti-Terror-Maßnahmen und Medieneinfluss Die Einstellungen zu Anti-Terror-Maßnahmen wurden mit den folgenden Leitfragen ermittelt: A) B)
„Beschreiben Sie Ihre Einstellung gegenüber militärischen und nichtmilitärischen Möglichkeiten der Terrorismusbekämpfung!“ „Stellen Sie sich vor, jemand aus ihrem Bekanntenkreis oder ihrer Firma ist Opfer einer Geiselnahme (durch Terroristen). Welches Vorgehen würden Sie befürworten?“
Zwischen den beiden Personengruppen (ÖR und Privat) lassen sich generell keine Unterschiede im Hinblick auf die negative Bewertung militärischer Maßnahmen erkennen. In beiden Gruppen bewerten jeweils ca. 40% der Personen derartige Maßnahmen negativ. Allerdings wählen die „Privat-Beeinflussten“ für ihre Argumentation häufig unspezifische
2 Ergebnisse und Interpretationen
227
Beispielbegriffe in Form von Schlagworten („Bombardierungen“, „Folter“), die „ÖffentlichRechtlich-Beeinflussten“ sprechen dagegen meist spezifische Krisen oder Kriegsbeispiele an, wie „Afghanistaneinsatz“, „Irakkrieg“ und „Israel-Palästina-Konflikt“. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Hinblick auf die positive Bewertung von nichtmilitärischen Maßnahmen und Präventionsmöglichkeiten. Während die „Öffentlich-RechtlichBeeinflussten“ ihre positiven Bewertungen derartiger Maßnahmen durch den Hinweis auf bestimmte Ziele und angestrebte Konsequenzen begründen, konnten „Privat-Beeinflusste“ ihre Meinung häufig nicht erklären oder weiterführende Erläuterungen liefern. Quantitative Panelvergleiche Wie weiter oben berichtet, wurden den Interviewten (nur) in Welle 2 und 3 folgende Fragen, jeweils mit Antwortskalen, vorgelegt:
Gewichten Sie bitte, welchen Anteil Ihr Fernsehkonsum im Vergleich zur Nutzung anderer Medien einnimmt (prozentuale Angaben). Gewichten Sie bitte, welchen Anteil Ihr Fernsehkonsum von öffentlichrechtlichen Sendern im Vergleich zur Nutzung der Privaten einnimmt (prozentuale Angaben). Wie wichtig ist Ihnen ein täglicher Nachrichtenkonsum im TV? (1 = unwichtig; 6 = sehr wichtig). In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: ARD (1 = gar nicht; 6 = sehr stark). In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: ARTE (1 = gar nicht; 6 = sehr stark) In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: n-tv (1 = gar nicht; 6 = sehr stark). In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: RTL (1 = gar nicht; 6 = sehr stark). In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: Sat.1 (1 = gar nicht; 6 = sehr stark). In welchem Umfang nutzen Sie dabei folgenden Sender: ZDF (1 = gar nicht; 6 = sehr stark).
Diese Fragen nutzten wir, um zu untersuchen, ob sich Personen mit hohem versus niedrigem persönlichen Bedrohungserleben in ihrem Mediennutzungsverhalten unterscheiden. Zu diesem Zwecke wurden zunächst die Stichproben in den Interviewwellen 2 und 3 mittels Mediansplit bezüglich der o.g. Items in jeweils zwei Gruppen geteilt (z.B. Gruppe 1: weniger TV-Konsum im Vergleich zu anderen Medien versus Gruppe 2: mehr TV-Konsum im Vergleich zu anderen Medien; Gruppe 1: weniger öffentlich-rechtliches Fernsehen als Privat-TV versus Gruppe 2: mehr öffentlich-rechtliches Fernsehen als PrivatTV; Gruppe 1: weniger ARD versus Gruppe 2: mehr ARD etc.). Anschließend wurde mittels T-Tests für unabhängige Stichproben geprüft, ob sich die so gebildeten Gruppen – getrennt für Welle 2 und 3 – in ihrem persönlichen Bedrohungserleben unterscheiden.
228
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Zu den Ergebnissen81: 1.
Welle 2: Personen, die angeben, weniger öffentlich-rechtliches Fernsehen als Privat-Fernsehen zu sehen, äußern signifikant mehr persönliche Bedrohungswahrnehmungen als Personen, die mehr öffentlich-rechtliches Fernsehen im Vergleich zum Privatfernsehen schauen (M = 2.72 versus M = 2.10; t(36) = 2.33; p = .023). Personen mit mehr RTL-Konsum äußern signifikant mehr persönliche Bedrohungswahrnehmungen als Personen mit weniger RTL-Konsum (M = 2.85 versus M = 2.03; t(67) = -3.07; p = .003). Auch Personen mit mehr Sat.1-Konsum äußern signifikant mehr persönliche Bedrohungswahrnehmungen als Personen mit weniger Sat.1-Konsum (M = 2.79 versus M = 2.12; t(64) = -2.33; p = .023). Personen mit mehr oder weniger Fernsehen im Vergleich zu anderen Medien unterscheiden sich in ihrem persönlichen Bedrohungserleben ebenso wenig wie Personen mit mehr oder weniger ARD-Konsum, ARTE-Konsum, n-tv-Konsum und ZDF-Konsum.
2.
Welle 3: Personen, die angeben, weniger öffentlich-rechtliches Fernsehen als Privat-Fernsehen zu sehen, äußern signifikant mehr persönliche Bedrohungswahrnehmungen als Personen, die mehr öffentlich-rechtliches Fernsehen im Vergleich zum Privatfernsehen schauen (M = 2.72 versus M = 1.83; t(44) = 2.95; p = .005). Personen mit mehr Sat.1-Konsum äußern signifikant mehr persönliche Bedrohungswahrnehmungen als Personen mit weniger Sat.1-Konsum (M = 2.71 versus M = 1.92; t(42) = -2.53; p = .015). Personen mit mehr oder weniger Fernsehen im Vergleich zu anderen Medien unterscheiden sich in ihrem persönlichen Bedrohungserleben ebenso wenig wie Personen mit mehr oder weniger ARD-Konsum, ARTE-Konsum, n-tv-Konsum, RTL-Konsum und ZDF-Konsum.
Die Vermutung liegt nahe, dass – nimmt man die Angaben der Interviewten wörtlich – vor allem der Konsum des Privatfernsehens, hier RTL und Sat.1, einen „positiven“ Einfluss auf das persönliche Bedrohungserleben hat: Umso mehr Privatfernsehen die Befragten konsumieren, desto stärker fühlen sie sich persönlich bedroht. Auch ein weiteres Ergebnis legt diese Schlussfolgerung nahe: Wir prüften auch die korrelativen Zusammenhänge zwischen dem Dritte-Person-Effekt-Privat (DPE-Privat) und dem persönlichen Bedrohungserleben. Der Dritte-Person-Effekt besagt allgemein, dass Personen ihren Mitmenschen eine höhere Beeinflussbarkeit durch Medieninhalte zuschreiben als sich selbst. Der DPE-Privat (bei dem es um die subjektive, relative Beeinflussbarkeit durch die privaten Fernsehsender geht) wurde im Fragebogen mit folgenden Items erfasst:
81
Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Interviewten die vorgelegten Fragen beantworteten, was die unterschiedlichen Freiheitsgrade bei den T-Tests erklärt.
2 Ergebnisse und Interpretationen
229
DPE_1a: Wie groß ist der Einfluss der Privatsender auf die Meinungsbildung der Allgemeinheit über Terrorismus? DPE_1b: Wie groß ist der Einfluss der Privatsender auf die Meinungsbildung Ihres Freundeskreises über Terrorismus? DPE_1c: Wie groß ist der Einfluss der Privatsender auf Ihre eigene Meinungsbildung über Terrorismus?
Aus den Antworten auf diese Fragen bildeten wir dann nach folgender Rechenvorschrift den Index „DPE-Privat“ = DPE_1a – DPE_1c. Dieser Index ist so zu interpretieren, dass höhere Zahlen bedeuten, dass die Personen sich weniger (als die Allgemeinheit) durch Privatsender beeinflusst sehen. Tabelle 6.6: Querschnittliche, korrelative Zusammenhänge zwischen Dritte-Person-Effekt (Privat) und persönlicher Bedrohung Dritte-PersonDritte-PersonDritte-PersonEffekt-Beeinflussung Effekt-Beeinflussung Effekt-Beeinflussung durch Privatsender durch Privatsender durch Privatsender Welle 1 Welle 2 Welle 3 Bedrohung-Persönlich-W1
Korrelation nach Pearson Signifikanz
Bedrohung-Persönlich-W2
Bedrohung-Persönlich-W3
-.35** .00
Korrelation nach Pearson
-.28*
Signifikanz
.02
Korrelation nach Pearson Signifikanz
-0.21 .15
Anmerkung: + p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001.
Die Korrelationen in den Interviewwellen 1 und 2 sind hochsignifikant und negativ. Was bedeutet das? Je geringer der DPE-Privat, umso höher wird die persönliche Bedrohung eingeschätzt und umgekehrt. Das bedeutet auch: Personen, die in Welle 1 oder 2 meinen, sie seien in ihrer Meinungsbildung über den Terrorismus durch die Privatsender beeinflussbarer als andere Menschen (oder zumindest nicht weniger beeinflussbar als die Allgemeinheit, was quasi einem Erste-Person-Effekt entspräche, Moser & Leitl, 2006), äußern auch stärkere persönliche Bedrohungswahrnehmungen. Dass die privaten Fernsehsender in diesem Sinne einen von den Öffentlich-Rechtlichen unterschiedlichen und durchaus bedenklichen Einfluss – zumindest aus der Sicht der Interviewten – auszuüben vermögen, lässt sich auch durch einen weiteren Befund illustrieren: Wir prüften mittels der oben beschriebenen Cross-Lagged-Analysen, ob von einer der Medien-Nutzungs-Variablen, die wir mit den in Welle 2 und 3 gestellten Fragen nach der Nutzung von ARD, ARTE etc. operationalisierten, ein kausaler Einfluss auf die Ablehnung von Muslimen ausgeht. Der einzige bedeutsame kausale Effekt, der sich dabei finden ließ, ist der Einfluss der RTL-Nutzung auf die spezifische Ablehnung von Muslimen. Das heißt, Personen, die im hohen Umfange RTL nutzen, um sich zu informieren, lehnen auch Muslime stärker ab (siehe Abbildung 6.39).
230
VI Individuelle Interpretationen des Terrorismus II
Abbildung 6.39: Kausale Zusammenhänge zwischen RTL-Nutzung und Ablehnung von Muslimen Anmerkung: * p < .05, ** p < .01, *** p < .001.
2.9 Fazit Wir wollen abschließend vor allem Folgendes hervorheben: Personen, die angeben, mehr Privatfernsehen als Öffentlich-Rechtliches zu schauen und die sich in ihrer Meinungsbildung über den Terrorismus vornehmlich von privaten Fernsehnachrichten beeinflussen lassen, erleben stärkere persönliche Bedrohungen als Personen, die sich überwiegend durch die Öffentlich-Rechtlichen beeinflusst sehen oder möglicherweise auch gar nicht fernsehen. Wir haben es also – wohlgemerkt aus der Sicht der Befragten – mit einem nachweisbaren quantitativen und einem qualitativen Einfluss des Privatfernsehens auf das persönliche Bedrohungsempfinden zu tun. Zu einer solchen Vermutung passen z.B. experimentelle Untersuchungen von Jugert und Hiemisch (2005), die zeigen konnten, dass die tagtägliche Konfrontation mit Terrorismus durch die Medien existenzielle Ängste entstehen lassen kann, und dass die Art und Häufigkeit journalistischer Berichterstattung Bedrohungsempfindungen steigern können. In unserem Falle scheinen es allerdings besonders die privaten Fernsehsender zu sein, die dieses subjektive persönliche Bedrohungsempfinden zu befördern vermögen. In der Gesamtschau ergibt sich damit folgendes Muster: Wenn vor allem jene Personen, die sich (im Vergleich zur Allgemeinheit) selbst stärker durch die Berichterstattungen der privaten Fernsehsender beeinflusst sehen, den Terrorismus als Bedrohung wahrnehmen und Muslime eher ablehnen und in Folge dessen den Einsatz militärischer Anti-TerrorMaßnahmen und verstärkte Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen fordern, dann liegt zumindest die Vermutung eines Medieneffekts vor. Auf diesen Medieneffekt werden wir im Kapitel IX noch ausführlich eingehen.
Daniel Geschke, Katharina Liborius, Sandy Schumann und Katharina Wolf
VII Vorstudien und Vertiefungen VII Vorstudien und Vertiefungen
„Es ist die Tätigkeit dieser Menschengruppen und nicht eine bestimmte Theorie, die über die ,Funktion der Wissenschaften’ oder die ,Rationalität der Erkenntnis’ entscheidet, ob man ein Fernziel annimmt und wie man es verwirklicht“ (Feyerabend, 1980, S. 210).
Der Bezug auf Paul Feyerabend kommt nicht von ungefähr. Die Jenaer Terrorismus Studie ist das Ergebnis einer fruchtbaren Kooperation und nicht einer von Anfang fixierten Theorie. Die Studie bestand nicht nur aus dem von der Deutschen Friedensforschung geförderten Projekt Terrorismus – mediale Konstruktion und individuelle Interpretation: Ein friedenswissenschaftlicher Beitrag zur medien- und sozialwissenschaftlichen Analyse und Bewertung terroristischer Bedrohung in Deutschland (Frindte, Haußecker & Scheufele, 2007). Um den theoretischen Ansatz zu prüfen (vgl. Kap. I und II im vorliegenden Band) und die für das eigentliche Projekt geplanten methodischen Instrumentarien zu entwickeln und zu testen, wurde die Jenaer Terrorismus Studie durch Diplom-, Magister-, Bachelor- und Studienarbeiten flankiert (für eine vollständige Übersicht siehe Anhang). Nur in der Zusammenarbeit der Projektmitarbeiter und der Studierenden war es möglich, den in diesem Buch präsentierten theoretischen Ansatz zu elaborieren und auf den empirischen Prüfstand zu stellen. Eine Auswahl der Ergebnisse dieser Examensarbeiten wird im Folgenden vorgestellt. Die in diesen Abschnitten referierten Befunde aus drei Examensarbeiten sollen Dreierlei verdeutlichen: Erstens illustrieren sie noch einmal die empirische Tragfähigkeit unseres theoretischen Inszenierungsansatzes; zweitens spezifizieren sie die in den Kapiteln IV und VI vorgestellten medienwissenschaftlichen und sozialpsychologischen Befunde über die Dialektik von medialen Konstruktionen und individuellen Interpretationen und drittens liefern sie weitere, bisher nicht vorgestellte Begründungen für die Komplexität dieser Dialektik. Die beiden ersten Beiträge (Beitrag 1 von Katharina Wolf und Beitrag 2 von Sandy Schumann) stützen sich unmittelbar auf das Datenmaterial, das im Rahmen der Jenaer Terrorismus-Studie erhoben wurde. Katharina Wolf eröffnet das Kapitel mit einer Kurzfassung ihrer Magisterarbeit, in der sie eine Stichprobe der aufgezeichneten und codierten Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, Sat.1 und RTL nutzt, um die visuell-sprachliche und thematische Gestaltung des Terrorismus in den deutschen Fernsehnachrichten zu untersuchen. Die theoretische Grundlage dieser Untersuchung ist ein spezifizierter und operationalisierter Inszenierungsansatz, in dem Emotionalisierung, Dramatisierung, Personalisierung, Authentizität und thematische Gestaltung als wichtige Formen der medialen Inszenierung bestimmt und als Analyseraster genutzt werden. Die deskriptiven Ergebnisse stützen zum Einen die im Kapitel IV vorgelegten Befunde über die z.T. unterschiedlichen Inszenierungsformen und -strategien in den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern. Zum anderen legen die Sendervergleiche auch die Vermutung nahe, dass sich die Medien-
W. Frindte, N. Haußecker (Hrsg.), Inszenierter Terrorismus, DOI 10.1007/978-3-531-92579-0_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
232
VII Vorstudien und Vertiefungen
anstalten in Folge des wachsenden Konkurrenzdrucks im Einsatz spezifischer Inszenierungsformen aufeinander zu bewegen. In der medienwissenschaftlichen Literatur wird in diesem Zusammenhang auch von Senderkonvergenz (Krüger, 1998) gesprochen. Im zweiten Beitrag dieses Kapitels nutzt Sandy Schumann die Daten der ersten Interviewwelle, um die Zusammenhänge zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und Vorurteilen gegenüber relevanten Fremdgruppen einer vertiefenden Analyse zu unterziehen. Auf diese Zusammenhänge sind wir im Kapitel VI bereits ausführlich eingegangen. Sandy Schumann zeigt nun mittels differenzierter statistischer Analysen, dass die Wirkungen von erlebter Bedrohung durch Terrorismus auf die Ablehnung von Fremdgruppen von der Qualität der politischen Orientierung, der Ausprägung relevanter Wertorientierungen und der Beschaffenheit religiöser Einstellungen moderiert werden. Der dritte Beitrag (von Katharina Liborius und Daniel Geschke) bietet einen Einblick in eine der Studien, die im Vorfeld der Jenaer Terrorismus Studie durchgeführt wurden, um das im Kapitel II dieses Buches vorgestellte komplexe theoretische Variablennetz zu testen. In einer sehr durchdachten Feldstudie werden vier zentrale Fragestellungen verfolgt: 1. Wie sind die Einstellungen deutscher Erwachsener gegenüber verschiedenen Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung? 2. Inwieweit hängen diese Einstellungen von individuellen Merkmalen der befragten Erwachsenen ab? 3. Inwieweit werden die Einstellungen gegenüber diversen Anti-Terror-Maßnahmen vom Ausmaß der erlebten Bedrohung beeinflusst? Und 4. Lässt sich das Ausmaß der erlebten Bedrohung durch unterschiedliche Medienberichte manipulieren?
1
Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten (Katharina Wolf) 1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten 1.1 Einleitung Ein Großteil unseres Wissens über regionale, nationale und globale Geschehnisse beruht auf der Rezeption und Verarbeitung medialer Botschaften. Ohne diese würde sich die individuelle Kenntnis lediglich auf den eigenen Erfahrungshorizont begrenzen. Die Medien fungieren als weltliches Auge und Ohr für ein Massenpublikum, wobei sich vor allem das Fernsehen mit seinem audio-visuellen Charakter als bedeutend herauskristallisiert. Mit den Möglichkeiten der Aufzeichnung, Bearbeitung und authentischen Wiedergabe von Ereignissen in Bild und Ton werden diese erfahrbar. Die Verbesserung der technischen Ausstattung, der Datendistribution sowie der Bild- und Tonbearbeitung begünstigt zudem die Aktualität der Berichterstattung und die Suggestion des ‚Dabei-Gewesen-Seins’. Doch eben mit diesen Möglichkeiten hat sich auch der journalistische Handlungsspielraum in Bezug auf die Inszenierungsmöglichkeiten ausgeweitet. Nachrichtenredaktionen obliegt die (mehr oder weniger intendierte) Auswahl von Bild- und Tonmaterial sowie die Vertextlichung von Meldungen, wodurch ihre Arbeit direkt in den Inszenierungsprozess eingebettet ist. Die in der wissenschaftlichen Diskussion postulierte Annahme, Medien bilden keine ‚Wirklichkeit’ ab, sondern konstruieren eine eigene ‚Medienwirklichkeit’ (u.a. Bentele, 2008; Merten, Schmidt & Weischenberg, 1994), scheint vor diesem Hintergrund überzeugend. So besteht
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
233
auch bezüglich der Thematik Terrorismus die Vermutung, dass Nachrichtenredaktionen gezielt auf die Präsentation gewisser Bilder und Sachverhalte zurückgreifen, während andere ausgeklammert werden; mit der Intension die Attraktivität von Nachrichtensendungen zu steigern (Goertz & Schönbach, 1998) oder sehr polemisch formuliert, ein Publikum für den Terrorismus zu schaffen. Auf Rezipientenseite kann ein ‚In-Szene-Setzen’ (hier im Sinne der Hervorhebung) von bspw. Emotionen oder bestimmten politischen Positionen jedoch zur Beeinflussung der Urteils- und Meinungsbildung beitragen (Brosius, 1995). Ziel des vorliegenden Beitrags ist der Versuch, mittels der wissenschaftlichen Auswertung terrorrelevanter Meldungen, etwas Transparenz in die mediale Inszenierung der Terrorismusberichterstattung zu bringen. Folgende Fragen gilt es dabei zu beantworten: Welche visuell-sprachliche und thematische Gestaltung erfährt das Thema Terrorismus in den deutschen Fernsehnachrichten? Wie wird diese Thematik kommuniziert und inszeniert? Welche Unterschiede sind hinsichtlich der einzelnen Sender feststellbar?
1.2 Mediale Inszenierung in Fernsehnachrichten und deren Formen Wenn Ereignisse geschehen, heißt das noch lange nicht, dass sie in der Berichterstattung der Medien auffindbar sind. Neben den Nachrichtenfaktoren82, die häufig zur Selektion von berichtenswerten Ereignissen herangezogen werden, spielt nach Ontrup (1999) auch der Inszenierungswert von Geschehnissen eine entscheidende Rolle. Dieser ergibt sich u.a. aus dem symbolischen Reizwert eines Themas und dessen Umsetzbarkeit in Bildern. Vor allem konflikthaltige Ereignisse, von denen Bild- und Videomaterial vorliegt, besitzen aufgrund der z.T. hohen emotionalen Geladenheit einen hohen Selektionswert. Zudem werden Beiträge, Erzählsegmente und Szenen ausgewählt, die für einen dramaturgischen Aufbau geeignet sind (ebd.). Hickethier (1997a, 1997b, 1998) weist in seinem Konzept zur Narrativität innerhalb von Fernsehnachrichten bereits auf den dramaturgischen Aufbau dieser hin, wonach Nachrichten weniger zum Berichten von Ereignissen als vielmehr zum Erzählen von Geschichten geeignet sind. Das bedeutet auch: weg von der „Realitätswiedergabe“, hin zur Inszenierung. Doch was genau haben Fernsehnachrichten mit Inszenierung zu tun und was bedeutet diese? Der recht junge Begriff der Inszenierung, der sich erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts im deutschen Theater und in der deutschen Sprache etablierte, wird gegenwärtig vermehrt in andere Wissenschaftsdisziplinen übertragen (siehe ausführlich Kap. I). Um mediale Inszenierungsprozesse differenziert betrachten und analysieren zu können, wird im Folgenden – auf der Basis des im Kapitel I entwickelten Inszenierungsbegriffs eine Operationalisierung des Konstrukts vorgenommen. Dazu werden zwei Formen von Inszenierung vorgeschlagen; eine visuell-sprachliche und eine thematische, wobei jede dieser Unterkategorien enthält (vgl. Abbildung 7.1). 82
Zu den erstmals von Östgaard (1965) beschriebenen Nachrichtenfaktoren zählen Vereinfachung, Identifikation und Sensationalismus, wobei diese in den Folgejahren ausdifferenziert, umbenannt und weiter entwickelt wurden (u.a. Galtung & Ruge 1965; Staab 1990). Die Stärke der Ausprägung von Nachrichtenfaktoren korreliert positiv mit der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses in der Berichterstattung berücksichtigt zu werden (Emmer, Kuhlmann, Vowe & Wollinger, 2002).
234
VII Vorstudien und Vertiefungen Formen der Inszenierung visuell-sprachlich
Authentizität
Emotionalisierung Dramatisierung
thematisch
Medien-Frames
Personalisierung
Abbildung 7.1: Formen der medialen Inszenierung (Quelle: Eigene Darstellung)
Hintergrund hierfür ist die Annahme, dass Nachrichtenproduzenten verschiedene Mittel einsetzen können, um Geschehnisse medial zu inszenieren. Bei der visuell-sprachlichen Form handelt es sich um ein ‚In-Szene-Setzen’ von Sachverhalten oder Ereignissen mittels Visualisierungen und Sprache. Darunter fallen bspw. die Präsentation gefühlsgeladener Bilder sowie die sprachliche Akzentuierung in Nachrichtenbeiträgen. Zudem kann auch die Vermittlung von Authentizität zu dieser Form der Inszenierung gezählt werden. Denn gerade visuelle Darstellungen lassen medial präsentierte Botschaften wahrhaftig und echt erscheinen. Hierbei bildet stets das Wie den Mittelpunkt der Betrachtung. Hingegen handelt es sich bei der thematischen Form der Inszenierung um das Was. Denn auch Inhalte oder Aussagen von Akteuren können gewisse (journalistische) Rahmungen erfahren, in dem z.B. bestimmte Sichtweisen von Akteuren auf ein Thema betont werden, woraus sich als Folge gewisse Bedeutungskontexte ergeben.
1.2.1 Visuell-sprachliche Inszenierung Die vorangehende Systematik zeigt, dass Emotionalisierung und Authentizität in der vorliegenden Arbeit als zwei Konstrukte der visuell-sprachlichen Form der Inszenierung betrachtet werden. Im Folgenden wird das Hauptaugenmerk zunächst auf das theoretische Konstrukt der Emotionalisierung gelegt. Dabei wird zudem Bezug genommen auf die Emotionalisierungstechniken Dramatisierung und Personalisierung. Im Anschluss daran steht die Beschäftigung mit dem Konstrukt Authentizität. Die Beschreibung der einzelnen Konstrukte verdeutlicht zugleich die empirische Operationalisierung von Inszenierung auf visuell-sprachlicher Ebene.
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
235
Emotionalisierung Einer der ersten, der sich mit der wirkungsvollen Darbietung von Emotionen befasste war Aristoteles. Obgleich das Medium, welchem er um ca. 350 v. Chr. Betrachtung schenkte, die Poetik war, lassen sich seine Überlegungen durchaus auf heutige Massenmedien übertragen. Poetik damals und Medien heute zielen darauf ab, „dass durch eine kunstvolle Darstellung von Erregungen im Zuschauer selbst Erregungen hervorgerufen werden“ (Hickethier, 2007, S. 104). So dienen Emotionen in der medialen Vermittlung von Informationen häufig zur Erlangung von Aufmerksamkeit83 sowie zur Beeinflussung von Meinungen und Verhalten (Nabi, 2003). Dabei kann die Präsentation von Emotionen explizit oder implizit sein. Explizite Gefühlsäußerungen sind aus Mimik, Gestik oder Worten von Personen direkt ableitbar (Früh, Kuhlmann & Wirth, 1996). Gefühlsäußerungen wie Weinen, Schluchzen oder Lachen werden visualisiert bspw. von Betroffenen oder Journalisten verbalisiert. Implizite Gefühlsäußerungen hingegen ergeben sich, ohne dass Gefühle verbal oder visuell dargestellt werden. Indikator dafür kann die Visualisierung von Gewalt, in Form von Aufnahmen von Verletzten und Toten, sowie von Trümmern und Zerstörung sein (Bruns, 1999). Das vom Zuschauer erlebte Gefühl wird dabei ausgelöst durch unmittelbare Schilderungen dessen, was passiert ist (Früh et al., 1996). Zielgerichtet werden Emotionen verdichtet und kompakt präsentiert, um eine besondere Geschichte zu vermitteln, eine Wertung vorzunehmen und Relevanz zu transportieren (Hickethier, 2007). Die Gefahr besteht jedoch darin, dass Nachrichtenproduzenten mittels der technischen Möglichkeiten den Fokus zu stark auf die Präsentation von Emotionen legen, was teilweise zu einer gesteigerten Form emotionaler Darstellung führt (ebd.). Ein starker Einsatz von emotionalisierenden Elementen kann damit auch übersteigerte Emotionen evozieren, woraus schließlich eine Beeinflussung der Meinungsbildung resultieren kann (Keil & Grau, 2005). Durch die ausgelösten Gefühle wird der differenzierte Blick auf das Geschehen getrübt bzw. die kognitive und kritische Betrachtung verdrängt (Muckenhaupt, 2000). Die Ironie dabei ist allerdings, dass die Erregung von Gefühlen aus Sicht der Rezipienten ein wesentliches Merkmal für die Erlebnisqualität von Medienbotschaften darstellt (Hickethier, 2007). Damit erscheint die Darstellung von Emotionen sowohl für Kommunikatoren als auch für Rezipienten relevant und legitimiert die Verwendung emotionalisierender Mittel. Vor diesem Hintergrund versteht sich Emotionalisierung auf Kommunikatorseite als gezielte mediale Darstellung expliziter und impliziter Emotionen, deren Resultat auf Rezipientenseite der Prozess des Nachempfindens von Gefühlen ist (Voss, 1999). Dramatisierung Bei der Dramatisierung handelt es sich um eine Strategie, die dazu dient, Sachverhalte spannender, beängstigender und zugespitzter darzustellen, als diese in Wirklichkeit sind (Muckenhaupt, 2000). Die Dramatisierung wird als formale Emotionalisierungstechnik gesehen, die der Erzeugung von Spannung und Dynamik sowie der emotionalen Mobili-
83
Grimm (1993) konnte bspw. in einem Experiment zu Reality-TV zeigen, dass die Emotionalität das Interesse der Zuschauer deutlich steigert.
236
VII Vorstudien und Vertiefungen
sierung der Rezipienten dient (Grimm, 1996; Wegener, 1994). Dabei fördern vor allem eine spannungserzeugende Syntax sowie sprachliche Mittel eine dramatische, gefühlsbetonte Präsentation der thematischen Inhalte. So kann z.B. die Verwendung des Superlativs, als höchste Steigerungsform eine sensationelle Wirkungskraft haben (Voss, 1999). Auch mit dem Einsatz von explosivem Vokabular oder einer dramatischen Sprechweise kann die Dramatik eines Beitrags gesteigert werden. Ausschlaggebend für die Dramatisierung ist in diesem Fall die emotionale Wirkungskraft von Wörtern. Mit Hilfe der Sprache werden beim Rezipienten bestimmte semantische Assoziationen hervorgerufen, die häufige negativ konnotiert sind (Voss, 1999), woraus sich ihr dramatisierender Charakter ableiten lässt. Unter diesem Blickwinkel ist Dramatisierung gebunden an die journalistische Aufarbeitung der Bilder durch eine Unterstreichung dieser mit zum Teil wertenden verbalen Informationen. Ein weiteres Mittel, welches Nachrichtenredaktionen einsetzten, ist die Narrativierung des Textes. Die Grundstrukturen der Narration werden damit auf nicht-literarische Werke übertragen. Ausgangspunkt eines Berichts ist die Darstellung und Anordnung von handelnden Protagonisten. Die zumeist konflikt- bzw. spannungsreiche Situation, in der sich diese befinden sowie die offene Ausgangslage, sorgen für die Dynamik der Erzählung (ebd.). Zuschauer sind am Ausgang von medial präsentierten Konflikten oder anders ausgedrückt, an der Auflösung eines Dramas, interessiert. Die journalistische Vorenthaltung der Lösung erzeugt in ihnen Ungewissheit, welche einhergeht mit Spannung und Erregung (ebd.). Personalisierung Die Tatsache, dass Rezipienten immer „stärker an Meldungen über Menschen als über Strukturen interessiert sind“ (Hickethier, 1998, S. 189), veranlasst die Medien zudem dazu, Ereignisse personell zu umschreiben. Allgemeine Geschehnisse werden folglich am konkreten Einzelfall illustriert, wobei häufig unprominente Personen und deren Gefühle im Fokus der Darstellung stehen (Bente et al., 1997). Durch das Herausstellen persönlicher Erlebnisse, Erfahrungen oder Empfindungen von Dritten wird die Distanz zwischen einem abstrakten Ereignis und den Zuschauern gebrochen. Geschehnisse werden so auf einer emotionalen Ebene erfahrbar. Sie evozieren Betroffenheit und Involviertheit (Wegener, 1994). Die Vorteile der Personalisierung für Nachrichtenproduzenten sind die leichte Erzählbarkeit und Visualisierung von Ereignissen (Hickethier, 1998). Zudem kann Personalisierung als Emotionalisierungstechnik dem oben beschriebenen dramaturgischen Aufbau von Nachrichtensendungen dienen. Mittels der Charakterisierung von handelnden Protagonisten erhalten Beiträge narrative Strukturen, die für die Aufrechterhaltung der Spannung essentiell sind. Auch hat die Darstellung subjektiv empfundener Ereignisse einen positiven Einfluss auf die erlebte Authentizität der Botschaft. Authentizität Authentizität wird häufig umschrieben mit „Echtheit, Natürlichkeit, Originalität, Individualität, Unnachahmlichkeit, Spontaneität, Ursprünglichkeit, Unmittelbarkeit, Wahrhaftigkeit [oder] Glaubwürdigkeit“ (Schultz 2003, S. 12) und sieht sich im Ambivalenzverhältnis
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
237
mit Inszenierung. Heute gewinnt der Begriff Authentizität vor allem bei der Auseinandersetzung mit dem Medium Fernsehen, speziell bei Nachrichtensendungen an Interesse, da die überblicksartigen Zusammenfassungen tagesaktueller Geschehen den Eindruck der Realitätsvermittlung erwecken sollen. Eben an dieser Stelle treffen Authentizität und Inszenierung aufeinander. Technische Neuerungen bringen die Möglichkeit mit sich, authentisch zu inszenieren, was schlichtweg bedeutet, dass „die Darstellung von Authentizität von den Medien mit inszeniert wird“ (ebd., S. 14). Dies geschieht hauptsächlich über die visuelle Ebene, wobei die scheinbar nachprüfbaren Bilder Authentizität suggerieren (Weischenberg & Scholl, 1998). Die visuelle Darstellung unterstützt den Modus des Miterlebens (Scheufele, 2001). Nichts garantiert allerdings dem Rezipienten, dass das Bild der Leiche eines Soldaten, welches in den Nachrichten präsentiert wird, wirklich vom dem neusten Anschlag in Afghanistan stammt und nicht bei anderen Auseinandersetzungen entstanden ist (Meyer et al., 2000a). Denn durch die textliche Untermalung des Visuellen seitens der Journalisten und Nachrichtenproduzenten können Bilder in einen anderen Bedeutungszusammenhang eingeordnet werden. Trotz dieser Art der Montage kann Authentizität erzeugt werden, da diese nicht zuletzt daraus resultiert, „daß die verbale Information zugunsten des Bildes“ (ebd., S. 186) hinzugefügt wird und dem Bild Bedeutung verleiht. Hieraus leitet sich ferner ab, warum die Einordnung von Authentizität als visuellsprachliche Form der Inszenierung als sinnvoll erachtet wird. In den einzelnen Beiträgen kann Authentizität auf zwei unterschiedliche Weisen erzeugt werden84; entweder unmittelbar oder mittelbar. Wird Authentizität unmittelbar erzeugt, wird eine Quasi-Teilnahme des Zuschauers am Geschehen suggeriert. Der Zuschauer sieht sich dabei versetzt in die Rolle eines Augenzeugen. Er nimmt visuell am Geschehen teil, sieht das Ereignis selbst oder Personen, die sich zum aktuellen Vorkommnis äußern. Auch Schilderungen von Augenzeugen erfüllen den Zweck der unmittelbaren Authentizitäts-vermittlung, wobei durch ihre Kommentare Emotionsvorgaben für die Zuschauer geliefert werden (Bleicher, 2003). Zusätzlich haben Amateuraufnahmen ein ebenfalls hohes Authentizitätspotenzial (Früh et al., 1996). Das hier Vermittelte erlangt seine Glaubwürdigkeit durch die Ungestelltheit der Geschehnisse. Damit wird die Originalität der Quelle kaum noch in Frage gestellt. Durch die wahrgenommene Echtheit der Bild- und Tonelemente wird der Eindruck vermittelt, dass das Gezeigte so stattgefunden hat, wie es zu sehen ist. Mittelbare Authentizität wird hingegen durch das Präsentieren von Beweisen erzeugt. Hier werden dem Zuschauer die Folgen der Geschehnisse an Objekten dargeboten. Die Darstellung von Trümmern und Zerstörung zielt auf mittelbare Authentizitätsvermittlung ab. Auch wenn dem Zuschauer die Rolle des Beobachters zufällt, kann mittelbare Authentizität erzeugt werden. Aus großer Nähe sind sowohl das Ereignis als auch die Folgen an Opfern visuell wahrnehmbar (ebd.). Letztlich kann Authentizität jedoch in Erscheinung treten, weil der „Zuschauer im Allgemeinen davon ausgeht, daß nur aufgezeichnet werden kann, was auch tatsächlich geschehen ist“ (Meyer et al., 2000b). 84
Entscheidend für die Erzeugung von Authentizität ist ferner die formale Gestaltung von Nachrichtensendungen und Beiträgen (Pinseler, 2003). Dazu zählt u.a. die regelmäßige Ausstrahlung dieser zu den Hauptsendezeiten. Sowohl die visuelle Gestaltung des Studios als auch der Sprechstil der Nachrichtenerzähler bilden daher den Rahmen einer genuinen, authorisierten, wirklichen und glaubwürdigen Nachrichtensendung (Wetschanow, 2005).
238
VII Vorstudien und Vertiefungen
Authentizität beruht damit sowohl auf der formalen Gestaltung als auch auf der Wahrnehmung der Zuschauer. Trotz des Wissens um die Manipulationsmöglichkeiten moderner Medien erliegen Zuschauer der Illusion von Wahrhaftigkeit (Meyer et al., 2000b). Durch Authentizität entsteht das Gefühl der Teilhabe an Geschehnissen, wobei der Inszenierungsverdacht reduziert wird (Brosda, 2002).
1.2.2 Thematische Inszenierung Diese Form der Inszenierung wird im vorliegenden Beitrag als thematische Rahmung von medialen Inhalten gesehen. Rahmungen innerhalb der Berichterstattung können mit Hilfe von Framing-Ansätzen erklärt und ergründet werden (vgl. ausführlich Kap. II). Entman (1993) nennt vier Elemente, die Frames charakterisieren und in der Berichterstattung auftreten können. Diese wurden in späteren Arbeiten für die Identifikation von MedienFrames innerhalb der medialen Berichterstattung genutzt (u.a. Matthes, 2007). Dabei handelt es sich um Problemdefinition, Kausalattribution, Bewertung und Handlungsaufforderung. Auch Fröhlich, Scherer und Scheufele (2007) begreifen Medien-Frames in Anlehnung an Entman (1993), als „Bedeutungskontexte, die jeweils eine Perspektive darstellen, unter der das untersuchte Thema betrachtet und interpretiert wird“ (S. 15). Diese knappe Definition wird unter Berücksichtigung der Frame-Elemente von Entman (1993) für das hiesige Forschungsvorhaben als geeignet angesehen und bildet die Grundlage der Operationalisierung der Medien-Frames. Studien, in denen die Existenz von Medien-Frames nachgewiesen wurde (u.a. Matthes, 2007; Scheufele, 2001, 2003), konnten zeigen, dass bereits unterschiedliche verbale Formulierungen zu verschiedenen Rezipientenmeinungen führen, obwohl thematisch der gleiche Schwerpunkt in den vorgelegten Berichten existierte85. Dies deutet darauf hin, dass die Art und Weise der Themengestaltung, also die Art und Weise der thematischen Rahmung einen Einfluss auf die Meinungsbildung der Rezipienten haben kann86.
1.3 Methodik In der empirischen Untersuchung soll vor dem Hintergrund der angeführten theoretischen Betrachtung eine inhaltliche Analyse der Berichterstattung durchgeführt werden. Anhand der Befunde zu den gewählten Indikatoren werden schließlich Schlussfolgerungen über die Inszenierungstendenzen in den Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 getroffen. Vorab werden die Untersuchungsmethode und der Untersuchungsgegenstand kurz vorgestellt. 85
86
Studien dieser Art werden häufig in Form experimenteller Designs durchgeführt. Zeitungsartikel werden bspw. mit anderen Formulierungen oder auch verschiedenem Bildmaterial gestaltet, wobei inhaltlich die gleichen Themen dargeboten werden (u.a. Price, Tewskbury & Power, 1997). An dieser Stelle sei erneut darauf verwiesen, dass es sich bei der vorliegenden Studie um eine inhaltliche Untersuchung von Nachrichtensendungen handelt; nicht um eine Wirkungsstudie. Über Wirkungen werden, teilweise mit Erkenntnissen aus anderen Studien, lediglich Vermutungen angestellt.
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
239
1.3.1 Untersuchungsmethode Für die Untersuchung der zwei postulierten Formen von Inszenierung wird auf die Methode der Inhaltsanalyse zurück gegriffen. Diese kann mit Früh (1998) beschrieben werden als eine „empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen“ (S. 24). Ziel von Inhaltsanalysen ist die Beschreibung der Berichterstattung oder nach Merten (1995) die Erhebung sozialer Wirklichkeit, wobei von „Merkmalen eines manifesten Textes auf Merkmale eines nicht-manifesten Kontextes geschlossen wird“ (S. 59). Kernstück jeder inhaltsanalytischer Untersuchung ist das Codierbuch. Dieses enthält die zur Beantwortung der Forschungsfragen relevanten formalen und inhaltlichen Kategorien sowie entsprechende Ausprägungen dieser (vgl. Kap. III). Für die Erforschung der visuell-sprachlichen Form wurde allerdings kein eigenes Erhebungsinstrument entwickelt, sondern auf bereits existierende Daten aus dem Forschungsprojekt „Terrorismus – mediale Konstruktion und individuelle Interpretation“ (Frindte, Haußecker & Scheufele, 2007) zurückgegriffen, wohingegen für die Bestimmung der thematischen Inszenierungsform die Generierung neuer Daten notwendig war und dies der Entwicklung eines Codierbuchs bedurfte. Die folgende Analyse fügt sich sowohl in den Rahmen der quantitativen als auch der qualitativen Inhaltsanalysen ein. Während bei der Untersuchung der visuell-sprachlichen Form eine große Datenmenge zur Deskription der Berichterstattung herangezogen und ausgewertet wurde, handelt es sich bei der Analyse der Medien-Frames um ein qualitatives und exploratives Vorgehen mit geringer Fallzahl und ausführlichen Beschreibungen.
1.3.2 Untersuchungsgegenstand Untersuchungsgegenstand für die Analyse beider Formen von Inszenierung stellen die Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 dar. Dabei werden für die Analyse der visuell-sprachlichen Inszenierungsform alle terrorassoziierten Beiträge inhaltsanalytisch untersucht, die im Zeitraum vom 21. August 2007 bis zum 23. März 2008 bei den genannten Sendern liefen. Aufgrund des bereits in Kap. III beschriebenen Auswahlkriteriums (Vorkommen von Schlüsselwörtern wie Terror, terroristisch, Terrorist usw.) umfasst die Stichprobe der vorliegenden Untersuchung 313 Beiträge (vgl. Tabelle 7.1).
240
VII Vorstudien und Vertiefungen
Tabelle 7.1: Absolute Anzahl terrorismusrelevanter Beiträge und Beiträge mit Anti-Terror-Maßnahmen (21.08.2007-23.03.2008) je Sender
Terrorismusrelevante Beiträge
Beiträge mit Anti-TerrorMaßnahmen
ARD-Tagesschau
107
14
ZDF-heute
87
9
RTL-aktuell
67
10
Sat.1-Nachrichten
52
8
Gesamt
313
41
Medium
Für die Analyse der thematischen Inszenierungsform werden hingegen jene Beiträge innerhalb desselben Untersuchungszeitraums herausgegriffen, die Anti-Terror-Maßnahmen thematisierten (vgl. Tabelle 7.1, Spalte 3). Diese Auswahl hängt u.a. damit zusammen, dass sich Medien-Frames nach Matthes (2007) vorrangig in öffentlichen Streitfragen finden lassen. Vor allem als Reaktion auf den vereitelten Anschlag im September 2007 machte die Thematisierung von Anti-Terror-Maßnahmen einen großen Bestandteil der Terrorismusberichterstattung und der öffentlichen Diskussion aus. Dies lässt die Vermutung zu, dass sich für jede thematisierte Anti-Terror-Maßnahme ein Pro- und ein Kontra-Frame finden lassen. Mit der Codierung der Frame-Elemente: Problemdefinition (Akteur und Thema), Kausal- bzw. Ursachenattribution, Handlungsattribution und Bewertung wird auf intersubjektiv klar erkennbare Merkmale von Texten zurückgegriffen. Frames werden demnach nicht als Ganzes, sondern jeweils dessen einzelne Elemente codiert (Fröhlich et al., 2007). Im Mittelpunkt steht der jeweilige thematisierte Akteur für den die Ausprägungen der Frame-Elemente bestimmt werden. Im Gegensatz zu der Vorgehensweise von Matthes (2007) und anderen Autoren (u.a. Brosius & Eps, 1993; Scheufele, 2003) werden die erwarteten Frames jedoch vorab festgelegt (z.B. Pro-Frame und Kontra-Frame zur Onlinedurchsuchung) und nachträglich die dazugehörigen Frame-Elemente codiert. Die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um letztendlich von Frames sprechen zu können sind a) das Vorhandensein von mindestens zwei Frame-Elementen pro Sichtweise und b) das Auftreten desselben Musters in mehr als einer geäußerten Position.87 Treffen beide Bedingungen zu, wird hier bereits von Frames gesprochen, die als Bedeutungskontexte „jeweils eine Perspektive darstellen, unter der das untersuchte Thema betrachtet und interpretiert wird“ (Fröhlich et al., 2007, S. 15). Die Codierung der thematischen Form der Inszenierung wurden von der Autorin selbst durchgeführt (Intra-Coder-Reliabilität von .91)88, während die Daten zur visuell87
88
Matthes (2007) nennt als Voraussetzung für Medien-Frames, dass sich gleiche Muster mehrfach zeigen müssen. Häufig werden Medien-Frames jedoch clusteranalytisch bestimmt. Dies war aufgrund der geringen Fallzahl hier allerdings nicht möglich. Für diesen Reliabilitätstest wurden fünf Wochen nach der ersten Codierung 2% der Beiträge erneut von der Autorin codiert. Mittels des Übereinstimmungsmaßes nach Holsti (1969) wurde der Reliabilitätskoeffizient berechnet und kann nach Brosius et al. (2001) als reliabler Wert angesehen werden.
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
241
sprachlichen Inszenierungsform von studentischen Hilfskräften aus der Jenaer Terrorismus Studie generiert und von der Autorin ausgewertet wurden (Inter-Coder-Reliabilität von .74)89.
1.4
Ergebnisse
Die Darstellung der Ergebnisse gliedert sich in deskriptive Befunde zur Terrorismusberichterstattung im Allgemeinen, zur Emotionalisierung, Dramatisierung, Personalisierung und Authentizität sowie zu den thematischen Frames. Da allerdings keine Vergleichsstudien bekannt sind, die zur Interpretation der Inszenierungsleistung herangezogen werden können, wird ein Sendervergleich durchgeführt, um Aussagen hinsichtlich unterschiedlicher Inszenierungstendenzen treffen zu können.
1.4.1 Terrorismus in der Berichterstattung Ein erster Blick in die Daten zeigt, dass neben Berichten zu Anti-Terror-Maßnahmen, zum Kampf gegen den Terrorismus oder zu Terrororganisationen vor allem über ausgeübte und vereitelte terroristische Ereignisse berichtet wird. Im Analysezeitraum wurde senderübergreifend in 51.8% aller Beiträge ein spezielles terroristisches Ereignis thematisiert, in 68.1% handelten die Beiträge von Terrorismus Allgemein90. Folglich schließt sich an die Berichterstattung über ein Ereignis auch häufig die Thematisierung eines anderen allgemeineren Themas mit Terrorbezug an. Zugleich wird allerdings eine verstärkte Tendenz der Thematisierung spezifischer Ereignisse (z.B. Anschlag, Entführung) in den Nachrichtensendungen der privaten Sender (58.9%, öffentlich-rechtlicher Sender: 47.5%) und eine höhere Zuwendung zu anderen terrorassoziierten Themen (z.B. politische Debatten zu AntiTerror-Maßnahmen) bei den öffentlich-rechtlichen Sendern (70.7%, private Sender: 63.9%) deutlich. Dieser Befund verweist auf die unterschiedlich starke thematische Ausrichtung der Sendeanstalten, wobei die Politikberichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Sendern, besonders der ARD, einen bedeutenden Stellenwert einnimmt (Krüger, 2009). Aufgrund der Tatsache, dass Terrorismus fast täglich in den Nachrichtensendungen thematisiert wird, kann die Terrorismusberichterstattung mit Hickethier (1997a, 1997b, 1998) durchaus als Langzeitberichterstattung angesehen werden. Damit ist ein wesentliches Indiz für den narrativen Charakter von Fernsehnachrichten gegeben, wobei die Bedingung der Aufrechterhaltung des Erzählflusses bei der Thematik Terrorismus erfüllt zu sein scheint, denn es ist davon auszugehen, dass ein Beitrag nicht ausreicht, um eine „Teilgeschichte“ zur Lösung zu führen. Der Ausgang eines Beitrags ist zumeist offen und 89
90
Zur Bestimmung diese Koeffizienten wurden zufällig ausgewählte Beiträge erneut von der Autorin codiert und anschließend mit der Codierung der jeweiligen studentischen Hilfskraft aus dem Terrorismus-Projekt verglichen. Der Wert gilt als akzeptabel. Aufgrund der Tatsache, dass sowohl ein spezielles Ereignis als auch eine allgemein terrorrelevante Meldung in einem Beitrag vorkommen können, sind die prozentualen Anteile größer 100% (vgl. Codierlogik in Kap. III im vorliegenden Band).
242
VII Vorstudien und Vertiefungen
damit wird sowohl die Folgeberichterstattung als auch das Interesse der Zuschauer mittelbis langfristig gesichert. Zudem wird deutlich, wie aktuell und brisant das Thema Terrorismus ist, denn dieses kann „einen der Spitzenplätze auf der […] Prioritätenliste [für sich] behaupten“ (Laqueur 2003, S. 7).
1.4.2 Zur visuell-sprachlichen Inszenierungsform Nachfolgend werden einige Ergebnisse aus der Analyse zur Emotionalisierung, Dramatisierung und Personalisierung sowie zur Authentizität vorgestellt und interpretiert. Befunde zur Emotionalisierung Die Befunde zur Emotionalisierung91 begründen sich in erster Linie auf der Betrachtung von expliziter Gefühlsdarstellung und der Darstellung impliziter Gefühlssituationen. Als zusätzliche Indikatoren für eine Emotionalisierung in der Berichterstattung wird die Darstellung von materiellen Schäden (Bilder von Trümmer und Zerstörung) sowie von physischen Schäden (Bilder von Toten und Verletzten) gesehen, die auf Rezipientenseite durchaus Gefühle, wie bspw. Betroffenheit, evozieren können. Für insgesamt 50.2% aller Beiträge aus dem Untersuchungszeitraum kann mindestens eine Ausprägung von Emotionalisierung festgestellt werden. Der Sendervergleich in Abbildung 7.2 zeigt, dass lediglich bei der ARD-Tagesschau die Anzahl nicht emotionalisierter Beiträge überwiegt, während es bei ZDF-heute und RTL-aktuell die Beiträge mit Emotionalisierung sind. Bei den Sat.1-Nachrichten ist eine Gleichverteilung diesbezüglich vorzufinden. Erstaunlich ist, dass sich über die Sender hinweg ein sehr ähnliches Maß an Emotionalisierung offenbart. ARD zeigt zwar mit 46.7% die geringste Intensität, jedoch ist die Differenz zu Sat.1 oder RTL mit 4%-Punkten nicht wirklich groß.
91
Auswertung von Einfachnennungen zur expliziten und impliziten Emotionalisierung. Mehrfachnennungen wurden nicht berücksichtigt.
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
243
56,0%
Relative Häuf igkeit in %
54,0%
53.3%
54.0%
52,0%
50.7%
50,0% 48,0%
50.0%
49.3% emotionalisierte Beiträge 46.7%
46,0%
46.0%
nicht emotionalisierte Beiträge
44,0% 42,0% 40,0% ARD
ZDF
RTL
Sat.1
Abbildung 7.2: Anzahl emotionalisierter Beiträge in der Terrorismusberichterstattung (21.08.2007-23.03.2008) in %, Sendervergleich (Basis: ARD: n=107, ZDF: n=87, RTL: n=67, Sat.1: n=52)
Eine differenzierte Betrachtung der Emotionalisierung verweist des Weiteren auf die senderübergreifende Dominanz implizierter Emotionalisierung (41.5%) gegenüber der Darstellung expliziter Gefühle (19.5%)92. Dies erklärt sich teilweise dadurch, dass auch in Beiträgen, in denen sich Gefühle von Protagonisten direkt zeigen, zugleich implizite Gefühlssituationen vermittelt werden. Sowohl die explizit als auch die implizit dargestellten Emotionen sind dabei mehrheitlich negativ, wobei bei den expliziten Gefühlen vor allem Traurigkeit/Betroffenheit (29.6%), Besorgnis (22.2%), Angst/Furcht (21.0%) und Aggression/Wut (19.8%) dargestellt werden. Bei den positiven expliziten Gefühlen handelt es sich zumeist um Erleichterung (7.4%). Im Untersuchungszeitraum ist diese Emotion festzumachen an der Berichterstattung über die Festnahme von drei mutmaßlichen Terroristen im Sauerland. Die Berichterstattung über Terrorismus ist demnach stark gekennzeichnet durch die Darstellung negativer Gefühle und Gefühlssituationen. Aufgrund der Tatsache, dass Terrorismus im „Auge des Westens“ sehr negativ konnotiert wird, verwundert dieses Ergebnis nicht. Betrachtet man die verbalen journalistischen Äußerungen als gezielte Untermalung der dargebotenen Informationen und Bilder und damit als aktive Form journalistischer Inszenierung93 wird deutlich, dass, bezogen auf die emotionalisierten Beiträge, in 28.3 % dieser verbale journalistische Gefühlsäußerungen vorkommen. Vor allem die verbale Fremddarstellung von Gefühlen anderer ist bei Moderatoren oder Off-Sprechern zu beobachten. Bildlich dargestellte Emotionen werden damit in fast jedem dritten Beitrag durch verbale Äußerungen unterstützt und somit ggf. verstärkt. Ein Vergleich der Sender
92 93
Basis: n=313 Dies ist eine Annahme der Autorin, die nicht aus der Literatur abgeleitet wurde.
244
VII Vorstudien und Vertiefungen
zeigt zudem: Gefühlsäußerungen in Form von journalistischen Fremddarstellungen94 können in 22.0% der emotionalisierten ARD Beiträge identifiziert werden, in 23.5% der RTLBeiträge, in 25.5% der ZDF- und in 42.3% der Sat.1-Beiträge. Hinsichtlich der Darstellung von physischen und materiellen Schäden kann folgendes festgestellt werden: In 31.9% aller Beiträge werden Trümmer und Zerstörung95 dargeboten, während die Darstellung von Toten und Verletzen 17.6% der Gesamtstichprobe ausmacht. Folglich werden häufiger materielle Schäden in der Berichterstattung visualisiert, als physische. Der Sendervergleich zeigt, dass die Visualisierung sowohl von materiellen als auch von physischen Schäden bei RTL-aktuell (40.4% und 29.9%)96 und den Sat.1-Nachrichten (40.3% und 32.1%) deutlich häufiger vorkommt als bei ZDF (28.7% und 10.3%) und ARD (25.2% und 12.1%). Für die privaten Sender kann mittels dieses Befundes eine stärkere Orientierung an „sensationellen“ Bildern nachgewiesen werden. Die vorgestellten Ergebnisse zur Emotionalisierung weisen auf den verstärkten Einsatz emotionalisierender Mittel bei den privaten Sendeanstalten hin. Dies spricht für eine höhere Inszenierung auf emotionaler Ebene bei diesen. Befunde zur Dramatisierung Mittels verbaler Untermalungen können Nachrichtenbilder nicht nur erklärt, sondern auch emotional geladen werden. Mit der gefühlsbetonten Wortwahl geht zudem die Entsachlichung des Bedeutungsgehaltes von Aussagen einher (Früh, 1998). Aufgrund der Tatsache, dass die Vertextlichung allein den Nachrichtenredaktionen obliegt, kann in der Dramatisierung ein gezieltes ‚In-Szene-Setzen’ gesehen werden. Ein Einsatz dramatisierender Elemente ist senderübergreifend zu verzeichnen. In 37.1% aller untersuchten Beiträge kam mindestens eine Ausprägung von (verbaler) Dramatisierung vor. Im Sendervergleich ergibt sich folgendes Bild: Bei der ARD-Tagesschau wurde in 26.2% der Beiträge im Vergleich am seltensten auf Dramatisierungselemente zurückgegriffen; hingegen kann Dramatisierung in 42.5% der ZDF Beiträge, in 43.3% der RTL Beiträge und in 42.3% der Sat.1 Beiträge festgestellt werden (vgl. Abbildung 7.3).
94 95
96
Dies ist gegeben, wenn Journalisten über die Gefühle anderer Personen berichten ohne dass visuelle Gefühlsäußerungen enthalten sind. Die Darstellung von Trümmern und Zerstörung wurden mittels der Ausprägungen detailliert und grob erhoben. Die angeführten Ergebnisse beziehen sich lediglich auf die grobe Darstellung materieller Schäden. Die Werte der detaillieren Darstellung liegen zwischen 11.2% (ARD) und 17.9% (RTL). Der erste Wert steht jeweils für die Darstellung von Trümmern und Zerstörung, der zweite für die Darstellung von Toten und Verletzten.
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
245
50,0% 42.5%
Relative Häuf igkeiten in %.
45,0%
43.3%
42.3%
40,0% 35,0% 30,0%
26.2%
25,0%
Dramatisierung
20,0% 15,0% 10,0% 5,0% 0,0% ARD
ZDF
RTL
Sat.1
Abbildung 7.3: Anzahl dramatisierter Beiträge in der Terrorismusberichterstattung (21.08.2007-23.03.2008) in %, Sendervergleich (Basis: ARD: n=107, ZDF: n=87, RTL: n=67, Sat.1: n=52) Anmerkung: Auswertung von Einfachnennungen je Sender.
Erkennbar sind hier die sehr ähnlichen Werte von ZDF und den beiden privaten Sender, was auf die in der Literatur (u.a. Krüger, 1998) diskutierte Senderkonvergenz hindeutet. Betrachtet man Dramatisierung als einen Indikator für eine sensationelle Berichterstattung, kann sowohl ZDF-heute als auch RTL-aktuell und den Sat.1-Nachrichten eine durch sprachliche Elemente verstärkte Nachrichtengestaltung bzw. Inszenierung nachgewiesen werden. Bezüglich der medialen Darbietung von einzelnen dramatisierenden Stilmitteln zeigt sich, dass der größte Anteil senderübergreifend auf die dramatische Sprechweise entfällt (23.7%)97. Auch explosives Vokabular (21.3%) und Metaphern (20.1%) werden häufig zur Dramatisierung von terrorismusassoziierten Themen eingesetzt. Ein Beispiel für dramatische Sprechweise ist: „An den möglichen Anschlagzielen, wie dem Frankfurter Flughafen, haben die Terroristen offenbar ein wahres Massaker geplant“98. Diese sprachliche Auffälligkeit kann zur Förderung von Dramatik und Dynamik einer Meldung beitragen (Wegener, 1994). Obwohl nach Holicki und Brosius (1988) auch Toneffekte bzw. Musik einen starken Einfluss auf die Evozierung von Emotionen haben, zeigen die vorliegenden Daten senderübergreifend (3.0%) nur einen geringen Einsatz dieser Dramatisierungs- und damit Emotionalisierungsmittel. Des Weiteren kann der Einsatz dramatisierender Mittel innerhalb von Beiträgen bestätigt werden, die auch (implizit oder explizit) Emotionen zeigen. Damit ist erkennbar, dass Dramatisierung als Emotionalisierungstechnik Verwendung findet und der sprachlichen
97 98
Basis: n=169 Vgl. RTL-aktuell vom 6.9.2007.
246
VII Vorstudien und Vertiefungen
Hervorhebung von gefühlsbetonten Darstellungen dienen kann. Die Inszenierung durch sprachliche Elemente ist demgemäß senderübergreifend zu beobachten. Die negative Konnotation, die Beiträgen über Terrorismus zugesprochen wird, entsteht dabei auch aus den bildunterstützenden Texten, indem Illustrationen mit negativ geladenen Wertungen versehen und vermittelt werden (Wilke, 1998). Hinsichtlich der Sender wird deutlich, dass ZDF in Bezug auf die Dramatisierung eine größere Ähnlichkeit zu den beiden privaten Sendern ausweist als zu ARD. Befunde zur Personalisierung Personalisierung ist senderübergreifend in 15.0% der analysierten Beiträge eingesetzt worden99. Bezogen auf die vier einzelnen Sender ergibt sich, dass in 8.4% der ARD Beiträge, in 9.2% der ZDF, in 25.4% der RTL und in 25.0% der Sat.1 Beiträge Personalisierung zum Einsatz kommt. In den Nachrichtensendungen der beiden privaten Sender tritt Personalisierung dabei erkennbar häufiger auf als bei den öffentlich-rechtlichen. Bei den besonderen Gefühlssubjekten, die als Indikatoren der Personalisierung gelten, handelt es sich um Frauen, Kinder und alte Menschen. Erneut bezogen auf die Gesamtstichprobe entfällt ein Anteil von 51.1% auf die Darstellung von Frauen, von 25.0% auf Kinder und von 23.8% auf alte Menschen. Alle drei genannten Gefühlssubjekte werden senderübergreifend zudem vorrangig visuell dargestellt, jedoch ohne erkennbare Gefühlsäußerungen. Im Sendervergleich setzen sich in Bezug auf das gemeinsame Vorkommen von Emotionalisierung und Personalisierung die privaten Sender markant von den öffentlichrechtlichen ab. Während in den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF beide Konstrukte im Mittel zu 12.4% verknüpft vorkommen, handelt es sich bei den privaten um 30.1%. Dies ist ein offensichtlicher Unterschied, welcher die Schlussfolgerung zulässt, dass RTL und Sat.1 Personalisierung deutlich häufiger zur Verstärkung des emotionalen Wirkungspotenzials einsetzen. Befunde zur Authentizität Innerhalb des Untersuchungszeitraums kam in 56.2% aller Beiträge mindestens in einer Sequenz eine Form von Authentizität vor100. Der Einsatz von Bildern, die unmittelbare Authentizität (Zuschauer als Augenzeuge, Schilderungen von Augenzeugen) erzeugen können, beschränkt sich auf 13.7%, während mittelbare Authentizität (Zuschauer als Beobachter, Zeigen von Beweisen sowie Folgen an Objekten und Subjekten) in 52.7% aller Beiträge vorkommt101. Vordergründig ist demnach das Zeigen von Beweisen bzw. die Darstellung von Folgen des Ereignisses an Gegenständen (z.B. Großaufnahmen von einem Anschlagsziel nach erfolgter Tat). Dies deutet darauf hin, dass Kamerateams vor Ort hauptsächlich aus der Ferne filmen; zum einen wahrscheinlich aus Selbstschutz und zum 99 100
101
Auswertung von Einfachnennungen. Mehrfachnennungen wurden nicht berücksichtigt (Basis: n=313). Authentizität wurde in der Jenaer Terrorismus-Studie (Frindte, Haußecker & Scheufele, 2007) auf visueller Ebene erhoben (vgl. Kap. III). In der vorliegenden Auswertung werden Mehrfachnennungen bzw. – vorkommen jedoch nicht berücksichtigt. Für die Berichterstattung über (ausschließlich) terroristische Ereignisse konnte von Haußecker (2003) allerdings eine stärkere Präsentation unmittelbare Authentizität nachgewiesen werden.
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
247
anderen, da sie anstreben, das Ausmaß des Geschehnisses im Großbild festzuhalten. Die mögliche Erzeugbarkeit von Authentizität in Nachrichtenbeiträgen ist demnach auch abhängig von verfügbarem Bild- und Tonmaterial. Ein Sendervergleich hierzu ergibt, dass in den Nachrichtensendungen von RTL und Sat.1 mehr Authentizität (unmittelbar und mittelbar) erzeugt wird als bei ARD und ZDF (vgl. Abbildung 7.4). Die Authentizitätserzeugung als Mittel der Inszenierung wird demnach häufiger von den Redaktionen der privaten Nachrichtensendungen eingesetzt. Scheinbar sind diese eher darauf ausgerichtet die ‚wahren’ Bilder von Ereignissen zu zeigen, um damit ggf. die emotionale Wirkungskraft auf Seiten der Rezipienten zu verstärken.
Relative Häuf igkeiten in %
70,0%
62.7%
60,0% 50,0%
45.8%
59.6%
49.4%
40,0%
unmittelbare Authentizität
30,0% 20,0% 10,0%
13.8%
17.9%
19.2%
mittelbare Authentizität
8.4%
0,0% ARD
ZDF
RTL
Sat.1
Abbildung 7.4: Anzahl der Beiträge mit unmittelbarer und mittelbarer Authentizität in der Terrorismusbericht-erstattung (21.08.2007-23.03.2008) in %, Sendervergleich (Basis: ARD: n=107, ZDF: n=87, RTL: n=67, Sat1: n=52) Anmerkung: Auswertung von Einfachnennungen je Sender. Obwohl auch beide Formen von Authentizität innerhalb eines Beitrags vorkommen konnten, wurde hier nicht berücksichtige in wie vielen Beiträgen dies der Fall war.
Bereits die Konstrukte Dramatisierung und Personalisierung wurden im Hinblick auf ihre Funktion als Multiplikator emotionalisierender Nachrichteninhalte analysiert. Analog dazu besteht auch hier die Annahme, dass die durch authentische Bilder erzeugte Teilhabe am Geschehen zur Verstärkung der Emotionalisierung führen kann. Aus den Daten geht hervor, dass in 77.1% aller emotionalisierten Beiträge102 auch mindestens eine Ausprägung von Authentizität feststellbar ist. Demnach ist in der Mehrzahl der emotionalisierten Beiträge ein Vorkommen als authentisch identifizierter Bilder auszumachen; dies wird als ein Indiz dafür gesehen, dass authentisch wirkendes Bild- und Tonmaterial von Ereignissen 102
Basis: n=157
248
VII Vorstudien und Vertiefungen
zur Emotionalisierung eingesetzt wird. Welche Wirkungskraft davon ausgeht, kann an dieser Stelle jedoch nicht geklärt werden. Mittels der Beschreibung der Berichterstattung werden lediglich Annahmen in Bezug auf die Wirkung formuliert, wobei es experimenteller Versuchungsanordnungen bedarf, diese zu bestätigen oder zu widerlegen.
1.4.3 Zur thematischen Inszenierungsform Die Annahme, dass es sich bei der Berichterstattung über Anti-Terror-Maßnahmen um eine öffentliche Streitfrage handelt, begründet sich u.a. mit bestimmten Anforderungen an den Journalismus. Dieser hat vor allem in demokratischen Staaten die Aufgabe, eine Vielfalt von Sichtweisen zu präsentieren, um eine freie Meinungsbildung zu gewähren (Fahr, 2001). Da auch innerhalb der Diskussion um Anti-Terror-Maßnahmen kontroverse Positionen zu erwarten sind, sollten sich Pro- und Kontrameinungen in Bezug auf die jeweiligen Maßnahmen nachweisen lassen. Für die explorative Analyse der Medien-Frames werden zwei Schritte bei der Datenauswertung durchgeführt. In einem ersten werden die dargebotenen Sichtweisen in Bezug auf das Vorhandensein von mindestens zwei Frame-Elementen überprüft. Ist diese Bedingung erfüllt, werden in einem zweiten Schritt die festgestellten Sichtweisen verdichtet, wobei diejenigen als Frames gelten, die in mehr als einem Beitrag bestimmt werden können. Die Ergebnisse zeigen: In einem Großteil der analysierten Beiträgen werden zwei kontroverse Sichtweisen (innerhalb eines Beitrags) dargeboten, wobei sich zumeist zwei bis drei Frame-Elemente pro Akteursäußerung nachweisen lassen. Dies entspricht einer impliziten Darbietung von thematischen Rahmen. In 58.5% der untersuchten Beiträge103 wird zwei Akteuren Raum zur Meinungsäußerung gegeben, wobei die prozentualen Angaben auch einen Hinweis darauf geben, dass nicht in allen Beiträgen zwei gegensätzliche Positionen dargestellt werden. Vor allem bei den Nachrichten von RTL und Sat.1 werden im Untersuchungszeitraum nur in 40.0% bzw. 50.0% der Beiträge ein Pro- und ein KontraFrame dargeboten; d.h. in 60.0% bzw. 50.0% lediglich eine Sichtweise. Ein anderes Bild zeigt sich hingegen bei ARD und ZDF, wobei besonders in der ARD-Tagesschau (innerhalb eines Beitrags) am häufigsten zwei konträre Positionen zu einer jeweiligen Anti-TerrorMaßnahme dargestellt werden. In 78.6% der ARD-Beiträge ist dies der Fall (vgl. Abbildung 7.5). Die Möglichkeit zu einer differenzierten Meinungsbildung ist demnach am ehesten bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehnachrichten gegeben. Die Darstellung von nur einer Sichtweise hingegen deutet darauf hin, dass bestimmte Sachverhalte bzw. Meinungen dargestellt, während andere ausgeklammert werden. Gemäß der Argumentationslogik hinsichtlich der Inszenierung, kann den privaten Sendern folglich eher ein gezieltes ‚InSzene-Setzen‘ von bestimmten (einseitigen) Sichtweisen politischer Akteure unterstellt werden.
103
Basis: n=41
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
249
90,0%
Relative Häuf igkeiten in %
80,0%
78.6%
70,0% 55.6%
60,0%
50.0%
50,0%
44.4%
40,0% 30,0% 20,0%
60.0%
40.0%
Beiträge mit Pro- oder KontraSichtweise Beiträge mit Pro- und KontraSichtweise
21.4%
10,0% 0,0% ARD
ZDF
RTL
Sat.1
Abbildung 7.5: Anzahl der Beiträge mit der Präsentation von Pro- und Kontrasichtweisen in der Berichterstattung über Anti-Terror-Maßnahmen (21.08.2007-23.03.2008), Sendervergleich (Basis: ARD: n=14, ZDF: n=9, RTL: n=10, Sat1: n=8)
Bei den identifizierten Frames im Analysezeitraum handelt es sich jeweils um einen Pround einen Kontra-Frame zu folgenden Anti-Terror-Maßnahmen: Online-Durchsuchung, Abschuss entführter Passagierflugzeuge und Datenspeicherung. Bei der Berichterstattung über Online-Durchsuchungen (Thema) ergeben sich folgende zwei Frames104: Befürworter (Akteur) dieser Anti-Terror-Maßnahme ist zumeist die Regierung (56.3%), wobei Innenminister Schäuble als Hauptvertreter der Maßnahme dargestellt wird. Im Großteil der Nachrichtenbeiträge zur Online-Durchsuchung (81.3%) wird als Ursache, zumeist explizit, der Schutz vor terroristischer Gewalt angeführt. Hinsichtlich der journalistischen Bewertung zeigen die Daten, dass diese Thematik am häufigsten aus neutraler Sicht dargeboten wird. Lediglich in einigen Beiträgen von Sat.1 wird die Online-Durchsuchung abgewertet. So leitete der Nachrichtensprecher von Sat.1 hierzu bspw. einen Beitrag mit den Worten ein: „Selbst in Internetcafés droht die Schnüffelattacke“105, was eine negative Wertung der Maßnahme impliziert. Als Gegner der geforderten Online-Durchsuchung stellen sich zu gleichen Teilen Vertreter der SPD sowie der Justiz106 (Akteur) (zu je 30.8%) heraus. Ursachen für die Kontra-Meinung werden hier kaum angeführt. Lediglich in 23.1% der Fälle wird als Ursache implizit auf rechtliche Gründe, wie den Schutz der Privatsphäre, hingewiesen. In Bezug auf die Online-Durchsuchung schwingt bei dem Kontra-Frame stets die Ablehnung (journalistische Bewertung) dieser mit. Zudem kann festgestellt werden, dass dem Pro-Frame zur Online-Durchsuchung größerer Raum (im Sinne der zeitlichen Länge) in der Berichterstattung eingeräumt wird als dem Kontra-Frame. 104 105 106
Die beschriebenen Medien-Frames repräsentieren die häufigsten Ausprägungen der jeweiligen Kategorien. Vgl. Sat.1-Nachrichten vom 31.8.2007. Hierunter zählen unter anderem Anwälte, Verfassungsrechtler, Verfassungsrichter.
250
VII Vorstudien und Vertiefungen
Befürwortung für die Anti-Terror-Maßnahme „Abschuss entführter Passagierflugzeuge“ (Thema) stammt ebenfalls von der Regierung (Akteur). Die meisten Aussagen sind dabei zurückzuführen auf den damaligen Verteidigungsminister Jung (75.0%). Hauptsächlich implizit wird entweder direkt von diesem oder mittels Paraphrasierung durch den Nachrichtensprecher oder Korrespondenten der Schutz vor terroristischer Gewalt als Begründung (Ursache) der Sichtweise herausgestellt (87.5%). Bei den geforderten Maßnahmen handelt es sich zumeist um die Schaffung einer rechtlichen Grundlage (Handlungsattribution). Allerdings wird auch in einigen Fällen direkt der Abschuss entführter Passagierflugzeuge gefordert. Journalistische Bewertungen konnten in keinem Fall festgestellt werden, was auf eine neutrale Darstellung dieser Position hindeutet. Das Gegenmuster, welches senderübergreifend am häufigsten in der Berichterstattung aufzufinden ist, charakterisiert sich wie folgt: Die meisten kritischen Stimmen zu der geforderten Maßnahme des Verteidigungsministers stammen von den Oppositionsparteien (50%) (Akteur). Diese sehen in der Maßnahme zumeist einen klaren Verstoß gegen die Würde des Menschen. In 87.5% der Fälle wird dies implizit als Grund (Ursache) für die Gegenmeinung angeführt. Zudem wird stets gefordert, die Anti-Terror-Maßnahme zu unterlassen (Handlungsattribution). Eine journalistische Polarisierung (Bewertung) konnte nicht festgestellt werden. Der Pro-Frame zur Datenspeicherung (Thema) beinhaltet in 75.0% der Fälle als Akteur die Regierung. Am häufigsten wird als Ursache der Schutz vor terroristischer Gewalt explizit angeführt (75.0%), wobei die geforderte Maßnahme (Handlungsattribution) zumeist direkt geäußert wird. Journalistische Bewertungen dieser Sichtweise können auch in diesem Fall nicht nachgewiesen werden. In Bezug auf den Kontra-Frame zeigt sich, dass hier sowohl die Opposition als auch Bürgervertreter (in je 40.0% der Fälle) in der Berichterstattung als Gegenspieler dargestellt werden (Akteur). In wenigen Fällen wird ein direkter Bezug zu den Ursachen der Sichtweise vorgenommen. Werden Ursachen jedoch thematisiert, handelt es sich dabei zumeist um rechtliche Gründe, wie den Eingriff in die Privatsphäre. Als Handlungsattribution schwingt stets implizit die Forderung nach der Unterlassung der Datenspeicherung mit. Analog zu der Präsentation des Befürwortungsframes wird auch hier neutral berichtet, ohne die dargebotene Sichtweise abzuwerten oder zu stützen (Bewertung). Die Beschreibung der medial präsentierten Sichtweisen verdeutlicht die unterschiedlichen politischen Positionen im Hinblick auf Anti-Terror-Maßnahmen, die sich im Analysezeitraum in den Nachrichtensendungen finden lassen. Aufgrund der sehr geringen Fallzahl war eine differenzierte Senderbetrachtung jedoch nicht möglich, weshalb direkte Vergleiche hinsichtlich des Vorkommens einzelner Frames ausbleiben müssen. Die Annahme der thematischen Form der Inszenierung konnte damit nur unzureichend überprüft werden.
1.5 Zusammenfassung der Ergebnisse Zur Ergründung der medialen Inszenierung wurden zwei Ebenen charakterisiert und einer empirischen Analyse unterzogen. Dabei zeigt sich die visuell-sprachliche Form der Inszenierung in den Ergebnissen deutlicher als die thematische. Im Folgenden werden nun die wesentlichen Befunde kurz zusammengefasst, um eine abschließende Antwort auf die Frage
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
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zu geben: Lassen sich für die Berichterstattung über Terrorismus Inszenierungstendenzen erkennen? Formal betrachtet wird bei der Untersuchung deutlich, dass die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender stärker an allgemeinen terrorassoziierten Themen ausgerichtet ist als die der privaten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass den privaten Sendern eine ereignisorientierte Berichterstattung nachgewiesen werden kann. Zusätzlich verweisen die Befunde darauf, dass die Thematik Terrorismus als eine Art Langzeiterzählung gesehen werden kann, wobei der Erzählfluss stets am Laufen gehalten wird. Die von Hickethier (1998) postulierte Annahme, Fernsehnachrichten zeigen einen narrativen Charakter, kann somit bezüglich der Langzeitberichterstattung unterstützt werden. Die mediale Inszenierung verbirgt sich hier in der Gestaltung der Nachrichtensendungen als narrative Erzählungen, die einhergehen mit dem Aufbau von Dramaturgien, der Koppelung von Ereignissen an bestimmte Protagonisten sowie der Aufrechterhaltung des Erzählflusses. Nach Meyer et al. (2000a) gehört zur Präsentationslogik der Massenmedien „eine weit aufgefächerte Palette von Formen der theatralen Inszenierung“ (S. 194). Dies lässt sich durch die Ergebnisse zur visuell-sprachlichen Inszenierungsform unterstützen. Als Indiz für diese Form der Inszenierung dient hauptsächlich die Erforschung der Emotionalisierung in der Berichterstattung. Die Annahme, dass in Nachrichtensendungen gezielt auf den Einsatz gefühlsbetonender Elemente zurückgegriffen wird, kann bestätigt werden. In jedem zweiten Beitrag zeigt sich mindestens ein emotionalisierendes Merkmal; speziell bei der Thematisierung von terroristischen Anschlägen. Die Auswirkungen von Gewalt werden den Zuschauern dabei hauptsächlich mittelbar präsentiert. Das heißt, die Zuschauer bekommen durch die Präsentation von aktuellen Bildern eine Beobachterrolle zugeschrieben, die sie das Ausmaß der terroristischen Aktion überblicken lässt. Die auf diese Weise erzeugte Authentizität verstärkt die wahrgenommene ‚Realitätswiedergabe’. Sowohl die gezeigten Bilder als auch die Inhalte der Nachrichtenerzählungen werden wahrscheinlich selten von Rezipienten in Frage gestellt. Zusätzlich zu emotionalisierenden Bildern setzen Nachrichtenproduzenten häufig eine sprachliche Dramatisierung ein, um die emotionale Wirkungskraft zu potenzieren. Dies kann als absichtsvolle Inszenierung gesehen werden, da die textliche Untermalung und Erklärung der Bilder ausschließlich in der Hand der Journalisten liegt. Den privaten Sender kann im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen eine stärker ausgeprägte Inszenierung zugeschrieben werden. Bei fast allen gewählten Inszenierungsindikatoren zeigen sich bei RTL und Sat.1 die höchsten Werte. Allerdings gibt die Auswertung der Daten zur visuell-sprachlichen Inszenierung auch einen Hinweis darauf, dass der Vergleich öffentlich-rechtlicher vs. privater Sender nicht immer geeignet scheint. So zeigt ein Teil der Befunde, dass ZDF und die beiden privaten Sender RTL und Sat.1 in Bezug auf die Inszenierung ähnliche Werte aufweisen. ARD hingegen setzt sich meist von den Nachrichtensendungen dieser ab. Obwohl diese Erkenntnis sich ausschließlich auf die Berichterstattung über Terrorismus stützt, scheint sich eine Konvergenz der Sendeanstalten zu zeigen. Bereits Bruns und Marcinkowski (1997) konnten eine Verringerung der ‚Distanz’ zwischen den Nachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 feststellen. Der Konkurrenzdruck scheint den Medienanstalten in gewisser Weise ein ‚Aufeinander-ZuBewegen’ aufzuzwingen. Erfolgreiche, also durch Zuschauer gut angenommene Formate
252
VII Vorstudien und Vertiefungen
und Gestaltungselemente eines Senders, werden so von anderen übernommen; stets mit dem Ziel die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu erlangen. Dennoch wird hierbei eine Kontroverse erkennbar. Aus der vorliegenden Untersuchung (bleibt man der Unterteilung privat vs. öffentlich-rechtlich treu) geht hervor, dass tendenziell die privaten Sender zum Einsatz emotionalisierender und dramatisierender Elemente und damit verstärkt zur Inszenierung auf bildlicher und sprachlicher Ebene neigen (vgl. Kap. IV). Allerdings werden die zuschauerstärksten Fernsehnachrichten von den staatlichen Rundfunkanstalten produziert (Media Perspektive Basisdaten, 2006). Die Nachrichtensendungen, die als sachlich und neutral gelten und weniger auf der genannten Ebene inszenieren, erhalten demnach mehr Zuspruch in der Bevölkerung. Vielleicht auch deshalb, weil weitgehend auf eine zu emotionalisierende bzw. dramatisierende oder sensationelle Berichterstattung verzichtet wird? Die explorative Erforschung der thematischen Form der Inszenierung und damit der Medien-Frames in der Berichterstattung über Anti-Terror-Maßnahmen führt zu mäßigen Befunden. Es zeigt sich, dass vorrangig bei ARD und ZDF zwei konträre Sichtweisen innerhalb eines Beitrags thematisiert wurden. Ein Befund, der eher auf eine differenzierte Betrachtung einzelner Maßnahmen hinweist. RTL und Sat.1 hingegen kann die Betonung von nur einer Position zu einer bestimmten Anti-Terror-Maßnahme unterstellt werden. In der Gesamtbetrachtung der thematischen Rahmungen wird zudem deutlich, dass bei der Darstellung der Ursachen (Erklärungen) des Befürwortungs- und Ablehnungsframes ein Ungleichgewicht feststellbar ist. Mehrheitlich werden die Ursachen der geforderten Maßnahmen thematisiert. Demnach sind häufiger Erklärungen zu der von der Regierung ausgesprochenen Anti-Terror-Maßnahme in den Nachrichtenbeiträgen enthalten als Ursachen der Gegenmeinung (z.B. Schutz der Privatsphäre). Es scheint, als legen die Bundesminister Wert darauf, öffentlich Unterstützung für ihre Forderungen zu suchen. Durch die größtenteils explizite Darstellung von Ursachen bzw. Erklärungen versuchen diese ihre Positionen transparent zu gestalten und zu legitimieren. Die Medien greifen die Darstellungen der Regierungspolitiker auf und präsentieren diese in den Nachrichtensendungen. Das Ungleichgewicht zwischen der Darstellung der Ursachen von Befürwortern und Gegnern kann als ein Hinweis auf die absichtsvolle Präsentation gedeutet werden, wobei weitere Untersuchungen diesbezüglich notwendig sind, um konkretere Aussagen treffen zu können. Das Vorhandensein von journalistischen Bewertungen kann zudem nur in einer sehr begrenzten Anzahl von dargebotenen Sichtweisen nachgewiesen werden. Folglich lässt sich die thematische Inszenierung diesbezüglich kaum bestätigen. Zwar wurde davon ausgegangen, dass die Journalisten durch wertende verbale Äußerungen einen bestimmten Rahmen des Ereignisses konstruieren, doch ließ sich dies nicht zeigen. In Nachrichtenbeiträgen über Anti-Terror-Maßnahmen wird mehrheitlich auf eine sachliche Darstellung Wert gelegt. Lediglich bei Sat.1 kann eine sprachliche Abwertung der befürwortenden Position zur Online-Durchsuchung festgestellt werden. Die Schwachstelle der Analyse der Medien-Frames wird vorrangig in der geringen Fallzahl gesehen. Aufgrund der Beitragsauswahl umfasst der Datensatz lediglich 41 Beiträge; komplexe statistische Verfahren wurden daher nicht durchgeführt. Obwohl kein umfassenderes Bild medialer (thematischer) Inszenierungsprozesse dargeboten werden konnte, bleibt die Annahme, dass in Bezug auf Terrorismus bzw. Anti-Terror-Maßnahmen thematisch inszeniert wird, bestehen.
1 Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten
253
1.6 Ausblick Die Anwendung der Inszenierungsmetapher auf den Kontext der medialen Berichterstattung erweist sich als durchaus fruchtbar. Der aus dem Theater stammende Begriff hält einen großen Interpretationsspielraum bereit, woraus die Möglichkeit resultiert, die begriffliche Bedeutung interdisziplinär auszuweiten. Eine fortführende Auseinandersetzung mit den Inszenierungstendenzen in der Fernsehberichterstattung wird als wertvoll erachtet. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Zum einen scheint es fast unabdingbar einen weiteren Zeitraum zu untersuchen und diesen ins Verhältnis zu den vorliegenden Befunden zusetzen. Damit können sich die Ergebnisse weiter unterstützen lassen. Zudem ergeben sich hierbei noch zusätzliche Vergleichsmöglichkeiten. Des Weiteren kann die Einbeziehung weiterer Kategorien aus dem Erhebungsinstrument differente Ergebnisse liefern. Interessant ist hierbei, in welchen journalistischen Stilformen am häufigsten emotionalisiert oder dramatisiert wird. Eine Tiefenanalyse lässt zudem eindeutiger Aussagen zu, bei welchen Ereignissen (z.B. Anschlag, Entführung, Trauerfeier, Debatten um Anti-Terror-Maßnahmen oder Menschenrechtsverletzungen im Kampf gegen den Terrorismus) am meisten emotionalisierende Gestaltungsmittel zum Einsatz kommen. Auch bleibt die Frage offen, wie bewusst den Journalisten das absichtsvolle Anordnen von Teilelementen zu einem Ganzen ist. Von Anschlägen, die sich im Ausland ereignen, erhalten einheimische Nachrichtenredaktionen ihr Bildmaterial häufig von lokalen Fernsehstationen oder Nachrichtenagenturen. Die Nachrichtenproduzenten deutscher Sendeanstalten können demnach nur auf vorhandenes Material anderer zurückgreifen, um Geschehnisse visuell zu präsentieren. Da Anschläge stets einhergehen mit Gewalt und Zerstörung ist fraglich, ob hier zwischen emotionalisierenden und ‚neutralen’ Bildern ausgewählt werden kann. Das Fernsehen unterliegt dem Zwang zur Visualität; das macht Bilder unverzichtbar. Es sind die visuellen Darstellungen von Geschehnissen, die das Medium von anderen abheben. Hier stellt sich die Frage, ob der Inszenierungsbegriff in seiner Anwendung auf den massenmedialen Kontext enger gefasst werden sollte; auch vor dem Hintergrund, dass Nachrichtenredaktion per se nicht um Inszenierung umhinkommen um ‚Wirklichkeit’ abzubilden. Für nachfolgende Forschungsvorhaben sollten daher weitere Überlegungen über den Bedeutungshorizont und Anwendbarkeit des Begriffes auf die Berichterstattung angestellt werden. Zudem könnten sich bei einer gemeinsamen Betrachtung von Emotionalisierung und Medien-Frames weitere interessante Aspekte ergeben. Dagmar Unz (2007) z.B. vermutet hier einen Zusammenhang. Vorstellbar ist, dass sowohl emotionale Bilder als auch Kameradramaturgien oder sprachliche Merkmale einen Einfluss auf die Framing-Effekte ausüben können (Unz, 2007). Zusätzliches Potenzial wird in der Erforschung der Wahrnehmung und Wirkung emotionalisierender Berichterstattung gesehen. Dass seitens der Nachrichtensendungen eine Tendenz zur Emotionalisierung zu verzeichnen ist, konnte nachgewiesen werden. Dabei wurde davon ausgegangen, dass u.a. gezeigte Emotionen oder die Darstellung von Trümmern und Zerstörung zur emotionalen Mobilisierung auf Rezipientenseite beitragen. Jedoch fehlt es an Studien, die konkrete Aussagen zur Wirkung emotionalisierender Berichterstattung erlauben. Denn ebenso ist vorstellbar, dass die Thematik Terrorismus, aufgrund der stetigen Präsenz in den Fernsehnachrichten zu einer Sensibilisierung der Zuschauer beiträgt. Durch die häufige Präsentation terrorrelevanter Beiträge kann
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VII Vorstudien und Vertiefungen
eine Art Gleichgültigkeit entstehen, die zu einer Minderung des emotionalen Nachempfindens führt. Da Medienwirkungen und somit auch die Wirkung terroristischer Gewalt nicht nur vom Inhalt, sondern auch von Rezipientenmerkmalen107 abhängen, kann es durchaus sein, dass die Wirkung emotionaler und dramatischer Medieninhalte nicht in einem solchen Maß zum Ausdruck kommt, wie häufig angenommen. In diesem Zusammenhang wäre es aufschlussreich zu ergründen, ob bei den Zuschauern von Fernsehnachrichten ein gewisser Sättigungsgrad in Bezug auf das Thema Terrorismus erreicht ist. In diesem Zusammenhang stellt sich ferner die Frage nach der Akzeptanz visueller und sprachlicher Inszenierung. Der hohe Marktanteil der ARD-Tagesschau scheint eher auf die Bedeutung und Anerkennung sachlicher Berichterstattung hinzuweisen, da hier nachweislich der Anteil emotionalisierter Beiträge am geringsten ausfällt. Der Ausblick verdeutlicht, dass die Erforschung der medialen Inszenierung noch viel Handlungsspielraum für weitere Untersuchungen bereithält.
2
Der Zusammenhang zwischen externer Bedrohung und internen Prozessen – Eine quantitative Analyse im Rahmen der Jenaer Terrorismus Studie (Sandy Schumann) 2 Der Zusammenhang zwischen externer Bedrohung und internen Prozessen 2.1 Ausgangspunkt und Überblick Am 11. September 2001 ereigneten sich mit ca. 3000 Toten die bis dahin schwersten Terroranschläge auf amerikanischem Boden. Die Bilder der Attentate auf das World Trade Center und das Pentagon sind noch gut in Erinnerung; ebenso die Geschehnisse, die diesen folgten: „Der Krieg gegen den Terror“ und eine Welle weiterer Attentate wie die in London und Madrid. Doch die Anschläge von 9/11 scheinen auch zu Konsequenzen geführt zu haben, die von der Weltöffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Das European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia berichtet 2002 von einem deutlichen Anstieg der feindlichen Angriffe auf Muslime in 15 europäischen Ländern nach 9/11 (Sheridan, 2006). Die International Helsinki Federation For Human Rights (IHF) (2005; Internetquelle) unterstützt diese Befunde und zeigt in ihrem Bericht, dass die häufigste Form der Diskriminierung von Muslimen nach dem 11. September abfällige verbale Äußerungen sind und der Zugang zum Arbeitsmarkt für Muslime deutlich eingeschränkt ist (IHF, 2005; Internetquelle). Hat der 11. September unsere Einstellungen und Verhaltenstendenzen gegenüber Muslimen und damit deren tägliches Leben tatsächlich tiefgreifend verändert? Diese Frage soll im Folgenden näher untersucht werden. Basierend auf der Integrated Threat Theory (ITT) (Stephan & Stephan, 2000; Stephan, Stephan & Gudykunst, 1999) sowie den Annahmen zu den Funktionen sozialer Konflikte (Coser, 1956) werden die quantitativen Daten der ersten Erhebungswelle der Jenaer Terrorismus Studie mit folgendem Ziel analysiert: Besteht eine Beziehung zwischen erlebten Bedrohung durch Terrorismus und der Abwertung von Gruppen, denen man sich nicht zugehörig fühlt (Outgroups)? Außerdem
107
Z.B. Einstellungen, Erfahrungen, Wissen.
2 Der Zusammenhang zwischen externer Bedrohung und internen Prozessen
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werden relevante Moderatoren dieser Beziehung betrachtet. Bedeutsam sind die politische Orientierung der Befragten, ihre Werteprioritäten und religiöse Einstellungen. Damit erlaubt diese Untersuchung, potentielle Ursachen für feindliche Einstellungen gegenüber Muslimen zu erfassen und Interventionsmaßnahmen abzuleiten. Besonders in Anbetracht der steigenden Diskriminierung muslimischer Minderheiten nach dem 11. September und den Folgen für deren psychische sowie physische Gesundheit (Sheridan, 2006) sind diese Überlegungen bedeutsam. Nach einem Überblick zu den potentiellen Konsequenzen von Terroranschlägen werden bisherige Befunde und theoretische Modelle zu einer möglichen Beziehung zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Abwertung von Outgroups reflektiert. Anschließend werden die Variablen politische Orientierung, Werteprioritäten und religiöse Einstellungen vorgestellt. Nach den Forschungshypothesen werden die empirische Untersuchung und deren Ergebnisse beschrieben. Diese werden in Bezug auf mögliche Implikationen diskutiert und Hinweise für zukünftige Studien abgeleitet.
2.2 Terrorismus und mögliche Folgen von Terroranschlägen Terrorismus wird als externe Bedrohung definiert; als ein systematisch organisierter, „kalkulierte(r) und medial inszenierte(r) Einsatz von Gewalt“ (siehe Kap. I im vorliegenden Band). Terroristen streben unter anderem an, unbeteiligte Personen zu verängstigen und über Medien Bekanntheit zu erlangen. Neben den direkten Opfern sind also auch Überlebende, Angehörige, Rettungskräfte, Zeugen und über die mediale Berichterstattung die gesamte Öffentlichkeit Ziel der Angriffe. Die Reaktionen auf solche nicht vorhersehbaren Extremsituationen menschlichen Erlebens sind ebenso unterschiedlich, wie das Erscheinungsbild des Terrorismus selbst. Besonders Untersuchungen, die direkt nach den Anschlägen in den USA bzw. in Israel durchgeführt wurden, geben Aufschluss über potentielle Folgen von Terroranschlägen. Innere Erregung und Emotionen wie Wut oder Ärger folgen Terroranschlägen meist unmittelbar (Skitka, Bauman & Mullen, 2004). Wut richtet sich nach Annahme der Autoren weniger auf die Gruppe, der man sich selbst zugehörig fühlt (Ingroup), sondern vor allem nach außen, auf andere Personen und andere Gruppen. Der Wunsch nach direkter Konfrontation der Outgroup, die man als Ursache für diese Erregung zu sehen meint, kann aber nicht immer unmittelbar umgesetzt werden (Allport, 1958). Symbolische Formen des Angriffs treten an ihre Stelle und können sich in politischer Intoleranz gegenüber Outgroups äußern. Sogar eine Einschränkung der eigenen Grundrechte wird nach Terroranschlägen stärker unterstützt (Huddy, Feldman, Capelos & Provost, 2002a). In Folge der Terroranschläge am 11. September 2001 stieg in den USA die Wertschätzung der eigenen Nationalität (Ellemers, Spears & Doosje, 2002). Die erhöhte Salienz der sozialen Kategorie „US-Amerikaner“ führte außerdem – wenige Monate später – zu einem Anstieg antiarabischer Einstellungen und Verhaltensweisen (Oswald, 2005). Die amerikanische Regierung reagierte nach den Terrorangriffen mit verstärkten Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Und auch die Bevölkerung reagierte. So berichteten 55% der befragten Amerikaner, die an einer
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VII Vorstudien und Vertiefungen
Untersuchung kurz nach dem 11. September 2001 teilnahmen, dass sie mit ihrer Post als Reaktion auf die Anthraxgefahr vorsichtiger umgingen (Huddy, Khalid & Capelos, 2002b). Auch in Deutschland fühlten sich im Jahre 2007 laut Ergebnissen einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Forsa (Focus, 2007; Internetquelle) 79% durch Terroranschläge bedroht (auf weitere Studien und Befunde wurde bereits in Kap. I dieses Buches eingegangen). Echebarria-Echabe und Fernández-Guede (2006) sprechen in diesem Zusammenhang von einem erhöhten Mortalitätsbewusstsein.
2.3 Der Zusammenhang zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Abwertung von Outgroups Die dargestellten Befunde zu den Folgen von Terroranschlägen bieten einen ersten Ansatz für die differenzierte Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage; ob die Anschläge vom 11. September 2001 tatsächlich mit einer verstärkten Abwertung muslimischer Mitbürger zusammenhängen. Es zeigt sich, dass eine Abwertung der Outgroup tatsächlich in Folge von Terroranschlägen auftreten kann und von einer stärkeren Aufwertung der Ingroup begleitet ist. Beide Phänomene (Abwertung der Outgroup und Aufwertung der Ingroup) können in dem Konzept des Intergroup Bias zusammengefasst werden (siehe auch Kap. II und VI). Die Aktivierung des Intergroup Bias findet dabei äußerst schnell und auch auf Basis minimaler Unterschiede zwischen Gruppen statt (Tajfel, 1970). Der Effekt kann sich auf verschiedenen Ebenen zeigen und Verhaltens-, Einstellungs- und kognitive Aspekte umfassen. Der Begriff „Bias“, der für einen Fehler oder eine Verzerrung steht, ist dabei durchaus angebracht, da die Bewertung der eigenen und der fremden Gruppe rein interpretativ und nicht gerechtfertigt ist sowie nicht durch objektive Beweise überprüft werden kann (Mackie & Smith, 1998). Wichtig ist, dass der Intergroup Bias nicht nur durch eine bloße Aufwertung der eigenen Gruppe gekennzeichnet ist. Diese tritt fast automatisch auf, wenn man sich als Mitglied einer Gruppe versteht und führt zu einer erhöhten wahrgenommenen Ähnlichkeit mit Mitgliedern der eigenen Gruppe (Insko, Schopler & Hoyle, 1990). Die verstärkte Kooperation mit Mitgliedern der Ingroup und die Übernahme der Gruppenzugehörigkeit in das Selbstkonzept sind eine erste Form der Diskriminierung, die aber nicht auf Abwertung der Outgroup, sondern nur auf Bevorzugung der Ingroup basiert (Ingroup Bias) (Hewstone, Rubin & Willis, 2002). Eine Ausweitung der Aufwertung der Ingroup auf die Abwertung der Outgroup ist dann möglich, wenn mit der Outgroup starke Emotionen verbunden werden (Mackie & Smith, 1998). Wut oder Angst sind solche Emotionen; Terroranschläge – wie im Vorfeld dargestellt – können sie auslösen. Im Folgenden wird nun, statt nur die Abwertung von Outgroups zu betrachten, der Intergroup Bias fokussiert. Die empirischen Ergebnisse und Überlegungen zur Entstehung des Intergroup Bias verweisen auf einen positiven und unidirektionalen Zusammenhang zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Ausprägung des Intergroup Bias; und damit auch der verstärkten Abwertung einer Outgroup. Cosers (1956) Ansatz zu den Funktionen sozialer Konflikte thematisiert diese Beziehung. Eine Grundthese Cosers ist, dass Konflikte für Gruppen ebenso funktional sind wie
2 Der Zusammenhang zwischen externer Bedrohung und internen Prozessen
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Kooperationen und einen Teil der Sozialisation darstellen. Er postulierte 16 Annahmen (Coser, 1956), die diese These spezifizieren. Besonders bedeutend sind dabei das Postulat 1 (Konflikte bedingen den Zusammenhalt in Gruppen.), Postulat 9 (Konflikte mit einer Outgroup erhöhen die interne Kohäsion von Gruppen.) und Postulat 10 (Konflikte mit anderen Gruppen definieren die Gruppenstruktur und resultierende Reaktionen auf internale Konflikte.). Diese Postulate verdeutlichen, dass externe Bedrohung zu stärkerer Kohäsion und Zusammenhalt innerhalb der Gruppe führt, eine bewusste Abgrenzung von der Outgroup ermöglicht und eine Abnahme der Toleranz in der Gruppe gegenüber alternativen Meinungen sowie, in Abhängigkeit von der Struktur der Gruppe, eine Forcierung von Gruppennormen stattfindet. Ergänzt wird das Modell von Coser (1956) durch einen integrativen Ansatz, der besonders auf die Ätiologie negativer Einstellungen und der Abwertung gegenüber einer Outgroup eingeht: die Integrated Threat Theory (Stephan, Stephan & Gudykunst, 1999). Stephan et al. (1999) postulieren, dass, wenn Menschen, die unterschiedlichen Gruppen angehören, miteinander interagieren, sie oft Gefühle der Bedrohung oder Beunruhigung erleben. Sie befürchten beispielsweise, dass sie sich nicht angemessen verhalten, ausgenutzt werden oder andere beleidigen könnten. Im Rahmen der Integrated Threat Theory werden diese Befürchtungen sowie ihre Voraussetzungen und Konsequenzen im Umgang mit Angehörigen unterschiedlicher Gruppen genauer beschrieben. Vier verschiedene Typen von Bedrohungen nehmen Einfluss auf negative Einstellungen – Vorurteile – gegenüber einer Outgroup, welche wiederum Verhaltenskonsequenzen, hauptsächlich negatives, feindliches und diskriminierendes Verhalten, bedingen. Die zu unterscheidenden Facetten von Bedrohung sind die realistische und symbolische Bedrohung, Intergruppenängstlichkeit sowie negative Stereotype. Sie können Einstellungen simultan beeinflussen. Die Autoren betonen, dass eine Bedrohung nicht real existieren muss, sondern schon die alleinige Wahrnehmung einer Bedrohung Einfluss auf Einstellungen gegenüber der Outgroup nimmt. Stephan et al. (1999) benennen Faktoren, die die vier Typen wahrgenommener Bedrohung als Vorbedingungen beeinflussen. Diese sind verstärkte Intergruppenkonflikte, ein höheres Statusungleichgewicht, hohe Identifikation mit der eigenen Gruppe, wenig Wissen über die andere Gruppe und wenig oder negativer Kontakt. Die Beziehung zwischen erlebter Bedrohung und der Ausprägung des Intergroup Bias kann durch Betrachtung der Variablen politische Orientierung, Werteprioritäten und religiöse Einstellung weiter spezifiziert werden. Sie stehen mit der erlebten Bedrohung oder dem Intergroup Bias in Verbindung und sind damit potentielle Mediator- oder Moderatorvariablen. Politische Orientierung Die politische Orientierung einer Person entspricht der eigenen Einordnung entlang dem politischen Spektrum; von links- bis rechtsextrem oder liberal bis konservativ. Empirische Befunde zeigen, dass interindividuelle Unterschiede in der politischen Orientierung in Verbindung mit Verhaltens- und Einstellungstendenzen stehen, die relevant für die hier betrachtetet Fragestellung sind (Jost, Napier, Thorisdottir, Gosling, Palfai & Ostafin, 2007). Politisch links orientierten Personen wird eine höhere Toleranz gegenüber anderen ethnischen Gruppen (Gaasholt & Togeby, 1995) zugesprochen. Untersuchungen bestätigen
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VII Vorstudien und Vertiefungen
außerdem, dass sie nach Terroranschlägen ihre liberalen Einstellungen verstärken (Echebarria-Echabe & Fernández-Guede, 2006) und in Folge einer induzierten Mortalitätssalienz negative Einstellungen gegenüber der Outgroup reduzieren (Gordon & Arian, 2001). Politisch rechts orientierte Versuchspersonen erleben eine stärkere ökonomische, kulturelle und persönliche Bedrohung; beispielsweise durch Immigranten (Bierbauer & Klinger, 2002). In Folge von Terroranschlägen verstärken sie ihre konservativen, autoritären und rassistischen Vorurteile (Echebarria-Echabe & Fernandez-Guede, 2006). In Bezug auf die Ausprägung von Vorurteilen wird generell von einem linearen ansteigenden Trend von links über die Mitte bis zum konservativen Spektrum hin ausgegangen (Heitmeyer, 2006). Ein rechtsorientiertes Meinungsbild steht auch im Zusammenhang mit einer erhöhten fremdenfeindlichen Einstellung gegenüber Minderheiten (Canetti-Nisim, Halperin, Hobfoll & Johnson, 2006) und der Annahme, dass es zu viele Ausländer in Deutschland gebe (Heitmeyer, 2002). Werteprioritäten Der am besten theoretisch und empirisch fundierte Ansatz zur Wertekonzeption stammt von Schwartz (1992, 1996, 2006; siehe auch Kap. V und VI). Schwartz definiert Werte als erstrebenswerte, situationsübergreifende Ziele, die in ihrer Bedeutsamkeit interindividuell verschieden sind und als gewisse Richtlinien die Lebensführung beeinflussen. Zahlreiche Forschungsvorhaben haben die Theorie von Schwartz als Grundlage ihrer Arbeit genutzt, sodass eine umfangreiche Sammlung von spezifischen Verhaltens- und Einstellungskorrelaten in Bezug auf die zehn grundlegenden Werte vorliegt. Drei Wertetypen stechen bei der Befundlage bezogen auf die untersuchte Forschungsfrage heraus. Dabei handelt es sich um die Wertetypen Sicherheit, Tradition und Konformität. Schwartz, Sagiv und Boehnke (2000) untersuchten die Ausprägung von Mikro- und Makrosorgen in Abhängigkeit von verschiedenen Werteprioritäten. Dabei zeigte sich, dass der Wertetyp Sicherheit signifikant positive mit Sorgen um die Sicherheit und Gesundheit korreliert. Tradition und Konformität korrelieren signifikant positiv mit Sorgen auf der gesellschaftlichen Ebene, wie Sorgen um Konflikte zwischen Gruppen in unserer Gesellschaft. Die Werte Sicherheit, Tradition und Konformität scheinen überdies besonders sensitiv gegenüber Veränderungen und Bedrohungen der bestehenden Ordnung zu sein (Schwartz et al., 2000). Des Weiteren stehen alle drei Werteprioritäten in negativen Zusammenhang mit der Bereitschaft zu Outgroups Kontakt aufzunehmen (Sagiv & Schwartz, 1995). Eine starke Betonung von Sicherheit als Wertetyp steht zudem im Zusammenhang mit negativen Einstellungen gegenüber Immigranten (Leong, 2008). Religiöse Einstellung Christliche Lehren und Glaubensinhalte werden häufig als Ausdruck der höchsten menschlichen Ideale, wie Toleranz, Nächstenliebe, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit betrachtet; ihre Anhänger als Vertreter dieser altruistischen und demokratischen Werte verstanden. Analysen nach dem Zweiten Weltkrieg zeigen allerdings ein anderes Bild. Religiosität steht in Verbindung mit Vorurteilen, Intoleranz und sozialer Ausgrenzung und einige Forscher folgen der kausalen Annahme, dass christliche Religiosität selbst Antisemitismus anregt (Glock & Stark, 1966). Empirische Befunde verdeutlichen aber auch, dass der Zusammen-
2 Der Zusammenhang zwischen externer Bedrohung und internen Prozessen
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hang zwischen religiösen Einstellungen und Vorurteilen nur in bestimmten Subgruppen vorliegt. Demnach zeigen sowohl sehr religiöse als auch nicht religiöse Versuchspersonen ein geringeres Vorurteilsniveau als Personen, die ihre Religiosität als moderat einschätzen. Als erklärendes Konstrukt wird soziale Konformität angeführt, die bei moderat Religiösen hoch ausgeprägt ist und die religiöse Einstellung aber auch Vorurteile bedingen sollte, da Normen und Werte unkritisch angenommen werden (Eisinga et al., 1999). Die Verhaltensforderungen der Ingroup werden als grundlegend für das eigene Handeln angesehen. Dies verdeutlicht, dass die religiöse Einstellung Einfluss auf eine stärkere Identifikation mit der Ingroup nehmen kann und sozial erwünschte Verhaltensweisen und Einstellungen im Sinne der Ingroup bedingt.
2.4 Fragestellungen und Hypothesen Ausgehend von den theoretischen Vorüberlegungen und der Integration empirischer Befunde ergeben sich folgende Fragestellungen: Kann in der vorliegenden Stichprobe eine Beziehung zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Ausprägung des Intergroup Bias gezeigt werden? Entspricht diese dem beschriebenen positiven, unidirektionalen Zusammenhang von erlebter Bedrohung und der Ausprägung des Intergroup Bias? Im Sinne einer explorativen Vorgehensweise ist weiterhin von Interesse, ob sich der Intergroup Bias nur auf Gruppen bezieht, die mit der Bedrohung in Verbindung gebracht werden oder auch auf andere Outgroups, beispielsweise Juden, die nicht mit der erlebten Bedrohung durch Terrorismus in Verbindung gebracht werden. Außerdem stellt sich die Frage, welche Variablen diese Beziehung gegebenenfalls moderieren. Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen werden folgende Hypothesen formuliert: Hypothese 1: Stärker erlebte Bedrohung durch Terrorismus hängt mit einer stärkeren Ausprägung des Intergroup Bias zusammen. Hypothese 1a: Stärker erlebte Bedrohung durch Terrorismus hängt mit einer stärkeren Ausprägung des Intergroup Bias in Bezug auf Gruppen, die mit der Bedrohung in Verbindung gebracht werden, zusammen. Hypothese 1b: Stärker erlebte Bedrohung durch Terrorismus hängt mit einer stärkeren Ausprägung des Intergroup Bias in Bezug auf Gruppen, die nicht mit der Bedrohung in Verbindung gebracht werden, zusammen. Hypothese 2: Der Zusammenhang zwischen der erlebten Bedrohung durch Terrorismus und dem Intergroup Bias wird durch die politische Orientierung einer Person moderiert. Hypothese 3: Der Zusammenhang zwischen der erlebten Bedrohung durch Terrorismus und dem Intergroup Bias wird durch die Werteprioritäten in Bezug auf die Werte Tradition, Konformität und Sicherheit einer Person moderiert. Hypothese 4: Der Zusammenhang zwischen der erlebten Bedrohung durch Terrorismus und dem Intergroup Bias wird durch die religiöse Einstellung einer Person moderiert.
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VII Vorstudien und Vertiefungen
H1: Intergroup Bias Erlebte
Allgemein
Bedrohung H1a: Intergroup
durch Terrorismus
H2: Politische
H3:
H4:
Orientierung
Werteprioritäten
Religiöse Einstellung
Bias Muslime H1b: Intergroup Bias Juden
Abbildung 7.6: Darstellung der Hypothesen
2.5 Methode Für die Beschreibung der Stichprobe, die Vorgehensweise und die eingesetzten Skalen sowie die Operationalisierung der Konstrukte sei hier auf die Ausführungen in Kapitel V verwiesen. Operationalisierung des Intergroup Bias Die Operationalisierung des Intergroup Bias wurde im Vorfeld noch nicht näher beschrieben. Er wurde als Mittelwert aus den Items des Nationalismus (Item „Sind Sie stolz darauf, Deutsche(r) zu sein?“), des Rassismus (Item „Es gibt ja solche Auffassungen wie: Die Weißen sind zu Recht führend in der Welt. Was sagen Sie dazu?“), der Ablehnung von Ausländern (Item „Es leben zu viele Ausländer in Deutschland.“), des Antisemitismus (Item „Die Juden haben zu viel Einfluss in Deutschland.“) und der Ablehnung von Muslimen (Item „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“) operationalisiert, wobei drei Varianten gebildet wurden: Der „Intergroup Bias Allgemein“, der alle Items umfasst; der „Intergroup Bias Muslime“, der das Item zum Antisemitismus nicht beinhaltet und der „Intergroup Bias Juden“, der die Items zur Islamophobie nicht einschließt.
2.6 Ergebnisse Die deskriptiven Befunde zur Variable Intergroup Bias sind in Tabelle 7.2 aufgeführt. Für alle weiteren Konstrukte sei auf Kapitel V verwiesen. Die einzelnen Komponenten des Intergroup Bias sind hier nochmals mit erwähnt, da ihre deskriptiven Werte für die Interpretation der Ergebnisse relevant sind.
2 Der Zusammenhang zwischen externer Bedrohung und internen Prozessen
261
Tabelle 7.2: Deskriptive Befunde Intergroup Bias
Konzept
M
Ausländerablehnung Rassismus Ablehnung von Muslimen Antisemitismus Nationalismus Intergroup Bias Allgemein Intergroup Bias Muslime Intergroup Bias Juden
1.70 1.34 1.31 1.42 3.14 2.07 2.16 1.85
SD 1.23 .90 .69 .95 1.66 .74 .78 .85
Bezüglich der Hypothesen ergeben sich folgende Ergebnisse: Hypothese 1: Stärker erlebte Bedrohung durch Terrorismus hängt mit einer stärkeren Ausprägung des Intergroup Bias zusammen. Eine einfache lineare Regression mit der Ausprägung des Intergroup Bias Allgemein als abhängige und die mittlere erlebte Bedrohung als unabhängige Variable zeigte, dass die erlebte Bedrohung durch Terrorismus ein signifikanter Prädiktoren zur Vorhersage des Intergroup Bias Allgemein ist (t (97) = 4.85, p < .01). Der standardisierte Regressionskoeffizient war positiv (Ά = .45). Die Hypothese 1 wurde damit nicht verworfen. Hypothese 1a: Stärker erlebte Bedrohung durch Terrorismus hängt mit einer stärkeren Ausprägung des Intergroup Bias im Bezug auf Gruppen, die mit der Bedrohung in Verbindung gebracht werden, zusammen. Eine einfache lineare Regression mit dem Regressor erlebte Bedrohung durch Terrorismus und dem Regressand Intergroup Bias im Bezug auf muslimische Mitbürger verdeutlichte die Bedeutsamkeit dieses Zusammenhanges (t (97) = 5.10, p < .01). Der standardisierte Regressionskoeffizient war erneut positiv (Ά = .46). Die Hypothese wurde nicht verworfen. Hypothese 1b: Stärker erlebte Bedrohung durch Terrorismus hängt mit einer stärkeren Ausprägung des Intergroup Bias im Bezug auf Gruppen, die nicht mit der Bedrohung in Verbindung gebracht werden, zusammen. Für die Analyse dieser Hypothese wurde als Regressand der Intergroup Bias im Bezug auf jüdische Mitbürger genutzt; der Regressor war weiterhin die erlebte Bedrohung durch Terrorismus. Auf Grund des Ergebnisses (t (97) = 3.85, p < .01) und des positiven standardisierten Regressionskoeffizienten (Ά = .37) wurde auch diese Hypothese nicht verworfen. Damit wurden in diesem ersten Schritt alle Hypothesen, die sich auf den Zusammenhang zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Ausprägung des Intergroup Bias beziehen, nicht verworfen. Die Hypothesen drei, vier und fünf spezifizieren diesen Zusammenhang und werden im Folgenden überprüft. Hypothese 2: Der Zusammenhang zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und dem Intergroup Bias wird durch die politische Orientierung einer Person moderiert. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurde eine Moderatoranalyse durchgeführt. Dafür wurde der Interaktionsterm (politischer Orientierung x erlebte Bedrohung) als zweite und die mittlere erlebte Bedrohung als erste unabhängige Variable in eine hierarchische Regression
262
VII Vorstudien und Vertiefungen
eingeführt. Als abhängige Variable diente die mittlere Ausprägung des Intergroup Bias Allgemein. Das Ergebnis der Regression zeigte, dass die Hypothese 2 nicht verworfen werden kann. Der Interaktionsterm (t(94) = 5.90, p < .01) ist signifikant und zeigt einen positiven standardisierten Regressionskoeffizient (Ά = .52). Er erklärt über den Haupteffekt hinaus Varianz. Die Ergebnisse dieser Analyse im Bezug auf die beiden abhängigen Variablen Intergroup Bias gegenüber Muslime (t(94) = 6.43, p < .01; Ά = .56) und Intergroup Bias gegenüber Juden (t(94) = 5.13, p < .01; Ά = .47) unterstützen diese Ergebnisse. Die bisherige Form der Analyse erlaubt es nicht, Aussagen darüber zu machen, ab welcher konkreten politischen Positionierung der Zusammenhang der beiden fokussierten Konstrukte abgeschwächt bzw. vielleicht sogar nicht mehr signifikant wird. Dazu wurde eine zusätzliche Moderatoranalyse durchgeführt, bei der die kontinuierliche Variable politische Orientierung als eine ordinalskalierte Variable betrachtet wurde. Für jede Gruppe, die jeweils einen der sechs möglichen Werte entlang des Kontinuums der politischen Orientierung darstellt, wurde eine einfache lineare Regression mit der abhängigen Variable Intergroup Bias Allgemein und der unabhängigen Variable erlebte Bedrohung durch Terrorismus berechnet. Die Ergebnisse verdeutlichen einen nicht signifikanten Zusammenhang der erlebten Bedrohung durch Terrorismus mit der Ausprägung des Intergroup Bias Allgemein für die Gruppe derer, die sich „ganz links“ (1) einordneten (t(3) = -5.19, p > .05) und derer, die sich „eher links“ (2) einordnen würden (t(31) = .18, p > .05). Für Personen, die sich auf dem politischen Spektrum als „linke Mitte“ (3) (t(52) = 3.51, p < .01) und „rechte Mitte“ (4) (t(7) = 4.90, p < .01) einordnen, zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Ausprägung des Intergroup Bias Allgemein. Für die Gruppen derer, die sich „eher rechts“ (5) bzw. „ganz rechts“ (6) einordnen, konnten auf Grund der Stichprobengröße keine Analysen durchgeführt werden. Hypothese 3: Der Zusammenhang zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Ausprägung des Intergroup Bias wird durch die Werteprioritäten im Bezug auf die Werte Tradition, Konformität und Sicherheit einer Person moderiert. Die Überprüfung dieser Hypothese erforderte drei getrennte Moderatoranalysen. Es wurden wiederum hierarchische lineare Regressionen berechnet, bei denen der Intergroup Bias Allgemein die abhängige Variable und die Interaktionsterme (jeweiliger Wert x erlebte Bedrohung) als zweite und die mittlere erlebte Bedrohung durch Terrorismus als erste unabhängige Variable eingeführt wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass die Hypothese im Bezug auf den moderierenden Einfluss der Werteprioritäten Sicherheit (t(96) = 4.43, p < .01), Konformität (t(95) = 5.33, p < .01) und Tradition (t(97) = 3.18, p < .01) nicht verworfen werden kann. Die Interaktionsterme haben jeweils über den Haupteffekt hinaus Varianz erklärt. Analysen separat für den Intergroup Bias im Bezug auf muslimische (t(96) = 4.76, p < .01; Ά = .44 für Sicherheit; t(95) = 5.74, p < .01; Ά = .51 für Konformität; t(91) = 3.59, p < .01; Ά = .35 für Tradition) und jüdische Mitbürger (t(96) = 3.61, p < .01; Ά = .35 für Sicherheit; t(95) = 4.49, p < .01; Ά = .42 für Konformität; t(97) = 2.75, p < .01; Ά = .27 für Tradition) unterstützten diese Ergebnisse. Hypothese 4: Der Zusammenhang zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Ausprägung des Intergroup Bias wird durch die religiöse Einstellung einer Person moderiert. Auch die Überprüfung der letzten Hypothese erforderte eine Moderatoranalyse,
2 Der Zusammenhang zwischen externer Bedrohung und internen Prozessen
263
wie sie bereits im Vorfeld durchgeführt wurde. Die hierarchische Regression der Ausprägung des Intergroup Bias Allgemein auf den Interaktionsterm und erlebte Bedrohung führt zu dem Ergebnis, dass die Hypothese nicht verworfen wird. Der Interaktionsterm ist erneut ein signifikanter Prädiktor für die abhängige Variable (t(49) = 3.19, p < .01). Separate Moderatoranalysen für die abhängigen Variablen Intergroup Bias im Bezug auf muslimische (t(49) = 3.28, p < .01; Ά = .43) und im Bezug auf jüdische Mitbürger (t(49) = 3.18, p < .01; Ά = .42) bestärkten diesen Befund.
2.7 Diskussion Ziel dieser Arbeit war es, den Zusammenhang zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Abwertung von Outgroups zu analysieren. Empirische Befunde zu den Folgen von Terroranschlägen zeigen allerdings, dass dieses Phänomen um das der Aufwertung der Ingroup ergänzt werden muss. Somit wurde als abhängige Variable der Untersuchung die Ausprägung des Intergroup Bias betrachtet; einmal in Bezug auf Gruppen, die mit der Bedrohung in Verbindung gebracht werden – hier Muslime – und solche, die nicht mit der erlebten Bedrohung in Verbindung gebracht werden – hier Juden. Es kann gezeigt werden, dass Terrorismus als Bedrohung erlebt wird und eine stärker erlebte Bedrohung in Beziehung mit einer höheren Ausprägung des Intergroup Bias steht. Diese Untersuchung ergänzt Ansätze wie die Social Identity Theory (Tajfel & Turner, 1979) oder die ITT (Stephan et al., 1999) und zeigt, dass erlebte Bedrohung durch Terrorismus auch zu einer Abwertung von Outgroups führt, die nicht mit der erlebten Bedrohung in Verbindung gebracht werden. Die mittlere Ausprägung des Intergroup Bias gegenüber Juden war zwar sehr niedrig, allerdings signifikant von Null verschieden. Green und Waxman (1987) sprechen in Folge von Terroranschlägen von einem generellen Klima der Intoleranz, das sich auch auf Gruppen ausweitet, die primär nicht mit der eigentlichen Bedrohung in Verbindung gebracht werden. Allport (1958) erwähnt, dass Verlagerungen von Konflikten stattfinden, wenn der Wunsch nach Konfrontation mit einer Gruppe, die man als Ursache für diese Erregung sieht, nicht möglich ist. Nach dem Postulat 2 der Annahmen zu den Funktionen sozialer Konflikte (Coser, 1956) wird Unbehagen in Beziehungen nicht nur gegenüber der eigentlichen Quelle ausgedrückt, sondern auch stellvertretend auf andere Gruppen oder Personen übertragen. Das Paradigma der minimalen Gruppen (Brown, 2003) in ähnlicher Weise nimmt an, dass eine bloße Kategorisierung in Ingroup und Outgroup schon zur Intergruppendiskriminierung führt. Das sehr stabile Phänomen tritt auch ohne Interaktion oder Beziehung mit der Outgroup auf (Brown, 2003). Es besteht demnach die Möglichkeit, dass jüdische Mitbürger nur auf Grund dessen abgewertet werden, dass bei den Teilnehmern ein Kategorisierungsprozess stattfindet und „die Deutschen“ und „die Juden“ zwei verschiedene Kategorien repräsentieren und als solche wahrgenommen werden. Weiterhin soll festgehalten werden, dass die mittlere Ausprägungen der drei Konzeptionen des Intergroup Bias (Allgemein, gegenüber Muslime und gegenüber Juden) sehr niedrig ist. Da die Werte des Intergroup Bias als Mittelwert der beteiligten Konzepte gebildet wurden, sind verschiedene Interpretationen des Ergebnisses möglich. Einerseits könnte man von einer hohen
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VII Vorstudien und Vertiefungen
Toleranz und Vorurteilsfreiheit der beteiligten Teilnehmer ausgehen. Die Ingroup der Deutschen würde geringfügig aufgewertet und nationalistische Einstellungen wären sehr niedrig ausgeprägt. Ambivalente Einstellungen gegenüber der eigenen Nation sollten in der Stichprobe demnach vorhanden sein und Kontaktmöglichkeiten mit Fremdgruppen wahrgenommen werden (Rosenblatt, 1964). Zudem würden Mitglieder von Outgroups geringfügig abgewertet. Die Teilnehmer der Untersuchung sollten sowohl niedrige rassistische und fremdenfeindliche Einstellungen als auch geringe Ausprägungen der abwertenden „antiislamische(n) Einstellungen und Verhaltensweisen … Vorurteile und Hass gegenüber Muslimen“ (Heitmeyer, 2003, S. 101) aufweisen. Sekundärer Antisemitismus, im Sinne der Vorwürfe gegenüber Juden, dass sie die Ereignisse des Holocaust ausnutzen, sollte außerdem nur eingeschränkt vorliegen. Diese Ableitungen würde positiv bezüglich der Einstellungen Deutscher gegenüber Minderheiten und Outgroups stimmen. Allerdings können die Befunde auch auf Grund einer starken Aufwertung der eigenen Gruppe der Deutschen und einer sehr niedrigen bzw. nicht vorhandenen Abwertung der Outgroup zustande kommen. Dies wird als Ingroup Bias bezeichnet, der vom Intergroup Bias abzugrenzen ist, da sich die Einstellungen allein auf die eigene Gruppe beziehen. Die Frage, ob man stolz darauf sei, Deutsche(r) zu sein als erstes Item der Fragen zur Ingroup und Outgroups könnte Auslöser dieser Identifikation sein. Basiert die vorliegende Ausprägung des Intergroup Bias also auf diesen Überlegungen könnte sie als erster Schritt zur Entstehung von diskriminierenden Einstellungen und Verhaltensweisen verstanden werden. Die separate deskriptive Analyse der vier hier eingesetzten Elemente der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, die zur Operationalisierung der Outgroup-abwertenden Facette des Intergroup Bias eingesetzt wurden, ermöglicht eine tendenzielle Klärung dieser Interpretationsmöglichkeiten. Für die Elemente Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie, Rassismus und Antisemitismus zeigen sich sehr geringe Ausprägungen im unteren Bereich der sechsstufigen Skala. Deutet dies auf eine toleranter werdende deutsche Gesellschaft hin? Dieser Schluss wäre vorschnell. Vielmehr weist das Ergebnis und die mittlere bis leicht erhöhte Ausprägung des Nationalismus darauf hin, dass ein Übergangszustand zwischen dem Ingroup Bias und dem sich entwickelnden Intergroup Bias beschrieben wird – sich abwertende Einstellungen also langsam entwickeln. In Bezug auf die politische Orientierung einer Person wurde gezeigt, dass die Stärke des Zusammenhangs zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und der Ausprägung des Intergroup Bias von der Selbsteinordnung auf dem politischen Spektrum von ganz links bis ganz rechts beeinflusst wird. Die genaue Analyse der mittleren Ausprägungen der sechs möglichen Kategorien des politischen Spektrums, auf denen sich die Teilnehmer einordnen konnten, zeigt, dass es aber keinesfalls nur die wenigen Teilnehmer der rechten Orientierung sind, die eine hohe Ausprägung des Intergroup Bias aufweisen. Es sind vielmehr Personen, die sich der linken Mitte bzw. der rechten Mitte zuordnen und damit Attribute erfüllen, die oft stark rechts orientierten Personen zugeschrieben werden. Die qualitativen Auswertungen der Interviews bestätigen dies (Orlamünder, 2008). Diese Ergebnisse könnten mit einer zunehmenden Feindseligkeit der politischen Mitte zusammenhängen bzw. eine zunehmende Vermischung rechtsextremen Gedankengutes mit dem der politischen Mitte bedeuten (Heitmeyer, 2006).
2 Der Zusammenhang zwischen externer Bedrohung und internen Prozessen
265
Untersuchungen zum moderierenden Einfluss der Werteprioritäten bestätigen diesen für alle drei Wertetypen – Sicherheit, Konformität und Tradition. Die Integrated Threat Theory (Stephan et al., 1999) postuliert, dass neben realistischer Bedrohung, Intergruppenängstlichkeit und negativen Stereotypen auch symbolische Bedrohung zu negativen Einstellungen gegenüber Outgroups führt. Die symbolische Bedrohung verdeutlicht die Bedrohung zentraler Werte, Normen und Überzeugungen der eigenen Gruppe (Stephan et al., 1999). Eine stärkere persönliche Bedeutsamkeit verschiedener Werte könnte möglicherweise dazu führen, dass auch eine stärkere symbolische Bedrohung erlebt wird und damit die Ausprägung der negativen Einstellungen gegenüber Outgroups zunimmt. Eine stärkere Bedeutsamkeit der Wertetypen Sicherheit, Konformität und Tradition verringert außerdem die Bereitschaft sozialen Kontakt mit Outgroups aufzunehmen (Sagiv & Schwartz, 1995). Ein geringerer sozialer Kontakt zur Outgroup reduziert ein offenes Auseinandersetzen mit der anderen Gruppe und die Möglichkeit, Wissen über sie erlangen, was laut Stephan et al. (1999) mit einer stärkeren erlebten Bedrohung in Bezug auf alle vier Elemente der ITT und stärkeren negativen Einstellungen gegenüber der Outgroup einher geht. Als dritte moderierende Variable wurde der Einfluss religiöser Einstellungen überprüft. Eine stärkere Ausprägung der religiösen Einstellung geht mit stärker erlebter Bedrohung und einer stärkeren Ausprägung des Intergroup Bias einher. In dieser Untersuchung wurde religiöse Einstellung als moralische Selbstkontrolle operationalisiert. Damit wird ein bestimmter Aspekt von Religiosität fokussiert, der Einfluss auf Einstellungen und Verhaltensweisen nimmt. Eine Verbindung mit dem Konzept der sozialen Konformität ist möglich; so könnten Vorurteile bedingt werden, da gesellschaftliche Normen und Werte unkritisch angenommen werden (Eisinga et al., 1999). Die moralische Selbstkontrolle bezieht sich auf eine Selbststeuerung im Sinne internalisierter Normen bestimmter Gruppen bzw. Religionen, Gott oder einer höheren Wirklichkeit. Eine höhere Ausprägung des Intergroup Bias könnte Ausdruck einer stärkeren Betonung der von der Gruppe vorgegeben Handlungsnormen sein und eine Aufwertung der Ingroup sowie eine Abwertung von „unchristlichen“ Outgroups erwirken.
2.8 Implikationen und Hinweise für zukünftige Studien Die vorliegenden Ergebnisse geben Einblicke in mögliche Wirkmechanismen, die Vorurteilen und feindseligen Handlungen gegenüber der Outgroup zugrunde liegen können. Nur auf Basis dieses Verständnisses ist es möglich, Interventions- und Präventionsstrategien in Bezug auf diskriminierende Einstellungen und Verhaltensweisen zu entwickeln. Die hier dokumentierte Beziehung zwischen erlebter Bedrohung durch Terrorismus und einer Abwertung von muslimischen und jüdischen Mitbürgern kann als Ansatzpunkt für solche Strategien betrachtet werden. Eine differenzierte Informationspolitik und Aufklärung über bestimmte Outgroups und Minderheiten kann Bedrohung reduzieren, da mangelndes Wissen eine Voraussetzung für das Entstehen von symbolischer und realistischer Bedrohung, negativen Stereotypen und Intergruppenängstlichkeit ist (Stephan et al., 1999). Panagopoulos (2006) zeigt in seinen
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VII Vorstudien und Vertiefungen
Analysen nach dem 11. September 2001 in den USA, dass Amerikaner, die mehr über den Islam informiert waren, sich toleranter und sensibler gegenüber Muslime verhielten. Mit der Zeit nahm der Informationsfluss ab und eine höhere Vorsicht gegenüber Muslime stellte sich ein (Panagopoulos, 2006). Multicultural education Programme vermitteln Informationen über die Geschichte und Traditionen von Minderheiten und führen in Evaluierungsstudien zu einer Reduzierung von Vorurteilen (Taylor & Moghaddam, 1994). Die Folgen der seit dem letzten Jahrhundert verübten Terroranschläge sind auch im Moment noch nicht abzuschätzen. Neben ganz offensichtlichen weltpolitischen Veränderungen sind es auch intrapsychische Prozesse, die vom Terrorismus und seiner Bedrohung beeinflusst werden. Die hier vorgestellte Untersuchung zeigt, dass die wahrgenommene externe Bedrohung für die eigene Gruppe eine vereinigende Dynamik hat und als Sprungbrett dafür dienen kann, dass Gesellschaften grundlegende Werte wie Demokratie negieren. Verantwortung für die unbegreiflichen Geschehnisse des Terrorismus wird – um sie im Ansatz begreiflich zu machen – leicht gesamten Kulturen zugeschrieben und abwertende Vorurteile entstehen. Minderheiten in Deutschland erfahren die tiefgreifenden Konsequenzen dieser komplexen Prozesse tagtäglich, denn der „Glaube an Vorurteile gilt in der Welt als gesunder Menschenverstand“ (Helvétius, 2008; Internetquelle).
3
Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland. Spezifische Einstellungen unter dem Einfluss von Werthaltungen und generalisierten Einstellungen (Katharina Liborius und Daniel Geschke) 3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland Die Frage nach dem Umgang mit Terrorismus und die Suche nach geeigneten Gegenmaßnahmen gehören zu den „Daueraufträgen“ deutscher Regierungskreise, und das, obwohl sich bereits die realistische Einschätzung der tatsächlich gegebenen Bedrohung als äußerst schwierig gestaltet. Die tragenden Säulen bei der Bekämpfung von Terrorismus für die deutsche Regierung waren bislang (analog zum Vorgehen der US-amerikanischen BushRegierung) die Unterstützung militärischer Aktionen sowie diverse Maßnahmen zur „Erhöhung der Sicherheit“ – zum Schutz der einheimischen Bevölkerung selbstverständlich, und nur zu ihrem Besten. Aber spiegelt sich in solchen Entscheidungen tatsächlich die Meinung der Bewohner dieses Landes wider? Fühlen sich die Menschen in Deutschland von Terrorismus überhaupt bedroht bzw. fühlen sie sich so stark bedroht, dass sie selbst militärischen Einsätzen oder deren Unterstützung zustimmen? Wie viel Schutz brauchen Menschen, und geht Sicherheit auch dann noch „vor“, wenn darunter sowohl Privatsphäre als auch Bürgerrechte leiden? Wie sehr beeinflusst terroristische Bedrohung unseren Alltag und wie wird diese Bedrohung wahrgenommen – was ist an ihr „real“ und was von dienstund eilfertigen Medien „fabriziert“? Der Beantwortung dieser und weiterer Fragen widmete sich im Vorfeld der Jenaer TerrorismusStudie eine Diplomarbeit (Liborius, 2007), welche die Grundlage für dieses Kapitel bildet. Mittels einer Internet-Fragebogenuntersuchung sollte der Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland genauer beleuchtet werden. Es ging hierbei nicht nur darum, herauszufinden, ob die Menschen in Deutschland sich von Terrorismus bedroht fühlen, sondern vielmehr darum, wovon dieses Bedrohungsempfinden abhängig ist. Welchen
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
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Einfluss haben beispielsweise persönlichkeitsnahe Konstrukte wie Werthaltungen und Autoritarismus? Und kann die persönliche Bedrohtheit eines Menschen mit Hilfe medialer Einflüsse verändert oder gar manipuliert werden? Wie ausgeprägt sind themenbezogene Einstellungen zu Militarismus und staatlicher Kontrolle und welche Auswirkungen hat das auf spezifische Einstellungen zu verschiedenen Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung (z.B. Militäreinsätze oder „Sicherheitserhöhung“)?
3.1 Internationaler Terrorismus – Alte Strukturen in neuem Gewand? Der 11. September 2001 wird allgemein als Geburtsstunde einer neuen „Qualität“ von Terrorismus bezeichnet, aber bei genauerer Betrachtung handelt es sich um eine Mischung aus alten Elementen und neuen Organisations- und Technologieformen (Schoch, 2003). Die wohl augenfälligsten Merkmale der Terroranschläge der letzten Jahre sind vor allem das Steigen der Opferzahlen, die Zunahme von Selbstmordattentaten und die Austragung direkt unter den Augen der Weltöffentlichkeit. Es werden kaum mehr Unterschiede zwischen den Opfern gemacht und die größtmögliche Zerstörung wird zunehmend zum wichtigsten Anliegen (Laqueur, 2003). Damit werden Todesopfer bei terroristischen Aktionen nicht länger billigend als „Kollateralschaden“ in Kauf genommen, sondern sie sind Hauptteil einer höchst medienwirksamen Inszenierung. Die Terroristen nutzen dabei den Fakt, dass heute unter dem Druck des ständigen „Produzierenmüssens“ von Nachrichten journalistische Grenzen allzu eilfertig überschritten werden (Kunczik, 1998). Da die internationalen und speziell die westlichen Medien auf jegliche terroristische Aktivität so prompt und zuverlässig „anspringen“, lassen sie sich für terroristische Anliegen sehr gut (be-) nutzen, so dass eine fast symbiotisch anmutende Beziehung zwischen der Medienmaschinerie und terroristischen Netzwerken entstanden ist. Hirschmann (2004) identifizierte neben dieser gezielten Nutzung der Medien weitere Veränderungen des heutigen internationalen Terrorismus, u.a. seine Internationalisierung, die Verwendung vielfältigerer “Begründungen“, dezentrale und nicht-hierarchische Organisationsstrukturen sowie neue technische und strategische Durchführungsmöglichkeiten. Die eigentlichen „Erfolgsrezepte“ international operierender Terroristengruppen sind aber wohl vor allem ihre Lernfähigkeit, ihre Anpassungswilligkeit sowie die Ausbildung eigener Spezialisten, die Vernetzung von Informationen und der Transfer von Personen und Finanzen. Diese machen die raschen und überraschenden Aktionen überhaupt erst möglich (Elwert, 2003). So vielfältig die bisher debattierten politischen Maßnahmen gegen den Terrorismus auch sein mögen – besonders laut waren die Forderungen nach verstärkten Sicherheitsmaßnahmen108 und erhöhter Überwachung, ebenso wie die Rufe nach militärischen Interventionen. „Nationale Prävention“ und „internationale Kooperation“ sind zwei dieser
108
Natürlich kann es eine „absolute“ oder „totale“ Sicherheit im objektiven Sinne nicht geben. Wenn also im Folgenden von „mehr“ Sicherheit die Rede ist, sind sicherheitsverschärfende Maßnahmen (z.B. Erfassung biometrischer Daten oder öffentliche Videoüberwachung) gemeint, mit denen eine Annäherung an einen Zustand von mehr gefühlter Sicherheit angestrebt werden soll – nicht aber zwangsläufig auch wird.
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VII Vorstudien und Vertiefungen
neuen „politisch korrekten“ Zauberwörter, hinter denen sich zwei der heikelsten Fragen unserer Zeit verbergen109: 1
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Eignen sich militärische Interventionen und Vergeltungsschläge als Waffen gegen den internationalen Terrorismus – und vor allem: können wir die dabei entstehenden „Kollateralschäden“ mit unserem Gewissen vereinbaren? Wie viel Sicherheit brauchen wir – und was sind wir bereit, dafür zu opfern?
Die Frage ist längst nicht mehr nur, was möglich ist oder was wir tun können, sondern vor allem, was wir tun dürfen, um den Terrorismus zu bekämpfen, der allzu oft als willkommenes Alibi für alle möglichen anderen Interessen herhalten muss. Militärische Interventionen als Antwort auf Terrorismus? Die Nutzung von militärischen Einsätzen zur Verfolgung internationaler Terroristen hat die Welt fast genauso in Aufruhr versetzt wie die terroristischen Anschläge, die als ihr Auslöser ausgegeben werden, selbst. Von entscheidender Bedeutung für die Legitimation oder Nichtlegitimation von militärischen Aktionen ist die jeweils benutzte Definition von Terrorismus. Die Bush-Regierung beispielsweise definierte Terrorismus nicht primär als kriminelle Machenschaften, sondern als „Krieg ohne Fronten“ (vgl. auch Hoffman, 2002) und profitierte dabei von einer seit Mitte des 20. Jahrhunderts zu beobachtenden Entwicklung, in der „klassische“ zwischenstaatliche Kriege zunehmend durch innerstaatliche und asymmetrischen Kriege abgelöst werden. Da selbst führende Militärexperten die Meinung vertreten, dass man ab einer gewissen Größenordnung von terroristischen Anschläge nicht länger von organisierter Kriminalität, sondern von einer politisch-militärischen Strategie zu sprechen hat (Münkler, 2002), erscheint es in bizarrer Weise sogar fast „legitim“, dass die westlichen Länder einen Krieg gegen die sogenannte „Achse des Bösen“ führen, obwohl der Gegner de facto gar keinen eigenen Staat bewohnt. Anschläge wie auf das World Trade Center sind (in dieser Sichtweise) Kriegserklärung genug, und in Ermangelung eines offiziellen staatlichen Gegners werden jene unter Beschuss genommen, die angeblichen oder tatsächlichen Terroristen Unterschlupf gewähren, die sogenannten „Schurkenstaaten“. Dabei bleibt unbeachtet, dass es sich bei selbigen oft um Staaten handelt, deren staatliche Ordnung nach zum Teil verheerenden Bürgerkriegen weitgehend zerstört ist (Münkler, 2001, zit. in Schoch, 2003). Wer terroristische Anschläge als Kriegserklärung auffasst, ignoriert, dass terroristischen Gewalthandlungen in der Regel jegliche politische Legitimität abgesprochen werden sollte (Münkler, 2002, 2003). Durch die „Anerkennung“ von Terroristen als akzeptierte und „gleichwertige“ Kriegsgegner erhebt man diese in eine
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Auf alternative Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Schoch (2003) gibt zu bedenken, dass es die Strategie gegen Terrorismus vielleicht gar nicht gibt, sondern dass nur eine Kombination verschiedener längerfristig angelegter Maßnahmen den Terrorismus eindämmen kann. Solche längerfristig angelegten Maßnahmen könnten die Bekämpfung von Konfliktursachen, politischer und wirtschaftlicher Dialog, entwicklungspolitische, kriminalistische und polizeiliche Maßnahmen sowie die Ächtung von Doppelmoral durch den Aufbau einer internationalen Rechtsordnung sein.
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
269
politische Position, die ihnen niemals zustehen sollte und rennt gleichzeitig genau in jene Falle, die gewaltbereite Terroristen dem Westen stellen (Schoch, 2003). Neue Sicherheitserfordernisse oder Legitimierung von Überwachung? Jede Gesellschaft ist verwundbar – durch militärische Gewalt, wirtschaftlichen und politischen Druck, Zerfall von innen und eben auch durch Terrorismus. Die Verletzlichkeit moderner Gesellschaften steigt durch ihre Abhängigkeit von Technik und moderner Kommunikation sogar immer weiter an. Auch eine gute Sicherheitspolitik kann keine universelle Sicherheit bieten, sondern lediglich nach Wegen suchen, den Grad der Verwundbarkeit zu reduzieren (Dettke, 2004). Die Sicherheit eines Staates umfasst sowohl Aspekte der inneren (Schutz der Bevölkerung vor krimineller Handlungen), als auch der äußeren Sicherheit (Verteidigung des Staates nach außen). Spätestens seit dem 11. September 2001 bröckelt die bis dahin relativ klare Grenze zwischen äußerer und innerer Sicherheit (Bisanz und Gerstenberg, 2003) – und die klassische Sicherheitspolitik ist weder theoretisch noch praktisch auf diese neuen Bedrohungssituation eingestellt (Dettke, 2004). Viele der übertrieben oder überstürzt anmutenden Maßnahmen, mit denen Sicherheitslecks geschlossen werden sollen, sind vielleicht Ausdruck gerade dieser Hilflosigkeit. Was aber sollen die Staaten gegen die Bedrohung von Sicherheit und gesellschaftlicher Werte unternehmen? Reicht es aus, kritische Infrastrukturen zu schützen, gegen Geldwäsche vorzugehen, einen europäischen Haftbefehl oder fälschungssichere Ausweise einzuführen – oder brauchen wir auch Rasterfahndung, Fingerabdrücke im Pass und Änderungen des Grundgesetzes? Der Begriff „Sicherheit“ bedarf einer Neudefinition, da man nicht mehr von einem domestizierten Terrorismus ausgehen kann (Tophoven, 2003), der die westliche Welt nichts angeht. Es kann niemand mehr leugnen, dass es auch in Deutschland gewaltbereite terroristische Kräfte gibt oder es theoretisch auch als Zielland für Terrorismus in Frage kommen könnte. Aber ist das allein schon Grund genug, dass jeder Bürger ausspioniert werden darf, jede Bankbewegung einzusehen ist und nicht einmal die Festplatte des heimischen Computers künftig noch privat sein soll? Bekommt hier eine ganze Nation eine Behandlung verschrieben, die noch vor wenigen Jahren nur Schwerstkriminellen vorbehalten war? Das legitime Ziel der Sicherheitspolitik eines Staates sollte es doch sein, Maßnahmen gezielt auf Terroristen zu richten und die Bevölkerung und die Infrastruktur vor Anschlägen zu schützen – mit den demokratischen Mitteln und im Sinne von Bürger- und Menschenrechten unter ständiger Abwägung der ausgewogenen Balance zwischen Sicherheit und Freiheit.
3.2 Fragestellungen, theoretischer Hintergrund, Hypothesen Ausgehend von diesen Vorüberlegungen gab es vier vorrangige Ziele der hier beschriebenen Untersuchung. Zum einen sollten in der deutschen Bevölkerung Einstellungen zu verschiedenen Maßnahmen gegen den Terrorismus erfasst, zweitens aber auch festgestellt werden, welchen Einfluss individuelle Merkmale der Befragten, wie zum Beispiel Werthaltungen oder Autoritarismus, auf die Befürwortung dieser Maßnahmen haben. Drittens war von Interesse, ob und wie stark die Befragten Terrorismus überhaupt als
270
VII Vorstudien und Vertiefungen
weltweite Bedrohung auffassen. Eine zusätzliche Fragestellung sollte prüfen, ob das Ausmaß der wahrgenommenen terroristischen Bedrohung medial beeinflussbar ist. Da Konstrukte, wie Werthaltungen und Autoritarismus, selbst innerhalb der Psychologie nicht einheitlich verwendet werden, sind an dieser Stelle einige theoretische Vorüberlegungen sowie die Verständigung über einige Grundannahmen notwendig (vgl. Abbildung 7.7 für einen schematischen Überblick). Die moderne Sozialforschung beschäftigt sich intensiv mit dem Einfluss von Werthaltungen und Einstellungen auf das Verhalten; aber auch mit deren Abgrenzung zu anderen Konstrukten, wie zum Beispiel zu überdauernden Persönlichkeitseigenschaften. Einstellungen werden auf Grundlage von relativ stabilen Dispositionen gebildet und im Verlauf von sozialen Lern- und Orientierungsprozessen von Eltern, Freunden und aus dem sozialen Umfeld übernommen. Persönlichkeitsmerkmale dagegen sind (im Vergleich zu Einstellungen) abstraktere Einheiten, von denen man weit weniger Einfluss auf konkretes Verhalten erwarten kann als von Einstellungen selbst (Six, 1997). Obwohl Einstellungen nicht mit Persönlichkeitseigenschaften identisch sind, können sie aber doch mehr oder weniger persönlichkeitsnah sein. Nach Six (1996) unterscheiden sich sogenannte generalisierte Einstellungen von spezifischen Einstellungen. Generalisierte Einstellungen sind danach relativ stabil und persönlichkeitsnah, aber wiederum nicht so nah, als dass man sie als überdauernde Persönlichkeitseigenschaften bezeichnen könnte (Funke, 2002, vgl. auch Six et al., 2001). In der beschriebenen Untersuchung wurde das Konstrukt Autoritarismus als eine solche generalisierte Einstellung aufgefasst, während z.B. die konkrete Meinung zu Militäreinsätzen als spezifische Einstellung angesehen wird. Werthaltungen gelten dagegen als eine Grundlage individuellen Handelns, ohne die ein gesellschaftliches Miteinander nur schwer vorstellbar wäre, ohne die man weder wüsste, an welchen Konventionen man sich orientieren soll, noch welche Normen und Werte dem Verhalten von anderen zugrunde lägen. Werthaltungen liefern dem Individuum Orientierungsrichtlinien für persönliches und individuelles Verhalten und der Gesellschaft Ordnungsfaktoren, die das Zusammenleben regeln (Dunker, 1998). Das Verhältnis von Werthaltungen zu Einstellungen ist nicht gänzlich klar, aber viele Autoren sehen Werthaltungen als subjektive Instanzen an, die Einstellungen übergeordnet sind und diese in ein einheitliches System integrieren (u.a. Schlöder, 1993). Werthaltungen sind somit stabiler als Einstellungen (Dunker, 1998) und durch ihre persönlichkeitsnahe Stellung als persönliche Dispositionen zu verstehen, die mit Überzeugungen, Vorlieben und Interessen verwandt, aber nicht identisch sind. Der Zusammenhang zwischen Werthaltungen und Einstellungen ist am Beispiel des Autoritarismus bereits mehrfach näher untersucht worden110, wobei sich für Messung der Werthaltungen u.a. die Wertedimensionen 110
Altemeyer (1988, 1998) stellte fest, dass sich der bestehende Zusammenhang von autoritären Einstellungen und Kontrolle in den Werthaltungen ausdrückt. Die von ihm gefundenen positiven Zusammenhänge von Autoritarismus zu den Wertedimensionen Sicherheit, Konformität und Traditionalismus konnte von u.a. durch Duriez und Van Hiel (2002) bestätigt werden. Frindte et al. (1997) fanden darüber hinaus auch eine Verbindung zwischen Autoritarismus und der Wertedimension Macht. Autoritarismus scheint in positiver Beziehung zu Bewahrungswerten zu stehen, was sich vor allem mit seinem Bezug zu Normen und Traditionen erklärt (Lippa und Arad, 1999). In einer Studie zu den Folgen des 11. September 2001 untersuchten Cohrs et al. (2005c) psychologische Determinanten der Einstellungen zu Militarismus. Nach ihren Ergebnissen scheinen Bewahrungswerte auch mit erhöhter Akzeptanz von Militarismus zusammenzuhängen.
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
271
nach Schwartz et al. (1992) bewährt haben. Aufgrund der bereits vorliegenden Befunde wurde auf eine erneute Untersuchung dieses konkreten Zusammenhanges verzichtet und Werthaltungen und Autoritarismus wegen ihrer Persönlichkeitsnähe vereinfachend als grundlegende und relativ stabile Konstruktgruppe aufgefasst (siehe Abbildung 7.7), ohne ihre Beziehung zueinander weiter zu differenzieren.
Abbildung 7.7: Vereinfachte Hierarchie von Werthaltungen und verschiedenen Einstellungen
Als nachgeordnet zu dieser persönlichkeitsnahen Konstruktgruppe werden themenbezogene und spezifische Einstellungen verstanden. Die Einstellungen zu Militarismus und staatlicher Kontrolle werden als themenbezogene Einstellungen definiert, die Einstellungen zu den Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus dagegen als spezifische Einstellungen, die erst durch die Einschätzung der konkreten Situation (in diesem Fall die wahrgenommene Bedrohung durch Terrorismus in Deutschland) angestoßen werden. Da zudem von Interesse war, ob sich diese wahrgenommene terroristische Bedrohung gezielt durch Medienbeiträge beeinflussen lässt, wurde den Studienteilnehmern als experimentelle Bedingung ein manipulativer Text zufällig zugewiesen, der entweder die Gefährlichkeit von Terrorismus betonen oder aber als Panikmache der Medien herunterspielen sollte. Der manipulative Text wird im Folgenden als Bedrohungssalienz bezeichnet und trotz seiner experimentellen Sonderstellung im sonst eher explorativ gehaltenen KorrelationsDesign der Studie in eine Reihe von Berechnungen mit einbezogen. Die persönlichkeitsnahen Konstrukte Werthaltungen und Autoritarismus, das Geschlecht und die Bedrohungssalienz fungieren im hypothetischen Modell als unabhängige Variablen und damit direkt oder indirekt als Prädiktoren der abhängigen Variable „Befürwortung von Maßnahmen gegen Terrorismus“. Als mögliche vermittelnde Variablen (Mediatoren) wurden die themenbezogenen Einstellungen zu Militarismus bzw. staatlicher Kontrolle sowie die wahrgenommene Bedrohung in das Modell integriert (siehe Abbildung 7.8).
272
VII Vorstudien und Vertiefungen
Abbildung 7.8: Modell der untersuchten Variablen und ihrer Beziehungen untereinander
Für die Befürwortung von Maßnahmen gegen Terrorismus (spezifische Einstellungen) wurde aufgrund von bisherigen Befunden vermutet (z.B. Cohrs et al., 2003), dass Werthaltungen und/oder Autoritarismus diese spezifischen Einstellungen (eventuell mediiert durch die wahrgenommene Bedrohung und die themenbezogene Einstellungen zu Militarismus und staatliche Kontrolle) beeinflussen. Der ebenfalls erwartete direkte Einfluss von Werthaltungen auf die wahrgenommene terroristische Bedrohung konnte bereits in anderen Studien (vgl. z.B. Frink et al., 2004; Goodwin et al., 2005) gefunden werden. Bei der Befürwortung von Militäreinsätzen als eine Form antiterroristischer Maßnahmen wird ein prädiktiver Einfluss der Wertedimensionen Macht und Leistung erwartet (analog zu dem von Cohrs et al., 2005c, gefundenen Einfluss von Einstellungen auf Militarismus), bei der Befürwortung von Sicherheitserhöhung dagegen eher der Einfluss der Dimensionen Tradition, Konformität und Sicherheit, die vor allem mit Autoritarismus in Verbindung stehen und die Unterordnungsbereitschaft und das erhöhte Sicherheitsbedürfnis von Menschen mit hohen Autoritarismuswerten erklären könnten. Altemeyer wies bereits 1988 eine kausale Beziehung zwischen sozialer Bedrohung und Autoritarismus nach und beschrieb autoritäre Personen als vorurteilsbehaftet und intolerant mit einer generellen Feindseligkeit, die sich in einer erhöhten Bereitschaft zur Bestrafung von Abweichlern äußern kann. Autoritäre Personen glauben, dass die eigene Lebensweise der sozialen Norm entspricht und gleichsam für alle Gültigkeit besitzen sollte. Oesterreich (z.B. 1993, 1996, 2000) interpretierte die autoritäre Reaktion als normale Antwort auf jene Bedrohungen, die die Bewältigungsstrategien einer Person überfordern. Wenn solche Schutzmechanismen im Laufe des Lebens nicht in ausreichendem Maße herausgebildet werden, verfestigt sich die autoritäre Reaktion und die Person ist in vielen (nicht nur in stark bedrohlichen) Situationen auf die Hilfe und den Schutz von Autoritäten angewiesen, denen sie sich dann bereitwillig unterordnet. Allerdings hängt die Reaktion auf eine Bedrohung in hohem Maße von der zu bewältigenden Situation ab, denn wenn diese zu bedrohlich ist, kann auch eine eigentlich nicht autoritäre Person eine autoritäre Reaktion zeigen (Oestereich, 2000). Wenn keine Autoritäten zur Verfügung stehen, halten hoch autoritäre Personen besonders rigide an
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
273
ihren Normen, Werten und Denkmustern fest (Oesterreich, 2000; vgl. auch Duckitt, 1994; Feldman, 2000). Vermutlich gehen hohe Ausprägungen von Autoritarismus generell mit hoher wahrgenommener Bedrohung einher, denn Doty et al. (1991) fanden, dass sich in Zeiten hoher wahrgenommener Bedrohung auch autoritären Verhaltensweisen von Personen mit nur mittlerer und niedriger Ausprägung auf der Autoritarismusskala zu erhöhen scheinen (sogenannte „situationale autoritäre Persönlichkeiten“). Im Weltbild von Personen mit autoritärer Prädisposition dürfte die Gefahr von terroristischen Angriffen als extrem bedrohlich erlebt werden. Deshalb wird erwartet, dass Personen mit hohen Autoritarismuswerten auch höhere Werte bei der wahrgenommenen Bedrohung aufweisen. Die Reaktion auf diese Situation sollte sich bei hoch autoritären Menschen auch in der verstärkten Befürwortung von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung widerspiegeln, was als klassische autoritäre Reaktion nach Oesterreich (Flucht in die Sicherheit von Autoritäten) oder als Wunsch nach Wiederherstellung der normativen, sicheren Welt interpretiert werden kann (Duckitt, 2002). Daher wird von autoritären Untersuchungsteilnehmern eine verstärkte Zustimmung zu geplanten Sicherheitserhöhungen erwartet, selbst wenn diese Maßnahmen nur durch Abbau von Bürgerrechten zu erreichen sind (vgl. Cohrs et al., 2005c). Auch in Bezug auf Militäreinsätze sollten sich höhere Zustimmungswerte finden lassen – einmal, weil autoritäre Menschen bestrebt sind, ihre Sicherheit wieder herzustellen und andererseits, weil sie nach den theoretischen Ansätzen von Duckitt (1989) oder Stellmacher (2004) Terroristen als eine ihre Sicherheit und ihre Weltsicht bedrohende Gruppe auffassen, gegen die ein Militäreinsatz ein akzeptables Mittel sein könnte. Selbst bei Personen mit niedrigen Autoritarismuswerten wird erwartet, dass sie Maßnahmen wie Militäreinsätzen oder Sicherheitserhöhung eher zustimmen, wenn sie sich bedroht fühlen. Vor allem nationale Bedrohung kann nach Huddy et al. (2002) zu einer erhöhten Unterstützung jener Politik führen, von der man sich die Wahrung von Recht und Ordnung verspricht (Sears et al., 1980; Smith et al., 2001; Huddy et al., 2005). Dies ist aber keine einheitliche Reaktion, denn während manche Menschen zu einer erhöhten Unterstützung von militärisch-politischen Aktionen neigen (Gordon und Arian, 2001), verweigern sich andere der Billigung einer solchen Politik. Doty et al. (1991) konnte beobachten, dass manche Menschen, wenn sie sich bedroht fühlen, dazu bereit waren, auf grundlegende Bürgerrechte zu verzichten – wenn sie sich davon einen Effekt auf die Abwendung der Bedrohungen versprachen (was auch verschiedenen Ergebnissen aus der Autoritarismusforschung entspricht). Ein weiterer, eher explorativer, Teil dieser Untersuchung betrifft mögliche Geschlechtsunterschiede bei der Wahrnehmung und Bewertung der Bedrohung durch Terrorismus und bei der Präferenz antiterroristischer Maßnahmen. Zusammenfassende Darstellung der wichtigsten Hypothesen (vgl. Abbildung 7.8) Hypothese 1 (Generalhypothese): Werthaltungen und/oder Autoritarismus beeinflussen die Befürwortung von Militäreinsätzen und Sicherheitserhöhung als Maßnahmen gegen Terrorismus, mediiert durch die wahrgenommene Bedrohung und durch die themenbezogenen Einstellungen zu Militarismus (wenn es um Militäreinsätze geht) und staatlicher Kontrolle (bei Zustimmung bzw. Ablehnung von Sicherheitserhöhung).
274
VII Vorstudien und Vertiefungen
Hypothese 1a: Die Werthaltungen Macht, Leistung, Tradition, Konformität, Sicherheit und/oder Autoritarismus beeinflussen die Befürwortung von Militäreinsätzen zur Bekämpfung von Terrorismus – mediiert durch die wahrgenommene Bedrohung und die themenbezogene Einstellung zu Militarismus. Hypothese 1b: Die Werthaltungen Tradition, Konformität, Sicherheit und/oder Autoritarismus beeinflussen die Befürwortung von Sicherheitserhöhung zur Bekämpfung von Terrorismus – mediiert durch die wahrgenommene Bedrohung und die themenbezogene Einstellung zu staatlicher Kontrolle. Hypothese 2: Personen mit hohen Autoritarismusausprägungen neigen zu einer intensivierten Wahrnehmung externer Bedrohung und haben damit auch höhere Werte bei der wahrgenommenen Bedrohung. Hypothese 3: Eine erhöhte Ausprägung des Autoritarismus hat auch Einfluss auf die Art der Maßnahmen, die zur Bekämpfung von Terrorismus für sinnvoll erachtet werden, und führt zu verstärkter Befürwortung von Militäreinsätzen und/oder Sicherheitsmaßnahmen. Hypothese 4: Die wahrgenommene Bedrohung ist medial beeinflussbar, d.h. die wahrgenommene Bedrohung sollte bei der Manipulationsbedingung „Bedrohung“ höher ausfallen als bei der Manipulationsbedingung „Skepsis gegenüber Bedrohung“. Hypothese 5: Eine erhöhte wahrgenommene Bedrohung bewirkt verstärkte Zustimmung zu Maßnahmen gegen Terrorismus wie Militäreinsätze und/oder Sicherheitserhöhung. Die folgenden Ausführungen widmen sich ausführlich der methodischen Umsetzung und den umfangreichen statistischen Prüfungen. Leserinnen und Leser, die mit den z.T. sehr spezifischen statistischen Prüfverfahren wenig vertraut und eher an den Ergebnissen und ihren Interpretationen interessiert sind, bitten wir, die Lektüre im Abschnitt 3.5. fortzusetzen.
3.3 Methodische Umsetzung 3.3.1 Struktur des Fragebogens und Untersuchungsverlauf Zur Überprüfung der Hypothesen wurde ein Online-Fragebogen111 mit insgesamt 137 Items zur Erfassung aller interessierenden Variablen erstellt, der in einen allgemeinen und einen speziellen Block untergliedert wurde. Der allgemeine Teil des Fragebogens erfragte zunächst Werthaltungen, Autoritarismus, die themenbezogene Einstellungen zu Militarismus und staatlicher Kontrolle sowie eine Einschätzung der weltweit größten Bedrohungen – noch bevor in den Instruktionen und Items das eigentliche Untersuchungsgebiet (Terrorismus, dessen Bedrohlichkeit und mögliche Abwehrmaßnahmen) direkt angesprochen wurde. Nach dem Ausfüllen des ersten Teils bekam jeder Untersuchungsteilnehmer als experimentelle Bedingung einen von zwei manipulativen Texten nach dem Zufallsprinzip zugewiesen, um deren Wirkung auf die wahrgenommene Bedrohung zu prüfen. Die aus
111
Für das Design und die Gesamtstruktur des Fragebogens siehe Liborius (2007). Dort kann auch der genaue Wortlaut aller Items und Instruktionen eingesehen werden.
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
275
verschiedenen Nachrichtenmedien und Experteninterviews zusammengestellten Kurzartikel zum Thema „Terrorismus“ thematisierten zwei konträre Sichtweisen112 terroristischer Anschläge, welche entweder die Bedrohlichkeit des Terrorismus oder Skepsis gegenüber dieser Bedrohlichkeit zum Inhalt hatten. Erst nach diesem Text wurden in einem zweiten Variablenblock die Versuchspersonen speziell zu der wahrgenommenen terroristischen Bedrohung und sinnvollen bzw. wirksamen Maßnahmen gegen Terrorismus befragt113 sowie eine Reihe demografischer Daten erhoben. Alle Items und Skalen des Fragebogens wurden auf ihre Güte und damit auf ihre Aussagekraft für die jeweiligen Konstrukte sowie auf ihre Faktorstruktur überprüft. Items mit geringer inhaltlicher Passfähigkeit oder ungenügenden statistischer Gütekriterien wurden entfernt (vgl. Liborius, 2007) und die verbliebenen zu reliablen Skalen zusammengefasst, welche die Grundlage weiterer Auswertungsschritte bildeten (siehe Abschnitt 3.3.2.). Die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgte durch den Verweis auf die Webseite des Fragebogens durch Emails und Handzettel, womit von Dezember 2006 bis März 2007 insgesamt N = 314 Versuchspersonen gewonnen werden konnten.
3.3.2 Skalen des Untersuchungsinstrumentes Skala 1: „Portrait Value Questionaire“ (PVQ) nach Schwartz Zu Erfassung der grundlegenden Werthaltungen wurde das „Portrait Value Questionaire“ von Schwartz (1992, 2001) in der leicht modifizierten deutschen Fassung von Cohrs et al. (2003) verwendet. Mit dem 40 Items umfassenden Inventar lassen sich mittels zehn grundlegender Werttypen menschliche Werthaltungen erfragen (siehe Tabelle 7.3). Diese und alle anderen Items wurden (wenn nicht anders beschrieben) mittels einer sechs-stufigen Likert-Skala erhoben (Minimum = 1, Maximum = 6). Skala 2: Themenbezogene Einstellungen zu Militarismus (2a) und staatlicher Kontrolle (2b) Zur Erfassung von Einstellungen zum Militarismus kamen sechs Items von Cohrs et al. (2003; 2004) zum Einsatz. Die Subskala zur Erfragung der Einstellungen zu staatlicher Kontrolle wurde strukturell ähnlich aufgebaut und thematisierte in sechs Items u.a. staatliche Überwachung oder die Beschneidung von Bürgerrechten und persönlicher Freiheit. Da sich die erwarteten zwei Faktoren klar extrahieren ließen, wurden die reliablen 112
113
Die Manipulationsbedingung „Bedrohung“ wurde mit der Schlagzeile „Terroranschläge auch bald in Deutschland – fühlen wir uns einfach zu sicher?“ überschrieben und berichtete über die Opferzahlen der schlimmsten Terroranschläge vergangener Jahre, den Fund der Kofferbomben auf deutschen Bahnhöfen und die darauf folgenden Warnungen aus deutschen Politikerkreisen. Der zweite bedrohungs-skeptische Text („Wird die Terrorismusgefahr seit Jahren systematisch überschätzt?“) stellte den Terrorismus, trotz aller verursachten Schäden und Opfer, eher als das Werk einer kleinen Handvoll Extremisten dar, und schätzte einen Großteil der heutzutage für nötig gehaltenen Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung als Panikmache oder anderen Zielen geschuldet ein. Die Items des speziellen Teiles wurden eigens für diese Befragung erstellt, wobei inhaltliche und thematische Anregungen aus Untersuchung von Cohrs et al. (z.B. 2005c) und Niketta (2002) sowie im Internet veröffentlichten Umfragen des Allensbacher Institutes (http://www.ifd-allensbach.de) und des österreichischen Umfrageunternehmens Oekonsult (http://www.oekonsult.at) stammen.
276
VII Vorstudien und Vertiefungen
Skalen „Themenbezogene Einstellung zu Militarismus“ (Skala 2a) und „Themenbezogene Einstellung zu staatlicher Kontrolle“ (Skala 2b) gebildet. Skala 3: Autoritarismusskala nach Funke Zur Erfassung von rechtsgerichtetem Autoritarismus wurde die von Funke (2003) vorgelegte Überarbeitung der RWA-Skala von Altemeyer (1996, 1998) eingesetzt. Diese Neufassung soll die drei von Altemeyer postulierten Autoritarismusdimensionen (autoritäre Aggression, autoritäre Submission, Konventionalismus) getrennt voneinander erfassen und darüber hinaus Autoritarismus aber auch als eindimensional im Sinne eines übergeordneten Faktors messen können. Die RWA3D- Skala besteht aus 12 Items, wobei jede der drei Subdimensionen mit vier Items vertreten ist (vgl. auch Kapitel V). Da sich die erwartete drei-faktorielle Lösung mit den vorliegenden Daten nicht eindeutig darstellen ließ, wird Autoritarismus wird im Folgenden als eindimensionaler Generalfaktor betrachtet. Skala 4: Wahrgenommene terroristische Bedrohung Die Skala wurde entwickelt, um die von den Teilnehmern empfundene Bedrohung durch Terrorismus zu messen. Von den ursprünglichen zehn Items verblieben nach Item- und Skalenanalyse letztlich acht Items, die alle auf einen Faktor laden und zu einer reliablen Skala zusammengefasst. Skala 5: Befürwortung allgemeiner Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung Die speziellen Einstellungen zu Maßnahmen gegen Terrorismus stellten einen besonderen Schwerpunkt der Untersuchung dar. Die Meinungen zu den Maßnahmen Militäreinsätze und Sicherheitserhöhung wurden auf indirektem Wege über die Zustimmung bzw. Ablehnung von verschiedenen vorgegebenen Aussagen erhoben. Nach faktorenanalytischen Berechnungen konnten die beiden Faktoren Militäreinsätze und Sicherheitserhöhung gefunden werden.
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
277
Tabelle 7.3: Kennwerte der gebildeten Skalen mit einer Darstellung der Anzahl der Items (Itemzahl), den Skalenreliablitäten (Cronbachs ΅), den Skalenmittelwerten (M) sowie den Standardabweichungen (SD). Itemzahl
΅
M
SD
Skala 1a
Wertdimension Macht
3
.67
3.00
.96
Skala 1b
Wertdimension Leistung
4
.84
3,69
1.03
Skala 1c
Wertdimension Hedonismus
3
.75
4.13
.90
Skala 1d
Wertdimension Stimulation
3
.72
3.34
.96
Skala 1e
Wertdimension Selbstbestimmung
4
.57
4.79
.67
Skala 1f
Wertdimension Universalismus
6
.76
4.58
.72
Skala 1g
Wertdimension Wohltätigkeit
4
.66
4.60
.69
Skala 1h
Wertdimension Tradition
4
.44
3.00
.81
Skala 1i
Wertdimension Konformität
4
.66
3.53
.86
Skala 1k
Wertdimension Sicherheit
5
.68
3.79
.84
Skala 2a
Themenbezogene Einstellungen zu Militarismus
6
.80
2.65
.93
Skala 2b
Themenbezogene Einstellungen zu staatlicher Kontrolle
6
.77
2.26
.82
Skala 3
Autoritarismus
12
.80
2.84
.71
Skala 4
Wahrgenommene terroristische Bedrohung
8
.88
2.92
.92
Skala 5a
Befürwortung von Militäreinsätzen zur Terrorismusbekämpfung
7
.85
2.77
.84
Skala 5b
Befürwortung von Sicherheitserhöhung zur Terrorismusbekämpfung
6
.86
2.99
.92
3.4 Darstellung der Untersuchungsergebnisse Der folgende Abschnitt widmet sich der Darstellung zentraler Befunde. Nach einer Beschreibung der Stichprobe und der Vorstellung deskriptiver Ergebnisse gilt der Überprüfung der aus den theoretischen Vorüberlegungen und Fragestellungen formulierten Hypothesen das Hauptaugenmerk. Nach der Beschreibung korrelativer Zusammenhänge zwischen den Variablen erfolgte die Überprüfung der Generalhypothese (Hypothese 1) mittels explorativer Regressionsanalysen114. Anschließend werden die postulierten vermittelnden Prozesse (Mediationen) ebenfalls innerhalb eines Regressionsansatzes geprüft. Für
114
Dieses Verfahren kann zwar zur Untersuchung von speziellen Zusammenhängen zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen eingesetzt werden, die Ergebnisse sind aber keineswegs als Beweise für Kausalzusammenhänge aufzufassen, da auch Regressionsanalysen im Grunde nur Korrelationen anzeigen. Eine statistische Überprüfung des Gesamtmodells mittels Strukturgleichungsmodellen ist wegen der hohen Anzahl von Variablen und möglicher Zusammenhängen bei der vorliegenden Stichprobengröße nicht gut möglich.
278
VII Vorstudien und Vertiefungen
die Testung der restlichen Hypothesen (2-5) wurden univariate Varianzanalysen115 (ANOVAs) durchgeführt.
3.4.1 Beschreibung der Stichprobe Nach dem Ausschluss von unvollständig ausgefüllten Fragebögen konnten letztendlich 305 Datensätze in die statistische Analyse mit einbezogen werden. Von den Teilnehmern wurde 146 (47.2%) die bedrohliche Fragebogen-Version und 159 (52.1%) die eher bedrohungsskeptische Version dargeboten. Die Alterspanne der untersuchten Stichprobe (16 bis 73 Jahre; Mittelwert 30.8) war relativ groß. Die Alterskurve bildete sich erwartungsgemäß in einer rechtsschiefen Verteilung ab. Mit 155 (50.8%) weiblichen und 145 (47.5%) männlichen Teilnehmern wies die Stichprobe eine ausgewogene Geschlechterverteilung auf. Die Betrachtung der Wohnorte zeigte eine Konzentration auf den städtischen Raum Mitteldeutschlands. Bei den Teilnehmern handelte es sich um eine überdurchschnittlich gebildete Stichprobe mit einer großen Anzahl von Abiturienten, Hochschulabsolventen und Promovierten. Zum Untersuchungszeitpunkt waren 127 Befragungsteilnehmer (41.6%) an einer Universität, Hoch- oder Fachhochschule eingeschrieben.
3.4.2 Deskriptive Analyse der Skalen und Einzelitems Bei der Betrachtung der deskriptiven Statistiken (siehe Tabelle 7.3) fallen bei den Werthaltungen vor allem die hohen Mittelwerte der Dimensionen Hedonismus, Selbstbestimmung, Universalismus und Wohltätigkeit auf. Zusammen mit dem ebenfalls leicht erhöhten Mittelwert von Leistung kann das als Charakteristik einer selbstbewussten und leistungsorientiertes Bildungsstichprobe gelten, für die Offenheit und Universalismus typisch sind. Überraschenderweise kommt auch den Wertedimensionen Sicherheit und Konformität offenbar keine ganz geringe Bedeutung zu. Die Ausprägungen für den Autoritarismus (M = 2.84) sind in der befragten Stichprobe erwartungsgemäß relativ niedrig. Gerade bei Autoritarismus werden (wenn es überhaupt Effekte zu beobachten gibt) die theoretischen Skalenmittelwerte (3.5) nur selten überschritten, so dass Six (1997, S. 236) leicht ironisch bemerkte, dass dann und wann „die NichtAutoritären ein wenig nicht-autoritärer geworden sind“. Die relativ niedrigen Autoritarismusausprägungen lassen sich auch mit Ergebnissen von Heyder und Schmidt (2000) oder Petzel et al. (1997) erklären, die umso geringere Skalenwerte fanden, je höher der Bildungsabschluss einer Person war – also im Hinblick auf die vorliegende Bildungsstichprobe kein ungewöhnlicher Befund. Auch mittleren Werte der wahrgenommenen terroristischen Bedrohung (M = 2.92), der themenbezogenen Einstellungen zu Militarismus (M = 2.65) und zu staatlicher Kontrolle (M = 115
Eine Varianzanalyse (engl.: Analysis of Variance = ANOVA) ist ein statistisches Verfahren, welches Varianzen und Prüfgrößen berechnet, um Aufschlüsse über die hinter den Daten steckenden Gesetzmäßigkeiten zu erlangen. Die Varianz einer oder mehrerer abhängiger Zielvariable(n) wird dabei durch den Einfluss einer oder mehrerer Einflussvariablen (Prädiktoren) erklärt.
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
279
2.26) liegen unter der Skalenmitte, ein Befund, der ebenso auch für die speziellen Einstellungen Befürwortung von Militäreinsätzen (M = 2.77) und Befürwortung von Sicherheitserhöhung (M = 2.99) als mögliche Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung zutrifft (siehe auch Kap. VI). Innerhalb des ersten Fragebogenteils wurden die Teilnehmer gebeten, die für sie größten weltweiten Bedrohungen116 (siehe Tabelle 7.4) anzugeben. Damit sollte herausgefunden werden, inwieweit Terrorismus als eine gravierende Bedrohung angesehen wird (zu diesem Befragungszeitpunkt war weder in einem der Items, noch einer Instruktion das Wort „Terrorismus“ zur Sprache gekommen). Tabelle 7.4: Größte weltweite Bedrohungen in absteigender Reihenfolge Rang
Bedrohung
Anzahl
1
Klimawandel und Wetterkatastrophen
185
2
Kriege
140
3
Umweltverschmutzung
132
4
Atomares Wettrüsten und Atomtests
95
5
Verknappung von Rohstoffen
92
6
Terrorismus
81
7
Überbevölkerung der Erde
74
8
AIDS und andere Krankheiten (SARS, Vogelgrippe…)
46
9
Etwas anderes, und zwar…
34
10
Gentechnik
20
Die Ergebnisse machen deutlich, dass sich Terrorismus in punkto Bedrohlichkeit im Mittelfeld bewegt. Das stimmt mit verschiedenen Befunden überein, die zeigen, dass nur relativ zeitnah nach verheerenden Anschlägen Terrorismus ein sehr präsentes Thema zu sein scheint und in einem größeren zeitlichen Abstand dazu andere innenpolitische und inhaltliche Themen (wie z.B. Umweltzerstörung oder persönliche Ängste) überwiegen (vgl. Brosig und Brähler, 2002).
3.4.3 Korrelative Zusammenhänge zwischen den Variablen Im Folgenden sollen die wichtigsten korrelativen Zusammenhänge vorgestellt werden. Hierbei lag der Fokus entsprechend der theoretischen Betrachtungen auf Beziehungen der themenbezogenen und spezifischen Einstellungen zu den persönlichkeitsnahen Konstrukten 116
Die Teilnehmer konnten drei mögliche Bedrohungen aus einer Liste wählen, so dass nachfolgende Zahlen nur aussagen, wie oft ein Punkt gewählt wurde, aber nicht welche Priorität er für den Antwortenden einnahm.
280
VII Vorstudien und Vertiefungen
Werthaltungen und Autoritarismus, sowie auf möglichen Zusammenhängen zur wahrgenommenen Bedrohung und dem Geschlecht. Auf eine detaillierte Darstellung der Beziehungen der Wertedimensionen untereinander (entsprechend des theoretischen Postulats von Schwartz, 1992, 2001) sowie zu Autoritarismus117 soll an dieser Stelle aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichtet werden (vgl. Liborius, 2007). Die Wertedimensionen weisen eine Reihe bedeutsamer Beziehungen zu anderen Variablen auf. Mit dem Geschlecht sind die Wertedimensionen Macht (r = .18**) und Stimulation (r = .16**) positiv und Wohltätigkeit (r = -.22**) negativ korreliert (positive Korrelationskoeffizienten zeigen einen stärkeren Bezug zu männlichen Teilnehmern, negative dagegen zu weiblichen Studienteilnehmerinnen an). Tabelle 7.5 zeigt die Korrelationen zwischen Werthaltungen und Autoritarismus mit wahrgenommener Bedrohung, themenbezogenen und spezifischen Einstellungen – die wichtigsten Zusammenhänge sollen an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben werden. Tabelle 7.5: Korrelationsmatrix der persönlichkeitsnahen Konstrukte Werthaltungen und Autoritarismus mit wahrgenommener Bedrohung, themenbezogenen und spezifischen Einstellungen Themenbezogene Einstellungen Wahrgenommene zu
Spezifische
Bedrohung
Einstellungen zu
Militarismus
Kontrolle
Militär-
Sicherheits-
einsätzen
erhöhung
Wertedimension Macht
+.28**
+.14*
–.04
+.23
+.09
Leistung
+.15*
+.09
–.03
+.13
+.10
Hedonismus
+.02
+.01
–.12
+.00
+.02
Stimulation
–.07
–.10
–.15
–.07
–.20**
Selbstbestimmung
–.14*
–.17**
+.02
–.12*
–.12
Universalismus
–.41**
–.20**
–.06
–.37**
–.18**
Wohltätigkeit
–.21**
–.11
+.04
–.09
–.01
Tradition
+.15*
+.08
+.08
+.07
+.08
Konformität
+.13*
+.22**
+.15*
+.22**
+.22**
Sicherheit
+.19**
+.31**
+.36**
+.31**
+.40**
Autoritarismus
+.34**
+.46**
+.29**
+.45**
+.48**
Anmerkungen: Signifikanzniveau: * p < .05, ** p < .01. 117
Es zeigten sich signifikante positive Korrelationen von Autoritarismus mit der Wertedimension Macht (r = .16**), was auch den Befunden von Frindte et al. (1997) entspricht. Auch Tradition (r = .33**), Konformität (r = .42**) und Sicherheit (r = .45**) sind positiv mit Autoritarismus korreliert, wobei letztere als „klassische“ Autoritarismus-Werthaltungs-Korrelationen schon wiederholt berichtet wurde (Altemeyer, 1988; Duriez und Van Hiel, 2002). Signifikante negative Verbindungen bestehen zu Stimulation (r = –.20**), Selbstbestimmung (r = –.18**) und Universalismus (r = –.34**).
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
281
Die themenbezogene Einstellung zu Militarismus korreliert positiv mit den Wertedimensionen Macht und Sicherheit sowie Autoritarismus und negativ mit Wohltätigkeit und Universalismus. Die themenbezogene Einstellung zu staatlicher Kontrolle korreliert mit den Wertedimensionen Konformität, Sicherheit und dem Autoritarismus positiv und mit Selbstbestimmung und Universalismus negativ. Für die wahrgenommene Bedrohung konnten positive Korrelationen zu der Wertedimension Sicherheit, sowie zum Autoritarismus gefunden werden. Die spezifische Einstellung zu Militäreinsätzen weist positive Korrelationen zu den Wertedimensionen Konformität und Sicherheit sowie zum Autoritarismus auf, und negative zum Universalismus. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der spezifischen Einstellung zu Sicherheitserhöhung (positive Korrelationen zu Autoritarismus sowie zu den Wertedimensionen Konformität und Sicherheit – negative zu Stimulation und Universalismus). Die Wertedimension Sicherheit und das Konstrukt Autoritarismus sind also mit allen fünf interessierenden Variablen mehrfach signifikant positiv korreliert – die Wertedimension Universalismus steht dagegen zu vier dieser Variablen in einem negativen korrelativen Zusammenhang. In der folgenden Korrelationstabelle (Tabelle 7.6), die wegen der Fülle der Variablen die Werthaltungen und den Autoritarismus nicht noch einmal aufführt, sind die Korrelationen zwischen wahrgenommener Bedrohung, themenbezogenen und spezifischen Einstellungen sowie dem Geschlecht abgebildet. Tabelle 7.6: Korrelationsmatrix der wahrgenommenen Bedrohung, themenbezogener und spezifischer Einstellungen sowie mit dem Geschlecht Skala
1
2
3
4
5
1 Themenbezogene Einstellung zu Militarismus 2 Themenbezogene Einstellung zu staatl. Kontrolle
+.22**
3 Wahrgenommene Bedrohung
+.08
+.30**
4 Spezifische Einstellung zu Militäreinsätzen
+.64**
+.43**
+.29**
5 Spezifische Einstellung zu Sicherheitserhöhung
+.24**
+.68**
+.51**
+.55**
6 Geschlecht a
+.30**
+.05
–.13*
+.11
–.14*
Anmerkungen: Signifikanzniveau: * p < .05, ** p < .01, a Polung beim Geschlecht: Frauen = -1, Männer = +1
Hervorzuheben sind hier die positiven Korrelationen der themenbezogenen Einstellung zu Militarismus und staatlicher Kontrolle untereinander, sowie jeweils mit den spezifischen Einstellungen zu Militäreinsätzen und Sicherheitserhöhungen. Die Variable Geschlecht ist positiv korreliert mit der themenbezogenen Einstellung zu Militarismus (positive Werte stehen in der verwendeten Kodierung für die Männer). Für die wahrgenommene Bedrohung wurde ein positiver Zusammenhang zu der themenbezogenen Einstellung zu staatlicher Kontrolle sowie zu den spezifischen Einstellungen zu Militäreinsätzen und Sicherheitserhöhung gefunden.
282
VII Vorstudien und Vertiefungen
3.4.4 Explorative Regressionsanalysen Bei der Überprüfung der Zusammenhänge der Daten mittels explorativen Regressionsanalysen sollen nicht nur die vorhandenen Einzelkorrelationen, sondern auch das GesamtZusammenhangs-Muster überprüft werden, um so Prädiktoren für bestimmte interessierende abhängige Variablen isolieren und in ihrer relativen Stärke vergleichen zu können. Dazu wurde das Verfahren der schrittweisen linearen Regression118 eingesetzt. Die jeweils interessierenden psychologischen Einflussvariablen wurden nacheinander in das Modell aufgenommen und so die bedeutsamen Prädiktoren119 für die wahrgenommene terroristische Bedrohung, die themenbezogenen Einstellungen zu Militarismus und staatlicher Kontrolle und die Maßnahmen gegen Terrorismus (Militäreinsätze und Sicherheitserhöhung) in einzelnen Regressionen bestimmt. Die Variable Geschlecht wurde bei jeder der Einzelanalysen mit einbezogen. Prädiktoren wahrgenommener Bedrohung Signifikante Einflüsse auf die wahrgenommene terroristische Bedrohung haben Autoritarismus (Ά = .17**), die Wertedimension Sicherheit (Ά = .24**), das Geschlecht120 (Ά = -.15*) und die Bedrohungssalienz121 (Ά = .19**). Das heißt, die wahrgenommene terroristische Bedrohung wird zusätzlich von hohen Ausprägungen der Variablen Autoritarismus und der Wertedimension Sicherheit verstärkt und ist im Durchschnitt bei Frauen und bei den Teilnehmern, die per Zufall den bedrohlichen Text dargeboten bekamen, signifikant erhöht. Die Prädiktoren erklären zusammen einen Varianzanteil von etwa 22% der Bedrohung. Prädiktoren themenbezogener Einstellungen zu Militarismus und staatlicher Kontrolle Werthaltungen, Autoritarismus, Alter und Geschlecht wurden zur Vorhersage des Einflusses auf die themenbezogenen Einstellungen zu Militarismus und staatlicher Kontrolle herangezogen. Die Prädiktoren des Modells für die themenbezogenen Einstellungen zu Militarismus erklären etwa 34% der vorhandenen Variabilität. Einen signifikanten Einfluss haben die Wertdimensionen Macht (Ά = .18**), Universalismus (Ά = -.35**) und Tradition (Ά = .17**), sowie das Geschlecht (Ά = .24**) und Autoritarismus (Ά = .12*). Es sind also höhere Werte für die themenbezogenen Einstellung zu Militarismus bei hohen Ausprägungen der Wertedimensionen Macht und Tradition und auch bei hohen Autoritarismusausprägungen 118
119
120 121
Bei einem schrittweisen Verfahren werden nacheinander alle unabhängigen Variablen in die Regressionsgleichung mit einbezogen – begonnen wird mit der Variable mit dem höchsten Korrelationskoeffizienten zur abhängigen Variable. Bei jeder neu hinzugefügten Variable wird automatisch überprüft, ob die Entfernung einer bereits aufgenommenen Variable die Vorhersagekraft des Modells erhöht. Die Darstellung der Prädiktorzusammenhänge erfolgt mit ihren standardisierten Beta-Gewichten (Ά), welche, ähnlich den Korrelationskoeffizienten, Werte zwischen -1 und +1 annehmen können, nur signifikante Zusammenhänge werden berichtet (** steht dabei für eine Signifikanz auf dem 1% Niveau, mit * gekennzeichnete Werte sind auf dem 5% Niveau signifikant). Negative Werte stehen in der Kodierung für die Frauen. Bei der Bedrohungssalienz handelt es sich um die als experimentelle Bedingung in die Studie eingefügte Manipulation in Textform (Bedrohlichkeit bzw. Skepsis gegenüber der Bedrohlichkeit von Terrorismus in Deutschland), welche unter Punkt 7.4.6. gesondert ausgewertet und beschrieben wird. Ihr Verbleib im Prädiktormodell an dieser Stelle dient lediglich der Darstellung des Gesamtzusammenhanges.
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
283
zu konstatieren. Menschen, in deren Leben die Werthaltung Universalismus bedeutsam ist, befürworten Militarismus dagegen weniger. Die männlichen Teilnehmer wiesen in Durchschnitt höhere militaristische Einstellungswerte als Frauen auf. Bezüglich der themenbezogenen Einstellungen zu staatlicher Kontrolle finden sich negative Einflüsse für die Wertedimension Selbstbestimmung (Ά = -.14*), positive dagegen bei der Wertedimension Leistung (Ά = .16**) sowie Autoritarismus (Ά = .40**). Die Zustimmung zu vermehrter staatlicher Kontrolle fällt also hoch aus, wenn auch hohe Leistungsorientierung und (relativ) hohe Autoritarismuswerte vorliegen. Menschen, denen Selbstbestimmung wichtig ist, lehnen staatliche Kontrolle dagegen eher ab. Die Prädiktoren klären gemeinsam ca. 29% der Varianz auf. Prädiktoren spezifischer Einstellungen der Befürwortung von Militäreinsätzen und Sicherheitserhöhung Die größte Anzahl möglicher Einflussfaktoren wurden bei der Befürwortung der verschiedenen Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung erwartet, da in dieses Regressionsmodell alle bisher untersuchten Variablen mit einflossen. Als unabhängige Variablen wurden hierbei die Werthaltungen, Autoritarismus, die themenbezogenen Einstellungen zu Militarismus und staatlicher Kontrolle, die Bedrohungssalienz, die wahrgenommene terroristischen Bedrohung sowie das Geschlecht verwendet. Die Abbildung 7.9 zeigt in der Gesamtschau, dass die Befürwortung von Militäreinsätzen dann besonders hoch ist, wenn auch die Ausprägungen der themenbezogenen Einstellungen zu Militarismus und staatlicher Kontrolle hoch sind. Dies gilt auch für hohe Ausprägungen von Autoritarismus und dann, wenn sich die Teilnehmer durch Terrorismus stark bedroht fühlen. Ein direkter Einfluss der Wertedimensionen konnte nicht gefunden werden. Insgesamt erklären die Prädiktoren ca. 53% der Varianz der abhängigen Variable.
Abbildung 7.9: Prädiktoren der Befürwortung von Militäreinsätzen zur Terrorismusbekämpfung Anmerkungen: Signifikanzniveau: * p < .05, ** p < .01, durch die Prädiktoren erklärte Varianz ca. 53%
284
VII Vorstudien und Vertiefungen
Auch bei der Befürwortung von Sicherheitserhöhung (siehe Abbildung 7.10) scheinen ähnliche Variablen eine Rolle zu spielen, denn die Zustimmung dafür ist besonders hoch, wenn die Ausprägungen des Autoritarismus, der themenbezogenen Einstellung zu staatlicher Kontrolle und die wahrgenommenen Bedrohung ebenfalls hoch sind. Weiterhin zeigen auch die Wertedimension Sicherheit und die themenbezogenen Einstellung zu Militarismus einen solchen Einfluss. Frauen stimmen Sicherheitserhöhungen signifikant öfter zu als Männer. Die Einflussfaktoren erklären (wie auch schon die zu den Militäreinsätzen) einen recht großen Varianzanteil auf – hier sogar 61%.
Abbildung 7.10: Prädiktoren der Befürwortung von Sicherheitserhöhung zur Terrorismusbekämpfung Anmerkungen: Signifikanzniveau: * p < .05, ** p < .01, durch die Prädiktoren erklärte Varianz ca. 61%
3.4.5 Mediationsanalysen Nachdem soeben die Zusammenhänge zwischen den Variablen beschrieben wurden, sollen nun die postulierten einzelnen Mediationsprozesse entsprechend der Methode von Baron und Kenny (1986) direkt mittels mehrerer Regressionsanalysen untersucht werden122. Dazu 122
Um statistisch zu überprüfen, ob eine Variable einen Mediator darstellt (also den vermittelnden Prozess zwischen einer unabhängigen und einer abhängigen Variable) sind 3 Schritte notwendig (vgl. Baron und
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
285
werden die in der Generalhypothese formulierten Zusammenhänge in mehrere Teilmodelle mit jeweils einem Prädiktor, einem Mediator und einer Zielvariable zerlegt (siehe jeweils die Überschriften der nächsten Abschnitte), welche dann einzeln statistisch überprüft werden. Prädiktor Autoritarismus, Mediator themenbezogene Einstellungen zum Militarismus, abhängige Variable spezifische Einstellungen zu Militäreinsätzen Es fand sich dabei erstens ein signifikanter, direkter Effekt vom Autoritarismus (Ά = .45** 123), auf die spezifischen Einstellungen zu Militäreinsätzen. Zweitens war auch der direkte Einfluss vom Prädiktor auf den Mediator themenbezogene Einstellungen zu Militarismus signifikant (Ά = .34**). Drittens reduzierte sich der direkte Effekt vom Prädiktor auf die abhängige Variable von Ά = .45** auf Ά = .25**, wenn als Mediator die themenbezogenen Einstellungen zum Militarismus mit in die Regression aufgenommen wurden.124 Prädiktor Autoritarismus, Mediator themenbezogene Einstellungen zur staatlichen Kontrolle, abhängige Variable spezifische Einstellung zu Sicherheitserhöhungen Auch der direkte Effekt von Autoritarismus auf die spezifischen Einstellungen zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen war signifikant (Ά = .48**), ebenso wie der direkte Einfluss des Prädiktors auf den Mediator (Ά = .45**). Der direkte Effekt des Prädiktors reduzierte sich bei simultaner Berücksichtigung des Mediators (Ά = .22**). Prädiktor Autoritarismus, Mediator wahrgenommene Bedrohung, abhängige Variable spezifische Einstellung zu Militäreinsätzen Der direkte Effekt des Autoritarismus auf die Einstellungen zu den Militäreinsätzen betrug Ά = .45**, der direkte Effekt des Prädiktors auf den Mediator wahrgenommene terroristische Bedrohung Ά = .29**. Bei simultaner Berücksichtigung des Mediators reduziert sich der direkte Effekt des Prädiktors leicht auf Ά = .40**. Prädiktor Autoritarismus, Mediator wahrgenommene Bedrohung, abhängige Variable spezifische Einstellung zu Sicherheitserhöhungen Erneut ist der direkte Effekt des Autoritarismus mit Ά = .48** signifikant, und auch der direkte Effekt auf den Mediator wahrgenommene Bedrohung erweist sich als bedeutsam: Ά
123
124
Kenny, 1986). Zunächst muss mit einer ersten Regressionsanalyse der direkte Effekt der unabhängigen auf die abhängige Variable geprüft werden. Dann muss der direkte Einfluss der unabhängigen Variable auf den Mediator geprüft werden. Wenn diese Analysen signifikante Zusammenhänge zeigen muss drittens der direkte Effekt der unabhängigen auf die abhängige Variable unter simultaner Berücksichtigung des direkten Effekts vom Mediator auf die unabhängige Variable in einer weiteren Regression geprüft werden. Wenn der direkte Effekt der unabhängigen Variable in der letzten Analyse nicht mehr signifikant ist, sprechen wir von einer vollen Mediation. Ist der mediierte Effekt im Vergleich zum direkten Effekt signifikant verringert sprechen wir von einer partiellen Mediation. Die Signifikanz des indirekten Pfades kann mit einem Sobel-Test (Sobel, 1982) geprüft werden. Diese Abfolge ist zur statistischen Prüfung jeder postulieren Mediation zu durchlaufen. Dass sich hier andere Werte finden als in den soeben beschriebenen Regressionsanalysen liegt daran, dass hier nur ein einziger Prädiktor betrachtet wurde, der dadurch auch stärkere Vorhersagekraft haben kann (größere Άs). Der Sobel-Test belegt, dass diese partielle Mediation (d.h. der indirekte Pfad) statistisch bedeutsam ist (Z = 6.57**). Auch die im Weiteren vorgestellten partiellen Mediationen sind alle statistisch bedeutsam.
286
VII Vorstudien und Vertiefungen
= .29**. Die gemeinsame Analyse von Autoritarismus und Bedrohung als Prädiktoren reduziert die Wirkung des Autoritarismus auf Ά = .37**. Prädiktor Wertedimension Sicherheit, Mediator themenbezogene Einstellung zu staatlicher Kontrolle, abhängige Variable spezifische Einstellung zu Sicherheitserhöhungen Da in den vorangehenden Regressionsanalysen (vgl. Abschnitt 3.4.4) von den verschiedenen Wertedimensionen einzig der Prädiktor Sicherheit signifikant mit der abhängigen Variable spezifische Einstellung zu Sicherheitserhöhung zusammen hing, sollen nun nur für diesen Zusammenhang die vermittelnden Prozesse geprüft werden. Als Mediatoren werden zunächst die themenbezogenen Einstellungen zu staatlicher Kontrolle, und anschließend die wahrgenommene terroristische Bedrohung geprüft. Der direkte Effekt der Wertedimension Sicherheit auf die spezifische Einstellungen zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen war signifikant (Ά = .40**), genau wie der direkte Einfluss auf den Mediator themenbezogene Einstellung zu staatlicher Kontrolle (Ά = .30**). Die Berücksichtigung dieses Mediators reduziert den Effekt des Prädiktors Wertedimension Sicherheit (Ά = .21**). Prädiktor Wertedimension Sicherheit, Mediator wahrgenommene Bedrohung, abhängige Variable spezifische Einstellung zu Sicherheitserhöhungen Neben dem gerade berichteten direkten Effekt des Prädiktors auf die abhängige Variable Sicherheitserhöhung (Ά = .40***) war auch der Effekt des Prädiktors auf den (zweiten) Mediator wahrgenommene Bedrohung statistisch bedeutsam (Ά = .36***). Die gleichzeitige Berücksichtigung dieses Mediators in der nächsten Regressionsanalyse reduzierte den Effekt des Prädiktors (Ά = .30***) und der Sobel-Test weist den indirekten (vermittelten) Pfad als signifikant aus (Z = 5.52***). Somit zeigt sich, dass, wie postuliert, die Effekte der Wertedimension Sicherheit sowohl über die themenbezogenen Einstellungen zu staatlicher Kontrolle als auch über die wahrgenommene Bedrohung jeweils partiell vermittelt sind. Zumindest für die Wertedimension Sicherheit entsprachen die Ergebnisse somit den Erwartungen.
3.4.6 Varianzanalysen Die Testung der Hypothesen 2 bis 5 erfolgte zusätzlich mittels univariater Varianzanalysen (ANOVAs), um auch interaktive Effekte der Prädiktorvariablen zu untersuchen. Die Variablen Geschlecht und (die zufällig, experimentell variierte) Bedrohungssalienz liegen in dichotomer Form vor. Die Variablen Autoritarismus und wahrgenommene Bedrohung wurden nach der Split-Half-Methode an ihrem Median in jeweils zwei Gruppen geteilt, so dass die niedrigen und die hohen Ausprägungen in Gruppen voneinander getrennt vorlagen, und miteinander verglichen werden können125. 125
Aufgrund der annähernden Normalverteilung liegen die Mediane und Mittelwerte beider Variablen sehr nah beieinander (für Autoritarismus: Mittelwert 2.84 und Median 2.83 und für wahrgenommene terroristische Bedrohung: Mittelwert 2.92 und Median 2.87), aber dennoch deutlich links vom gedachten
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
287
Effekte von Autoritarismus und Bedrohungssalienz auf die wahrgenommene Bedrohung In Hypothese 2 war vermutet worden, dass Personen mit hohen Autoritarismuswerten zu einer intensivierten Wahrnehmung externer Bedrohung neigen und damit auch höhere Werte bei der wahrgenommenen Bedrohung aufweisen. Außerdem war in Hypothese 4 angenommen worden, dass die wahrgenommene Bedrohung durch die dargebotenen Texte medial beeinflussbar ist, d.h. nach dem bedrohlich formulierten Text höher ausfällt, als nach dem Lesen der die Bedrohung eher skeptisch betrachtenden Text. Zusätzlich wurden interaktive Effekte von Autoritarismus und Bedrohungssalienz geprüft, um auch die Annahme zu testen, dass hoch autoritäre Personen auf Bedrohungsszenarien mit besonders stark gefühlter Bedrohung reagieren. Eine zwei-faktorielle Varianzanalyse (Autoritarismus: hoch vs. niedrig; Bedrohungssalienz: hoch vs. niedrig) mit der abhängigen Variable wahrgenommene Bedrohung testete diese Annahmen simultan. Zunächst fand sich ein signifikanter Haupteffekt des Autoritarismus (F(3, 298) = 10.77**; part.2 = .035126): die niedrig autoritären gaben im Mittel weniger empfundene Bedrohung an (M = 2.75) als die (relativ) hoch autoritären Teilnehmer (M = 3.09). Hypothese 2 konnte somit bestätigt werden. Daneben fand sich auch ein signifikanter Haupteffekt der (experimentell manipulierten) Bedrohungssalienz (F = 16.62**, part.2 = .053): nach Lesen des bedrohlichen Textes war die wahrgenommene Bedrohung tatsächlich höher (M = 3.13) als in der Bedingung „Skepsis gegenüber der Bedrohung“ (M = 2.71). Hypothese 4 kann somit ebenfalls bestätigt werden. Der Interaktionseffekt aus Autoritarismus und der manipulierten Bedrohungssalienz dagegen war nicht signifikant (F = 0.00, n.s.), die Interaktionshypothese musste verworfen werden. Effekte von Geschlecht und Bedrohungssalienz auf die wahrgenommene Bedrohung Analog wurden auch Haupteffekte des Geschlechts auf wahrgenommene Bedrohung, sowie Interaktionen mit der experimentell manipulierten Bedrohungssalienz in einer weiteren zwei-faktoriellen ANOVA (Geschlecht: männlich vs. weiblich; Bedrohungssalienz: hoch vs. niedrig) untersucht. Es sollte geprüft werden, ob Frauen generell mehr oder weniger Bedrohung wahrnehmen (entspricht einem Haupteffekt Geschlecht), und ob sie sensibler auf bedrohliche Informationen reagieren als Männer, oder nicht (entspricht einem Interaktionseffekt Geschlecht * Bedrohungssalienz). Die Analyse ergab tatsächlich einen Haupteffekt des Geschlechts (F(3, 293) = 4.03*; part.2 = .014): Frauen empfanden (unabhängig von der Bedrohungssalienz) eine höhere terroristische Bedrohung (M = 3.03) als Männer (M = 2.81). Der Haupteffekt der Bedrohungssalienz entspricht erneut dem im vorigen Abschnitt. Die Interaktion von Geschlecht und manipulierter Bedrohungssalienz war dagegen nicht signifikant (F = 2.61, n.s.), d.h. es gab keine systematischen Unterschiede in der Reaktion auf die manipulativen Texte zwischen Männern und Frauen.
126
Kategorienmittel von 3.50. Daher ist bei der Bewertung der Ergebnisse zu beachten, dass ein Teil der Teilnehmer der Gruppe „hoch autoritär“ in Wirklichkeit eher mittlere Autoritarismuswerte aufwies – ein in der Autoritarismusforschung häufig auftretender Befund. Der F-Wert ist die Prüfgröße für die Signifikanz des Effekts, in den Klammern werden weitere Spezifika der Analyse (Freiheitsgrade) angegeben. Das partielle Eta-Quadrat (part.2) ist ein Maß für die Stärke des Effekts, es beschreibt (analog dem R2 in den Regressionsanalysen) das Ausmaß der Varianz der abhängigen Variable, welche durch die jeweils betrachtete(n) unabhängige(n) Variable(n) erklärt wird.
288
VII Vorstudien und Vertiefungen
Im Folgenden werden analog in zwei ANOVAs die Hypothesen 3 und 5 getestet, d.h. Effekte von Autoritarismus und der jeweils individuell wahrgenommenen Bedrohung (nicht zu verwechseln mit der experimentell variierten Bedrohungssalienz) auf die Befürwortung von Militäreinsätzen und Sicherheitserhöhung geprüft, in zwei weiteren Analysen werden die entsprechenden Geschlechtseffekte untersucht. Effekte von Autoritarismus und wahrgenommener Bedrohung auf die Befürwortung von Militäreinsätzen Erhöhte Werte des Autoritarismus sollten auch zu erhöhter Befürwortung der antiterroristischen Maßnahmen Militäreinsätze und Sicherheitserhöhung (spezifische Einstellungen) führen – soweit die Annahme aus der Hypothese 3. Zusätzlich war in Hypothese 5 angenommen worden, dass eine erhöhte wahrgenommene terroristische Bedrohung zu höherer Akzeptanz von Militäreinsätzen bzw. verstärkten Sicherheitsmaßnahmen als antiterroristische Maßnahmen führt. Zur Prüfung der Effekte auf die Befürwortung von Militäreinsätzen wurde erneut eine zweifaktorielle ANOVA (Autoritarismus: hoch vs. niedrig; Bedrohungswahrnehmung: hoch vs. niedrig) durchgeführt. Es fand sich ein signifikanter Haupteffekt des Autoritarismus (F(3, 296) = 46,90**; part.2 = .137): niedrig autoritäre stimmen Militärmaßnahmen seltener zu (M = 2.46) als die (relativ) hoch autoritären Teilnehmer (M = 3.07), Hypothese 3 kann somit bezüglich der Militäreinsätze bestätigt werden. Es zeigte sich weiterhin ein signifikanter Haupteffekt der wahrgenommen Bedrohung auf die Akzeptanz von Militäreinsätzen (F = 11.03**; part.2 = .036), Personen die sich weniger bedroht fühlen akzeptieren auch seltener Militäreinsätze (M = 2.61) als jene, die sich stärker bedroht fühlen (M = 2.90). Somit kann auch Hypothese 5 angenommen werden. Die Interaktion aus Autoritarismus und wahrgenommener Bedrohung war nicht statistisch bedeutsam (F = 0.04, n.s.)127. Effekte von Autoritarismus und wahrgenommener Bedrohung auf die Befürwortung von Maßnahmen zur Sicherheitserhöhung Analog wurden in einer weiteren ANOVA Wirkungen auf die Befürwortung von verstärkten Sicherheitsmaßnahmen geprüft. Es fand sich erneut ein signifikanter Effekt des Autoritarismus (F(3, 296) = 63.88**; part.2 = .178), wie in Hypothese 3 angenommen: relativ hoch autoritäre stimmen derartigen Maßnahmen signifikant häufiger zu (M = 3.38) als niedrig autoritäre Teilnehmer (M = 2.59). Auch der Haupteffekt der wahrgenommenen Bedrohung war statistisch bedeutsam (F = 43.82**; part.2 = .129): bei sich stark bedroht fühlenden Personen war die Akzeptanz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen stärker ausgeprägt (M = 3.26) als bei sich weniger bedroht fühlenden Untersuchungsteilnehmern (M = 2.66), ein Beleg für Hypothese 5. Die Interaktion aus Autoritarismus und wahrgenommener Bedrohung war dagegen nicht statistisch bedeutsam (F = 0.28, n.s.).
127
Die analoge Überprüfung von direkten und interaktiven Effekten des Geschlechts ergab keine signifikanten Ergebnisse (F = 3.28, n.s.) in Bezug auf die Befürwortung von Militäreinsätzen.
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289
Effekte von Geschlecht und wahrgenommener Bedrohung auf die Befürwortung von Maßnahmen zur Sicherheitserhöhung Die zwei-faktorielle ANOVA (Geschlecht: männlich vs. weiblich, wahrgenommene Bedrohung: hoch vs. niedrig) zur Prüfung von Einflüssen des Geschlechts auf Maßnahmen zur Sicherheitserhöhung ergab einen Haupteffekt des Geschlechts (F(3, 294) = 6.15; p = .014; part.2 = .020): Frauen präferierten stärkere Sicherheitsmaßnahmen zur Terrorabwehr eher (M = 3.12) als Männer (M = 2.85). Der Haupteffekt der Bedrohungssalienz entspricht dem im vorigen Absatz beschriebenen, die Interaktion aus Geschlecht und wahrgenommener Bedrohung wirkt nicht signifikant auf die Einstellungen zur Sicherheitserhöhung (F = 1.25, n.s.), das heißt hier reagieren Männer und Frauen sehr ähnlich.
3.5 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse Aufgrund der zahlreichen Befunde der Studie erscheint es für die Zusammenfassung und Diskussion der wichtigsten Ergebnisse an dieser Stelle sinnvoll, strukturell den unter Punkt 3.2. aufgestellten Hypothesen (gleichsam wie einem roten Faden) zu folgen. Ausgehend von den theoretischen Vorüberlegungen wurden die interessierenden Variablem in einem theoretischen Gesamtmodell (siehe Abbildung 7.8) zusammengefasst, welches eine Vielzahl möglicher Zusammenhänge der einzelnen Variablen annahm. Als unabhängige Variablen wurden Autoritarismus, Werthaltungen, Geschlecht, sowie die Bedrohungssalienz definiert, als abhängige Variablen waren die speziellen Einstellungen zu den beiden Anti-Terrorismus-Maßnahmen Militäreinsätze und Sicherheitserhöhung von Bedeutung. Theoretisch denkbar waren neben direkten Einflüssen auch die mediierende Wirkung weiterer Variablen, wie die wahrgenommene terroristische Bedrohung und die themenbezogenen Einstellungen zu Militarismus und staatlicher Kontrolle.
3.5.1 Die Rolle des Terrorismus in Bezug zu anderen weltweiten Bedrohungen Interessanterweise zeigte sich, dass die Untersuchungsteilnehmer (ohne an dieser Stelle der Befragung bereits direkt auf den Terrorismus angesprochen worden zu sein) den Terrorismus im Vergleich zu anderen weltweiten Bedrohungen als nur mittelmäßig bedrohlich empfanden. Klimawandel und Wetterkatastrophen, Kriege, Umweltverschmutzung, atomares Wettrüsten und Atomtests, sowie die Verknappung von Rohstoffen wurden im Durchschnitt als bedrohlicher wahrgenommen als der Terrorismus.
3.5.2 Werthaltungen, Autoritarismus und die Befürwortung von Maßnahmen gegen Terrorismus Mit den statistischen Analysen sollte die Struktur der Variablenzusammenhänge genauer untersucht und Prädiktoren für die Vorhersage der interessierenden abhängigen Variablen gefunden werden. Nun sollen die in den verschiedenen Analysen gefundenen Einzel-
290
VII Vorstudien und Vertiefungen
zusammenhänge zu dem theoretisch hergeleiteten Gesamtmodell (siehe Abbildung 7.8) ins Verhältnis gesetzt werden. Ausgehend von der Generalhypothese 1 wurde vermutet, dass Werthaltungen und /oder Autoritarismus die Befürwortung von Militäreinsätzen zur Bekämpfung von Terrorismus beeinflussen – mediiert durch die wahrgenommene Bedrohung und themenbezogene Einstellungen. Zunächst wurden die prädiktiven Einflüsse auf die wahrgenommene Bedrohung überprüft. Diese Bedrohung ist höher, wenn auch die Ausprägungen von Autoritarismus und der Wertedimension Sicherheit hoch sind. Außerdem ist sie durch den manipulativen bedrohlichen Text beeinflussbar (siehe unten) und generell bei Frauen stärker ausgeprägt. Befürwortung von Militäreinsätzen Ausgehend von Hypothese1a wurde vermutet, dass die Werthaltungen Macht, Leistung, Tradition, Konformität, Sicherheit und/der Autoritarismus die Befürwortung von Militäreinsätzen zur Bekämpfung von Terrorismus beeinflussen – mediiert durch die wahrgenommene Bedrohung und die themenbezogene Einstellung zu Militarismus. Die themenbezogene Einstellung zu Militarismus korreliert positiv mit Autoritarismus und den Wertedimensionen Macht und Tradition. Männer befürworten Militarismus häufiger als Frauen, Menschen mit hohen Universalismuswerten dagegen seltener. Die ebenfalls im Modell vermuteten Werthaltungen Leistung und Konformität hingen auch mit positiveren Einstellungen zum Militarismus zusammen. Andererseits fand sich in den explorativen Regressionsanalysen, dass die Wertedimensionen nicht direkt mit der Befürwortung von Militäreinsätzen zusammenhingen (wenn weitere Variablen wie Autoritarismus gleichzeitig mit analysiert wurden). Außerdem zeigte sich (unerwarteter Weise), dass auch die Einstellung zu staatlicher Kontrolle mit der Befürwortung von Militäreinsätzen korrelativ positiv zusammenhing. Somit können die Befunde bezüglich der Effekte der Wertedimensionen auf die Befürwortung von Militäreinsätzen die in Hypothese 1a postulierten Zusammenhänge insgesamt nicht belegen. Bezüglich des Autoritarismus sprechen die Ergebnisse grundsätzlich für die Annahme eines (partiellen) Mediatormodells: Autoritarismus führt sowohl direkt als auch mediiert über themenbezogene Einstellungen zum Militarismus bzw. Bedrohungswahrnehmungen zu verstärkter Akzeptanz militärischer Anti-Terror-Maßnahmen (vgl. auch unten). Befürwortung von Sicherheitserhöhung Analog zur ersten Teilhypothese war in der Hypothese 1b vermutet worden, dass die Werthaltungen Tradition, Konformität, Sicherheit und /oder Autoritarismus die Befürwortung von Maßnahmen zur Sicherheitserhöhung zur Terrorismusbekämpfung beeinflussen – mediiert durch die wahrgenommene Bedrohung und die themenbezogene Einstellung zu staatlicher Kontrolle. Zunächst sei angemerkt, dass Frauen Sicherheitsmaßnahmen generell stärker befürworteten als Männer. Daneben wurde gefunden, dass die themenbezogene Einstellung zu staatlicher Kontrolle sehr stark mit dem Autoritarismus (positiv) und zusätzlich mit den Wertedimensionen Macht, Konformität und Sicherheit (positiv), sowie Selbstbestimmung und Universalismus (negativ) zusammenhängt. Menschen mit einer hohen Präferenz von Selbstbestimmung akzeptieren staatliche Kontrolle offensichtlich nur ungern. In den
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
291
explorativen Regressionsanalysen dagegen war von den Wertedimensionen einzig die Sicherheit mit Einstellungen zu staatlicher Kontrolle positiv verknüpft. Für ein Mediatormodell der Sicherheitsdimension sprechen die berichteten partiellen Mediationen (via die themenbezogenen Einstellung zu staatlicher Kontrolle und wahrgenommene terroristische Bedrohung). Zusätzlich findet sich aber auch ein (nicht erwarteter) korrelativer Zusammenhang mit der themenbezogenen Einstellung zu Militarismus. Damit ist es fraglich, ob man wie in den Hypothesen ursprünglich angenommen, wirklich von zwei inhaltlich getrennten Zusammenhängen (Militarismus – Militäreinsätze bzw. staatliche Kontrolle – Sicherheitserhöhung) ausgehen kann. Beim Autoritarismus konnten die postulierten Mediationen hypothesenkonform belegt werden, Bedrohungswahrnehmungen und Einstellungen zu staatlicher Kontrolle vermitteln die Zusammenhänge zur Akzeptanz von verschärften Sicherheitsmaßnahmen. Damit kann Hypothese 1b nur teilweise angenommen werden; sie bedarf insbesondere bezüglich der Effekte der Wertedimensionen weiterer Forschung. Die gefundenen Mediationen waren jeweils nur partiell und nie vollständig. Das heißt, dass es neben den hier untersuchten vermittelnden Prozessen wahrscheinlich auch noch andere gibt (siehe unten), denen sich zukünftige Forschung in diesem Bereich widmen sollte.
3.5.3 Autoritarismus und wahrgenommene Bedrohung Die Ergebnisse zeigen auch, dass Personen mit hohen Autoritarismuswerten zu einer intensivierten Wahrnehmung externer Bedrohung neigen und damit auch höhere Werte bei der wahrgenommenen Bedrohung aufweisen (Hypothese 2). Terrorismus stellt natürlich eine solche externe Bedrohung dar. Dieses Ergebnis geht konform mit einer ganzen Reihe anderer Befunde aus der Literatur (vgl. z.B. Altemeyer, 1988; Feldman, 2000; Oesterreich, 2000) und kann mit einer bedrohten, pessimistischen Weltsicht (Duckitt 2002; Feldman, 2000) und der damit zusammenhängenden intensivierten Wahrnehmung externer Bedrohung erklärt werden (McFarland, 2005). In Bezug auf die Eingangsfrage, wie die terroristische Bedrohung wahrgenommen wird und wie sie unseren Alltag beeinflusst, zeigte sich, dass dies nicht nur eine Frage der „objektiven“ Bedrohung ist, sondern einer subjektiv gefühlten, die z.B. von Menschen mit hohen Ausprägungen von Autoritarismus stärker empfunden wird. Die bei den Studienteilnehmern gemessenen Werte für Autoritarismus waren zwar absolut gesehen nicht sehr hoch (wie oft in der Autoritarismusforschung), aber trotzdem ließen sich (sozusagen zwischen den niedrig und den mittel autoritären Personen) Unterschiede in der Bedrohungswahrnehmung finden. Es war allerdings nicht so, dass hoch autoritäre Personen stärker auf die bedrohliche Manipulation reagierten, die Interaktionseffekte dieser Variablen waren nicht bedeutsam.
292
VII Vorstudien und Vertiefungen
3.5.4 Autoritarismus und Befürwortung von Militäreinsätzen/Sicherheitserhöhung Wie in der Hypothese 3 vermutet, wurden Zusammenhänge des Autoritarismus mit einer erhöhten Befürwortung von Militäreinsätzen und Sicherheitserhöhung als anti-terroristische Maßnahmen gefunden, d.h. Menschen mit hohen Autoritarismusausprägungen stimmen Militäreinsätzen und Sicherheitsverschärfungen eher zu als jene mit niedrigen Ausprägungen auf der Autoritarismusskala. Während die Befürwortung von Sicherheitserhöhung relativ klar mit dem allgemein hohen Sicherheitsbedürfnis von hoch autoritären Personen erklärt werden kann, für das auch ein Verzicht auf Bürgerrechte akzeptiert wird (vgl. z.B. Cohrs et al., 2005c, 2005b; Doty et al. 1991), sind die Gründe für die ebenfalls beobachtete erhöhte Zustimmung autoritärer Personen zu Militäreinsätzen nicht so eindeutig zu bestimmen. Eine Möglichkeit könnte eine allgemeine Feindseligkeit sein, weil Terroristen in hohem Maße gegen die Normen und Standards der westlichen Welt verstoßen (Duckitt, 2002; Lippa und Arad, 1999) und damit das Weltbild von Autoritären besonders stark bedrohen. Naheliegend ist auch ein Zusammenhang zu der dem Autoritarismus innewohnenden aggressiven Komponente (vgl. Altemeyer, 1988; Funke 2003) oder die Möglichkeit, dass autoritäre Personen Militäreinsätzen aus ihrem Sicherheitsbedürfnis heraus zustimmen und Terrorismus gewissermaßen „beseitigt“ haben wollen, noch bevor er ihnen gefährlich werden kann (vgl. auch Dettke, 2004). Auch Cohrs et al. (2005a) fanden militärische Aktionen eher von Menschen mit starker Sicherheitsmotivation befürwortet.
3.5.5 Bedrohungssalienz, wahrgenommene Bedrohung und Befürwortung von Militäreinsätzen/Sicherheitserhöhung Mit Hilfe der eingeschobenen experimentellen Bedingung konnte gezeigt werden, dass die wahrgenommene Bedrohung, wie erwartet, medial beeinflussbar ist (Hypothese 4). Zudem war nach dem Lesen des bedrohlichen Textes auch die Akzeptanz von Militäreinsätzen sowie Maßnahmen zur Sicherheitserhöhung höher als nach dem Lesen des bedrohungsskeptischen Textes (unabhängig vom Autoritarismus der Befragten). Diese Befunde heben sich von den bisher berichteten insofern ab, dass durch die experimentelle Manipulation kausale Schlussfolgerungen möglich sind (während alle anderen Analysen dieses Kapitels nur querschnittliche Zusammenhänge abbilden). Teilnehmer, die den bedrohlichen Text dargeboten bekamen, fühlten sich danach tatsächlich signifikant stärker durch Terrorismus bedroht als die Teilnehmer der Gruppe, die den eher bedrohungs-skeptischen Text lasen. Die Bedrohungssalienz beeinflusste also eindeutig und kausal das Bedrohungsempfinden der Teilnehmer (unabhängig von deren Geschlecht oder den Ausprägungen des Autoritarismus). Als Erklärungen bieten sich auch hier wieder mehrere Möglichkeiten an. Einmal könnte die Befürwortung von Maßnahmen eine Reaktion auf die empfundene Angst interpretiert werden, die sich letztlich in dem Wunsch äußert, dass etwas gegen diese Bedrohung unternommen werden sollte. Auf der anderen Seite ist aber auch denkbar, dass es sich bei Terrorismus, nicht nur um eine starke Bedrohung handelt, sondern um eine unberechenbare und nicht vom einzelnen zu beeinflussende Bedrohung. Vielleicht flüchten sich bedrohte
3 Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland
293
Menschen in Ermangelung von Bewältigungsstrategien (wie sollten die im Falle des Terrorismus im Privaten auch aussehen?) tatsächlich, wie von Oesterreich (z.B. 2000) postuliert, in die Obhut von Autoritäten und akzeptieren dafür auch dann „Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit“, wenn damit ein Abbau der persönlichen Freiheiten verbunden ist. Oesterreichs Theorie gilt eigentlich für Personen mit hohen Autoritarismus-Werten, könnte aber auch zur Erklärung von situativen Bedrohungseffekten herangezogen werden, wenn man von einer „situationalen autoritäre Persönlichkeit“ (Doty et al., 1991) ausgeht. Die Befunde sind nicht nur eine (starke) Bestätigung für die entsprechenden Hypothesen, sondern geben auch Hinweise dafür, dass Menschen unter Bedrohung zu autoritären Einstellungen neigen – wenn man die Befürwortung von Militäreinsätzen als eine Reaktion auf Bedrohung ansieht (z.B. als autoritäre Reaktion). Das entspricht konzeptuell der von Oesterreich (z.B. 2000), Feldman (2000) und Stellmacher (2004) vermuteten „situationsabhängigen Einstellungsreaktion“, wobei im vorliegenden Fall die Bedrohung auch unabhängig vom Autoritarismus wirkte. Zusätzlich ist dieser Befund sehr gut mit der Integrierten Bedrohungstheorie von Stephan und Renfro (2002) im Einklang. Die Autoren legen ausführlich dar, wie verschiedene Prädiktoren (wie z.B. Persönlichkeitseigenschaften) zu mehr oder weniger starken Bedrohungswahrnehmungen führen können, welche ihrerseits zu bestimmten Reaktionen auf die als bedrohlich wahrgenommenen Personen oder Gruppen führt. Die in Stephan und Renfros Modell dem Bedrohungskonzept zugeschriebene zentrale Mediatorrolle hat sich in der vorliegenden Studie und hier mit thematischem Bezug zum Terrorismus erneut bestätigen lassen. Zustimmung zu Sicherheitserhöhungen fand sich bei autoritären Personen und auch bei erhöhter wahrgenommener Bedrohung, die Interaktion dieser Prädiktoren klärte allerdings keine zusätzliche Varianz auf. Das widerspricht Ergebnissen von Cohrs et al. (2005a, 2005b) oder Doty et al. (1991), nach denen Autoritäre besonders dann bereit sind, Einschränkungen ihrer Rechte in Kauf zu nehmen, wenn sie sich bedroht fühlten. Zukünftige Studien müssen diese Widersprüche integrieren.
3.6 Fazit Die vorliegenden Ergebnisse unterliegen natürlich einigen Einschränkungen. Sie sind aufgrund der selbstselektierten, politisch interessierten Bildungsstichprobe von Internetnutzern nicht (oder nur mit großer Vorsicht) auf die Gesamtheit der Deutschen verallgemeinerbar. Auch die große Anzahl gleichzeitig untersuchter Fragestellungen und potentieller Einflussfaktoren sowie die teilweise zu anderen Studien widersprüchlichen Ergebnisse mahnen zu vorsichtiger Interpretation. Die vorliegenden Ergebnisse bieten aber trotzdem zahlreiche Anknüpfungspunkte für Diskussionen und vertiefende oder weiterführende Forschungen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine direkte Vorhersage, wann es zu einer verstärkten Zustimmung zu Militäreinsätzen oder Akzeptanz von Sicherheitsverschärfungen kommt, nicht allein an Hand der Wertedimensionen und des Autoritarismus getroffen werden kann. Für Effekte der Wertedimensionen fanden sich wenige Belege, für
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VII Vorstudien und Vertiefungen
Autoritarismus eine Vielzahl. Auch wenn in diesen persönlichkeitsnahen Konstrukten eine Art Prädisposition zu finden ist, so hängt doch die letztliche Meinungsbildung auch in hohem Maße von der subjektiv wahrgenommenen Bedrohung ab. Diese wiederum ist, das zeigt das Experiment, selbst in einer Bildungsstichprobe durchaus manipulierbar – im vorliegenden Fall durch einen einzigen Zeitungsartikel. Wenn man bedenkt, dass wir alle regelmäßig derart bedrohlichen Nachrichten aus den Massenmedien ausgesetzt sind, muss man annehmen, dass selbst wenig oder nicht autoritäre Personen auf diese Art und Weise langsam aber sicher für eine Akzeptanz von (grundgesetzwidrigen) deutschen Beteiligungen an internationalen Militäreinsätzen und eine erhöhte Überwachung im Inland „mürbe“ gemacht werden. Mit anderen Worten entspricht das der bereits diskutierten „situationalen autoritären Persönlichkeit“, und dem Erklärungsmodell einer Flucht in die Obhut von Autoritäten, wenn die gefühlte Bedrohung scheinbar übermächtig wird. Bei einer Bedrohung von nationalem Ausmaß stellt mit großer Wahrscheinlichkeit für viele Menschen die Regierung diese Autoritätsinstanz dar. Und wenn diese Instanz den Weg von Militäreinsätzen und Sicherheitserhöhungen beschreitet, besteht die Gefahr, dass sich auch Menschen, die in „normalen Zeiten“ nicht als autoritär oder militaristisch gelten, sich dem auch deshalb anschließen, weil sie sich so stark bedroht fühlen, und deshalb auf Autoritäten vertrauen. Auch wenn jetzt eher spekulatives Terrain betreten wird – sollten uns diese Befunde nicht doch nachdenklich stimmen? Falls es tatsächlich die Regierung eines Staates ist, der sich Menschen hilfesuchend zuwendet, wenn sie sich bedroht fühlen und ihre eigenen Bewältigungsstrategien sich erschöpft haben, dann erscheint doch auch der nach dem 11. September 2001 in den USA und weltweit sichtbare „Medienrummel“ in einem ganz anderen Licht. Es drängt sich die Interpretation auf, dass „man sich hier wirklich Mühe gegeben hat“, die kollektive Angst und die Betroffenheit mit der tatkräftigen Unterstützung der Medien (und offensichtlich sind wir beeinflussbar, manipulierbar!) so lange wie möglich am Leben zu halten – lange genug, um einen Krieg gegen die sogenannte „Achse des Bösen“ anzuschieben und so ganz nebenbei die vorher viel diskutierten Fingerabdrücke in den Pässen der Bürger zur Normalität werden zu lassen? Kennen und nutzen die Regierungen die Ergebnisse der gängigen Studien auch? Mit Sicherheit ist anzunehmen, dass genaue Kenntnisse über die manipulative Macht der Medien längst auch Werkzeuge im Repertoire von terroristischen Gruppierungen sind, die ja die Medien ganz gezielt für ihre Zwecke nutzen (Kunczik, 1998). Die Frage sollte also nicht nur sein, welche Schäden terroristische Gruppen mit ihren Anschlägen anrichten, sondern vielmehr auch, was diese neue Bedrohung mit uns macht, ob und wie sie uns verändert – als Nation und jeden einzelnen von uns.
Gabriela Christoph, unter Mitarbeit von Wolfgang Frindte und Nicole Haußecker
VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt – Mediale Sequenzierung und emotionales Erleben VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt
Im diesem Beitrag werden die Ergebnisse eines Experiments vorgestellt, in dem die Wirkung spezifischer Dramatisierungstendenzen im Rahmen von Terrorismusberichten auf die emotionale Befindlichkeit der Rezipienten untersucht wurde. Ziel war es, den von Grimm (1999) beschriebenen Robespierre-Effekt zu replizieren. Dieser Beitrag verdeutlicht einerseits mögliche kausale Zusammenhänge zwischen spezifischen medialen Dramatisierungsstrategien und dem individuellen Erleben der Rezipienten, andererseits öffnet er auch den Blick auf zukünftige Forschungen.
1 Robespierre-Effekt 1 Robespierre-Effekt Eine – nicht nur in diesem Buch und auch nicht nur in der Medienforschung – hartnäckig geführte Diskussion dreht sich darum, welche (emotionalen) Auswirkungen die von Medien dargebotenen Themen auf den Rezipienten haben. Vielfältige Forschungsbemühungen setzen sich insbesondere mit der Frage auseinander, welche Rolle den Medien bei der Auslösung bestimmter emotionaler (aggressiver) Reaktionen bei den Rezipienten zukommt (Kunczik, 1995; Kunczik & Zipfel, 2006b). Auch in den bisherigen Kapiteln dieses Bandes stand diese Frage immer wieder im Zentrum der Darstellung. Komplexe Faktoren und Bedingungen, sowohl auf Rezipientenseite als auch auf Seiten der Medien wirken zusammen, sodass nicht jede mediale Gewaltdarstellung automatisch zu gleichen Reaktion auf der Seite der Rezipienten führt (Kunczik & Zipfel, 2006a, S. 18). Die Forschungsbemühungen von Jürgen Grimm sind in diesem Themenbereich besonders hervorzuheben, liefern sie uns doch einen interessanten Zugang, um unsere zentrale Thematik vom Zusammenhang von medialer Inszenierung und individuellen Interpretationen des Terrorismus weiter zu spezifizieren und empirisch genauer zu beobachten. Grimm stellte in seinen umfangreichen Untersuchungen zur Filmrezeption fest, dass vor allem die dramaturgische Struktur der medialen Darstellung einen Einfluss auf die Rezipienten hat. In Folge der Rezeption bestimmter medialer Gewaltdarstellungen, konnte er eine gewaltbereite (antisoziale) Handlungsmotivation auf der Seite der Rezipienten128 feststellen (Grimm, 1999; 2000). Durch die Variation bestimmter Filmsequenzen ist es gelungen, einen „Anti-Gewalt-Effekt“ nachzuweisen. Unter anderen Reihenfolgebedingungen ließ sich dieser
128
Grimm bezeichnet diese „gewaltbereite Handlungsmotivation“ auch als „antisoziale Wirkungsresultate“, da eine erhöhte Gewaltbereitschaft von Seiten der Zuschauer das Resultat der Rezeption medialer Gewaltdarstellungen sei (Grimm, 1999; 2000).
W. Frindte, N. Haußecker (Hrsg.), Inszenierter Terrorismus, DOI 10.1007/978-3-531-92579-0_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
296
VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt
Effekt wiederum im Sinne einer „Gewalt-Verstärkung“ umkehren. Dieses Phänomen bezeichnet Grimm (1999) als Robespierre-Affekt129 (Grimm, 1999; Kunczik & Zipfel, 2002, 2006a). Dabei wandelt sich ein zunächst gewaltkritischer Impuls in Aggression gegen den Täter um und führt auf der Seite des Rezipienten zu einer emotionalen Reaktion in Form von unbestimmten Rachegefühlen130. In mehrteiligen Studien, in denen 1202 Probanden daraufhin untersucht wurden, welche physiologische und psychologische Wirkung von der Rezeption von Fernsehgewalt ausgeht, konnte Grimm den Robespierre-Effekt empirisch nachweisen (Grimm, 1998; 1999). Im Vordergrund dieser Studien stand die Frage, inwieweit es möglich ist, bei Zuschauern in Folge der Rezeption von Spielfilmausschnitten mit gewaltbezogenen Inhalten eine Veränderung des Aggressionsniveaus hervorzurufen. Dreh und Angelpunkt der Grimmschen Filmexperimente war die Unterscheidung der Filmsequenzen in „Männergewalt“ (Männer üben Gewalt gegenüber Frauen aus) und „Frauengewalt“ (Frauen üben Gewalt gegenüber Männern aus) (Grimm, 1999, 571ff.). Dabei ließ sich feststellen, dass insbesondere Männer unter der Filmbedingung „Frauengewalt ĺ Männergewalt“ einen Abbau reaktiver Aggressionen zeigten und unter der umgekehrten Reihenfolge „Männergewalt ĺ Frauengewalt“ mit einem Anstieg des aggressiven Potentials reagierten. Genau diesen Effekt der Aggressionssteigerung in Folge einer bestimmten Sequenzfolge bezeichnete Grimm (1998) als den Robespierre-Effekt.
2 Theoretischer Rahmen 2 Theoretischer Rahmen Bei den von Grimm postulierten Erklärungsversuch, insbesondere im Hinblick auf die Erklärung des Robespierre-Effektes, handelt es sich um einen Erklärungsansatz, der versucht, kognitive, physiologische und emotionale Faktoren als wichtige Determinanten, die den Rezipienten beeinflussen, in ein Modell zu integrieren (Grimm, 1999, S. 217). Insofern dürfte dieses Modell auch im Rahmen der Jenaer Terrorismus Studie interessant sein. Die körperliche Erregung der Zuschauer und die bei ihnen stattfindenden kognitiven Prozesse sind demnach miteinander verzahnt und bestimmen die Zuwendung der Zuschauer zu gewalthaltigem Filmmaterial. Der Zuschauer konsumiert violente Film- oder andere mediale Darstellungen u.a. aufgrund potentieller physiologischer Reaktionen, die er sich von der Rezeption verspricht und die er als anregend empfindet (Kunczik & Zipfel, 2006). Diese „Erregung“ hat wiederum – in Abhängigkeit von den Dispositionen der Person – Auswirkungen auf den emotionalen Zustand der Person. Ausgehend von diesem Ansatz und den Ergebnissen der Untersuchungen leitete Grimm (1997) das Modell der Opferrezeption ab, in dem die Perspektive des Gewaltopfers den Ausgangspunkt für alle (kognitiven) Wirkungsprozesse der Medien bildet. Die Probanden identifizierten sich vorrangig mit den dargestellten Gewaltopfern. Gleichzeitig lehnten die Rezipienten die „Gewaltmodelle“ (Täter) bzw. deren Gewalt-Handlungen stärker ab (Grimm, 1999, S. 626; Kunczik & Zipfel, 2004, S. 10). Eine Ausnahme stellt nun aber der Robespierre-Effekt dar. Ausgehend von der
129 130
Im Folgenden wird von einem Effekt gesprochen, da es sich bei diesem Phänomen um einen „Umkehrungseffekt“ handelt (Kunczik, 1995, S. 13). Rachegefühle sind nach Grimm (1999) als Gefühle der Wut und des Ärgers zu verstehen.
3 Fragestellung und Hypothesen
297
Opferperspektive beschreibt Grimm drei mögliche Wirkungspfade medialer Gewaltdarstellungen. Zunächst wird zwischen einer fiktionsbezogenen („Fiction“) und einer wirklichkeitsbezogenen Rezeptionshaltung („Faction“) unterschieden. Die erste Wirkungsmöglichkeit (erster „Pfad“) ist die Erzeugung von Angst, die mit einer Aggressionsminderung bzw. -hemmung einhergeht (Grimm, 1998, S. 29). Der Zuschauer „fühlt“ sich in die Situation des Opfers ein und erlebt „stellvertretend“ dessen Leid bzw. Angst. Auf einem zweiten „Pfad“, dem sogenannten „Robespierre-Pfad“, kommt es zu einem aggressionssteigernden Umkehreffekt (Grimm, 1998, S. 29). Im Unterschied zum ersten Pfad müssen zwei weitere Bedingungen erfüllt sein, damit es nicht zu einer „Angstreaktion“ kommt. Schon im Rahmen der fiktionsbezogenen Rezeptionshaltung müsste der Zuschauer „Widerstand“ gegen den vom dargestellten Opfer ausgehenden Einfühlungsstress leisten. Zudem bedarf es der Entwicklung von Rachegefühlen auf Seiten des Rezipienten, die eine Verschiebung von Mitleid mit dem Opfer zu Wut gegenüber dem Täter ermöglichen und damit die Umwandlung von Angst in Aggression bewirken. Weiterhin bedarf es der Aktivität bestimmter moralischer Kategorien131, die dem Racheimpuls den Anschein sozialer Akzeptanz verleihen (Grimm, 1998, S. 29; Grimm, 2002, S. 170). Als dritten „Pfad“ der Opferrezeption hat Grimm (2002) den sogenannten „Tragikeffekt“ ergänzt. Unter der Bedingung, dass sich der Rezipient intensiv in das Opfer einfühlt, kann es im Gegensatz zum „Angstpfad“ zu einer Art Entspannungsreaktion132 kommen. Es scheint, als ob das Miterleben eines tragischen Endes für das Individuum eine Erleichterung darstellen könnte, indem es sich mit den unabänderlichen Tatbeständen abfinde und sich somit vom dargestellten Sachverhalt ablösen könne. Folglich ist weder eine Aggressions-, noch eine bedeutsame Angstreaktion von Seiten des Rezipienten zu beobachten (Kunczik & Zipfel, 2004). Zusammenfassend ist also festzustellen, dass nur bestimmte Filmopfer, die aus der Sicht der Versuchspersonen nicht angemessen „gerächt“ wurden und damit beim Zuschauer ein Gefühl der Entrüstung (Wut, Ärger) hervorriefen, einen gewaltsteigernden Effekt bewirken.
3 Fragestellung und Hypothesen 3 Fragestellung und Hypothesen Ausgehend von den Grimmschen Untersuchungen zum Robespierre-Effekt und dessen Erklärungsansätzen (Grimm, 1996; 1999) eröffnen sich eine Reihe von Fragestellungen. Zunächst soll im Folgenden geklärt werden, ob generell unterschiedliche emotionalen Reaktionen der Probanden in Folge der Rezeption von Sequenzen unterschiedlicher Fernsehgenres hervorgerufen werden können. In Anlehnung an die von Grimm genutzte Variation verschiedener Spielfilmsequenzen und den dadurch hervorgerufenen Robespierre-Effekt ist bisher ungeklärt, ob der Effekt auch bei Rezeption des alltäglichen Fernsehprogrammes, z.B. bei der Nachrichtenberichterstattung über Krieg oder Terror auftritt. Vor diesem Hintergrund wurden folgende Forschungsfragen formuliert:
131 132
Dies wird im Sinne „moralischer Wertvorstellungen“ des Individuums verstanden (Grimm, 1999). Grimm (1999) bezeichnet dies als ein Gefühl der „weltüberlegene Gelassenheit“.
298
VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt
Hypothese 1: Generell führt die Rezeption von Kriegshandlungen im Rahmen der Nachrichtenberichterstattung im Unterschied zur Rezeption von kommerzieller Werbung zu einer stärkeren emotionalen Reaktion. Eine Veränderung des „emotionalen Zustandes“ wurde in der folgenden Studie bezüglich eines sich vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt verändernden Angst- bzw. AggressionsLevels der Versuchsteilnehmer verstanden. Daraus ergeben sich folgende Spezifikationen: Hypothese 1a: Die Rezeption von Terror- und Kriegshandlungen im Rahmen der Nachrichtenberichterstattung führt im Unterschied zur Rezeption von kommerzieller Werbung zu einer stärkeren Veränderung der emotionalen Angstreaktion. Hypothese 1b: Die Rezeption von Terror- und Kriegshandlungen im Rahmen der Nachrichtenberichterstattung führt im Unterschied zur Rezeption von kommerzieller Werbung zu einer stärkeren Veränderung des Aggressionsniveaus. Nach der in Hypothesenblock 1 angenommenen Vermutung, dass sich der emotionale Zustand der Probanden in Abhängigkeit des rezipierten Materials unterscheidet, erfolgte im zweiten Schritt die weitere Prüfung potentieller Unterschiede in Folge verschieden zusammengesetzter Filmsequenzen. Hypothese 2: In Abhängigkeit unterschiedlicher Sequenzierungen von Ausschnitten aus der Kriegs- und Krisenberichterstattung, kommt es zu Unterschieden im postrezeptiven Angst- und Aggressionszustandes der Rezipienten. In Abhängigkeit der verschiedenen Sequenzkombinationen lassen sich wiederum folgende Hypothesen differenzieren: Hypothese 2a: Nach Beobachtung der Filmsequenzen „positive Sequenz ĺ konflikthafte angstauslösende Sequenz“ (Gruppe 2) ist ein höheres Angstniveau zu erwarten als in der Folge „positive Sequenz ĺ konflikthafte aggressionsauslösende Sequenz“ (Gruppe 1) bzw. als in den Werbesequenz-Folgen (Kontrollgruppe). Hypothese 2b: Nach Beobachtung der Filmsequenzen „positive Sequenz ĺ konflikthafte aggressionsauslösende Sequenz“ (Gruppe 1) ist ein höheres Aggressionsniveau als in der Folge „positive Sequenz ĺ konflikthafte angstauslösende Sequenz“ (Gruppe 2) bzw. in den Werbesequenz-Folgen (Kontrollgruppe).
4 Methode
299
4 Methode 4 Methode 4.1 Stichprobe An der experimentellen Untersuchung nahmen insgesamt 90 Studenten teil133, die im Mittel 22.5 Jahre alt (SD = 4.15) sind. Der überwiegende Teil der Teilnehmer (74.4%) waren Frauen (25.6% männlich). Die Mehrheit der Stichprobe studierte Psychologie im Hauptfach (27.8%) oder im Nebenfach in Kombination mit Erziehungswissenschaft (22.2%) oder Soziologie (6.7%). Im Durchschnitt gaben die Befragten an, circa 7.5 Stunden (SD = 7.86) pro Woche Fernsehen zu schauen, vier Stunden Radio zu hören (SD = 5.73) und wöchentlich zwei Stunden Tageszeitung zu lesen (SD = 3.65). Ein Großteil der Befragten interessierte sich bei näherer Erfragung ihres Fernsehverhaltens vornehmlich für Nachrichtenberichterstattung (z.B. Abendnachrichten), weniger für Unterhaltungssendungen. Die 90 Studienteilnehmer wurden zufällig den einzelnen Bedingungen zugeordnet, so dass sich drei Gruppen mit jeweils einem Stichprobenumfang von 30 Personen ergaben. Der Vergleich der Gruppen ergibt keine wesentlichen intergruppalen Unterschiede.
4.2 Instrumente Wir erläutern zunächst die mit dem Fragebogen operationalisierten und erhobenen Konstrukte und deren Messung. Die ausschließlich quantitative Datenerhebung erfolgte zu Prä- und Post-Zeitpunkten mit einem ähnlich gehaltenen Fragebogen. Mit diesem Vorgehen wurde angestrebt, die Vergleichbarkeit des Messinstrumentes zu erhalten und entsprechend die gleichen Konstrukte zu beiden Zeitpunkten zu messen. Zur (schriftlichen) Beantwortung der Skalen und Items standen den Probanden entweder ein siebenstufiges, vierstufiges oder ein „ja/nein“-Antwortformat zur Verfügung. Momentane und habituelle Angst: Skalen zur Messung aktueller Ängstlichkeit (State) sowie dem habituellen Angstniveau (Trait) wurden dem „State-Trait-Angstinventar“ (Schwenkenmezger, 1985; Spielberger et al., 1980) in der deutschen Fassung von Laux et al. (1981) entnommen (Laux, 1981, Steyer et al., 1988). Das Inventar besteht aus zwei getrennten Fragbögen mit jeweils 20 Items auf einer vierstufigen Antwortskala (1 = fast nie; 4 = fast immer). Für die weiteren Analysen erfolgte die Berechnung der Mittelwerte für State- und Trait-Angst in der Gesamtstichprobe und in allen Gruppen. Ein höherer Wert auf den Skalen entspricht jeweils einer höheren Angstausprägung (für Trait und State). Reliabilitätsanalysen134 für die Gesamtstichprobe von N = 90 ergeben zum ersten Zeitpunkt einen leicht höheren Koeffizienten für die State-Angst
133 134
Die Rekrutierung erfolgte Anfang November 2008 an der FSU Jena (siehe ausführlich Christoph, 2009). Die Güte der Skalen wird nach Cronbachs Alpha bestimmt (Bortz & Döring, 2006).
300
VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt
mit ΅ = 0.89, als zum zweiten Messzeitpunkt (΅ = 0.86). Ein vergleichbares Bild bezüglich der Reliabilitätsschätzungen zeigte sich in den einzelnen Gruppen (jeweils N = 30)135. Aggression: In Anlehnung an das Grimmsche Vorgehen (Grimm, 1999, S. 327) wurden zwei der fünf Subskalen des mehrdimensionalen Fragebogens zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren verwandt (Selg & Hampel, 1975): die Faktoren „Reaktive Aggression“ mit 13 Items und „Hemmende Aggression“ mit 10 Items ihre Anwendung. Das Antwortformat beider Faktoren wurde in Anlehnung an Grimm et al. (1999) auf ein 7-stufiges Antwortformat (1 = „trifft auf mich überhaupt nicht zu“ bis 7 = „trifft auf mich völlig zu“) erweitert. Die weiteren Analysen basierten auf den über alle Items gebildeten Mittelwert aus den Faktoren „Reaktive Aggression“ und „Aggressionshemmung“. Für die Gesamtskala ergeben sich zu beiden Zeitpunkten mittlere Reliabilitätskoeffizienten in der Gesamtstichprobe (PräZeitpunkt: ΅ = .76; Post-Zeitpunkt: ΅ = .72)136. Ein höherer Wert auf dieser Skala entspricht einer höheren Zustimmung zu den jeweiligen Aussagen. Medienkonsum, Einstellung und Demographische Variablen: Neben den üblichen soziodemographischen Angaben zu Geschlecht, Alter und Studienfach (Haupt- und Nebenfach) wurden Informationen über die durchschnittliche Mediennutzung erbeten (wöchentlicher Umfang des Medienkonsums von TV, Radio und Tageszeitung in selbst eingeschätzten Stunden pro Woche) sowie das Interesse an „Unterhaltungssendungen“ und an „Nachrichtenberichten“ (siebenstufige Skala von 1 = überhaupt nicht interessiert; 7 = sehr interessiert). Semantisches Eindrucksdifferential: Um festzustellen, welche Vorstellungen die Probanden von den dargebotenen Filmmaterialien haben und welche Emotionen sie dabei empfanden, wurde den Probanden direkt in Folge der Sequenz-Darbietung ein „Semantisches Eindrucksdifferential“ nach Grimm et al. (1999) präsentiert. Auf 12 bipolaren Dimensionen sollte der persönliche (Gefühls-) Eindruck wiedergegeben werden. Zur Bestimmung der Eindruckstendenzen über das Filmmaterial, wurden die Items so rekodiert, dass auf einer Skala von +3 bis -3 positive Werte den „positiven“ Pol (z.B. „realistisch“) und negative Werte den „negativen“ Pol (z.B. „unrealistisch“) der Paare markierten.
4.3 Durchführung Die Untersuchung erfolgte mit Hilfe eines Prä-Post-Designs. Das Experiment gliederte sich in drei Teile (Zeitpunkt vor der Filmvorführung, Filmvorführung und Zeitpunkt nach der Filmvorführung). Der Versuchsablauf ist in Abbildung 8.1 veranschaulicht und wird im Folgenden kurz erläutert. 135 136
Die Reliabilitätsschätzungen der State Angst zu t1 liegen zwischen ΅ =.76 und ΅ =.90; zu t2 zwischen ΅ = .81 und ΅ = .85. Die Reliabilitätsschätzungen zu t1 liegen zwischen ΅ =.67 und ΅ =.79 und zu t2 zwischen ΅ =.66 und ΅ =.76.
4 Methode
301
t1
t2
Vor der Filmvorführung
Treatmentbedingung 1
Nach der Filmvorführung
Schriftliche Befragung
Treatmentbedingung 2
Schriftliche Befragung
Kontrollbedingung
Abbildung 8.1: Skizzierung des Untersuchungsablaufes
Vor der Filmvorführung erfolgte eine standardisierte schriftliche Befragung zu folgenden Bereichen: Demographische Variablen, Angst, Aggression sowie Testwerte zur Mediennutzung und Einstellung gegenüber militärischer Einsätze. Unmittelbar nach der Beantwortung sahen die Versuchspersonen Filmsequenzfolgen mit einer Gesamtdauer von acht Minuten, die je nach Gruppe verschieden waren. Im direkten Anschluss erfolgte schließlich eine nochmalige standardisierte schriftliche Befragung, die das Semantische Differential und Fragen zur Aggression bzw. Angst beinhaltete. Zentraler Kern des Designs waren die verschiedenen Filmgruppen. In den Treatmentbedingungen eins und zwei wurden Art und Reihenfolge zweier Sequenzen variiert. Inhaltlich handelte es sich hierbei um Nachrichtenberichte aus dem Kriegs- und Krisengebiet Afghanistans (s.u.). Da die Kontrollgruppe als Vergleichsbasis diente, wurden den Mitglieder dieser Gruppe zwei neutrale Werbefilmausschnitte präsentiert.
4.4 Nachrichtenfilmmaterial Im Folgenden beschreiben wir kurz das in den Gruppen verwandte Stimulusmaterial.137 Jeder Gruppe wurde nach Beantwortung des ersten Fragebogens ein Filmzusammenschnitt präsentiert, bestehend aus jeweils zwei Sequenzen. Die Darbietung erfolgte in allen Gruppen ohne Ton, da eine potentielle Wirkung allein von den „Bildern“ ausgehen sollte. In den Experimentalgruppen wurden verschieden variierte Sequenzen aus dem Bereich der Nachrichtenberichterstattung über das „Krisen- und Kriegsgebiet“ Afghanistan präsentiert. Das Material wurde der Nachrichten-Dokumentation der Jenaer Terrorismus Studie entnommen138. Im Einzelnen handelt es sich um drei thematisch unterschiedliche Sequenzen: „Deutsche Soldaten als Helfer“, „Deutsche Soldaten als Opfer“ und „Zivile Opfer des Afghanistankrieges“. Eine Übersicht über den Inhalt der in den Gruppen gezeigten 137
138
Dieses Stimulusmaterial wurde zuvor im Rahmen einer Rater-Untersuchung der Bestimmung der Intraklassenkorrelation unterworfen. Nach Greve und Wentura (1991) gibt dieses Maß Aufschluss darüber, inwieweit das Material ähnliche „Gefühlseindrücke“ bei den Personen hinterlässt. Im Rahmen des Projektes erfolgte zwischen August 2007 und Februar 2009 die Aufzeichnung und Analyse der Hauptnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat.1, in denen Terroranschläge, Terrorismus und Anti-Terror-Maßnahmen thematisiert wurden. Weitere Informationen zum Projekt online verfügbar auf: www.ifkw.uni-jena.de (23. Mai 2010).
302
VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt
Sequenzen ist in Tabelle 8.1 wiedergegeben. Diese Hauptsequenzen setzen sich wiederum aus kurzen TV-Mitschnitten, insbesondere aus den Öffentlich-Rechtlichen Sendern139 des Zeitraumes von Januar 2008 bis Oktober 2008 zusammen. Um einen zwischen den Gruppen vergleichbaren Ablauf zu gewährleisten, umfasste das Material der Kontrollgruppe ebenfalls zwei Sequenzen. Hierbei handelte es sich – wie schon erwähnt – um Zusammenschnitte verschiedener Gesundheits- und Apotheken-Werbespots. Eine vorgeschaltete Untersuchung zur Bestimmung der Interrater-Reliabilität ergab für alle Sequenzen hohe Interrater-Übereinstimmungen. Die Koeffizienten lagen zwischen IC = .89 und IC = .98140 (Bortz & Döring, 2006, S. 252). Tabelle 8.1: Überblick über den Inhalt der Sequenzen Sequenz
Inhalt
A (positive, konfliktfreie Sequenz)
Berichte über helfende deutsche Soldaten in Afghanistan, Entladen eines Hilfstransporters, Unterhaltung mit Einheimischen
B (negative, aggressionsauslösende Sequenz)
filmische und bildliche Darstellung deutscher Soldaten als Opfer; flüchtende Soldaten; Explosionen; Trauerfeier für Opfer
C (negative, angstauslösende Sequenz)
filmische und bildliche Darstellung afghanischer Zivilbevölkerung als Opfer; weinende Kinder, Frauen und Alte; Tote; zerstörte Umgebung
D&E (Werbung)
verschiedene Werbespots über Gesundheit und pflanzliche Medikamente
Entsprechend des Designs sind aus den verschiedenen Sequenzen A bis E drei Hauptsequenzen gebildet worden, sodass eine „Hauptsequenz“ immer zwei Teilsequenzen beinhaltet. Die Probanden sahen jeweils eine der drei Hauptsequenzen, je nachdem welcher Gruppe sie angehörten. Ein Überblick über die Kombination der Sequenzreihengenfolgen ist in Tabelle 8.2 dargestellt: Tabelle 8.2: Überblick über die Variation der Sequenzen in den Gruppen Gruppe
Sequenzvariation
Gruppe 1
Seq. A [„Deutsche Soldaten als Helfer“] ĺ Seq. B [„Deutsche Soldaten als Opfer“]
Gruppe 2
Seq. A [„Deutsche Soldaten als Helfer“] ĺ Seq. C [„Zivile Opfer des Afghanistankrieges“]
Kontrollgruppe Seq. D [„Apotheken- und Gesundheitswerbung“] ĺ Seq. E [„Apotheken- & Gesundheitswerbung“]
139 140
ZDF, ARD, ARTE; Ausnahme: eine Sequenz von Sat.1 Die Einschätzung der Sequenzen erfolgte mittels des „Semantischen Differentials“ auf 12 Dimensionen und unabhängig von den hier vorgestellten Daten.
5 Ergebnisse
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5 Ergebnisse 5 Ergebnisse Die Betrachtung der deskriptiven Ergebnisse der drei Teilstichproben zeigt zum ersten Messzeitpunkt geringe Unterschiede in den Mittelwerten der Variablen State Angst und Aggression (MSAngst = 1.69 bis M = 1.91; MAgg = 3.49 bis M = 3.57). Die in den Gruppen gemessenen Angstwerte liegen unter denen der Aggression. Eine zwischen den Gruppen vergleichende Betrachtung der Ergebnisse dieser Konstrukte zum zweiten Zeitpunkt zeigt dagegen ein differenzierteres Bild (Tabelle 8.3). In den Experimentalgruppen, nicht jedoch in der Kontrollgruppe, kann eine Veränderung141 der Angst- und Aggressionsmittelwerte festgestellt werden. Für das State-Angst-Konstrukt ergibt sich in der Gruppe eins eine Mittelwertdifferenz von MDiff .= .43 (SD = .36)142, für die Gruppe zwei eine Differenz von MDiff .= .44 (SD = .36) und für die Kontrollgruppe nur ein Unterschied von MDiff .= .01 (SD = .08). Die für „Aggression“ berechnete Mittelwertdifferenz beträgt in der ersten Gruppe MDiff. = .93 (SD = .68); in der zweiten Gruppe ist diese MDiff .= .92 (SD = .68) und in der Kontrollgruppe nur MDiff. = .06 (SD = .61). Diese Prä- Postvergleiche sind noch nicht im statistischen Sinne als „bedeutsam“ zu betrachten. Tabelle 8.3: Mittelwerte der Gruppen zu Zeitpunkt 1 und 2 Kontrollgruppe Zeitpunkt 1
Zeitpunkt 2
Gruppe 1
Gruppe 2
Merkmal State Angst
na 30
M 1.69
SD .28
M 1.91
SD .44
M 1.91
SD .39
Trait Angst
30
2.10
.39
2.13
.37
2.11
.38
Aggression State Angst
30 30
3.57 2.46
.59 .33
3.59 2.35
.66 .35
3.49 1.91
.58 .43
Aggression
30
2.10
.39
4.52
.52
3.55
.64
Anmerkung: Dargestellt sind Mittelwerte (M) und Standardabweichung (SD) von Kontrollgrupe, Gruppe 1 und 2 na = Versuchspersonen pro Gruppe
Als Ergänzung der Betrachtung von Angst und Aggression erfolgte unter zu Hilfenahme des Semantischen Differentials in allen Gruppen die Messung des „momentanen“ Eindrucks der Probanden nach der Filmrezeption. Die Profile (Abbildung 8.2 bis 8.4) der einzelnen Gruppen geben einen anschaulichen Überblick über folgende ausgewählte Dimensionen: beruhigend-beunruhigend; ängstigend-abstumpfend; unkritisch-kritisch; unrealistischrealistisch; uninteressant-interessant und unangenehm-angenehm wieder. Auf der horizontalen Achse erstreckt sich der Wertebereich der Eindrucksurteile von -2.5 bis +2.5. Die „Null“ markiert den Mittelpunkt „weder noch“.
141 142
Es handelt sich hierbei um eine deskriptive Betrachtung. Differenz des Mittelwertes = MDiff
304
VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt
Abbildung 8.2: Kontrollgruppe
Das Profil der Kontrollgruppe (Abbildung 8.2) zeigt leichte Ausschläge sowohl in positiver, als auch negativer Richtung. Die dargebotenen Werbespots werden als uninteressant (M = -.967; SD = 1.54) und unkritisch eingeschätzt (M = -1.13; SD = 2.24). Auf den übrigen Dimensionen gibt es keine nennenswerten Reaktionen von Seiten der Teilnehmer, sodass sich die Urteile um den Nullpunkt „weder noch“ bewegen.
Abbildung 8.3: Experimentalgruppe 1
5 Ergebnisse
305
Deutliche emotionale Reaktionen zeigen hingegen die Versuchsteilnehmer der ersten Gruppe (Abbildung 8.3), welche die Sequenz „Deutsche Soldaten als Helfer“ und anschließend die Sequenz „Deutsche Soldaten als Opfer“ rezipierten. Die Rezipienten empfinden das dargebotene Material im Mittel als interessant (M = 1.43; SD = 1.19), realistisch (M = 1.43; SD = 1.19) und kritisch (M = .97; SD = 1.42). Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass die dargebotenen Sequenzen ein gutes Abbild der alltäglichen Nachrichtenberichterstattung über Afghanistan darstellen. Auffallend sind die negativen Urteile, die darauf hindeuten, dass die Teilnehmer dieser Gruppe vom Material emotional stark angesprochen wurden. Die Probanden beurteilen das Nachrichtenfilmmaterial als unangenehm (M = -1.99; SD = .85), beunruhigend (M = -1.5; SD = 1.31) und angsterregend (M = .83; SD = 1.46).
Abbildung 8.4: Experimentalgruppe 2
Das Profil der zweiten Experimentalgruppe (Abbildung 8.4) ist der ersten Gruppe relativ ähnlich, jedoch erlebten die Rezipienten das Material wesentlich belastender. Beispielsweise zeigte sich eine als stärker eingeschätzte ängstigende (M = -2.3; SD = .87) und beunruhigende Wirkung der Szenen (M = -1.9; SD = 1.21), so dass in dieser Gruppe insbesondere eine negative emotionale Reaktion anzunehmen ist. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als dass im Unterschied zur ersten Gruppe nach Darstellung der Sequenz A („Deutsche Soldaten als Helfer“) eine angststeigernde Sequenz („Zivile Opfer des Afghanistankrieges“) folgte. Die dargebotenen Filmsequenzen stellen, den Beurteilungen dieser Gruppe entsprechend, ebenfalls einen realistischen Ausschnitt der Nachrichtenberichterstattung dar. Die Teilnehmer bewerten das Material als realistisch (M = 2.03; SD = .99) und interessant (M = 1.77; SD = 1.07). Zur Überprüfung der statistischen Signifikanz dieser (deskriptiv) beschriebenen Gruppenunterschiede wurden varianzanalytische Berechnungen herangezogen. Der multivariate
306
VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt
Test auf Unterschiede ist statistisch bedeutsam (F = .91; p ǂ .01). Mindestens zwei der drei Gruppen unterscheiden sich demnach auf den abgefragten Eindrucksdimensionen. Aus den Analysen ist erkennbar, dass sich die Mittelwerte der Eindrucksdifferentiale der Experimentalgruppen eins und zwei im Vergleich zur Kontrollgruppe voneinander signifikant unterscheiden. Die beiden Experimentalgruppen hingegen unterscheiden sich im Mittelwertvergleich bis auf die Dimension „ängstigend-abgestumpft“ nicht signifikant voneinander. Im Folgenden werden nun die Ergebnisse zum Robespierre-Effekt überprüft.143 Im Rahmen der ersten Hypothese und deren Unterhypothesen erfolgte (noch) keine Differenzierung zwischen den beiden Experimentalgruppen; es wird lediglich auf verschiedene Effekte zwischen Kontroll- und Experimentalstichprobe geprüft. Hypothese 1: Zur Überprüfung wurde wie folgt vorgegangen: Die mittleren Ausprägungen von Angst und Aggression zum zweiten Zeitpunkt sind die abhängigen Variablen; die Gruppenzugehörigkeit die unabhängige Variable. Um mögliche Unterschiede zum ersten Zeitpunkt bezüglich der relevanten Variablen zu berücksichtigen, wurden Angst und Aggression des ersten Messzeitpunktes in die Berechnungen mit einbezogen (als Kovariate). Die Analysen ergaben einen signifikanten durchschnittlichen Treatmenteffekt (Λ2 = 117.78, p ǂ .001), ein Hinweis auf die durch die unterschiedlichen Bedingungen hervorgerufenen Unterschiede bezüglich der abhängigen Variable. Ebenso werden die im Rahmen der Analysen getesteten Einflüsse der Kovariaten signifikant (Λ2 = 605.31, p ǂ .001)144. Zu beiden Zeitpunkten wurden demnach die gleichen Konstrukte („Angst“ und „Aggression“) gemessen. Des Weiteren sind die Interaktionseffekte „Treatment*Kovariaten“ statistisch bedeutsam (Λ2 = 40.13, p ǂ .001), so dass angenommen werden kann, dass die Effekte bezüglich „Angst“ und „Aggression“ nicht gleich für alle Gruppen sind. Für eine verständlichere Ergebnisdarstellung werden im Folgenden die Resultate entsprechend der Teilhypothesen einzeln aufgeschlüsselt. Hypothese 1a: Im Rahmen der Hypothese 1a wurde untersucht, ob die Rezeption von Kriegshandlungen im Vergleich zur Rezeption von kommerzieller Werbung zu einer stärkeren Veränderung der emotionalen Angstreaktion führt. Dies konnte in Folge der Berechnungen bestätigt werden. Zum ersten Messzeitpunkt sind die Experimental- und Kontrollgruppe einander ähnlich, sodass keine Differenzen festgestellt werden konnten. Zum zweiten Zeitpunkt, also nach der Rezeption des Filmmaterials, ließen sich jedoch deutliche Unterschiede im Angstniveau zwischen Kontroll- und Experimentalgruppe nachweisen. Der durchschnitt-
143
144
Die Analysen erfolgten mittels des PC-Programms „EffectLite“ für uni- und multivariate Analysen von Mittelwertdifferenzen zwischen verschiedenen Gruppen (Steyer, 2008). Dieses Programm eignet sich vor allem deshalb, weil es Analysen von Kovariaten-Treatment-Outcome-Designs für mehr als zwei Gruppen ermöglicht (Steyer, ebd., S. 5). Weiterhin erlaubt es die Überprüfung der gefundenen Unterschiede auf Unkonfundiertheit und somit einen Schritt hin zur kausalen Interpretation der Ergebnisse. Das Signifikanzniveau für alle durchgeführten statistischen Tests wurde auf ΅ = .05 festgelegt.
5 Ergebnisse
307
liche (kausale) Effekt145 für die Variable „Angst“ beträgt ACE1-0 = 0.57 (SE = 0.06)146. Das mittlere Angstniveau zum Zeitpunkt zwei ist in der Experimentalgruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Der an der Variable „Angst“ erklärte Varianzanteil liegt über 60% (R2 = .65). Demnach ist die unterschiedliche Gruppenzugehörigkeit ein guter Prädiktor für den gefundenen Angsteffekt. Hypothese 1b: Im Mittelpunkt der Hypothese 1b stand die Vermutung, dass die verschiedenen Versuchsbedingungen zu Unterschieden in der Aggressionsreaktion führen. Zur Beantwortung dieser Hypothese wurde in gleicher Weise wie unter Hypothese 1a verfahren, wobei „Aggression“ zum zweiten Zeitpunkt die abhängige Variable bildete. Zusammenfassend zeigte sich zum ersten Messzeitpunkt wiederum kein Unterschied zwischen Experimentalund Kontrollgruppe. Zum zweiten Messzeitpunkt hingegen erbrachten die Berechnungen einen bedeutsamen Effekt, wenn Kontroll- und Experimentalgruppe bezüglich der Variable „Aggression“ (t2) verglichen wurden147. Je nach Gruppenzugehörigkeit ergaben sich demnach unterschiedliche Ausprägungen auf der Aggressionsvariable, wobei das Niveau in der Experimentalgruppe über dem der Kontrollgruppe liegt. Die Varianzaufklärung liegt bei 25% (R2 = .25) und damit niedriger als bei den Analysen der Angstvariablen. Zumindest teilweise liegt der Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe in der unterschiedlichen Gruppenzugehörigkeit begründet. Bevor die Experimentalgruppen nochmals differenziert betrachtet werden (Hypothese 2), bleibt festzuhalten, dass die Hypothese 1 bestätigt werden kann: Die Rezeption von Nachrichtenmaterial (Experimentalgruppen) führte im Vergleich zu den Werbefilmsequenzen (Kontrollgruppe) zu einer Veränderung des Angst- und Aggressionszustandes. Sowohl bezüglich der Angst als auch in Bezug auf die Aggressionsreaktion erreichten die Probanden der Experimentalgruppe die höheren Werte. In den folgenden Analysen werden die Experimentalgruppen differenziert betrachtet und geprüft, inwieweit sich in den Treatmentgruppen eins und zwei im Vergleich zu der Kontrollgruppe differenzierte Effekte finden lassen. Hypothese 2: Zur Prüfung der Hypothese werden die Unterschiede (bezüglich der abhängigen Variablen „Angst“ und „Aggression“) der beiden Experimentalgruppen zur Kontrollgruppe betrachtet148. Ebenso werden anfängliche Unterschiede durch Aufnahme des zum ersten Zeitpunkt 145
146 147 148
Im Folgenden wird mit der Abkürzung „ACE“ der durchschnittliche kausale Effekt beschrieben. Nach Steyer (2005) beschreibt der ACE1-0 den Unterschied zwischen Kontroll- und Experimentalgruppe zum zweiten Messzeitpunkt (t2), unter Kontrolle des Ausgangszustandes (t1). Mit einer Effektgröße von d = 1.29 ist dieser Effekt als sehr bedeutsam anzusehen (Steyer, 2008). Der festgestellte Unterschied zwischen den Gruppen ist ACE1-0 = .51 (SE = .13) und ist mit einer Effektgröße über d = 1 als groß zu beurteilen. Entsprechend wird im Folgenden zwischen den Effekten ACE1-0 (Unterschied zwischen Experimentalgruppe 1 und Kontrollgruppe) und ACE2-0 (Unterschied zwischen Experimentalgruppe 2 und Kontrollgruppe) differenziert.
308
VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt
gemessenen Angst- und Aggressionsniveaus als Kovariate berücksichtigt. Die für alle Gruppen simultan getestete Hypothese, ob ein Effekt im statistischen Sinn vorhanden ist, kann positiv beantwortet werden (Λ2 = 158.01, p ǂ .001). Personen unterschiedlicher Gruppenzugehörigkeiten verzeichnen verschiedene Ausprägungen auf den betrachteten abhängigen Variablen „Angst“ und „Aggression“. Ebenfalls kann ein relevanter Einfluss der Kovariaten (Aggression und Angst zum ersten Messzeitpunkt) festgestellt werden149. Wie schon unter Hypothese 1 erwähnt, messen Vor- und Nachtest die gleichen Konstrukte. Die Effekte sind jedoch in Abhängigkeit der Gruppenzugehörigkeit für die Probanden verschieden150. Für die betrachteten Variablen kann bezüglich der „Angst“ eine Varianzaufklärung von fast 70% (R2 = .69) und für „Aggression“ von über 50% (R2 = .55) erzielt werden. Der Umstand der verschieden Experimentalbedingungen spielt also eine wichtige Rolle für die festgestellten Angst- und Aggressionsniveaus der Gruppen. Hypothese 2a: Nach Beobachtung der Filmsequenzen „Deutsche Soldaten als Helfer“ ĺ „Zivile Opfer des Afghanistankrieges“ (Gruppe zwei) wurde ein höheres Angstniveau erwartet als nach Rezeption der anderen Sequenzfolgen (also die der Gruppe eins mit der Folge „Deutsche Soldaten als Helfer“ ĺ „Deutsche Soldaten als Opfer“ und der Kontrollgruppe mit den Werbesequenzen). Die detaillierten Analysen für die Variable Angst ergaben für den Vergleich der Gruppe zwei und der Kontrollgruppe einen durchschnittlichen Effekt von ACE2-0 = .96 (SE = .14)151; jedoch keine Unterschiede zwischen den beiden Treatmentgruppen. Dies bedeutet, dass es tatsächlich in der zweiten Gruppe, im Gegensatz zur Kontrollgruppe, eine starke Angstreaktion gab. Entgegen der aufgestellten Vermutung ließ sich jedoch auch in der ersten Gruppe ein solcher Angsteffekt feststellen. Abbildung 8.5 veranschaulicht die gefundenen Ergebnisse.
149 150 151
Der Ausgangszustand der Teilneher auf den Variablen „Angst“ und „Aggression“ hat einen statistisch bedeutsamen Einfluss (Λ2 = 605.31, p ǂ .001). Entsprechend wird die Interaktion von Kovariate und Treatment signifikant (Λ2 = 43.41, p ǂ .001). Ebenso ergab sich ein durchschnittlicher Effekt für den Vergleich von Experimentalgruppe 1 und Kontrollgruppe (ACE1-0 = .46; SE = .06)
5 Ergebnisse
309
3 Mittelwert
2,5 2 Kontrollgruppe
1,5
Gruppe 1
1
Gruppe 2
0,5 0 Zeitpunkt 1
Zeitpunkt 2
Abbildung 8.5: Vergleich der Angst-Mittelwerte
Dargestellt sind hierbei die in den jeweiligen Gruppen erzielten Angst-Mittelwerte beider Zeitpunkte. Das mittlere Angstniveau der zweiten Experimentalgruppe ist, wie erwartet, im Vergleich zur Kontrollgruppe höher ausgeprägt. Allerdings ließ sich der erwartete Unterschied in den Angstwerten zwischen Gruppe eins und zwei nicht feststellen. Im Rahmen der durchgeführten Berechnungen sind beide Gruppen in ihrem Angstniveau einander sehr ähnlich. Dies wiederspricht der in Hypothese 2a formulierten Vermutung, wonach das Angst-Level der Experimentalgruppe eins unter dem der zweiten Gruppe liegen sollte. Hypothese 2b: Analog des Vorgehens unter Hypothese 2a erfolgte die Analyse der in Hypothese 2b im Mittelpunkt stehenden Variable „Aggression“. Vermutet wurde eine hoch ausgeprägte Aggressionsreaktion der ersten Experimentalgruppe (Filmsequenz „Deutsche Soldaten als Helfer“ ĺ „Deutsche Soldaten als Opfer“). In der ersten Experimentalgruppe und in der Kontrollgruppe hingegen sollte sich keine Aggressionsreaktion zeigen. Dies ließ sich bestätigen. Entsprechend ergibt sich ein durchschnittlicher Effekt für den Vergleich von Kontrollgruppe und Gruppe eins (ACE1-0 = .67 (SE = .08)), der als sehr bedeutsam einzuschätzen ist. So sind es die Probanden der ersten Experimentalgruppe, die zum zweiten Messzeitpunkt ein wesentlich höheres Aggressionsniveau aufweisen als die Teilnehmer der Kontrollgruppe. In Bezug auf die abhängige Variable „Aggression“ konnte zwischen der Gruppe zwei und der Kontrollgruppe kein Unterschied festgestellt werden (ACE2-0 = .02 (SE = 0.13)). Die Teilnehmer dieser Gruppen sind in Bezug auf ihre Aggressionswerte (zum zweiten Zeitpunkt) einander nahezu gleich152. Die mittleren Aggressionswerte aller Gruppen sind in Abbildung 8.6 dargestellt.
152
Dieses Ergebnis wurde durch den Vergleich von Experimentalgruppe ein und zwei bestätigt. Es zeigten sich bedeutsame Unterschiede zwischen den Gruppen (t = 7.91; p ǂ .001).
310
VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt
5
Mittelwert
4 3
Kontrollgruppe
2
Gruppe 1
1
Gruppe 2
0 Zeitpunkt 1
Zeitpunkt 2
Abbildung 8.6: Vergleich der Aggressions-Mittelwerte
Zum ersten, nicht jedoch zum zweiten Messzeitpunkt, sind die Aggressionswerte aller Gruppen einander sehr ähnlich. Erst zum zweiten Zeitpunkt sticht insbesondere die erste Experimentalgruppe durch ein hohes Aggressionsniveau heraus. Die in dieser Experimentalgruppe rezipierte Sequenzfolge „Deutsche Soldaten als Helfer“ ĺ „Deutsche Soldaten als Opfer“ scheint die Ursache für diesen Anstieg zu sein. Es bleibt schließlich festzuhalten, dass die zum Robespierre-Effekt aufgestellten Hypothesen bestätigt werden können, wenn die Effekte von Kontroll- versus Experimentalgruppe eins (ACE1-0) und Kontroll- versus Experimentalgruppe zwei (ACE2-0) miteinander verglichen werden. Es ist ein Unterschied des Aggressionszustandes zwischen Kontroll- und Experimentalgruppe eins zum zweiten Zeitpunkt festzustellen. Solch ein Aggressionseffekt ließ sich im Vergleich von Kontroll- und Experimentalgruppe zwei nicht ermitteln. Ein aggressionssteigernder Effekt zeigte sich also nur bei denjenigen Versuchsteilnehmern, die die aggressionssteigernde Sequenz rezipierten („Deutsche Soldaten als Opfer“). Angemerkt sei jedoch, dass Unterschiede im Angstniveau sowohl im Vergleich von Kontroll- und Experimentalgruppe eins, als auch im Vergleich von Kontroll- und Experimentalgruppe zwei auftraten. Dies entspricht nicht vollständig der aufgestellten Hypothese, wonach nur bei Rezeption der angststeigernden Sequenzfolge („Zivile Opfer des Afghanistankrieges“) ein deutlicher Angsteffekt nachweisbar sein sollte.
6 Diskussion und Ausblick 6 Diskussion und Ausblick Die Untersuchung zum Robespierre-Effekt greift grundlegende empirische Befunde auf, die zeigen, dass unter bestimmten dramaturgischen Bedingungen ein aggressionsverstärkender Effekt in Folge der Rezeption gewaltvoller Filmmaterialien ausgelöst wird. Das Besondere ist das verwandte Material, das sich nicht – wie bei Grimm (1999) – aus fiktiven Filmszenen, sondern aus Mitschnitten von Fernsehnachrichten zusammensetzte. Den Ausgangspunkt der Grimmschen Überlegungen bildet die unterschiedliche Sequenzierung des medialen Materials in den verschiedenen Gruppen. Entsprechend erfolgte
6 Diskussion und Ausblick
311
in unserer Studie die Unterscheidung der Experimentalgruppen in Gruppe eins und der Gruppe zwei. Das von der ersten Gruppe rezipierte Stimulusmaterial zeigte zunächst deutsche Soldaten als „Helfer“ im Rahmen humanitärer Einsätze in Afghanistan, gefolgt von einer Sequenz, in der Bundeswehrsoldaten als Opfer solcher Einsätze dargestellt werden. Eine aggressionserleichternde Wirkung sollten die zuletzt platzierten (Film-)opfer haben. Dies ließ sich auch für die erste Experimentalgruppe nachweisen. Die so platzierten Opfer (Soldaten) werden aus Sicht des Zuschauers nicht angemessen gesühnt (es wurden keine weiteren Sequenzen über Attentäter oder Drahtzieher der Anschläge gezeigt) und lösen ein Gefühl der Entrüstung (Wut, Ärger) aus. Nach der Grimmschen Logik werden Probanden in Folge der Rezeption solch einer als offen wahrgenommenen Gewaltkette zu „aggressive[n] Schlussfolgerungen förmlich eingeladen“ (Grimm, 1999, S. 571). Die Rezipienten schreiben sich im Eifer der Empörung eine ihnen nicht zustehende moralische Kompetenz zu und kanalisieren ihre unspezifischen Gefühle des Unverständnisses in einem aggressiven (Rache-)Impuls (vgl. auch Grimm, 2000). Ziel des Rezipienten ist sozusagen eine Auflösung der als ungerecht erlebten offenen Situation. Die Integration unserer Ergebnisse in das von Grimm vorgeschlagene Modell der Opferrezeption könnte folgendermaßen aussehen: Voraussetzung des Modelles ist, dass sich die Rezipienten beider Gruppen in die Rolle der Opfer der jeweiligen Sequenzfolgen hineinversetzen, um eine aggressions- oder angstbezogene Reaktion hervorzurufen. Damit es schließlich zur Beschreitung des „Aggressions-Pfades“ (Grimm, 1998, S. 29) kommt, sollten die Rezipienten die Szenen zunächst als „belastend“ erleben und in Folge dessen versucht sein, diesem „Stress“ entgegenzuwirken. Das Entgegenwirken beschreibt nach Grimm die Transferierung von Trauer oder Mitleid mit dem dargestellten Opfer in Wut bzw. Aggression gegenüber den Tätern. Zieht man die Ergebnisse des Semantischen Differentials heran, fällt auf, dass Probanden der ersten Gruppe das Dargebotene als durchaus beunruhigend und unangenehm einschätzten. Die Probanden erlebten das Stimulusmaterial als belastend, sodass eine „Umwandlung“ dieser Gefühle in Wut und Aggression denkbar wäre. Solch eine Interpretation setzt jedoch voraus, dass zum Einen die Rezipienten tatsächlich eine „Opferperspektive“ einnehmen und zum Anderen der eben beschriebene Umwandlungsprozess zugunsten einer „aggressiven Reaktion“ stattfindet. Allerdings hält Grimm keine (überprüfbaren) Mechanismen bereit, wie dies in einer empirischen Untersuchung zu prüfen ist. Neben der mit dem „Robespierre-Pfad“ möglichen Erklärung des Aggressionsanstieges bietet das Grimmsche Modell aber auch eine Interpretation für den Angst-Effekt der Experimentalgruppe zwei an. Die in den Sequenzen der Gruppe zwei dargestellten Opfer werden im Gegensatz zu Gruppe eins eben nicht am Ende platziert, sondern bereits zu Beginn der Folge. In der ersten Sequenz sind zivile afghanische Opfer und in der zweiten Folge deutsche Soldaten als Helfer dargestellt. Hierbei wird die Gewaltkette als nicht offen erlebt, da die Opfer bereits zu Beginn dargeboten werden. Die zum Schluss platzierten deutschen Helfer stellen eine „Aussöhnung“ mit den zuvor als belastend erlebten Bildern dar. Entsprechend der andersgelagerten Positionierung der Opfer ist eine Angst-Wirkung im Sinne des „Angst-Pfades“ anzunehmen: Der Zuschauer fühlt sich in die dargestellte Situation des Opfers ein und „erlebt“ stellvertretend dessen Leid bzw. Angst (Grimm, 1998, S. 23). Tatsächlich zeigt sich in Gruppe zwei ein Effekt der Angst, nicht aber der Aggression.
312
VIII Terrorismus und Robespierre-Effekt
Zudem zeigen die Ergebnisse des Eindrucksdifferentials der zweiten Gruppe, dass das Material als nicht aggressiv eingeschätzt wurde. Ungeklärt bleibt aber noch, warum in der ersten Gruppe sowohl ein Anstieg der Angst als auch der Aggression zu verzeichnen ist und sich kein Unterschied zwischen beiden Experimentalgruppen in Bezug auf das ermittelte Angstniveau zeigte. Ein solcher Befunde steht im Widerspruch zu den theoretischen Überlegungen von Grimm. Seine Argumentationen bauen auf der Vermutung auf, dass mit entstehender Angst aggressive Tendenzen überlagert bzw. vermindert werden müssten (Grimm, 1998, S. 25). Eine Erklärung für unsere Befunde könnte sich aus der Zusammensetzung der Stichprobe ergeben: rund 74.4% der Probanden unserer Stichprobe sind weiblich. Grimm (1999, 2000) stellte dagegen fest, dass der Robespierre-Effekt bei seinen männlichen Probanden deutlich stärker ausgeprägt war als bei den weiblichen Versuchspersonen. Frauen (so Grimm) neigen wohl eher als Männer dazu, reaktive Aggressionstendenzen eher kognitiv als emotional zu verarbeiten. Vermuten ließe sich aber auch, dass Frauen eher als Männer bereit sind, z.B. angstbesetzte Gefühlsreaktionen offen einzugestehen. Unabhängig von diesen Einwänden bleibt aber festzuhalten, dass mit der berichteten experimentelle Studie nicht nur einen Beitrag zur Erforschung des Robespierre-Effektes geleistet, sondern auch ein Nachweis für die Wirkungen spezifischer Dramatisierungstechniken in der Nachrichtenberichterstattung geliefert werden konnte. Nicht die Anzahl der Berichte über mögliche Terroranschläge oder über das Ausmaß der Terrorgefahr und seiner Bekämpfung sind das Problem, mit dem wir Fernsehrezipienten uns auseinandersetzen müssen. Unser individueller Umgang mit den medialen Darstellungen des Terrorismus wird wohl eher von der Art und Weise, also von der Qualität der Berichte beeinflusst, eben von dem, was wir an verschiedenen Stellen dieses Buches mit dem Hinweis auf ausgeprägte Visualisierungs-, Emotionalisierungs-, Personalisierungs- und Dramatisierungsstrategien zu beschreiben versuchten.
Wolfgang Frindte, Nicole Haußecker & Jens Jirschitzka
IX Schluss? IX Schluss?
1 Was besagen unsere Befunde? – Eine Zusammenfassung 1 Was besagen unsere Befunde? Wir betrachten zunächst noch einmal einige unserer Kernbefunde und beginnen mit einem Zitat unseres Lieblingsphilosophen Paul Feyerabend: „Erfolgreiches Forschen gehorcht nicht allgemeinen Regeln – es verlässt sich bald auf den einen, bald auf den anderen Maßstab, und die Schachzüge, die es fördert, werden dem Forscher oft erst nach Vollendung der Forschung klar.“ (Feyerabend, 1986, S. 376)
Ebenso erging es auch uns im Umgang mit unseren Projektergebnissen. Erst am Ende eines sehr umfangreichen und für Nichteingeweihte nicht immer klar nachvollziehbaren „Kampfes“ mit der Datenvielfalt schälten sich Einsichten heraus, die plausibel, wenn auch nicht ganz unerwartet sind: Erstens: Die Ergebnisse unserer Interviews und Befragungen zeigen, dass sich Bedrohungserleben angesichts terroristischer Gefahren über die drei Erhebungswellen von 2007 bis 2009 deutlich verringert hat. Da wir eine relativ kleine Gruppe von Personen befragten, steht dieses Ergebnis zunächst einmal für sich und lässt sich kaum verallgemeinern. Allerdings weisen repräsentative Untersuchungen – etwa die jährlichen Umfragen der R+V Versicherung (2009; Internetquelle) – ebenfalls darauf hin, dass die Angst vor Terrorismus in den Jahren 2008 und 2009 – im Vergleich zu früheren Jahren – nicht mehr zu den größten Ängsten der deutschen Bevölkerung gehört. Diese und ähnliche Befunde scheinen nicht nur den offiziellen Terrorwarnungen, die in den Jahren 2008 und 2009 vor allem Politiker immer wieder ausgesprochen haben, zu widersprechen. Auch in wissenschaftlichen Lageanalysen wird darauf hingewiesen, dass Deutschland im Jahre 2009 „unter den Zielländern der Terroristen sogar kontinuierlich weiter nach vorne gerückt“ sei, so Stefan Hansen im aktuellen „Jahrbuch Terrorismus 2009“, das vom Kieler Institut für Sicherheitspolitik herausgegeben wird (Hansen, 2010, S. 295). Allerdings stützt sich Stefan Hansen in seiner Einschätzung auf einen Artikel von Markus Wehner in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen (Wehner, 2009; Internetquelle) und Wehner wiederum verweist u.a. auf Einschätzungen des damaligen Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble, des damaligen Innenstaatssekretärs Hanning und des Verfassungsschutzpräsidenten Heinz Fromm. Auf diese Einschätzungen, ihre möglichen Grundlagen (die Drohvideos islamistischer Terrororganisationen) und die entsprechenden politischen Kontroversen sind wir schon in den Kapiteln I und II eingegangen. Dass sich schließlich im Jahre 2009 in Deutschland keine Terroranschläge ereignet haben, spricht zunächst einmal nicht gegen die Seriosität besagter
W. Frindte, N. Haußecker (Hrsg.), Inszenierter Terrorismus, DOI 10.1007/978-3-531-92579-0_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
314
IX Schluss?
Einschätzungen. Zu fragen ist eher nach dem Zweck von Terrorwarnungen. Das scheint auch den neuen Bundesinnenminister Thomas de Maizière zu beschäftigen. Im Interview mit „Die Zeit“ am 3.12.2009 meinte der Minister, man müsse offen aussprechen, dass der Westen bedroht sei, solle es aber nicht dramatisieren. Nun, die Angst in der Bevölkerung wurde durch die Terrorwarnungen im Jahre 2009 nicht verstärkt. Das war wohl auch nicht die Absicht der Politiker und Sicherheitsexperten, als sie ihre Terroreinschätzungen und Terrorwarnungen veröffentlichten. Ging es ihnen vielleicht darum, die Bevölkerung zu sensibilisieren und die öffentliche Unterstützung für verstärkte (mehr oder weniger begründete) Sicherheitsmaßnahmen zu erhöhen? Wurde durch diese Meldungen – und/oder durch die wiederholte Befragung unserer Probanden im Rahmen des Paneldesigns – also letztlich eine „Desensibilisierung“, Abstumpfung oder Gelassenheit gegenüber Terrormeldungen und verstärkten Anti-TerrorMaßnahmen herbeigeführt? Zumindest letzteres scheint unwahrscheinlich, da sich beispielsweise die (nur geringe) Zustimmung zu militärischen Anti-Terror-Maßnahmen über die drei Messzeitpunkte hinweg keineswegs erhöht hat. Auch unsensibel gegenüber terroristischen Gefahren sind unsere Interviewten nicht. Obwohl sie sich über die drei Erhebungswellen hinweg immer weniger durch den Terrorismus bedroht sehen, schätzen sie die von ihm ausgehenden Gefahren keinesfalls gering ein. Neben Klima- bzw. Umweltkrisen und Gesellschaftskrisen (zu denen wohl auch die gegenwärtige Finanzkrise gezählt werden muss, wobei der mediale und politische Fokus zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen auf Griechenland gerichtet ist) gehören – aus Sicht der Interviewten – der Terror und der Terrorismus zu den drei größten weltweiten Bedrohungen. Man könnte „optimistisch“ vermuten, unter diesem Aspekt sind die o.g. Einschätzungen und Terrorwarnungen bei der deutschen Bevölkerung oder bei Teilen dieser Bevölkerung angekommen. Zweitens: Verstärkte Anti-Terror-Maßnahmen betrachten die Interviewten sehr differenziert. Die Mehrheit unserer Interviewpartner äußert sich gegenüber militärischen Anti-TerrorMaßnahmen aber auch gegenüber verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen – wie bereits erwähnt – eher skeptisch. Maßnahmen, mit denen eine verantwortungsvolle Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, humanitäre Hilfe und (diplomatische) Gespräche mit (potentiellen) terroristischen Gruppen möglich werden, werden dagegen sehr befürwortet. Dies überrascht umso mehr, wenn man sich an die Befunde unserer Medienanalyse erinnert, wonach entwicklungspolitische Maßnahmen zur Eindämmung des Terrorismus relativ selten – und wenn, dann meist im Gefolge militärischer Maßnahmen – erwähnt werden. Von einer einfachen 1:1 Abbildung zwischen medialen und individuellen TerrorismusFrames kann also keineswegs gesprochen werden. An dieser Stelle wird die Stärke des Einflusses der psychischen Struktur und soziale Verankerung der Rezipienten als intervenierende und mediatisierende Instanzen im Wirkungsprozess deutlich. Nun mögen diese Befunde wiederum der Größe und der Zusammensetzung unserer Stichprobe geschuldet sein (relativ hoch gebildete und sich weitgehend links von der politischen Mitte einordnende Personen aus einer im Mittel 37 Jahre alten Gruppe). Repräsentative Befragungen in den Jahren 2006 und 2007 haben dagegen gezeigt, dass nicht geringe Teile der deutschen Bevölkerung durchaus schärfere Sicherheitsmaßnahmen im
1 Was besagen unsere Befunde?
315
Kampf gegen den Terrorismus befürworten würden. Das dürfte sich inzwischen geändert haben (siehe Abschnitt 3 dieses Kapitels). Drittens: Da es auch in unserer relativ kleinen Stichprobe Personen gab, die in militärischen und verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen geeignete Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus zu sehen meinen, suchten wir nach entsprechenden Bedingungen, unter denen derartige Zustimmungen auftreten können. Frühere Studien (z.B. Gordon & Arian, 2001; Cohrs et al., 2005) ließen zunächst Zusammenhänge und/oder Wechselbeziehungen zwischen dem Bedrohungserleben und der Zustimmung bzw. Ablehnung von spezifischen Anti-Terror-Maßnahmen Zusammenhänge vermuten. Die Ergebnisse unserer Interviews und Befragungen zeigen indes, dass das Erleben von persönlicher Bedrohung durch den Terrorismus nicht – wie erwartet – die Zustimmungen oder Ablehnungen von Anti-Terror-Maßnahmen beeinflusst. Es scheint eher so zu sein, dass Menschen, die fremde Gruppen stärker ablehnen, also offensichtlich Vorurteile gegenüber Fremden haben, verschärfte Anti-Terror-Maßnahmen, in diesem Falle militärische Einsätze und verstärkte Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen, befürworten. Dieser Befund, den wir mittels statistischer Kausalanalysen nachweisen konnten, zeigt eine erstaunliche Robustheit. Die Ablehnung von Fremdgruppen oder, wie wir sie nennen, die OutgroupAblehnung, ist Teil der von Heitmeyer (z.B. 2003, 2008) seit Jahren beschriebenen und untersuchten Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Dabei handelt es sich um ein Syndrom, das vor allem auf einer generalisierten Ideologie der Ungleichwertigkeit basiert. Als Teil dieses Syndroms lässt sich die Outgroup-Ablehnung offenbar zunächst kaum auf die Gefahren des internationalen Terrorismus zurückführen. Die Outgroup-Ablehnung beeinflusst aber den Umgang mit dem Terrorismus insofern, als dass vom Ausmaß der Ablehnung offenkundig die Zustimmung zu den verschärften Anti-Terror-Maßnahmen kausal beeinflusst wird. Da sich das Konstrukt Ablehnung von Fremden bzw. Outgroup-Ablehnung in unserer Panelstudie aus zwei Facetten zusammensetzt (aus der Ablehnung von Ausländern im Allgemeinen und aus der Ablehnung von Muslimen im Besonderen) lag es nahe, weitere Analysen anzustellen. Und wiederum fanden sich recht deutliche Befunde: a) Übereinstimmend mit zahlreichen nationalen und internationalen Ergebnissen lehnen auch in unserer Panelstudie vor allem autoritär eingestellte Personen im besonderen Maße Ausländer und Muslimen ab. Cohrs et al. (2005a,b), Duriez und van Hiel (2002), Frindte, Wettig und Wammetsberger (2005), Frindte und Zachariae (2005b), Heitmeyer und Heyder (2002), Lippa und Arad (1999), van Hiel, Pandelaere und Duriez (2004), Zakrisson und Löfstrand (2002) und viele andere können die vorurteilsvollen, rassistischen oder fremdenfeindlichen Wesenszüge Autoritärer ebenfalls belegen. Das ist also kein sehr überraschender Befund. b) Überdies weisen autoritäre Einstellungsstrukturen auch enge (und z.T. kausal interpretierbare) Zusammenhänge mit dem Bedrohungserleben und der Zustimmung zu militärischen und Sicherheits- bzw. Überwachungsmaßnahmen auf. So zeigt sich, dass autoritäre Einstellungen die Zustimmung zu militärischen Maßnahmen bzw. zu verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen zumindest partiell voraussagen können. Auch das deckt sich mit den Befunden von Cohrs et al. (2005a,b) und den kürzlich publizierten Ergebnissen von Crowson (2009). c) Ein ebenfalls – wenn auch nicht über alle Erhebungswellen – nachweis-
316
IX Schluss?
barer Befund legt die Annahme nahe, dass Personen die sich durch den Terrorismus persönlich bedroht sehen, zunächst mit der Ablehnung von Muslimen reagieren und erst in Folge solcher ablehnenden Einstellungen motiviert sind, militärische Einsätze und verschärfte Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen im „Kampf gegen den Terrorismus“ zu befürworten. Letztlich bleibt also auch festzuhalten, dass zumindest ein hohes Maß an Autoritarismus gleichermaßen mit einem erhöhten Bedrohungserleben, einer Ablehnung von Muslimen als auch mit der Befürwortung verschärfter Anti-Terror-Maßnahmen einhergeht. Viertens: Es ist also nicht primär die Angst vor Terrorismus an sich, die Menschen veranlasst, militärischen und verschärften Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen zuzustimmen. Wenn sie dies tun, so offenbar vor dem Hintergrund manifester autoritärer Einstellungen und negativer Vorurteile gegenüber Muslimen. Der Einfluss dieser Vorurteile dürfte dabei von besonderer Bedeutung sein. Quasi im Sinne einer illusorischen Korrelation153 oder eines sog. Halo-Effekts154 werden die Muslime generell mit dem (islamistischen) Terrorismus assoziiert.155 Geht man allerdings davon aus, dass fast 90 Prozent aller Terroranschläge in Pakistan, Afghanistan, im Irak und in anderen arabischen und muslimischen Staaten stattfinden und dass die Mehrzahl der Opfer Muslime sind (vgl. Perthes, 2010, S. 286), mag man einerseits überrascht sein, darf sich aber andererseits mit Blick auf Deutschland auch nicht allzu sehr wundern. Auch Fischer, Greitemeyer und Karstenmüller (2007) fanden beispielsweise, dass Deutsche den Muslimen (im Vergleich zu Christen) eher aggressive Neigungen und mehr Bereitschaft zuschreiben, den Terrorismus zu unterstützen. Nach der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgelegten und im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz erstellten ersten bundesweiten und repräsentativen Studie (Haug, Müssig & Stichs, 2009) leben zwischen 3,8 und 4,3 Millionen Muslime in Deutschland. Damit beträgt der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung zwischen 4,6 und 5,2 Prozent. Rund 45 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime mit Migrationshintergrund aus den berücksichtigten Herkunftsländern sind deutsche Staatsangehörige, rund 55 Prozent verfügen über eine ausländische Nationalität. Damit ist die Bevölkerungsgruppe der Muslime zwar größer als nach bisherigen Schätzungen angenommen, aber nach wie vor eine Minderheit. Ein Teil der nichtmuslimischen deutschen Bevölkerung erlebt die Anwesenheit dieser Minderheit, die keinesfalls eine homogene Gruppierung darstellt, offenbar als Überfremdung und Bedrohung.
153 154
155
Von illusorischer Korrelation spricht man im Allgemeinen, wenn die subjektive Einschätzung von Zusammenhängen den tatsächlichen Zusammenhängen widerspricht. Auch der Halo-Effekt (oder Hof-Effekt) ist ein Beurteilungsfehler. Ursprünglich bezog sich der HaloEffekt auf das Phänomen, dass einzelne Eigenschaften einer Person (z.B. das Aussehen, der soziale Status etc.) den Gesamteindruck, den man sich von dieser Person macht, beeinflussen können (Thorndike, 1920). Im hier relevanten Zusammenhang „strahlt“ quasi die muslimische Herkunft islamistischer Terroristen auf die Beurteilung aller Muslime aus. Ein Beispiel, dass derartige Halo-Effekte, auch medial erzeugt werden können, liefert BILD seinen Lesern am 21.04.2010: „Viele Soldaten halten die Afghanen für zu unzuverlässig, um mit ihnen zu arbeiten. ‚Ich traue keinem von denen‘, sagt ein Soldat in Kunduz. […] Die deutschen Soldaten beklagen, dass die Afghanen unpünktlich zu Einsätzen erscheinen – und so schlecht schießen, dass sie zur Bedrohung werden! […] Oberst Matz: ‚Es gibt Familien, da ist ein Sohn bei der Armee, einer bei der Polizei und einer bei den Taliban‘.“
1 Was besagen unsere Befunde?
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Darauf verweisen zumindest die Befunde der Umfrage „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Europa“ (Zick & Küpper, 2009; Internetquelle). In dieser Umfrage wurden zwischen Oktober und Dezember 2008 in Deutschland und weiteren sieben europäischen Ländern (Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Italien, Portugal, Polen und Ungarn) jeweils 1000 Personen ab dem 16. Lebensjahr befragt. 46% der befragten Deutschen meinen, es gebe zu viele Muslime in Deutschland; 52.2% der befragten Deutschen und 54.4% der befragten Europäer stimmen der Aussage „Der Islam ist eine Religion der Intoleranz“ eher oder voll und ganz zu. Verknüpft mit dieser Einschätzung ist auch ein latenter Terrorismusverdacht, den zumindest ein Teil der befragten nichtmuslimischen Deutschen zu hegen scheint. So unterstellen 17% der befragten Deutschen (und 22% der Europäer): „Die Mehrheit der Muslime findet islamistischen Terrorismus gerechtfertigt“. Fünftens: Zick und Küpper (2009, S. 4) schlussfolgern, dass diese Zustimmungen weniger auf konkreten Erfahrungen basieren als vielmehr auf althergebrachten Stereotypen über Muslime. Wir meinen, dass diese Zustimmungen auch mit medial vermittelten Stereotypen zu tun haben. Solche Stereotype lassen sich z.B. dadurch erzeugen oder aktivieren, indem die Darstellung von Muslimen in Medienberichten eher mit negativen Themen oder problematischen Kontexten verknüpft ist. Wer selbst keinen Kontakt zu Muslimen hat und sich mit dem medialen Angebot zufrieden gibt, der begegnet Muslimen dann vor allem in der Nachrichtenberichterstattung – und dort ist (leider) vorrangig von Terroristen und religiösen Fundamentalisten die Rede. So zeigen Hafez und Richter (2007; Internetquelle), dass Muslime in den Fernsehprogrammen von ARD und ZDF häufig mit Kriminalität und/oder Terrorismus in Beziehung gebracht werden. Auch in unserer Medienanalyse fanden wir derartige Kontextualisierungen: Wenn in den von uns analysierten Fernsehnachrichten über Terrorismus berichtet wird, so dominiert eindeutig der religiös-fundamentalistische Terrorismus der Islamisten. Dass ist aufgrund der paradigmatischen Rolle, die die Berichte über den 11. September 2001 besitzen und in denen eine solche Thematisierung ganz prononciert erfolgte, auch kaum verwunderlich. In etwa jedem fünften Beitrag unseres Samples werden islamistische Terroristen thematisiert. Terrorismus geht aus Sicht des Fernsehens – so könnte man überspitzt formulieren – von fundamentalistischen Islamisten aus. Dass ein solch mediales Interpretationsangebot generalisierende Attributionen auf die Muslime an sich nahelegt, ist zumindest keine abwegige Schlussfolgerung. Wohl gemerkt: Wir sehen durchaus, dass es Radikalisierungstendenzen in muslimischen Gruppierungen gibt, sind aber mit Volker Perthes (2010, S. 289) auch der Meinung, dass nur wenige Muslime aus ihrem Zorn die Konsequenz ziehen, sich einer Terrororganisation anzuschließen. Sechstens: Unsere Medienanalysen zeigen insgesamt, dass der Terrorismus eine starke Präsenz in den Fernsehnachrichten genießt. Das hängt zweifellos mit den hohen Nachrichtenwerten solcher Berichte zusammen. Sowohl in den öffentlich-rechtlichen als auch in den privaten Sendern dominieren allerdings zwei Themenkomplexe – Beiträge über den Kampf gegen Terrorismus sowie Berichte über geplante bzw. stattgefundene terroristische Ereignisse. Über Ursachen von Terrorismus wird vergleichsweise wenig berichtet. Nachvollziehbare Erklärungen für historische, politische, soziale und kulturelle Hintergründe und
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IX Schluss?
Ursachen werden potentiellen Rezipienten durch die mediale Berichterstattung in allen vier untersuchten Sendern (ARD, ZDF, Sat.1 und RTL) ebenso wenig angeboten, wie hinreichende und nachvollziehbare Begründungen für die verstärkten sicherheitspolitischen und militärischen Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus. Es dominiert die mediale Botschaft: Staat und Bürger müssen geschützt werden. Die wichtigsten Mittel dafür sind die Verschärfung von Gesetzen und militärische Gewalt. Die vielfältigen Gründe, warum Terrorismus auftritt, erscheinen eher nebensächlich. Inzwischen scheint der „Kampf gegen den Terrorismus“ selbst zur viel verwendeten Metapher für kämpferische Gegenmaßnahmen aller Art geworden zu sein: so ist in der medialen Berichterstattung z.B. vom „Kampf gegen die Ölpest“, vom „Kampf gegen den Klimawandel“, vom „Kampf gegen die Finanzkrise“ oder vom einem „Kampf gegen den sexuellen Missbrauch“ die Rede. Allerdings müssen wir auch berücksichtigen, dass die Abendnachrichten im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeitspanne nicht die Rolle einer umfassenden Informationsinstanz (z.B. zu langfristigen und gleichbleibenden Ursachen) oder eines Forums für breite Meinungsdebatten spielen können. So spricht die Agenda-Setting-Forschung (vgl. z.B. Rössler, 1997) nicht umsonst von der Scheinwerfer-Funktion156 des Fernsehens. Siebtens: Im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Sendern berichten die Privatsender zwar tendenziell weniger über Terrorismus, aber wenn sie den Terrorismus zum Thema machen, dann nutzen sie stärker ausgeprägte Dramatisierungsstrategien als die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Auch über die Zeitspanne unseres Untersuchungszeitraums konnten wir die Unterschiede in den Dramatisierungstendenzen in den Beiträgen von RTL und Sat.1 im Vergleich zu ARD und ZDF nachweisen. Die Privatsender bebildern mit schnelleren Schnitten als die öffentlich-rechtlichen Sender und zeigen häufiger Bilder von Verletzten und Toten. Auch die Dramatisierung in Bild und Ton wird von RTL und Sat.1 häufiger eingesetzt als von ARD und teilweise vom ZDF. Wenn wir diese Befunde über die Dramatisierung in der Terrorismusberichterstattung hervorheben, so geht es uns nicht um eine pauschale Schelte des (Privat-)Fernsehens. Vielmehr wollen wir die Sensibilität für jene Berichterstattungsmuster schärfen, die zu einem eingeschränkten Blick auf Terrorismus und dessen Bekämpfung führen können. Achtens: Interessanterweise fanden sich besondere Dramatisierungsspitzen in den Privatsendern jeweils in Monaten vor den Panelbefragungen und -interviews, die wir im Rahmen unseres Projekts durchgeführt haben. In diesen Panelbefragungen und -interviews zeigte sich überdies ein statistisch sehr gut abgesicherter Befund: Vor allem jene Personen, die meinen, sie würden sich im Vergleich zur Allgemeinheit selbst stärker durch die Berichterstattungen der privaten Fernsehsender beeinflussen lassen, nehmen den Terrorismus als Bedrohung wahr und fordern in Folge dessen den Einsatz militärischer Anti-TerrorMaßnahmen und verstärkter Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen. Außerdem 156
Damit ist das Lenken der Aufmerksamkeit auf bestimmte Ereignisse und Themen gemeint, die dann erst noch einer weiteren Vertiefung bedürfen. Diese Vertiefung erfolgt z.B. durch Pressemedien oder interpersonale Kommunikation (Schenk, 2002, S. 113-114)
1 Was besagen unsere Befunde?
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lehnen Personen, die im hohen Umfang RTL nutzen, Muslime stärker ab als Personen, die sich vornehmlich anderer Informationsquellen bedienen. Diese Befunde decken sich mit Ergebnissen internationaler Studien, in denen der Einfluss einer besonders dramatischen medialen Berichterstattung – z.B. über die Anschläge vom 11. September 2001 oder die Ermordung des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh – auf die Stereotype und Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten im Allgemeinen und Muslimen im Besonderen nachgewiesen werden konnte (z.B. Boomgaarden & de Vreese, 2007; Dixon, 2008; Person & Musher-Eizenman, 2005; Shrum, 2002). Ob und inwieweit diese Befunde mit der besonders dramatischen Terrorismus-Berichterstattung, wie wir sie eben in den privaten Fernsehnachrichten identifizieren konnten, im Zusammenhang stehen, lässt sich nur indirekt aus unseren Analysen belegen. Eine direkte Zuordnung der individuellen Bedrohungswahrnehmungen und der Einstellungen gegenüber Anti-Terror-Maßnahmen bzw. Muslimen einerseits und der individuellen Rezeption spezifischer Terrorismusberichterstattung andererseits erlauben unsere Daten nicht. Dennoch scheint die Vermutung nicht gänzlich unbegründet, denn: Die Nutzung des Privatfernsehens als wichtige Informationsquelle, die Einstellungen gegenüber Muslimen, das persönliche Bedrohungsempfinden und die zustimmenden Einstellungen gegenüber militärischen Einsätzen bzw. verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen stehen in einem sich wechselseitig verstärkenden Zusammenhang. Neuntens: Auf der Basis dieser Schlussfolgerung könnte man folgende Kaskade individueller Interpretationen des Terrorismus postulieren:
Abbildung 9.1: Kaskade der Wirkung von Medienberichterstattungen über den Terrorismus auf die individuellen Interpretationen über den Terrorismus, seine psychologischen Folgen und Konsequenzen
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IX Schluss?
Der gestrichelte Pfeil in der Abbildung soll unsere Annahme (auch wenn wir sie anhand unseres Datenmaterials empirisch nicht prüfen konnten) illustrieren, dass Personen, die verstärkten sicherheitspolitischen und militärischen Maßnahmen zustimmen, ihre Zustimmung auch durch selektive Suche nach entsprechender medialer Berichterstattung zu stützen versuchen. Zehntens: Die im Kapitel VII vorgestellten Befunde aus drei Pilotstudien illustrieren aus unterschiedlichen Perspektiven die empirische Tragfähigkeit unseres theoretischen Inszenierungsmodells. Katharina Wolf spezifiziert dieses Modell, indem sie fünf grundlegende Facetten der medialen Inszenierung hervorhebt: Emotionalisierung, Dramatisierung, Personalisierung, Authentizität und thematische Gestaltung, die sich auch in der inhaltsanalytischen Auswertung der aufgezeichneten Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, Sat.1 und RTL belegen lassen. Dabei zeigt sich zum Einen, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender durchaus zurückhaltener sind, wenn es um die emotionale, dramatisierende und personalisierende Gestaltung von Terrorismusberichterstattung geht. Zum Anderen illustrieren die deskriptiven Analysen von Katharina Wolf aber auch einen Trend der visuell-sprachlichen Annäherung von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern. Die Studie von Sandy Schumann zeigt mittels differenzierter statistischer Analysen, dass die Wirkungen von erlebter Bedrohung durch Terrorismus auf die Ablehnung von Fremdgruppen keineswegs linear verlaufen. Ob jemand den Terrorismus als Bedrohung erlebt und fremde Personen oder fremde Gruppen für diese Bedrohung verantwortlich macht, hängt eben auch davon ab, wo dieser Jemand sich im politischen Spektrum verortet, inwieweit er eher konservative Werte (Sicherheit, Konformität und Tradition) vertritt und religiös eingestellt ist. Interessanterweise zeigte sich, dass es keinesfalls nur Personen mit rechten Orientierungen sind, die fremde Gruppen in Folge der erlebten Bedrohung ablehnen. Die Ergebnisse von Sandy Schumann deuten eher darauf hin, dass die Ablehnung von Fremdgruppen auch mit einer zunehmenden Feindseligkeit der politischen Mitte zusammenhängt. Auf ähnliche und z.T. noch komplexere Zusammenhänge machen auch Katharina Liborius und Daniel Geschke in ihrem Beitrag aufmerksam. Wir wollen aus der Palette der vorgelegten Befunde nur einen Aspekt hervorheben: In dem feldexperimentell angelegten Design zeigte sich u.a., dass selbst Vertreter einer Bildungsstichprobe durch einen einzigen Zeitungsartikel in ihrer Akzeptanz von Militäreinsätzen und ihren Zustimmungen zu Maßnahmen zur Sicherheitserhöhung beeinflusst werden können. Eine der Schlussfolgerungen, die Katharina Liborius und Daniel Geschke aus diesen Ergebnissen ableiten, lautet: Bedenkt man, dass die deutsche Bevölkerung in den letzten Jahren regelmäßig mit medial vermittelten Bedrohungen durch den Terrorismus konfrontiert wurde, so muss man sich nicht wundern, wenn selbst wenig oder nicht autoritäre Personen auf diese Art und Weise langsam aber sicher für eine Akzeptanz von (grundgesetzwidrigen) deutschen Beteiligungen an internationalen Militäreinsätzen und eine erhöhte Überwachung im Inland „mürbe“ gemacht werden. Elftens: Ob und in welchem Ausmaße Menschen in Folge der medialen Berichterstattung den Terrorismus als Bedrohung erleben und ein aggressives Vorgehen im Kampf gegen den
2 Ein Modellvorschlag
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Terrorismus befürworten, hängt wohl auch von der Art und Weise der medialen Inszenierung ab. Die experimentelle Studie von Gabriela Christoph (gemeinsam mit Wolfgang Frindte und Nicole Haußecker vorgestellt) zeigt das am Beispiel des Robespierre-Effekts. Verallgemeinert legen die Befunde folgende Vermutung nahe: Je nachdem, wie deutsche Soldaten, die in Afghanistan im Einsatz sind, in der Fernsehberichterstattung dargestellt werden (ob als Helfer oder als Opfer), erleben die Zuschauer entweder Angst oder Wut bzw. aggressive Gefühle. In Folge solcher Gefühlslagen wären dann auch unterschiedliche Reaktionen denkbar: z.B. Zustimmung zu verschärften Sicherheitsmaßnahmen in Folge von Angst und erlebter Bedrohung oder Akzeptanz von erweiterten Militäreinsätzen als Folge der Wut und der aggressiven Gefühle. Die Funktion derartiger Gefühle in sozialen Kontexten, den sogenannten Intergruppengefühlen (Musgrove & McGarty, 2008), greifen wir im nachfolgenden Abschnitt noch einmal auf.
2
Wie verhalten sich mediale Konstruktionen und individuelle Interpretationen des Terrorismus? – Ein Modellvorschlag 2 Ein Modellvorschlag „Es ist nicht die terroristische Tat, sondern es sind die globalen Inszenierungen der Tat und die auf die Inszenierung folgenden politischen Antizipationen, Aktionen und Reaktionen, die die westlichen Institutionen der Freiheit und Demokratie zerstören“ (Beck, 2007, S. 30).
Beck erklärt die „Erfolgsgeschichte des Terrors“, indem er der US-Regierung, den europäischen Regierungen sowie den Journalisten der Massenmedien (aber wohl auch dem staunenden Publikum) vorwirft, nicht erkannt zu haben, „wie sie die Täter ungewollt unterstützen, indem sie im Kampf um die Bilder in den Köpfen der Menschen die Antizipation des Terrorismus als globale Gefahr inszenieren, zumindest daran mitwirken – und ihnen auf diese Weise zu weiterer Macht verhelfen“ (ebd.). Um diese Inszenierung des Terrorismus als globale Gefahr geht es im vorliegenden Buch. Unter Inszenierung – so hatten wir im ersten Kapitel dieses Buches ausgeführt – verstehen wir die gezielte Herstellung von sozialen Formen, in denen mögliche Ereignisse und Prozesse als wirkliche (also wirkende) interpretiert werden können. Inszenierung des Terrorismus heißt also, Terrorgefahren, terroristische Aktionen und Terror-Anschläge nicht als mögliche, zukünftige Ereignisse zu interpretieren, sondern als wirkliche, aktuell stattfindende Geschehnisse anzusehen, auf die im Hier und Jetzt reagiert werden muss. Um den Terrorismus in dieser Weise zu inszenieren, bedarf es der Protagonisten. Im Kapitel I hatten wir in Abbildung 1.4 die wichtigsten Protagonisten benannt: Es sind die Terroristen selbst, die als Akteure des Terrors fungieren, aber auch deren Sympathisanten gehören dazu; ebenso die Opfer des Terrors, die nicht immer, aber wohl immer öfter zu den Zielen des Terrors gehören; die Beobachter des Terrors, zu denen die zunächst nur indirekt betroffene Bevölkerung, die Politiker und auch die Wissenschaftler (die, wie wir, den Terrorismus beobachten) gehören; und schließlich die Medien (und die Medienmacher: die Journalisten und die Nachrichtenredaktionen, die Terrornachrichten auswählen, aufbereiten
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IX Schluss?
und berichten, aber auch die Aufsichtsräte und Vorstände in den Sendeanstalten, in denen die praktische „Philosophie“ der Berichterstattung definiert und entschieden wird). Nicht alles, was möglich ist, ist auch machbar und nicht alles, was machbar ist, lässt sich problemlos erforschen. So mussten auch wir uns in unserem Anspruch, die Inszenierung des Terrorismus zu erforschen, beschränken. Die folgende Abbildung illustriert noch einmal unsere Einschränkungen: Wir (als wissenschaftliche Beobachter) haben uns ausschließlich mit den Verhältnissen zwischen medialer Berichterstattung und der beobachtenden Bevölkerung beschäftigt (der stark umrandete Kreis in Abbildung 9.2).
Abbildung 9.2: Die möglichen Protagonisten in der Inszenierung von Terrorismus und der Fokus unserer Analysen
Die allgemeine Frage, die schlussendlich auf der Hand liegt, lautet demzufolge: Wie ist das Wechselspiel von medialen Konstruktionen und individuellen Interpretationen in der Inszenierung des Terrorismus? Unsere Sicht auf dieses Verhältnis illustrieren wir mit folgender Abbildung (Abbildung 9.3).
2 Ein Modellvorschlag
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Abbildung 9.3: Eigendynamische Prozesse medialer Konstruktionen und individueller Interpretationen
Wir haben darauf verzichtet, die vielfältigen, denkbaren und z.T. auch empirisch verifizierten Wechselwirkungen im Einzelnen darzustellen. Hervorheben wollen wir zumindest die mit den stärkeren Pfeilen illustrierten Relationen in Abbildung 9.3: Ad 1. Die medialen Konstruktionen: Bekanntlich spielen Massenmedien in der Vermittlung tagesaktueller Geschehnisse eine herausragende Rolle. Im intermedialen Vergleich ist dabei das Fernsehen, mit einer täglichen Nutzung von 228 Minuten im ersten Halbjahr 2009 (ARD/ZDF-Onlinestudie), nach wie vor das von der deutschen Bevölkerung meist genutzte Medium. Auch die Zuschauer mit Migrationshintergrund orientieren sich übrigens stark am deutschsprachigen Fernsehangebot (Klinger & Kutteroff, 2009). Nachrichtensendungen im speziellen werden am häufigsten für Informationszwecke genutzt. Sie sollten in erster Linie der Informationsvermittlung dienen, insbesondere für Ereignisse, die in einer zunehmend globalisierten Welt gewöhnlich nicht der unmittelbaren und direkten Erfahrung des Einzelnen zugänglich sind. Aber: Massenmedien berichten
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IX Schluss?
nicht nur über das, was geschieht, sondern konstruieren und inszenieren eine eigene Medienrealität. Das haben wir schon mehrfach betont und empirisch belegt. Medien sind keine reinen Informationsvermittler (vgl. z.B. Fahr, 2001; Kepplinger, 1989; 1993; 1998; Scheufele, 2005, S. 84-85) sondern fokussieren bestimmte Aspekte der Realität (vgl. Luhmann, 1996; Merten, Schmidt & Weischenberg, 1994). Dies gilt umso mehr für die begrenzte Zeitspanne einer Nachrichtensendung. Journalisten, Nachrichtenredaktionen, diverse Räte der Sendeanstalten, aber auch Presseagenturen und Informanten fungieren hierbei als „Konstrukteure“ des medialen Angebots, indem sie „Sendephilosophien“ und Richtlinien der Berichterstattung definieren, die Themen und dann das entsprechende Bildund Tonmaterial selektieren, zusammenstellen und schließlich präsentieren. Nicht selten stützen sich die Konstrukteure dabei auf Nachrichten, die bereits in ausgewählter und aufbereiteter Form vorliegen. So stehen an erster Stelle die Nachrichtenagenturen, auf die die Mehrzahl (70%) der Journalisten bei ihrer Themensuche zurückgreift (Reinemann, 2003, S. 218). Neben den Nachrichtenagenturen sind es die Abendnachrichten (in Deutschland besonders von ARD und ZDF), die als Leitmedien eine Orientierung für das Selektionsverhalten anderer Journalisten darstellen (ebd., S. 170-174). Dieses journalistische Auswahlverhalten liefert auch eine Erklärung für thematisch ähnliche Muster in der Terrorismus-Berichterstattung der von uns untersuchten Sender. Und ein weiterer Aspekt ist zu bedenken: Seit dem 11. September 2001 hat sich die öffentliche Debatte über Terrorismus auf seine islamistisch-fundamentalistischen Hintergründe verlagert (vgl. z.B. Junge, 2003; Kleinsteuber, 2003; Kuntze, 2003; Schicha, 2001; Schiffer, 2005; Steiger, 2007; Waldmann, 2005a; Werthes et al., 2002). Auch die Sendeanstalten und ihre Akteure sind in diese politischen, kulturellen, wissenschaftlichen und alltäglichen Diskurse und Debatten eingebunden. Die Journalisten, die Nachrichtenredakteure, die Mitarbeiter von Presseagenturen, aber auch die einzelnen Vertreter in den Rundfunkräten urteilen und bewerten den Terrorismus und seine Hintergründe nicht losgelöst von der Öffentlichkeit; sie sind Teil dieser Öffentlichkeit und lassen sich von dieser Öffentlichkeit beeinflussen. Dass sich die Konstrukteure des medialen Angebots in dieser Weise auch nach explizit geäußerten oder implizit erschlossenen (z.B. auf der Basis von Einschaltquoten) Erwartungen der Öffentlichkeit richten, sollen die in Abbildung 9.3 oben und unten dargestellten großen Pfeile illustrieren. Der Einfluss der öffentlichen Debatten und Diskurse auf die mediale Konstruktion des Terrorismus wäre eine weitere Erklärung für die in unserer Medienanalysen gefundenen geringen Senderunterschiede in den Erklärungen über die Ursachen des Terrorismus. Die Berichterstattung über Terrorismus (also was und wie Verbreitungsmedien über Terrorismus berichten) und das damit zusammenhängende journalistische Selektionsverhalten hängt nicht zuletzt von dem Wert bzw. der Publikationswürdigkeit einer Nachricht ab, wobei dieser Nachrichtenwert wiederum maßgeblich durch sog. Nachrichtenfaktoren bestimmt wird. Eine Berichterstattung ist z.B. umso wahrscheinlicher, je negativer und konflikthaltiger ein Thema und je größer der damit verbundene Schaden ist; wenn es sich eher um ein Ereignis anstatt um längerfristige Zustände oder Entwicklungen handelt; je größer der Einfluss dieses Ereignisses ist; je höher das Ausmaß der Prominenz der beteiligten Akteure ist – und in Bezug auf internationale Berichterstattung: je größer die geografische, politische
2 Ein Modellvorschlag
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oder kulturelle Nähe und je höher der Status beteiligter Staaten ist (Galtung & Ruge, 1965; Haußecker, 2003; Maier, 2003; Ruhrmann, Woelke, Maier & Diehlmann, 2003; Staab, 1990). Dies erklärt teilweise auch den in unserer Medienanalyse gefundenen medialen Fokus auf terroristische Bedrohungen für Deutschland und die gefundene Divergenz zwischen der Berichterstattung über Anti-Terror-Maßnahmen und der Berichterstattung über – komplexe, gleich bleibende und kaum spektakuläre – Ursachen. Generell scheinen Berichte über Terrorismus jedoch einen hohen Nachrichtenwert zu besitzen. Man könnte meinen, die Terroristen hätten spätestens seit und mit dem 11. September 2001 bestimmte Nachrichtenfaktoren für sich entdeckt, um sich in der Rangfolge der Nachrichtenberichterstattung bis an die Spitze zu katapultieren. Das bisher Gesagte bezieht sich vor allem auf Ähnlichkeiten in der Berichterstattung der untersuchten Sendeanstalten, also darauf, Was berichtet wird. Im Wie der Berichterstattung fanden wir hingegen deutliche Unterschiede zwischen den untersuchten Sendern. Diese Unterschiede zeigten sich vor allem in der stärkeren Ausprägung von Dramatisierungsstrategien (z.B. in verstärkter Visualisierung, Emotionalisierung sowie Dramatisierung in Sprache und Ton) in den Berichten der privaten Sender. Um diese Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Berichterstattung über Terrorismus beurteilen zu können, heben wir – in Anlehnung an Bonfadelli (2000, S. 264-265) vor allem zwei zentrale Funktionskomplexe der Medien hervor157: Erstens: Informationsvermittlung und Aufklärung über Risiken (z.B. Kepplinger, 1989): Eine regelmäßige Information über Terrorismus ist aufgrund der häufigen Thematisierung zwar gewährleistet, allerdings stellt sich die Frage, ob potentielle Rezipienten wirklich umfassend informiert und über das tatsächliche Risiko aufgeklärt werden können. Die vordergründige Fokussierung besonders auf sicherheits- und verteidigungspolitische Maßnahmen, die das Terrorrisiko reduzieren sollen, lässt etwas anderes vermuten. Hinzu kommen die besagten Dramatisierungsstrategien, die u.U. (z.B. bei stark emotionalen Bildern) eine elaborierte Informationsverarbeitung behindern (Brosius, 1995) und mehr Bedrohungsempfinden und Angst angesichts der dargestellten Risiken erzeugen können. Zweitens: Kontroll- und Kritikfunktion sowie Konstituierung eines Meinungsforums (z.B. Neidhardt, 1994; Merten et al., 1994): Berichterstattung über globale Ereignisse orientiert sich in der Regel an etablierten Quellen, wie z.B. Regierungen und Ministerien (vgl. z.B. Berkowitz & Beach, 1993, S. 9). Auch aus öffentlichkeitstheoretischer Perspektive (Peters 1993, S. 327-329) werden meist die Sprecher im Zentrum medienöffentlicher Arenen bevorzugt. Unsere Befunde lassen (auch wenn diese Fragen nicht im Mittelpunkt unserer Analysen standen) ähnliche Tendenzen vermuten. So zeigte sich u.a., dass eher offizielle Sichtweisen z.B. zur Darstellung von Anti-Terror-Gesetzen präsentiert werden, als Ursachen des Terrorismus und Hintergrundinformation, z.B. anhand von friedenspolitischen Sichtweisen. Auch ist die kommunikative Arena, in der die mediale Konstruktion des Terrorismus stattfindet, nicht immer für alle politischen und gesellschaftlichen Gruppen,
157
An dieser Stelle danken wir nochmals unserem Kollegen Bertram Scheufele für seine zahlreichen Anregungen, besonders bezüglich der journalismustheoretischen Erklärungsansätze und empfehlen überdies Scheufele (2005).
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IX Schluss?
Themen und Meinungen in gleicher Weise offen und zugänglich, worauf auch Befunde von Wolf (2009, siehe Kap. VII) hinweisen. Wir fassen zusammen: Die medialen Konstruktionen über den Terrorismus sind das Ergebnis eines komplexen und keinesfalls widerspruchsfreien Selektions-, Definitions- und Produktionsprozesses. Diese medialen Konstruktionen und die damit verknüpften medialen Angebote haben wir in den vorausgehenden Kapiteln Medien-Frames genannt. Mit den Medien-Frames werden den potentiellen Rezipienten Angebote zur Interpretation und Bewertung der medial aufbereiteten Wirklichkeit gemacht. Es werden Problemdefinitionen, moralische Bewertungen, Ursachenerklärungen und/oder Bewältigungsmöglichkeiten angeboten und dies in mehr oder weniger dramatischer Weise. Tabelle 4.10 in Kapitel IV liefert einen Überblick über die Medien-Frames der Terrorismusberichterstattung. Zugespitzt liefern diese MedienFrames ein Muster über Terrorismus, das wir folgendermaßen zusammengefasst haben: Terrorismus ist die unbestimmte, aber wirkliche Gefahr, der Deutschland durch den islamistischen Terrorismus ausgesetzt ist und die vor allem mit verstärkten sicherheits- und verteidigungspolitischen Mitteln bekämpft werden muss. Erklärungen für historische, politische, soziale und kulturelle Hintergründe und Ursachen werden potentiellen Rezipienten durch die medialen Berichterstattungen ebenso wenig angeboten, wie hinreichende und nachvollziehbare Begründungen für die verstärkten sicherheitspolitischen und militärischen Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus. Einschränkend wollen wir aber noch einmal betonen, dass die von uns untersuchten Fernsehnachrichten mit ihren zwangsläufig kurzen Beiträgen natürlich nicht die Rolle einer umfassenden Informationsinstanz spielen können, was die Medienmacher aber nicht davon abhalten sollte, sachlich und ausgewogen zu berichten. Ad 2. Die individuellen Interpretationen: Medial vermittelte Konstruktionen über Terrorismus können individuelle Vorstellungen, Bewertungen und Reaktionen aktivieren, festigen, erweitern, entsprechende Erklärungen politischer Ereignisse, moralische Bewertungen und die Zustimmung oder Ablehnung der medialen Angebote fördern, aber auch in Frage stellen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Individual-Frames. Individual-Frames fungieren in diesem Falle als individuelle Interpretations-, Bewertungs- und Verhaltensrahmen im Umgang mit den medialen Angeboten (den Medien-Frames). Welche Facetten der IndividualFrames aktiviert oder auch vermieden werden, hängt nicht zuletzt von relativ stabilen individuellen Prädispositionen der Rezipienten (z.B. von politischen und religiösen Orientierungen, autoritären oder demokratischen Werthaltungen etc.) und von individuellen Medienwahl- und Mediennutzungspräferenzen ab. Wir nennen diese individuellen Prädispositionen und Präferenzen kurz Rezipientendispositionen und -präferenzen. Rezipientendispositionen bestimmen u.a., ob die Rezipienten – folgt man dem Elaboration Likelihood Model (ELM; Petty & Cacioppo, 1986) – motiviert und fähig sind, das mediale Angebot tiefgründig zu verarbeiten oder ob sie (z.B. bei geringer Verarbeitungsmotivation) eher zu einer heuristischen Informationsverarbeitung neigen und z.B. auf mediale Berichte über terroristische Ereignisse quasi mit kognitiven „Schnellschüssen“ reagieren („Terroristen muss man wegbomben“). Terrorismus und terroristische Ereignisse sind für das Individuum in der Regel nicht unmittelbar erfahrbar oder durch eigene Erfahrung validierbar, sondern sie bedürfen eben der medialen Vermittlung. In dieser Vermittlung wird nicht nur über Ereignisse, sondern
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prononciert auch über Akteure (über Opfer und Täter) berichtet. Oftmals sind diese Akteure zugleich auch Repräsentanten einer sozialen Gruppe. Diese Berichte sind nicht selten mit gruppenbezogenen Interpretationen verknüpft, indem soziale Gruppen positiv aufgewertet (z.B. die Gruppe der potentiellen Ziele des Terrorismus) oder abgewertet werden können (z.B. die Gruppe der potentiellen Terroristen). Wie potentielle Rezipienten derartige Terrorismus-Berichte interpretieren und bewerten und ob sie ihnen überhaupt Aufmerksamkeit schenken, dürfte – folgt man einschlägigen sozialpsychologischen Theorien – wesentlich davon abhängen, mit welchen dieser Gruppen sich die Rezipienten identifizieren (vgl. z.B. Hewstone, Rubin & Willis, 2002), von welchen Gruppen sie sich bedroht fühlen (vgl. z.B. Stephan & Renfro, 2002) und mit welchen Gefühlen eine solche Identifikation oder Bedrohungen einhergehen kann (vgl. z.B. Smith, 1993). Das heißt, welche individuellen Interpretationen, Bewertungen und Verhaltensweisen auf der Seite der Rezipienten aktiviert werden, wird auch von Interpretations-, Bewertungsund Verhaltensmustern (und Normen) der sozialen Gruppen beeinflusst, mit denen sich die Rezipienten identifizieren. Das können Freundesgruppen, Kollegenkreise, aber auch soziale Gemeinschaften von Menschen sein, die sich zwar untereinander nicht kennen müssen, aber gleiche oder annähernd ähnliche Vorstellungen, Orientierungen, Konstruktionen über die Wirklichkeit besitzen (z.B. Parteien, Organisationen, Interessenverbände, Vereine, soziale Netzwerke, Sekten, mediale Netze, scientific communities). Die Gruppenmuster, mit denen sich potentielle Rezipienten im Umgang mit medialen Berichten in dieser Weise orientieren, nennen wir Community-Frames.158 Die Art und Weise der Bedrohungen, die angesichts fremder Gruppen erlebt wird oder erlebt werden kann, kann symbolisch oder real sein, sich auf die Rezipienten selbst und/oder auf ihre Gruppe, mit der sie sich identifizieren, richten. Dementsprechend unterscheiden Stephan und Renfro (2002) individuelle symbolische Bedrohung (z.B. Verlust an Ansehen), individuelle reale Bedrohung (z.B. Opfer eines Terroranschlages zu werden), gruppenbezogene symbolische Bedrohung (z.B. die Bedrohung religiöser, kultureller, moralischer Werte) und gruppenbezogene reale Bedrohung (z.B. die Bedrohung staatlicher Institutionen oder des nationalen Wirtschaftssystems). Diese verschiedenen Bedrohungsformen, von denen die individuellen Interpretationen etc. der Terrorismus-Berichte ebenfalls beeinflusst werden, nennen wir Bedrohungs-Frames. Schließlich spricht man in der sozialpsychologischen Forschung im Zusammenhang mit o.g. Gefühlen, die durch die Identifikation mit relevanten Eigengruppen und den Bedrohungen durch relevante Fremdgruppen aktiviert werden können, von Intergruppengefühlen. Intergruppengefühle sind Emotionen, die in Intergruppenkontexten ausgelöst werden, also Gefühle, die man als Mitglied einer Ingroup (der Eigengruppe) gegenüber einer Outgroup (der Fremdgruppe) und ihren Mitgliedern hat. Terrorismus-Berichte, durch die Rezipienten motiviert werden, sich mit bestimmten sozialen Gruppen zu identifizieren und andere Gruppen abzulehnen, können Gefühle von Furcht, Ekel, Verachtung, Wut oder Neid und entsprechende Reaktionen (z.B. Vermeidung, Diskriminierung oder der Gewaltandro158
Welche Rolle z.B. der Titel der SPIEGEL-Ausgabe vom 26.03.2007 „Mekka in Deutschland – Die stille Islamisierung“ für die Deutungen innerhalb der Community der SPIEGEL-Leser gespielt haben könnte – müssen wir an dieser Stelle unseren kritischen Lesern überlassen.
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IX Schluss?
hung; vgl. auch Mackie et al., 2000) hervorrufen. Dies gilt jedoch nicht nur in Bezug auf Emotionen gegenüber z.B. terroristischen Gruppierungen, sondern konnte auch bei den Gegnern des „Kampfes gegen den Terror“ hinsichtlich der Wut auf die eigene Regierung gezeigt werden (Musgrove & McGarty, 2008). Fasst man all die geschilderten Faktoren zusammen, die den individuellen Umgang mit medialen Berichterstattungen über Terrorismus beeinflussen können, kommt man zu einem komplexen Wirkungsnetz, in dem nur selten Ursachen und Wirkungen eindeutig zu differenzieren sind (siehe Abbildung 9.3).159 Es handelt sich schlicht um eigendynamische Prozesse zwischen medialen Konstruktionen und individuellen Interpretationen (Vorstellungen, Bewertungen etc.), in denen sich jene Facetten der Inszenierung von Terrorismus entwickelt und entfaltet haben, die wir auch Öffentlichkeit nennen können. Und: „Ohne den Verstärkungseffekt der Öffentlichkeit können terroristische Strategien nicht funktionieren, und dementsprechend folgen sie in ihrer Intensität wie Durchschlagskraft den Medienrevolutionen, die aus lokalen, bestenfalls regionalen Öffentlichkeiten schließlich eine einzige Weltöffentlichkeit haben werden lassen…“ (Münkler, 2001, S. 11).
3 Nichts Neues im Frühjahr 2010? 3 Nichts Neues im Frühjahr 2010? Wenige Wochen vor Abschluss dieses Buches sterben sieben deutsche Soldaten in Afghanistan durch einen Angriff der Taliban. 43 deutsche Opfer hat dieser Krieg, der kein gefühlter, sondern ein sehr realer ist, bisher gefordert. Im „Spiegel“ vom 19.4.2010 ist zu lesen: „Viele würden sich lieber nicht eingestehen müssen, dass das Bild, das sie von sich am liebsten pflegen, nicht mehr zutreffend ist. Wir sind nicht mehr nur die friedliebenden, vom Krieg für immer geheilte Nation, wir sind wie Amerikaner, wie Briten, wie Kanadier oder Niederländer. Eigentlich: wie der Rest der Welt – eine Nation, die auch Krieg führt“ (Der Spiegel, Nr. 16, 19.4.2010, S. 21/22).
Der „Kampf gegen den Terrorismus“ ist ein asymmetrischer Krieg, oder besser: Der Kampf gegen den Terrorismus wird nun mehr und mehr als das erlebt (und benannt), was er von Anfang war, eben ein Krieg. Es ist ein Krieg, von dem in Deutschland nur in Umschreibungen die Rede ist und von dem die Deutschen kaum etwas wissen wollen. In einer Umfrage, die Forsa im April 2010 für den Stern durchführte, plädierten 62 Prozent der Befragten für einen Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan. Im September 2009, nachdem durch das Bombardements auf zwei Tanklastwagen bei Kundus mehr als 100 Menschen getötet wurden, befürworteten 55 Prozent der Deutschen einen Abzug der deutschen Truppen. Im September 2005 war nur ein Drittel der Deutschen (34 Prozent) für einen Abzug der Bundeswehr (Stern.de, 14.4.2010; Internetquelle). 159
Das kennen medienwissenschaftlich Interessierte ja bereits aus dem dynamisch-transaktionalen Ansatz (Früh & Schönbach, 1982).
3 Nichts Neues im Frühjahr 2010?
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Jean Baudrillard, der freche, zu früh verstorbene Franzose, meinte wenige Monate nach den Anschlägen vom 11. September 2001: „Die Taktik des terroristischen Modells besteht darin, einen Realitätsexzess zu provozieren und das System unter diesem Exzess zusammenbrechen zu lassen. Die ganze Lächerlichkeit der Situation sowie die von der Macht mobilisierte Gewalt kehren sich gegen das System [gemeint ist jenes, das sich des Terrors zu erwehren sucht; WF, NH, JJ] denn Terrorakte sind sowohl der maßlose Spiegel seiner eigenen Gewalt als auch das Modell einer symbolischen Gewalt, die ihm selbst untersagt ist, der einzigen Gewalt, die es selbst nicht ausüben kann: die des eigenen Todes“ (2003, S. 22f.).
Seine Auffassung zu den Terroranschlägen veröffentlichte Baudrillard am 30. November 2001 in Le Monde und die Reaktionen waren heftig. Das lag wohl auch daran, dass Baudrillard in den Anschlägen vom 11. September 2001 eine Reaktion auf die imperiale Haltung der USA sah, die seit dem Zusammenbruch des Kommunismus ihre Weltmachtstellung ungehemmt durchzusetzen versuche. Keine Frage, für Baudrillard ist der Terrorismus unmoralisch, aber auch die Globalisierung sei unmoralisch (2003, S. 18). Globalisiert werden nach Baudrillard nicht Menschenrechte, Freiheit, Kultur und Demokratie, globalisiert werden der kapitalistische Markt und der „fortgesetzte Fluss des Geldes“ (ebd., S. 51). Der Terrorismus habe sich von der Moderne und der Globalisierung keinesfalls deshalb alles angeeignet („die Informations- und Weltraumtechnologien, Geld und Börsenspekulation“, ebd., S. 61), um seine eigenen Werte zu universalisieren, sondern allein, damit sich „das System [gemeint ist nicht nur die USA; WF, NH, JJ], in Beantwortung der vielfachen Herausforderungen des Todes und Selbstmordes selbst umbringt“ (S. 60). In diesem Sinne sei der Terrorismus das „letzte Stadium der Globalisierung“ (S. 63). Man mag dem entgegenhalten, Baudrillards Diagnose lasse sich weder verifizieren noch falsifizieren, weil sich die Intentionen der Attentäter der wissenschaftlichen Analyse entziehen (Arnswald & Kertscher, 2004, S. 286). Auch ein möglicher Hinweis, Baudrillards Thesen träfen zwar auf die politischen Intentionen der Regierung unter Georg W. Bush jr. zu, unter Barak Obama hingegen habe sich die Staatsdoktrin geändert, wäre kaum von der Hand zu weisen. Der Grundgedanke Baudrillards, dass sich der „Kampf gegen den Terrorismus“ schlussendlich gegen das „System“ richtet, dass diesen Kampf zu führen versucht, sollte vielmehr als Mahnung mit höchster Priorität verstanden werden. Ulrich Beck formuliert diese Mahnung noch deutlicher: „Je mehr massenmedial spektakuläre Terrorattentate potentiell alle Länder und Kontinente betreffen, je willkürlicher und unberechenbarer sie erscheinen und je unverfrorener sie die Basisprinzipien der Humanität verletzen, desto wahrscheinlicher ist es, dass der antizipierte Gefahrenraum möglicher Terrorattentate zugleich globalisiert und institutionalisiert, das heißt zum Bestandteil alltäglicher Gegenroutinen wird, die immer ‚lückenloser‘ organisiert und zum Leidwesen aller hingenommen werden. Letztlich ist es die Antizipation, die die Globalisierung des Terrors antreibt. Ja, es ist der Westen selbst – wenn auch als ungewollte Nebenfolge –, der den gefühlten Krieg in den Köpfen entfacht, die Eskalationskosten erhöht und das eigene Machtsystem in die Krise zwingt“ (Beck, 2007, S. 281f.).
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Anhang Anhang Anhang
Im Folgenden sind in alphabetischer Reihenfolge jene Examensarbeiten und Studienprojekte aufgelistet, in denen das Verhältnis von medialen Konstruktionen und individuellen Interpretationen des Terrorismus empirisch bearbeitet wurde, und die so die Jenaer Terrorismus-Studie unterstützt haben: Breternitz, Kristin (2007). Psychologische Prädiktoren von Terrorangst und Terrorbedrohung. FriedrichSchiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Christoph, Gabriela (2009). Terrordarstellung aus dem Blickwinkel der Medien – Einfluss unterschiedlicher Sequenzierung auf das emotionale Erleben und das Einschätzen eigener Beeinflussbarkeit. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Ehrenstrasser, Christina & Partal, Evelyne (2004). Angst vor Terror und mögliche psychologische Korrelate. Universität Innsbruck: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Felker, F., Gawron, S., Gemeinhardt, M., Jost, P., & Kertscher, C. (2009). Legitimation durch Emotion. Abschlussbericht im Rahmen der Forschungsorientierten Vertiefung im Fach Kommunikationspsychologie. Fuchs, Anne-Kathrin (2007). Die Wahrnehmung terroristischer Bedrohung im Kontext von Wissen und persönlichen Eigenschaften. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Hille, Kathrin: (2009). Der wahrgenommene Medieneinfluss auf das Erleben nationaler und personaler Bedrohung. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Kolb, Tobias (2010). Eine medienwissenschaftliche Analyse über Terror und Terrorismus seit dem 11.09.2001. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Bachelorarbeit. Kort, Marcel (2009). Terrorismus 2.0 – Kommunikationsstrategien von Terrororganisationen. FriedrichSchiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Magisterarbeit. Lehmann, Robert (2009). Terrorismusberichterstattung im Vergleich zu anderen politischen Themen in deutschen Fernsehnachrichten des Jahres 2008. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Bachelorarbeit. Liborius, Katharina (2007). Umgang mit terroristischer Bedrohung in Deutschland: Spezifische Einstellungen unter dem Einfluss von Werthaltungen und generalisierten Einstellungen. FriedrichSchiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Lüttger, Christin (2010). Wie viel ist noch öffentlich-rechtlich an ZDF? – Eine quantitative Inhaltsanalyse der Hauptnachrichten und Nachrichtenjournale von ARD, ZDF und RTL am Beispiel der Terrorismusberichterstattung. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Magisterarbeit. Orlamünder, Nicole (2008). Metakognitionen und Subjektive Theorien über Terrorismus – eine qualitative Interviewanalyse im Rahmen der Jenaer Terrorismus Studie. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Rack, Toni (2010). Mediale Inszenierung – eine Begriffsexplikation. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Bachelorarbeit.
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Anhang
Rook, Caroline (2009). Warum fühlen sich Menschen von Terroranschlägen bedrohter als von tödlichen Verkehrsunfällen und welche Rolle spielen bei dieser diskrepanten Risikowahrnehmung die Medien? Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Schumann, Sandy (2008): Der Zusammenhang zwischen externer Bedrohung und internen Prozessen – eine quantitative Analyse im Rahmen der Jenaer Terrorismus Studie. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Schurz, Katharina (2009). Terroristenstereotype in der Fernsehberichterstattung über Terrorismus – eine quantitative Analyse im Rahmen der Jenaer Terrorismus Studie. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Magisterarbeit. Uhlmann, Anja (2009). Einstellungen zu Terrorismus, Subjektive Theorien und Metakognitionen. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Volkmar, Johanna (2010). Medienanalytische Vergleichsstudie zu Fernsehnachrichten über Terrorismus im öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Bachelorarbeit. Wenzel, Kristin (2009). Der Zusammenhang von Anti-Terror-Maßnahmen und emotionalisierter Terrorberichterstattung. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Wodniczak, Daniel (2009). Web 2.0 und Terrorismus – eine kommunikationswissenschaftliche Betrachtung. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Magisterarbeit. Wolf, Katharina (2009). Inszenierungstendenzen der Terrorismusberichterstattung in Fernsehnachrichten. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Magisterarbeit. Ziesak, Jessica (2010). Emotion versus Informationen? Emotionen und Erinnerungsleistung bei der Nachrichtenrezeption. Untersuchung zum Einfluss emotionaler Terrorismus- und Kriegsberichterstattung in TV-Nachrichten auf die Informationsverarbeitung. Friedrich-Schiller-Universität Jena: Unveröffentlichte Magisterarbeit.