Ren Dhark Die große SF-Story von Kurt Brand Nr. 81
Durchbruch nach Erron-3 Ein Labyrinth galaktischen Formats – Wo ist ...
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Ren Dhark Die große SF-Story von Kurt Brand Nr. 81
Durchbruch nach Erron-3 Ein Labyrinth galaktischen Formats – Wo ist der Ausgang?
Ren Dhark
Durchbruch nach ERRON-3 Kurt Brand
Ren Dhark und seine Welt Die POINT OF befindet sich in einem System von neun Sonnen, die in einen Bogen angeordnet sind: die Sternenbrücke. Auf dem 5. Planeten der 5. Sonne treffen die Terraner zu ihrer Überraschung die schwarzen Weißen an. Nur mit Hilfe eines unsichtbaren Wesens, das sich Mone nennt und im Innern des Planeten lebt, kann Ren Dhark den schwarzen Weißen entkommen. Bei dieser Flucht entdeckt er, daß sowohl bei der POINT OF als auch bei den Flash die ZV (Zeitverschiebung) möglich ist. Mone hat den Commander auf die siebte Sonne hingewiesen. Diese siebte Sonne entpuppt sich dann als Planet mit einer künstlichen Sonnenkorona. Er erhält den Namen „Zwitt“. Plötzlich tauchen über Zwitt die schwarzen Weisen auf. Der Planet wehrt sich. Ren Dhark gerät in die Zentrale Zwitts im Mittelpunkt des Planeten und wird ohne seinen Willen als Checkmaster benutzt. Von hier aus wird die Stadt der schwarzen Weißen auf dem 5. Planeten der 5. Sonne zerstört, und ihre Raumer werden durch eine unheimliche Waffe, das Hy-Kon (Hyper-Kontinuum), in den Hyperraum geschleudert. Währenddessen entdecken Jos Aachten van Haag, Manu Tschobe und Chris Shanton von Hope aus eine neue Welt der Mysterious. Doch auch hier tauchen die schwarzen Weißen
auf. Die Terraner kämpfen um ihr Leben. Aber Shantons Wunderwerk, der Scotchterrier Jimmy, erleidet durch harte Strahlung Schaden an seiner Programmierung und schockt alles, was sich bewegt. Auch die drei Terraner.
Personenverzeichnis: Leon Bebir.................. Bert Stranger.............. Jos Aachten van Haag.. Manu Tschobe............. Chris Shanton............. Ren Dhark.................. Dan Riker................... Arc Doorn..................
2. Offizier und Kommandant der POINT OF Reporter, dem ein paar Stunden in der Erinnerung fehlen GSO-Agent afrikanischer Arzt Chef-Techniker der DefensivVerteidigung Commander der Planeten Freund und Mitarbeiter Ren Dharks genialer 1. Ingenieur auf der POINT OF
In 12.300 Metern Höhe war die POINT OF blind geworden und nicht mehr zu steuern. Der Checkmaster war ausgefallen; die Waffensteuerungen konnten die anfliegenden Ziele nicht mehr erfassen. Grappa hinter seinen Ortungen und die Männer in der Funk-Z konnten die Hände in den Schoß legen; es gab nichts mehr zu tun. Alles lag tot! Sogar die Bildkugel war auseinandergeplatzt und existierte nicht mehr! Stürzte das Schiff ab, das wahrscheinlich auch seine Intervalle nicht mehr besaß, und zerschmetterte die POINT OF
auf Zwitt? Der Zweite Offizier Leon Bebir, der durch den unerwarteten Transitions-Einbruch der achtzehn fremden Raumschiffe zum Kommandanten geworden war, versuchte verzweifelt die blockierten Steuerschalter zu bewegen, über die er Sle und Sternensog beherrschte. Sie bewegten sich nicht. Sie saßen fest, als ob sie angeschweißt worden wären. Und das alles war in einer Höhe von nur 12.300 Metern passiert! Nach wie vor arbeitete die Bordverständigung einwandfrei. Hastig beugte sich Leon Bebir zu den Sprechrillen vor. Seine Stimme klang ruhig. „Hier Kommandant Bebir! Wichtige Durchsage an alle! Wichtige Durchsage an alle! Sämtliche Hauptgeräte sind ausgefallen; Checkmaster, Ortungen und Funk streiken. Bildkugel existiert nicht mehr. Ob Sle und A-Grav noch arbeiten, unbekannt. Diese Katastrophe setzte in einer Höhe von 12.300 Metern ein. Ob POINT OF im Moment abstürzt, kann nicht festgestellt werden. Wir müssen uns innerlich auf einen Absturz vorbereiten. Es ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß wir von den achtzehn soeben eingebrochenen fremden Raumern, die wir in 112 Millionen Kilometern Entfernung noch ausmachen konnten, abgeschossen werden, wir vermuten dazu, daß der Ringraumer nicht mehr durch seine beiden Intervalle geschützt wird. Ende der Durchsage!“ Feine Schweißperlen standen Leon Bebir auf der Stirn, als er sich zurücklehnte und nach einer Zigarette griff. Nachdem er den ersten Zug getan hatte, drehte er sich um. Niemand sprach. Kein Offizier der Zentrale hatte seinen Klarsichthelm geschlossen. Was sollte auch damit erreicht werden? Das Herz der POINT OF, der Checkmaster, lag still. Seine Kontrollen leuchteten nicht mehr. Er war zu einem
verkapselten Hindernis geworden, das keinen Wert mehr hatte! Das Chrono lief unerbittlich weiter. Die dritte Minute hatte ihren Anfang genommen, nachdem im Schiff alle wichtigen Funktionen abgeschaltet worden waren. Wie lange dauert ein Sturz aus 12.300 Metern Höhe, fragte sich Leon Bebir in Gedanken und dachte schon einen Augenblick später nicht mehr daran, weil das Heulen der Andrucksausgleicher kurz zu hören war. Sie arbeiteten noch! Aber was hatte dieser Eingriff zu bedeuten? Lag das Schiff in einem Traktorstrahl, der es zu den unbekannten Raumern hinaufriß? Leon Bebir, vierunddreißig Jahre alt, dessen Großeltern noch auf Feuerland in menschenunwürdigen Wohnungen gelebt hatten, verfluchte sein Schicksal. In der Stunde, in der er sich als Kommandant der POINT OF einmal zu bewähren hatte, waren ihm die Hände gebunden. Unter seinem Befehl machte der Stolz der TF ihren letzten Flug! Tino Grappa, der junge Ortungsspezialist, durchbrach die Stille im Leitstand. „Wir stürzen nicht ab! Wir hätten längst aufschlagen müssen!“ Krachend sprang das Schott zur Zentrale auf. Hen Falluta, der Erste Offizier, stürmte heran. Der Mann im Ko-Sitz sprang auf. „Sitzenbleiben!“ schnarrte Falluta und stoppte zwischen den beiden Steuersätzen. Sein Kopf drehte sich nach rechts und links. Der Erste überflog die Instrumente. Sie konnten nur bestätigen, was er über die Bordverständigung erfahren hatte. Hen Falluta nahm die Schultern leicht nach vorn. Sein Rücken wurde krumm. „Helm ab zum letzten Gebet“, murmelte er. Hier gab es nichts mehr zu tun. Am Checkmaster auch nicht. Nirgendwo im Schiff. Eine Frage wurde in ihm wach. „Hat sich Congollon
gemeldet, Bebir?“ Miles Congollon wurde angerufen. Das ungewohnt laute Dröhnen im Triebwerksraum konnte von der Bordverständigung kaum ausgefiltert werden. Selten war der 1. Ingenieur der POINT OF so schlecht zu verstehen gewesen. „Die Gesamt-Steuerung ist blockiert. Alle Instrumente stehen auf Null. Aber wir...“ Er hatte im Triebwerksraum die gleiche Beobachtung gemacht wie Leon Bebir! Die Blockierung war aufgehoben worden! Der Bildschirm kam wieder! Der Checkmaster hatte sich wieder eingeschaltet und seine Kontrollen warfen Grün aus. „Ich... ich...“, stammelte Hen Falluta. Mehr brachte er nicht über seine Lippen. Er hatte seine Zigarette fallen lassen und zertrat sie unbeabsichtigt. Leon Bebir zwang sein fassungsloses Staunen nieder. Kontrollen! Sie arbeitete im Maximum! Die beiden Intervalle standen! A-Grav war abgeschaltet worden! Hatten sie die zweite Zeit-Verschiebung erlebt? Bebir blinzelte. Noch war er sich nicht sicher, ob er mit offenen Augen träumte. Tino Grappa traute sich mehr zu. Er spielte mit seinen Ortungen. Er rasselte die neuesten Werte herunter. Elis Yogan in der Funk-Z hatte sich zur Zentrale durchgeschaltet. Seine Angaben bestätigten Grappas Behauptungen! Die POINT OF befand sich in 58 Millionen Kilometern Entfernung in der Nähe des inneren der drei tanzenden Planeten! Und sie tanzten schon wieder! Alle drei! Und der Kurs der POINT OF stellte eine Spiralbahn dar, deren Ende auf dem inneren Sauerstoffplaneten zu suchen war, der gerade wieder aus der Bahn getanzt war, um auf der
Umlaufroute des anderen seinen Kreis um die F-Sonne zu ziehen, die über die Bildschirmkugel auch in die Zentrale leuchtete. Die beiden Offiziere am Checkmaster waren aktiv gewesen. Das Bordgehirn warf die Antworten auf die getasteten Daten aus. Wortlos überreichten sie Leon Bebir die beiden Folien. Hen Falluta beugte sich über dessen Schulter und las gleichzeitig mit. Die wichtigste Aussage bestand aus drei Worten: Transition normal durchgeführt... Bebir kam nicht zum Nachdenken. Der Erste hatte ihn an der Schulter gepackt und gerüttelt. „Sehen Sie sich das an!“ Mit der anderen Hand deutete er auf die Bildkugel. Die drei Sauerstoffplaneten tanzten nicht mehr! Jede der Sternkugeln befand sich auf seiner Bahn. „Falluta, verstehen Sie das?“ Bebirs Stimmlage hatte Ähnlichkeit mit der eines verschüchterten Kindes. Er war nicht der einzige im Leitstand, der ratlos den Kopf schüttelte. Grappa gehörte auch dazu. Aber aus einem anderen Grund. Die Daten der Energie-Ortung hatten Höchstwerte erreicht. Die Richtungen, aus der die hochenergetischen Ströme kamen, hatten ihm das Kopfschütteln abgezwungen. Von der einen Seite kamen sie von der achten und neunten Sonne der Sternenbrücke und endeten in der Korona der siebten, während der andere Strom seinen Anfang bei der ersten hatte, sich von Sonnenbereich zu Sonnenbereich immer weiter verstärkte, um im Einflußgebiet der sechsten Sonne sein Maximum erreicht zu haben. Grappa schaltete kurz entschlossen zu Jens Lionel, dem Bordastronomen der POINT OF, durch. Der war sofort zu sprechen. Aufmerksam hörte er zu, und er nickte dankend, als Grappa ihm unaufgefordert alle Meßwerte zuspielte. Er warf nur einen flüchtigen Blick darauf und sagte dann: „Ihre Beobachtungen stimmen mit den unseren überein, Grappa.
Natürlich können wir jetzt noch nicht sagen, warum es so ist, aber es steht eindeutig fest, daß alle acht Sonnen der Sternenbrücke zur Zeit der siebten ein Übermaß an Energien zuführen. Und der energetische Hohlschlauch, der dieses Brückensystem einhüllt, zeigt sich uns bei der Benutzung einer komplizierten Filterkombination in einem furchterregenden Aussehen.“ Grappa wurde abgelenkt. Der Kommandant wünschte präzise Daten über den inneren Sauerstoffplaneten, dem das Schiff inzwischen bis auf 55,4 Millionen Kilometer nahe gekommen war. Glenn Morris in der Funk-Z rief Walt Brugg. Er saß hinter der Echo-Kontrolle und wußte nicht mehr ein und aus. „Da hatte ich immer geglaubt, mich im Blip-Sortiment auszukennen, aber haben Sie vielleicht eine Ahnung, was das sein kann?“ „Doch eine Hyper-Funkstation, die klar ist, oder?“ Brugg stellte die Gegenfrage, auf die er aber keine Antwort erwartete. Morris hatte recht. Dieser Blip, der kam und ging, war ein Monstrum. Nicht in seiner Stärke, sondern im Aussehen. Die Schwingung im Plus- wie im Minus-Bereich hatte einen Knoten! „Standort?“ fragte Brugg dann. „Dreimal dürfen Sie raten“, erwiderte Morris so bissig, daß Brugg ihn verwundert musterte, um dann zu erkennen, daß diese Bissigkeit nicht ihm galt. Auch Brugg konnte den Standort der starken HyperFunkstation nicht ausmachen. „Die Echo-Kontrolle arbeitet nicht einwandfrei.“ „Arbeitet exakt!“ fiel ihm Morris schlecht gelaunt ins Wort. „Sie stellen also auch fest, daß der Standort der Station gleich der Oberfläche des Planeten ist, ja?“ Gerade das wollte Brugg nicht aussprechen. Es war doch absurd. „Test-Kontrolle!“ sagte Morris mit einem Ton, der keinen
Widerspruch duldete. Der Test ergab keinen Fehler. „Na?“ Angriffslustig klang es. Walt Brugg zuckte die Achseln. „Dann ja, in Gottes Namen, aber es ist doch Nonsens!“ „Weiß ich auch“, knurrte Glenn Morris schon wieder, „und diesen Blödsinn darf ich jetzt dem Kommandanten melden, damit der mich postwendend für geistesgestört ansieht. Oder wollen Sie diese undankbare Aufgabe übernehmen, Brugg?“ Der bedankte sich nett. Morris gab seine Beobachtungen durch, und wunderte sich. Über den Kommandanten. Denn dieser hatte erwidert: „Wenn die tanzenden Planeten keine Tänzer mehr sind, warum soll dann nicht eine dieser drei Sauerstoffwelten mit ihrer Oberfläche senden, sie zur Antenne gemacht haben?“ Als die Verständigung zum Leitstand nicht mehr bestand, machte Morris die Bemerkung: „Bebir kann sich gar nicht vorstellen, wieviel Energie benötigt wird, um die Oberfläche eines Planeten als Antenne zu benutzen. Ob der noch nie etwas von Widerstand und Energieverlusten bei nichtleitenden Materialien gehört hat?“ „Aber die Tänzer sind keine Tänzer mehr, Morris!“ hielt Brugg ihm vor Augen. „Hypnotischer Spuk! Was sonst! Die Filme der Astronomen haben’s doch schon gezeigt. Aber dieses Monstrum an Blip, das ist kein Spuk. Das ist –“ Sämtliche Phasenkreise des großen Hyper-Empfängers brachten ihren Brems-Effekt zur vollen Wirkung. Automatisch wurde der größte Teil der empfangenen Energie den Speicherbänken des Schiffes zugeführt. Elis Yogan hinter dem Auswertungsgerät sprang erschreckt auf. Sein Ruf blieb unverständlich, weil die Feldmembranen der Lautsprecher überlastet waren und mit den Phons nicht mehr fertig wurden. Glenn Morris, der auch zusammengezuckt war, als sie von
der Sendung in voller Stärke getroffen worden waren, verlor die Obersicht nicht. Er beugte sich nach links, Walt Brugg machte ihm schnell Platz, und verminderte die Aufnahmeleistung der Antennen in der Unitallhaut um mehr als neunzig Prozent. Im gleichen Augenblick fiel der BremsEffekt auf unter fünfzig Prozent, und in der Funk-Z konnte man sein eigenes Wort wieder verstehen. Wütend grinste Glenn Morris. „Bebir hat doch recht gehabt! Himmel und Sterne, einen Planeten als Antenne zu benutzen... By Jove, wir haben uns allem Anschein nach noch an manches zu gewöhnen...“ Erregt fiel Brugg ihm ins Wort: „Sie hören ja gar nicht zu, was hereinkommt!“ „Dieses Kauderwelsch, Brugg?! Verstehen Sie ein Wort davon?“ und er äffte nach, was gerade über die Feldmembranen hereinkam: „Pa doror dane du tschimbim! Soll ich antworten: Ramtamtamm du ramtam, oder was, Brugg?“ Diese unsachliche Bemerkung ärgerte Brugg maßlos und ließ ihn dabei das Wichtigste übersehen. „Lassen Sie doch alles über den Translator laufen. Vielleicht kann er übersetzen und...“ „Und was ist das?“ unterbrach ihn Morris mit ätzendem Hohn in der Stimme. „Ist das nicht die Rot-Kontrolle unseres superklugen Translators, der mit dieser fremden Sprache so wenig anfangen kann wie wir?“ Von allen Seiten blickte man zu ihnen hinüber. Es war ungewöhnlich, daß sich die Offiziere der Funk-Z in dieser krassen Form stritten. Und Morris und Brugg waren in diesem Augenblick keine Freunde. Walt Brugg schaltete zur Zentrale durch, um damit den unfruchtbaren Wortwechsel mit seinem Kollegen abzubrechen. Kommandant Leon Bebir paßte sich immer besser der außergewöhnlichen Situation an. Sein Gesicht zeigte nicht einmal Verwundern, als Brugg erklärte, der innere
Sauerstoffplanet sende mit seiner gesamten Oberfläche im Hyperfunk-Bereich. „Wir beobachten dazu eine Amplitude, die in ihren beiden Schwingungen jeweils einen Knoten hat.“ „Ihre Sache, Brugg. Sie sind Funk-Spezialist, nicht ich. Und der Translator streikt, sagten Sie?“ Er streikte immer noch. „Senden gleich geometrische Figuren als Antwort...“ „Meinetwegen Geffields Ode an die Materie“, erwiderte der Kommandant bissig und schaltete ab. Fragend sahen sich die Männer in der Funk-Z an. Geffields Ode an die Materie war ihnen unbekannt. Plötzlich lachte ein Sergeant hinter der Thermin-Kontrolle schallend auf. Morris brüllte den Mann energisch an. Der war so schnell nicht einzuschüchtern. Ihm liefen Tränen über das Gesicht. „Morris...“, sagte er unter gewaltsam unterdrücktem Lachen, „Morris, ich habe diese Ode... diesen Superblödsinn gelesen. Ich kenn’ sogar die ersten zwei Verse auswendig...“, und er ließ sich nicht daran hindern, sie zu zitieren: Wege der Seele funktionell verbogen Wonnen der Tiefen zu Eis gestorben... Reicht das, Morris? Soll ich Ihnen die hundertfünfzig Verse beschaffen?“ Glenn Morris mißtraute dem Sergeanten, weil er nicht wußte, ob er jetzt in unverschämter Weise auf den Arm genommen worden war, oder ob er tatsächlich die beiden ersten Verse eines Kunstwerkes gehört hatte. Aber wenn er sich erinnerte in welch bissigem Ton der Kommandant Bebir davon gesprochen hatte, dann neigte er immer mehr zu der Annahme, mit Geffields Ode flüchtige Bekanntschaft gemacht zu haben. Dennoch rief er dem Sergeanten zu: „Kümmern Sie sich um Ihre Thermin-Kontrolle...“ Brugg stieß ihn an. „Geometrische Figuren werden auf gleicher Hyperfrequenz abgestrahlt!“ Sekunden später kam die Antwort vom Planeten. In
Zahlensymbolen der Mysterious! a+b ----- * h 2 Die Formel für die Flächenberechnung eines Trapezes! Die Offiziere in der Funk-Z benötigten nicht einmal den Translator. Meldung an Kommandant Leon Bebir. „Der innere Planet antwortet mit Formeln der geometrischen Figuren, die wir abgestrahlt haben. Sendung kommt einwandfrei über einen Maschinensender.“ „Danke“, sagte Bebir und warf dem Ersten, Hen Falluta, der inzwischen doch im Ko-Sitz Platz genommen hatte, einen fragenden Blick zu. „Landen... würde ich vorschlagen, Bebir, wenn beim Anflug nichts Besorgniserregendes passiert.“ „Auch meine Meinung.“ Die POINT OF war noch 47,8 Millionen Kilometer von ihrem Ziel entfernt, und das Schiff hielt seinen Kurs bei. Bei der augenblicklichen Geschwindigkeit war mit Erreichen der dichten Luftschichten in gut einer Stunde zu rechnen. Da gab Jens Lionel aus der astronomischen Abteilung Alarm! Tino Grappa, der in diesem Augenblick schwerste StrukturErschütterung über Zwitt anmaß, kam nicht dazu, seine Beobachtungen durch Zuruf bekanntzugeben Bebir, durch den Bordastronomen abgelenkt, übersah die herübergespielten Ortungsdaten, und Hen Falluta nahm sie nicht mit der Aufmerksamkeit auf, die er ihr hätte schenken müssen. Zwitt war weit, und in der Innenfläche der Sonnenkorona befand sich eine Ballung von Flächenprojektor-Stationen, die mit jedem Schiffsverband fertig wurde.
Lionel war wieder einmal aufs äußerste erregt. Seine Kollegen, die neben ihm vor der Bildscheibe standen, sahen nicht anders aus. „Wir erleben gerade einen astrophysikalischen Vorgang, der die phantastischste der phantastischen Vorstellungen weit in den Schatten stellt, Kommandant. Sonnenkräfte, von acht der neun Sonnen der siebten angeliefert, werden auf unfaßbare Weise von der F-Korona abgestrahlt und zur Stabilisierung des Systems verwendet...“ „Was hat man darunter zu verstehen?“ fiel ihm Bebir ins Wort, der auf astronomischem Gebiet kein Fachmann war. Lionel, in seinem Vortrag gestört, suchte einen Augenblick lang nach Worten und erklärte dann: „Sämtliche Planeten, auch die äußeren des F-Systems, deren Bahnen relativ instabil sind, erhalten zur Zeit durch die Korona einen energetischen Mantel, der sie, laut Resultat der Wahrscheinlichkeitsrechnung des Checkmasters, über einen Zeitraum von mehreren Stunden Norm-Zeit unabhängig von der siebten Sonne macht.“ Leon Bebir hatte immer noch nicht begriffen, welche Entwicklung sich in diesem System anzubahnen schien. „Deswegen regen Sie sich so auf, Lionel?“ Der Astronom rang nach Luft. „Deswegen... aufregen? Sie betrachten unsere Beobachtungen als Bagatelle? Großer Himmel, hätten wir es doch mit Ren Dhark zu tun!“ Diese Anspielung klang nicht gut in Bebirs Ohren, und der Kommandant der POINT OF erinnerte sich, daß Dhark schon oft auf die Warnungen und Hinweise des Astronomen gehört hatte. Auch fühlte er den kritischen Blick des Ersten, der sich in seiner Rolle als Ko-Pilot nicht besonders wohl fühlte und seinen Zweiten am liebsten aufgefordert hätte, die Kommandoführung an ihn abzutreten. Diesem Wollen aber stand der Dienstplan gegenüber, und wenn auch an Bord der POINT OF kein militärischer Ton herrschte, so wurde durch das zivile Verhalten der Besatzung die Ordnung dennoch nicht
gefährdet. Und der Dienstplan, der tagtäglich neu aufgestellt wurde, war ein wichtiger Bestandteil dieser Bordordnung, der sich auch Commander Ren Dhark unterwarf. Leon Bebir hatte eingelenkt. Jens Lionel sprach wieder; hastiger als zuvor. Er versuchte, so wenig wie möglich die Terminologie seiner Fakultät zu benutzen. Das fiel ihm nicht immer leicht, und mehrfach mußte er zu weitschweifigen Erklärungen greifen. „... Soeben erhalte ich neue Auswertungen des Checkmasters. Die Wahrscheinlichkeit ist von 67,4 Prozent auf 81,6 Prozent gestiegen, daß in absehbarer Zeit alle Planeten des siebten Systems über mehrere Stunden hinaus ohne die physikalischen Kräfte der F-Korona auskommen können. Mit anderen Worten: Das Planetensystem bleibt auch dann noch in seinem Zusammenhang stabil, wenn es die siebte Sonne nicht mehr geben sollte! Bebir, haben Sie nun verstanden, was diesem System bevorstehen kann? Damit ist von unserer Seite aber nicht behauptet worden, daß dieses Ereignis auch eintreten wird.“ Bebir konnte ihm immer noch nicht glauben. Sein nicht astronomisch geschulter Verstand vermochte Lionel nicht zu folgen. „Diese Energien, die für einen Prozeß der von Ihnen angedeuteten Art... Lionel, stehen diese Energien denn überhaupt zur Verfügung?“ Lionel war dicht daran, zu verzweifeln. „Natürlich stehen sie zur Verfügung! Acht Sonnen liefern sie doch jetzt schon an, über diesen Hohlschlauch, der der Sternenbrücke den Zusammenhalt gibt. Alle Wege werden benutzt, um den Energie-Transport ohne Zeitverlust durchzuführen. Wir beobachten Gravitationsstöße, die eindeutig erkennen lassen, daß die F-Korona durch diese Superimpulse unvorstellbare Energiemengen erhält, die im gleichen Moment, über das gesamte System verteilt, wieder abgestrahlt werden. Bebir, wir fliegen quer durch ein Sonnensystem, das mehr
und mehr von Energie... von Bindungs-Energie übersättigt wird. Aber zugleich ist diese Bindungs-Energie in ihrem Verhalten noch neutral. Der Checkmaster hat für uns Berechnungen durchgeführt, die wir selbst niemals hätten erledigen können, und daraus hat sich ergeben, daß es tatsächlich nur eines unbedeutenden Eingriffs im EnergieBereich bedarf, um alle Planeten von ihrer F-Korona zeitweilig unabhängig zu machen!“ Leon Bebir war mehr von Lionels erregt vorgebrachten Darlegungen angesprochen worden als von den Tatsachen. „Danke!“ sagte er. „Sie schlagen also vor, nicht auf dem inneren Sauerstoffplaneten zu landen und das System zu verlassen?“ Hen Falluta, der Erste Offizier, mischte sich ein. „Lionel, stellen diese astrophysikalischen Veränderungen eine Gefahr für das Schiff dar?“ Sicher antwortete Lionel. „Nein, solange sich die Entwicklung in dem von uns beobachteten Rahmen hält. Sollten schwerwiegende Änderungen eintreten, werden wir uns sofort wieder melden.“ Leon Bebir lachte verzerrt, und er entsann sich, welche Note er im Abschlußexamen auf der Raum-Akademie erhalten hatte, als es um sein Großes Raumfahrt-Patent ging: Astronomie und Astrophysik unter Durchschnitt! Dennoch war er als Zweiter Offizier auf die POINT OF versetzt worden, weil er in allen anderen Fächern mit bestem Erfolg abgeschnitten hatte. Stolz konnte er in der Gesamtwertung einen zweiten Platz unter allen Kandidaten einnehmen. Im Augenblick ärgerte er sich, daß es ihm so schwer gefallen war, Lionels Ausführungen in ihrer ganzen Tragweite zu verstehen. Hen Falluta, der um die Schwäche seines Kollegen wußte, beruhigte ihn mit einigen freundlichen Worten, und darin gab der Erste offen zu, auch nicht alles verstanden zu haben. Wieder betrachteten sie die Bildkugel, die die drei
Sauerstoffwelten und den Mondsammler zeigte. Es war ein ungewöhnliches Bild, denn wenn man vom inneren Planeten eine Verbindung zum äußeren der Sauerstoffwelten zog, lagen mit dem Mondsammler alle vier Welten auf einer Linie. Diese Tatsache allein ließ schon den Verdacht aufkommen, daß das gesamte siebte Sonnen-System in der Sternenbrücke ein Kunstprodukt war. Grappa schreckte sie auf. „Weitere starke Struktur-Erschütterungen über Zwitt! Mehr kann ich nicht feststellen. Energie- und Distanz-Werte sind seit einiger Zeit verfälscht!“ Unzufrieden stellte Bebir fest: „Und wir haben den Commander mit seiner rund hundert Mann starken Gruppe im Stich gelassen...“ „Unsinn!“ widersprach Falluta energisch. „Man hat uns aus dem Bereich der Korona regelrecht hinausgeworfen und unser Schiff auf Anflugkurs zum inneren Planeten gebracht. Ob wir jemals erfahren, warum man derart mit uns verfahren ist?“ Schon wieder tauchte Jens Lionels Gesicht auf der Bildscheibe der Bordverständigung auf. Er ersparte sich jede Vorrede. „Die F-Korona hat sich verändert. Schlagartig strahlt sie die von anderen Sonnen zugeführten Energien nur noch zum Teil ab. Was die Korona aber mit den Kräften anstellt, die sie behält, können wir nicht sagen. Eigenartigerweise ist der Checkmaster keine Hilfe mehr. Er gibt alle Fragen als nicht genügend spezifiziert unbeantwortet wieder zurück. Die meisten meiner Kollegen sind der Ansicht, daß sich über Zwitt eine Raumschlacht größten Formats abspielt, bei der die Innenseite der Korona die zurückbehaltenen Energie-Mengen verbraucht.“ Er und seine Kollegen waren der Wahrheit nahe gekommen, dennoch konnten sie sich nicht vorstellen, was sich tatsächlich auf Zwitt ereignete, und daß Commander Dhark mit seiner
kleinen Gruppe keinen Cent mehr für ihr Leben gab. Bei der Besatzung der Funk-Z, die mitgehört hatte, herrschte keine gute Stimmung. Der Hyperfunk-Verkehr mit dem inneren Planeten hatte keine großen Fortschritte gemacht; der Versuch, den Commander zu unterrichten, wo sich sein Flaggschiff befand, scheiterte an der Sonnenkorona, die sogar To-Funksprüche nicht hindurchließ. Elis Yogan dachte nicht daran, aufzugeben. „Und wenn ich Tag und Nacht durchrufen muß! Einmal muß sich Dhark doch melden!“ „Hoffentlich!“ brummte Glenn Morris. In diesem Augenblick nahm Leon Bebir eine Kurskorrektur vor. Die POINT OF änderte auf der Koordinate Gelb 56:34,61 nach 58:60,00 Grad Das Flaggschiff verließ seine Spiralbahn und ging auf direkten Anflug. Nach wie vor war die Geschwindigkeit des Schiffes unverändert. Nach wie vor zeigte sich die innere der drei Sauerstoffwelten mit ihrem harmlosen Gesicht. * Marschall Bulton verließ mit hochrotem Kopf Henner Trawisheims Arbeitszimmer im Regierungsgebäude von Alamo Gordo. Er hatte ziemlich viel einstecken müssen. Und Bernd Eylers, Chef der GSO, hatte schweigend in der Ecke vor dem Panoramafenster gesessen und hin und wieder zu besonders schweren Vorhaltungen genickt. Die Flotte hat versagt und damit auch Sie, Bulton! Sie haben nicht einen einzigen Versuch unternommen, auf den Spuren der POINT OF Nachforschungen nach dem Flaggschiff zu betreiben!
Es ist nicht damit getan, sämtliche erbeuteten Ringraumer so schnell wie möglich mit Besatzungen zu versehen, die einsatzklaren Schiffe hätten auch eingesetzt werden müssen! Die Zusammenarbeit mit der GSO ist miserabel, Bulton! Wie kommt der Stab der TF dazu, zwei wichtige Anträge unserer Wissenschaftler auf Hope kurz und bündig abzulehnen? Wie kommt Ihre Unterschrift auf diese beiden Antragsfolien? Wer in Ihrem Stab war so selbstherrlich, Echri Ezbals Vorschlag abzulehnen, einen Cyborg der neuen Serie auf die Suche von Shanton, Jos Aachten van Haag und Tschobe einzusetzen? Zuerst hatte Bulton innerlich getobt. Dann hatte er zweimal die Faust auf Trawisheims Schreibtisch gedonnert, was dieser sich nach dem zweiten Mal verbeten hatte; dann hatte er einmal dazwischengerufen: „Das alles sind aufgebauschte Angelegenheiten, Trawisheim, und es ist lächerlich, daß Sie mich zum Sündenbock für den Mist meiner Mitarbeiter machen wollen!“ Trawisheim hatte ihn daraufhin mit noch schwerwiegenderen Vorhaltungen unter Beschuß genommen, daß sich Bulton zum Schluß wie ein blutjunger Offiziersanwärter vorgekommen war. In dieser Verfassung befand er sich noch, als er den Stab der TF am Rand des Raumhafens von Cent Field betrat. Hier herrschte ein anderer Ton als an Bord der POINT OF; hier gab es das so menschliche Nebeneinanderleben nicht, das das Klima im Flaggschiff unvergleichlich machte. Die nur als Dekoration herumstehenden Posten grüßten zackig, als Bulton das Portal durchschritt und dabei wie jeder andere auch von der Sensor-Kontrolle identifiziert wurde. Bulton grüßte nicht zurück. „Mann“, sagte der eine Posten zum anderen, als der Marschall außer Sicht- und Hörweite war, „hat der Alte eine
Stinkwut im Bauch.“ Das war Untertreibung. Bultons Gemütszustand war unbeschreiblich. Der Stab der TF sei ein Sauhaufen, hatte Trawisheim behauptet. Sauhaufen, hatte er gesagt, und diesen häßlichen Ausdruck auch noch besonders scharf betont. Kurz darauf saßen seine Stabsoffiziere am hufeisenförmigen Schwebetisch. Stumm hörten sie sich den Monolog des Marschalls an. Er gab die Vorhaltungen, die ihm Henner Trawisheim gemacht hatte, mit der üblichen Verstärkung an sie weiter. Nur durften es sich seine Offiziere, im Gegensatz zu ihm, nicht leisten, ab und zu mal mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Sie hatten alles wortlos zu schlucken, solange der Marschall sprach. Er sprach lange. Er redete sich seine Wut vom Leib. Daß er damit seine Offiziere zum Teil ungerecht behandelte, kümmerte ihn noch nicht. Plötzlich sah er Oberst Konon grinsen. Das war ihm zuviel. Er unterbrach seinen Monolog, sprach den Oberst direkt an. Der gab sein Grinsen nicht auf. „Warum ich mich amüsiere, Marschall?“ fragte er leichthin, als er sich zu äußern hatte. „Das ist schnell erklärt, weil ich die beiden Anträge der Wissenschaftler auf Hope abgelehnt und sie Ihnen zur Gegenzeichnung vorgelegt habe. Diese Anträge waren keine Anträge, sondern ultimative Forderungen, die unerfüllbar waren, weil sie, hätten wir ihnen stattgegeben, die Unternehmen Habicht und Moloch, sowie Pläne KER-b und XB-13 zum Scheitern gebracht hätten. Ich möchte es Ihnen an Hand der Unterlagen, die ich mitgebracht habe, beweisen.“ „Ich bin gespannt“, erwiderte Bulton, der im stillen hoffte, daß sein Oberst ihm nicht zuviel versprochen hatte. Denn zu gern hätte er eine Reihe der gegen ihn vorgebrachten
Anschuldigungen ebenso massiv Henner Trawisheim dankend zurückgereicht. Oberst Kanon sprach. Nur zweimal stellte Bulton eine Frage. Die Projektion flammte auf. Drei Kollegen des Obersten fütterten den Suprasensor mit den von ihm vorgebrachten Daten und Begriffen. Die Endauswertung kam, als Oberst Kanon seinen Vortrag beendete. Lapidar hieß es unter anderem darin: Unternehmen Habicht und Moloch, Pläne KER-b und XB-13 mußten Vorrang vor den Anforderungen von Hope behalten! „Interessant!“ sagte Bulton lakonisch, der längst nicht mehr wie eine bissige Bulldogge aussah. Im Laufe der immer lebhafter werdenden Debatte kristallisierte sich heraus, daß sowohl Trawisheim als auch Bernd Eylers die komplizierten Zusammenhänge innerhalb der TF falsch gesehen und zum Teil die folgenschweren Auswirkungen, wenn alles ihren Vorstellungen nach getan worden wäre, nicht erkennen konnten. Drei Stunden später, nachdem die massivsten Vorwürfe hatten entkräftet werden können, sagte Marschall Bulton: „Danke!“ erhob sich und verließ den Besprechungsraum Die beiden Posten, die zackig salutierten, als er durch das Portal auf seinen Jett zustürmte, warteten wieder einmal, bis er außer Sicht- und Hörweite war. „Du großer Himmel“, sagte der eine Posten zum anderen, „die Stinkwut des Alten ist ja noch größer geworden...“ Er irrte sich. Marschall Bulton kochte vor Schadenfreude, denn er befand sich auf dem Weg zu Henner Trawisheim, und er hatte Ren Dharks Stellvertreter einiges zu sagen. Schneller hätte er das Regierungsgebäude in Alamo Gordo mit dem Transmitter erreicht, aber ihm war nicht der Gedanke gekommen, ihn zu benutzen, weil er zu schnell in Alamo Gordo gewesen wäre. Er
mußte Zeit haben, über einiges nachzudenken, denn Trawisheim war nicht nur Dharks Stellvertreter, sondern ein Cyborg auf geistiger Basis, und gegen dessen Verstandeskräfte zu obsiegen, verlangte hieb- und stichfeste Tatsachen, die dazu auch noch in einer Form vorgebracht werden mußten, daß Trawisheim keine andere Möglichkeit blieb, als sie zu akzeptieret!. Und er akzeptierte sie! Er nahm auch den Ausdruck Sauhaufen zurück. Er entschuldigte sich sogar deswegen. Bernd Eylers saß diesmal nicht gemütlich vor dem großen Panoramafenster und nickte hin und wieder zustimmend. Er tat nun sogar den Mund auf und meinte nicht besonders überzeugend: „Da müssen wir falschen Informationen aufgesessen sein.“ Choleriker Bulton zeigte sich in seiner Charakterschwäche. „Ach! Falsche Informationen? So einfach ist das?! Aber wenn ein Jos Aachten van Haag seinen Mund so weit aufreißt, wie er es auf der DOG getan hat, als er mit dem Schiff nach Hope flog, dann wirft so etwas kein schlechtes Licht auf die GSO?! Dann heißt es hinterher in einer lendenlahmen, amtlichen Verlautbarung, daß der GSO-Mann X nur seine private Meinung zum Ausdruck gebracht habe, die aber in diesem Fall nicht die der GSO sei...“ Trawisheim unterbrach ihn. „Sie schweifen vom Thema ab.“ Bulton ließ sich nicht stören. „Jetzt sind Sie nichts anderes als Zuhörer, Trawisheim. Was ich Eylers zu sagen habe, betrifft Sie nicht. Sie können mir hier in Ihrem Arbeitsraum das Wort verbieten, aber dann kaufe ich mir Eylers draußen auf dem Gang, und dort habe ich unbeschränkte Redefreiheit...“ Und wieder glich der Marschall der TF einer bissigen Bulldogge. Henner Trawisheim verstand Bultons Erregung. Nachdem
die meisten Vorwürfe gegen die TF gegenstandslos geworden waren, hätte es seiner Initiative bedurft, mit dem Marschall zu überlegen, wie man in Zukunft solche Fehlannahmen vermeiden konnte. Nun aber versuchte er den erregten Mann nicht zu beruhigen; er ließ ihn sprechen, und Bernd Eylers war auch so klug, nichts zu erwidern, doch dann nutzte er eine kurze Atempause aus, um Bulton mit der Frage ins Wort zu fallen: „Wäre der Stab der TF nicht an einem neuen Suprasensor der letzten Serie interessiert, damit Pannen dieser Art, wie wir sie erlebt haben, nicht mehr, vorkommen?“ „Suprasensor!“ fauchte Bulton und winkte dabei verächtlich ab. „Was nützt uns der beste Suprasensor, wenn die Personen, die ihn mit Daten zu beschicken haben, schlafen? Und nicht bei der TF ist geschlafen worden, sondern bei der GSO und in der Regierung. Die Terranische Flotte kann sich solche Schlafexzesse nicht leisten! Mahlzeit!“ Abrupt erhob er sich, nickte Trawisheim und Eylers zu und stampfte hinaus. „Ein ehrlicher Mann“, sagte Henner Trawisheim, als sich hinter Bulton die Tür geschlossen hatte. „... und ein Pulverkopf!“ beurteilte ihn Bernd Eylers. „Recht hat er. Dieser grandiose Mist ist in meiner GSO und bei Ihnen gemacht worden. Die Fehler, die in der TF gemacht worden sind, haben nun kaum noch Bedeutung. Doch was mich an dieser Geschichte am meisten ärgert, ist Bultons Anspielung auf Jos Aachten van Haags Behauptung, er würde den Fall mit den beiden entarteten Cyborgs bald geklärt haben. Ich begreife bis heute noch nicht, warum Jos, der doch sonst in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltend ist, sich als Großsprecher gezeigt hat.“ Trawisheim zuckte die Achseln. „Mit anderen Worten, Ihre GSO ist auch nicht weitergekommen?“ „Keinen Schritt. Echri Ezbal hat es inzwischen aufgegeben, sich nach dem Stand der Nachforschungen zu erkundigen, weil
er sich nicht erklären kann, wie man Mildan und Dordig verändern konnte. Wir wissen ebenfalls immer noch nicht, warum man ausgerechnet Manu Tschobe umbringen wollte. Trawisheim, über diesen Fall könnte man verzweifeln. Und nun sind die Hauptakteure des Dramas auch noch verschwunden...“ „... oder längst tot, Eylers.“ „Nein. Es gibt nicht nur einen starken Verdacht, der uns glauben läßt, daß sie alle noch leben, sondern beinahe einen unumstößlichen Beweis, Trawisheim: Mit dem Verschwinden von Jos, Tschobe, Shanton und dessen Robotköter haben schlagartig alle unerklärlichen Sabotageakte im Höhlen-System ein Ende gefunden! Meiner Ansicht nach leben die Vermißten noch. Frage: Wo leben sie? Das möchten wir alle gern wissen. Und wo halten sich nun diese verdrehten Cyborgs versteckt?“ * Chris Shanton schlug die Augen auf, blinzelte, schluckte ein paarmal und atmete tief durch. Sein Klarsichthelm war geschlossen. Die Temperatur in seinem M-Raumanzug normal; die Sauerstoffversorgung auch. Nur der Helmfunk schwieg. Auf der eingeschalteten Frequenz war es still, wenn er vom leichten Rauschen der Statik absah. Hatte man ihn nicht geschockt? Das Brummen im Kopf ließ ihn darauf schließen, aber wo war er in einen Strahl hineingelaufen? Wo war das noch gewesen? Langsam kehrte sein Erinnerungsvermögen wieder zurück. Über einen Transmitter hatten sie die Zentrale des InvasorenRaumschiffes erreicht, in dem es vier Konturlager gab, aber sechs schwarze Weiße in enganliegenden, silbergrauen Uniformen, die auf der Brustseite mit blauen und roten Ornamenten verschiedenartigen Aussehens verziert waren.
Diese schwarzen Weißen, die einwandfrei keine Roboter waren, hatten im Feuer ihrer Schockerstrahlen schnell den Kampf aufgeben müssen. Aber was war dann passiert, als sie in der Zentrale nach einem zweiten Ausgang suchten? Wer hatte ihn dort geschockt? Trottel! nannte sich der Dicke in Gedanken, räusperte sich und rief über Helmfunk nach Tschobe und Jos. Das leichte Rauschen der Statik blieb unverändert! Chris Shanton fluchte. Er hob die Hand, schaltete auf Jimmys Frequenz um. Das leichte Rauschen der Statik blieb unverändert, auch als er ein paarmal nach ihm gerufen hatte. Langsam wurde es dem Diplom-Ingenieur unheimlich, aber es dauerte doch noch eine gute Minute, bis ihm der Gedanke kam, einmal zu versuchen, sich aufzurichten. Das war nicht leicht, weil die Wirkung der Parastrahlen noch nicht vollständig abgeklungen war. Es fehlte ihm an Kraft in den Gliedern, und die Gedanken in seinem Kopf liefen längst nicht so schnell wie gewöhnlich. Dann sah er sich in sitzender Stellung um. Der Raum war halbdunkel. Er war allein darin. Von Jimmy keine Spur. Auf dieser neun Quadratmeter großen glatten Bodenfläche konnte er ihn nicht übersehen. Der Raum war verhältnismäßig niedrig, knapp zweieinhalb Meter hoch. Die Wände waren schmutzig. Der Boden auch, und die Tür vor ihm war bestimmt verschlossen. Er hatte recht! Und er hatte keine einzige Strahlwaffe mehr! Aber er besaß noch sein Vipho; in den Taschen seines Raumanzuges befanden sich auch alle Kleinigkeiten, die er immer mit sich führte. „Das verstehe, wer will“, murmelte er, und seine Stimme hatte ihren orgelnden Klang verloren. Gedankenlos öffnete er seinen Klarsichthelm und tat den ersten Atemzug.
Die Flüche, die über seine Lippen kamen, waren sehr unfeine Ausdrucke. Pestilenzialisch stank es in dem Raum, in den man ihn gesteckt hatte, und jetzt, durch seine Unvorsichtigkeit, stank es auch noch in seinem M-Raumanzug. Das war ja tausendmal schlimmer als auf der Skunk-World, einem Planeten im Tebe-System, 2103 Lichtjahre von Sol entfernt. Und die Skunk-World rangierte in der 1. Gruppe der Sauerstoffplaneten! Von Terra aus war er sogar zur Besiedlung freigegeben, und es hatten sich doch tatsächlich einige zehntausend Menschen gefunden, die inzwischen darauf lebten. Ihnen machte der Gestank auch nichts aus, weil sie über keinen Geruchssinn verfügten, aber sie konnten grob und manchmal sogar tätlich werden, wenn sie hörten, daß sie von den Besatzungen der Handelsraumer kurz und bündig als die Stinker bezeichnet wurden. Einem Menschen mit normalem Geruchssinn war es jedoch zu verzeihen, daß er diesen Ausdruck benutzte, und einige mit besonders feiner Nase behaupteten immer wieder, daß sogar die Außenhaut der Handelsraumer noch riechen würde, wenn sie nach einem Flug quer durch den Weltraum einschließlich Transition wieder auf der Erde gelandet waren. Shantons Ekel zeigte sich deutlich auf seinem Gesicht. Immer wieder krauste er die Nase. An diesen Gestank konnte er sich nicht gewöhnen, aber er lähmte seine Aktivität nicht, die um so größer wurde, je mehr dieses undefinierbare Brummen in seinem Kopf nachließ. Auch die Schwäche in seinen Gliedern verschwand mehr und mehr Er klopfte die Wände ab. Der Dreck darauf tat ihm nichts. Das filmdünne Material seines Schutzanzuges war schmutzabweisend. Er hörte nur metallischen Klang. Im Bereich der Tür war es nicht anders. Nach wenigen Minuten stellte er seine primitiven
Untersuchungen ein. Wieder schüttelte er den Kopf. Der Geruch in seinem Anzug war durch den Filter inzwischen entfernt worden. Die Luft darin roch wieder frisch und würzig. „Hier darf ich bleiben, bis ich grün geworden bin“, knurrte er, um im nächsten Augenblick zusammenzuzucken, denn er hörte: „Hallo, Shanton, sind Sie wieder fit?“ Das war Manu Tschobes Stimme. „Fit?“ orgelte der Dicke, der Sorge hatte, der Funkkontakt zu Tschobe könnte schnell unterbrochen werden. „Mehr als das. Wo stecken Sie? Wo befindet sich Jos? Wissen Sie, wo man Sie eingesperrt hat?“ „Eingesperrt, Shanton? Ich verstehe Sie nicht. Niemand ist eingesperrt. Sie auch nicht.“ Das war dem zwei Zentner schweren Mann zu starker Tabak. „Was? Ich bin nicht eingesperrt? Was bin ich denn? Ich stecke in einem Stinkloch wie auf der Skunk-World, kann nicht ‘raus, und Sie reden, ich sei nicht eingesperrt? Wer von uns beiden ist denn verrückt?“ Daraufhin erhielt er keine Antwort, weil Jos Aachten van Haag sich einmischte. „Bei Ihnen riecht’s?“ Der Dicke erinnerte sich automatisch wieder daran, was seine Geruchsnerven hatten wahrnehmen müssen, und dazu kam, daß er Jos’ arglos gestellte Frage für pure Verstellung hielt. „Hier riecht’s nicht. Hier stinkt es!“ brüllte er unter seinem Klarsichthelm, „und wenn ich in einer Minute nicht aus diesem Loch heraus bin, dann hetze ich Jimmy über mein Spezialgerät auf euch!“ „Ja, ja, Ihr Jimmy!“ erwiderte Jos und fügte hinzu: „Ich komme, aber warum Sie nicht herausgefunden haben, die Tür zu öffnen, verstehe ich nicht. Denn die ist doch gar nicht
versperrt.“ Dieser letzte Hinweis brachte es fertig, daß Shanton keinen Ton mehr sagte. Er stürzte auf die Tür zu, die eben noch verschlossen gewesen war. Sie war es auch jetzt noch. An ihr gab es keinen Griff, keinen Drücker; nichts! Jos’ stiller Vorwurf klang ihm stärker in den Ohren: Aber warum Sie nicht herausgefunden haben, wie die Tür zu öffnen... „Sie geht nicht auf! Sie ist verschlossen! Himmel, Bomben und Boliden, ich bin doch kein...“ Die Tür sprang auf. Wie ein Schlitzverschluß! Mit einem Schritt war Shanton draußen und stand auf einem Deck. Hinter ihm schloß sich die Tür wieder. Über das Deck kam Jos, der GSO-Mann. „Na also“, sagte er, als er den Dicken sah und sein Blick sich wieder an dessen Backenbart festbrannte. „Nichts, na also!“ schnaubte der Diplom-Ingenieur. „Ich weiß immer noch nicht, wie ich aus diesem Loch herausgekommen bin. – Haben Sie mich dorthinein praktiziert?“ Jos hatte! Jos schnupperte. Er konnte es, denn sein Klarsichthelm war nach hinten zusammengefaltet. Jos Aachten van Haag ging unwillkürlich ein paar Schritte zurück. Chris Shanton stank unbeschreiblich! Und der nahm alles mit der Exaktheit eines Suprasensors auf. Er schob seinen Bauch vor sich her und ging auf Jos zu. Er wollte dem Mann so lange seine Hand unter die Nase halten, bis der ihm Rede und Antwort gestanden hatte. Aber wieder machte er einen Fehler. Er öffnete seinen Klarsichthelm, wollte ihn zurückziehen, und da stieg es ihm schon wieder in die
Nase. „Oh...“ Chris Shanton erlebte eine Niederlage von einer Seite her, von der er es nicht erwartet hatte. „Jos“, sagte er ziemlich kleinlaut, „warum mußten Sie mich ausgerechnet in diesen duftenden Raum sperren?“ Der verstand ihn jetzt nicht mehr, weil er nicht gebrüllt hatte, aber Jos hatte gehört, daß die Lautsprecher seines Helms etwas von sich gegeben hatten. Statt zu fragen, winkte er Shanton, ihm zu folgen. Shanton hatte allen Grund, sich über Jos’ Verhalten zu wundern. Der GSO-Mann bewegte sich in dem fremden Schiff, als ob es sein Eigentum wäre. Plötzlich blieb er stehen und deutete auf die Wand. Im letzten Moment sah Shanton den rechteckigen Umriß, der vor ihm aufsprang und einen Raum freigab, der ebenfalls leer war. Da wurde der Diplom-Ingenieur hart gegen sich selbst. Er riß trotz des ekelerregenden Duftes den Helm zurück und schnaubte: „Was soll das?“ „Der Duschraum. Er arbeitete automatisch. Die schwarzen Weißen haben wohl gewußt, warum sie ihn eingebaut...“ Shanton war schon an ihm vorbei. Die Tür hatte sich hinter ihm geschlossen. Jos wartete auf dem Deck. Er konnte die Ratlosigkeit des Dicken verstehen. Ihm fehlte durch den Schockerbeschuß der Zusammenhang. Dann tauchte der Mann, der eigentlich im Sol-System zu arbeiten hatte und dort für die Abwehrbereitschaft der Ast- und Mondforts verantwortlich war, wieder auf. Er schnupperte an seinem Raumanzug, und seine Miene hellte sich auf, als er keinen Geruch mehr feststellen konnte. „Kommen Sie.“ Er hatte es schwer, dem sportlichen Jos zu folgen. Dann stand er Manu Tschobe gegenüber. In der Ecke lagen einige schwarze Weiße, die sich nicht rührten. Aber in
derselben Ecke lag auch sein Jimmy, und der rührte sich auch nicht. Tschobe legte ihm eine Hand auf den Arm. „Moment mal, Shanton. Jimmy ist jetzt nicht mehr wichtig...“ „Was sagen Sie? Nicht wichtig? Jimmy, der uns bisher vor dem Sterben bewahrt hat?“ Wenn er einmal loslegte, dann war er auch nicht mehr zu bremsen, und niemand konnte oder wollte ihn aufhalten, sich vor Jimmy zu knien und seine Blechkonstruktion, die kein Fell mehr besaß, zu untersuchen. Ein Blick hatte genügt, um ihn entdecken zu lassen, was mit seinem Spielzeug passiert war. „Wer hat das gemacht?“ orgelte er, und in seinen Augen fehlte jede Spur Humor. „Ich!“ sage Jos trocken. Chris Shanton stutzte und blickte den GSO-Mann scharf an. „Warum haben Sie ihm mit Ihrem verdammten Blaster ein Loch in den Schädel gebrannt, Jos?“ So fragten auch Richter einen Mörder vor Gericht. „Warum hat Jimmy zuerst Manu Tschobe, dann schwarze Weiße und zum Schluß mich geschockt? Warum wohl, Shanton?“ „Sie spinnen!“ erwiderte dieser grob. „Jimmy kann so etwas nicht tun. Sein Programm verhindert es...“ „Hat es nicht verhindert!“ mischte sich Tschobe ein. „Aber lassen wir das, Shanton. Es geht um Wichtigeres. Wie kommen wir hier ‘raus? Wir finden keinen Ausweg!“ Langsam schob der Diplom-Ingenieur seine zwei Zentner nach oben. Noch langsamer stemmte er seine Pranken gegen die Hüften. Noch viel langsamer sah er von einem zum anderen. Sein Verdacht, sie würden sich mit ihm zur unrechten Zeit einen schlechten Scherz erlauben, verflog. Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag sahen ratlos aus. Er warf seinem Chrono einen Blick zu. „Stimmt das?“ und
hielt es ihnen unter die Augen. „Muß so sein“, erwiderte Tschobe. „Wir waren auch einen ganzen Norm-Tag lang geschockt. Glücklicherweise hatten die schwarzen Weißen noch viel höhere Para-Dosen erhalten, sonst sähe es für uns noch schlechter aus. Auf Ihren Jimmy können wir nicht mehr rechnen. Der hat uns zum Schluß, als Sie längst schon jenseits von Gut und Böse waren, der Reihe nach geschockt. Jos und ich haben uns inzwischen umgesehen, und wir sind unabhängig voneinander zu dem Resultat gekommen, daß wir uns nicht in einem Raumschiff aufhalten!“ „In keinem...? Worin denn?“ Zwei Mann zuckten die Achseln. „Gibt’s doch gar nicht! Wir waren doch in der KommandoZentrale mit den vier Konturlagern und den Instrumenten davor, die im Boden eingelassen waren!“ „War es wirklich die Kommando-Zentrale eines Raumschiffes, Shanton?“ Der Dicke hatte es nicht leicht. Jimmy zerstört und nur noch Schrottwert. Die Kommando-Zentrale, in der es ihn erwischt hatte, sollte keine sein. Und diese Anlage, in der sie steckten, war auch kein Raumschiff. „Zum Teufel, was dann?“ Schweigen. „Und was ist das hier?“ Tschobes Frage: „Bekommen Sie es vielleicht heraus? Wir nicht!“ Nach fünf Minuten schüttelte Chris Shanton den Kopf und gab zu: „Ich weiß es auch nicht. Mit M-Technik hat es keine Ähnlichkeit.“ Seine Gedanken gingen in eine andere Richtung. „Ist viel passiert, nachdem ich geschockt worden war?“ „Kann man wohl behaupten“, erwiderte Jos der seine letzte Zigarette rauchte. „Das, was wir als Kommando-Zentrale
ansahen, ist nicht mehr. Dort sind Sie schon ein Opfer von Jimmy geworden, der behauptete, der Transmitter stecke in der Decke. In Wirklichkeit saß die Anlage im Boden. Daraus kam ein Rob. Der schockte Sie, und dann war um uns herum der Teufel los. Hier hatten wir auch zu tun. Als wir dann nach dem turbulenten Geschehen wieder zu uns kamen, lag Jimmy am Boden. Er regte sich nicht, aber ich wollte sicher gehen, und jagte ihm einen Blasterschuß durch den Kopf. Dann haben Tschobe und ich, soweit es uns möglich war, nach einem Ausgang, einer Schleuse oder einem Transmitter gesucht. Wir haben nichts gefunden, aber wir beide kamen unabhängig voneinander zu dem Resultat, daß dieses hier kein Raumschiff sein kann.“ Hier hakte Chris Shanton ein. „Warum nicht?“ „Weil ein Raumschiff ein Triebwerk haben muß!“ erwiderte Tschobe. Hatte er absichtlich diese Erklärung überhört? Er fragte: „Sind wir bis auf die geschockten schwarzen Weißen allein hier?“ „Ja!“ „Dann sehe ich mir mal diese Anlage an, aber ich möchte nicht allein gehen. Weniger aus Furcht, als vor der Gefahr, mich zu verirren.“ „Nicht möglich, denn...“ Ein Stoß ging durch den Boden. Laut knirschte es, als ob tausend Tonnen Kies zur Seite gedrückt würden, dann dröhnte es noch einmal auf, und dann setzte ein immer lauter werdendes Brummen ein. Erschreckt sahen sich die drei Männer an. Jeder fragte den anderen: Was war das? Das Brummen, das so schnell laut geworden war, ließ wieder nach. Doch erneut drangen jene Geräusche durch, die den Verdacht aufkommen ließen, als ob die Anlage, in der sie sich aufhielten, über Kies rutschen würde.
„Stecken wir in einer Tauchkugel?“ Beinahe waren auch Tschobe und Jos von Shantons Ansicht überzeugt. Eine Tauchkugel der schwarzen Weißen, mit der sie bis an die unterseeische Werft der Mysterious herangekommen waren, um dann die letzte Strecke über einen Transmitter zurückzulegen. Erklärte das auch das Fehlen eines Antriebs? „Aber...?“ Jetzt spürten sie deutlich das Schwanken, und jedes Schwanken war bei seinem weitesten Ausschlag von jenem Geräusch verbunden, als ob gewaltige Kiesmengen verdrängt würden. War die Tauchkugel hochgestiegen und am Ufer angetrieben? Oder war die Tauchkugel durch den Traktorstrahl eines Raumschiffes an die Oberfläche des Ozeans geholt worden, weil man inzwischen entdeckt hatte, daß hier einiges nicht mehr stimmte? Manu Tschobe schoß ein verrückter Gedanke durch den Kopf, als er die bewußtlosen schwarzen Weißen in der Ecke liegen sah. Er überlegte nicht lange das Für und Wider. „Sie und Sie... Gesichter schwärzen, dann denen die Uniform ausziehen und überstreifen. Vielleicht haben wir dadurch eine winzige Chance...“ „Kolumbus!“ orgelte Shanton und schlug dem Afrikaner begeistert auf die Schulter. „Aber woher bekommen wir das Schwärzmaterial?“ Jos spurtete los. „Ich bin gleich wieder da!“ Er hielt Wort. Er brachte in einem Plastikgefäß eine sirupartige schwarze Masse heran. „Was ist denn das?“ fragte Shanton mißtrauisch. „Woher soll ich es wissen... Los wir haben bestimmt nicht mehr viel Zeit!“
Tschobe hatte diese Maskerade nicht nötig, aber er war sich auch klar, daß er mit seinem starken negroiden Einschlag als erster von den schwarzen Weißen als Fremder erkannt werden würde. Doch darauf mußten sie es ankommen lassen, wenn seine Idee Erfolg haben sollte. Er betrachtete die bewußtlosen schwarzen Weißen. Zwei mußten ihre silbernglänzende Uniform hergeben, aber keine einzige war so groß, daß der dicke Shanton hineinpaßte. „Geht nicht...“, sagte Tschobe. „Muß gehen!“ schnaubte der Diplom-Ingenieur, der sein Gesicht mit der schwarzen Sirupmasse einrieb, die geruchlos war. „Umsonst habe ich mir jetzt nicht das Zeug ins Gesicht geschmiert. Himmel, wie schnell das trocknet!“ Tschobe sah seinen Plan schon als gescheitert an. Shantons dicker Bauch war nicht unterzubringen, und dann war ja auch noch sein Backenbart vorhanden. Ob es schwarze Weiße gab, die über Bartwuchs verfügten? Er bückte sich, strich einem der Besinnungslosen über das Gesicht und fühlte Stoppeln. Aber trug man Bart? „Der Bart muß ‘runter, Shanton!“ rief er ihm zu, während er dem Bewußtlosen, der die gleiche Figur wie Jos hatte, die Uniform auszog. „Der Bart bleibt!“ säuselte der Diplom-Ingenieur, der sich gerade die Oberlippe einschmierte. Jos nahm keine Stellung zu diesem Problem. Die Masse, die er und der andere sich ins Gesicht schmierten, wurde ihm zu schnell trocken, wenngleich sie noch elastisch war. Eine entsetzliche Vorstellung schoß ihm durch den Kopf. „Shanton, wenn uns das Zeug gleich nur nicht die Haut vom Gesicht zieht!“ Der knurrte: „Erst den Bart ab, und jetzt das... Oh...!“ So stark wie im Moment hatte ihre Anlage noch nie geschwankt, aber dieses Schwanken war von keinem
knirschenden Geräusch begleitet worden. Der metallisch klingende Schlag, der dann durch ihren Raum lief, gab ihnen unmißverständlich zu verstehen, daß sie gerade auf einem metallenen Untergrund aufgesetzt hatten. Befand sich ihre Anlage jetzt in einem Raumschiff der schwarzen Weißen? * Das Hy-Kon! Ren Dhark hatte verstanden, was sich hinter dieser Abkürzung verbarg: Das Hyper-Kontinuum! Aber weder Dan Riker noch Arc Doorn hatten begriffen, was geschehen war, als es plötzlich über Zwitt die großen Schiffsverbände der schwarzen Weißen nicht mehr gab. Sie hatten nur verstanden, daß er sie mit der Kraft der Station im Mittelpunkt des Planeten Zwitt zum Verschwinden gebracht hatte! Alle Schiffe der schwarzen Weißen! Er hatte sie ins Hyper-Kontinuum geschleudert – ins Hy-Kon! Ungewollt! „Ja“, sagte er, „es ist nun einmal geschehen.“ Ren Dhark begriff, daß er den beiden Männern, die ihn entsetzt anstarrten, damit gar nichts erklärt hatte. „Ren...“, stammelte Riker, „Ren, du bist ja schlimmer als ein Grako!“ Doorn mußte das gleiche über ihn denken, denn dessen Blick hatte sich nicht verändert. Auch er sah in Commander Ren Dhark das Ungeheuer! „Ren... die Schiffe der schwarzen Weißen... nicht ein Versuch wurde unternommen, Zwitt zu betreten... wahrscheinlich waren die Besatzungen gelähmt, geschockt, vielleicht schon tot... was weiß ich? Mußtest du dann auch noch die Schiffe vernichten? Alle Schiffe mit einem Schlag?“ Die Anschuldigungen trafen Dhark schwer; besonders schwer, weil sie von seinem besten Freund gemacht worden
waren, und daß Riker ihm diese Unmenschlichkeit zutraute, war bestürzend. Plötzlich zweifelte er an den Freundschaftsgefühlen seines Partners, mit dem er doch seit Jahren durch dick und dünn gegangen war. Riker mußte doch wissen, daß er es nie fertigbringen würde, unmenschlich zu handeln, und wenn er nun Zeuge eines unbegreiflichen Vorgehens gewesen war, dann hätte er sich doch sagen müssen, daß da noch etwas anderes eine Rolle gespielt haben mußte. Dhark wischte über seine Stirn. Es war eine Bewegung, die Müdigkeit und Niedergeschlagenheit ausdrückte. Er nickte schwach, während sein Blick zwischen Riker und Doorn hin und her ging. Und er atmete schwer. Die Grakos gingen ihm nicht aus dem Kopf, und Rikers Vorhaltung, grausamer gewesen zu sein als ein Grako! Sein Glauben an die Fairneß der Mysterious war erschüttert worden; die Zweifel, daß sie gleichzeitig auch die Grakos gewesen waren, hatten sich verstärkt! Grakos – die Geißel der Galaxis! „Ren...“ Dhark winkte ab, und Riker verstummte. Er schwieg nur zu gern, denn der Freund war ihm zu einem unheimlichen Rätsel geworden. Hilfesuchend war sein Blick, den er Doorn zuwarf. Doorn, der nach dem Commander so viele Mentcaps geschluckt hatte und nun neben Dhark der einzige war, der über neues Wissen verfügte. Aber auch Doorn fand kein Verständnis für das Vorgehen des Commanders. Beide zweifeln, dachte Dhark verbittert. Beide trauen mir diese Tat uneingeschränkt zu, und es fiel ihm schwer, aufzustehen. Gedankenlos nahm er eine Zigarette, schob sie zwischen die Lippen, drehte sie und rauchte. „Schmeckt sie dir wirklich noch?“ Ätzender Hohn lag in Rikers Stimme. Ren Dhark zuckte zusammen. Diese Bemerkung hatte um
Haaresbreite das Maß des Erträglichen überstiegen. Er ballte die Hand, winkelte den Arm an und tat einen schnellen Schritt auf Riker zu. Alles in ihm wollte ihn zwingen, seinen Freund mit einem Haken niederzustrecken. Er hatte diesen einen Schritt vorwärts getan, und er nahm ihn ebenso schnell wieder zurück. Er stand dort, wo er sich gerade noch aufgehalten hatte – neben dem einzigen Sessel der Waffensteuerung. Seine Hand war keine Faust mehr. Sein Arm war nicht mehr angewinkelt. Er stand nicht mehr aufrecht. Er sah Riker und Doorn nicht mehr an. Es hatte keinen Sinn, ihnen etwas von der Hypno-Sperre zu erzählen. Sie würden ihm kein Wort glauben, vielmehr alles für eine phantastische Ausrede halten. Ihr Grakos! dachte er verbittert, und er hatte damit die Geheimnisvollen gemeint, die Mysterious. Sie hatten ihn kraft der Hypno-Sperre zum Checkmaster der Station gemacht. Sie hatten sein Wissen und seine mentalen Kräfte mißbraucht, um an aber Tausenden Schiffen der schwarzen Weißen zum Vernichter zu werden. Das Hy-Kon! Unter der Wucht der plötzlichen Erkenntnis reckte er sich. Aus dem Hyper-Kontinuum gab es für die Schiffe der anderen keine Rückkehr mehr! Aber erst in diesem Moment hatte er dieses Wissen erhalten! „Dein Schweigen besagt alles...“ Da brüllte er seinen Freund an. Er konnte dessen Bemerkungen nicht mehr ertragen. „Halt doch endlich deinen verdammten Mund! Mach, daß du ‘rauskommst! Ich kann deine Pharisäervisage nicht mehr sehen. Raus mit dir! Raus mit euch beiden! Geht doch zum Teufel!“ Er wußte, daß er dicht vor dem Zusammenbruch stand. Dan Riker hatte ihm ein paar Tiefschläge versetzt, die ihn soweit
gebracht hatten. Er konnte nicht mehr. Er wollte allein sein. Er mußte allein sein. Er mußte erst selbst einmal mit allem fertig werden! Und er sah Dan Riker und Arc Doorn wortlos die Waffensteuerung verlassen! Er war allein. Ganz allein... * Die Männer in der Funk-Z der POINT OF hatten keinen Grund zu jubeln. Der Funkkontakt mit Commander Dhark war nach wenigen Sekunden wieder abgebrochen, und es war ein schwacher Trost zu wissen, daß Dhark auf Zwitt noch lebte. Leon Bebir, Zweiter Offizier des Ringraumers und durch Dienstplan Kommandant des Schiffes, fühlte sich erleichtert, als die Funk-Z die Meldung durchgab. Hen Falluta, Erster Offizier und jetzt Kopilot, meinte dazu: „Dennoch möchte ich gern wissen, was sich jetzt auf Zwitt abspielt.“ Gerade diese Frage machte Bebir nervös. Seine Nervosität zeigte sich darin, daß er die Geschwindigkeit des Flaggschiffes merklich verringerte und damit den Zeitpunkt der Landung um Stunden hinausschob. Falluta erkannte daran, wie es um seinen Kollegen bestellt war, und er war sich gegenüber so ehrlich, ihm Recht zu geben. Tatsächlich machte ihm das rätselhafte Geschehen auf Zwitt und in der Sonnenkorona Sorgen. Es wollte ihm nicht in den Kopf, daß acht von neun Sonnen der Sternenbrücke dieser Korona mit ihren unzähligen Flächenprojektor-Stationen unvorstellbare Energiemengen zuführten. Wozu wurden sie
benötigt? Tino Grappa hinter den Ortungen brach der Schweiß aus. Die Energie-Ortung hatte bis auf die vorletzte Phase hochgeschaltet, um einwandfreie Messungen durchführen zu können. Die Werte der Distanz-Ortung waren eindeutig. In der astronomischen Abteilung schreckten die Wissenschaftler zusammen. Neben Grappa hatten sie erkannt, wem dieser Angriff der Sonnenkorona galt: Der fünfte Planet der fünften Sonne wurde angegriffen! Jene Welt, auf der die schwarzen Weißen ihre Station errichtet hatten! Was sie dann über die Bildkugel sahen und mittels ihrer Meßgeräte feststellten, übertraf alles Dagewesene. Jens Lionel erinnerte sich. „Die Korona wird doch nicht den fünften Planeten zerfetzen, wie W-4 auseinandergeflogen ist, als die Planeten-Bombe zum Einsatz kam?“ Er konnte nicht vergessen, wie im Ika-3-SSystem eine Sauerstoffwelt vernichtet worden war. Leon Bebir hatte das Schiff in den freien Fall genommen, als Grappa seine alarmierenden Neuigkeiten durch die Zentrale gebrüllt hatte. Im Leitstand sprach kein Mensch mehr. Die meisten vergaßen, welche Aufgaben sie zu erfüllen hatten. Die Bildkugel, auf den fünften Planeten der fünften Sonne eingestellt, ließ Vulkane sehen, wo es gerade noch weitflächige Ebenen gegeben hatte. Rauchpilze tauchten auf, die an Atom-Explosionen in der freien Atmosphäre erinnerten – Rauchpilze, die pechschwarz waren, aber Millionen Tonnen Gestein und Staub in sich herumwirbelten und dabei immer schneller in die Höhe wuchsen, immer breiter wurden und aufeinander zujagten! Das Licht der fünften Sonne wurde absorbiert. Über der Welt, auf der die Station der schwarzen Weißen lag, wurde es Nacht! Aber was mit drei gewaltigen Häuserblocks dicht am Mittelpunkt der Stadt geschah, sahen die Männer in der POINT
OF nicht. Die energetischen Hochwerte fielen ab. Der Angriff auf den fünften Planeten war beendet. Der Planet bestand noch, aber an wie vielen Stellen war er schwer getroffen worden? Aus der astronomischen Abteilung kam kein Bericht. Grappa hatte nichts mehr zu sagen. Die Männer in der Funk-Z schwiegen sich aus. Grappa wollte sich eine Zigarette zwischen die Lippen schieben, als er sich leicht vorbeugte. Sein Haupt-Oszillo hatte kurz hintereinander eine Reihe stark unterschiedlicher Blips wiedergegeben. Kommando-Amplituden! sagte sich der junge Spezialist, ohne etwas von dem Hy-Kon zu ahnen, das mittels dieser Blips von Commander Ren Dhark aktiviert worden war. Die Bildkugel hatte sich wieder auf den inneren Sauerstoffplaneten eingestellt und zeigte dazu nur einen Teil der Korona. Das war auch der Grund, warum man im Leitstand erst so spät die Veränderung bemerkte. Die Korona riß auf! Das, was eine Sonne sein sollte, brach zusammen! Die ersten Flächenprojektor-Stationen waren plötzlich zu erkennen! Ihrer wurden immer mehr, je weiter der Zusammenbruch der Strahlenhülle vor sich ging. Grappa starrte auf seine Energie-Ortung! Acht Sonnen führten dem Strahlengebilde um Zwitt ein Maximum an Energien zu, und dennoch hatte die Korona keinen Bestand mehr! In der astronomischen Abteilung raufte sich Lionel die Haare Wie ein Sklaventreiber herrschte er einen Astrophysiker an: „Dieses opalisierende Licht muß doch zu analysieren sein!“ Im Loch der Korona war es zu sehen. Immer deutlicher, je größer das Loch wurde! Und kein Fachmann konnte sagen, was es zu bedeuten hatte!
Licht, das in den Farben des Opals schimmerte! Aus dem analytischen Labor kam die Meldung: „Opallicht widersteht jeder Analyse!“ Und die Astrophysiker konnten auch nicht sagen, warum die Korona zusammenbrach. „In zehn Sekunden besteht nichts mehr davon!“ Lionel war ein guter Prophet! Zwitt war zu sehen. Zwitt, der Planet, der viele tausend Jahre im Schutz einer künstlich erstellten Strahlenkugel um ein unsichtbares Zentrum herum rotierte. Die Bildkugel wurde auf Zwitt eingestellt! Maximale Vergrößerung! Im Leitstand hätte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören können. Die Männer hielten den Atem an, als sie die riesigen gelandeten Flottenverbände sahen, die schillerten und glänzten, die so herrlich aussahen, wie Menschen noch nie Raumschiffe gesehen hatten! Die Doppelkugelraumer der schwarzen Weißen! Und daß Zwitt verloren war, darüber zweifelte auch in der POINT OF niemand! Die Schiffe der Invasoren hatten die Korona zum Einsturz gebracht! Nur Tino Grappa war anderer Ansicht. Die Endwerte der Energie-Ortungsresultate sprachen eine zu deutliche Sprache! Der Bereich, in dem es vor wenigen Minuten noch die Strahlenhülle gegeben hatte, verbrauchte nach wie vor ungeheuerliche Energiemengen, die von acht Sonnen geliefert wurden, obwohl die Korona nicht mehr existierte. Aber die unzähligen Flächenprojektor-Stationen bestanden nach wie vor! Hen Falluta verlor die Beherrschung, als er über die Bildkugel die Invasorenflotte starten sah. „Sie starten!“ brüllte er und hielt sich im nächsten Augenblick den Mund zu.
Er hatte eine falsche Beobachtung gemacht. Die Flottenverbände der Unbekannten wurden gestartet! Sie wurden in die Höhe gerissen! Sie rasten dem Kugelring aus Flächenprojektoren entgegen! Und so schnell, wie sie beschleunigten, konnte kein Schiff seine Geschwindigkeit steigern, wenn es dabei nicht seine Triebwerke zerstören wollte! Selbst mit A-Grav waren die Beschleunigungswerte nicht zu erzielen! Und wie herrlich die gigantischen Schiffe opalisierten! Unwirklich ihr Aussehen! Diese Massierung verlor dadurch ihre beeindruckende Macht! Die Männer in der POINT OF erlebten das Hy-Kon! Über Zwitt riß der Normal-Raum auf! Grappas Struktur-Ortung schlug durch! Der Checkmaster sperrte. Er nahm keine Werte der Struktur-Ortung mehr an! Und im gleichen Moment waren die im opalisierenden Licht schillernden Schiffsverbände nicht mehr zu sehen. Das Hy-Kon hatte sie verschlungen! „Die Korona kommt wieder!“ Es ging Schlag auf Schlag. Die Offiziere und Mannschaften kamen nicht zum Nachdenken. Wo es gerade nur noch die Flächenprojektor-Stationen gegeben hatte, war wieder das gelbliche Leuchten zu sehen, das von Sekunde zu Sekunde stärker wurde. Hinter diesem Brennen verschwand der Planet Zwitt, und in ihm mehr und mehr die Stationen. Dann sah alles wieder so aus, wie sie es beim Einflug ins System der siebten Sonne zuerst gesehen hatten; nur mit der einen Ausnahme, daß die drei Sauerstoffplaneten jetzt auch nicht wieder zu Tänzern geworden waren. Grappa meldete fast unverständlich leise: „Die acht Sonnen haben ihre extreme Energielieferung zur siebten Sonne hin eingestellt.“ Sollte das heißen, daß der Angriff auf dieses System
vollkommen abgeschlagen war? Niemand im Schiff kam auf den Gedanken, daß ihr Commander als Checkmaster einer Station im Mittelpunkt des Planeten Zwitt dieses Geschehen ausgelöst hatte. In der astronomischen Abteilung feierte Jens Lionel mit seinen Kollegen ihren Triumph. Ihre Voraussage hatte sich bestätigt! Obwohl die Sonnenkorona mit ihren physikalischen Eigenschaften eine Zeitlang nicht mehr bestanden hatte, waren Störungen bei den Planeten nicht aufgetreten. Die MantelEnergie, die ihnen vorher zugeführt worden war, hatte ihre Aufgabe hervorragend erfüllt und sämtliche Umläufer auf den vorgeschriebenen Bahnen gehalten. „Hut ab vor den Mysterious!“ sagte Jens Lionel in ehrlicher Bewunderung. Ein Astrophysiker sah den Fall von anderer Seite. „Lieber wäre mir, wir kämen in diesem Fall dahinter, wie die Mysterious dieses Kunststück fertiggebracht haben.“ Aber darauf hätte ihm kein Terraner Antwort geben können. * Marschall Bulton hatte auch ein Zuhause, aber seine Frau Gladys behauptete, mit einem Denkmal verheiratet zu sein, von dem sie hin und wieder in den Nachrichten hören würde, wenn innerhalb der Terranischen Flotte sich etwas Sensationelles ereignet hatte. „Das ist aber wirklich kein Grund, auf dich stolz zu sein!“ sagte die immer noch attraktive Gladys Bulton und sah ihren Mann, der in Freizeitkleidung auf der Terrasse lag, mißbilligend an. Bulton war nicht erst seit gestern verheiratet, sondern er hatte sogar schon das fünfundzwanzigjährige Ehejubiläum hinter sich gebracht; deshalb wußte er, welche Taktik er
einzuschlagen hatte, damit seine Gladys auf andere Gedanken kam. „Aber wenn ich dir wieder einmal seltene Blumen verschaffe, dann bin ich für dich der Beste!“ sagte er sanft, und nichts erinnerte an einen Choleriker. „Doch wenn ich ein Denkmal bin, werde ich morgen – der Stab rechnet wenigstens damit, daß die PENTA morgen landet – eben Oberst Kanon die Pflanzen schenken, die Sam bestimmt mitbringt.“ Gladys wurde wieder ein Opfer seiner sich ständig ändernden Taktik. Ruckartig richtete sie sich auf, gab dabei dem Schwebetisch einen Stoß, und dieser segelte still davon, über den Rand der Terrasse auf den Swimmingpool zu. Mit ihm die beiden Becher mit Eisgetränken, Bultons Zigaretten und ihre Süßigkeiten. Hausherr Bulton grinste nach innen, schließlich wußte er, was sich gehörte, aber seine Schadenfreude über Gladys’ Mißgeschick war von bester Qualität. „Ted... Ted, siehst du nicht?“ Er starrte zum blauen Himmel hinauf. Alamo Gordo war so weit, und Cent Field lag hinter dem Mond. Noch weiter war seine Frau entfernt. Er tat wenigstens so, während er verstohlen aus den Augenwinkeln beobachtete, daß der Schwebetisch mitten über dem Wasser zum Stehen gekommen war. Und Wind gab es heute nicht. Über dem Otero Basin rührte sich nicht der schwächste Hauch. „Was denn, Gladys?“ fragte er scheinheilig, ohne den Kopf zu bewegen. Die friedliche Familienstille wurde durch einen Vipho-Anruf unterbrochen. Die Pressestelle des Stabes der TF wagte den Marschall in seiner verdienten Freizeit zu stören. Der Bildschirm war kaum stabil geworden, als Bulton schon den Schwebetisch vergessen hatte. Er war wieder Marschall, als er knurrig sagte: „Na, was
denn?“ Der Presse-Offizier war ihm bekannt. „Marschall, haben Sie schon die TERRA-PRESS gelesen?“ Bulton funkelte seinen Oberleutnant an. „Um mich das zu fragen, wagen Sie anzurufen, Steen?“ „Wegen des Artikels...“ „Welchem?“ unterbrach ihn Bulton. „Dem von Bert Stranger...“ Bulton jagte hoch. Hinter seiner Stirn jagten Gedanken; keine fröhlichen Gedanken, die sich alle um eine Person drehten, die Bert Stranger hieß und von Beruf Reporter war. „Und was schreibt der Kerl?“ schnaubte Bulton, daß Gladys ihren Mann aus großen Augen anstarrte und im stillen dachte: Welch ein Ekel kann Ted doch manchmal sein, wenn er in einem derart ruppigen Ton spricht! „Über die TF, Marschall. Über Unstimmigkeiten zwischen TF, der Regierung und der GSO.“ Das reichte Bulton. „Geben Sie den Artikel über Vipho durch. Sofort, Steen.“ „Artikel kommt, Marschall.“ Steens Gesicht verschwand vom Schirm. An seiner Stelle stand ein Bericht der TERRAPRESS, der auf der ersten Seite groß aufgemacht war. Mein Gott, dachte Gladys Bulton enttäuscht, jetzt steckt Ted schon wieder im Betrieb, und meinte damit die solumspannende Terranische Flotte und ihren Stab. „Ted, unser Schwebetisch!“ Tatsächlich, er war schon über fünfundzwanzig Jahre verheiratet, denn im ersten Ehejahr hätte er seiner Gladys diese unfreundliche und unhöfliche Antwort nie gegeben. Und wenn, dann hätte sie ihm ihre Tränen gezeigt und wenigstens drei Tage mit diesem Grobian, der ihr Mann war, nicht gesprochen. Heute zeigte Gladys keine Tränen. Sie nannte ihn ebenfalls nicht in Gedanken einen Grobian, denn sie hatte im nächsten Moment seine Bemerkung schon wieder vergessen, weil sie
sich nicht ärgern wollte. Gladys Bulton, eine charmante rothaarige Frau, deren dunkle Augenbrauen und Wimpern nicht gefärbt waren, hörte ihren Mann schnaufen. „Dieser elende Zeilenschinder! Dieser Brunnenvergifter! Diese Witzfigur!“ Wütend spielte Bulton auf Bert Strangers unglückliche Figur an, die ihm diesen Namen eingebracht hatte. Aber wer den cleveren Reporter mit dem unschuldigen Babyblick kannte, hütete sich, den Spitznamen zu benutzen, denn Stranger war im Laufe weniger Monate zu dem Reporter der Erde geworden. Daß er, um dieses Ziel zu erreichen, mehr geleistet, mehr gewagt und eingesetzt hatte als die meisten seiner Kollegen, wollten viele Neider nicht wahrhaben. Und dazu war Bert Stranger der Nachrichtensammler, der das Gras wachsen hörte! Strangers Artikel war länger und viel informativer als Bulton befürchtet hatte. Er war eine Katastrophe für die TF; aber auch für Henner Trawisheim und Bernd Eylers! Unwillkürlich dachte Marschall Bulton an superempfindliche Abhörgeräte, als er in dem Bericht den Satz las: „Was nützt uns der beste Supasensor, wenn Personen, die ihn mit Daten zu beschicken haben, schlafen?“ Diesen Satz hatte er gegenüber Trawisheim und Eylers ausgesprochen, als er beide nach der Konferenz mit seinen Stabsoffizieren wieder aufgesucht hatte. Und die drei waren während der Unterredung allein gewesen. Es hatte nicht einmal eine Vipho-Störung gegeben. „Verdammt noch mal, woher hat dieser Bursche den Satz?!“ Fluchen hatte Gladys noch nie vertragen können, und wer fluchte, war ihrer richtigen Meinung nach ein Mensch mit charakterlichen Fehlern. Ihr Ted sollte aber keine charakterlichen Fehler haben. Darum mischte sie sich mit spitzer Zunge ein und sagte: „Ted, verschone mich mit deinen Kraftausdrücken!“
Sie hatte ihn zur unrichtigen Zeit getadelt. Dieser Stranger hatte ihn mit seinem Bericht in der TERRAPRESS auf den Siedepunkt gebracht. Ruckartig drehte er sich um und rief seiner Frau verärgert zu: „Und du verschon mich mit deinem mimosenhaften Getue, denn schließlich hast du einen Mann geheiratet und keinen Hampelmann!“ Sie war eine kluge Frau. Sie rauschte nicht empört davon. Sie blieb. Sie ließ sich nichts anmerken, aber im stillen dachte sie: Na warte, mein Lieber, wenn ich dir morgen wieder Ravirav kochen soll, dann erlebst du dein blaues Wunder. Fertigkost bekommst du. Fertigkost von Melk & Co! Und die konnte Ted Bulton nicht ausstehen! Aber noch ahnte er nichts von dem drohenden Unheil. Aber er ahnte, daß entweder Henner Trawisheim oder Bernd Eylers, die Nachrichtenlieferanten dieses Reporters gewesen waren. Nur von ihnen konnte er die präzisen Informationen erhalten haben. Doch wie kamen Trawisheim oder Eylers dazu, interne Gespräche der ewig neugierigen Presse mitzuteilen? Er ersparte es sich, das letzte Drittel des erstklassig geschriebenen Artikels zu lesen. Über die Direkt-Verbindung schaltete er zu Henner Trawisheim durch. Der sagte ihm unverblümt: „Ich hatte Sie als Informationsquelle im Verdacht, Bulton!“ „Danke für die gute Meinung!“ Er erreichte Bernd Eylers in der GSO-Zentrale. „Ich bin auf dem Weg zu Ihnen. Erwarten Sie mich in einer Viertelstunde!“ Aber auf seine Frage, ob er Stranger diese erstklassigen Informationen geliefert hatte, war Eylers mit keinem Wort eingegangen. Gladys machte sich wieder bemerkbar. Als seine Frau hatte sie das Recht dazu.
„Wenn Eylers kommt, Ted, dann brauchen wir den Schwebetisch aber unbedingt, und du mußt ihn holen. Du kannst es bestimmt, denn beim Stab hast du doch tagaus, tagein mit technischen Dingen zu tun.“ Das stimmte, nur hatte Ted Bulton, Stellvertretender Chef der Flotte, zwei falsche Hände. Er konnte noch nicht einmal eine Doppelmutter kontern. Geschickt ging er dem schwierigen Problem aus dem Weg, den Schwebetisch wieder herbeizuschaffen. „Wir werden Eylers im Flora-Raum empfangen“, knurrte er und lenkte damit seine Frau zum zweitenmal von diesem verdammten Möbel ab, das wohl praktisch war, aber als sogenannter Camping-Artikel keinen Verankerungspunkt besaß. Und allein in Alamo Gordo waren täglich mehr als hundert Polizei-Jet im Einsatz, um die kreuz und quer durch die Gegend segelnden Möbel einzufangen, die dazu eine Gefahr für den Jet-Verkehr darstellten. „Eylers im Flora-Raum? Ted, das kommt nicht in Frage! Ihr beide verqualmt mir mit euren Zigaretten den ganzen Raum. Ich sperre ihn. Empfange ihn in deinem Arbeitszimmer. Denke dann aber auch daran, was dir erst vorige Woche der Arzt gesagt hat. Eylers kann von mir aus trinken, soviel er will. Du aber darfst...“ Er hatte das Weite gesucht und erreicht. Gladys letzte Worte hörte er nicht mehr. Ihr Hinweis, nicht zu trinken, ärgerte ihn. Der ganze Tag bestand nur aus Ärger, und um das Maß voll zu machen, hatte er auch noch Eylers zu ertragen. Der Mann mit dem Alltagsgesicht, der eine der gefährlichsten Persönlichkeiten Terras hätte sein können, wenn er nur den Versuch unternahm, seine Macht zu mißbrauchen, war kein Trinker und auch kein starker Raucher. Er war ein Mann, der von seiner Arbeit besessen war, aber seine Mitmenschen nicht belästigte.
Ohne Umschweife kam er zum Thema, während er zum Fenster hinaussah und über dem Swimmingpool den Schwebetisch unbeweglich in der Luft stehen sah. „Ich war bei Stranger. Der Reporter beruft sich auf sein Recht, die Aussage verweigern zu können. Mit Trawisheim habe ich nur kurz gesprochen. Er scheidet als Informant aus. Ich hoffe, daß ich es nicht gewesen bin. Den vollständigen Beweis kann ich leider noch nicht liefern. Bulton, verstehen wir uns?“ Der war mißtrauisch geworden. Ein Eylers, der sich selbst im Verdacht hatte, war ihm noch nicht begegnet, aber dennoch machte er gute Miene zum bösen Spiel. „Ich habe draußen im Jet zwei Experten sitzen. Dürfen sie hereinkommen und die Kleidung untersuchen, die Sie gestern trugen?“ Sie durften hereinkommen. Gladys Bulton legte ihnen die Kleidungsstücke ihres Mannes heraus. Dann staunte sie. „Auch die Socken? Tut mir leid, die habe ich durch die Expreßleitung zum Pool geschickt.“ Das machte den beiden Fachleuten nichts aus. Einer hielt schon sein Spezialvipho in der Hand und sagte: „Mrs. Bulton, wie heißt die Nummer Ihres Reinigungspools?“ Kurz darauf kam vom Pool die Nachricht durch, daß die Socken des Marschalls per Jet unterwegs seien. Zehn Minuten später alarmierte Bernd Eylers eigenhändig seine GSO! Der Bote des Pools, der die Socken zu Bultons Bungalow zurückbringen sollte, war samt dem Fahrzeug verschwunden. Der Marschall wanderte in einem Arbeitszimmer auf und ab. Ihm behagte die Vorstellung nicht, daß in seinen Strümpfen, die er gestern getragen hatte, ein Mikrosender eingebaut war. Eylers beruhigte ihn. „Wir dürfen uns glücklich schätzen, daß wir diese Nachrichtenquelle sofort entdeckt haben. Wahrscheinlich sind Ihren Socken die Mikrosender im Pool
eingesetzt worden, und welche Reichweite und Leistung diese Schnüffelapparate haben, wissen Sie so gut wie ich. Wir...“ Einer der beiden Spezialisten trat ein. Auf dem linken Arm einen Berg Socken. In der anderen Hand hielt er kleine schwarze Dinger, die wie Läuse aussahen. Mikrosender! Marschall Bulton machte durch Fluchen seinem Herzen Luft, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß seine Frau auch im Arbeitsraum war. „Und nur weil ich diese scheußlichen Plastiksocken nicht vertrage! Meine Füße brennen, wenn ich die Dinger nur eine halbe Stunde lang trage; darum konnte mir dieser Stranger die verfluchten Spione einbauen!“ Seine letzte Überlegung war eine Freudsche Fehlleistung. Sein Ärger über Stranger hatte ihn übers Ziel schießen lassen. Eylers bremste den Marschall ab. „Stranger hat diese Mätzchen nicht nötig, aber daß er die Informationen über den Mann erhalten hat, der mit den Mikrosendern in Verbindung steht, dürfte wohl eher den Tatsachen entsprechen. Dem Reporter ist nicht vorzuschreiben, von wem er Nachrichten zu beziehen hat und...“ Die GSO-Zentrale wollte Eylers sprechen. Eylers entschuldigte sich bei der Gattin des Marschalls, weil auch er in ihrer Gegenwart geflucht hatte. Grund dazu war vorhanden gewesen. Der mit dem Jet verschwundene Bote des Reinigungs-Pools war von der GSO identifiziert worden. Sam Jukos, 34 Jahre, Mikrofunk-Techniker, dreimal bestraft wegen Rauschgiftmißbrauch und -handel! Unter falschem Namen mit gefälschten Papieren hatte er, der noch eine Strafe von 18 Monaten im Regenerations-Zentrum Upsla zu verbringen hatte, beim Reinigungs-Pool als Mechaniker Arbeit gefunden. Eylers schickte einen der Spezialisten mit den entdeckten Mikrosendern zur Zentrale zurück. Man sprach noch in Bultons
Arbeitszimmer über die möglichen Folgen des Falles, als die Labors der GSO ihren Chef sprechen wollten. „Eylers, alle Mikrosender arbeiten je nach Typ nur auf einer bestimmten Frequenz. Im Augenblick empfangen wir darauf einen Höllensalat. Natürlich wird alles gespeichert, aber bis wir die richtige Einstellung des Filters gefunden haben, können noch Stunden vergehen...“ „Peilresultate?“ bellte Eylers in sein Vipho. Die Antwort warf ihn beinahe um. „Chef, wir haben allein in Alamo Gordo über achthundert Standpunkte markiert, an denen diese Schnüffeldinger senden.“ „Acht...?“ Eylers verstummte, aber es dauerte nur einen Augenblick, dann gab er seine Order durch. „Dahinter kann kein Einzelgänger stecken! Sofort Verbindung mit der Polizei. Die soll alle Erpressungen der letzten Monate noch einmal durch ihren besten Suprasensor jagen und unserer Zentrale dazu alle Daten mitteilen. Aktion verbleibt in unserer Hand. Ende!“ Er sah sich im Arbeitszimmer um und fand nirgendwo eine Plastikflasche stehen. „Bulton, kann ich einen Kognak haben?“ fragte er. Da mischte sich dessen Frau ein. „Mein Mann hat auch einen nötig. Einen Augenblick bitte.“ Und dann servierte sie jedem einen dreistöckigen! Bultons Blick pendelte heimlich zwischen dem Kognakschwenker und seiner Frau. Wie war Gladys dazu gekommen, mit ihren Vorsätzen zu brechen und auch ihm dieses kleine Kognakbad zu reichen? Erst als sie ihre Frage an Eylers gerichtet hatte, begriff er, was mit seiner Frau geschehen war. Sie hatte Angst! Ganz einfach Angst, daß auch alles das bekannt geworden war, was sie hin und wieder ihrem Mann liebevoll, aber in energischem Ton hatte sagen müssen.
Nicht auszudenken, dachte sie entsetzt, wenn bekannt wird, wie häßlich ich gestern abend zu ihm gewesen bin, als er voller Sorgen nach Hause kam. Ihre Sorgen waren nicht unbegründet, und als Eylers wütend sagte, daß er das alles nicht verstehen könnte, wurde es auch dem Marschall heiß. „Ich verstehe nur nicht, wie es der Funk-Überwachung der Hyper-Funkstation in Cent Field entgehen konnte, daß auf drei verschiedenen Frequenzen ein paar hundert Sender ununterbrochen arbeiten.“ Er rief Cent Field an. Bulton übernahm teilweise das Gespräch. Der Offizier vom Dienst hatte seine schwarze Stunde, als er ahnungslos erklärte: „Natürlich haben wir den starken Verkehr auf diesen Frequenzen beobachtet, aber weil die Sendeleistung so gering war und nur Wortsalat aufgefangen wurde, glaubten wir unlizensierte Geräte von Jugendlichen vor uns zu haben. Auf diesem Grund unterblieb jede Meldung.“ Bulton sagte ihm die passenden Worte. Eylers hielt es beim Marschall nicht mehr aus. Ihm arbeitete die City-Polizei zu langsam, und auch die Labors seiner GSO. Hastig verabschiedete er sich und versprach, sofort anzurufen, wenn es etwas Neues geben sollte. Bevor er aber ging, verstärkte er die Fahndung nach Bert Stranger. Eylers flog das Landedach des Regierungsgebäudes an, als ihn die Nachricht erreichte, daß man den Jet gefunden habe, in dem Sam Jukos die Flucht ergriffen habe, aber von dem vorbestraften Mikro-Techniker sei keine Spur zu finden. Drei Stunden später schwieg auch der letzte Mikro-Sender. Mehr als achthundert ahnungslose Träger verwünschten die moderne Funktechnik in Bausch und Bogen. In nicht wenigen Familien hing der Haussegen schief, und Ehemänner hielten ihren Frauen vor, was passieren würde, wenn ihre privaten Streitigkeiten oder seine beruflichen Sorgen, die er ihr mitgeteilt hatte, publik werden würden.
Die GSO besaß keine gesetzliche Handhabe, um gegen Presse- und TV-Agenturen vorgehen zu können. Eylers maß sich Sondervollmachten auch nicht an, aber in einer BlitzRundschaltung an sämtliche Nachrichtenzentralen gab er unmißverständlich zu verstehen, daß die einzelnen Einrichtungen mit größten Schwierigkeiten zu rechnen hätten, wenn sie aus diesen trüben Quellen Nachrichten ankaufen und verbreiten würden. Henner Trawisheim war informiert worden. Er wurde von Eylers noch einmal angerufen. „Wir haben getan, was wir tun konnten, aber wenn wir in den nächsten vierundzwanzig Stunden diese Bande nicht festgenommen haben, dann dürfen wir in Zukunft einige handfeste Skandale erwarten, die alles bisher Erlebte in den Schatten stellen.“ Trawisheims Zwischenbemerkung schockte den Chef der GSO, der einiges in seinem Beruf gewohnt war. „Hat Stranger nicht einen Orden verdient, Eylers? Wir sind doch erst durch seinen Artikel auf die Spur dieser Clique gebracht worden.“ Verärgert erwiderte Eylers: „Viel lieber sähe ich diesen Zeilenschinder auf dem Mond herumspazieren; aber ohne Raumanzug! Ende!“ Aber für die GSO war der Fall noch nicht zu Ende. Er lief erst an, als sich Bert Stranger bei der Galaktischen Sicherheits-Organisation meldete. Freiwillig betrat er die Höhle des Löwen. Sein Babyblick spiegelte wider, daß er sich keiner Schuld bewußt war. Aber so unschuldig wie er aussah, war der Mann mit der unglücklichen Figur keineswegs, denn er bestand darauf, exklusiv über den Fall berichten zu können, wenn er abgeschlossen war. „Sonst verweigere ich jede Aussage!“ drohte er. Und dieser Drohung beugte sich sogar die GSO!
* Manu Tschobe warf dem Diplom-Ingenieur die silbern glänzende Kombination eines der besinnungslosen schwarzen Weißen zu. „Die paßt Ihnen niemals. Bei dem Bauch...“ Das war ernst gemeint, und keine Frozzelei des Afrikaners. Wenn Chris Shanton sich gleich hineinzwängte, mußte sie über dem dicken Bauch platzen. „Wollen mal sehen!“ knurrte Shanton, der in Gedanken seinen gutentwickelten Erker verwünschte. „Aber der Bart bleibt... Heiliger Strohsack, was ist mit dieser Schmiere los?“ Fragend blickte er zu Jos hinüber, dem die Uniform der Fremden wie maßgeschneidert paßte. „Es spannt nicht mehr, aber ich habe auch das Gefühl, kein Gesicht mehr zu haben.“ „Hoffentlich ist diese Schmiere nicht auch ein Anästhetikum?!“ sorgte sich der Dicke. Nach Manu Tschobes Ansicht redeten die beiden zuviel. Er hatte den metallisch klingenden Schlag nicht vergessen, der durch die Station gelaufen war, und sie waren nach wie vor ahnungslos, wem diese Station gehörte und welchen Zweck sie zu erfüllen hatte. Während er dem dritten Bewußtlosen die Uniform vom Leib zerrte, rief er seinen Partnern zu: „Mehr Tempo und weniger reden, wer weiß, was uns noch bevorsteht!“ Lauschend warfen alle drei ihren Kopf in den Nacken. Ein kurzer, scharfer Knall war durch ihre Station gelaufen. Einwandfrei war das Geräusch von rechts gekommen. „Ein Schott?“ brachte Jos über die Lippen, der sein Waffenarsenal wieder an sich nahm, das er zu seinen Füßen niedergelegt hatte, als er die fremde Uniform überzog. Shanton jubelte innerlich. Er konnte die Kombination der Fremden überstreifen. Sie war von hervorragender Elastizität und spannte mit nur schwachem Druck über seinem
Prachtbauch. „Was machen wir mit dem Jimmy-Schrott?“ wollte Jos wissen, der mit dem Fuß gegen den fellosen Blechhaufen stieß. „Wird mitgenommen! Was haben Sie denn gedacht? Glaubten Sie...?“ Da hörten sie den Wassereinbruch! Die Station wurde geflutet! „Himmel und Hölle!“ brüllte Jos, der auf dem Deck stand und nach rechts und links spähte, „das Wasser bricht von allen Seiten ein!“ Es donnerte, gurgelte, rauschte und brüllte überall – oben, unten, rechts und links. Und merklich zitterte die Station. Nur sah der GSO-Mann keinen Tropfen Wasser, obwohl die Fluten längst herangekommen sein mußten. Auch der Dicke war mit seiner Maskerade fertig, und Jos, der ihm einen kurzen Blick zuwarf, mußte trotz der unklaren Situation lachen. Im gleichen Moment fiel ihm auf, daß er nicht viel anders aussah. Sie beide hatten vergessen, auch ihre Handrücken zu schwärzen. „Dazu haben wir jetzt keine Zeit mehr“, drängte Tschobe. „Wir müssen hier ‘raus, oder der Wasserdruck zerquetscht uns gleich!“ „Wo ist denn der Ausgang?“ fragte Jos bissig. „Wo zum Teufel?“ Er stand immer noch auf dem Deck und wartete darauf, die ersten Wassermassen heranjagen zu sehen, denn das Donnern, Gurgeln und Rauschen hatte an Stärke zugenommen, aber nach wie vor konnte er keinen Tropfen entdecken. „Der Ausgang ist da, wo wir ihn übersehen haben! Raus!“ tobte Manu Tschobe und setzte sich in Bewegung. Auch der Dicke, aber er vergaß seinen Schrott-Jimmy nicht, klemmte sich seine ausgefallene Konstruktion unter den linken Arm und folgte den beiden anderen, die sich vom AGravschacht entfernten. Da brachen Wassermassen aus der
Wand, die im Moment vorher noch materiestabil gewesen war. Gischtendes grünes Wasser, das als meterhohe Welle auf sie zuraste! Unwillkürlich hatte Jos gestoppt. Manu Tschobe rannte an ihm vorbei. In der Rechten den Blaster. War der Afrikaner über die bedrohliche Flut nicht mehr Herr seiner Sinne? Er schoß auf die gischtende grüne Woge. Er traf sie, aber die Wassermassen reagierten nicht. Unaufhaltsam schnell schossen sie heran. Der Blasterstrahl ging reaktionslos hindurch. Nur noch dreißig Meter trennten sie von ihrem Verderben! Tschobe riß beide Arme hoch. Sein Ruf ging in der Geräuschkulisse des Wassers unter. Jos starrte ihm nach. Der Dicke schüttelte den Kopf, daß sein Backenbart ins Zittern geriet! Manu Tschobe rannte den Wassermassen entgegen! Wollte er seinem Leben mit einem radikalen Schritt ein Ende setzen? Dann hatte er die gischtende, sich heranwälzende Wasserfront erreicht! Er stürzte sich hinein! Er lief hindurch! Die Wassermassen existierten nicht! Sie waren nichts anderes als eine schlechte Fiktion! Gleichzeitig begriffen Jos und Shanton auch, daß man sie mit diesem fiktiven Wassereinbruch, verbunden mit allen natürlichen Geräuschen, zu einem bestimmten Punkt in der Station hatte treiben wollen. Wahrscheinlich konnte das Programm, das hinter diesem Trick steckte, nicht damit rechnen, daß es einen Terraner geben würde, der sich entgegengesetzt allen Berechnungen verhalten würde: sich in die heran jagenden Fluten zu stürzen und sie dabei zu deklassieren! „Wasser, das nicht da ist?!“ orgelte Shanton, der seinen Schrott-Jimmy festhielt und sich anstrengen mußte, nicht doch zu glauben, bis zur Glatze im grünen, vorbeirauschenden
Wasser zu stehen. Die Fluten stiegen immer höher und näherten sich langsam der Decke. Jos und der Dicke hatten Tschobe fast erreicht, als dieser plötzlich seinen Lauf verlangsamte, sich nach rechts wandte, stehenblieb und augenscheinlich die Wand absuchte, ohne sich durch die fiktiven Wasserfluten dabei stören zu lassen. Auch Jos und der Diplom-Ingenieur bemerkten nun, was dem Afrikaner aufgefallen war. An dieser Stelle war das Donnern, Gurgeln und Rauschen der Wassermassen am lautesten zu hören, aber trotz allen Suchens konnte Tschobe im Material der Wand keine Spur einer Lautsprecheranlage entdecken. Als er seine Hand dagegenpreßte, war das Resultat ebenfalls negativ. „Weiter!“ Seinen Ruf hörten Shanton und Jos nicht, sie verstanden aber Tschobes Handzeichen. Es gab nur eine Richtung, in der sie sich zu bewegen hatten, wenn diese Station nach logischen Gesichtspunkten konstruiert worden war: sich vom zentral gelegenen A-Gravschacht, dem einzigen in dieser Anlage, zu entfernen. Irgendwo im Randbereich mußten sie auf eine Schleuse oder einen Transmitter treffen, der sie hinausbrachte. Abrupt ließ der Spuk nach. Die gischtenden Wassermassen verschwanden, der begleitende Lärm war nicht mehr zu hören. Noch zwanzig Meter trennten sie von der sprechenden Wand, als Manu Tschobe gegen einen unsichtbaren Energieschirm prallte und zurückgeschleudert wurde. Chris Shanton, der nicht wußte, daß Jos und der Afrikaner dieses Deck bis zur Sperrwand erkundet hatten, während er geschockt in dem übelriechenden Raum gelegen hatte, wunderte sich über Tschobes Aktivität. Dem Mann hatte es nichts ausgemacht, harte Bodenberührung bekommen zu haben. Mit einem Satz stand er wieder auf den Beinen und schrie dem GSO-Spezialisten zu: „Fühlen Sie rechts die Wand
ab; ich nehme die linke!“ Da begriff der Dicke, daß der Afrikaner nach einer Schaltung für die sperrende Energiewand suchte; er begriff aber auch, daß sie drei von einer Stelle aus beobachtet wurden. Das Verschwinden der fiktiven Wassermassen und der Aufbau der Sperre waren eindeutige Beweise für diese Vermutung. Unwillkürlich sah er sich um. Sein Blick streifte die rechte Wand entlang. Darin spiegelte er sich wider – und der Dicke, den so schnell nichts erschrecken konnte, fürchtete sich plötzlich wie ein kleines Kind, dem man zu oft vom Bösen Mann erzählt hat. Sein Gesicht war eine einzige schwarze Fläche! Keine Nase, kein Mund zu sehen, keine Ohren, kein Kinn, sondern nur eine ovale Fläche, die weder Glatze noch Kinnbart besaß! Ungewollt hielt der Dicke den Atem an. Es fiel ihm schwer, Jos zu mustern. Seine Angst wurde noch größer. Auch Jos hatte kein Gesicht mehr, und da drehte sich Tschobe um, und Manu Tschobe sah genauso aus wie er und der GSO-Mann! Tschobe starrte ihn an, obwohl er keine Augen mehr besaß. Wie vor einer tödlichen Gefahr wich er bis zur Wand zurück, und in jeder Bewegung drückte auch er seine Furcht aus. Man hatte ihnen das Gesicht genommen! „Verfluchter Höllenspuk!“ orgelte Shanton, der seine Waffen eingesteckt hatte und mit allen zehn Fingern dort herumtastete, wo er einmal Mund, Nase, Augen und Ohren besessen hatte. „Höllenspuk! Ich kann doch alles fühlen!“ Die anderen auch. Aber diese Kontrolle hatte ihnen wertvolle Sekunden gekostet. Die Station verdunkelte. Die Männer kamen an ihre Scheinwerfer nicht heran, weil sie über ihren M-Raumanzug die Uniform der Fremden übergezogen hatten. Die Finsternis
wurde schnell absolut, und ein paar Sekunden später konnten die Männer sich gegenseitig nicht mehr sprechen hören. Der Gegner hatte eine neue Waffe eingesetzt. Unverkennbar war auch sie Fiktion, aber nun hatten die Terraner kein Mittel, gegen sie vorzugehen. Als kleine Kampfgruppe bestanden sie nicht mehr; als Einzelpersonen, deren Aktivität nicht auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet war, stellten sie keinen besonders ernstzunehmenden Gegner mehr dar. Tschobe erhielt einen Stoß. Am dicken Bauch identifizierte er den Diplom-Ingenieur. Jos fluchte und hörte sein eigenes Fluchen nicht, als ihm jemand kräftig auf die Zehen trat. Doch die extreme Hilflosigkeit ihrer Lage erzeugte in den Männern keine Panik. Sie fanden sich zu einer Kette zusammen und hakten einander unter, um ihre Waffen nicht aus der Hand geben zu müssen. Shanton stand außen rechts, weil er seinen Schrott-Jimmy nicht im Stich lassen wollte. Jos stellte den Mittelmann dar, während Tschobe den Kontakt mit der Wand nicht verlieren wollte. Sie war der einzige Richtungsweiser, über den sie in der Dunkelheit und absoluten Geräuschlosigkeit noch verfügten. Manu Tschobe gab einfach seinen Gefühlen nach. Er bewegte sich rückwärts und die anderen hatten ihm zu folgen. Schon einmal war eine Rechnung der Abwehrkontrolle nicht aufgegangen, als man sie durch einen fiktiven Wassereinbruch zum höchstgelegenen Punkt der Station treiben wollte. Nach dem achten Schritt rückwärts bestätigten die Tatsachen Tschobes Verdacht, denn längst hätten sie von der EnergieSperre aufgehalten werden müssen, die nun aber nicht mehr existierte. Neunter Schritt! Er trat ins Licht! Und die absolute Stille gab es nicht mehr. Tschobe drehte den Kopf nach rechts und sah, daß Jos’ Gesicht wieder Mund, Nase, Augen und Ohren besaß, nur wirkte es unter der erstarrten schwarzen Schmiere fremd. Shanton sah nicht viel anders aus.
„Die machen uns das Leben sauer“, knurrte er und löste sich vom GSO-Mann. „Aber da vorn ist es zu Ende!“ Das wußten die beiden anderen auch, obwohl sie die Hoffnung nicht aufgegeben hatten, bei ihrer ersten Erkundigung etwas Wichtiges übersehen zu haben. Der Sperraum, in dem es dunkel und still gewesen war, bestand immer noch als schwarze Wand, die den Blick über das Deck in Richtung zum A-Gravschacht verwehrte. „Ende!“ sagte Jos lakonisch, als sie die Trennwand erreicht hatten, die mit dem Gang nicht einmal Ecken bildete, weil diese abgerundet waren. Chris Shanton klopfte gegen das Material. Es klang massiv, aber dieses Resultat befriedigte ihn nicht. Er warf seinem Schrott-Jimmy einen abfälligen Blick zu: „Wäre das Miststück wenigstens klar, dann könnten wir den einsetzen.“ Tschobe und Jos hörten nicht zu. Mit ihrem Blick tasteten sie die Wände, den Boden und die Decke ab. „Jos, wenn nun die energetische Sperrwand das innere Schleusentor dargestellt hat?“ Um ein Haar hätte Shanton seinen Robothund fallen lassen. „Tschobe, Sie müssen in das Dunkle zurück. Dort hatten Sie doch Wandkontakt. Könnten Sie dabei nicht einen Kontakt ausgelöst haben?“ Tschobe war schon unterwegs. „Warten!“ Er hatte schon weitergefolgert und dachte nicht daran, Dunkelheit und Stille noch einmal aufzusuchen, denn wenn es einen Kontaktschalter hinter der Sperrwand gab, dann mußte es einen zweiten vor ihr geben. In Handhöhe glitten seine Finger die Wand entlang. Er hatte nicht die kleinste Unebenheit gefühlt, aber ein leises Prickeln, das ihm bis zur Achsel durch den Arm gelaufen war. Bevor er sich erklären konnte, was er erlebt hatte, riß die schwarze Sperre vor ihm auseinander. Eine Armlänge weiter stieß seine Hand gegen eine unsichtbare Schranke.
Die Energie-Sperre stand wieder. Hinter seinem Rücken hörte er Jos rufen: „Raffinierter konnte diese Schleuse tatsächlich nicht getarnt werden!“ Shanton hielt den Spezialisten der GSO zurück. „Langsam, mein Lieber. Wir wissen nicht, was uns erwartet, wenn wir das Außenschott öffnen. Und sollten wir gleich sterben müssen, dann will ich wenigstens noch begreifen, auf welche Art mein Leben zu Ende geht.“ „Mir vollkommen egal“, fauchte ihn Jos unfreundlich an, trat aber zurück und folgte dem Beispiel der anderen, die ihren Klarsichthelm aus der fremden eng-, jedoch elastisch anliegenden Kombination herauszogen und ihn sich über den Kopf streiften und schlossen. Shanton betätigte den Kontakt. Jeder hielt sich an den fremdartigen Armaturen, die erst hervorgetreten waren, als Tschobe die Energie-Sperre aufgebaut hatte, fest. Das Schott flog auf. Sie sahen nach draußen. Zum Greifen nah ein ihnen unbekannter Strand, dahinter die Unendlichkeit eines Ozeans. Eine breite Schleifspur führte vom Wasser bis zum Liegeplatz der Station. Jos beugte sich weit vor, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Über hundert Meter unter ihm befand sich der Boden, der im Sonnenlicht spiegelte und aus Metall war. Eine Metallplatte, die allem Anschein nach ein gewaltiges Viereck darstellte, wenn sie auf den anderen Seiten ebensolche Formen hatte. Jos kniff die Augen zusammen. An der linken Ecke hatte er nicht nur Bewegung erkannt, sondern auch ein leichtgewölbtes, nicht besonders großes Bauwerk, das aber aus dem gleichen Material wie die Platte hergestellt war. Er machte Tschobe und Shanton darauf aufmerksam. Beide legten seiner Beobachtung keinen Wert bei. Shanton zerrte an seiner schwarzen Maske und bekam sie
nicht los. „Hätte ich mich auf diesen Unsinn doch nie eingelassen“, maulte er und wechselte dann das Thema. „Hundert Meter und mehr hoch. Wenn wir hinunterspringen, dann tut uns kein Zahn mehr weh. Ich begreife jetzt auch, warum man uns die Freude ließ, die Schleuse zu finden.“ Jos unterbrach ihn. Der GSO-Mann hatte wieder einen Blick in die Tiefe geworfen und die Gefahr entdeckt, in der sie plötzlich schwebten. Roboter griffen sie an – Roboter der schwarzen Weißen, die fliegen konnten und in drei großen Schwärmen zu ihnen heraufgejagt kamen. Es waren ein paar hundert. Aber das gab nicht den Ausschlag. „Auch das noch!“ stieß Manu Tschobe aus und deutete zum Himmel empor. Aus der Höhe fiel ein Raumschiff unbekannten Typs herunter! „Und die Roboter kommen hoch“, preßte Jos über die Lippen. Tschobe schaute nach rechts um die Schleusenkante. Als er den Kopf zurückzog, sagte er ohne jede Spur Erregung: „Sie sind schon da.“ Und um die Ecke herum schwebten die ersten Robs der schwarzen Weißen auf ihre Schleuse zu. * Ren Dhark war auch im Archiv allein. Dort hatte er Arc Doorn angetroffen und hinausgeschickt, während Riker wahrscheinlich Oberleutnant Roder und seine Männer im Bildpanorama-Raum aufgesucht hatte. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Die Vorwürfe seines Freundes brannten noch in ihm. Er konnte es kaum überwinden, noch weniger verstehen, daß Dan ihn für diese
grausame Natur hielt, wie er sich ihm hatte zeigen müssen. Hypno-Sperre?! Er hörte sich im Archiv lachen. Mit dieser Erklärung konnte er Riker nach dem Zusammenstoß nicht mehr kommen. Er würde sich mit ihr unglaubwürdig machen, und das hätte dann alles noch verschlimmert Ren Dhark, der Vernichter! Der Commander, der eine wehrlose Raumerflotte in den Hyperraum geschleudert hat! Ma-Soor! Er mußte an den letzten Kommandanten dieser Station denken, bevor sie von den Mysterious geräumt wurde. Er trug Ma-Soors Waffen. Sie klebten an dem Gürtel, der sich automatisch auf seinen Körperumfang eingestellt hatte. Ma-Soor, der Mysterious oder der Grako? Dhark wischte sich den Schweiß ab, schüttelte den Kopf, weil er sich nicht scharf genug konzentrieren konnte, und das Archiv nicht auf seine schwachen Alpha-Rhythmus-Impulse reagierte. Es hatte keinen Sinn, hier länger zu verweilen. Der Weg führte ihn auf kürzester Strecke zu Ma-Soors Kabine. Auf dem Schwebetisch lagen noch das dunkelblaue Etui und drei weitere Gegenstände, die wie kleine, kaum zwei Zentimeter durchmessende, plattgedrückte Kugeln aussahen. Er nahm das Etui an sich, setzte sich auf die Kante des Lagers und drehte es hin und her. Was mag das sein? fragte er sich immer neugieriger, ohne zu bemerken, wie schnell seine Erregung abklang. Plötzlich lag das Etui, knapp handspannenlang, etwa mehr als einen Zentimeter dick und dreieinhalb Zentimeter breit, bewegungslos in seiner Hand. Er hatte Schriftzeichen gesehen, Schriftzeichen der Mysterious, aber nun konnte er sie nicht wiederfinden.
Ich habe sie doch gesehen, sagte er sich, als aus dem dunkelblauen, sich samtartig anfühlenden Material Schriftzeichen sichtbar wurden. Halblaut las Dhark: ERRON-3! Und halblaut wiederholte er, während er gleichzeitig nachdachte, ob er diesen Begriff schon einmal gehört oder durch Mentcaps erfahren hatte: „Erron-3!“ Nein, gab ihm sein Erinnerungsvermögen bekannt, dieser Begriff ist gerade zum erstenmal aufgetaucht. Was bedeutete Erron-3? Der Werkname eines alltäglichen Gebrauchsgegenstandes ? Er glaubte nicht daran, denn die Mysterious hatten ja nicht einmal für das Triebwerk der POINT OF eine Spezialbezeichnung gehabt, sondern auch dieses Aggregat mit einer Zahlen-Chiffre versehen. „Hm... etwa zweihundert Gramm schwer.“ Dhark war schon im Begriff, es einzustecken, um nach den drei weiteren Gegenständen zu greifen, als er noch einen Versuch machte, das Etui zu öffnen. Ihm gelang es nicht! Das Etui öffnete sich von selbst! Eine winzige blitzende Kugelantenne auf einem flexiblen, noch dünneren Stab, der knapp einen halben Meter lang war, fuhr aus und veränderte sofort ihre Stellung, kaum daß sie mit dem Etui eine Linie bildete. Wie suchend bewegte sie sich im Kreis, um nach kurzer Zeit stehenzubleiben. Aber als Dhark dem Etui eine andere Lage gab, nahm die Antenne mit der winzigen Kugel erneut ihr Suchen auf. Fünfmal wiederholte Dhark, der immer interessierter geworden war, das Experiment. In welche Lage er das Etui auch brachte, die Kugel der Antenne zeigte immer in ein und dieselbe Richtung. Hielt er ein Peilgerät in den Händen? Drei kleine Instrumente waren zu sehen, und nur eins davon kannte er. Es gab in den Zahlensymbolen der Geheimnisvollen
die Raumkoordinaten an. So war es auf der POINT OF, und auch auf dieser Station im Herzen des Planeten Zwitt. Aber nicht bei diesem Instrument. Anstelle der Zahlen waren Buchstaben getreten, doch ihre Bedeutung kannte Dhark nicht. Vielleicht konnte ihm eine Mentcap Auskunft geben. Er nahm die drei anderen Gegenstände vom Schwebetisch, steckte sie ein und verließ Ma-Soors Kabine. Jetzt gelang es ihm, sich vor der Archivwand zu konzentrieren. Eine Archivscheibe fiel in den Auffangkorb. Durch den daneben eingebauten Sender öffnete er sie mit 19.500 Hertz. Unbesehen schluckte er das weiße Kügelchen. Kaum war eine halbe Minute vergangen, als er seine Augen immer weiter öffnete, aber von der Wand des Archivs nicht das geringste sah. Das Etui in seiner linken Hand war ein Wegweiser! Mit dem auf Dhark einstürmenden Wissen wurde seine Verwirrung immer größer. Es fiel ihm schwer zu glauben, was ihm die eingenommene Mentcap übermittelte. Mit diesem Wegweiser in der Hand sollte er in der Lage sein, Erron-3 zu finden. Dieser Wegweiser sprach auch auf Transmitter des Typs TTT an, aber die Mentcap verriet nicht, wie ein TTTTransmitter aussah. Auch erfuhr er nicht, was er sich unter Erron-3 vorzustellen hatte: Ein Sonnen-System? Einen Kugelhaufen? Eine Dunkelwolke? Eine Nova oder eine andere Galaxis? Erneut konzentrierte er seine Gedanken. Das Archiv sollte ihm eine Kapsel liefern, die ihm präzisere Auskunft gab. Der Auffangkorb blieb leer. Dhark wunderte sich nicht darüber. Im Archiv im HöhlenSystem Deluges war es oft nicht anders gewesen. Dieses von den Mysterious angelegte Archiv war in seinen Informationen
auch nicht absolut. Im Gegenteil, auch dieses hier wies unerklärliche Lücken in seinem gespeicherten Wissen auf. Ein Wegweiser nach Erron-3! Die kleine blitzende Kugel am Antennen-Ende wies immer nach Erron-3, gleichgültig, in welcher Position sich das Etui befand. Das zweite Instrument mit seinen sieben Farbfeldern war nichts anderes als der Kommando-lmpulsgeber für einen Ringraumer der Klasse POINT OF. Das letzte diente dazu, Transmitter der TTT-Serie einzustellen! Seine Gedanken wechselten abrupt. Er glaubte in diesem Augenblick wieder die Vorwürfe seines Freundes zu hören. „Ich muß Informationen über die schwarzen Weißen haben“, murmelte er und konzentrierte sich auf diesen Punkt. Diesmal wurde er vom Archiv enttäuscht. Über die schwarzen Weißen lieferte es keine Angaben. Der Auffangkorb war leer geblieben. „Schade“, stellte er bedauernd fest und befahl dann in Gedanken dem Etui, die Antenne einzufahren und sich zu schließen. Im nächsten Moment war der Überzug des dunkelblauen Gegenstandes nahtlos um seinen Inhalt geschlossen. „Aber ich habe die Folien nicht mehr gesehen...“ Sein ausgezeichnetes Erinnerungsvermögen zeigte ihm Ma-Soors Kabine, als er sie zum erstenmal betreten hatte, damals hatten auf dem Schwebetisch außer den Gegenständen, die inzwischen in seinem Besitz waren, auch vier Folien gelegen. Vorhin hatte er sie nicht mehr bemerkt. Abermals suchte er Ma-Soors Kabine auf. Die vier Folien fehlten. Nur die Männer seiner Gruppen kamen für dieses Verschwinden in Frage. Der Commander betrat die siebte Schale der Station im Planeten Zwitt. Er sah jeden, und er sah doch keinen einzigen Mann an; auch Dan Riker bildete keine Ausnahme. „Oberleutnant!“
Die Männer warfen ihm ihren forschenden Blick zu. Im Bereich der POINT OF redete jeder den anderen mit Namen an, auch den Commander. Von Anfang an, als es eine militärische Ordnung auf dem Schiff noch nicht gab, war es so gehalten worden, und die Besatzung des Flaggschiffes hatte es als altangestammtes Recht betrachtet, diese Gepflogenheit fortzuführen, als die Terranische Flotte geschaffen wurde. „Commander?“ Roder reagierte schnell. Seine Ehrenbezeigung war exakt. Sein Gesicht drückte unpersönliche Spannung aus. Zugleich war dieser Ausdruck ein abwertendes Urteil über Ren Dhark. „Ich muß unbedingt mit der POINT OF sprechen. Der Sender dieser Station ist stark genug, um das Schiff vor der Sonnenkorona zu erreichen. Beauftragen Sie den stellvertretenden Ingenieur damit.“ Er hatte es vermieden, Arc Doorns Namen zu benutzen, und Oberleutnant Roder mußte krampfhaft nachdenken, wer auf der POINT OF der Stellvertreter des Ersten Ingenieurs war, „Oberleutnant, lassen Sie mich rufen, wenn der Funkkontakt hergestellt ist.“ „Jawohl, Commander.“ Roder wollte gehen, aber Dhark hielt ihn zurück. „Vorher forschen Sie nach, wer aus Ma-Soors Kabine... wer aus einer Wohnkabine dieser Station vier Folien an sich genommen hat.“ „Die hab’ ich!“ sagte Arc Doorn, der ein paar Schritt seitwärts stand. „Vielleicht verstehen Sie herauszulesen, was sie aussagen, Commander!“ Irgendwo stieß ein Mann einen Pfiff aus. Doorns Stimme hatte wie klirrendes Eis geklungen, und die Art, wie er Dhark die vier Folien überreichte, war in dieser Situation eine ausgesprochene Unverschämtheit. Commander Dhark ließ sie sich nicht bieten! „Falls Sie sich Ähnliches noch einmal erlauben sollten, wird die TF, die Handelsflotte und jedes größere private
Unternehmen Terras auf Ihre Mitarbeit verzichten!“ Über hundert Menschen hielten in der siebten Schale den Atem an. Der bullige Sibirier mit dem Boxergesicht, der mit und für Ren Dhark von Anfang an durch dick und dünn gegangen war, buckelte nicht. „Commander, Sie haben das Oberste Gericht Terras dabei nicht berücksichtigt! Und wenn Ihnen die Art, wie ich Ihnen die Folien überreichte, nicht gefallen hat, warum haben Sie sie denn angenommen? Aber bevor wir dieses Thema beenden: Mir stehen noch siebeneinhalb Monate Urlaub zu. Mehr habe ich nicht zu sagen, Commander!“ Jetzt mußte die Explosion kommen. Der Commander kehrte Doorn halb den Rücken, wandte sich wieder an Roder und sagte: „Bitte, versuchen Sie Funkkontakt mit dem Schiff zu bekommen!“ Roder, Doorn und zwei Funk-Experten verschwanden. Dhark wanderte am Panoramaschirm der siebten Schale entlang. Sie zeigte Zwitts Oberfläche und auch hier und da die Narben, die sie im Strahlenfeuer erhalten hatte. Vergiß aber die siebte Sonne X nicht! Mone! schoß es ihm durch den Kopf, kaum daß der andere Gedanke ihn schon wieder verlassen hatte. Mone, das rätselhafte Wesen vom fünften Planeten, das in seinen Tiefen wohnte und dem er es zu verdanken hatte, kein Opfer der schwarzen Weißen geworden zu sein. Diese siebte Sonne – sie befanden sich in ihr. Dieses System, das nicht von der Natur geschaffen worden war, sondern von einer rätselhaften Rasse, der die Menschen den Namen Mysterious gegeben hatten. Warum mußte er sich an Mones Hinweis erinnern, während seine Männer danach fieberten, aus seinem Mund die Erklärung zu hören, weshalb er die hilflosen Flottenverbände der schwarzen Weißen vernichtet hatte?
Seit er sich im Panoramaraum aufhielt, sah er sie zum erstenmal an. Die Männer, die zur Besatzung gehörten, stammten mit wenigen Ausnahmen aus dem Kolonistenpulk, der mit der GALAXIS nach dem Doppelsonnen-System Col verschlagen worden war. Sie hatten es nicht verdient, daß ihr Commander ihnen keine Aufklärung gab, aber sie konnten auch nicht ahnen, daß Dhark in der augenblicklichen Situation ihnen nichts sagen durfte, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, den letzten Rest Glaubwürdigkeit zu verlieren. Sein Blick kreuzte sich mit dem aus Rikers Augen. Er hält mich immer noch für den Vernichter! stellte er betroffen fest, und automatisch sah er in den Mysterious die Grakos, die ihn mit einer teuflischen Hypno-Sperre nicht nur zum Checkmaster der Station gemacht, sondern auch mißbraucht hatten, ein furchtbares Verbrechen zu begehen! Das Hy-Kon! Ihn schauderte es, wenn er an diese Waffe dachte. Noch mehr schauderte ihn, wenn er sich vorstellte, daß die riesigen Flottenverbände der schwarzen Weißen nun im HyperKontinuum steckten und wahrscheinlich nie mehr den Weg zurück ins Einstein-Universum fanden. Ihn verwirrte aber auch immer stärker die Frage, warum die Mysterious die Terraner von Anfang an akzeptiert hatten. Nur wollte er die naheliegende Antwort nicht wahrhaben, daß der Mensch in seiner Mentalität den anderen glich. Hatten die Mysterious den goldenen Menschen auf dem Planeten Mirac zerstört, ihm Kopf und Arme abgeschlagen, und war ihr Ringraumer, den sie zerfetzt in der Nähe des Standbildes aufgefunden hatten, bei dieser Aktion von einer anderen Intelligenz vernichtet worden? Ren Dhark war sich klar darüber, daß er sich bewußt ablenkte. Er wollte dem Muß aus dem Weg gehen, seinen Männern Rechenschaft über sein Tun der letzten Stunden abzulegen. Aber seine Gedanken führten ihn immer wieder
zum Ausgangspunkt zurück. Seine Logik sagte ihm aber auch, daß die Mysterious gar nicht anders hatten handeln können, wie sie mit seiner Hilfe gegen die schwarzen Weißen vorgegangen waren. Zwitts Geheimnis konnte nur dann gewahrt bleiben, wenn keiner der schwarzen Weißen, die nun die Position dieser ungewöhnlichen Sauerstoffwelt erfahren hatten, dieses Invasionsunternehmen überlebte. Das Tor zur Sonne?! Welch tieferer Sinn verbarg sich dahinter? Und was steckte in dem Begriff Erron-3? Da erst erinnerte er sich, vier Folien in der Hand zu halten. Folien aus Ma-Soors Kabine, die der letzte MysteriousKommandant dieser Station mit den anderen Dingen vergessen hatte, mitzunehmen, als er aller Wahrscheinlichkeit nach diese Anlage überstürzt verlassen mußte. Wie im Höhlen-System auf Deluge! Rätselhaft und unerklärlich diese Flucht einer Rasse, die Herr einer eindrucksvollen Supertechnik war. Vor rund tausend Jahren hatten sie überall, wo sie seßhaft gewesen waren, alles stehenund liegenlassen, um nie mehr zurückzukehren! Ein tausend Jahre altes Produkt dieser Mysterious-Technik hielt er mit den vier Folien in den Händen. Vier Sternenkarten! Drei davon sagten ihm nichts; sie zu entziffern war Aufgabe der Astronomen. Aber die vierte konnte er lesen. Sie zeigte die Sternenbrücke und den energetischen Hohlschlauch, der neun Sonnen umspannte, aber von beiden Seiten her bei der siebten Sonne endete Die drei tanzenden Planeten und der Mondsammler waren besonders auffallend dargestellt. Im Ultrablau waren die drei Sternenkugeln und ihre Bahnen zu sehen, ebenso die einwandfrei zu deutenden Hinweise, daß sie zusammen eine Einheit bildeten. Ultrablau, die für die Mysterious typische Farbe; sogar das Unitall, dieses einmalige Kunstprodukt der Geheimnisvollen,
leuchtete in diesem Farbton. Die siebte Sonne jedoch sah auf dieser Folie nicht anders aus als die acht weiteren Sterne der Brücke. Kein Hinweis verriet, daß sich hinter der Korona einer F-Sonne eine Sauerstoffwelt versteckt hielt. Welche Aufgabe hatten die Korona mit den unzähligen Flächenprojektor-Stationen und Zwitt mit seinen planetarischen Ringanlagen zu erfüllen? War dieses System vielleicht nur aus dem Grund errichtet worden, um die drei tanzenden Planeten zu schützen? Doch warum hatte man die Bahn der drei tanzenden Planeten dann nicht in die Korona verlegt, in der doch Platz genug dafür vorhanden war? Und die Mysterious-Technik, die dieses astronomische Wunder geschaffen hatte, hätte doch die astrophysikalischen Probleme leicht gemeistert. Ren Dhark ließ die Sternenkarte sinken. Viel klüger war er nicht geworden. Daß er abgelenkt worden war, zählte nicht mehr. Seine Männer standen herum und schauten ihn an, fragend, herausfordernd und zweifelnd. Ihr Commander, der ihnen immer wieder eingehämmert hatte, daß es nichts Kostbareres gäbe als intelligentes Leben, und der unter ihren Augen an aber Tausenden Leben zum Vernichter geworden war, – ihr Commander war ihnen fremd und unheimlich geworden. Sie verstanden sein Schweigen nicht. Sie erkannten bloß, daß er einer Erklärung gewaltsam auswich, und das wiederum belastete ihn noch stärker; das ließ ihn in den Augen von nicht wenigen zum Feigling werden, der den Mut nicht besaß, sich zu seinen Fehlern zu bekennen. Dhark blickte auf sein Chrono. In den Augen seiner Männer hatte er sehr viel herausgelesen, und das bittere Gefühl, das in ihm groß werden wollte, unterdrückte er gewaltsam. Die Männer, die er zur Funk-Zentrale der Station geschickt hatte, damit sie von dort aus Verbindung zur POINT OF
aufnahmen, meldeten sich nicht. Dhark benutzte die Verständigung. Inzwischen hatte er den Zusammenstoß mit Arc Doorn schon wieder vergessen. Die Bildscheibe zeigte ihm die Männer in der Funk-Z, die untätig herumsaßen. Doorn reagierte auf seine Anfrage nicht. Die Beantwortung übernahm ein Hyperfunk-Spezialist. „Commander, wir haben die Echo-Kontrolle eingesetzt. Die POINT OF ist auch damit nicht zu erreichen.“ Dhark nickte und schaltete wieder ab. Niemandem sagte er dann, daß er noch einmal das Archiv aufsuchen wollte. Auf dem Weg dahin betrat er vorher die Funk-Z. Er verlangte die letzte Position der POINT OF zu wissen, und man gab ihm die Koordinaten, und auch die des inneren Sauerstoffplaneten. Demnach befand sich sein Schiff kurz vor der Landung. Diese Nachricht trieb ihn zu noch größerer Eile an. Diesmal gab das Archiv auf seinen konzentrierten Gedankenimpuls eine Scheibe aus, die vom 19.500 HertzSender geöffnet wurde. Dhark schluckte die weiße Kugel und wartete ab, daß mit ihrem Zerfall in seinem Magen das darin gespeicherte Wissen auf ihn überging. 40-4! Plötzlich besaß er alle Informationen, die erforderlich waren, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Erneut benutzte er die Verständigung. Jetzt mußte der Sibirier, der auf stur geschaltet hatte, mit seinem Commander sprechen, als er den Auftrag erhielt, alle Männer nach Raum 40-4 zu führen. „... und falls Sie es nicht wissen sollten, Doorn, 40-4 liegt in der vierten Schale.“ „Ich führe die Männer heran!“ Mit diesen fünf Worten hatte er das Allernötigste gesagt und keine Miene dabei verzogen. Nachdenklich sah Dhark den grau gewordenen Bildschirm an. Ihm wurde noch einmal bewußt, wie scharf er auf Doorns aufreizend lässige Art reagiert hatte, aber durfte er gerade diesem zuverlässigen Mann sein Verhalten übelnehmen?
Mußte er nicht gerade ihm endlich sagen, was mit ihm geschehen war, als die Hypnose-Sperre ihn daran hinderte, seinen eigenen Willen zu benutzen? Langsam ging er zum Raum 40-4 der Station. Durch das Wissen der letztgeschluckten Mentcap war er mit der Bedienung des Transmitters vertraut. Die sparsamen Hinweise in der Schrift der Geheimnisvollen las er wie ein Buch in terranischer Sprache. Es blieb ihm Zeit genug, die Anlage auf den inneren Sauerstoffplaneten einzustellen. Bevor die POINT OF auf diesem Planeten gelandet war, wollte er mit seinen Männern dort sein. Die Hauptkontrolle warf Grün aus. Der Weg zum inneren Tänzer war frei. Die vier Meter durchmessende graue Ringantenne wartete darauf, Terraner in Nullzeit zu einem anderen Planeten zu befördern. Während Dhark auf die Gruppe wartete, erinnerte er sich seines Wegweisers nach Erron-3. Er nahm das Etui aus der Tasche, ließ den Antennenstab mit der Kugel am Ende herausspringen und beobachtete, in welche Richtung sie sich justierte. Wiederum zeigte sie in Richtung Erron-3, obwohl das kleine Gerät sich schon im Einflußbereich der Transmitter-Antenne befand. An einem Instrument las Dhark ab, daß der Wegweiser auf die Transmitterkräfte in der Grenzzone nicht ansprach. Keineswegs zufrieden über diesen Befund, steckte Dhark das Etui wieder in die Tasche. Kurz darauf erreichten die ersten Männer 40-4. In Viererreihen warteten sie vor dem Transmitterraum. Dhark rief Roder zu sich. „Ich benutze als erster die Anlage, bleibe drei Minuten im Bereich der Gegenstation und komme um...“, er warf einen Blick auf sein Chrono, „...und bin um 15:35 Uhr Norm-Zeit wieder zurück. Sollte es nicht der Fall sein, dann ist diese Anlage nicht mehr zu benutzen, aber sie darf auch in keinem Fall abgeschaltet werden. Wer kann sagen, was mich auf der
anderen Seite der Verbindung erwartet. Roder, Sie handeln dann nach eigenem Ermessen. Vielleicht setzen Sie die zurückgelassenen Flash ein und versuchen damit das Flaggschiff zu erreichen. Also... es wird Zeit für mich!“ Schweigend sahen ihn mehr als hundert Männer auf die graue Ringantenne zugehen. In seinem Handeln erkannten sie ihren alten Commander wieder, der niemals zu feige gewesen war, das größte Risiko zuerst einzugehen, aber warum gab er ihnen keine Erklärung ab, weshalb er diese aber tausend Raumschiffe vernichtet hatte? Dharks Herz klopfte bis zum Hals, wenngleich ihm auch das Mentcap-Wissen sagte, daß er nichts zu befürchten habe. Aber jeder neue Schritt ins Ungewisse forderte auch ihm Kraft und Überwindung ab. Wie eine stumme Drohung sah der große Antennenring aus, der eine Stärke von gut zwanzig Zentimetern hatte und oben und unten durch eine massive Metallklammer mit Boden und Decke verbunden war. Rechts an der Wand, die mit erstaunlich wenigen Mysterious-Instrumenten besetzt war, leuchtete das Freizeichen konstant. Es zeigte an, daß die Gegenstation betriebsbereit war. Ren Dhark tat den letzten Schritt. Er konnte über sein Weiterleben entscheiden. Mit diesem Schritt setzte er wieder einmal alles aufs Spiel, aber mußte er es nicht als Commander tun? Und Ren Dhark verschwand im Antennenring. Im Raum 40-4 gab es ihn nicht mehr. * Die letzten zehn Kilometer ihres Fluges legte die POINT OF mit A-Gravkräften zurück. Der Brennkreis des Sle bestand nicht mehr. Die halbkugeligen, fußballgroßen Flächenprojektoren des Flaggschiffes emittierten keine
Energien mehr. Der Gigant im Triebwerksraum lag still, lief kaum hörbar in der Null-Phase, und die Männer, die hier ihren Dienst verrichteten, hatten nichts mehr zu tun. Auch der Kommandant des Ringraumers, Leon Bebir, saß gelassen im Pilotsessel, warf den Instrumenten routinemäßig hin und wieder einen Blick zu, um sein Interesse dann wieder der Bildkugel zu schenken, die einen immer kleiner werdenden Teil der unbekannten Planetenoberfläche wiedergab. Höchste Alarmbereitschaft herrschte in den beiden Waffensteuerungen. Alle in der Unitallhaut liegenden Antennen waren auf Nadel-Strahl geschaltet und warteten auf den letzten Impuls, um die POINT OF zu verteidigen. „Enttäuschend“, sagte Hen Falluta, der als Erster Offizier laut Dienstplan Kopilot des Flaggschiffes war. „Mehr als das!“ behauptete Bebir. „Dieser Planet ist einer der langweiligsten Sauerstoffwelten, die ich bisher unter die Augen bekommen habe. Flache Kontinente, flache Meere, nirgendwo nennenswerte Vegetation, keine zusammenhängende Wälder, und technisch ein leergeblasenes Ei!“ Im gleichen Moment bewies ihm die Durchsage aus der Funk-Z, daß die letzte Behauptung unter keinen Umständen stimmen konnte. Glenn Morris teilte erregt mit, daß man jetzt erst festgestellt habe, keinen Empfang mehr zu besitzen. „Was heißt das?“ bellte Bebir, der zusammengezuckt war und nicht glauben wollte, was er ein paar Minuten später als Tatsache zu akzeptieren hatte. Morris zwang sich zur Ruhe und erklärte, weshalb man in der Funk-Z diese Feststellung erst so spät gemacht habe: „Es gibt zur Zeit in der gesamten Sternenbrücke keinen einzigen arbeitenden Sender. Wir haben seit Transitionsende nur einmal mit Dhark kurzfristigen Kontakt gehabt. Seitdem die Invasionsflotten verschwunden sind, herrschte im Empfangssektor absolute Ruhe. Nicht einmal statische
Störungen waren zu hören. Und wir hätten es auch jetzt noch nicht bemerkt, wenn Yogan nicht die vorgeschriebene Routinekontrolle vorgenommen hätte. Kommandant, wir sind noch nicht in der Lage zu sagen, wo der Fehler liegt. Nur daß unsere Empfangsanlagen einwandfrei arbeiten, stimmt. Das hilft uns aber nicht, weil die Antennen streiken.“ „Mit anderen Worten: Wir können auch keinen Ruf abstrahlen?“ fragte Leon Bebir. Besonders zufrieden sah Morris auf dem Schirm der Verständigung nicht aus. „Ich gäbe etwas darum, wenn ich Ihre Frage beantworten könnte. Im Augenblick prüfen wir noch durch, aber wie es jetzt schon aussieht, Bebir... wir können auch der Echo-Kontrolle nicht mehr trauen. Deshalb raten wir während des Landemanövers und nach der Landung zur allergrößten Vorsicht.“ Das paßte nicht in das Bild des inneren Sauerstoffplaneten, der sich mit seiner Oberfläche langweilig und harmlos zeigte. „Okay, Morris. Die beiden WS werden sofort gewarnt.“ Rochard und Clifton, die Chefs der Waffensteuerungen, horchten auf. Bud Clifton, der meistens eine Idee schneller als sein Kollege Jean Richard war, hatte eine leichte Störung in seiner Zielsteuerung zu melden. „Hin und wieder habe ich in der letzten halben Stunde Doppelwerte erhalten, die an und für sich bedeutungslos waren, weil sie die zulässige Toleranzgrenze nicht überschritten, die ich aber bisher noch nie beobachten konnte.“ Weder Bebir noch der Erste, Hen Falluta, waren Waffenexperten. Clifton mußte ihnen erklären, was er unter Doppelwerte der Zielsteuerung verstand. „Clifton, Sie wären jetzt also nicht in der Lage, einen Punkttreffer anzubringen?“ forschte Bebir, der dem Höhenmesser schnell einen Blick zuwarf und daran erkannte, daß sich das Schiff nur noch 4300 Meter hoch über dem vorgesehenen Landeplatz befand. „Wenn man eine Fläche von tausend Quadratmetern noch als
Punkt bezeichnen darf, dann können wir Punktschießen veranstalten. Wenn man aber von uns verlangt, den Nadelstrahl nur innerhalb eines Quadratmeters zur Wirkung zu bringen, müssen wir streiken.“ „Danke!“ sagte Bebir, dessen Stimmung nicht mehr die beste war. „Falluta, was sagen Sie dazu?“ Der erinnerte sich an Zwitt! Zwitt hatte auch langweilig ausgesehen, und nicht eine einzige der vielen gigantischen Ringanlagen von planetarischem Format war bemerkt worden, und doch war Zwitt alles andere als ein langweiliger, harmloser Planet im Schutz einer Sonnenkorona gewesen. „Ich würde größte Vorsicht...“ Morris brüllte über die Verständigung dazwischen. „Wir haben den Commander im Empfang! Wir...“ Im gleichen Moment hatte er von der Funk-Z zur Zentrale durchgeschaltet. „... sehen das Schiff! Wir befinden uns etwa 35 Kilometer nordwestlich. Riker schaltet jetzt sein Vipho auf Peilstrahl. POINT OF, bitte kommen! POINT OF, bitte kommen!“ Morris Stimme war deutlich zu hören. Er rief zu Dhark zurück. „Hier POINT OF! Hier POINT OF! Peilstrahl erfaßt. Auswertung liegt vor. Koordinaten gehen an Kommandant!“ Morris’ Gesicht verschwand vom Schirm. Koordinaten traten an dessen Stelle. Leon Bebir las sie ab. Im Triebwerksraum schaltete der Gigant von der Null-Phase hoch. Im Brennkreis wurde der Sle aktiv. Am Instrumentenpult kippten eine Reihe Steuerschalter in andere Positionen. Die Andruckausgleicher des Ringraumers heulten kurz auf, um im Schiff ein Gravo konstant zu halten. Fast wie ein Blitz wechselte die POINT OF von Landekurs auf Alarmstart um. Titanische Sle-Kräfte rissen dazu das Schiff in nordwestliche Richtung. Mitten im Schalten beugte sich Leon Bebir zu den Sprechrillen vor und rief zur Funk-Z durch: „Mitteilung an Commander, Morris. POINT OF im Anflug. Stehen in drei Minuten über Koordinatenpunkt. Ende!“
Er hatte alle Hände voll zu tun, aber er fand trotzdem noch Zeit zu fragen: „Falluta, können Sie mir sagen, wie Dhark auf diesen Planeten kommt?“ Der Erste gab ihm die einzig mögliche Antwort darauf. „Warum warten Sie diese lächerlichen drei Minuten nicht ab und fragen dann Dhark selbst, Bebir?“ * Chris Shanton, Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag glaubten in einem Irrenhaus zu stecken. Ihre Sinne waren nicht mehr in der Lage, alles zu erfassen, was sich um sie herum abspielte. Ihre Station, aus der sie nicht mehr herausgekommen waren, war eine dicke, mehr als vierhundert Meter im Durchmesser große Scheibe, die sich plötzlich gevierteilt hatte und zu Vierteln relativ nah an ihrer Schleuse vorbei und zum unbekannten Raumschiff hoch, das abzustürzen schien. Die drei Terraner hatten kaum noch Platz vor der hereinjagenden Robotermenge, deren grelleuchtende Augen in den Männern keine angenehmen Erinnerungen weckten. An der linken Schleusenwand standen Shanton und Jos zusammen, an der anderen der Afrikaner. Dicht vor ihnen stampften die Roboter der schwarzen Weißen vorbei und machten erst an der energetischen Sperre halt. Dort standen sie in Reihen nebeneinander, und durch die Schleuse kamen immer mehr neue herein. „Die drücken uns gleich platt, wenn der Segen nicht bald aufhört!“ brüllte Shanton mit seinem orgelnden Baß. Da hob auch das Viertel der Station, in dem sie sich aufhielten, von der großen Plattform am Strand des unbekannten Ozeans ab. Ihr Viertel schwankte wie betrunken hin und her, stieg aber mit einer Beschleunigung, die die Männer in die Knie zwang.
Im nächsten Moment stockte Shanton und Jos der Atem. Unter dem kaum noch zu ertragenden Andruck war Manu Tschobe zu Boden gestürzt. Im gleichen Moment kippte ihre Viertel-Station in Richtung ihrer geöffneten Schleuse ab. Shanton und der GSO-Mann konnten sich gerade noch festhalten. Der Afrikaner aber rutschte unaufhaltsam, dicht an stampfenden Roboterbeinen vorbei, der Öffnung zu. Sie sahen, wie verzweifelt er versuchte, sich an einem Roboterbein festzuhalten. Gerade das wurde Tschobe zum Verhängnis. Er verfehlte das Bein, erhielt einen kräftigen Stoß und wirbelte durch die Schleuse in die Tiefe. Entsetzt sahen sich die beiden zurückgebliebenen Männer an. Sie konnten einfach nicht glauben, was sie gesehen hatten. Manu Tschobe tot... abgestürzt... zerschmettert auf der Oberfläche eines Planeten, von dem sie nicht wußten, wo in der Milchstraße er zu suchen war. Die Roboterreihen wuchsen und wuchsen. Nur noch drei Meter Spielraum bis zur Schleuse war vorhanden, und ein Ende dieses Maschinenmenschen-Stroms war immer noch nicht abzusehen. Sie waren als fliegende Objekte bedeutend schneller als die Viertel-Station, die immer noch mit hoher Beschleunigung auf das fremde, herunterkommende Raumschiff zujagte. Da zweifelte auch der hartgesottene GSO-Mann an seinem Verstand. Neben ihm röchelte der dicke Diplom-Ingenieur nur. Ein Rob schwebte in den Schleusenraum, und dieser Roboter hielt in seinen so humanoid wirkenden Armen – Manu Tschobe! Er stellte ihn ab, als er festen Boden unter den Füßen hatte, und er kümmerte sich um ihn nicht mehr, als er zusammenbrach. Mit weitem Schritt stieg er über ihn hinweg und stellte sich zu den anderen Maschinenkonstruktionen, um sich nach Einnahme seines Platzes nicht mehr zu bewegen.
„Er kippt... er kippt...“ Shanton versagte die Stimme. Manu Tschobe drohte ein zweites Mal in die Tiefe zu stürzen, und wiederum konnten ihm weder Jos noch der Dicke helfen, wollten sie durch die stark schräge Lage ihres Viertels nicht auch hinaus und in die Tiefe geschleudert werden. Und Tschobe rutschte schon wieder der Öffnung zu. Tückisches Geschick ließ ihn genau zwischen zwei Robs seinem Verderben zurasen. Da sahen Shanton und Jos mit ihren Augen das Wunder. Ein hochkommender Rob fing den Afrikaner auf. Seine starken Arme faßten ihn, als ob er kein Gramm wiegen würde. Der fliegende Maschinenkörper schwankte bei seinem Eingriff nicht einmal. Unverändert hielt er seinen Kurs bei, schwebte herein, setzte auf, stoppte mit einem schnellen Schritt seine erstaunliche Geschwindigkeit ab, ließ Tschobe zu Boden gleiten und ging auf die anderen zu, die mit dem Gesicht zur Energiesperre in Reih und Glied standen. Die Lage des Viertels veränderte sich erneut. Jos drückte sich ab, ohne auf den behindernden Andruck Rücksicht zu nehmen. Gleich beim ersten Schritt brach er in die Knie. Er unternahm keinen Versuch, sich aufzurichten. Auf Händen und Füßen kroch er auf Tschobe zu, stoppte einmal, weil er nicht unter den Fuß eines Robs kommen wollte, und bekam den besinnungslosen Afrikaner zu fassen. Da war auch Shanton neben dem GSO-Mann. Mit vereinten Kräften zerrten sie Tschobe zur Seite. Sie achteten kaum darauf, daß sich das Außenschott ihrer Schleuse schloß. Ihr ganzes Sinnen und Trachten galt nur ihrem besinnungslosen Gefährten, dessen Beine gerade zur Seite flogen, weil sie einem Roboterpaar im Weg gewesen waren. „Große Milchstraße!“ keuchte Jos, dem der Schweiß über das Gesicht lief, „das war knapp.“ „Ja“, sagte der Dicke, dem die Anstrengungen weniger
ausgemacht hatten, „das wird zu knapp!“ Er hatte recht. Das letzte Viertel der Station, in dem sie sich aufhielten krachte in diesem Augenblick hart auf, und gleichzeitig verschwand der hohe Andruck. „Wir sind wieder einmal angekommen“, stellte Shanton fest. „Fragt sich nur, bei wem.“ Die Robs stampften davon wie eine Kompanie Soldaten. Sie passierten die Stelle, an der es die Energiewand nicht mehr gab. Ihr schwerer Schritt hallte dumpf über das Heck. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte Jos, der darauf keine Antwort erwartete. Manu Tschobe bewegte sich. Er hatte es schwer, die Wirklichkeit zu erfassen. Und dann verstand er nicht, daß er noch lebte. Erst als er die beiden anderen erkannte, wußte er, daß er nicht das Opfer einer Halluzination geworden war. „Ein Roboter muß Sie aufgefangen haben, als Sie in die Tiefe purzelten!“ vermutete der Dicke, der wieder seinen Schrott-Jimmy unter dem Arm trug. „Aber nach welchen logistischen Werten diese Blechkameraden programmiert worden sind, ist mir ein Rätsel.“ Tschobe wollte nicht glauben, daß er gleich zweimal von Robotern gerettet worden war. „Aber freuen Sie sich darüber nicht“, warf Jos ein, der seine pessimistische Stunde hatte, „denn wer weiß, was uns noch bevorsteht.“ Darauf hatten sie nicht lange zu warten. Manu Tschobe war kaum in der Lage, wieder auf seinen Beinen zu stehen, als sich das Außenschott der Schleuse öffnete und Mildan und Dordig, von sechs Robotern der schwarzen Weißen flankiert vor ihnen standen. Mildan grinste niederträchtig. Der entartete Cyborg genoß seinen Triumph. Als er jedoch Schrott-Jimmy unter Shantons Arm erkannte, brach er in schadenfrohes Lachen aus. „Kommen Sie!“ befahl Dordig, der sich keine Gefühlsregung
anmerken ließ, „und damit Sie sich keine falschen Hoffnungen machen, diese sechs Robs sind umprogammiert worden. Sie reagieren nicht auf Ihr geschwärztes Gesicht. Mildan und ich haben auf das zweite System geschaltet. Was das heißt, wissen Sie alle so gut wie wir.“ Jos hatte sich schnell der neuen Situation angepaßt und erkannt, daß sie im Augenblick zur Passivität verurteilt waren. Die beiden Cyborgs und die sechs Roboter auf der Schwebeplatte vor der Schleuse waren jetzt am Zug. Sich auf einen Kampf mit Strahlwaffen einzulassen, war Selbstmord. Langsam setzten sie sich in Bewegung, betraten die große Schwebeplatte und sahen, als sie das Viertel ihrer Station verließen, daß sie sich in einem gewaltigen Hangar befanden, in dem auch die restlichen drei Viertel der Station lagen. „Legen Sie die Waffen ab, aber alle!“ kommandierte Dordig, der ein kleines Gerät in der Hand hielt und damit drei Robotern Kommando-Impulse übermittelte. Der Terraner hatten keine Chance, ihre Lage zu ändern. Sie gaben ohne Zögern ihr Arsenal ab, nur dachte der Dicke nicht daran, Schrott-Jimmy oder das Spezialgerät, mit dem er ihm Kommandos übermittelte, dazuzulegen. Dordig fühlte sich ungemein sicher. An Mildan hatte er keine Hilfe. Dieser verdrehte Cyborg zeigte ungehemmt, welchen Genuß es ihm machte, sie in dieser Situation zu sehen. Daß er damit Dordigs Worte Lügen strafte, fiel ihm nicht auf. Jos und Tschobe hatten es erkannt. Weder Mildan noch Dordig hatten auf ihr zweites System umgeschaltet. Mit anderen Worten: Sie waren in ihren Reaktionen nicht schneller als normale Menschen. Leider ließ sich aus dieser Erkenntnis kein Kapital schlagen, was aber Tschobe und Jos im Augenblick nicht störte, weil ihnen ihr Verstand sagte, daß sie gegen die sechs spezialprogrammierten Robs nichts ausrichten konnten. Über das grelleuchtende Augensystem der
Maschinenmenschen wurden sie nun von allen Seiten unter Kontrolle gehalten, während Mildan auf Befehl seines Partners zur Steueranlage der Schwebeplatte ging, um sie in Bewegung zu setzen. Interessiert schaute Shanton ihm zu. Er prägte sich jeden Handgriff der fremden Steuerkonstruktion ein, die leicht zu betätigen war, denn schon nach drei Schaltungen setzte sich die Platte in Bewegung und schwebte dem Boden des Hangars zu. Von zwei Robs flankiert und abgesichert, stand Dordig nur ein paar Schritt vor ihnen. Mit seinem eiskalten Blick maß er den Diplom-Ingenieur und dessen Schrottstück. „Lange werden Sie keine Freude mehr an Ihrem Robotspielzeug haben“, sagte er, und zum erstenmal hatte seine Stimme voller Haß geklungen. Shanton kraulte seinen Backenbart. „Er hat Ihnen und Mildan auf der Kommandobrücke aber sehr viel Freude gemacht, nicht wahr?“ und spielte auf jene Szene an, in der die beiden Cyborgs durch Jimmys fein dosierten Para-Beschuß nicht mehr Herr ihrer Sinne gewesen waren. Dordig kniff die Augen zusammen. Ehrlich antwortete er: „Daß es uns eine Freude war, kann ich nicht behaupten, aber daß Sie für den Verlust einiger Roboter zur Verantwortung gezogen werden, ist Ihnen hoffentlich klar.“ „Wer wird uns zur Verantwortung ziehen?“ warf Jos ein und spielte den ahnungslosen Neugierigen. Dordig maß ihn abwertend. „Machen Sie sich doch nicht lächerlich, Jos. Spielen Sie mir nicht den harmlosen Trottel vor.“ Er verstummte, bog den Kopf zur Seite und lauschte. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Verwunderung und dann Bestürzung ab. Zu gern hätten die drei Terraner erfahren, was dem verdrehten Cyborg in diesem Moment bekanntgegeben worden war. Dordig drehte den Kopf in Richtung seines Partners.
„Mildan“, rief er ihm zu, „wir müssen noch einmal zur Schleuse.“ Da begann Jos etwas zu ahnen. Ob die Roboter, die sich noch im Viertel der Station befanden, inzwischen die tiefgeschockten schwarzen Weißen entdeckt und ihre Entdeckung dann weitergegeben hatten? Tschobe und Shanton schienen nicht zu begreifen, was sich hinter dem Kurswechsel der Schwebeplatte verbarg. Ihr Blick pendelte fragend zwischen den beiden Verdrehten hin und her. Aber weder der eine noch der andere Cyborg machte eine Bemerkung. Als sie dicht vor der Schleuse stoppten, begriffen auch der Afrikaner und der Diplom-Ingenieur, warum sie zurückgekehrt waren. Roboter erwarteten sie, und diese Roboter hielten in ihren Armen die geschockten schwarzen Weißen! „Das wird man Ihnen nie verzeihen.“ „Wer?“ warf Tschobe seine Frage dazwischen. Dordig blickte ihn kalt an. „Sie kennen Sie doch, die schwarzen Weißen, oder die Bast, wie die nicht umgeschalteten Robonen auf Hideplace sie in ihrer Überheblichkeit nannten.“ Die Robs mit ihren menschlichen Lasten stampften auf die Schwebeplatte, die unter der zusätzlichen Belastung kein bißchen schwankte. Jos wurde aus Dordig nicht klug. Es gab bei diesem Mann Momente, in denen der Ausdruck seiner Augen auffallend stark wechselte. Er glaubte darin etwas Grüblerisches, etwas Nachdenkliches zu sehen, aber jedesmal, wenn dieser Eindruck verging, schickte ihnen Dordig eiskalte Blicke zu, unter denen man erschauern konnte. Er hob den Arm, um Tschobe die Hand auf die Schulter zu legen, als Dordig ihn anfuhr: „Wollen Sie jetzt schon zerstrahlt werden, Jos?“ Ein weiterer Kommentar war nicht erforderlich.
Drei Robs hatten ihre vier Abstrahlpole auf der Brustseite freigelegt und auf ihn gerichtet. Hübsche Spielsachen, dachte der GSO-Mann grimmig und machte seiner Galaktischen Sicherheits-Organisation und auch der Regierung Terras den stillen Vorwurf, für die Serienfertigung vom Kampfrobotern viel zu wenig in den letzten Jahren getan zu haben. Und wie wertvoll und Menschenleben schonend diese Konstruktionen waren, hatten sie am eigenen Leib erfahren müssen. Schnell ließ Jos den halb erhobenen Arm wieder sinken. Gleichzeitig gab er sein Vorhaben auf, Manu Tschobe über seine Beobachtungen bei Dordig zu informieren. Er mußte einen günstigeren Moment abwarten. Aber ihre Lage verschlechterte sich schlagartig. Aus der Tiefe des gewaltigen Raumschiff-Hangars kam eine kleine Schwebeplatte zu ihnen hochgerast. Schwarze Weiße kamen persönlich! Humanoide, deren Augen nicht so grell leuchteten wie bei ihren robotischen Gegenstücken. Aber Roboter befanden sich auch unter ihnen. Eindeutig wurde klar, daß sie den Auftrag hatten, ihre Erbauer zu schützen. Ein hochgewachsener, schlanker Fremder, dessen silbernglänzende Uniform mitten auf der Brust einen breiten schwarzen Ring trug, trat kurz nach dem stoßlosen Anlegen auf die große Schwebeplatte über, ging auf die drei Männer zu und blieb dicht vor ihnen stehen. Sein markantes Gesicht, die ausgeprägt hohe Stirn, der energische, etwas zu harte Mund und seine feingliedrigen, schlanken Hände prägten sich unvergeßlich bei den Terranern ein. Der Fremde fühlte sich sicher. Sein Blick schweifte nicht ab. Die am Boden liegenden Strahlwaffen interessierten ihn nicht, jedoch die Konstruktion, die Shanton unter dem Arm trug, und
danach galt seine Aufmerksamkeit dem dicken Mann in der erbeuteten Uniform dieser unbekannten humanoiden Rasse. Plötzlich öffnete er den Mund. Mit einer knappen Bewegung deutete er auf sich, und zum Erstaunen der Männer sprach er terranisch. „Ich heiße Merrnur und bin Sektorchef der Weißen Gruppe. Ich warne vor jeder unfreundlichen Aktion, denn sie würde dem Ausgang Ihres Lebens nur noch dramatischere Formen geben. Wer von euch hat meine Männer angegriffen?“ Manu Tschobe, der so schlecht seinem Gesprächspartner in die Augen sehen konnte, blickte Merrnur scharf an und hob leicht den Kopf, während Jos und Shanton noch überlegten, ob sie dem arrogant fragenden Fremden Rede und Antwort stehen sollten. „Merrnur, wer hat den Robotern den Befehl gegeben, uns in der Werft unter dem Ozean anzugreifen? Nicht Sie haben das Recht, Fragen zu stellen, sondern allein wir, die grundlos angegriffen wurden!“ „Gib’s ihm!“ flüsterte Shanton neben dem Afrikaner, dem es helle Freude bereitete, daß Tschobe diesem Sektorchef der Weißen Gruppe so energisch gegenübertrat. „So, Sie wurden grundlos angegriffen?“ Merrnur zeigte, daß er auch lachen konnte. „So lachen Klapperschlangen“, flüsterte Shanton, dem dieser Merrnur gar nicht gefiel. Und er hatte allen Grund dazu, denn Merrnur blickte ihn plötzlich scharf an und sagte mit schneidender Stimme: „Wir werden uns noch später über lachende Klapperschlangen unterhalten!“ „Mit Vergnügen!“ blieb Shanton ihm die Antwort nicht schuldig. „Das Vergnügen wird allein auf unserer Seite sein!“ widersprach ihm Merrnur, der danach wieder Tschobe ansah. Offensichtlich wunderte er sich, daß der Afrikaner sich in seinem negroiden Aussehen so stark von seinen beiden
Begleitern unterschied, die wie Maskierte mit ihren geschwärzten Gesichtern aussahen. „Sie wurden grundlos angegriffen?“ wiederholte der Sektorchef der Fremden noch einmal seine Frage, während seine Begleitung auf der anderen Schwebeplatte unbeweglich stand und die drei Männer gelangweilt musterte. „Wer hat denn den Angriff auf unsere Freunde Mildan und Dordig eröffnet? Wer hat auf einem fernen Planeten ihr Modell vernichtet?“ Alle drei horchten auf. Merrnur hatte von einem Modell gesprochen, und damit jene schattenhafte Ausfertigung gemeint, die im Höhlen-System herumgespukt hatte. Aber Manu Tschobe glaubte noch etwas anderes herausgehört zu haben. Seiner Ansicht nach hatte Merrnur den Begriff Modell so ausgesprochen, als ob durch die Vernichtung ein nicht gutzumachender Schaden entstanden sei. Dieser Verdacht führte den Afrikaner zu der Vermutung, daß die schwarzen Weißen nicht in der Lage waren, von Mildan und Dordig ein neues Modell herzustellen. Und das wiederum bedeutete dann, daß die Zweitausgabe der entarteten Cyborgs durch eine andere Technik entwickelt worden war. „Merrnur, jeder Hausherr hat in seinem Eigentum Befehlsgewalt, und wenn auf einem fernen Planeten die Modelle von Dordig und Mildan vernichtet wurden, dann haben wir Ihnen darüber keine Rechenschaft abzugeben.“ „Wie Sie meinen.“ Merrnur setzte sich in Bewegung, betrat die Schleuse, achtete nicht darauf, daß ihm zwei Robs folgten, und ging das Deck entlang. Alle hatten zu warten bis der Sektorchef zurückkam. Sein schwarzes Gesicht war erstarrt. Steif war sein Schritt. Wortlos betrat er seine Schwebeplatte, flüsterte mit seinen Begleitern, die im Gegensatz zu ihm nur einen Halbring auf der Brust trugen, und gab dann das Zeichen, abzulegen. Kaum hatte sich die Schwebeplatte in Fahrt gesetzt, als auch
Mildan die größere in Bewegung setzte und die Fahrt nach unten erneut aufnahm. Manu Tschobe benutzte die Gelegenheit, Shanton und Jos seine Vermutung mitzuteilen. Er erklärte ihnen in wenigen Sätzen, daß Dordig seiner Ansicht nach zeitweilig vollkommen normal sei und in diesen Phasen mit sich kämpfe, ob er sich nicht auf ihre Seite stellen solle. Der Dicke traute Tschobes optimistischer Vermutung nicht recht, Jos war anderer Meinung. Als Beobachter war der Afrikaner ein Experte, dazu kam, daß er zugleich auch Mediziner war. Dordig, der ihr flüsterndes Gespräch heftig unterbrach, warnte sie zum letzten Mal. Seine Ankündigung, daß Merrnur brutal mit ihnen verfahren würde, klang nicht wie eine haltlose Drohung. Heimlich blickte Shanton zu den Strahlwaffen, die immer noch vor ihnen auf dem Boden lagen, aber als er dann die stur blickenden Roboter betrachtete, die sie aus ihren grelleuchtenden Augen beobachteten, verging ihm jede Lust zu einem Überraschungsangriff. Die Platte setzte stoßfrei auf. Mildan schaltete ab, und wiederum merkte sich der Dicke jeden Handgriff des Cyborgs. Die Ahnung ließ ihn einfach nicht los, daß sie über kurz oder lang eine Schwebeplatte benutzen würden. Im stillen schalt er sich einen Narren. Aus einem Raumschiff zu fliehen, war ein aussichtsloses Unternehmen, wenn sie nicht im freien Raum elendig ersticken wollten. Von Merrnur und seiner Begleitung war nichts mehr zu sehen. Roboter trieben die drei Männer vorwärts. Mit jedem Schritt entfernten sie sich weiter von ihren Strahlwaffen. Mit jedem Schritt schrumpfte ihre Chance zusammen, noch einmal das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen. Ich schmeiß’ den Schrott weg! sagte sich Shanton, als sie vor
einem Hangartor warteten, und er wollte Jimmy schon zur Seite schleudern, als ihm plötzlich der arme Kerl leid tat. Einzeln und in großem Abstand durchschritten sie das Tor. Vor ihnen lag ein breite Deck, und vor ihnen standen noch weitere acht Roboter. Im nächsten Moment wurden sie getrennt. Je drei Roboter führten die Männer in dieselbe Richtung, dann benutzten sie einen A-Gravschacht, der sie weit hinaufbrachte, ein neues Deck kam, und dann standen sie in einem Raum, der bis auf ein Gerät in der Mitte leer war. Das Gerät sah unheimlich aus. Über zehn Meter hoch, mehr als zwanzig Meter breit, hatte die glatte schmutzigbraune Front acht mannshohe, dunkle Öffnungen zu ebener Erde. Diese Öffnungen starrten die drei Männer an. Schweigend. Sie wagten nicht mehr zu sprechen, seitdem sie ausschließlich von Robotern eskortiert wurden. Aber jeder dachte das gleiche. In eins dieser Löcher mußten sie hineingehen. Und was würde dann mit ihnen geschehen? Sie hatten nicht vergessen, daß Dordig ihnen ein unheimliches Ende angekündigt hatte. Tschobe blickte nach links, dort standen Chris Shanton und Jos Aachten van Haag. Leider verstanden sie nicht, was er ihnen mit den Augen sagen wollte. Er hatte eine winzige Hoffnung, vielleicht doch noch etwas zu erreichen, aber er hatte auch Angst, daß sich seine Hoffnung sofort zerschlug. Abschalten, befahl er sich und schloß die Augen. Hoffentlich trat das ein, was erforderlich war, um seinen verzweifelten Versuch starten zu lassen. Er benötigte dazu schwarze Weiße, keine Roboter, die diesen Fremden bis auf die Augen so sehr glichen. Shanton und Jos hatten mit dem Leben abgeschlossen. Sie wußten, daß sie ihr Lebensende erreicht hatten. Wahrscheinlich
wurde ihnen in dieser Maschine ihr gesamtes Wissen ohne Rücksicht auf Hirnschädigungen entrissen, denn sie trauten den schwarzen Weißen nicht zu, daß ausgerechnet diese Rasse mit Idioten Mitleid haben sollte. Sie hielten sich mit den bewachenden Robotern erst ein paar Minuten in dem großen Raum auf, und doch kam es ihnen vor, als seien unterdessen Stunden vergangen. Da öffnete sich hinter ihnen die Tür. Vier schwarze Weiße gingen an ihnen vorbei auf die linke Seite des Aggregates zu, die sie nicht sehen konnten. Kaum waren sie auf Manu Tschobes Höhe, als der Afrikaner eingriff! Konzentration! Höchste Konzentration! Er mußte seine schwachen hypnotischen Kräfte freimachen! Er, der einmal auf Robon versucht hatte, den Cal der Giants mittels seines Para-Könnens zu überwältigen, und bei diesem Versuch der Unterlegene geblieben war. Hypnose! Würden die schwarzen Weißen, deren organischer Aufbau ihm fremd war, auf seine mentalen Kräfte ansprechen? Er sah die schwarzen Weißen zur linken Seite des Aggregates gehen, und dann konnte er von den vieren nur noch drei Rücken sehen. Tschobe nahm es bewußt nicht mehr wahr. Er hatte abgeschaltet, er war nur noch Konzentration! Es mußte ihm gelingen! Seine Knie begannen zu zittern. Feine Schweißperlen tauchten auf seiner Stirn auf. Die Zeit verrann. Vier schwarze Weiße trafen letzte Vorbereitungen. Einer hatte sich einmal um drei Schritt rückwärts bewegt und zu ihnen hinübergesehen. Tschobe hatte es bewußt nicht erfaßt! Konzentrieren! Konzentrieren! Die letzten Reserven der hypnotischen Macht entfesseln! Jetzt ist es soweit! dachten Shanton und Jos, als die vier
schwarzen Weißen um die Ecke des Aggregates bogen und wieder auf sie zukamen. Drei gingen auf sie zu. Der vierte blieb seitwärts stehen. Drei schwarze Weiße richteten Befehle in ihrer Sprache an die Robs. Neun Robs setzten sich in Bewegung und gingen an der rechten Seite des Aggregates weiter. Drei Terraner wurden von je einem schwarzen Weißen am Arm berührt. Jos und Shanton fragte sich verzweifelt, was diese allem Anschein nach freundliche Geste zu bedeuten hatte. Tschobe empfand nichts, er stellte sich auch keine Fragen. Vier schwarze Weiße führten drei Terraner aus dem Raum hinaus. Über das Deck. Der A-Gravschacht brachte sie nach unten. Viel tiefer, als sie ihn auf dem Weg aus dem Hangar erreicht hatten. Vorbei an vielen Decks. Vorbei an vielen Robs und anderen schwarzen Weißen. Nach wie vor waren Shanton, Jos und Tschobe voneinander getrennt. Die beiden ersten ahnten nicht, daß diese Trennung ein Bestandteil des hypnotischen Befehls war, dem die schwarzen Weißen gehorchten. Fremde, die ihnen entgegenkamen, sahen sie neugierig, zum Teil feindselig an. Einmal richtete ein schwarzer Weißer, der einen dünnen Doppelring als Rangzeichen auf der Brust trug, eine Frage an den ersten, der Jos’ Arm festhielt. Ohne stehenzubleiben, gab der Gefragte Antwort. Kopfschüttelnd ließ der Fremde mit dem Doppelring Shanton und Tschobe an sich vorbeigehen. Das hatte der Afrikaner bemerkt! Alarm! Er wuchs mit seinem Para-Können über sich hinaus! Dieser andere mit dem Doppelring mußte auch unter seine
hypnotische Gewalt kommen, oder ihre Flucht würfe im letzten Stadium verhindert. Vergiß, daß du uns gesehen hast! Vergiß, daß du gerade eine Frage gestellt hast! Ununterbrochen strahlte er auf seinem Para-Sektor diese beiden Befehle ab. Ob sie Wirkung zeigten, konnte er nicht sagen. Wie er ebensowenig verhindern konnte, daß ihnen der Cyborg Dordig begegnete! Der war stehengeblieben. Der hatte die Hände in die Hüften gestemmt und starrte die kleine Gruppe wie ein Weltwunder an. Auch Tschobe hatte ihn erkannt, Tschobe, der in dieser Sekunde bereit war, zuzugeben, daß sein Plan fehlgeschlagen war. Dordig auch zu hypnotisieren, überstieg sein Können und seine mentalen Kräfte. „Ja“, hörte er Dordig sagen, und für Tschobe hatte ein Ja noch niemals so sinnlos geklungen wie dieses Ja. Jos drehte sich um und wurde damit langsamer. Der schwarze Weiße, der ihn führte, war damit nicht einverstanden. Unwillkürlich verstärkte er den Druck seiner Finger um Jos’ Arm. Der GSO-Mann hatte genug gesehen. Dordig schien in diesem Moment völlig normal zu sein. Er lief ihnen voraus. Er schien zu wissen, wohin die drei Männer geführt wurden. Schneller! Schneller! hämmerte Tschobe den schwarzen Weißen ein. Ununterbrochen, obwohl er erschreckt feststellte, daß gerade diese undefinierbaren Kräfte sich immer schneller verbrauchten. Im Raumschiff wurde es laut. Gewaltige Maschinensätze liefen mit Vollast und ihr Donnern und Tosen durchbrach die Schallisolierung. Der Boden unter ihren Füßen begann zu beben. Alles deutete darauf hin, daß der Raumer der schwarzen Weißen dem freien All zujagte und den Planeten, unter dessen
Ozean es die Werft der Mysterious’ gab, verließ. Dordig verschwand durch ein Tor, das hinter ihm offenblieb. Als auch Jos und Shanton hindurch mußten, glaubte der Afrikaner, daß sein verzweifeltes Unternehmen gelungen war. Irgendeine Ahnung zwang ihn, hinter sich zu sehen. Der Schreck, der ihn erfaßte, kam nicht zum Tragen. Roboter verfolgten sie. Roboter, die noch zu weit entfernt waren, um ihre eingebauten Strahlwaffen einsetzen zu können. Robs, die schwebend heranrasten. Da wurde auch Manu Tschobe von seinem führenden schwarzen Weißen durch das Tor geschoben. Der vierte aus dieser Gruppe schloß es. Wir haben eine Galgenfrist! stellte Tschobe fest, der noch nicht begriffen hatte, daß die in diesem kleinen Hangar lagernden leicht abgeplatteten Kugeln Beiboote des fremden Schiffes waren. Jos war schon in die Kugel, die am nächsten lag, hineingeführt worden. Jetzt hatte Chris Shanton sie zu betreten, und nun stand auch Tschobe vor der kurzen steilen Rampe, die keine Stufen aufwies, erhielt einen Stoß und mußte hineingehen. Da hörte er hinter sich schnelle Schritte und Keuchen. Dordig kam zurück, sein Gesicht war leicht verzerrt, als ob der entartete Cyborg Todesangst hätte. „Schnell! Schnell!“ stieß er aus, drückte den Afrikaner, der kaum die Kugel betreten hatte, zur Seite, griff blindlings nach rechts, was darauf schließen ließ, daß er die Beiboote kannte, und im gleichen Moment schnappte der Einlaß unter metallischem Krachen zu. Wir haben es fast geschafft, dachte Tschobe, der sich keine Gedanken darüber machte, daß die vier schwarzen Weißen draußen stehenblieben. Sie hatten nur seinem hypnotischen Befehl Folge geleistet. Aber wie kommen wir aus diesem Hangar mit dem Beiboot in den freien Raum?
Er hörte Flüche, Jos’ Stimme, und jetzt den wütend gewordenen Diplom-Ingenieur, „Es geht um Sekunden!“ tobte der Cyborg. „Das Schiff – das Schiff...“ Da stand der Afrikaner hinter dem Mann, dem Jos und Shanton verwehrten im Pilotensitz Platz zu nehmen. „Laßt ihn!“ fauchte er, dem die Angst des Cyborgs wohl unheimlich, aber menschlich normal vorkam. Das gewisse Etwas, das sowohl Mildan wie Dordig gezeigt hatten, besaß er nicht mehr. Ihm war auch unbegreiflich, warum Dordig nicht auf sein zweites System schaltete. Kaum hatte er das gedacht, als Jos Aachten van Haag zur Seite geschleudert wurde. Chris Shanton mußte von Dordig einen trockenen Haken einstecken, der ihn wie einen Baum fällte. Unwahrscheinlich schnell reagierte der Cyborg. Er saß schon im Pilotensitz, bevor Tschobe begriff, was unter seinen Augen geschehen war. In der vier Meter durchmessenden Kugel heulte ein Triebwerk auf. In Meterhöhe entstand ein Streifen, der stabil wurde. Ein Bildschirm der Fremden! Und über diesen Bildschirm konnte Tschobe einen Blick in den Hangar werfen, in dem dieses Beiboot lag. Robs hatten das Tor dazu aufgebrannt! Robs jagten durch die Öffnung, deren Metallränder hell glühten. Auf ihre Herren! Bevor Manu Tschobe auch nur einen Ton über die Lippen bringen konnte, waren vier schwarze Weiße von ihren eigenen Robotern vernichtet worden. Doch in diesem Moment standen drei blaßblaue Strahlen im Hangarraum! Dordig schoß mit den Waffen ihres Beibootes zurück! Gleich reihenweise wurden Metallkonstruktionen in Energie umgewandelt, „Dordig, kommen wir hier überhaupt heraus?“ fragte
Tschobe, der entsetzt feststellte, daß ununterbrochen neue Robs versuchten, in den Hangar einzudringen. „Wir müssen, sonst...“ Dordig riß drei Hebel bis zum Anschlag durch. Kontrollen unbekannter Funktionsaufgaben. Das Beiboot zitterte. Jos in der Ecke stöhnte. Chris Shanton rührte sich nicht. Still lag sein Schrott-Jimmy neben ihm. Die Wiedergabe des langgestreckten Bildschirms veränderte sich. Dordig hatte umgeschaltet. Unter ihnen wölbte sich die Planetenkugel. „Start!“ keuchte Dordig, der offensichtlich von Todesangst gequält wurde. Tschobe hielt den Atem an. War dieser Cyborg, der inzwischen wieder auf normal zurückgeschaltet hatte, übergeschnappt? Warum war er nicht auf seinem zweiten System geblieben und hatte das Wissen aus seinem Zusatzgehirn entnommen, das keine Emotionen kannte? Schrilles Pfeifen drohte die Trommelfelle des Afrikaners zu zerreißen. Unwillkürlich preßte er seine Hände gegen die Ohren. Das Beiboot schwankte. Er wartete auf das zerschmetternde Krachen gegen die Innenwand ihres Hangars. Der Bildschirm flackerte als ob eine Störung vorgelegen hätte. „Durch“, keuchte Dordig, der schon wieder schaltete. Das fremde Raumschiff war zu sehen. Beide Einheiten entfernten sich voneinander. Das Beiboot raste dem Planeten zu, das Schiff der weißen Schwarzen jagte dem freien Raum entgegen. „Großer Himmel, geschafft!“ Die runde, dunkle Öffnung in der Zelle des großen Schiffes, durch die ihr Beiboot den Hangar verlassen hatte, stieß eine grelle Stichflamme aus, die ihnen zu folgen schien. Tschobe begriff nicht, was er sah. Die dunkle Öffnung zerfetzte. Rundherum brach die
Raumschiffzelle auf. Gigantische Trümmer wirbelten nach allen Seiten, aber dazwischen tobten ungesteuerte Energiebahnen, die übersättigt waren. Plötzlich verstand Manu Tschobe die unheimliche Angst des Cyborgs. Hart packte er ihn an der Schulter. „Dordig, was haben Sie getan?“ brüllte er ihn durch das schrille Pfeifen an, während ihr Beiboot der langsam größer werdenden Planetenkugel zujagte. „Haben Sie – haben Sie...?“ Im Raumschiff der schwarzen Weißen mußte ein Inferno wüten. Aus der Schiffszelle brach ein ungewöhnlich großes Stück heraus, das sich schnell entfernte. Die Innenseite glühte. Das Schiff war eine einzige Energiehölle. Es riß auseinander! Wie ein Ei, das durch den inneren Überdruck explodiert. Eine neue Sonne beleuchtete auf viele tausend Kilometer den dunklen Raum. Das Schiff der schwarzen Weißen gab es nicht mehr! Ein kleines Beiboot mit vier Menschen an Bord stieß in die äußeren Luftschichten des Planeten, von dem Tschobe, Shanton und Jos immer noch nicht wußten, in welchem Sektor der Milchstraße er zu finden war. „Ja“, sagte Dordig, „ich habe das Schiff vernichtet. Bewußt!“ Das Mißtrauen flammte in Tschobe auf, mißtrauisch sah auch Jos ihn an, der sich inzwischen von dem unerwarteten Angriff und seinen Auswirkungen erholt hatte. Ein Mann allein sollte das gewaltige Raumschiff der schwarzen Weißen vernichtet haben? Dordig verstand das Mißtrauen. Hastig erklärte er: „Wenn es auch unglaubwürdig klingt, ich habe das Raumschiff vernichtet, indem ich in der hinter dem kleinen Hangar liegenden Schaltstelle alle Konverter-Robs umprogrammierte und ihnen den Befehl gab, die Energie-Erzeuger hochgehen zu lassen. Um die zentrale Hauptkontrolle zu umgehen, mußte ich
sie vor diesem entscheidenden Eingriff mit derartig raffiniert falschen Kommandos versehen.“ „Hören Sie endlich mit Ihrer Lügengeschichte auf“, fuhr ihn Tschobe an, der diesem Mann kein Wort glaubte. Resigniert zuckte Dordig mit den Schultern. „Ich verstehe, daß Sie mir nicht glauben können, weil meine Behauptungen utopisch klingen, aber die Tatsache bleibt dennoch bestehen, daß das Schiff der schwarzen Weißen nicht mehr existiert.“ Shanton kam langsam zu sich. Stöhnend rieb er sich sein Kinn. Tschobe und Jos wurden dadurch abgelenkt. Als sie wieder Dordig anblickten, schauten sie erneut in das Gesicht des entarteten Cyborgs, in dem das gewisse, undefinierbare Etwas lag. Und in seinen Händen hielt er Strahlwaffen. Mit hämischem Unterton in der Stimme sagte er: „Wir werden gemeinsam eine kleine Reise unternehmen. Schade, daß Mildan nicht hier ist.“ Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag bewegten sich nicht. Dordig war in dieser Verfassung zum Mord bereit. Der Mann, der ihnen in seinem unerklärlichen Verhalten so rätselhaft gewesen war, bewies jetzt, daß sein entarteter Zustand das Maximum erreicht hatte. „Wir werden zusammen eine wunderschöne, kleine Reise unternehmen“, wiederholte er und drückte ab. Gelassen wandte sich Dordig wieder seinen Instrumenten zu, nahm das Beiboot auf neuen Kurs und stieß es fast senkrecht auf den Planeten hinunter, von dem nur noch ein Teil der Oberfläche auf dem Bildschirm zu erkennen war. Daß er das Raumschiff der schwarzen Weißen vernichtet hatte, damit die Besatzung ihr Wissen über die Position des Sol-Systems nicht mit zum Heimatplaneten bringen konnten und ebenso nicht mehr in der Lage waren, von einer Raumschiffwerft der Mysterious zu erzählen, das alles wußte der entartete Cyborg Dordig jetzt nicht mehr. Sein ganzes Sein war von dem Wollen erfüllt, mit seinen
drei Begleitern eine wunderschöne, kleine Reise zu machen. Und er kannte viele Reisewege – sehr viele! * Bert Stranger dachte nicht daran, Alamo Gordo zu verlassen. Der Fall mit den Mikrosendern interessierte ihn so stark wie die GSO. Eylers hatte ihm widerwillig die Unterstützung der Galaktischen Sicherheits-Organisation bei seinen Nachforschungen zugesagt, falls der Reporter mit dem Babyblick Hilfe benötigen sollte. Die Band in der Stardust Bar hämmerte, das dürre Mädchen im Licht von fünf bunten Scheinwerferkegeln krächzte einen heißen Song mit blecherner Stimme. Die Besucher hatten jenen starren Blick in ihren Augen, der die Ekstase ankündigt. Kein Bein stand ruhig, kein Knie. Hände klatschten im aufpeitschenden Rhythmus der Band auf Tischplatten, Schultern und Arme. Die Klima-Anlage war abgeschaltet. Blaue Rauchwolken schwebten durch die Bar. Verdammter Blödsinn, den ich mir anhören muß! Nicht ein gescheites Wort kriegt das Girl heraus, dachte Stranger und ertappte sich dabei, daß auch er wie alle anderen, vom peitschenden Rhythmus erfaßt, auf seinen Tisch schlug. Hastig steckte er seine Hände in die Hosentaschen. Um in der Stardust Bar Kunst zu genießen, hatte er den Schuppen nicht aufgesucht. Hier hatte Sam Jukos, von Beruf Mikrotechniker und dreimal vorbestraft, sein Hauptquartier gehabt, und hier hoffte Stranger eine Spur zu finden, die ihn zu jener Stelle führte, wo man mittels einer raffinierten Filteranlage das eingehende Tohuwabohu der vielen kleinen versteckten Sender zu klarem Empfang destillierte. Ich muß diesen Rummel mitmachen, stellte er fest, als er schon zum zweitenmal Blicke bemerkte, die ihn abfällig streiften.
In diesem Moment erloschen die Scheinwerfer, und das dürre Mädchen auf der Bühne war nicht mehr zu sehen. Gleichzeitig legte die Band richtig los. Acht, neun Takte aufpeitschender Rhythmen, und da passierte dem Mann mit der grünen Trompete ein Malheur. Er verpatzte sein Solo um anderthalb Oktaven. Schaurig klang es, aber für Bert Stranger gar nicht schaurig genug. Drei Gäste waren ihm bei diesem Pech zu schnell aufgestanden, als ob jeder eine Ohrfeige bekommen hätte. Drei seriös gekleidete Herren, die sich aber unseriös schnell dem Ausgang zu bewegten. Bert Stranger gähnte und legte als gut erzogener Mann die Hand vor den Mund. Kaum verdeckte sie ihn, als seine Lippen flüsterten: „Drei Mann in erstklassigen Anzügen verlassen den Schuppen. Nicht aus den Augen verlieren. Ich komme nach!“ Er ließ die Hand sinken, griff nach seinem Glas und trank es aus. Die Roboteranlage fuhr ihm ein neugefülltes Glas heran. Eigentlich hätte Terra dafür Lizenzgebühren an die Mysterious zahlen müssen. Bert Stranger ließ sich Zeit. So schnell durfte er nicht aufbrechen, sonst blies der Trompeter noch einmal falsch und vertrieb noch andere Männer, die mit diesen Minisendern Geschäfte machen wollten. Und mehr als drei Hilfskräfte von der Terra-Press hatte Stranger nicht draußen stehen gehabt. Nein, er ging nicht hinaus, als er sich erhob. Natürlich sah ihn der Mann mit der grünen Trompete. Er sah den Reporter in der Toilette verschwinden. Stranger hatte es eilig, sie zu erreichen. Er schloß sich ein, nahm die rechte Hand hoch und sagte flüsternd: „Hier Stranger, ich muß das Archiv haben, aber schnell.“ Er erhielt die gewünschte Verbindung. Hastig beschrieb Stranger den Mann mit der grünen Trompete. Erstaunlich gut
hatte er ihn betrachtet, und seine Angaben zwangen dem anderen im Archiv Staunen ab, der alle Daten an den Suprasensor sofort weitergab. Dann hatte Stranger zu warten und Zeit sich zu fragen, ob seine drei Mitarbeiter die Spur der Männer nicht verloren harten, die auf das akustische Zeichen des Mannes mit der grünen Trompete die Stardust Bar etwas zu eilig verlassen hatten. Der Trompeter der Band hatte ihn erkannt, kein Wunder, denn durch einige Reportagen war er auf Terra bekannt wie ein bunter Hund. Und von dieser Tatsache ausgehend, hatte er die Bar in der Hoffnung betreten, durch sein Erscheinen einige von Jukos’ Freunden nervös zu machen. Stranger horchte auf. Jemand hatte den Vorraum der Toilette betreten. Kurz darauf klangen die Geräusche normal. Er peßte sein Ohr gegen die Innenseite des Armgelenks und hörte die Meldung aus dem Archiv: „Der Mann mit der grünen Trompete ist mit 89,3 Prozent Wahrscheinlichkeit Sneff Bud, der einmal im Verdacht stand, Mitglied der Coco Gang zu sein.“ Das feine Zischen, das unter der Türritze hereinkam, hörte Bert Stranger leider zu spät. Plötzlich wurde sein Blick starr, sein Arm fiel herunter und langsam rutschte er zu Boden. Der leichte Jasminduft in seinem Etablissement verflüchtigte sich rasch. Als der Mann im Archiv der Terra-Press endlich Alarm gab, weil Stranger sich auch nach dem zehnten Anruf nicht mehr meldete, obwohl sein Gerät eingeschaltet war, hatte der Täter einen Vorsprung von acht Minuten. Knapp eine halbe Stunde später befand sich Bert Stranger im Hauptkrankenhaus von Alamo Gordo. Erhebungen der GSO ergaben, daß der Mann mit der grünen Trompete seine Band in der fraglichen Zeit nicht verlassen hatte und demnach für das Giftattentat auf den weltbekannten Reporter nicht in Frage kam.
In der Zentrale der Galaktischen Sicherheits-Organisation nahm man die Berichte nicht ernst, in denen zu lesen war, daß man einen Rechercheur der Terra-Press sinnlos betrunken am Raumhafen aufgegriffen habe, einen anderen zusammengeschlagen ins C-Hospital geschaffen und einen dritten, der als vermißt gemeldet worden sei, noch suche. Aber der Suprasensor, der mit allen Berichten gefüttert wurde, erkannte die Zusammenhänge. Als er das Resultat seiner logistischen Endausrechnung ausstieß und gleichzeitig drei Zusatzkreise aktivierte, wurden in der GSO einige Männer hellhörig. Zwischen dem Attentat auf Bert Stranger und den drei Rechercheuren der Terra-Press bestand ein Zusammenhang, der aber nun zum Fall der aufgespürten Minisender gehöre. Bernd Eylers wurde informiert. Der horchte auf. „Stranger? Gasvergiftet im Krankenhaus? Erst in drei Stunden vernehmungsfähig? Was mag dieser Reporter herausgefunden haben? Was hat ihn an der Stardust Bar so stark interessiert, der wir allem Anschein nach zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben? Okay, ich werde den Reporter aufsuchen, sobald die Ärzte mich zu ihm lassen. In der Zwischenzeit möchte ich einige Fortschritte in dieser MinisenderAngelegenheit haben.“ Als er wieder allein in seinem Arbeitszimmer saß, machte er sich Gedanken über Bert Stranger, und ungewollt bewunderte er den Mann mit der unglücklichen Figur, der eine unwahrscheinliche Spürnase hatte. * Die Männer der POINT OF, die den Ringraumer hatten verlassen dürfen, bewunderten noch die große Ringantenne der Transmitteranlage, über die mehr als hundert Mann von Zwitt aus diesen Sauerstoffplaneten erreicht hatten, als Ren Dhark
den Wissenschaftlern weiter erklärte: „Auch die beiden anderen Planeten, die wir die Tänzer genannt haben, sind durch Transmitter untereinander verbunden. Hier, neben dem Transmitterraum, kaum dreißig Meter unter der Oberfläche, befindet sich etwas, das ich Ihnen ohne jede Vorankündigung zeigen möchte. Bitte, mir zu folgen.“ Selbst Dan Riker hatte diesen Raum noch nicht gesehen, und auch Roder und Doorn folgten dem Commander, der die graue, mehr als vierzehn Meter durchmessende Antenne umging, den Instrumenten an der Wand keinen Blick mehr schenkte und sich einer blauen Unitallfläche näherte, die aus einem Guß zu bestehen schien. Zwei Schritt vor dem Ziel sprang sie auf. Staunend und schweigend waren sie stehengeblieben. Fassungslos starrten sie eine grobmaschige Gitterkonstruktion an, die wenige Schritte hinter dem Eingang von der Decke bis zum Boden reichte, in beiden Wänden verankert war, aber dennoch nicht jene Dimensionen innerhalb der einzelnen Vierecke aufwies, daß ein Mann hindurchschlüpfen konnte. Im blauen Licht schimmerte diese Anlage silbern. Nur die Kugeln im Bereich der Überschneidungsstrecken, einmal winzig klein im Durchmesser, dann wieder über einen Meter groß, sahen stumpf grau aus. Ein System in der Anordnung war darin nicht zu finden. Niemand fragte: Was ist das? Niemand sah den Commander an, auch nicht die Männer aus der Gruppe Roder. Sie blickten durch das grobmaschige Gitter und sahen im Hintergrund eine Schaltanlage, die bis zur Höhe von zwei Metern die gesamte Wand beanspruchte. Eine Schaltanlage, an die niemand durch das Gitter herankommen konnte. Dhark beobachtete die Männer, die Experten, seinen Freund Riker und zuletzt den Sibirier. Dann durchbrach Dhark die Stille.
„Wir müssen uns mit den Maßstäben, die von den Mysterious gesetzt wurden, vertraut machen. Planet 1 des Zwitt Systems, also der innere der drei Sauerstoffwelten, ist ein Materie-Sender. Er ist auch mit seiner Oberfläche eine Hyperfunk-Antenne. Er ist bis zu einer Tiefe von rund drei Kilometern eine Transformer-Station, die in der Lage ist, alle Energien, die ihm über die Sonnenkorona von den acht Sternen der Brücke zugestrahlt werden, für seine Zwecke umzuwandeln. Meine Informationen, die ich durch eine Mentcap bezogen habe, behaupten, daß sich auf Planet 1 keine Abwehranlage befindet, denn Zwitt und die Sonnenkorona mit den Flächenprojektor-Stationen reichen aus, um die gesamte Sternenbrücke, falls erforderlich, in einem energetischen Feuerschlag zu vernichten. Um aber nicht nur auf dieser Basis geschützt zu sein, wurde Planet 3, der sich hinter dem Mondsammler befindet, zu einer Hypno-Station eingerichtet. Planet 3 war aber nicht nur die Ursache, daß wir plötzlich drei tanzende Planeten sahen, sondern auch die Macht, die mich hypnotisch zwang, in Zwitt zum Checkmaster der Station zu werden und mittels des Hy-Kon die Flottenverbände der schwarzen Weißen in das Hyper-Kontinuum zu schleudern.“ Er sah, wie sich der Sibirier duckte, als habe ihn ein kräftiger Faustschlag getroffen. Dan Riker machte unwillkürlich einen Schritt auf ihn zu und stoppte dann ab. Roder und seine Männer blickten zu Boden. Alle hatten in diesem Augenblick erkannt, daß ihr Mißtrauen gegenüber ihrem Commander nicht berechtigt gewesen war, und sie hatten gleichzeitig begriffen, daß sie ihm kein Wort geglaubt hätten, wenn er diese Erklärungen im Zentrum des Planeten Zwitt abgegeben hätte. Erst vor dieser Kulisse, erst nach den von Dhark erbrachten Beweisen, daß er die Transmitter-Wege im Bereich des Systems Zwitt beherrschte, hatten seine Worte überzeugend geklungen. Dennoch war jeder trotz der Schuldgefühle erleichtert, denn
ihr Commander war nun in ihren Augen kein Vernichter! Er war das Werkzeug einer Para-Macht gewesen und hatte nach ihren Befehlen handeln müssen. Arc Doorn warf den Kopf in den Nacken. Dhark hatte ihn angesprochen: „Folgen Sie mir!“ Doorn kam sich wie ein Lump vor, weil er an Ren Dhark gezweifelt hatte. Unbeschreiblich jedoch war Dan Rikers Verfassung. Die Vorwürfe, die er seinem Freund entgegengeschleudert hatte, kamen jetzt wie tonnenschwere Lasten auf ihn herunter. Und Dhark beachtete ihn mit keinem Blick. Zusammen mit Doorn ging er auf die grobmaschige Gitterkonstruktion zu, die den Weg zu der Schaltwand im Hintergrund sperrte. Was will er hier? fragte sich der Sibirier, als Dhark nicht langsamer wurde, obwohl er beim nächsten Schritt gegen das Gitter prallen mußte. Mehr als zweihundert Menschen sahen den beiden nach. Sie sahen, wie sie durch das Gitter gingen, und daß das Gitter hinter ihnen unverändert aussah, als hätte es nie zwei Menschen den Weg freigegeben. Doorn holte auf. Schulter an Schulter ging er mit dem Commander auf ihr Ziel zu. „Sehen Sie sich alles genau an“, sagte ihm Dhark, fast so wortkarg, wie der Sibirier sich oft gab. Der warf ihm heimlich einen Blick zu, in dem aber Bewunderung lag, wenngleich er wußte, daß Dharks Kenntnisse nur aus den Mentcaps herrührten. Aus eigener Erfahrung wußte er, daß Wissen allein nicht genügte. Es mußte auch verarbeitet werden. Wann aber hatte der Commander Zeit gehabt, sich damit zu befassen? Schon lag die Gitterkonstruktion achtzig Meter hinter ihnen und noch immer hatten sie ihr Ziel nicht erreicht. „Der gesamte Planet 1 ist eine einzige unterirdische Anlage.
Diese Stelle ist ihr Herz.“ Und dann, kurz vor dem Ziel, sagte Dhark mit rätselhaften Worten: „Von hier aus führt der Weg nach Erron-3!“ Doorn riß den Kopf herum, weil er nicht wußte, was Erron-3 war. „Ich weiß es auch nicht. Ich weiß nur das eine, daß wir nur über Erron-3 auf unserer Suche nach den Mysterious weiterkommen!“ Dann standen sie vor der Schaltwand, dem Schaltpult, und Doorn sah sich alles genau an. Er hatte sein gesamtes Können auszuspielen, sich mit einer unbekannten Technik vertraut zu machen. Ihm kam das Wissen, das er aus den Mentcaps bezogen hatte, zur Hilfe, aber es reichte bei weitem nicht aus, ihn verstehen zu lassen, was hier Mysterious gebaut hatten, bevor sie es vor rund tausend Jahren im Stich gelassen hatten. Doorn vertiefte sich in seine Aufgabe. Er vergaß, wo er war. Er vergaß, daß der Commander ihm auf Schritt und Tritt folgte. Er vergaß, daß ihnen mehr als zweihundert Menschen auf der anderen Seite der Gitterkonstruktion zusahen. Große Milchstraße, dachte er einmal, als er zu begreifen begann, was diese Anlage darstellte, aber zugleich war er sich auch bewußt, sie in ihrer Gesamt-Funktion noch nicht vollständig erkannt zu haben. Sie war in der Lage, aus der Planetenoberfläche eine Antenne zu machen und diese Antennenwirkung nur innerhalb eines engbegrenzten Bereiches wirksam werden zu lassen. Das bedeutete, die gesamte Emissionsstärke von aber Millionen Quadratkilometern Antennenfläche an einem Punkt auszulösen. Und das ergab einen unvorstellbaren Richtstrahleffekt, der die Wirkung des Tofirits weit in den Schatten stellte. Überrascht trat Doorn einen Schritt zurück. In seinen Augen stand Angst. Er hatte etwas begriffen. Er stand vor der Justierung eines Materiesenders, der planetarisches Format hatte!
Ren Dhark sah die Verwirrung des anderen und dessen Angst. Gerade das letztere beruhigte ihn. Aufleuchtender Triumph in Doorns Augen hätte ihn bestürzt. Doorn wäre dann ein Spielball der Machtgelüste gewesen, die durch seine Erkenntnisse in ihm entfesselt worden wären. Aber das Gegenteil war der Fall. Die ungewollte Ehrfurcht vor dem technischen Können der Mysterious weckte in ihm die Angst, diese Macht zu mißbrauchen. Doorn zwang sich zu weiterem Studium. Er erkannte den Weg der einzelnen Phasen-Inoden, der komplizierten Verschachtelung der Ubenflektoren. Doch dann kam er nicht mehr weiter, und fragend blickte er Ren Dhark an. Dieser erklärte. „Ich kann Sie verstehen, denn an diesem Punkt verlassen wir das uns vertraute physikalische Weltbild. Der Durchbruch nach Erron-3 reißt nicht nur unser Raum-Zeitgefüge auf, sondern der Riß bleibt stabil, solange der Marteriesender arbeitet. Nach meinen Informationen muß diese Anlage besetzt bleiben, damit gewährleistet wird, zurückkommen zu können.“ Doorn hatte die Bedeutung dieser Worte nicht voll erfaßt. „Dhark, Sie sprechen schon wieder von diesem Erron-3, wollen aber nicht wissen, was es ist, dennoch beabsichtigen Sie, es zu erreichen.“ „Ja“, erwiderte Dhark so ruhig, daß er sich darüber selbst wunderte. „Und zwar mit der POINT OF. Sie und noch einige Experten bleiben hier zurück. Sie müssen uns den Rückweg offenhalten, denn ich muß erfahren, was Erron-3 darstellt. Die spärlichen Informationen, die ich darüber erhielt, trafen mich mit einer bisher nie erlebten Wucht. Wenn meine Ahnung stimmt, dann ist das Erron-3 wichtiger als diese Sternenbrücke. Und jetzt schalten Sie den Vorlauf hoch. Ich werde Sie stoppen, falls Sie einen Fehler machen sollten.“ Kein einziges Mal hatte er einzugreifen. Arc Doorn wurde
immer sicherer. Zum drittenmal bereitete er den Teil der Planetenoberfläche als Emissionsbezirk vor, der von den Teleskopstützen der POINT OF begrenzt wurde. Mutlos ließ er die Hände sinken. „Dhark, ich begreife nicht, wie unter diesen Umständen von einer Justierung gesprochen werden kann. Wenn ich mir nur vor Augen halte, wie schnell der Planet rotiert!“ Wortlos führte Dhark ihn weiter nach rechts. Drei Kreisflächen, die sich zum Teil überlagerten und die alle matt rot leuchteten, waren das Ziel. Sieben enggebündelte Strahlfinger wanderten langsam darüber hinweg. Drei blitzende Punkte auf der rechten Scheibe wanderten auf Kreisbahnen in die Tiefe, um sich danach langsam wieder in den Vordergrund zu schieben. Dhark ließ dem Sibirier Zeit. Er baute auf dessen undefinierbarem Können, und mit einer Sicherheit, die ihn selbst erstaunte, wußte er, daß Doorn bald begriffen haben würde, vor der selbständig arbeitenden Justierungsanlage des Materiesenders zu stehen, der alle Fakten, die für eine zielgenaue Verschickung erforderlich waren, berücksichtigte. Schwer nickte Doorn. „Verstanden!“ sagte er leise. „Ich hätte es mir eigentlich denken können. Diese Mysterious haben allem Anschein nach alles der präziseren Automatik überlassen.“ Sie gingen zurück. Doorn schaltete alles herunter. „Bleiben Sie hier, Doorn. Die Experten, die Ihnen helfen werden, treffen bald ein. Aber denken Sie immer daran, daß Sie es sind, der dem Ringraumer die Rückkehr von Erron-3 ermöglicht.“ „Okay“, brummte der Sibirier, „aber da ist noch etwas, Dhark. Ich habe mich zu entschuldigen.“ Dhark legte ihm die Hand auf die Schulter. „Geschenkt, Arc!“
* In der POINT OF auf dem Planeten 1 war alles klar. Ein paar Kilometer weiter, dicht unter der Oberfläche der Sauerstoffwelt, schaltete Arc Doorn den Materiesender hoch. Dhark hatte Mannschaft und Wissenschaftler informiert. Nicht ein einziger Widerspruch war laut geworden, obwohl jedem klar war, daß dieser Versuch mit einer Katastrophe enden konnte. Über die Funk-Z kam Doorns Stimme zur Zentrale durch. „Letzte Phase läuft an!“ Er hatte keinen anderen Ausdruck für diesen Vorgang. Er wußte nur, daß gleich die POINT OF auf dem Planeten nicht mehr existieren würde. Niemand im Leitstand ahnte, wann X war, auch nicht Ren Dhark, der über die fünf Bildschirme nach draußen sah. „Letzter...“ Doorns Stimme war nicht mehr zu hören. Die fünf Bildschirme waren verschwunden. An ihre Stelle war die Bildkugel getreten. Die POINT OF befand sich nicht mehr auf Planet 1! Der Weltraum war blaßblau! Der Weltraum war angefüllt mit zuckenden, gigantischen Spiralen, die sich überschnitten, unterliefen, senkrecht nach unten stießen oder aus der Tiefe hoch jagten! Spiralbahnen unvorstellbarer Ausmaße! Spiralbahnen, die ein komplettes Universum ausfüllten! Und verloren darin, mit ausgefahrenen Teleskopstützen, das Flaggschiff der TF, die POINT OF! „Dhark, die Ortungen, die Ortungen, alle Ortungen sind ausgefallen!“ stammelte Grappa. „Und das ist Erron-3?“ fragte Dan Riker im Kopilotensessel, und hatte seine Stimme zum Flüstern gedämpft. Und das ist Erron-3? dachte Ren Dhark, und sein Blick
versuchte vergeblich, einen einzigen Stern zu finden. Was war das, in dem sie sich befanden? Ein Labyrinth? Aber wo war dann der Ausgang aus diesem Irrgarten an zuckenden, schwingenden Spiralbahnen? –ENDE– Illustration H.-J. Lührs
Im nächsten Band schildert uns Staff Caine das weitere Schicksal des Nogkschen Imperiums. Colonel Huxley und Colonel Janos Szardak unterstützen die Nogks bei ihren Vorbereitungen, ihr altes, gefährdetes System zu verlassen und neuen Siedlungsraum zu finden. Doch noch steht ihnen eine drohende Gefahr gegenüber: Die unheimlichen schwarzen Schiffe einer riesigen Station. Wer sind diese vernichtungswütigen Fremden? Können die Nogks sich dieser mächtigen Feinde erwehren? Lesen Sie in 14 Tagen diesen spannungsgeladenen Ren DharkRoman. Die Heimat im Nichts von Staff Caine
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