Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!
In der Sternenbrücke halten die »Schwarzen Weißen«, die den Terranern d...
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Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!
In der Sternenbrücke halten die »Schwarzen Weißen«, die den Terranern das Erbe der Mysterious streitig machen wollen, die Männer der POINT OF noch immer in Atem. Während Ren Dhark sich auf die Suche nach »Erron-3« begibt, stößt Colonel Huxley im verwüste ten System der Nogk am Rande der Milchstraße auf unheimliche schwarze Raumschiffe – die Schatten sind da! Kurt Brand schuf in den Jahren 1966 -1969 mit einem Team von Co-Autoren die Heftserie Ren Dhark, die in den 70er und 80er Jahren eine zweite und dritte Auf lage erlebte. Für diese Buchausgabe ist der SF-Klassiker neu bear beitet und fortgeschrieben worden, denn in den Tiefen des Kosmos ist das große Rätsel der Mysterious noch immer zu lösen…
Ren Dhark
Durchbruch nach Erron-3 Die große SF-Saga von Kurt Brand Band 13
Bereits erschienen: (1) Sternendschungel Galaxis – (2) Das Rätsel des Ringraumers (3) Zielpunkt Terra – (4) Todeszone T-XXX (5) Die Hüter des Alls – (6) Botschaft aus dem Gestern (7) Im Zentrum der Galaxis – (8) Die Meister des Chaos (9) Das Nor-ex greift an! – (10) Gehetzte Cyborgs (11) Wunder des blauen Planeten – (12) Die Sternenbrücke sowie die Sonderbände:
Die Legende der Nogk
Gestrandet auf Bittan
Wächter der Mysterious
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1.Auflage
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Postfach 22 01 22
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Telefon: 02.631-356.100
Fax: 02.631-356.102
Internet: http://www.ren-dhark.de
© REN DHARK: Brand Erben
Buchbearbeitung: Gerd Rottenecker
Beratung: Heinz Mohlberg
Cover: Ralph Voltz
Illustrationen: Swen Papenbrock
Druckvorlagenherstellung:
TYPO-Schlick GmbH, 56.566 Neuwied
Druck und Bindung:
Westermann Druck Zwickau GmbH
© 1999 HJB Verlag
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 3-930.515-23-7
Scanned by Grebo
K-Leser JohnFuller
Vorwort Was im vorangegangenen Band 12 der Ren-Dhark-Buchausgabe be gonnen hat, setzt sich im vorliegenden Buch fort: die Suche nach den Mysterious und der Konflikt mit den »Schwarzen Weißen« – beides Themen, die uns auch weiterhin begleiten werden. Darüberhinaus wird in diesem Band dem wohl faszinierendsten und beliebtesten Fremdvolk der Serie breiter Raum gewidmet: den Nogk, die mit der ihnen eigenen Geschwindigkeit und Konsequenz ein fast schon als wahnwitzig zu bezeichnendes Unternehmen vor antreiben. Im Umfeld der Nogk manifestiert sich auch erstmals eine Gefahr, die für die Erde zu einer ebensolchen Bedrohung werden könnte, wie sie die »Schwarzen Weißen« darstellen. Und natürlich sind auch »Drei Männer und ein Robothund« wieder mit von der Partie… Wer den Abflug unseres ersten Modells der POINT OF verpaßt hat, bekommt jetzt die Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen. Denn zeitgleich mit dem Erscheinen dieses Buches wird auch die 2. Edition des Ringraumer-Modells (in kleinerem Maßstab und preisgünstiger) zu haben sein – wiederum auf 98 Exemplare limitiert! Bereits seit zwei Monaten ausgeliefert und den Abonnenten und Vorbestellern längst zugegangen ist der dritte Ren-DharkSonderband mit dem Titel »Wächter der Mysterious«. Darin erzählt der Atlan- und Perry-Rhodan-Autor Hubert Haensel vom weiteren Schicksal des Dieners Simon, dessen Bewußtsein beim G’LoornAngriff auf Hope in den Körper eines Mysterious-Roboters gesogen wurde – und der sich diesen neuen Körper jetzt mit einem fremden Bewußtsein teilen muß. Aber ist dieses fremde Bewußtsein Freund oder Feind? Weitere Sonderbände sind bereits angedacht bzw. existieren als Konzept. Bei zwei Titeln sind die Planungen allerdings schon we sentlich weiter gediehen: für sie gibt es bereits Exposes. Der vierte Sonderband wird voraussichtlich im Herbst 1999 erscheinen, der fünfte Anfang des Jahres 2000. Nachzutragen blieben wie immer die Titel und Verfasser der Ori ginalromane, die überarbeitet und teilweise gekürzt in dieses Buch eingeflossen sind: Die Hypnosperre, Durchbruch nach Erron-3 und Transmitter-Straßen von Kurt Brand sowie SOS aus dem Spiralarm und Die Heimat im Nichts von Staff Caine (alias Hermann Werner Peters). Offenburg, im Frühjahr 1999 Gerd Rottenecker
Prolog Frühjahr 2057. Für die Erde und die Welten des terranischen Ein flußbereichs ist die Zeit der turbulenten Ereignisse, die vor mehr als einem Dreivierteljahr mit dem Auftauchen des Nor-ex begonnen hat, noch immer nicht vorbei. Zwar droht Terra momentan allem Anschein nach keine direkte Gefahr – wie sie etwa der in letzter Sekunde abgewendete Angriff der gewaltigen Robot-Ringraumerflotte darstellte –, doch auch so gibt es genügend Entwicklungen, die den terranischen Verantwortli chen Sorge bereiten. Da wären zunächst einmal die unerklärlichen Vorfälle im Industrie dom von Deluge, die nur zu einem Teil auf das Wirken der beiden >entarteten< Cyborgs Mildan und Dordig zurückzuführen waren und die den Terranern auf drastische Weise verdeutlichten, daß sie das Vermächtnis der Mysterious allenfalls in Ansätzen enträtselt und verstanden haben. Auch das Problem, das Mildan und Dordig selbst darstellen, ist weit von einer Lösung entfernt, denn nach wie vor ist ungeklärt, wie es überhaupt zu ihrer >Entartung< kommen konnte – und ob sich so etwas noch einmal wiederholen kann. Aber vielleicht finden Jos Aachten van Haag, Manu Tschobe, Chris Shanton und Jimmy eine Antwort auf diese Frage. Die drei Terraner und der Robothund haben den Industriedom über eine >Transmit terstraße< der Mysterious verlassen und gelten als vermißt. Nie mand ahnt, daß sie auf einem unbekannten Planeten eine unterseei sche, vollautomatisierte Ringraumerwerft gefunden haben – und dort plötzlich den totgeglaubten Cyborgs gegenüberstehen. Außerdem wartet man auf Terra bereits seit einiger Zeit vergeblich auf irgendeine Nachricht von Ren Dhark. Der Commander der Plane ten ist einmal mehr im All verschollen. Die Jagd auf die RobotRingraumerflotte hat ihn und die Besatzung der POINT OF zur Ster nenbrücke geführt – einem astronomisch-technischen Wunder der Mysterious, das nicht nur positive Überraschungen für die Terraner bereithält. So sind Ren Dhark und seine Männer innerhalb der Sternenbrücke auf eine völlig humanoide Rasse gestoßen, deren technische Mög lichkeiten die der Menschen – aber auch die der Utaren oder selbst der Nogk – deutlich übersteigen. Diese Humanoiden, von denen noch niemand weiß, wie sie sich selbst nennen, und die daher bis jetzt entsprechend ihrem Äußeren einfach als >Schwarze Weiße< bezeichnet werden, befinden sich ebenfalls auf der Jagd nach dem Erbe der Mysterious – und sie sind dabei alles anderer als zimperlich in der Wahl ihrer Mittel. Noch ahnt man auf der Erde nichts von den bedrohlichen Gescheh nissen innerhalb der Sternenbrücke, noch weiß man nicht um die Entdeckungen, die Tschobe, van Haag und Shanton bei ihrer Reise
über die Transmitterstraßen gemacht haben. Und man ist schon gar nicht auf das vorbereitet, was Colonel Fre deric Huxley im Tantal-System, der Heimat der Nogk, finden wird…
1. Marschall Bulton war um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Schon seit Tagen hockte er bis spät in der Nacht in seinem Büro und versuchte einen Folienstapel abzuarbeiten, der nicht kleiner werden wollte. An diesem Abend war seine Stimmung besonders schlecht. Des halb machte er sich noch nicht einmal die Mühe aufzublicken, als die Tür zu seinem Büro geöffnet wurde, sondern knurrte nur unwirsch: »Ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt, als ich gesagt habe, ich wollte in den nächsten zwei Stunden nicht gestört werden, Patters!« »Das haben Sie zweifellos, Bulton, allerdings…« Das war ganz eindeutig nicht die Stimme seines Adjudanten. Etwas irritiert blickte Bulton endlich auf. Vor seinem Schreibtisch stand – gepflegt wie immer, und obwohl es schon gegen 23:00 Uhr Ortszeit ging, ohne das geringste, äußer lich erkennbare Anzeichen von Müdigkeit – Henner Trawisheim und lächelte ihn freundlich an. Bulton seufzte. »Was wollen Sie denn noch um diese Zeit?« fragte er in vorwurfsvollem Ton. Der Stellvertreter Ren Dharks antwortete nicht sofort, sondern zog sich erst einen Besuchersessel heran und ließ sich gemächlich darin nieder. Dabei blickte er Bulton die ganze Zeit mit dem gewinnenden Lächeln an, das fast so etwas wie sein Markenzeichen war. Jeden anderen hätte er mit diesem Lächeln für sich eingenommen – doch beim stellvertretenden Befehlshaber der TF zeigte es nicht die ge ringste Wirkung. »Nun schießen Sie schon los, Trawisheim, ich habe schließlich nicht die ganze Nacht Zeit«, knurrte Bulton in einem Tonfall, der seinen Untergebenen höchste Alarmstufe signalisiert hätte. »Ist schon wieder irgendwo eine große Schweinerei im Gange? Sie sind doch nicht nur gekommen, um mir einen Höflichkeitsbesuch abzu statten, oder?« »Mein lieber Bulton, Sie sollten mal ein paar Tage ausspannen«, sagte Trawisheim, ohne direkt auf Bultons Worte einzugehen. Der Marschall wurde puterrot im Gesicht. Doch noch bevor er ex plodieren konnte, hatte Trawisheim bereits abwehrend die Hand ge hoben und fuhr schnell fort: »Auch wenn Ihnen das merkwürdig erscheinen mag, dies ist tatsächlich in erster Linie ein Höflichkeits besuch. Ich hatte vor knapp einer Stunde ein kurzes ViphoGespräch mit Patters, und bei dieser Gelegenheit hat mir Ihr Adju tant erzählt, daß Sie schon seit Tagen nicht mehr vor Mitternacht aus dem Büro kommen. Da ich aber nichts von einem erneuten Auftauchen des Nor-ex oder einem weiteren Angriff einer Flotte von Robot-Ringraumern gehört habe, frage ich mich natürlich, was Sie bis spät in die Nacht an den Schreibtisch fesselt. Und nur aus die
sem Grund - reiner Neugier sozusagen – bin ich vorbeigekommen.« Das war eine lange Rede für den Mann, dem Ren Dhark so bedin gungslos vertraute wie kaum einem zweiten, und der dieses Ver trauen noch niemals enttäuscht hatte. Bulton grummelte etwas Unverständliches, dann räusperte er sich und sagte: »Manchmal wünsche ich mir beinahe, es wäre wieder eine feindliche Flotte im Sol-System rematerialisiert und… Ach was, jetzt fange ich schon an, dummes Zeug zu reden!« Der Marschall griff nach dem Folienstapel auf seinem Schreibtisch und wedelte damit Trawisheim unter der Nase herum. »Wissen Sie, was ich hier habe? Ich will es Ihnen sagen: Hier habe ich ungefähr so viele Versetzungsanträge, wie es Kommandanten sowie Erste und Zweite Offiziere in der TF gibt… Nein, wahrscheinlich sogar noch ein paar mehr…« Trawisheim wölbte die Brauen. »Wollen Sie damit andeuten, jeder zur Kommandoführung befähigte Offizier der TF hätte einen Verset zungsantrag gestellt?« »Ich will nichts andeuten, Trawisheim – das sind Tatsachen!« Der Marschall polterte schon wieder. »Es sind diese verfluchten Ringraumer! Sie bringen die ganze Struktur der TF durcheinander!« »Verstehe«, sagte Trawisheim halblaut. Bulton schnaubte und kniff die Augen zusammen. Er holte tief Luft – und dann legte er los: »Nichts verstehen Sie, Trawisheim, über haupt nichts…! Sind Sie schon einmal mit einem Kugelraumer ge flogen? Egal, ob mit einem Beuteschiff oder einem unserer Nach bauten… Und ich meine jetzt nicht so eine kleine Tour durch das Sol-System, ich meine einen richtigen interstellaren Flug, nach Hope oder nach Dorado oder wasweißich wohin?« Trawisheim schüttelte den Kopf. »Sehen Sie, das habe ich mir gedacht! Sie haben also noch nie ei ne Transition an Bord eines Kugelraumers erlebt. Dann haben Sie auch keine Ahnung von den Gefühlen, die ein solcher Sprung durch den Hyperspace bei Menschen erzeugt. Aber ich kann Ihnen versi chern, Trawisheim, es sind scheußliche Gefühle… verdammt scheuß liche Gefühle…« »Und jetzt haben wir die erbeuteten Robot-Ringraumer, die nach und nach umgerüstet werden – Raumschiffe, die nicht nur über den Sternensog für den überlichtschnellen Flug verfügen, sondern bei denen auch Transitionen ohne unangenehme Begleiterscheinungen ablaufen… ganz zu schweigen von den Intervallfeldern und der bes seren Bewaffnung. Kein Wunder, daß jeder terranische Offizier mit ein bißchen Grips im Kopf ein derartiges Schiff befehligen will.« Henner Trawisheim hatte einmal mehr bewiesen, daß er mitzuden ken vermochte. Bulton nickte schwer. »Und welchem Offizier kann ich einen sol chen Wunsch guten Gewissens abschlagen? Aber das ist ja nur ein Teil des Problems. Schließlich brauchen wir auch die Mannschaften, um die Raumer zu bemannen, und am Ende wird keine einzige ein
gespielte Crew übrigbleiben – und es wird natürlich erst recht nie mand mehr übrigbleiben, der weiterhin mit einem unserer Kugel raumer durchs All schippern will…« »Hm.« Trawisheim schien einen bestimmten Gedankengang zu verfolgen. »Eines wundert mich dennoch, Bulton. Haben wirklich so gut wie alle Ersten und Zweiten Offiziere derartige Anträge gestellt? Ich meine, es gibt doch bestimmt Besatzungen, deren Zu sammengehörigkeitsgefühl so groß ist, daß…« Bulton winkte ab. Für einen winzigen Augenblick schien ein iro nisches Lächeln um seine Mundwinkel zu spielen, aber als er den Mund zu einer Entgegnung öffnete, wirkte er wieder so bärbeißig wie immer. »Ich habe mich vorhin vielleicht ein bißchen ungenau ausgedrückt, Trawisheim. Die Ersten und Zweiten haben ihre Versetzungsanträge nicht alle selbst gestellt. Gerade bei den besten haben es sehr viel häufiger ihre Kommandanten für sie getan. Ein guter Kommandant wird seinen Offizieren immer den Weg zu einem eigenen Kommando eröffnen, selbst wenn das für ihn heißt, dadurch auf einen fähigen Mann verzichten zu müssen…« Henner Trawisheim blickte etwas zweifelnd drein. Augenscheinlich war ihm das Loblied suspekt, das Bulton gerade auf seine Kom mandanten angestimmt hatte. Aber dies war sicher nicht der richtige Augenblick für eine Diskus sion über die – vermeintlichen oder tatsächlichen – Tugenden des Militärs. Dies war eine Situation, die pragmatische Entscheidungen erforderte – und in Sachen pragmatischer Entscheidungen gab es auf Terra nur wenige Menschen, die Bulton das Wasser reichen konnten. Trawisheim überlegte kurz, ob er dem Marschall sein zwei tes Anliegen vortragen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Bulton hatte auch so schon mehr als genug um die Ohren. »Nun gut, Bulton, Sie werden sicher das Richtige tun, da mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Und für einen Höflichkeitsbesuch war mein Aufenthalt bei Ihnen eigentlich schon zu lang…« Trawis heim erhob sich. »Ich wünsche Ihnen noch eine gute Nacht, Mar schall«, sagte er, »und der eine oder andere Versetzungsantrag hat ja vielleicht auch noch bis morgen Zeit…« Marschall Bulton starrte mehrere Herzschläge lang auf die Tür, die sich gerade hinter Henner Trawisheim geschlossen hatte. Höflich keitsbesuch, paah, dachte er. Ich bin zwar kein geistiger Cyborg und bestimmt nicht so schlau wie Trawisheim, aber daß dies einzig und allein ein Höflichkeitsbesuch sein sollte, das kann mir niemand er zählen. Er starrte auf die Folie, die er gerade in den Händen hielt. Leutnant Majjid T’Challa, Erster Offizier der SIRIUS II. Der Vorschlag stamm te von seinem Kommandanten, Major Pietro Angelo Caruso – und auf der nächsten Folie hatte Caruso seinen Zweiten Offizier, Leut
nant Henk Olbik, vorgeschlagen. Bulton seufzte. In den letzten Wochen hatte er pausenlos Entscheidungen von al lergrößter Tragweite treffen müssen. Verglichen mit dem Stop der Bandstraßen, auf denen terranischen Kugelraumer produziert wur den – oder genauer: der Umstellung dieser Bandstraßen –, war das Spiel mit den Offizieren eigentlich erschreckend einfach. Was Bulton Sorge bereitete, war etwas anderes; etwas, das er ra tional nicht erfassen konnte, das er nur spürte – das er aber nicht hätte benennen können… Natürlich stellte es die Logistik der TF vor die allergrößten Pro bleme, schlagartig weit über 3500 Raumschiffe zu bemannen und der plötzlich deutlich gewachsenen Flotte adäquate Strukturen zu geben. Dennoch hätte er eigentlich zufrieden sein müssen. Der Machtzuwachs, den Terra mit den Ringraumern erhalten hatte, war mit Geld nicht zu bezahlen. Endlich einmal schien die Erde in der Lage zu sein, sich gegen einen potentiellen Angreifer wirksam zur Wehr setzen zu können. Eigentlich hätte Bulton glücklich sein müssen, doch er fühlte sich, als würde sich über seinem Kopf eine dicke schwarze Wolke zu sammenballen – eine Wolke, die nur Unheil bringen konnte. Er seufzte erneut. Und wie immer, wenn‘s brenzlig wird, sind weder Dhark noch Riker auf Terra, grummelte er innerlich. Er wußte natürlich, daß er dem Commander und Riker mit diesen Gedanken ein bißchen Unrecht tat, aber das Unbehagen, das er bereits seit einiger Zeit verspürte, schien von Minute zu Minute stärker zu werden und machte ihn immer nervöser. »Patters!« bellte er in die Sprechanlage auf seinem Schreibtisch. Nur Sekunden später öffnete sich die Tür zu seinem Büro, und sein Adjutant betrat den Raum. Trotz der späten Stunde wirkte Patters immer noch hellwach – und längst nicht so gereizt wie sein Chef. »Sir?« »Setzen Sie sich hin, Patters, und stehen Sie nicht so in der Ge gend ‘rum. Sie wissen doch, daß mich das nervös macht!« Patters schien der >freundliche< Empfang nichts auszumachen. Zumindest ließ sich auf seinem Gesicht keine Gefühlsregung able sen, als er sich in einen der Besuchersessel sinken ließ. »Was kann ich für Sie tun, Marschall?« »Sie könnten ein paar hundert von diesen Versetzungsanträgen bearbeiten und unterschreiben, damit ich mich endlich wieder um wichtigere Dinge kümmern kann!« polterte der Marschall los. »Es tut mir außerordentlich leid, Sir, aber wie Sie sicher selbst wissen, kann ich genau das leider nicht tun. In den Flottenstatuten 766/11 und 321a ist genau geregelt, wer…« »Ach hören Sie schon auf, Patters, das weiß ich doch selbst.« Wie immer, wenn er richtig wütend war, wurde der Marschall sehr laut. Ruckartig stand er auf und begann, in seinem Büro auf und ab zu
gehen. Patters, der seinen Vorgesetzten kannte wie kaum ein ande rer, blieb mit ausdruckslosem Gesicht in seinem Sessel sitzen. Nachdem Bulton einige Male mit energischen Schritten hin und her gestapft war, drehte er sich plötzlich zu Patters um und fixierte seinen Adjutanten mit funkelnden Augen. »Ich nehme an, die POINT OF hat sich noch immer nicht gemel det?« Bedauernd schüttelte Patters den Kopf. »Nein, Sir. Ich hätte Sie natürlich sofort…« »Geschenkt, Patters, geschenkt…« Bulton nahm seine ruhelose Wanderung wieder auf, grummelte dabei unverständliche Worte vor sich hin. Schließlich blieb er erneut stehen. Sein Blick wanderte zum Fenster und hinauf zum nächtli chen Firmament, über das sich das hell leuchtende Band der Milch straße zog. Als er dann wieder Patters ansah, war der grimmige Ausdruck aus seinem Gesicht verschwunden. »Spüren Sie es nicht auch, Patters?« begann er ungewohnt leise. »Ich kann es nicht genau benennen, aber ich habe das Gefühl, daß uns in nächster Zeit jede Menge Ärger ins Haus steht… verdammt großer Ärger!« Patters nickte schwer. »Sie haben recht, Marschall. Auch ich habe das Gefühl, daß etwas in der Luft liegt… Allerdings denke ich dabei weniger an Commander Dhark und die POINT OF, als…« »Als?« Bultons Stimme hatte einen beinahe lauernden Klang. »Ich… ich weiß nicht…« Hilflos zuckte Patters die Schultern. »Ich ertappe mich dabei, daß ich nachts zum Himmel hochschaue und… und ein Frösteln verspüre, und das Licht der Sterne, es…« »Es scheint plötzlich dunkler zu werden…« ergänzte Bulton düster. Überrascht starrte Patters ihn an. »Woher…?« Bulton stieß einen langen, tiefen Seufzer aus. Einen Moment lang wirkte der als cholerisch und schwierig verschrieene Marschall, der während Dan Rikers Abwesenheit den Oberbefehl über die TF inne hatte – und das hieß an 360 Tagen im Jahr, wie er einmal ironisch im Kreise seiner engsten Vertrauten gesagt hatte – nicht wie einer der mächtigsten Männer des Sol-Systems, sondern wie ein müder alter Mann, den die Last der Verantwortung schier erdrückte. »Es ist das gleiche Gefühl, das ich empfinde, wenn ich den nächt lichen Sternenhimmel betrachte… und es macht mir Angst.« Die letzten Worte sagte er so leise, daß Patters sich nicht sicher war, ob er richtig gehört hatte. Einige Augenblicke sprach keiner der beiden Männer ein Wort. Dann schüttelte sich Bulton, und als hätte er mit dieser Bewegung auch die düstere Stimmung abgeschüttelt, schritt er zurück an sei nen Schreibtisch und meinte in normalem Tonfall: »Kommandanten auf letztlich bauartgleiche Schiffe zu verteilen ist kein Problem – abgesehen davon, daß wir eigentlich viel zu wenig fähige Männer haben. Aber ich würde mit Ihnen gerne noch die Liste der Geschwa derführer durchgehen, Patters, sonst fragt mich morgen wieder
einer meiner Stabsoffiziere, warum ich Colonel X oder Major Y über gangen habe. Doch außer Larsen und Szardak und einem halben Dutzend anderer drängen sich mir nur wenige Namen auf.« Patters nickte schweigend. Er hatte so seine eigenen Ideen, wie man das Personalproblem in der TF lösen könnte, doch jetzt schien ihm nicht der geeignete Zeitpunkt, diese Ideen Bulton vorzutragen. »Was ist eigentlich mit dem Geschwader Martell? Die MOUNT KING und die übrigen Schiffe müßten doch inzwischen längst im SolSystem angekommen sein?« fragte der Marschall plötzlich. »Sind sie auch, schon vor drei Tagen, Sir«, erwiderte Patters. »General John Martell und seine Männer befinden sich bereits an Bord der Schulungsschiffe, um sich mit den Ringraumern vertraut zu machen.« Er verkniff sich die Bemerkung, daß Bulton eine ent sprechende Notiz erhalten haben müßte. »Na, immerhin, ein paar hervorragende Offiziere mehr in unserer neuen Ringraumer-Flotte«, brummte Bulton. »Wenn wir schon auf Leute wie Colonel Huxley und seine Crew verzichten müssen… Hat der sich mittlerweile gemeldet?« »Nein, Sir. Seit Colonel Huxley vor drei Wochen ins Tantal-System aufgebrochen ist, hatten wir keinen Kontakt mehr mit der FO-1.« Bulton blickte auf. Er brauchte nichts zu sagen. Patters erkannte auch so, daß das Unbehagen des Marschalls zu rückgekehrt war. Nogk II hatte sich verändert. Colonel Huxley und seine Männer sa hen es deutlich. Über dem zweiten Planeten der blaugrünen Sonne Tantal wehte ein Hauch von Zerfall und Tod. Nachdenklich stapfte Huxley durch den rotgelben Sand dieser hei ßen, trockenen Welt. Unter seinen Schritten wirbelten kleine Staub wolken auf, hingen eine Weile als gelbliche, durchsichtige Schwaden im grellen Sonnenlicht und sackten schließlich wieder zu Boden. Lautlos, gespenstisch – wie alles auf diesem Planeten. Der Colonel drehte sich zu seinen beiden Offizieren herum. »Prewitt, Maxwell, verstehen Sie das?« Die beiden Männer schüttelten die Köpfe. »Nein, Sir. Absolut nicht!« erwiderte schließlich Maxwell, früher Sergeant auf dem Forschungsraumer FO-1, jetzt Zweiter Offizier. Lee Prewitt, der Erste Offizier, deutete auf die halbzerstörten gi gantischen Mauern der Ringstadt der Nogk. »Das könnten Spuren der Kämpfe zwischen den Nogk und den angreifenden Nor-ex sein, von denen Sie erzählt haben! Aber der Kampf ist vorbei, der Pakt, den Dhark mit dem Nor-ex geschlossen hat, erstreckt sich auch auf die Nogk. Sie hätten also mit dem Wie deraufbau ihrer Städte längst beginnen, ihre angeschlagene Flotte wieder in Schuß bringen können. Auf diesem Planeten müßten über all die Spuren neuer Aktivität zu finden sein. Statt dessen…« Der I.O. schüttelte abermals den Kopf. »Statt dessen überall nur halb
zerfallene oder gar völlig zerstörte Städte. Und von den Nogk selbst keine Spur!« Huxley nickte. Prewitt hatte gerade seine eigenen Gedanken in Worte gefaßt. Der Colonel machte sich Vorwürfe. Ich hätte viel eher hierher fliegen müssen, dachte er. »Ja, Maxwell? Was ist?« Huxley wandte sich um. »Steht eigentlich fest, daß vor unserem Einbruch ins KarminUniversum auf Nogk II noch Prallschirme standen? Präziser gefragt: Prallschirme der Nogk?« Colonel Huxley ruckte unwillkürlich herum. Über seiner Nasen wurzel bildeten sich zwei steile, scharfe Falten. »Teufel, wie kommen Sie darauf, Maxwell? Ich habe doch deutlich gesehen, daß…« Huxley unterbrach sich. Ein jäher Gedanke durch zuckte ihn. Er dachte an die abgelenkten To-Funkstrahlen. In seiner Erinnerung entstand wieder das Bild der schimmernden, ver schwommen Halbkugeln, die er für Prallschirme der Nogk gehalten hatte, während sein Hauptaugenmerk sich auf das über der Sonne Tantal und dem innersten Planeten stehende Nor-ex gerichtet hatte. Er erinnerte sich daran, wie der innerste Planet, jene Höllenwelt aus Hitze und erbarmungsloser Strahlung, plötzlich das Nor-ex angegrif fen hatte. Mit Mitteln, die weder er noch irgendein Mann seiner damaligen Besatzung gekannt hatte. Das Ende des Kampfes hatte keiner von ihnen mehr erlebt, weil ihr Schiff ins Karmin-Universum hineingezogen worden war… »Maxwell, Sie könnten recht haben! Zum Donnerwetter, daß ich darauf noch gar nicht gekommen bin!« Er winkte ab, als Prewitt eine Frage stellen wollte. »Sie können davon nichts wissen, Prewitt!« sagte er nur kurz. Dann drehte er sich abrupt herum. Der nachdenkliche Ausdruck verschwand schlag artig aus seinen Zügen. Er griff nach seinem Vipho, das er stets auf der Brust seiner grauen, völlig schmucklosen Uniform trug. »Kommandant an Zentrale. Boot eins startklar machen. Sergeant Cooper und drei Mann gehen an Bord. Die FO-1 bleibt, wo sie ist. Alarmstufe 1. Erkinsson, Sie übernehmen das Kommando. Halten Sie ständig die Bordfrequenz, To-Funk und die Nogkschen Detekto ren besetzt. Sollte etwas Unvorhergesehenes geschehen, werden wir über eines dieser drei Medien immer noch Verbindung bekom men. Wir fliegen mit dem Boot in die Ringstadt! Ende!« Chief Erkinsson nickte. »Okay, Colonel«, knurrte er, während er bereits die notwendigen Anweisungen an Cooper und seine Truppe gab. Vom gut 200 Meter langen Spindelkörper der FO-1 drang helles Triebwerkssingen an ihre Ohren. Unwillkürlich drehten sich die drei Männer um. Sie sahen gerade noch, wie sich aus dem Bootsdeck des ehemaligen Forschungsraumers der blitzende Punkt eines Bei boots löste. An den aufwirbelnden Sandfontänen und den ausgefah renen Stabilisierungsflächen erkannten sie, daß Sergeant Cooper die Turboaggregate benutzte, über die jedes Beiboot ebenso verfügte
wie die FO-1. Trotz der Umrüstung seines Raumers auf NogkTechnik hatte Huxley die Turboaggregate beibehalten, weil sie sich speziell bei Unternehmungen in Planetenatmosphären immer wieder bewährt und seinen Männern oft genug entscheidende Vorteile ver schafft hatten. Denn die Aggregate machten keinerlei Unterschied zwischen giftigen und ungiftigen, zwischen stabilen und hochexplo siven Gashüllen. Wenig später nahm das Beiboot Huxley und seine beiden Offiziere an Bord. Gleich darauf wirbelten die Triebwerke den Sand zu ge waltigen Fontänen auf, deren rotgelbe Schwaden die Sonne verfin sterten. Colonel Huxley und seine Männer starrten durch die großen Di rektsichtscheiben der Bugkanzel den kegelförmigen Riesenmauern der Ringstadt entgegen, die mit jeder Sekunde größer und größer vor ihnen aufwuchsen. Huxley spürte plötzlich, wie ihn ein Schauer überlief. Irgend etwas in seinem Innern signalisierte ihm eine dro hende Gefahr, die von der Nogk-Stadt auf sie zukam. »Cooper, umfliegen Sie die Ringstadt. Gehen Sie nicht dichter heran, als notwendig ist, um Einzelheiten zu erkennen. Dann sehen wir weiter!« Der Sergeant nickte. Huxley registrierte die fragenden Blicke von Prewitt und Maxwell, aber er sagte nichts. Statt dessen hefteten sich seine Blicke auf die hoch in den grünlichen Himmel ragende Ruine. Sie sah aus wie das Fragment eines gigantischen Kegelstumpfs mitten in einer trostlosen, völlig vegetationslosen Wüstenlandschaft, über der die Luft unter den sengenden Strahlen Tantals flimmerte. Mühsam setzte Pietro Angelo Caruso einen Fuß vor den anderen. Sein Herz hämmerte, und in seinen Ohren rauschte das Blut. Keu chend sog er die Luft ein, doch so sehr er seine Lungen auch füllte es war nie genug. Und das Schlimmste war, daß T’Challa anschei nend nicht die geringsten Schwierigkeiten hatte. »Na Major, sind Sie immer noch der Ansicht, daß dieser Ausflug eine gute Idee war?« Caruso blickte auf. T’Challa stand knapp zehn Meter vor ihm, ein unverschämt breites Grinsen im ebenholzschwarzen Gesicht. Schwer atmend stapfte Caruso weiter. Ich werde das Sauerstoffgerät nicht als erster herausholen, ich nicht! schwor er sich, so fertig bin ich noch lange nicht! Endlich hatte er seinen ehemaligen Ersten Offizier erreicht. »Ich… bin… etwas… aus… der… Übung…« preßte er zwischen keu chenden Atemzügen hervor, »aber… aber ich finde immer noch…. Dass es eine tolle Idee war…. hierher zu kommen.« Allmählich kam er wieder zu Atem. »Ist dieses Panorama nicht wundervoll?« »Es ist toll, Major. Und die Erinnerung an diesen Anblick wird mich begleiten, egal, wohin ich fliegen werde«, sagte T’Challa ernst. »Deswegen habe ich Sie mit hierher genommen. Damit Ihnen der
neue Rang als frischgebackener Ringraumer-Kommandant nicht zu Kopf steigt. Es ist kein Schaden, wenn man sich inmitten der Weiten des Alls an die Schönheit von Mutter Erde erinnert.« Das leichte Grinsen, das um Carusos Mundwinkel spielte, nahm seinen Worten das Pathos. Und dann standen die beiden Männer schweigend in der bizarren Hochgebirgslandschaft der Kordilleren. Vor ihnen breitete sich das Illampu-Massiv aus, und ringsum reckten sich die Berge bis auf 6000 Meter Höhe. »Nur noch bis zu jenem Grat dort vorn, dann haben wir einen fan tastischen Blick auf ein Hochplateau. Na los, kommen Sie, T’Challa! Lassen Sie sich nicht hängen…« brach Caruso nach einigen Minuten das ergriffene Schweigen und stapfte wieder los. T’Challa warf den Kopf in den Nacken und lachte dröhnend. Das Lachen hing seltsam fremd in der kalten, dünnen Gebirgsluft. Dann marschierte der Hüne, dessen Großeltern noch mit ihrem Vieh durch die Steppen Ostafrikas gezogen waren, mit großen Schritten los. Schnell holte er Caruso ein und zog an ihm vorbei. Die dünne Luft schien ihm wirklich nicht das geringste auszumachen. »Ihr Antritt ist nicht schlecht, aber Sie haben Defizite im Ausdau erbereich, Major«, sagte er grinsend über die Schulter. Caruso ver kniff sich eine Antwort. Er hatte genug damit zu tun, nicht allzu weit zurückzufallen. Und dann hatte T’Challa den Grat erreicht und blieb ruckartig stehen. »Na, habe… ich… zuviel… versprochen?« Caruso keuchte schon wieder. »Major«, sagte T’Challa. Seine Stimme klang alarmiert. »Das soll ten Sie sich ansehen, Major…« Augenblicke später blieb Caruso wie vom Donner gerührt neben ihm stehen. Vor den beiden Männern erstreckte sich ein gewaltiges Hochplateau – und auf diesem Hochplateau lag ein Raumschiff! Ein Raumschiff der Nogk…
2.
Das Beiboot der FO-1 mit Huxley und seinen Männern umflog die Ringstadt. »Sehen Sie sich das an, Prewitt! Überall Spuren des Zerfalls, der Zerstörung!« knurrte er. »Diese Stadt würde jeder Archäologe für das Relikt einer untergegangenen Kultur halten, wenn…« Ein Ruf Maxwells unterbrach ihn. »Da, Sir, sehen Sie!« Huxley blickte in die Richtung, in die sein Zweiter Offizier wies. Und dann sah er es auch. »Teufel!« murmelte er mit zusammengekniffenen Augen. Sekun den später hatte der Pilot des Beiboots, Sergeant Cooper, den blit zenden Gegenstand, der da vor ihnen im rotgelben Sand der Wüste lag, auf dem Tasterschirm. Ein schalenförmiges, gut fünfzig Meter langes Trümmerstück. Unverkennbar von einem Raumschiff. Sergeant Cooper ging auf Höchstvergrößerung. Die Männer hielten plötzlich den Atem an. »Das Stück wurde aus einem Nogkraumer herausgerissen, Sir! Das ist ein Teil der Versorgungsschleuse eines der großen Kampfschif fe!« Die Stimme Maxwells vibrierte. Auch Huxley schluckte krampf haft. Sein Zweiter Offizier hatte recht. Herausgerissen aus einem der riesigen Nogk-Kampfschiffe! Aus einem Raumer, der über eine Technik verfügte, die ihn fast unüberwindlich machte. Fast! »Landen, Sergeant! Landen Sie neben dem Trümmerfragment!« Das Beiboot verlangsamte seine Geschwindigkeit. Die Turboag gregate schwenkten langsam herum, wühlten die flimmernde Luft unter ihnen auf. Und dann sahen die Männer noch etwas. Von dem Trümmerfragment lief eine gläserne Spur in Richtung der Ringstadt. Hin und wieder markiert durch Fetzen verbogenen, zer rissenen Metalls. Als das Beiboot aufsetzte, verließen Huxley, Prewitt und Maxwell die Schleuse mit bleichen Gesichtern. Behutsam näherten sie sich dem tief im Wüstensand steckenden Trümmerstück. Erst jetzt bemerkten sie, daß es wesentlich größer war, als sie ursprünglich angenommen hatten. Colonel Huxley fuhr mit der Hand über die scharfen Bruchkanten. Dann warf er einen Blick zur Ringstadt hinüber, die gespenstisch und still unter dem glasgrünen Himmel von Nogk II lag. Langsam drehte er sich zu seinen beiden Offizieren herum. »Wir werden jetzt zur Ringstadt hinüberfliegen. Und wir werden dort noch mehr unangenehme Dinge finden. Auf Nogk II muß wäh rend unserer Abwesenheit ein Kampf stattgefunden haben, wie wir ihn uns gar nicht vorzustellen vermögen!« Huxley schwang sich als letzter in die Schleuse des Beiboots. Nachdenklich betrat er die transparente Bugkuppel. Einer plötzlichen Eingebung folgend, rief er die FO-1 an.
»Chief, sofort Sperr- und Unsichtbarkeitsschirme aktivieren. Blei ben Sie, wo Sie sind, rühren Sie sich ohne ausdrücklichen Befehl nicht von der Stelle. Alarmstufe 1 unbedingt bestehen lassen! En de!« Dann drehte er sich zu Sergeant Cooper herum. »Legen Sie die Steuerung zu mir herüber, Cooper. Sie überneh men die Co-Funktion!« Huxley wußte nicht, warum, aber sein sechster Sinn, der ihn noch nie getäuscht hatte, ließ ihn zu diesen Vorsichtsmaßnahmen greifen. Sanft hob das Beiboot ab. Huxley bemühte sich, so wenig Sand wie möglich aufzuwirbeln. Außerdem aktivierte er den Nogkmeiler des Raumantriebs so weit, daß er jederzeit in der Lage war, umzu schalten. Ein Aggregat, das mit terranischen Fusionsmeilern absolut nichts gemein hatte, sondern auf der Basis komplizierter Feldstruk turen arbeitete. Erst nachdem der Unsichtbarkeitsschirm ihr Boot wie durch Zau berhand im flimmernden Glast der Mittagshitze hatte verschwinden lassen, beschleunigte Huxley. Das Beiboot näherte sich der Ringstadt schnell. Je näher die Män ner den gewaltigen Mauern aus jener schimmernden, glasartigen Substanz kamen, die die Nogk für die meisten ihrer Bauten verwen deten, desto deutlicher erkannten sie die Spuren der Verwüstung, die ein unbekannter Gegner an ihnen hinterlassen hatte. Huxley zog das Beiboot über den Außenring hinweg in das Innere der Stadt. Er war innerlich auf vieles gefaßt gewesen, aber nicht auf das Bild, das sich nun seinen Blicken bot. Unwillkürlich verriß er die Steuerung des Beiboots und streifte dadurch fast den auf die Au ßenmauer folgenden Innenring. Nur die blitzschnelle Reaktion des neben ihm sitzenden Sergeanten verhinderte einen Aufprall. »Danke, Cooper!« krächzte Huxley nur, während er das Boot be reits so hart abbremste, daß die Andruckabsorber die plötzlich auf tretenden Kräfte nicht vollständig zu neutralisieren vermochten. »Heavens!« ächzte jetzt auch Maxwell, während Prewitt stumm und steif in seinem Sitz hinter Huxley hockte. Vor ihnen, im Innern der Ringstadt, lagen die Wracks von drei Kampfschiffen der Nogk. Zwei wiesen nur mittlere Beschädigungen auf, wahrscheinlich waren sie bereits vor dem Start zerstört worden. Das dritte hingegen mußte mit unvorstellbarer Wucht in die Innen mauer der Stadt gerast sein. Die Trümmer seines völlig deformier ten Rumpfes lagen fast über das ganze Innenareal verstreut unter den Strahlen der noch immer hochstehenden blaugrünen Sonne. Aber das war es nicht, was Huxley und seine Männer totenbleich und starr auf ihren Sitzen verharren ließ. Es waren vielmehr die toten Nogk, die da in den zerstörten Anlagen im Innern ihrer Stadt lagen. Ausgedörrt von der erbarmungslosen Sonne, vertrocknet und mumifiziert von der heißen Wüstenluft. Mit einem Ruck setzte Huxley das Boot auf einem der terrassen förmigen Wohnringe auf, die sich wie ein überdimensionales Am
phitheater aus mehr als tausend Meter Höhe bis zum Boden hinab zogen. Huxley sprach als erster aus, was in diesem Moment alle Männer im Beiboot dachten: »Das war kein Nor-ex! Die Nogk müssen hier von einem ganz anderen Gegner förmlich überrumpelt worden sein. Und eben das will mir nicht in den Kopf! Ich kenne ihre Technik, ich kenne ihre Vorsicht und ihre Art, sich gegen derartige Überfälle abzusichern.« Er schüttelte den Kopf, während sich seine Hände vor Erregung fast krampfhaft öffneten und schlössen. Und wie kam es, daß die Nogk ihre Toten nicht in der üblichen Weise bestattet hatten? Er wußte, wie streng diese Rasse ihre Bräu che in dieser Beziehung handhabte. Es gab eigentlich nur zwei Mög lichkeiten: Entweder hatte keiner der Nogk überlebt und der Planet war zur Zeit des Überfalls mit Ausnahme dieser drei Schiffe bereits verlassen gewesen, oder die Nogk hatten fliehen müssen, und es gab für sie einen triftigen Grund, warum sie nicht einmal zurück kehrten, um wenigstens ihre Toten zu bestatten. Das aber würde bedeuten… Huxley zuckte in jähem Erschrecken zusammen. Das war es! Die Fremden waren noch hier! Er und seine Männer waren ahnungslos in eine Falle getappt, die jeden Moment zu schnappen konnte! Er griff zum Vipho, wollte seinen Männern eine Erklärung geben – aber es war bereits zu spät. Die Fremden kamen nicht, sie waren plötzlich einfach da. Niemand vermochte sie zu erkennen, niemand vermochte zu sagen, wie sie eigentlich aussahen. Dunkle Schemen, Schatten verschiedener Größe, die plötzlich im Innern der Ringstadt hin und her huschten oder schwebten. Irgendwo neben den Wracks ein dunkler Fleck, ein Schemen oder Schatten, dessen Konturen sich nicht bestimmen, dessen Ausmaße sich auch nicht annähernd schätzen ließen. Und doch konnten die Männer sehen, daß sich da jemand an den Wracks der Nogkraumer, an den Mauern und Anlagen der Stadt, ja sogar an den herumliegenden Toten zu schaffen machte… Huxley spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Aber dann über wand er das Grauen, das ihn und seine Männer an diesem glasgrü nen Mittag auf Nogk II ansprang. Er suchte nach einer Deckung für das Beiboot. Langsam, als gelte es, jedes unnötige Geräusch zu ver meiden, schaltete er auf den lautlos arbeitenden Nogkantrieb um, stutzte und machte die Schaltung augenblicklich wieder rückgängig. Mit minimalstem Schub, ohne die Schemen aus den Augen zu las sen, manövrierte er das Beiboot mit den Turbotriebwerken hinter einen gewaltigen Mauervorsprung der geborstenen Terrasse. Dann schaltete er ab. Auf seiner Stirn stand der Schweiß in dicken Trop fen. Sie konnten jetzt die Fremden nicht mehr sehen. Er hoffte, daß die Schemen sie noch nicht bemerkt hatten. Zwischen ihnen und den Wracks der Nogkraumer lagen Tausende von Metern. Und der
Unsichtbarkeitsschirm des Beiboots. Huxley starrte seine Männer aus schmalen Augen an, während seine Gedanken rasten. »Wir müssen näher heran! Zwei gehen. Ich und einer von Ihnen, Prewitt oder Maxwell. Das Los wird entschei den!« Prewitt wollte protestieren, aber Huxley ließ ihn nicht zu Wort kommen. Das Los fiel auf Maxwell. »Prewitt, Sie richten hier auf der Terrasse einen Beobachtungspo sten ein, während Maxwell und ich in die Stadt hinabsteigen. Cooper und zwei Männer bleiben im Boot, bereit, sofort zu uns zu stoßen. Wenn wir innerhalb von fünf Stunden nicht zurück sind oder zumin dest Nachricht über unseren Verbleib gegeben haben, kehren Sie zur FO-1 zurück. Mit den Turboaggregaten. Auch die FO-1 bewegt sich auf dem Planeten nur auf diese Art. Die Fremden haben mögli cherweise ihre Warngeräte auf die unvermeidlichen Störungen der Kraftlinien der Magnetfelder durch die Nogkschen Antriebe justiert, um von den Nogk nicht überrascht zu werden! Denn daß die Nogk, falls es sie noch gibt, Vergeltung üben werden, versteht sich von selbst. Für den Fall, daß wir nicht zurückkehren, Prewitt, versuchen Sie, sich mit der FO-1 unter Einsatz aller Mittel nach Terra durchzu schlagen!« Huxley erhob sich. »Kommen Sie, Maxwell!« Wenig später verließen die beiden Männer die Schleuse des Bei boots. Sie hatten Glück; schon nach wenigen Metern fanden sie ei nen Einstieg in die Ringstadt. Und nach weiteren hundert Schritten durch die Umgänge im Innern der Mauern machten sie eine überra schende Feststellung: Obwohl die Stadt äußerlich einen völlig zer störten Eindruck machte, funktionierte dennoch ein Teil ihrer Ener gieversorgung. Unwillkürlich blieb Huxley stehen. Seine Hände strichen über die glasige, selbstleuchtende Wandung des Ganges. »Merkwürdig, Maxwell! Fast könnte man meinen, die Nogk steck ten doch noch irgendwo in oder unter den Mauern ihrer Stadt! Nun, wir werden sehen!« Huxley ging weiter. Geschmeidig, fast unhörbar auf seinen dicken Plastiksohlen. Über Maxwells Züge huschte ein Grinsen. Das war der alte Huxley, so, wie er ihn aus vielen Unternehmungen kannte. Wachsam, eiskalt und zum Äußersten entschlossen… »Das gibt es doch nicht!« Major Pietro Angelo Caruso war fassungs los. »Los, T’Challa, sagen Sie mir, daß ich träume!« »Falls Sie träumen, dann haben wir beide genau denselben Traum, Major«, knurrte T’Challa. Er war genauso erschüttert wie Caruso. »Wie zum Teufel kommt ein Raumschiff der Nogk hierher?« Das gigantische Schiff – ein Raumer der 600-Meter-Klasse – lag
wie ein etwas zu lang geratenes Ei im tiefen Schnee des Plateaus. Seine Oberseite war ebenfalls mit Schnee bedeckt. Sämtliche Schotts waren geschlossen. Um das Schiff herum gab es keine Spur von Leben – das riesige Ei wirkte wie tot. »Hier stimmt etwas nicht, T’Challa«, sagte Caruso langsam. »Wir sollten machen, daß wir zu unserem Jett zurückkommen und Cent Field benachrichtigen. Ich würde zwar am liebsten zu dem Schiff ‘rübergehen, aber…« Er ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen. Im Stillen verwünschte sich der Major dafür, sein Vipho nicht mit genommen zu haben. »…das würde zu lange dauern«, beendete T’Challa den Satz für seinen ehemaligen Kommandanten. Seine Stimme klang abwesend. Der hünenhafte Massai ließ den Blick schweifen. Er verspürte eine merkwürdige Unruhe. Plötzlich zuckte er zusammen. »Dort, sehen Sie, Major?« Bei diesen Worten packte er Caruso am Oberarm und wies mit der Linken auf einen kleinen Gipfel, der sich links von ihnen erhob. Caruso kniff die Augen zusammen und blickte in die angegebene Richtung. Dann sah er es. Ein Aufblitzen. Dort drüben brach sich das Sonnenlicht in einem Etwas, das definitiv nicht hierher gehörte. »Was ist das?« fragte er sich halblaut. »Gehen wir ‘rüber und sehen es uns an«, versetzte T’Challa unter nehmungslustig. Er griff in seinen Rucksack und zog sein tragbares Sauerstoffgerät heraus. »Wir sollten versuchen, möglichst schnell dorthin zu kommen und unseren sportlichen Ehrgeiz ein andermal auszutoben«, meinte er grinsend, als er die Atemmaske überstreif te. Caruso brummte eine unverständliche Antwort, tat es aber seinem Begleiter nach. Dann marschierten sie los. Eine knappe Stunde später erreichten sie schweratmend ihr Ziel sechs schlanke, etwa vier Meter hohe kegelförmige Gebilde, die im Sonnenlicht auf eine eigentümliche Weise leuchteten. »Totenkegel der Nogk!« Caruso flüsterte beinahe. Zögernd trat er näher an einen der Kegel heran. Vor ihm, eingeschlossen in eine glasartige Substanz, die erst aus allernächster Nähe Durchblick gewährte, stand ein Nogk. Seine Facettenaugen glitzerten im Licht der Sonne, sein Libellenkopf wirkte auch jetzt noch zugleich fremd artig und bedrohlich. Der Nogk trug eine enganliegende goldene Uniform, von deren Schultern silberne Streifen hinab zu den vier fingrigen, lederhäutigen, gepunkteten Händen liefen. »Ein Mitglied des Rates des nogkschen Imperiums«, sagte T’Challa leise, als er an Caruso herantrat. »Und in dem Kegel dort drüben ist der Kommandant des Nogkraumers, wenn ich mich recht an die nogkschen Uniformen erinnere…« Caruso wirbelte herum. »Hier ist irgendeine riesengroße Schwei nerei im Gange, T’Challa! Wir sollten zusehen, daß wir so schnell wie möglich zum Jett kommen. Jetzt ist es noch wichtiger geworden, Cent Field zu benachrichtigen… Verdammt!« Caruso blickte seinen
Begleiter aus zusammengekniffenen Augen an. Sein Gesichtsaus druck war grimmig. »Huxley! Wenn mich nicht alles täuscht, ist der gute alte Frederik Huxley mit seiner FO-1 zur Zeit unterwegs ins Tantal-System. Ich weiß nicht…« Was auch immer er noch sagen wollte, es blieb ihm im Hals ste cken. Die Sonne verfinsterte sich, das eigentümliche Leuchten der Totenkegel erlosch. Hinter dem Gipfel schraubte sich eine dunkle, alles erdrückende Masse in den Himmel. Ein leichtes, durch Mark und Bein gehendes Vibrieren hing sekundenlang in der Luft. Dann war alles vorbei. Der Nogkraumer verschwand Richtung Norden in der Ferne. Gleichzeitig wirbelten Caruso und T’Challa herum, blickten hinüber zum Plateau, auf dem noch vor wenigen Minuten der Nogkraumer gelegen hatte. Es war leer. Colonel Huxley blieb stehen und gab Maxwell ein Zeichen, zu ihm zu kommen. Dann deutete er auf die kreisrunde Platte vor ihnen, ge nau in der Mitte des Umgangs. »Wir könnten sie benutzen, Maxwell! Sie ist intakt. Ich kenne diese Platten von meinen früheren Besuchen bei den Nogk. Wahrschein lich führt der Lift uns direkt in eines der Zentren dieser Stadt. Er kann uns aber auch die Schatten auf den Hals hetzen! Was schlagen Sie vor?« »Die Stadt hat tausend Meter hohe Mauern. Wenn wir an die Schatten heran wollen, dann müssen wir nach unten. Bei den Aus maßen und auch deshalb, weil wir bisher noch auf keinen einzigen Zugang zu den eigentlichen Räumen gestoßen sind, sollten wir die Liftplatte benutzen! Wahrscheinlich gibt es überhaupt keine andere Möglichkeit, ins Innere der Ringstadt zu kommen!« »Ganz meine Meinung, Maxwell. Aber vorher sollten wir uns von einer der Terrassen aus nach den Schatten umsehen! Ich könnte Prewitt anrufen, aber ich möchte jeden unnötigen Funkverkehr ver meiden!« Maxwell nickte. Wortlos gingen die beiden Männer weiter. Sie um rundeten die Liftplatte. Schon nach wenigen Augenblicken fanden sie, wonach sie suchten. Ein schwach gewundener Gang, dessen Krümmung das Eindringen von direktem Tageslicht in den Umgang verhinderte, führte auf eine der Terrassen hinaus. Meter um Meter schoben sich die beiden Männer vorsichtig ins Freie. Sorgfältig benutzten sie jede ihnen sich bietende Deckung. Huxley warf einen kurzen Blick nach oben. Sie befanden sich fünf Terrassen tiefer als Prewitt und seine Männer. Durch eigentümlich anmutende Steigschächte, deren Sinn auch Huxley nicht kannte, waren sie in den vergangenen Stunden tiefer in die Ringstadt einge drungen. Und immer, ohne eine Möglichkeit zu finden, aus den teils erleuchteten, teils stockfinsteren Umgängen herauszukommen und
ins Innere der Ringstadt vorzudringen. Im stillen verwünschte Hux ley, daß die Detektorschulung, die er von den Nogk erhalten hatte, nicht auch Aufschluß über ihre Lebensgewohnheiten gab. Damals hatten seine so andersartigen Freunde, die ihn sogar zum Mitglied des Rates ihres Imperiums ernannt hatten, sich den Umständen ent sprechend auf das Notwendigste beschränkt. Und dann passierte es. Gerade als Huxley und sein II.O. wieder die huschenden, gleitenden Schatten im Innenareal erblickten, deren Konturen verzerrt und für ihre Augen einfach undefinierbar blieben, verfinsterte sich Tantal. Die beiden Männer sahen, wie die Schatten plötzlich erstarrten. Doch schon in der nächsten Sekunde kam wie der Bewegung in sie. Irgendwo unter ihnen erschien ein länglicher dunkler Fleck. Für Augenblicke vermeinte Huxley sogar, die scharfen Umrisse eines schwarzen, fremdartigen Raumers zu erkennen, dann jedoch blieb ihm keine weitere Zeit mehr für irgendwelche Überle gungen. Über der Ringstadt erschienen innerhalb von Sekunden weißstrah lende, von schimmernden, rotierenden Spiralen umgebene Miniatur sonnen. Eine gewaltige Detonation zerriß die geisterhafte Stille. Die folgende Druckwelle preßte Huxley und Maxwell so hart auf die Terrasse, daß ihnen die Luft wegblieb. Der Druckwelle folgte au genblicklich ein zweiter Donnerschlag, durchzuckt von knisternden Entladungen, die im Nu den ganzen Himmel überzogen. Irgendwo polterte etwas in die Tiefe. Die Terrasse erbebte unter weiteren gewaltigen Schlägen. Huxley drehte sich mühsam um. Er sah Maxwell, wie er sich in stinktiv in die Risse und Vertiefungen der Terrasse krallte. Den Blick zum Himmel gerichtet, starrte er aus weit aufgerissenen Augen auf das Schauspiel über ihren Köpfen. »Achtung, Sir, festhalten!« brüllte er plötzlich dem Colonel zu. Gleichzeitig griff er nach dem Vipho. Huxley hörte ihn noch das Beiboot anrufen, irgendeine Warnung ausstoßen. Blitzartig hob Huxley den Kopf. Er wußte nicht, warum Maxwell ihm die Warnung zugebrüllt hatte. Etwas Langgestrecktes, Schwarzes schoß an ihnen vorbei. Es stieß senkrecht empor, genau dem goldenen, flirrenden Energienetz ent gegen, das sich über den ganzen Himmel spannte. Wabernde, lo dernde Maschen, die von Sekunde zu Sekunde dichter und undurch dringlicher wurden. Die Nogk! schoß es Huxley durch den Kopf. Er kannte die Mini atursonnen, kannte dieses flirrende, tödliche Netz. Seine FO-1 ver fügte wie alle Nogk-Kampfschiffe selbst über diese entsetzliche Waffe. Und doch war dieses Netz anders. Noch tödlicher, ultimati ver. Huxley wußte nicht warum, er erfaßte nur, daß es so war. Abermals zuckten donnernde Entladungen auf. Der Schatten prall te gegen das Netz. Huxley und Maxwell wurden von der mit Urge walt durch die Stadt tobenden Druckwelle gepackt und gegen die
Terrassenmauer geworfen. Benommen und undeutlich sah Huxley einen länglichen Körper an ihnen vorbei in die Tiefe jagen. Ein Mann schien irgendwie außen an diesem Körper zu hängen, seine langen Beine strampelten verzweifelt. Er schrie irgend etwas, dann war der Spuk auch schon unterhalb der Terrasse verschwunden. »Sir, das Beiboot!« Wie aus weiter Ferne vernahm Huxley die Stimme seines Ge fährten. »Prewitt hing außen an der Schleuse…« Huxley schüttelte mit aller Gewalt seine Benommenheit ab. Lang sam richtete er sich in hockende Stellung auf. »Das Beiboot? Prewitt?« Maxwell nickte. Huxley griff nach dem Vipho. Doch er kam abermals nicht dazu, sein Vorhaben auszuführen. Über ihnen erschien der längliche Schatten. Deutlich hob er sich gegen das flimmernde Energienetz der Nogk ab. »Drei- bis vierhundert Meter!« schätzte Huxley flüchtig. Gleich zeitig schaltete er das Vipho ein, während er sich langsam rückwärts bewegte – dorthin, wo der gewundene Gang ins Innere der Ring stadt führte. Im nächsten Moment jedoch überstürzten sich die Ereignisse. Der Schatten gab seine Anonymität auf. Von einer Sekunde zur anderen verwandelte er sich in ein scharfumrissenes, abstruses Etwas. Pechschwarz und – so verrückt sich das in Huxleys Vorstel lung ausnahm – von einem unbeschreiblichen, lichtlosen Leuchten oder Lodern umgeben, das ihm und Maxwell den kalten Schweiß auf die Stirn trieb. Ein kompliziertes Gebilde aus gewaltigen Röhren, zwischen denen ein nicht genau erkennbarer Innenkörper hin. Das unheimliche Schiff schob sich langsam über die Ringstadt. Urplötzlich schoß aus seinem Innern ein tiefschwarzer Strahl. Er traf das Energienetz der Nogk. Huxley hatte das Gefühl, als würde in diesem Moment das Kontinuum aufgerissen. Von außen drang etwas Dunkles in die Ringstadt ein, saugte das Energienetz auf, griff nach den drei Raumerwracks, die immer noch im Innenareal der Stadt lagen, wirbelte Teile der Stadt empor und ließ alles, was es auch nur für den Bruchteil einer Sekunde berührte, verschwinden. Es war, als ob sich die Dinge und der Raum um Huxley und seine Gefährten auflösten. Die Hände des Colonels verkrampften sich um das Vipho. Er war in diesem Augenblick unfähig, auch nur ein einziges Glied zu rühren. Wie gebannt starrte er das schwarze Monstrum an, das nur wenige hundert Meter von ihm entfernt zwischen den Resten der Ringstadt stand. Und plötzlich starrte er ins Nichts. Ein lodernder Ball dimensionslo ser Schwärze hing für Sekundenbruchteile zwischen Staub, Chaos und Panik vor ihnen. Danach nichts mehr. Von den Schatten keine Spur mehr weit und breit. Huxley lehnte schweratmend an der wieder unter den sengenden
Strahlen Tantals liegenden Mauer der Terrasse, auf der sie sich be fanden. Langsam, noch völlig benommen von den Ereignissen der letzten Minuten, ließ er seine Blicke in die Runde schweifen. Gut ein Drittel der Ringstadt war fort, zerstäubt. Die Wracks der Nogkraumer waren ebenfalls verschwunden, desgleichen die Toten, die vorher noch zwischen den zerstörten Schiffen gelegen hatten. Statt dessen hing im Norden des Planeten eine gewaltige Staubwol ke, die sich langsam der Sonne entgegenschob und sie innerhalb kürzester Frist abermals verfinstern würde. Huxley riß sich zusammen. »Los, Maxwell, rufen Sie die FO-1, ich kümmere mich um das Beiboot!« Das Beiboot meldete sich sofort. Das zerschundene Gesicht Ser geant Coopers erschien auf dem Schirm. »Wir haben unheimlich Dusel gehabt, Sir. Das Boot ist zwar hin, der I.O. verletzt, aber alle anderen sind okay!« »Wo befinden Sie sich, Cooper?« »Irgendwo im Süden der Stadt, Sir. Ich hatte das Boot wieder ab gefangen und hochgezogen, da hat es uns erwischt und hier in die Wüste gehauen. War nichts mehr zu machen. Gut, daß wir Prewitt schon in der Schleuse hatten!« »Bleiben Sie, wo Sie sind, Cooper. Wir holen Sie! Bleiben Sie auf Empfang!« Huxley drehte sich zu Maxwell herum. »Haben Sie die FO-1?« Der II.O. nickte. »Kommt gerade, Sir!« Das Gesicht Chief Erkinssons erschien. »An Bord alles in Ordnung, Chief?« »Alles okay, Sir! Aber wahrscheinlich nur, weil genau über uns eine Gruppe von Nogk-Schiffen steht, die uns die ganze Zeit abgeschirmt hat. Der Schwarze hat auch versucht, nach uns zu greifen, aber das haben die Nogk verhindert!« Huxleys Augen verengten sich. »Nogk? Sie sind noch hier, stehen über Ihnen?« Der Chief nickte abermals und nahm einige Schaltungen vor. Gleich darauf konnten Huxley und Maxwell die Raumer auf den Bildschir men ihrer Viphos sehen. Es war ein Pulk von fünf Kampfschiffen. Eines von ihnen scherte aus dem Verband aus und nahm Kurs auf die Ruine der Ringstadt. Minuten später war es über Huxley und Maxwell. Ein blitzender, tropfenförmiger Körper stieß auf die beiden Männer herab. Knapp zehn Meter von ihnen entfernt setzte er auf. Lautlos öffnete sich das Schott des Beiboots. Es sah aus, als öffne sich die Blende einer riesigen Kamera. Ein Nogk in goldener, weithin leuchtender Uniform trat heraus. Für einen Moment blieb er stehen und sah die beiden Menschen aus seinen dunklen Facettenaugen an. Dann kam er zu ihnen herüber. Mit den raschen, eigentümlich glei tenden Bewegungen seiner Rasse. Auch Huxley und Maxwell setzten sich in Bewegung. »Charaua!« Nur dieses eine Wort kam über Huxleys Lippen, wäh
rend er dem Nogk seine Hände entgegenstreckte. Charaua ergriff sie und hielt sie eine Weile fest. >Es ist gut, daß du hier bist, Huxley!< teilte er sich dann in der lautlosen Art der Nogk mit. Und wieder registrierten die beiden Men schen erstaunt, wie präzise und deutlich die Bildtelepathie der Nogk war, wie sie genau das in jeder Nuance auszudrücken vermochte, was ein Nogk sagen wollte. Irgendwo in einem Teil ihres Gehirns wurden die Impulse des Nogk zu menschlichen Begriffen umgeformt – zumindest bei Colonel Huxley und seiner ganzen Crew, die sich mittlerweile alle einen nogkschen Modulator hatten implantieren lassen. >Wir hatten dich schon lange erwartet, Huxley! Dich und deine Männer! Du hast eben gesehen, was in unserem System vorgeht. Wir kennen diesen heimtückischen Feind noch nicht, wir wissen nicht, woher er kommt und was er will. Unsere Rasse mußte schwe re Verluste hinnehmen. Noch sind unsere Waffen ziemlich machtlos gegen die schwarzen Schiffe. Unser Wohnplanet ist zerstört. Der Rat des Imperiums hat schwerwiegende Beschlüsse gefaßt; unsere Techniker entwickeln zusammen mit den Meegs eine völlig neue Technik!< Er machte eine Pause. Huxley sah, wie seine Fühler unruhig spiel ten. Gleichzeitig tauchte in den Hirnen der beiden Männer die Vision riesiger Zentren unter der Oberfläche eines heißen, atmosphäre losen Planeten auf. In einem der Hangars arbeiteten die Nogk an einem Schiff, das sich von allen anderen Nogk-Raumern schon rein äußerlich unterschied. Er sah Mitglieder des Rates aus dem Schiff herauskommen, sah gelbuniformierte Meegs hineineilen. Huxley wußte, daß Charaua sie mit diesen Bildern auf etwas vor bereiten wollte. Deshalb sah er den Nogk jetzt fragend an. »Du bist nun ebenfalls Mitglied des Rates, Charaua. Was hat das alles zu bedeuten? Wo lebt ihr und warum bekamen wir auf keinen unserer Rufe Antwort von euch, bevor wir auf Nogk II landeten?« >Wir konnten euch nicht antworten, ohne die Fremden sofort auf euch aufmerksam zu machen. Dann aber hätte auch ich dir nicht mehr helfen können. Wir sind gerade noch zur rechten Zeit gekom men. Noch heute findet eine Sitzung des Rates unseres Imperiums statt. Als Ratsmitglied wirst du daran teilnehmen, Huxley. Und nicht nur du allein, sondern alle deine Männer. Dann wird die Zeit sein, Fragen zu stellen. Wir brauchen die Hilfe deiner Rasse, Huxley! Uns droht eine Gefahr, deren Größe sich noch gar nicht abschätzen läßt!< Der Nogk legte Huxley und Maxwell seine Hände auf die Schultern. >Kommt jetzt! Wir bringen euch an Bord eures Schiffes. Und wir werden darüber wachen, daß ihr wohlbehalten auf unseren neuen Wohnplaneten gelangt!< Als eine riesige Staubwolke die Sonne Tantal von Norden her ver finsterte, startete die FO-1, nachdem sie das beschädigte Beiboot und seine Besatzung wieder an Bord genommen hatte.
Der schlanke, spindelförmige Raumer nahm sich zwischen den fünf Kampfschiffen der Nogk wie ein Zwerg aus. Die sechs Schiffe nahmen Kurs auf die blaugrüne Sonne dieses unheimlichen Systems auf der anderen Seite der Galaxis. Huxley saß im Leitstand seines Schiffes und starrte nachdenklich auf die nadelfeinen Punkte ferner Sonnen. »Sir!« Der Colonel fuhr aus seinen Gedanken hoch. Chief Erkinsson stand vor ihm. »Der I.O. ist versorgt und wird schon bald wieder aktionsfähig sein. Das Beiboot läßt sich mit Bordmitteln nicht reparieren, der Druckkörper ist zu schwer beschädigt. Vielleicht können die Nogk…« Huxley richtete sich aus seiner lässigen Haltung auf. Aufmerksam betrachtete er den Chief. Unwillkürlich zogen sich seine Brauen zu sammen. »‘raus mit der Sprache, Chief. Deswegen sind Sie doch nicht hier hergekommen! Das hätten der Doc oder Sie mir über Vipho mittei len können! Also, was ist denn nun wirklich los?« Ganz gegen seine Gewohnheit druckste Chief Erkinsson eine Weile herum, bis er endlich herausbrachte: »Sir, bevor die Nogk uns zu Hilfe kamen, habe ich… weil ich dachte… kurz und gut: Ich habe über To-Funk einen SOS-Ruf nach Terra losgelassen. Ich weiß nicht, ob das nicht ein schwerer Fehler war, aber ich hatte noch keine Ahnung von diesen teuflischen Fremden…« Huxleys Hände umkrampften die Lehnen seines Kontursessels. Fieberhaft versuchte er, mögliche Gefahren zu bedenken, die dieser Notruf für Terra heraufbeschwören könnte. Doch dann schüttelte er plötzlich den Kopf. »Ich mache Ihnen deshalb keinen Vorwurf. Ich hätte wahrscheinlich dasselbe getan. Die Sache muß aus ihrer Posi tion noch um einiges scheußlicher ausgesehen haben. Ehe wir in dieser Angelegenheit weitere Schritte unternehmen, wollen wir die Ratssitzung der Nogk abwarten, Chief. Bleiben Sie inzwischen auf jeden Fall auf Empfang, falls Cent Field antworten sollte!« Der Chief atmete auf, aber dann, als er schon im Begriff war zu gehen, blieb er noch einmal stehen. »Falls Cent Field antworten sollte, Sir?« Huxley sah seinen Chief an. »Bevor wir das Sol-System verließen, sprach ich mit Monty Bell. Er sagte für die nächste Zeit Magnetorkane von einer Stärke voraus, wie sie die Galaxis bisher noch nicht erlebt hat! Einen Vorgeschmack haben wir ja bereits bei unserem Rüg hierher bekommen. Immerhin haben wir mehr als doppelt so lange wie üblich gebraucht, um das Tantal-System zu erreichen… Auch wenn es hier momentan ruhig ist, Erkinsson, kann in anderen Gebieten der Milchstraße der Teufel los sein. Und Sie wissen ebensogut wie ich, daß während eines Or kanmaximums selbst To-Funk wirkungslos ist!« Erkinsson nickte und verließ den Leitstand. Hätte Huxley geahnt, welche verheerende Wirkung dieser SOS-Ruf haben sollte, er hätte
alles versucht, um das zu ändern… Major Caruso starrte dem Nogkraumer nach. Konsterniert drehte er sich zu T’Challa um. »Verdammt, jetzt ist er weg! Wie ist das nur möglich? Die Nogk müssen uns doch bemerkt haben! Sie hätten doch erkennen müs sen, daß hier oben Menschen standen!« Er zog fröstelnd die Schultern hoch. Eine Windböe strich scharf und eiskalt über den Gipfel. Blitzend brachen sich die Sonnenstrahlen in den Totenkegeln der Nogk. »Wir müssen etwas unternehmen! Wenn das Schiff von unseren Überwachungsstationen geortet wird, ist im Handumdrehen der Teufel los!« T’Challa nickte. »Sie haben recht, Major! Wir müssen schleunigst Cent Field benachrichtigen! Bulton sollte Bescheid wissen!« Der Major setzte sich in Bewegung. Er ging mit schnellen Schrit ten, und dann begann er zu rennen. Er wußte genug über die Nogk und ihre Technik, um sich mit jeder verstreichenden Sekunde mehr Sorgen zu machen. T’Challa rannte hinter ihm her. Dem Leutnant war plötzlich ein beunruhigender Gedanke gekommen. »Major! Warten Sie!« Er packte Caruso am Arm. Caruso blieb stehen und starrte seinen ehemaligen I.O. irritiert an. »Was zum Teufel, T’Challa…« »Haben Sie eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, was mit den Nogk passiert sein könnte? Ihr Schiff ist völlig unversehrt, trotz dem haben sie sechs Tote. Sie starten, ohne die geringste Notiz von uns zu nehmen. Eine Tatsache, die bei allem, was man über diese Rasse, über ihre sprichwörtliche Reaktionsfähigkeit und Wachsam keit weiß, einfach unglaublich ist!« Er verstärkte unwillkürlich seinen Griff. »Was, Major, wenn die Nogk durch irgendwelche Einflüsse – durch Vorkommnisse, die wir nicht kennen, von denen wir nicht die ge ringste Vorstellung haben – in unserem Sinne vielleicht gar nicht mehr normal sind?« Caruso erblaßte. »Bei allen Sternengeistern, T’Challa, Sie glauben doch nicht… Sie denken doch nicht etwa, die Nogk wären…« T’Challa schüttelte den Kopf. »Ich glaube gar nichts, Major. Aber mir will dieses seltsame Ver halten der Nogk nicht in den Kopf. Ich bin der Meinung, daß wir Bulton und Cent Field, und nicht nur Cent Field, auf alle Möglich keiten vorbereiten müßten! Sie wissen so gut wie ich, welch eine Kampfkraft so ein Nogkraumer in sich bergen soll!« Major Caruso antwortete nicht mehr. Er rannte, ohne auch nur ei ne einzige Sekunde zu verlieren, weiter. Und bei jedem Schritt ver fluchte er ihren Ausflug und die Tatsache, daß ihr Jett möglicher weise zu weit entfernt war, um ihn rechtzeitig zu erreichen.
3.
Janos Szardak, Kommandant des zur Zeit auf Cent Field stationier ten Ringraumergeschwaders Sol, schwang mit seinem Kontursessel herum. Mit gerunzelten Brauen starrte er abwechselnd auf die Folie in seiner Hand und auf den Bildschirm, den Marschall Bultons grim miges Konterfei zur Gänze ausfüllte. Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich, während Szardak die Meldung las. Sie war verstümmelt; den eigentlichen Text konnte er sich nur zusammenreimen, indem er die Bruchstücke in Gedanken miteinander verband. Bulton beobachtete ihn scharf. »Was halten Sie davon, Szardak?« fragte er schließlich. »Das ist ein Notruf der FO-1, Bulton! Ein SOS-Ruf von Huxley, wie er nicht dringender sein könnte!« In seinem sonst so unbeweglichen Gesicht arbeitete es. »Huxley ist nicht der Mann, der leichtfertig um Hilfe ruft! Bei ihm muß der Teufel los sein!« Er warf abermals einen Blick auf die Folie. »Schwarze Schiffe, Schatten«, murmelte er. Doch dann fuhr er plötzlich mit einem Ruck herum. »Verdammt, Bulton, das Wichtigste fehlt! Wo befindet sich die FO 1? Wieso haben wir keine Koordinaten des Schiffes! Sie hätten doch als erstes durchgegeben werden müssen! An Bord der FO-1 gibt es ganz bestimmt keinen einzigen Mann, der in einer Gefahrensituation so durchdreht, daß er vergißt, vor dem eigentlichen Notruf die Posi tion seines Schiffes durchzugeben. Nicht bei Huxley und seiner Crew!« Der Marschall nickte. »Genau das ist es, Szardak! Genau das gleiche habe ich auch ge dacht. Und nun hören Sie gut zu, Szardak: Ich habe sofort Recher chen in den Peilstationen durchführen lassen. Das Ergebnis ist völlig verrückt: Der Spruch kommt aus dem Randgebiet unseres Spiral arms, aus einem Gebiet, das von unseren Schiffen wegen der Strahlorkane so gut wie nie angeflogen wird, aus Richtung der Ko ordinate Rot. Entfernung der Einpeilung 1900 Lichtjahre. Die FO-1 befindet sich aber nicht in jenem Gebiet, sondern bei den Nogk. Wie kommt Huxley in die Randzone unseres eigenen Spiralarms? Ist er allein, oder sind Nogk-Schiffe bei ihm? Und wer sind jene Schatten, was bedeuten die Worte schwarze Schiffe?« Bulton schien nur noch mühsam Ruhe zu bewahren. »Es droht Ge fahr, Szardak«, fügte er hinzu. »Ich habe bereits Larsen verstän digt. Er hat mit seinem Ringraumergeschwader Kurs auf jenes Ge biet genommen…« Der Marschall unterbrach sich. Sein Gesicht verschwand vom Bild schirm. Gemurmel und unverständliche Wortfetzen drangen über die Tonphase. Und dann begann Bulton zu brüllen. Augenblicke später erschien sein Gesicht wieder auf dem Schirm.
Er wirkte blaß und verstört. »Szardak, ich habe gerade eine unglaubliche Meldung hereinbe kommen. Sie stammt von Major Caruso, der mit einem seiner Män ner auf einer Hochgebirgswanderung in den Kordilleren war. Lösen Sie sofort Alarmstufe eins aus! Ein 600-Meter-Kampfschiff der Nogk ist vor knapp 30 Minuten von einem Plateau des Illampu-Massivs gestartet und auf Nordkurs gegangen. Auf dem Gipfel des Illampu befinden sich sechs Totenkegel der Nogk. Unter den Toten sind kenntlich durch die Uniformen – auch ein Mitglied des Rates des Imperiums und der Kommandant des Kampfschiffs. Was genau geschehen ist, wissen wir nicht. Es besteht jedoch die Möglichkeit, daß die Nogk an Bord des Kampfschiffs in unserem Sinne nicht mehr normal sind. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen brauche ich Ihnen nicht erst zu nennen. Halten Sie sich und Ihre Raumer bereit, Szardak, aber greifen Sie den Nogkraumer unter keinen Umständen zuerst an, egal was das Schiff tut. Lassen Sie zur Überwachung am besten zwei oder drei Ihrer Ringraumer starten. Der Nogkraumer kann jeden Moment bei Ihnen auftauchen – wenn er überhaupt noch auf Nordkurs liegt und nicht inzwischen unter seinem Unsichtbar keitsschirm verschwunden und damit auch für unsere Ortung unauf findbar ist!« Der Marschall atmete schwer. »Szardak, ich bin davon überzeugt, daß zwischen dem Notruf der FO-1 und dem geheimnisvollen Auftauchen dieses Nogkraumers ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Daran gibt es für mich nicht den geringsten Zweifel! Schwarze Schiffe… Schatten…« »Wenn diese Fremden über Mittel verfügen, die den Nogk-Schiffen derart zuzusetzen vermögen, ohne den Rumpf auch nur im gering sten zu beschädigen, dann ist das ein böses Zeichen, Bulton!« Szar daks Gesicht war maskenhaft starr, als er fortfuhr: »Das bedeutet nämlich, daß diese Fremden über eine Waffe verfügen, die Schutz schirme wertlos werden läßt… Allmählich glaube ich fast, daß die Nogk Terra um Hilfe bitten wollten oder warnen…« Er wurde von einem lauten Ruf seines Ortungsoffiziers unterbro chen, der dem Wortwechsel aufmerksam gefolgt war, dabei aber seine Instrumente nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen hat te: »Colonel Szardak! Der Nogkraumer! Er kommt genau auf Cent Field zu! Verdammt, das Schiff setzt zur Landung an…« In rasender Eile gab Szardak Anweisungen an seine Offiziere und die ihm unterstellten Kommandanten. Dann sahen die Terraner zu, wie der riesige Raumer langsam auf die Piste Cent Fields niedersank. Der eiförmige Rumpf leuchtete weithin sichtbar im hellen Licht der Sonne. Das Schiff selbst und seine Besatzung aber blieben stumm. Die Nogk reagierten auf kei nen einzigen Anruf. Szardak starrte aus schmalen Augen auf das riesige Schiff, dessen Schatten auf die Piste fiel und über die Ringraumer huschte, in de nen viele hundert Männer in atemloser Spannung die Landung des
Raumers beobachteten. Urplötzlich wurde er von einer unerklärlichen, nagenden Unruhe erfaßt. Das Gefühl, es könne auf jede Sekunde ankommen, wurde in ihm übermächtig. Ohne weiter nachzudenken verließ er nach einem letzten Blick auf die Bildschirme mit langen Sätzen die Zentrale seines Schiffs. Er erreichte das Schott, als der Gigant eben seine Landekufen ausfuhr. Im Laufen schätzte Szardak sie auf mindestens 200 Meter Länge und eine Breite von mehr als 30 Metern. Im Mittelteil des Nogkraumers öffnete sich eines jener lamellenartigen Schotts, die immer wieder an die überdimensionale Blende eines Kameraver schlusses erinnerten. Janos Szardak verlangsamte seinen Lauf. Und dann blieb er plötz lich wie angewurzelt stehen. In der fahl beleuchteten Öffnung erschien ein Nogk. Deutlich er kannte Szardak die blaue Uniform, von deren Schultern Silberstrei fen bis zu den Handwurzeln hinabliefen. Tausend Empfindungen und Gedanken durchzuckten ihn. Er dachte an seine erste Begegnung mit den Nogk – auf Hope, im Col-System. Der Nogk bewegte seine beiden Fühlerpaare. Ihre Spitzen richteten sich auf Szardak. Gleich darauf vernahm er über den implantierten Modulator auch schon die lautlosen, bildhaften Impulse. >Bleib stehen, Terraner. Ich schicke dir ein Gleitfeld, das dich an Bord dieses Schiffes bringt. Ich muß mit dir sprechen, Terraner.< Die letzten Impulse kamen nur noch sehr schwach. Die Bilder, die sie irgendwo in Szardaks Hirn entstehen ließen, verloren an Schärfe und Brillanz. Der Nogk taumelte sekundenlang. Szardak wurde plötzlich von ei nem grünlichen, leicht pulsierenden Energiefeld eingehüllt. Er spür te, wie er auf einer knapp zwei Meter breiten Lichtbahn dem Raumer entgegenschwebte. Sekunden später setzte ihn das Gleitfeld direkt in der Schleuse des Nogkraumers ab. Erst jetzt kamen Szardak die gewaltigen Ausmaße dieses Schiffes in aller Deutlichkeit zum Bewußtsein. Die Schleuse allein war wesentlich größer als die Zentrale eines Ringraumers. Aus gläsern wirkenden Wänden drang bläuliches, keinerlei Schatten werfendes Licht. Szardak blickte sich suchend nach dem Nogk um. Er erschrak. Der Nogk lag auf dem Boden der Schleuse und rührte sich nicht mehr. Schlaff hingen seine Fühlerpaare zur Seite. Der Körper wirkte eigen artig verkrümmt. Mit wenigen Schritten war der Terraner bei ihm und kniete sich nieder. Die bräunliche, gepunktete Hand des Nogk griff nach ihm. Deutlich spürte Szardak die trockene, lederartige Haut. Und dann vernahm er die Impulse des Nogk. Ganz schwach, verzerrt und undeutlich empfing er die Botschaft. >Euch droht Gefahr, Terraner… Schwarze Schiffe einer unbekann ten Rasse überfielen unseren Wohnplaneten und zerstörten unsere
Städte und einen Teil unserer Schiffe, töteten viele von uns… Auch unsere Technik ist machtlos gegen sie, ehe wir nicht…< Der Nogk verstummte. Szardak spürte förmlich, wie er nach neuen Kräften rang. >Nehmt Verbindung mit unserem Imperium auf, Terraner! Nur zusammen können wir die Fremden vertreiben. Aber hütet euch vor den Schatten, vor den schwarzen Schiffen, unsere Schutzschirme halfen uns nicht…< Abermals verstummte der Nogk. Und diesmal dauerte es eine ganze Weile, ehe Szardak neue Impulse vernahm. >Die Besatzung dieses Schiffes wurde von den Fremden daran ge hindert, die Schlafperiode einzuhalten. Ein Nogk, der die Schlafpe riode zu lange unterbricht, stirbt. Wir können euch nicht helfen, ehe die Schlafstrahler unsere Kräfte nicht regeneriert haben. Ich habe meine Zeit der Erneuerung bereits zum drittenmal unterbrochen, um hierher zu kommen und euch zu warnen. Folge jetzt meinen Impulsen und bringe mich zu meinen Gefährten. Schützt uns und unser Schiff, bis wir wieder erwachen…< Der Nogk erhob sich taumelnd. Seine dunklen Facettenaugen starrten den Menschen an. Ohne eine weitere Frage packte Szardak zu. Er nahm den über zwei Meter großen Nogk auf die Arme und lief mit ihm auf die gege nüberliegende Schleusenwand zu. Lautlos öffnete sich vor ihm das Innenschott und gab ihm den Weg ins Innere des Kampfschiffs frei. Er trat in einen zylindrischen Raum, dessen Wände in lauter kleine Zellen aufgeteilt waren, gerade groß genug, einem Körper von der Größe der Nogk Halt zu bieten. Der Nogk wies ihn an, ihn in eine der Zellen zu stellen, sich selbst in eine andere. Szardak befolgte die Anweisung sofort. Er sah, wie die sehnigen Hände des Nogk sich unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte in die eigens dafür vorgesehenen Griffschalen verkrampften. Dann spürte Szardak eine Bewegung. So heftig, so überraschend, daß ihm fast die Knie einknickten. Sein hagerer Körper wurde gegen eine Wand seiner Zelle gepreßt. Der Zylinder bewegte sich. Wenn sein Orientierungsvermögen Szardak nicht trog, erst quer durch das Kampfschiff, dann dem Heck entgegen und schließlich steil nach oben. Nach einer Zeit, die Szardak viel länger vorkam, als sie in Wirk lichkeit war, stoppte der Zylinder so abrupt, wie er sich in Bewegung gesetzt hatte. Der Nogk schien unterdessen neue Kräfte gesammelt zu haben. Er stieß sich von der Wandung seiner Zelle ab und glitt durch den Zy linder auf ein sich öffnendes Schott zu. Szardak folgte ihm, bereit, jederzeit wieder helfend einzugreifen. Sie gelangten direkt vom Zylinder in einen flachen Kuppelraum, dessen Durchmesser Szardak auf mehr als hundert Meter schätzte. Fasziniert blieb der Terraner stehen.
Vor ihm, tief eingelassen in den Boden des Gewölbes, sah er die Schlafnischen der Nogk. Es mußten weit über tausend sein. Und bis auf einige wenige waren alle besetzt. Sie gruppierten sich in kon zentrischen Kreisen um ein merkwürdiges Gerät mit einem hantel förmigen Projektor. Jedes seiner Projektionssysteme warf einen fahlblauen Strahl auf einen Nogk und hüllte dessen Körper – genau den Konturen der Schlafnische folgend – ein. Der Nogk blieb stehen. Szardak spürte die Anstrengung, die es den Fremden kostete, sich überhaupt auf den Beinen zu halten, fast körperlich. >Ihr dürft diesen Raum niemals betreten, Terraner!< warnte er. >Die Schlafstrahlen würden euch töten! Ich suche jetzt meine Ni sche auf, dabei kannst du mir nicht helfen. Vergewissere dich je doch, ob ich sie auch erreiche. Du kannst mich durch die Schutzde cke beobachten! Falls nicht, dann gib die Botschaft an das Imperium weiter, die dir nach meinem Tod von den Detektoren dieser Schlaf kuppel übermittelt werden wird.< Der Nogk wandte sich ab. Er wankte auf eine Stelle im Kuppel boden zu, über der eine leicht flimmernde Energiebarriere den Zu gang zum Schlafgewölbe absicherte. Ehe der Nogk jedoch in der Barriere verschwand, drehte er sich noch einmal zu Szardak herum. >Die Detektoren dieses Schiffes haben dein Persönlichkeitsmuster eingespeichert und analysiert. Du hast für die Dauer unserer Schlaf periode freien Zugang zu alle Räumen unseres Kampfschiffs. Falls du aber deine Welt verläßt, ehe wir erwachen, dann kannst du sie auf einen oder auch mehrere Terraner deiner Wahl übertragen! Aber sorge dafür, daß unser Vertrauen nicht mißbraucht wird, Terra ner…< Die letzten Impulse vernahm Szardak schon nur noch wie aus weiter Ferne. Der Nogk verschwand hinter der Energiebarriere und sackte lang sam in das Schlafgewölbe hinunter. Szardak blieb stehen und beobachtete, wie der Nogk sich langsam an den Schläfern vorbei von Nische zu Nische schob. Schließlich mußte er eine Pause einlegen. Völlig erschöpft hockte er seitlich von einem der Schläfer, auch jetzt noch immer sorgsam darauf bedacht, nie in den Projektorstrahl eines seiner Gefährten zu geraten. Seine Fühler vibrierten schwach, und von Zeit zu Zeit überlief sie ein heftiges Zittern. Dann raffte sich der Nogk abermals auf. Mit äußerster Anstrengung schob er sich auf seine Schlafnische zu, erreichte sie und ließ sich augenblicklich hineingleiten. Es gelang ihm gerade noch, sich zu rechtzulegen, als auch schon vom Projektor her der Schlafstrahl auf ihn zustieß und seinen Körper einhüllte. Szardak atmete erleichtert auf. Er warf einen letzten Blick auf die Schläfer unter dem glasartigen Boden, auf dem er stand, und ver ließ dann mit schnellen Schritten das Gewölbe. Voll Erstaunen und
Befriedigung zugleich stellte er fest, daß es ihm keinerlei Schwierig keiten bereitete, sich in dem riesigen Nogkraumer zu orientieren. Schotts öffneten sich automatisch, sobald er auf sie zutrat, die Transportzylinder brachten ihn jeweils genau dorthin, wohin er woll te. Minuten später stand er schon wieder in der großen Außenschleuse und glitt gleich darauf in einer grünen Lichtbahn auf die Piste hinab, auf der seine Ringraumer lagen. Mit schnellen Schritten ging er zu seinem Schiff hinüber. Eine knappe halbe Stunde später saß Marschall Bulton mitten in der Zentrale des Ringraumers und hörte sich Szardaks Bericht an. Die Stirn des Marschalls furchte sich von Satz zu Satz mehr. »Szardak, Sie müssen mit Ihrem Geschwader Larsen so rasch wie möglich folgen. Ich werde inzwischen auf Biegen und Brechen ver suchen, Ren Dhark zu erreichen. Außerdem werde ich an Schiffen und Kräften mobilisieren, was ich habe. Aber wenn die Nogk mit diesen unheimlichen Fremden schon nicht fertig wurden, was, zum Teufel, soll dann erst aus uns werden, wenn sie hier auftauchen? Es ist ja geradezu, als ob in unserer Milchstraße der permanente Wahnsinn ausgebrochen ist. Seit der Invasion dieser verdammten Giants gibt es in unserer Galaxis nichts anderes mehr als unaufhörli chen Krieg, Mord und Totschlag!« Der Marschall war aufgesprungen und stand mit geballten Fäusten in der Zentrale. Er starrte düster vor sich hin. »Und ein Ende, ein Ende dieser sinnlosen Abschlachterei ist noch lange nicht abzusehen«, fügte er schließlich hinzu. Unvermittelt trat er dicht an Szardak heran. »Auf wen wollen Sie den Zugang zum Nogkraumer übertragen, Szardak?« Der Angesprochene überlegte nur kurz. »Ich dachte an Sie, Mar schall – und an Major Caruso!« Bulton verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Doch bevor er etwas sagen konnte, setzte Janos Szardak gedanken verloren hinzu: »Wir sollten jetzt keinen Fehler begehen. Der Nogk warnte mich, sein uns geschenktes Vertrauen zu mißbrauchen! Von Huxley weiß ich, wie empfindlich diese Rasse auf derlei Dinge re agiert. Aus Freunden könnten leicht Feinde werden, Marschall! Sie und Caruso – und sonst niemand!« Überraschend schnell lenkte Bulton ein. »Nun gut, Szardak, viel leicht ist es am besten so! Obwohl ich mich frage, warum Sie ausge rechnet diesen… ach, vergessen Sie’s!« Dann fiel ihm noch etwas anderes ein. »Was glauben Sie, wie lange wird es dauern, Szardak, bis die Nogk wieder erwachen?« Doch der zuckte nur die Achseln. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, Marschall.« Bulton seufzte und wandte sich dem Schott der Zentrale zu. »Dann werde ich mich mal um den Papierkrieg kümmern, damit Sie so bald wie möglich aufbrechen können…«
Im halbkugelförmigen Leitstand der FO-1 herrschte absolute Stille. Huxley hatte auf Allround-Sicht geschaltet. Es sah aus, als schweb ten die drei Männer mit ihren Kontursitzen irgendwo zwischen den Sternen am Rand der Galaxis. Von den Wandungen und der kreis förmigen Bodenfläche des Leitstandes war nichts mehr zu sehen. Statt dessen glommen zwischen den nadelfeinen Punkten der fernen Sonnen wie von Geisterhand gezogene Koordinaten, die das All in Sektoren unterteilten. An Steuerbord stand Tantal als grünblaue, durch die automatischen Filter gedämpfte Scheibe. Über und unter ihnen zogen die für normale Augen und Apparaturen völlig unsicht baren Kampfschiffe der Nogk durch den Raum. Allsichtschirme waren eine Spezialität der Nogk. Alle ihre Schiffe waren mit solchen Zentralen ausgerüstet. Nur das schwache Licht der Instrumentenbeleuchtung schimmerte durch die Dunkelheit. Unablässig kreisten suchend die hochempfindlichen Tasterfinger der Detektoren. Sie würden jeden Feind erfassen, noch ehe er nahe genug heran war, um den Verband zu überfallen. Jeden? Huxley stellte sich diese Frage zum x-tenmal. Tantal blieb hinter ihnen zurück. Einer der Sektoren des Schirms glomm auf. Zwischen den Sternen erschien der ins Überdimensionale vergrößerte Kopf Charauas. Sei ne goldene Uniform mit den silbernen Streifen bildete einen gerade zu fantastischen Kontrast zur samtenen Schwärze des Alls. >Wir nähern uns dem innersten Planeten unseres Systems <, ver nahmen die Männer die Impulse des Nogk. Gleichzeitig entstand in ihren Gehirnen das Bild einer wahren Höllenwelt. Unerträglich hel les, blaugrünes Sonnenlicht, klaffende Spalten, die die ganze Ober fläche durchzogen. Krater, aus denen brodelndes Magma floß und dort, wo es die Oberfläche des Planeten berührte, Gesteine, Minera lien und alles, was sich ihm in den Weg stellte, in gelbrote Gas schwaden verwandelte, die wiederum gierig von den klaffenden Spalten aufgesogen wurden. Huxley schauderte. Er hatte nur einmal etwas Ähnliches gesehen: Auf Merkur, dem innersten Planeten des Sol-Systems. Aber der war im Vergleich zu dieser Ausgeburt der Hölle harmlos. Er dachte dar an, was einem Schiff und seiner Besatzung geschehen mochte, das auf einer solchen Welt notlanden mußte… Die Impulse des Nogk nahmen ihn erneut gefangen. Er zeigte den Männern im Leitstand der FO-1 nun einen Krater, dessen Durch messer knapp fünf Kilometer betragen mochte. Er lag hoch im Nor den des Planeten. Dort traten die langen, oft viele Kilometer breiten Spalten und das glühende Magma mit seinen giftigen, dichten Schwaden weit seltener auf. >Unter diesem Krater befindet sich eine Höhlung, die wir künstlich erweitert und ausgebaut haben!< teilte ihnen Charaua mit. >Sie ist groß genug, einen Teil unserer Schiffe aufzunehmen – und au ßerdem noch etwas, das ihr gleich kennenlernen werdet. Wir haben
auf dieser Welt noch einige solcher Höhlungen entdeckt und für unsere Zwecke ausgebaut, nachdem unsere Städte auf Nogk II zerstört wurden. Zum Teil durch die ständigen Angriffe des Nor-ex, wie eure Bezeichnung für diese Hyperraumwesen war, zuletzt durch die schwarzen Schiffe. < Er schwieg für einen Moment. Seine Facettenaugen glitzerten. >Ich werde mit meinem Kampfschiff zuerst in den Hangar einflie gen. Dann kommst du, Huxley, während die anderen vier Schiffe über eure Sicherheit wachen. Lande neben meinem Schiff und folge mir dann sofort mit allen Terranern, die sich an Bord deines Schiffes befinden. Der Rat des Imperiums wartet bereits auf uns!< »Gut, Charaua, ich verständige meine Männer!« Huxley schaltete die Bordverbindung ein. »Kommandant an Be satzung: Nach der Landung versammelt sich die gesamte Mann schaft ohne Ausnahme vor der Steuerbordschleuse. Ihr alle kennt die Nogk. Ich bitte mir äußerste Disziplin aus! Wir nehmen ge schlossen an einer Sitzung des Rates des Nogkschen Imperiums teil. Denkt daran, daß wir Terra repräsentieren! Ende!« Maxwell und Erkinsson warfen Huxley erstaunte Blicke zu. Was sollte diese Ermahnung? Die Männer an Bord der FO-1 waren aus gesuchte Spezialisten. Disziplin war an Bord dieses Schiffes eine Selbstverständlichkeit. Huxley drehte sich zu ihnen um. »Sie halten mich jetzt für total übergeschnappt, oder? Sie finden meine Bemerkung bezüglich der Disziplin völlig überflüssig, stimmt’s?« Maxwell und der Chief nickten. »Warten Sie’s ab! Sie werden sehr bald wissen, warum diese Er mahnung keinesfalls überflüssig war!« erwiderte Huxley und been dete damit das Gespräch. Er wandte sich wieder den Kontrollen zu, denn Charauas Kampfschiff schwebte bereits dem Krater im Norden des Teufelsplaneten entgegen. »Chief, kümmern Sie sich bitte darum, daß der Doc unseren I.O. auf die Beine bringt. Ich hoffe, Prewitt ist inzwischen wieder so weit!« fügte Huxley nach einer Weile noch hinzu. Der Chief erhob sich und verließ den Leitstand. Huxley beobachtete den Nogkraumer. Ihm war noch immer unklar, wie das riesige Schiff durch den Kraterboden in das Innere des Han gars gelangen würde. Unwillkürlich unterzog er den ganzen Krater, der von seinem Schiff aus gerade noch zu überblicken war, einer genaueren Musterung. »Donnerwetter!« entfuhr es ihm unwillkürlich, während sich seine Augen zu Schlitzen verengten. Maxwell fuhr ebenfalls herum. »Das ist gar kein Krater, Maxwell!« Huxley war aus seinem Kontursitz geglitten und stand jetzt neben dem Steuerpult. »Da, sehen Sie sich einmal die beiden konzentrisch hintereinander
liegenden Ringwälle an! Können Sie es erkennen?« Maxwell stieß einen leisen Pfiff aus. Gleich darauf wanderten seine Blicke über den Boden des angeblichen Kraters. »Sie haben recht, Sir! So wenig wie die Ringwälle echt sind, so wenig ist es der Kraterboden selbst! Lediglich eine täuschend ähn lich nachgeahmte Energiebarriere! Die Ringwälle hingegen…« Er wurde unterbrochen. >Ihr habt scharfe Augen, Terraner! Der Krater ist eine Imitation, der Boden eine Energiebarriere mit einem von unseren Technikern genau berechneten Reflexionsvermögen des Sonnenlichts!< ver nahmen sie plötzlich Charauas Impulse. >Die Wälle bergen im Ge gensatz zu unseren früheren Städten jedoch keine Versorgungsag gregate, sondern hochempfindliche Taster- und Detektorzentren. Außerdem eine neue, ultimative Waffe, die aber bisher noch nicht zum Einsatz gekommen ist und auch nicht eingesetzt werden wird, wenn uns die schwarzen Schiffe hier nicht ebenfalls aufspüren und angreifen!< Charaua unterbrach seine Impulse für einen Moment, um einige Anordnungen zu erteilen. >Außerdem brauchten wir die Ringwälle, weil unsere Rasse auf Dauer ohne direktes Sonnenlicht oder zumindest einen gleichwerti gen Ersatz nicht zu leben vermag. Wir können nicht im Innern eines Planeten leben! Landen wir also jetzt, alles weitere werdet ihr dann sehen!< Der Nogkraumer senkte sich auf den Kraterboden hinab und ver schwand in der Energiebarriere, die die übrige Planetenoberfläche täuschend ähnlich nachahmte. Huxley folgte mit seiner FO-1 sofort. Da er inzwischen die AllsichtSchaltung der Zentrale wieder aufgehoben hatte, vermochte er die vier anderen Kampfschiffe der Nogk nicht mehr zu sehen. Sie stan den irgendwo über ihnen im Schutz ihrer Unsichtbarkeitsschirme. Die FO-1 sackte durch die Energiebarriere in den gewaltigen Han gar, der sich unter ihr auftat. Und obwohl Maxwell und er die Nogk und ihre Technik kannten, verschlug es ihnen diesmal doch den Atem. Als erstes begriffen sie, daß die beiden Ringwälle, die wie alle Nogk-Städte aus jener durchlässigen, glasartigen Substanz bestan den, ein raffiniertes optisches System bildeten oder zumindest in sich bergen mußten. Der gesamte Hangar wurde auf sanfte, über aus angenehme Weise vom grünblauen Licht der nahen Sonne durchflutet. Im Hangar selbst zog sofort ein Areal ihre Blicke auf sich, in dem sich ein gewaltiger Druckkörper befand, der mit keinem der ihnen bekannten Schiffe zu vergleichen war. Er besaß von oben gesehen die mathematisch genaue Form einer Ellipse. Je tiefer die FO-1 sank, desto größer wurde die Bestürzung der beiden Männer im Leitstand. Auch von der Seite her bildete der Raumer, denn um einen solchen handelte es sich unverkennbar, eine Ellipse, wenn auch in abgeflachter Form.
Huxley umklammerte unwillkürlich die Lehnen seines Kontursitzes. Er erfaßte sofort, daß es mit keinem der bisher bekannten Verfahren möglich war, eine derartig geformte Zelle herzustellen. Blitzschnell versuchte er, sich verschiedene Schnittebenen durch den Raumer vorzustellen, doch vergebens. Dazu reichten auch seine immensen Kenntnisse nicht aus. Und dann die Ausmaße! Wirkten die normalen Schiffe der Nogk schon gewaltig, dieses Monstrum übertraf sie deutlich. Huxley schätzte den Rumpf auf mindestens 900 Meter Länge. »Heavens, Maxwell!« stieß er endlich konsterniert hervor. »So leicht bringt mich ja nichts und niemand aus der Fassung, aber die Nogk haben das gründlich geschafft! Was mögen sie wohl mit die sem Monstrum von Schiff vorhaben?« Sein II.O. schüttelte den Kopf. »Also wenn Sie mich fragen, Sir, so habe ich mir immer einen der vorläufig noch utopischen transgalak tischen Raumer vorgestellt. Aber das ist natürlich völliger Unsinn…« Huxley wirbelte herum. »Transgalaktischer…« Schlagartig begriff er mit der ihm eigenen Schnelligkeit. Er starrte das riesige Schiff an, als sähe er ein Ge spenst. Mit verkniffenem Gesicht setzte er die FO-1 auf dem Boden des Hangars auf. Gleichzeitig öffnete er über die Zentralsteuerung die Steuerbordschleuse. »Gehen wir, Maxwell! Ich fürchte, wir werden heute noch einige Neuigkeiten erfahren, die uns wenig behagen werden!« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er davon. Maxwell starrte ihm sekundenlang hinterher, ehe er sich ebenfalls in Bewegung setzte. Krampfhaft versuchte er, den Sinn von Huxleys Worten zu erfassen, gab dann aber auf…
Aufmerksam von den Nogk beobachtet, marschierte die Besatzung der FO-1 in geschlossener Formation durch den Hangar. Jetzt zeigte sich, welch eine verschworene Gemeinschaft diese Besatzung bil dete. Im allgemeinen verzichtete Huxley auf derartige militärische Demonstrationen, doch er nahm Rücksicht auf die Mentalität seiner Freunde. Er wußte, daß bei den Nogk die Begriffe Disziplin und ab
soluter Gehorsam an erster Stelle standen. Die Nogk waren eine mi litante Rasse, diesem Umstand trug er Rechnung. Und hätte er in den Gehirnen und Gedanken der beobachtenden Krieger, Techniker, Wissenschaftler und Offiziere lesen können, hätte sich Huxley zu seinem Einfühlungsvermögen beglückwünscht. Charaua führte sie einer transparenten Wandung entgegen, hinter der das Licht der Sonne Tantal heller zu leuchten schien als in den übrigen Bereichen des riesigen Hangars. Durch ein Lamellenschott traten sie ein. Zum zweitenmal an die sem Tag staunte Huxley darüber, mit welchem Sinn für Zweckmä ßigkeit und Ästhetik die Nogk sich aus dem Nichts auf diesem Höl lenplaneten ein Lebens- und Wohnzentrum geschaffen hatten. Bei ihrem Eintritt erhoben sich die Ratsmitglieder und die bereits ver sammelten Nogk – es mußten Tausende sein – absolut gleichzeitig von ihren bequemen Schalensitzen. Charaua führte Huxley und seine Männer an den halbkreisförmig angeordneten Sitzreihen vorbei nach vorn zur Ratstribüne. Durch die transparenten Wände drang gedämpftes Sonnenlicht, dessen blaugrüner Schimmer den Raum und die anwesenden Nogk in eine Atmosphäre von Fremdartigkeit und Unwirklichkeit tauchte. Zugleich vermittelte die Versammlung aber auch einen Eindruck der Größe dieser Rasse – trotz ihrer Niederlagen, trotz ihrer Verluste. »Halt!« sagte Huxley leise. Seine Männer blieben stehen. Huxley trat einige Schritte vor, dann folgte er Charaua zu einem Nogk, der bereits auf ihn wartete. Seine goldene Uniform war statt der silbernen mit leuchtend roten Streifen besetzt. Er kam Huxley mit raschen, gleitenden Bewegungen entgegen. >Willkommen, Terraner! Willkommen als Mitglied dieses Rates, willkommen als Angehöriger unseres Volkes!< Er streckte Huxley die braune, gepunktete Hand entgegen. Huxley ergriff sie und erwi derte ihren Druck. Der Nogk wies auf die Sitze zu seiner Rechten. >Nimm dort mit deinen Gefährten Platz, wir haben über vieles mit einander zu sprechen und zu beraten. Außerdem möchten wir in einigen Punkten euren Rat hören. Darüber hinaus brauchen wir die Hilfe deiner Rasse, so wie ihr die unsrige brauchen werdet. Ein un bekannter Feind ist in unsere Galaxis eingedrungen. Er ist gefährli cher als alles, was wir bisher kennengelernt haben!< Der Nogk wies abermals auf die Sitzschale, und Huxley gab seinen Männern ein Zeichen. Sie setzten sich mit der gleichen Exaktheit, mit der sie zuvor in den Raum marschiert waren. Zusammen mit Charaua ging Huxley zu seinen Männern hinüber. Erstaunt stellte er fest, daß ihre Sitzschalen extra für sie angefertigt worden sein mußten. Eine Aufmerksamkeit ihrer Gastgeber, die ihm Achtung abnötigte. Der Herrscher des Imperiums erhob sich. Seine dunklen Facetten augen richteten sich auf die Versammlung. Sein großer, schlanker Körper hob sich scharf gegen die vom Son
nenlicht durchfluteten transparenten Wände ab. Der Herrscher der Nogk bot einen imponierenden Anblick. Die Menschen zuckten unwillkürlich zusammen, als seine ersten Impulse in ihr Bewußtsein drangen. So gestochen scharf, so brillant waren die Bilder, die in ihren Gehirnen entstanden. Die Menschen erlebten noch einmal die Katastrophe im System der roten Riesen sonne Charr, sahen, wie die glühenden Partikelwolken Charrs nach der Atmosphäre des Planeten griffen, wie die Städte durch Tausende von Raumern evakuiert wurden. Sie erlebten noch einmal die Zwi schenlandung auf Ginok, jenem Planeten in der Peripherie der Milch straße, dann den erneuten Aufbruch, den Bau der neuen Ringstädte auf Nogk II und ihre Vernichtung. Der Herrscher der Nogk machte eine Pause. Dann wandte er sich an die Menschen. >Seit unsere Rasse ihr altes System verließ, wurde sie von Tod und Vernichtung verfolgt – vor allem durch jene Magnetorkane, die die Tiefen der Galaxis durchtoben. Diese Orkane haben einen gro ßen Teil unserer Brut, unserer Nachkommenschaft vernichtet. Tritt keine Änderung ein, dann ist unsere Rasse zum Sterben verurteilte Er sah Huxley an. >Du kennst von allen deinen Gefährten die Pro bleme und Gefahren, die unsere Existenz bedrohen, am besten. Und doch weißt du nur wenig von uns, von der Entstehung unserer Ras se. Wir Nogk sind streng genommen das Produkt oder das Relikt einer kosmischen Katastrophe. Wir sind Mutanten – jedenfalls wür den eure Wissenschaftler uns so nennen. Du weißt, daß wir ohne das Licht einer Sonne, ohne die vielfältige Strahlung, die ununter brochen aus den Tiefen des Universums auf jeden Planeten, auf jedes Lebewesen einwirkt, nicht existieren können. Zumindest nicht auf Dauer. Wir Nogk sind abhängig von jener Strahlung, vom nor malen und ungestörten Ablauf all jener kosmischen Vorgänge, die in und um unsere Galaxis seit Jahrmillionen und Jahrmilliarden statt finden. Dieser Ablauf ist nun gestört, wodurch, das vermochten bisher weder eure noch unsere Wissenschaftler zu ergründen!< Er unterbrach seine Impulse und starrte eine Weile vor sich hin. >Ihr müßt verstehen, daß wir diese Galaxis nicht verlassen kön nen, selbst wenn unsere Schiffe in der Lage wären, entsprechende Entfernungen zu überwinden. In dem strahlungsinaktiven Raum zwi schen zwei Sterneninseln würden wir sterben. Wir haben derartige Versuche unternommen. Trotzdem müssen wir hier fort. Trotzdem müssen wir diese Galaxis verlassen, wenn wir weiterleben wollen!< Er machte mit der Hand ein Zeichen. Sofort verdunkelte sich der Raum, und an der gewölbten Decke erschien – größer und detail lierter als Huxley und seine Männer sie je gesehen hatten – zwi schen hauchdünnen, glimmenden Koordinaten Andromeda mit ihren beiden Begleitern. Ein Lichtstrahl huschte auf die größere der beiden Andromeda be gleitenden Satellitengalaxien zu. >Dort wird unsere neue Heimat sein, Terraner! Ihr habt vorhin das
neue Schiff im Hangar liegen sehen. Unsere Wissenschaftler haben es aufgrund sorgfältiger Untersuchungen entwickelt. Das Schiff ist noch nicht fertig, das dauert noch eine Weile. Aber inzwischen sind zwei kleinere Einheiten vom gleichen Typ fast fertiggestellt. Eine davon, Huxley, sollst du mit deinen Männern und einer Gruppe von Nogk unter Führung Charauas erproben. Wir wollen, daß ihr Terra ner die Erprobung vornehmt, weil ihr strahlungsunabhängiger seid. Und weil ihr – sollte trotz aller Sorgfalt unserer Wissenschaftler etwas Unvorhergesehenes geschehen – nicht so hilflos seid wie wir Nogk. Das ist meine eine Bitte an euch, ich hoffe, ihr schlagt sie uns nicht ab. Euer altes Schiff mag für die Zeit hierbleiben, wir werden es überholen und abermals verbessern!< Erwartungsvoll richteten sich die Facettenaugen des Herrschers auf die Terraner. Auch die anderen Nogk sahen zu ihnen herüber. Huxley erhob sich. »Wir werden euren Wunsch erfüllen. Es ist auch zu unserem Be sten. Denn wer vermag heute schon zu sagen, ob wir nicht selbst eines Tage entsprechender Schiffe bedürfen, mit denen wir ebenfalls unsere Milchstraße verlassen können.« Zustimmende Impulse brandeten auf. Doch auf ein Zeichen des Herrschers hin verstummten sie sofort. Huxley benutzte die Stille. »Zudem sind unsere Rassen miteinander befreundet. Ein Freund aber hilft dem anderen, das ist selbstverständlich. Doch«, er sah den Herrscher der Nogk fragend an, »was ist mit den schwarzen Schiffen, mit jenen unheimlichen Fremden, von denen bisher nie mand weiß, woher sie kommen, wer sie sind und was sie vorha ben?« Der Nogk richtete sich plötzlich hoch auf. Seine Facettenaugen begannen zu glitzern. Seine ganze Haltung strahlte etwas Drohendes, eine Huxley und seinen Männern bis dahin bei den Nogk unbe kannte Wildheit aus. >Das ist der zweite Punkt, über den ich vor dieser Versammlung mit euch sprechen wollte!< teilte er sich dann mit. >Noch nie hat eine Rasse das Imperium der Nogk ungestraft so heimtückisch an gegriffen, wie diese Fremden es taten! Nicht nur, daß sie unsere Städte zerstörten, viele von uns töteten, grundlos, ohne jeden er kennbaren Anlaß über unsere ihren Waffen gegenüber nahezu wehr losen Kampfschiffe herfielen und sie vernichteten, wo immer sie auf sie trafen, sie haben auch eines unserer Beobachtungsschiffe im Halo der Galaxis verschwinden lassen. Wir wissen nicht, wohin. Wir wissen aber mit Sicherheit, daß dieses Schiff von ihnen nicht zer stört wurde. Es gibt Anzeichen dafür, daß irgendwo in den Randzo nen unserer Galaxis ein Stützpunkt existiert. Wir haben ihn bisher nicht finden können. Wir wissen nicht, wie er aussieht, ob er in unserem oder in einem anderen Kontinuum liegt. Wir wissen nur eines: Wir müssen ihn finden und vernichten. Darum wollte ich dich bitten, Huxley, deine Rassegefährten zu Hilfe zu rufen, sie notfalls
mit einem der neuen Raumer zu holen. Jener Terraner, der sich Ren Dhark nennt, verfügt über ein ringförmiges Schiff, das technische Möglichkeiten besitzt, die nützlich sein könnten! Wie denkst du darüber?< Huxley überlegte. Die schwarzen Schiffe waren eine nicht zu un terschätzende Gefahr. Wo allerdings Dhark zur Zeit war, das wußte man vermutlich nicht einmal in Cent Field. Aber da waren ja die erbeuteten und von der TF in Dienst gestellten Ringraumer. »Ich werde meine Rassegefährten verständigen! Und ich kann dir die gute Nachricht überbringen, daß die Terraner inzwischen nicht nur ein Ringschiff, sondern deren viele besitzen! Tausende!« Der Nogk zuckte zusammen. Für einen Moment schwirrten die Impulse der überraschten Nogk wild durcheinander. Doch dann trat ebenso plötzlich wieder Ruhe ein. >Tausende!< Nur dieser eine Begriff erfüllte den Raum. Der Herrscher der Nogk streckte impulsiv die Hände nach Huxley aus. >Komm, Terraner, folge mir jetzt! Du sollst sehen, daß auch wir nicht untätig waren!< Er reichte Huxley seine Hand und wies auch Charaua durch einen Wink an, ihm zu folgen. »Wartet hier auf mich! Prewitt, Maxwell und Sie, Chief, kommen mit! Sie ebenfalls, Barnard!« wies Huxley nach abermaliger kurzer Überlegung den Astrophysiker der FO-1 an. Die Genannten erhoben sich und folgten ihrem Anführer, der be reits mit Charaua und dem Herrscher der Nogk dem Ausgang entge genschritt. Noch im Hinausgehen bemerkte Huxley, wie die Nogk ihre starre, disziplinierte Haltung aufgaben und nun seine Männer umringten. Ungehindert von den übrigen Mitgliedern des Rates…
4.
Colonel Ralf Larsen beobachtete aufmerksam die Bildschirme seines S-Kreuzers mit der offiziellen Typbezeichnung A-001, den er ARROW getauft hatte. »Ortung, Madock?« fragte er. Der Ortungsoffizier schüttelte den Kopf. »Nichts, Sir, absolut nichts! Hoffentlich hat uns Terra nicht in die Wüste geschickt! Was sollte Huxley denn hier auch wollen?« Larsen nickte. Das waren genau die Gedanken, mit denen er sich seit Stunden beschäftigte. Seit der Spruch aus Cent Field ihn er reicht hatte. Voraus stand die winzige Scheibe einer roten Sonne. Ein namen loser Stern, unregistriert, ganz am Rande des Spiralarms I/a, in dem auch die Erde ihre Bahn zog. Unregistriert, weil kaum jemals ein Raumer der TF in dieses Gebiet kam. Von der Erde aus war diese unbedeutende kleine Sonne überhaupt nicht wahrzunehmen. »Wir sollten die Pause im Magnetorkan ausnutzen, Madock!« ließ Larsen sich nach einer Weile abermals vernehmen. »Kurs auf die voraus liegende Sonne, wir werden uns dieses Unikum einmal ge nauer betrachten!« Er tastete die Rundrufverbindung zu allen Schiffen seines Ge schwaders ein. »Geschwaderführer an alle! Wir nehmen Kurs auf die Sonne auf Koordinate Rot. Anweisung an alle Bordlabors. Sofort mit den Untersuchungen beginnen, Auswertung umgehend an ARROW! Ende!« Die Ringraumer beschleunigten. Larsen hockte reglos in seinem Kontursitz und beobachtete wachsam die Kontrollen. Plötzlich wirbelte Madock herum. »Wir werden geortet, Sir!« »Was?« Larsen fuhr aus seinem Sitz und war mit wenigen Schrit ten beim Ortungspult. Er sah sofort, daß Madock recht hatte. Durch die Meßkoordinaten der verschiedenen Schirme zuckten Blips unterschiedlichster Art. Nur in einem glichen sie sich: ihre Amplituden waren außerordent lich steil und reichten sowohl in den Plus- wie in den Minusbereich. Larsen tastete die Bordsprechanlage ein. »Kommandant an Labor. Was ist mit den Auswertungen?« Ein Astrophysiker meldete sich. »Verteufelte Sache, Sir! Die Sonne gehört zum Typ Ml. Oberflächentemperatur ca. 4000°C. Weitere Ergebnisse sind nicht zu bekommen. Unsere Instrumente bringen einfach nichts. Wir wissen nicht, ob es sich um eine Mono-Sonne handelt oder ob sie Planeten besitzt. Es ist, als ob über dem ganzen Raum um die Sonne irgendein Schleier läge. Tut mir leid, Sir, aber aus dieser Entfernung ist da nichts zu machen. Die Abteilungen der anderen Schiffe kommen ebenfalls nicht weiter!« Larsen schaltete ab. Nachdenklich und beunruhigt zugleich starrte
er den erlöschenden Bildschirm an. »Madock, was halten Sie davon?« In den scharfen Zügen des Ortungsspezialisten zuckte es. »Ein System verschleiert sich nicht von selbst, Sir. Es liegt auch kein Grund zu der Annahme vor, daß es sich hier um einen Sonnen typ handelt, der irgendeine uns bisher unbekannte Strahlung aus sendet und damit vielleicht ein Partikelfeld schaffen könnte, das ähnliche Auswirkungen hat. Wenn also über dieser Sonne und ihrer Umgebung ein Schleier liegt, dann will sich jemand verbergen. Und wer sich verbirgt, hat normalerweise auch einen triftigen Grund dazu!« »Genau, Madock! Und wenn dort jemand ist, der sich zu verbergen trachtet, dann hat diese Sonne auch mindestens einen Planeten!« Larsen schaltete abermals auf Rundruf. »Geschwaderführer an alle: Formationsänderung. Fächer bilden, Schiffe stufenförmig anordnen, auf freies Schußfeld achten. ARROW nimmt Mittelposition ein. Feuern nur auf Befehl oder wenn wir an gegriffen werden!« Larsen beobachtete, wie die Ringraumer sich zu einem breiten Fä cher auseinanderzogen, der auch terassenförmig nach >oben< und >unten< wuchs. Die Besatzungen legten ihre Raumanzüge an, eine Sicherheitsmaßnahme, auf die in den Geschwadern Larsen und Szardak nie verzichtet wurde. Als wenig später die Klarmeldungen in der Zentrale der ARROW einliefen, verschwanden fast gleichzeitig die Blips der Fremdortung. Larsen preßte die Lippen zusammen. Der Gegner bereitet sich also vor. Vielleicht starten in diesem Augenblick schon seine Raumer, um sich zum Kampf zu stellen. Sind wir womöglich auf jene schwarzen Schiffe gestoßen, von denen in der letzten Meldung Cent Fields die Rede gewesen ist? Er straffte sich: »Meldung an Stab der TF. Geschwader Larsen im Anflug auf nicht registrierte rote Sonne. Position Rot, 22:48,02. System wahrscheinlich bewohnt, wurden von Fremdortung erfaßt. Bitten um sofortige Unterstützung. Ende!« Larsen fuhr sich flüchtig über die Stirn, ehe er seinen Raumhelm schloß. Er fühlte sich abgespannt; schließlich befand sich sein Ge schwader bereits seit Wochen im Einsatz. Die rote Sonne wurde auf den Bildschirmen größer und größer. Noch immer gab es keinerlei Hinweis darauf, ob die Fremden über haupt noch da waren. Und noch immer zeigte sich kein Planet, keine Welt, auf der Lebewesen zu existieren vermochten. »Kurs um 20 Grad auf Grün ändern«, befahl Larsen einer plötzli chen Eingebung folgend. Und dann sahen sie den Planeten. Eine blaßgrüne Kugel, die sich langsam hinter der Sonne hervor schob. Weiße und violette Streifen durchzogen die Oberfläche. Doch so sehr sich die astronomischen Abteilungen auch bemühten, noch immer vermochten sie über diese Welt nichts Näheres in Erfahrung
zu bringen. »Ich fürchte, wir werden uns auf unangenehme Überraschungen gefaßt machen müssen!« brach Madock das Schweigen. »Es ist mir zu still! Wenn wir dort auf einen Gegner stoßen, dann hat er minde stens so gute Nerven wie wir! Das bedeutet aber weiter, daß ihn selbst hundert anfliegende Ringraumer nicht sonderlich aus der Ruhe zu bringen vermögen. Daß er gut genug gerüstet ist, um sich in einem Kampf eine reelle Chance ausrechnen zu können!« Madock ahnte indes nicht, wie sehr er mit seiner letzten Behaup tung irrte… Das schwache Licht der roten Sonne hüllte die grauen Wohnzellen der Wabenstadt am Ufer des violetten Stromes ein. Lange bläuliche Schatten fielen auf das Wasser, verschmolzen mit seiner Oberfläche. Unter den Bewohnern der Stadt herrschte Aufregung, die an Panik grenzte. Übergroße Augen, wie geschaffen dafür, im Dunkeln und in der Dämmerung zu sehen, starrten in den dunstigen Himmel. Riesi ge, zweieinhalb Meter hohe Gestalten hetzten auf ihren Stum melfüßen zu den flunderartigen Schiffen hinüber, die sich auf dem provisorisch angelegten Raumhafen hinter der Stadt befanden. Dröhnen und Vibrieren erfüllte die Luft über der Wabenstadt. Die Schuppenhaut der Fremden glitzerte in den grellen Lichtkegeln ihrer Schiffe, die jetzt überall aufflammten. Und mit jeder Sekunde kam der Verband der Ringraumer näher. Im größten Flunderschiff starrte einer der Fremden auf die eckigen Bildschirme, die die Zentrale wie ein pulsierendes Band umliefen. Sein eiförmiger Kopf saß ohne Hals auf dem großen Körper, der breite, lippenlose Mund, der an ein Fischmaul erinnerte, klaffte weit auf. Der schwere Körper stützte sich auf einen schuppigen Schwanz, an dessen Ende sich verkümmerte Flossen befanden. Im Licht greller Lampen glitzerten silberne Schuppen überall dort auf, wo nicht die leuchtend rote Uniform seinen Körper umschloß. Das knapp drei Meter große Wesen war von anderen, nur wenig kleineren umgeben. Nur daß sie statt der roten blaue und gelbe Uni formen trugen. Das klaffende Fischmaul schloß sich mit einem scharfen, schmat zenden Geräusch. Gleichzeitig öffneten und schlossen sich die scharfen Krallen am Ende der überlangen Arme konvulsivisch. »Sie kommen hierher! Hierher, auf unsere Welt!« Der Komman dant der Amphis stieß eine Reihe harter, scharf akzentuierter Laute aus. Vor Erregung öffneten sich die dunkelgrünen Kiemenspalten beiderseits seines Mundes. »Was sollen wir tun? Schon einmal ha ben uns diese Fremden vernichtend geschlagen, als wir gerade glaubten, zu siegen und ihren Planeten zu unterwerfen!« In seinen Augen flackerten widersprüchliche Empfindungen: Wut, Enttäuschung. »Wir sollten sie landen lassen und dann plötzlich über sie herfallen!
Wir sollten Rache nehmen dafür, daß sie uns schon einmal von einer Welt vertrieben haben, daß sie uns jetzt wieder nachstellen. Wir sollten diese häßlichen, glatthäutigen Wesen töten, eines nach dem anderen!« stieß er schließlich hervor. Die anderen Amphis stimmten ihm voller Erregung zu, während ihre Augen unablässig auf die Bildschirme geheftet waren, die die anfliegenden Ringraumer zeigten. Doch der Kommandant gewann seine Beherrschung zurück. Mit aller Kraft dämmte er die Flut widerstreitender Gefühle ein. »Wir können jetzt aber keinen Kampf, keine Verluste brauchen! Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit zur Rache ein andermal. Jetzt sollten wir uns darauf beschränken, die Fremden hinzuhalten! « Die Amphis starrten ihren Kornmandanten an. Dann stimmten sie zögernd zu. Enok war klüger als sie, stärker als sie. Enok hatte noch immer das Richtige getan. Sie würden sich seinem Rat fügen. Der Kommandant wirbelte überraschend schnell herum. Sein lip penloser Mund bewegte sich. »Es bleiben nur wenige Raumer hier. Die anderen verteilen sich rund um den Raumhafen und die Stadt, und zwar so, daß ihre Waf fen die Fremden, falls sie hier landen, vernichtend treffen können. Aber wartet auf meinen Befehl. Vielleicht läßt sich auch ein Kampf vermeiden!« Er beobachtete, wie die Flunderschiffe sich nacheinander von der Landepiste lösten und in der Dämmerung verschwanden. Auf den Schirmen kontrollierte er die neuen Liegepunkte und dirigierte die ses oder jenes Schiff wieder um. Dann glomm Befriedigung in sei nen kalten Augen auf. »Gut!« sagte er. »Jetzt können sie kommen. Wenn sie unsere Wünsche nicht respektieren, werden sie sich schnell daran erinnern, daß wir zu kämpfen verstehen!« Allmählich verschwand auch aus den Augen der anderen die Furcht, die sie anfangs ergriffen hatte. Auch in der Wabenstadt trafen die Amphis ihre Vorbereitungen. Sie waren seit langem dar auf eingerichtet, sich gegen Invasoren jeder Art wirksam zu vertei digen. Sehr wirksam sogar! Unterdessen jagte das Ringraumergeschwader Sol unter der Füh rung von Janos Szardak dem Geschwader Larsen hinterher. Szardak befand sich nicht in der Zentrale seiner LUXOR, sondern in der aufs Modernste eingerichteten Funk-Z, deren ursprüngliche, zum Ringraumer gehörige Geräte sich aufs Raffinierteste mit denen terranischer Technik ergänzten. »Los, Malone, werten Sie alle nur verfügbaren Informationen über die letzten Magnetorkane aus. Ich möchte die genauen Verläufe aller registrierten Stürme haben, außerdem Reflexionszonen und mögliche Beugungsfelder! Fassen Sie alle Werte zusammen und geben Sie die Daten schnellstens in den Suprasensor! Die Ergebnis
se dann sofort an mich. Rufen Sie alle verfügbaren Stationen und Labors an, recherchieren Sie auch bei den in der Galaxis stationier ten Warnschiffen. Ich muß es so genau wie möglich wissen, es hängt unter Umständen sehr viel mehr davon ab, als wir vorläufig absehen können! Haben Sie mich verstanden, Malone?« Der diensttuende Funküberwachungsoffizier nickte. »Ich habe begriffen, Sir. Verlassen Sie sich auf mich und meine Männer!« »Gut, aber beeilen Sie sich, es muß schnell gehen! Ich brauche die Information, ehe wir Kurs auf Koordinate Rot, 22:48,02 nehmen!« Szardak schlug Malone kurz auf die Schulter, verließ die Funk-Z und trat auf den Gang hinaus, der den Ringkörper im Zentraldeck kreisförmig durchlief. Er sah auf sein Chrono. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie in den Sektor vorstießen, aus dem Larsens Hilferuf gekommen war. Janos Szardak, der Mann in der TF, der schon vor der Invasion der Giants manches Himmelfahrtskommando in der Jupiter-Gruppe mitgemacht hatte, der vielleicht sogar von allen Offizieren in der TF auf diesem Gebiet die größte Erfahrung besaß, Szardak, dieser alte Draufgänger, fragte sich in diesem Mo ment, wie ihnen wohl eine Begegnung mit den schwarzen Schiffen bekommen würde. Was ihm der geschwächte Nogk erzählt hatte, gab keinerlei Anlaß zu irgendwelchem Optimismus. Er schüttelte den Kopf. Nach allem, was er von dem Nogk wußte, konnte es sich bei den hypothetischen Bewohnern jenes Sonnensy stems nicht um die ominösen Schatten handeln. Wahrscheinlich hätten sie Larsen gar keine Chance mehr gegeben, Hilfe anzufor dern! Aber warum, zum Teufel, hatte er es dann trotzdem getan? Und warum antwortete er auf keinen einzigen Funkspruch. Was war mit Huxley und der FO-1? Szardak beschleunigte seine Schritte. Mit dem Geschwader Larsen verfügten sie insgesamt über zweihundert Ringraumer mit gut aus gebildeten Besatzungen – eine nicht unerhebliche Streitmacht! Larsen und seine Männer konnten inzwischen mühelos Einzelheiten der Planetenoberfläche erkennen. Jetzt sprachen auch die Ortungen an. Doch noch immer kamen alle Daten stark verzögert. Erst bei der dritten Umkreisung entdeckten sie die Wabenstadt und Teile des Raumhafens, die sich gerade anschickten, in die Nachtsei te des ohnehin düsteren Planeten einzutauchen. Ralf Larsen fluchte leise vor sich hin. Er hatte die verschlüsselten To-Funksprüche Szardaks bekommen. Er glaubte zwar nicht, daß die Bewohner dieser Welt damit etwas anfangen konnten, aber er durfte auf keinen Fall antworten, denn das könnte möglicherweise verraten, daß weitere Schiffe unterwegs waren. Wenn Szardak ein traf, sollte er überraschend auftauchen. Larsen wandte sich erneut an seinen Ortungsoffizier, der an Bord der ARROW auch die Funktionen des I.O. wahrnahm. »Was meinen Sie, Madock, sollen wir mit dem ganzen Verband einfach landen? Die Intervalle würden uns genügend Schutz gegen plötzlichen Beschuß bieten. Zugleich könnten wir den Gegner – falls
es sich überhaupt um einen solchen handelt – mit der Landung be eindrucken und ihm zeigen, daß wir verhandeln wollen!« Gespannt wartete Larsen auf die Antwort des jungen Offiziers. Er schätzte Madock wegen seines überaus scharfen Intellekts, wegen seines sicheren Gespürs für Situationen und Gefahren. Madock bewegte abwägend den Kopf. »Nein, Colonel!« erwiderte er nach einer Weile. »Das sollten wir lieber nicht tun. Wenn ich das Kommando hätte, würde ich mit der Hälfte der Schiffe landen, ohne den Versuch einer Kontaktaufnahme. Aber so, daß meine Absicht deutlich wird, damit die Fremden sich nicht plötzlich zu irgend etwas hinreißen lassen, das nicht in unse rem Sinn ist. Die restlichen Ringraumer würde ich im Orbit um den Planeten verteilen. So ist erstens eine Kontrolle über mögliche nicht sofort offensichtliche Maßnahmen der Wesen dort unten gewährlei stet, zweitens würde der eventuelle Gegner erkennen, daß wir nicht blind in eine vielleicht gestellte Falle tappen, drittens würde auf diese Weise verhindert, daß plötzlich eine Falle über uns zuschlägt! Ich würde darauf achten, daß die fünfzig Schiffe im Orbit so verteilt werden, daß jeder Punkt der Planetenoberfläche gescannt werden kann. Ringschaltung zu allen Schiffen würde die Wirksamkeit einer derartigen Maßnahme noch erhöhen!« Larsen nickte hochbefriedigt. »Madock, aus Ihnen wird einmal ein verdammt guter Kommandant oder Geschwaderchef! Wir machen es genau so, wie Sie gesagt haben. Geben Sie jetzt bitte die notwen digen Anweisungen!« Madock erglühte förmlich unter dem Lob Larsens. Innerhalb we niger Minuten hatte er alle Schiffe verständigt und eingeteilt. Dann gab Larsen das entscheidende Kommando. Fünfzig Ringrau mer scherten aus dem Verband aus und tauchten in die blaßgrüne Atmosphäre der unter ihnen liegenden Wasserwelt ein.
»Amphis!« Larsen stieß dieses Wort voller Betroffenheit aus, als sein Schiff an der Spitze der fünfzig Ringraumer zur Landung auf dem Raumhafen neben der Wabenstadt ansetzte. Seine Stirn furchte sich beim Anblick der großen, flunderförmigen Schiffe. Er hatte diese Raumer und alles, was mit ihnen zusam menhing, noch lebhaft in Erinnerung, auch wenn einige Jahre seit seiner letzten Begegnung mit den Amphis vergangen waren. Er er innerte sich schlagartig an die Grausamkeit und Bösartigkeit dieser Rasse. Fühlte wieder jenes Grauen in sich aufsteigen, das ihn da mals im Col-System überfallen hatte, als er mit Dhark, Riker, Szar dak und der ganzen Top-Crew der GALAXIS in die Hände dieser Fischwesen gefallen war. Spürte erneut den Ekel, der ihn gepackt und fast gelähmt hatte, als er durch eines der morschen Dächer der Amphistadt gebrochen und in das Bassin eines dieser Wesen ge
stürzt war. In eine schleimige, grünliche, entsetzlich riechende Mas se. Nur der Schnelligkeit und Entschlossenheit seiner Gefährten hatte er es zu verdanken, daß er noch lebte. Und jetzt stand er dieser Rasse abermals gegenüber. Wenn auch wesentlich besser gerüstet. Larsens Gedanken überstürzten sich. Wenn Huxley und die FO-1 sich tatsächlich in diesem System aufhielten, stand es schlecht um ihn und seine Männer. Larsen wußte nur zu gut, daß man die Amphis und ihre Flunderschiffe, vor allem aber die entsetzliche Entschlossenheit und Verbissenheit, mit der sie kämpften und star ben, nicht unterschätzen durfte. Ihm wurde schlagartig klar, daß er keine Zeit vergeuden durfte. Falls Huxley und seine Männer noch lebten, zählte jede Minute. Bei den Flunderschiffen rührte sich nichts. Kein Amphi zeigte sich. Keines der Schiffe machte auch nur den geringsten Versuch, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. »Wie viele Flunderschiffe befinden sich auf der Piste?« Larsen stellte diese Frage fast automatisch. Die Antwort kam schnell. »Soweit wir den Raumhafen überblicken können, nicht ganz zweihundert. Ich gebe aber zu bedenken…« »Danke, Madock; ich weiß, was Sie sagen wollen. Die Amphis haben uns früh genug geortet, um eine prächtige Falle für uns vor bereiten zu können, das ist mir völlig klar! Ich kenne diese Rasse und ihre Kampfweise noch von früher! Es könnte aber sein, daß unser Arrangement ihnen das Konzept einigermaßen verdorben hat.« Angestrengt starrte Larsen auf die Bildschirme. Noch immer rührte sich nicht das geringste, aber das beunruhigte ihn nur noch mehr. Er wandte sich den Kontrollen zu. »Kommandant an Besatzung! Wir sind auf Amphis gestoßen. Diese Rasse hat uns in der Vergan genheit auf Hope mehrfach angegriffen. Ich erwarte von allen Kom mandanten daher höchste Aufmerksamkeit und Disziplin. Ende!« Larsen lehnte sich in seinem Kontursitz zurück. Er wartete. Diese verdammten Fischwesen müssen doch irgendwie reagieren, dachte er. Doch nichts geschah. Sekunden tropften dahin, wurden zu Minuten. Die Flunderraumer und die nahegelegene Stadt wirkten wie tot. Larsen fluchte inner lich. Er zermarterte sich das Hirn über den nächsten, sinnvollen Zug – und dann geschah doch etwas, allerdings etwas ganz anderes als er erwartet hatte. »LUXOR an ARROW! Hier Szardak! Larsen, bitte kommen!« dröhn te es plötzlich durch die Zentrale der ARROW. Larsen seufzte erleichtert. Janos Szardak und sein Ringraumer geschwader waren endlich eingetroffen. Das verbesserte die Position der Terraner natürlich enorm. Jetzt würde es möglich sein, die Am phis aus der Reserve zu locken und zu einer Reaktion zu bewegen. Beinahe fröhlich setzte er sich mit Szardak in Verbindung. »Bleiben Sie im Orbit, Szardak! Den Amphis dürfte mittlerweile
klar sein, daß sie keine Chance mehr gegen uns besitzen! Ich werde mit ihnen verhandeln. Wir müssen herausfinden, ob sie Huxleys FO 1 vernichtet oder in ihrer Gewalt haben!« Szardak überlegte. »Ich habe da so meine eigenen Gedanken, Larsen!« erwiderte er. »Daß wir es mit Amphis zu tun haben, ändert allerdings einiges. Warten Sie auf mich, ich stoße mit der LUXOR zu Ihnen; wir sollten die Verhandlungen mit diesen Fischwesen gemeinsam führen! Wir beiden kennen diese Brüder ja ziemlich gut!« Szardak schaltete ab. Bereits kurze Zeit später setzte sein Ringraumer, ungehindert von den Amphis, neben der ARROW auf. »Hören Sie, Larsen, ich mache folgenden Vorschlag. Wir gehen einfach gemeinsam auf die Piste hinaus. Anders werden wir die Amphis nie dazu bringen, mit uns zu verhandeln! Feige sind die Burschen ja nicht. Wenn wir unbewaffnet auf die Piste kommen, werden sie begreifen, was wir wollen! Alles andere müssen wir ab warten. Unsere Schiffe können uns Rückendeckung geben, so gut es geht. Das Anfangsrisiko liegt allerdings auf unserer Seite! Es wird aber schon nichts passieren! Die Amphis sind nicht so dumm, uns zu zerstrahlen, um sich dann anschließend von unseren Ringraumern atomisieren zu lassen! Also, kommen Sie?« Larsen holte tief Luft. Das war wieder einmal typisch Janos Szar dak. Aber sein Vorschlag hatte etwas für sich. »Gut, Szardak, ich komme. In fünf Minuten bin ich auf der Piste«, erwiderte er schließlich. Er erhob sich aus seinem Kontursitz. »Madock, Sie informieren die anderen Schiffe, soweit sie nicht mitgehört haben! Sollte etwas geschehen, übernehmen Sie das Kommando der ARROW!« Larsen verließ die Zentrale. Er wollte pünktlich sein. Ein Blick auf sein Chrono zeigte ihm, daß er sich höllisch beeilen mußte… Enok ließ den Schirm, der Larsen und Szardak zeigte, nicht aus den Augen. Die beiden Männer trafen sich zwischen ihren Raumern und setzten sich anschließend in Bewegung. Schritt für Schritt gingen sie auf den vordersten Flunderraumer zu. Angestrahlt von den gleißen den Lichtkegeln der ARROW und der LUXOR. In Enoks Gehirn jagten sich die Gedanken. Er mochte die Terraner nicht, hätte sie liebend gern vernichtet. Aber andererseits war ein Kampf das letzte, was sein Volk jetzt brauchen konnte. Bot sich hier vielleicht die Chance, diesen Kampf zu vermeiden? Enok ruckte herum. Sein breiter, lippenloser Mund klaffte auf. »Sie könnten uns vernichten! Stattdessen liefern sich ihre beiden Anführer unseren Strahlern aus! Sie tragen nicht einmal Waffen!« Wieder starrte der riesige Amphi auf den Schirm. Unterdessen waren Larsen und Szardak stehengeblieben. Sie be fanden sich jetzt genau auf halbem Weg zwischen ihren eigenen und den Amphiraumern.
Janos Szardak hob beide Arme und drehte den Amphis seine lee ren Handflächen entgegen. Dann nahm er seine Arme wieder her unter und wartete. Enok starrte die beiden Terraner aus seinen großen, dunklen Au gen an. »Es sieht so aus, als ob sie verhandeln wollen!« stieß er verblüfft hervor. Er konnte sich kaum vorstellen, daß die Terraner auf die Chance, ihren früheren Gegner ein für allemal zu vernichten, einfach verzichteten. Larsen wiederholte jetzt Szardaks Geste. Noch langsamer, noch deutlicher. Zusätzlich winkte er unmißverständlich mit beiden Hän den. »Sie wollen wirklich mit uns verhandeln!« Enok konnte es noch immer nicht richtig glauben, doch dann schob er sein Mißtrauen beiseite. Entschlossen richtete er sich auf. »Ich werde zu den Terranern gehen.« Er überlegt kurz. »Schickt das Qalln in die Schleuse. Es könnte nützlich sein. Und… wenn sie mich töten, wißt ihr, was ihr zu tun habt!« Als Enok neben seinem Raumer auftauchte und auf sie zukam, wa ren Szardak und Larsen erleichtert. Auch wenn der knapp drei Meter große Amphi gefährlich, ja fast bedrohlich wirkte, bedeutete es, daß er das Verhandlungsangebot annahm. »Er kommt allein!« Larsen traf diese Feststellung einigermaßen verblüfft. Das mindeste, was er erwartet hatte, waren zwei Amphis. »Er wird schon wissen, was er tut«, erwiderte Szardak. Dann war der Amphi heran, und Szardak und Larsen erkannten, daß er doch nicht ganz allein gekommen war. Denn dort, wo sein Kopf praktisch halslos in den Rumpf überging, hatte sich ein unde finierbares, graugrünes Etwas um seinen Körper geschlungen, das langsam und gleichmäßig pulsierte. Lange Fangarme schienen an mehreren Stellen mit der Haut des Amphi verschmolzen zu sein. Knapp zwei Meter vor ihnen blieb der Amphi stehen. Seine rote Uniform leuchtete im Strahl der Scheinwerfer. »Was wollt ihr auf unserer Welt?« begann der Riese schroff und ohne Umschweife. Seine Stimme klang dumpf und so ähnlich, als hätte er den Mund voller Wasser. Und – er sprach Angloter! Szardak musterte den Amphi genauer, während Larsen es über nahm zu antworten. »Uns erreichte der Notruf eines unserer Schiffe! Unsere Untersu chungen ergaben, daß es sich zur Zeit seines Hilferufes hier, in die sem System, befunden haben muß! Wir wußten nicht, daß ihr euch jetzt hier aufhaltet, aber wir wollen wissen, was mit unseren Ge fährten geschehen ist!« Fast körperlich spürten die beiden Männer, wie es hinter der hohen Stirn des Amphi arbeitete. Die mächtigen Krallen am Ende seiner überlangen Arme, mit denen er seinen Körper abstützte, öffneten und schlossen sich.
»In unserem System hat sich keines eurer Schiffe aufgehalten!« stieß er endlich hervor. »Solange wir hier leben, kam noch nie ein Raumer einer fremden Rasse in die Nähe unserer Sonne!« Larsen trat unwillkürlich einen Schritt vor. »Unsere Techniker arbeiten zuverlässig! Sie stellten fest, daß der SOS-Ruf aus diesem Gebiet kam! Also befand sich das Schiff auch hier! Wir haben keinen Grund, dir zu vertrauen, und werden euren Planeten nicht eher verlassen, bis ihr uns unser Schiff und unsere Gefährten herausgegeben habt! Und wenn ihr sie getötet habt, wer den wir sie rächen!« Larsen deutete mit einer kreisenden Handbe wegung hinter und über sich. »Wir haben die Macht, diese Drohung wahrzumachen! Denke daran!« Er sah, wie sich das Gesicht des Amphi vor Wut verzerrte. Sein rechter Arm zuckte hoch und hieb dann mit Wucht in den Boden. Steine und Sand stoben in hohem Bogen davon. »Wir haben keines eurer Schiffe gesehen! Bei uns befindet sich kein Wesen eurer Rasse. Das ist mein letztes Wort. Wenn ihr kämp fen wollt, dann kämpft! Wir werden uns wehren!« Larsen trat noch näher an den Amphi heran. »Ihr habt uns schon geortet, noch bevor wir euren Planeten er reichten. Ihr müßt also auch das Schiff unserer Gefährten entdeckt haben. Warum behauptest du, daß es nicht in die Nähe eurer Sonne gekommen sei, wo unsere Peilstationen doch die Herkunft des SOSRufs mit absoluter Sicherheit festgestellt haben? Verstehst du nicht, daß wir dir nicht glauben können? Zwischen unseren Rassen schwelt noch immer der Haß eurer letzten Niederlage. Wollt ihr jetzt eure endgültige Vernichtung herbeiführen? Gebt uns unsere Gefährten und das Schiff heraus, und nichts wird geschehen. Wir werden eure Welt verlassen und nie wieder zurückkehren! Wir Terraner haben kein Interesse daran, euch zu vernichten. Wir achten das Leben, in welcher Form auch immer es uns begegnet!« Der Amphi starrte die beiden Menschen an. »Ihr glaubt mir nicht!« Die Worte klangen wie ein urweltliches Dröhnen. »Aber wenn ihr mir nicht glaubt, welchen Grund hätte ich, euren Worten Glauben zu schenken? Auch in der Vergangenheit habt ihr unsere Welt zuerst überfallen, ihr seid auf unseren Planeten gekommen, nicht wir zu euch!« Er machte eine Pause und starrte die beiden Männer an. »Zwischen unseren Rassen wird nie Freund schaft herrschen. Aber ich bleibe dabei: Keines eurer Schiffe kam in die Nähe unserer Sonne, kein Wesen eurer Rasse befindet sich in unserer Gewalt. Durchsucht diesen Planeten, durchsucht unsere Stadt. Niemand wird euch daran hindern. Das ist mein letztes Ange bot. Wenn ihr trotzdem kämpfen wollt, dann kämpft!« Hochaufgerichtet stand der Amphi vor Szardak und Larsen. »Gut!« Larsen straffte sich. »Wir werden…« »Warten Sie, Larsen!« Szardak hatte den Amphi und seinen Sym bionten, der wahrscheinlich als eine Art organischer Translator fun gierte, bisher nur intensiv gemustert; jetzt mischte er sich ein.
»Du weißt von den magnetischen Stürmen, die durch unsere Ga laxis toben! Eure Rasse leidet wahrscheinlich genauso darunter wie die unsere. Wann durchzog der letzte Orkan euer System?« Der Amphi horchte auf. »Warum willst du das wissen?« fragte er. »Antworte mir erst!« forderte Szardak ihn auf. »Vielleicht gibt es für alles auch noch eine andere Erklärung!« Er sah, wie der Amphi zögerte. Gleichzeitig vernahm er Larsens ärgerliche Stimme. »Sind Sie des Teufels, Szardak? Wie können Sie dem Amphi eine solche Brücke bauen? Er wird…« Doch Szardak winkte energisch ab. Die dröhnende Stimme Enoks unterbrach ihn. »Ich will es dir sa gen, damit du siehst, daß ich nicht lüge! Der letzte Orkan – wie ihr das nennt – wütete in unserem System fast, bis wir eure Schiffe orteten. Er war schrecklich und dauerte länger als jeder andere Aus bruch zuvor. Keines unserer Schiffe vermochte zu starten. Wir wa ren gezwungen, uns in unsere Stadt zurückzuziehen. – Wir können in dieser Galaxis nicht länger leben, Terraner, deswegen werden wir sie in Kürze für immer verlassen. Unsere Oks haben eine Möglichkeit gefunden, wie wir vielleicht die Reise in eine benachbarte Galaxis trotz der ungeheuren Entfernung überdauern können! Nicht alle von uns werden die Nachbargalaxis lebend erreichen, aber unsere Rasse wird fortbestehen! Jetzt habe ich dir viel mehr gesagt, als ich wollte. Wir können keinen Krieg gebrauchen, Terraner. Wir wollen unsere letzten Vorbereitungen ungestört zu Ende bringen!« Larsen starrte den Amphi ungläubig an. Eine Geste Szardaks hin derte ihn daran, etwas zu sagen. »Ich glaube dir. Wir werden euren Planeten nicht durchsuchen. Erlaubt uns, daß wir noch einige Stunden hierbleiben, dann werden wir eure Welt wieder verlassen! Ich wünsche euch, daß eure Pläne gelingen, wir werden euch nichts in den Weg legen! Wenn du willst, soll fortan Friede zwischen unseren Rassen herrschen!« Der Amphi beugte sich unwillkürlich vor und starrte Szardak an. In seinen riesigen Augen glitzerte es. »Ich verstehe dich nicht, Terraner!« stieß er schließlich betroffen hervor, und in seiner Stimme schwang das ganze, uralte Mißtrauen seiner Rasse mit – einer Rasse, die bisher nirgendwo im All Freunde gefunden hatte, sondern stets Haß, Abscheu und Verfolgung begeg net war. »Wie kannst du deine Meinung so schnell ändern, warum glaubst du mir plötzlich?« Szardak blickte den Amphi an. »Wir wußten nicht, ob ihr etwas mit dem Verschwinden unserer Gefährten zu tun habt. Daher mußten wir uns Gewißheit verschaf fen! Jetzt weiß ich, daß wir uns geirrt haben. Und noch etwas, damit auch du siehst, daß wir es ehrlich meinen: Eine neue Gefahr bedroht die Galaxis. Eine fremde Rasse, schattengleiche Wesen mit schwar zen Schiffen, zieht mordend und plündernd durch die Spiralarme jenseits des galaktischen Zentrums. Wir wissen nicht, woher sie stammen, noch, was sie beabsichtigen. Wir wissen auch nicht, wann
sie hierher kommen werden. Hütet euch vor ihnen. Bisher war ihren schwarzen Schiffen noch keine Waffe gewachsen!« Szardak grüßte und wandte sich ab. Den völlig perplexen Larsen forderte er durch einen Wink auf, ihm zu folgen. Larsen schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war verkniffen. Er zwei felte in diesem Augenblick am Verstand des alten, erprobten Hau degens. Aber er schwieg, selbst dann noch, als Szardak ihm bedeu tete, mit an Bord seiner LUXOR zu kommen. Erst in der Zentrale, als sie sich endlich wieder der Raumanzüge entledigt hatten, konnte er nicht mehr länger an sich halten. »Szardak, Sie müssen total den Verstand verloren haben!« fauchte er. »Wie können Sie diesen Fischwesen trauen? Haben Sie unsere früheren Begegnungen mit den Amphis etwa vergessen? Was, wenn Huxley und seine Männer doch hier sind? Verdammt, ich hätte gute Lust, den Planeten doch noch umzukrempeln!« Larsen hatte sich in Wut geredet. Das geschah nur äußerst selten bei ihm, aber dann um so gründlicher. »Setzen Sie sich, Larsen, und hören Sie erst einmal zu. Ich habe aus gutem Grund so gehandelt!« Szardak trat an einen Monitor und schaltete ihn ein. Auf dem Bildschirm erschien eine Computersi mulation. »Sehen Sie hier, Larsen! Auf dem Flug hierher und auch schon in Cent Field habe ich Recherchen über alle bekannten Ma gnetorkane angestellt, die in letzter Zeit die Galaxis durchzogen. Jedenfalls über alle, die uns bekannt sind!« schränkte er seine Er klärung etwas ein. »Ich weiß also, daß der Amphi uns nicht belogen hat. Dieses Gebiet wurde am stärksten betroffen. Aber auch hier…« ein Gebiet weit jenseits des Spiralarms, in dem sie sich befanden, blinkte auf, »und hier und da und noch an anderen Stellen.« Er tippte auf einige Sensortasten. »So, Larsen, und nun verfolgen Sie die rote Linie, die quer durch die Milchstraße bis in das System führt, in dem die Nogk sich befinden! Vergleichen Sie die Werte und den sich ergebenden Reflexionsspiegel! Sie werden sehr schnell erkennen, daß selbst ein To-Funkspruch so weit abgelenkt und re flektiert werden kann, daß er schließlich aus einer gänzlich anderen Richtung in unsere Empfänger gelangt, als von dort, wo er abge strahlt wurde!« Abermals berührte er die Sensortasten. Die Darstellung veränderte sich. »Und dann sehen Sie sich das einmal an, Larsen!« Er deutete auf ein rundliches, verschwommenes Gebilde, das sich deutlich von der Umgebung abhob. »Da steckt irgend etwas, Larsen! Um dieses Gebiet machen alle Strahlungsorkane einen Bogen, wie stark sie auch sein mögen. Sie werden einfach abgelenkt, umwandern dieses Gebiet. Sagt Ihnen das etwas?« Ralf Larsen hockte mit gefurchten Brauen in seinem Kontursessel und starrte auf den Monitor. Er war erfahren genug, um die Stich haltigkeit dieser Ausführungen zu erkennen. Schließlich sah er Szardak an. »Sie sind also der Ansicht, daß Huxley sich nach wie vor bei den
Nogk befindet? Daß er seinen SOS-Ruf von dort abstrahlte und daß der Spruch durch mehrere Reflexionen schließlich aus dieser Rich tung zu uns kam?« Szardak nickte bestätigend. »Sie glauben weiterhin, daß dieses seltsame Gebiet in der Nähe der Nogk mit dem Hilferuf Huxleys in Zusammenhang steht?« Szardak nickte abermals. »Nicht nur das, ich vermute sogar…« Er berichtete dem aufhorchenden Larsen von seinen Erlebnissen mit dem Kampfschiff der Nogk auf Cent Field. »Nach meiner Meinung sollten wir sofort zu den Nogk aufbrechen, Larsen! Sie brauchen Hilfe. Ich habe mit Bulton schon alles bespro chen für den Fall, daß sich meine Vermutungen bestätigen!« Larsen erhob sich abrupt. Impulsiv streckte er Szardak die Rechte hin. »Ich war ein Idiot, Szardak. Ich hätte gerade Sie besser kennen müssen!« Szardak ergriff seine Hand. »Machen Sie sich nichts daraus, Larsen. Als ich erfuhr, daß Sie auf Amphis gestoßen waren, hätte ich meine Überlegungen auch beina he über den Haufen geworfen. Auch ich war anfangs überzeugt, daß Huxley diesen Fischwesen in die Hände gefallen ist! Ohne die Simu lation – ich hätte mich nicht anders verhalten, als Sie es vorhatten!« Er begleitete Larsen zur Schleuse. Eine knappe Viertelstunde spä ter starteten die auf dem Raumhafen der Amphis liegenden Ringraumer. Viele tausend Augenpaare starrten ihnen nach. Unter ihnen das von Enok, dem Herrscher der Amphis.
5.
Huxley saß Charaua in der Kommandozentrale des neuen Ellipsen raumers gegenüber. Dieses Schiff unterschied sich deutlich von den Nogk- raumer her kömmlichen Typs. Zwar hatten die Nogk ihre Allsichtschirme bei behalten, bei deren Aktivierung die Illusion entstand, man befände sich schutzlos irgendwo zwischen den Sternen, aber sonst waren sie völlig neuen Erkenntnissen gefolgt. Der Mittelteil des Ellipsenrau mers bestand aus einem hundert Meter großen Gewölbe, das wie derum eine Ellipse darstellte. In ihren Brennpunkten befand sich jenes Wunderwerk der Nogk-Technik, das diese Rasse in Zukunft befähigen würde, in die Tiefen des Leerraums vorzustoßen: In jedem der beiden Brennpunkte der Ellipse glühte eine künstliche Son ne. Durch speziell dafür und mit höchster Präzision geschaffene Wandungen, die über ein kompliziertes Diffusorsystem die Strahlen der Sonnen reflektierten, wurde das Gewölbe völlig gleichmäßig ausgeleuchtet. Die beiden Sonnen wurden in einer eigens zu diesem Zweck geschaffenen Zentrale von den Meegs überwacht. Ihre Strah lungsspektren ließen sich unabhängig voneinander variieren, so daß eine Sonne diejenigen Nogk versorgen konnte, die sich in ihrer Schlafperiode befanden, die andere jedoch die nötige Versorgung der aktiven Mannschaft mit Licht und Strahlung sicherstellte. Eben sogut konnten aber auch beide Sonnen auf Schlaf- oder Wachperio de eingestellt werden. Neben dem eigentlichen Gewölbe befanden sich an den kurzen Bögen der Ellipse Behandlungsräume für er krankte Nogk. Über ein besonderes System von Filtern und Konver tern konnte in jede einzelne Kabine jede gewünschte Strahlung geschickt werden. Ein weiteres Meisterwerk stellten die Detektoren dar, die den Gesundheitszustand eines jeden Besatzungsmitglieds überwachten und bei Gefahr automatisch Meldung an die Meegs gaben. Diese Detektoren befanden sich in jeder Abteilung des Schif fes. In der Zentrale im Bug des Raumers, auf den vollautomatisch gesteuerten Waffendecks, in den Antriebsräumen und den großen Hangars der Bootsdecks, die außerdem zur Aufnahme aller mögli chen Transportgüter eingerichtet waren. Im Schiff selbst erfolgte die Fortbewegung von einer Abteilung in die andere mittels Gleitfeldern, deren grünliches Schimmern den leichten Krümmungen der Trans portschächte folgte. Bei Versagen der Energiestationen war es mög lich, sich innerhalb der Schächte auf extra dafür geschaffenen Lauf flächen fortzubewegen. Huxley schüttelte den Kopf. Dieses Schiff war wirklich das Wun derwerk einer fremden Technik. Er sah Charaua an. »Du sprachst von neuen, ultimativen Waffen, Charaua! Nach wel chem Prinzip arbeiten sie? Ich glaube, wir sollten darüber sprechen, weil wir nicht wissen, wann wir auf die schwarzen Schiffe stoßen!« Er warf einen Blick auf sein Chrono. »Zudem starten wir in einer
knappen halben Stunde, uns bleibt also nicht mehr viel Zeit!« Der Nogk wandte sich seinem terranischen Freund zu. >Du kennst unsere Energienetze, Huxley! Auch die neue Waffe ar beitet nach diesem Prinzip. Materie, die das Netz berührt, wird zer setzt. Auch die Schutzschirme werden aufgesogen und absorbiert. Außerdem aber geschieht noch etwas anderes.< Der Nogk starrte den Menschen an, seine Fühler spielten unruhig. >Die neuen Energienetze bilden kugelförmige Sphären, sobald ein Objekt einmal mit ihren energetischen Tastern in Berührung gerät. Hat sich die Sphäre um den Gegner geschlossen, tritt ein Prozeß ein, den auch wir nicht wieder rückgängig machen können. Es bildet sich eine Antisphäre. Diese Antisphäre aber wird vom weit größeren und energetisch milliardenfach stärkeren Normalkontinuum als un tragbarer Fremdkörper ausgeschleudert. Wohin, wissen wir nicht. Wir haben Versuche unternommen. Wir haben einige unserer Schiffe zur Erprobung der Waffe verwendet, ohne Besatzung natürlich. Sie verschwanden spurlos. Lediglich eine Strukturerschütterung zeigte die Ausschleuderung an. Ob diese Waffe uns gegen die Fremden hilft, wissen wir nicht. Aber wir glauben an einen Erfolg, weil der Prozeß erst anläuft, wenn das angegriffene Objekt durch die zerset zende Wirkung unseres Energienetzes bereits stark beschädigt ist!< Huxley starrte den Nogk aus schmalen Augen an. »Charaua, das ist eine teuflische Waffe!« flüsterte er. Sein ge schulter Verstand begriff sofort die entsetzlichen Konsequenzen der Erklärung des Nogk. »Ihr könntet unter Umständen, wenn genügend Energie durch eine genügende Anzahl von Ellipsenschiffen vorhan den ist, ganze Welten aus dem Normalkontinuum herausstoßen!« Charaua zögerte. >Das ist nicht sicher, wäre aber denkbar. Aller dings werden wir Nogk das nie an irgendeiner Welt erproben. Der Rat des Imperiums hat strenge Gesetze erlassen, die die Anwen dung dieser Waffe genau festlegen. Jeder Verstoß gegen diese Be schlüsse wird hart geahndet werden, Terraner. Sollte es aber zum Kampf zwischen uns und den schwarzen Schiffen kommen, dann werden wir sie anwenden müssen, weil alle anderen Waffen versa gen. Du hast es selbst erlebt!< Huxley straffte sich. »Ich muß mich um meine Männer kümmern, Charaua! Zum Zeitpunkt unseres Startes finde ich mich hier wieder ein. Wir sind uns also einig, daß wir vor der eigentlichen Erprobung dieses Schiffs und seiner Einrichtungen erst Verbindung zu meinen Rassegefährten aufnehmen und dann versuchen, den Stützpunkt der Fremden zu finden!« >So wünscht es unser Herrscher. Vergiß nicht, auch der bevorste hende Kampf, die Suche nach den Fremden wird schon eine Erpro bung sein. Ich glaube nicht, daß sich der Stützpunkt jener Schatten - wie du sie nennst – innerhalb unserer Galaxis befindet! Alle unsere Messungen, unsere wenigen Ergebnisse, weisen auf ein Gebiet im Halo der Galaxis…< Huxley stutzte plötzlich. Erschrocken blickte er den Nogk an. »Du
meinst, die Fremden könnten aus einer uns benachbarten Galaxis kommen?« >Gerade das wissen wir nicht!< Charaua erhob sich mit der seiner Rasse eigenen Schnelligkeit. >Bis gleich, Huxley! Auch ich habe noch einiges zu tun!< Eine knappe Viertelstunde später verließ der Ellipsenraumer den Hangar. Er schwebte lautlos an dem Riesenschiff vorbei, an dem auch jetzt ein ganzes Heer von Nogk arbeitete und es so Stunde für Stunde seiner Fertigstellung entgegentrieb. Gegen diesen Giganten war ihr Raumer mit seinen 500 Metern Länge fast ein Zwerg. Und doch wußte Huxley, daß eine Menge Schiffe dieser Art in anderen Hangars auf ihren Werften lagen. Schon bald würden die alten Ei raumer der Nogk diesem neuen Typ weichen müssen. Charaua hatte angedeutet, daß sie in Zukunft nur noch zu Patrouillenzwecken in der nächsten Umgebung der Sonne Tantal Verwendung finden wür den. Der Riesenraumer hingegen würde in Begleitung einer Gruppe von 500-Meter-Schiffen in Richtung Andromeda fliegen. Aber erst dann, wenn die neue Flotte der Nogk stark genug war, jeden poten tiellen Angreifer aus dem Tantal-System zu vertreiben. Er, Huxley, würde zusammen mit Charaua das Kommando über den Riesen raumer der Nogk übernehmen. Er und seine Männer würden einen Teil der Besatzung dieses Schiffes bilden. So hatte es der Rat des Imperiums in einer weiteren Sondersitzung gewünscht, und Huxley hatte eingewilligt. An all dies dachte der hagere Colonel, als der Gi gant nun unter ihnen zurückblieb und schließlich unter der schüt zenden Energiebarriere verschwand. Zwischen den Koordinaten des Allsichtschirms im Leitstand des Ellipsenraumers, den Huxley auf den Namen CHARR getauft hatte, erschien in Lebensgröße der Herrscher des Imperiums. Tausende von schwarzen Facettenaugen glitzerten aus dem Hintergrund des Ratssaales zu ihnen empor. Der Herrscher hob die Hand, seine Impulse drangen durch den Leitstand. >Die gesamte Rotte des Imperiums liegt bereit. Wenn ihr Hilfe braucht, startet sie sofort!< Abermals winkte der Herrscher ihnen zu, dann verlosch seine Ge stalt zwischen den Koordinaten… Larsen saß vornübergebeugt in seinem Kontursitz. Angespannt beobachtete er den winzigen, blaugrünen Stern auf dem Haupt schirm. »Kommandant an Labor: Auswertung, welcher Sonnentyp?« Das Labor meldete sich sofort. »Blaugrüne Sonne. Klassifizierung nicht möglich, Sonnentyp unbekannt. Die Oberflächentemperatur dürfte zwischen 20.000 und 30.000 Grad betragen. Vielleicht auch mehr. Spektrum weist völlig unbekannte, undeutbare Emissionslini en auf. Strahlungsablauf stabil. Wahrscheinlich drei Planeten! Das ist vorläufig alles, Sir!«
»Danke! Versuchen Sie weiterhin, etwas herauszufinden!« Larsen rief die LUXOR Szardaks an. »Wir sind da, Szardak! Das ist Tantal! Ich kenne die Sonne aus den Beschreibungen Huxley´s. Die Koordinaten stimmen ebenfalls – erstaunlich genug bei einer Entfer nung von nahezu 75.000 Lichtjahren… Wir sollten jetzt die Nogk anrufen!« Szardak nickte bestätigend. »Bin ganz Ihrer Ansicht, Larsen. Mich interessiert vor allen Dingen, ob wir Huxley nun finden oder nicht!« Sekunden später gellte der Alarm durch die Schiffe. Larsen und Szardak sahen sich verblüfft an. Die Ortungsoffiziere schwiegen, und die Bildschirme der Außenbeobachtung zeigten nichts. Plötzlich tauchte seitlich des Ringraumer-Verbands ein Schemen auf- ein merkwürdig konturloser Schatten. »Szardak, was zum Teufel ist das? Wie kommt das Schiff so plötz lich in unsere Flanke? Sollten das etwa diese…« Weiter kam er nicht. Etwas Schwarzes fuhr auf sie zu. Ein schwarzer, um seine Längs achse rotierender Strahl, der – so verrückt sich das auch anhören mochte – von einem unheimlichen, lichtlosen Leuchten und Pulsie ren umgeben war. Der Strahl traf auf das Intervallfeld der LUXOR. Durch das Schiff ging ein Ruck. Das Intervall verformte sich unter dem plötzlichen Ansturm fremder Energien. Die LUXOR wurde aus dem Verband hinausgewirbelt und jagte, von unsichtbaren Kräften getrieben, in den Raum hinein! Aber Colonel Szardak reagierte trotzdem. Blaßrosa Nadelstrahlen fuhren auf den Schatten los. Gleichzeitig eröffneten auch die ande ren Schiffe des Verbands das Feuer. Um den Schatten leuchtete es auf. Und dann, von einer Sekunde zur anderen, gab der Fremde sein Inkognito auf. Larsen sträubten sich förmlich die Haare, als er das schwarze Schiff anstarrte. Ein geradezu abstoßend häßliches, bösartig wirkendes Gebilde aus gewaltigen Röhren, zwischen denen ein nicht genau erkennbarer langgestreckter Innenkörper hing. Das Ganze wurde von einem unbeschreiblichen lichtlosen Leuchten umgeben. Der massive Nadelstrahl-Beschuß schien dem Fremden zuzuset zen. Dennoch schoß er einen weiteren schwarzen Strahl auf eines der Schiffe von Szardaks Verband ab. Auch dieser Ringraumer wur de davongeschleudert. Larsen beobachtete, wie das Intervall des Raumers unter der Belastung zu pulsieren begann. Aber sonst ge schah nichts. Szardak und der andere Kommandant bekamen ihre Schiffe bald wieder unter Kontrolle und stießen erneut gegen den Fremden vor. »Feuer einstellen!« Larsens Stimme dröhnte durch die Zentralen der Ringraumer. »Erst abwarten, was der Fremde weiterhin vorhat. Wir…« Erschrocken hielt er inne. Ohne jede Warnung erschienen aus dem Nichts plötzlich schwarze Schiffe und schlossen den terranischen
Verband ein. Die Männer in den Ringraumern spürten ein eigenarti ges Ziehen und Kribbeln in ihren Gliedern. Konverter und Speicher bänke begannen zu brummen. »Verdammt, Larsen, diese Brüder haben uns in eine Falle gel…« Szardaks Stimme wurde schlagartig von einer anderen Sendung überlagert. »Huxley an Ringraumer-Verband! Achtung, hier spricht Colonel Huxley! Beschleunigen Sie und drehen Sie nach Grün ab. Alle ver fügbaren Waffen einsetzen. Achten Sie auf schwarze Bälle, die sich aus dem Raum Ihrem Verband nähern könnten. Wir nehmen uns jetzt das große Schiff vor ihrem Verband vor, es steht genau zwi schen Tantal und der ARROW! Dorthin unter keinen Umständen feuern! Gehen Sie auf Kurs Grün!« Szardak, Larsen und die übrigen Kommandanten starrten verblüfft auf ihre Schirme, auf denen eben noch Huxleys schmales Gesicht neben dem dunklen Libellenkopf eines Nogk zu sehen gewesen war. Doch trotz ihrer Verwunderung reagierten sie nach einem kurzen »Okay, Huxley, verstanden!« unverzüglich. Auf den Schirmen der Distanz- und Masseortung erschienen kaum wahrnehmbare Blips. Irgend etwas bewegte sich vor dem Verband auf das alleinstehende schwarze Schiff zu, das wie alle anderen sein Inkognito, seine Dun kelschirme abgebaut hatte. Geblendet schlossen die Terraner die Augen, als aus dem All ein blauweißer Ball zuckte. Blitzartig weitete er sich zu einem feinma schigen Energienetz, das den fremden Raumer umschloß. Die Fremden zögerten nicht. Ihr Raumer schoß vor und prallte gegen das weithin leuchtende Energienetz. Augenblicklich umzuck ten entsetzliche Entladungen das schwarze Schiff. Die Besatzungen der Ringraumer beobachteten, wie einige seiner mächtigen Röhren zersprühten. Und dann geschah es. Das Energienetz flammte auf. Es sah aus, als würden unzählige Arme durch die Schwärze eines aufreißenden Kontinuums greifen. Das fremde Schiff wurde herumgewirbelt. Der Raum schien sich zu krümmen und in sich selbst zu verwinden. Eine gewaltige StrukturErschütterung folgte. Dann war der Spuk vorbei. Das Schiff war verschwunden. Kein Trümmerstück trieb durch den Raum, keine Energiewolke – nichts. Sekundenbruchteile später registrierten die Instrumente der Ringraumer eine abermalige Erschütterung der Raum-Zeit-Struktur. Die Waffen der Schiffe entluden sich ins Leere. »Feuer einstellen!« Die Stimme Larsens überschlug sich beinahe. Es war alles viel zu schnell gegangen. Und genau in diesem Augenblick allgemeiner Ver wirrung wuchs neben den Ringraumern ein ellipsenförmiger Raumer auf. Ein undeutlicher grauweißer Nebelfleck zunächst nur, der je doch an Schärfe und Deutlichkeit gewann, je weiter der Unsichtbar keitsschirm sich abbaute. »Himmel und Hölle, was ist denn das nun schon wieder?«
Larsen starrte verwirrt auf den Schirm. Gleichzeitig meldete sich Szardak. Auch seine Züge wirkten angespannt. »Mir scheint, Huxley hat bei den Nogk keinen unvorteilhaften Tausch gemacht! Die Demonstration, die er uns da eben geliefert hat, war absolut nicht ohne. Bei den Nogk scheint man inzwischen auch nicht gerade geschlafen zu haben!« Die beiden Männer fixierten aus schmalen Augen die CHARR, die langsam auf sie zuglitt und sich dann der Fahrt des Ringraumerver bands anpaßte. Es sah aus, als stünden die Schiffe ruhig im All. Nur die langsam seitlich auswandernde Sonne erinnerte an die hohe Ge schwindigkeit, mit der sie sich bewegten. Huxley meldete sich erneut. »Ich schlage vor, wir treffen uns auf der ARROW! Es ist gut, daß Sie gekommen sind. Ich glaube, jetzt können wir mit diesen Schatten fertig werden – gegen das Intervall sind ihre Waffen offenbar machtlos. Jedenfalls vorläufig! Und auch wir haben einiges in petto, was sie bis jetzt noch nicht kennen! Aber darüber wird Ihnen Charaua berichten!« Seine grauen Augen blickten Larsen an. »Lasen Sie den Kurs Ihrer Schiffe abermals ändern, Larsen! Gehen Sie in einen Orbit um den innersten Planeten der Sonne Tantal. Der Vorfall von eben ändert einiges an unseren Plänen!« Larsen nickte grimmig. »Also gut, Szardak und ich erwarten Sie und Charaua an Bord meines Schiffes. Wir sollten einen Teil der anderen Kommandanten ebenfalls hinzuziehen, oder?« Doch Huxley schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß das in diesem Stadium sinnvoll ist…« »Ganz wie Sie meinen. – Auch wir haben übrigens Neuigkeiten. Auf Cent Field steht ein Kampfschiff der Nogk, sechs Besatzungs mitglieder sind tot, der Rest befindet sich in der Schlafperiode. Un ter den Toten sind ein Mitglied des Rates und der Kommandant des Schiffs! Außerdem hatten wir einen Zusammenstoß mit unseren alten Freunden, den Amphis, aber auch davon gleich mehr!« Charaua starrte Szardak aus seinen schwarzen, glänzenden Facet tenaugen an. Er hatte die Mitteilung des Mannes mit dem Pokerface verstanden. Unruhig pendelten seine Fühler hin und her. >Es müs sen sich schlimme Dinge ereignet haben! Das Schiff hätte lange vor Beginn der Schlafperiode bei euch sein müssen! Und Chorr, der Beauftragte unseres Herrschers, ist tot!< Charaua wandte sich ruckartig um. >Gehen wir, Huxley, gehen wir schnell! Ich muß Genaueres erfahren, es ist wichtig für uns alle!< Wenig später machten an der blauschimmernden Unitall-Wandung der ARROW zwei sehr unterschiedliche Beiboote fest. Eines von der Bauart, wie sie auf den Kugelraumern der TF Verwendung fanden denn die erbeuteten Ringraumer verfügten über keine Flash –, das andere ein genaues Abbild des großen Ellipsenraumers der Nogk.
Charaua beugte sich über die holografische Darstellung. Sorgfältig studierte und verglich er die Bewegungsrichtungen, die Ablenkun gen und die Reflexionszonen der Magnetorkane. Schließlich richtete er sich ruckartig auf. >Sind alle Berechnungen überprüft worden?< Szardak und Larsen nickten. »Sie stimmen, Charaua!« Der Nogk schien durch sie hindurchzusehen. >Das ist so wichtig, daß ich vorschlage, wir geben alle Daten noch mals in unsere Speicher ein. Zusammen mit den von uns ermittelten Daten. Aber wir müssen rasch handeln. Wir müssen den Stützpunkt der Fremden aufgespürt haben, ehe sie wieder angreifen!< Huxley legte Larsen eine Hand auf die Schulter, als er den Unwillen in dessen Zügen bemerkte. »Charaua hat recht, Larsen! Denken Sie nach: Wenn wir Ihre Daten zusammen mit denen der Nogk verwen den, dann ergibt sich eine weitere Peilbasis. Das heißt, wir bekom men für die Schnittpunkte unserer Peilfrequenzen plötzlich eine Basis von fast 75.000 Lichtjahren. Wenn sich auch aufgrund der Struktur jener Schatten vielleicht kein hundertprozentiges Ergebnis erzielen läßt, so werden wir doch auf jeden Fall herausfinden kön nen, ob dieser von uns angenommene Stützpunkt der Invasoren überhaupt innerhalb unseres Normalkontinuums liegt!« Larsen begriff. »Natürlich, Huxley. Daran hatte ich im Moment nicht gedacht. Mir macht nämlich ein anderer Punkt beträchtliche Sorgen. So wir kungslos offenbar die Waffen der Schatten gegen unsere Intervall felder sind, genauso wirkungslos blieben auch unsere Nadelstrahlen. Aber wie wollen wir die Fremden wirkungsvoll bekämpfen, wenn allein der neue Nogkraumer über entsprechende Mittel verfügt?« Charaua hatte aufmerksam zugehört. >Euer Intervallfeld kann von ausschlaggebender Bedeutung sein, Terraner!< ließ er sich vernehmen. >Allein eure Ringschiffe vermö gen Schutzfelder und Materie zu durchfliegen, als existierten sie nicht. Ihr könntet in den Stützpunkt eindringen und uns einen Weg bahnen. Außerdem werde ich sofort veranlassen, daß unser zweites Ellipsenschiff, das ebenfalls fertig in seinem Hangar liegt, bemannt wird und startet. Du, Huxley<, wandte er sich an den neben ihm stehenden Colonel, >solltest die Männer deiner Besatzung teilen. Wir wissen nicht, wie weit wir in den Raum hinaus müssen; es ist besser, wenn sich trotz der neuen Einrichtungen unserer Schiffe Terraner an Bord befinden!< »In Ordnung, Charaua! Ich schlage vor, daß Sie, Larsen, und Sie, Szardak, Charaua und mich zu den Nogk begleiten. Während wir auf die Daten-Auswertung warten, können wir bereits einen Einsatzplan entwerfen! Die Ringraumer sollten unterdessen den Planeten absi chern, damit wir nicht von den Schatten überrascht werden, denn sie sind jetzt bestimmt ganz schön nervös geworden!« Larsen und Szardak erhoben sich. Sie gaben letzte Anweisungen
an ihre Verbände, dann stiegen sie in das Beiboot des Ellipsenrau mers um. Unterwegs erzählte Huxley seinen beiden alten Freunden alles, was sich in jüngster Zeit im Raum der Sonne Tantal ereignet hatte -und die Konsequenzen, die die Nogk daraus zogen. Auch von der Bitte, ihren Riesenraumer zur Andromeda und zurück zu brin gen. Szardak sah den grauhaarigen Colonel an, während das Beiboot in das Bootsdeck einflog. »Eine Aufgabe, Huxley, um die ich Sie und Ihre Männer beneide! Halten Sie gut die Augen auf, vielleicht werden wir die Erkenntnisse, die Sie auf diesem Flug zur Andromeda erwerben, noch dringend brauchen!« Abermals tagte eine Versammlung im Ratsgewölbe tief im Innern des Nogkplaneten. Neben den drei Terranern und dem Herrscher des Imperiums waren alle anwesenden Kampfschiffkommandanten der Nogk-Flotte versammelt. Gespannt hingen ihre Augen an der Sphäre über ihren Köpfen. Grün schimmerten die Koordinaten vor dem samtschwarzen Hinter grund des Raumes, der außer einigen Sonnen ganz am Rand der Galaxis nur noch die milchigweiße Linse der Andromeda zeigte. Jeden Augenblick mußte das Speicherzentrum die Ergebnisse seiner Untersuchungen projizieren. Ruckartig wandten sich die Libellenköpfe der Nogk der Sphäre zu, als die ersten Impulse das Gewölbe durchdrangen. Zwischen den Koordinaten zeichneten sich die beiden Schenkel eines sphärischen Dreiecks ab, während sich die Projektion des galaktischen Sektors automatisch veränderte. Zwischen den Schen keln des Dreiecks bildete sich die Basislinie. Zwei Sonnen bezeich neten ihre Endpunkte. Eine gelbe, eine blaugrüne. Szardak und Larsen, zum erstenmal in ihrem Leben zu Gast bei den Nogk, blickten wie gebannt auf das Geschehen über ihren Köp fen. Die ans Unheimliche grenzende Perfektion der Nogk-Technik zog sie ganz in ihren Bann. >Die Messungen jener Wesen, die sich Terraner nennen, sind sehr exakt<, vernahmen sie die Impulse des Speichers. >Kombiniert mit unseren eigenen Messungen ergibt sich, daß der gesuchte Stütz punkt der Aggressoren im Halo unserer eigenen Galaxis im Normal kontinuum liegt. Die mutmaßliche Entfernung beträgt 4000 Lichtjah re. Die Sprungdaten für unsere Schiffe errechnen sich wie folgt…< Der Speicher gab einige für Szardak und Larsen unverständliche Werte durch. Gleichzeitig schoben sich die bis dahin noch offenen Schenkel des Dreiecks zusammen, und um seine Spitze bildete sich ein großer Kreis, der das Gebiet eingrenzte, in dem sich der Stütz punkt der Schatten befinden mußte. Szardaks Stirn furchte sich. Aus zusammengekniffenen Augen starrte er auf das langsam erlöschende Bild zwischen den grünlich
schimmernden Koordinaten. Nachdenklich wandte er sich Huxley, Larsen und Charaua zu. »Falls die Berechnungen des Speicherzentrums stimmen, haben wir eine Chance! Wir müssen unsere Transitionsdaten so berechnen, daß unsere Schiffe beim Wiedereintauchen ins Normalkontinuum das ganze vom Speicherzentrum angegebene Gebiet schlagartig besetzen. Eines oder sogar mehrere Schiffe müßten dann auf diesen mysteriösen Stützpunkt stoßen, falls er sich an der errechneten Position befindet. Und das…« Szardak fuhr sich mit der Hand über die Stirn, »halte ich für durchaus wahrscheinlich.« Der Herrscher der Nogk trat auf ihn zu. >Dein Vorschlag ist gut, Terraner. Kein Feind sollte euch unterschätzen. Außer unseren bei den einsatzbereiten Ellipsenraumern – wie ihr diese Schiffe nennt wird zwischen euch und unserer Sonne noch ein starker Verband unserer alten Kampfschiffe bereitstehen. Sie haben den Schatten zwar nicht viel entgegenzusetzen, weil sie noch nicht über unsere neue Waffe verfügen, doch vielleicht hilft ihre große Zahl dennoch, falls ihr in Not kommt. Viel Glück, Terraner, das Imperium wird eure Hilfe nicht vergessen!< Kaum Minuten später entwickelte sich auf dem innersten Planeten der Sonne Tantal fieberhafte Geschäftigkeit. In den Kavernen unter der glühendheißen Oberfläche eilten die Besatzungen der Kampf raumer zu ihren Schiffen. Der zweite Ellipsenraumer unter dem Kommando eines erfahrenen Nogk-Kommandanten verließ seinen Liegeplatz. Dicht neben der CHARR ordnete er sich in die Formation der im Orbit kreisenden Schiffe ein. Die Hälfte von Huxleys Männern unter Führung Lee Prewitts schwebte im kaum wahrnehmbaren Licht eines Gleitfelds zur Hauptschleuse des Schiffes hinüber und wurde dort von den Nogk in Empfang genommen. Nach und nach formierten sich unter dem Verband der Ringraumer und der beiden Ellipsenschiffe auch die eiförmigen Kampfschiffe der Nogk. Huxley zahlte 500 Einheiten. Von allen Seiten schwirrten die Impulse der Nogk und die Klar meldungen der terranischen Schiffe durch den Raum. Dann setzte sich die Armada von insgesamt mehr als 700 Schiffen in Bewegung. Tantal verblaßte hinter ihnen. Der Verband der Eiraumer fiel lang sam zurück. Huxley beobachtete noch, wie der gewaltige Verband sich zum Sprung formierte. Minuten später verschwammen die Konturen der Schiffe, die Schirme der Felddetektoren leuchteten für den Buchteil einer Sekunde auf, dann war von den Eiraumern nichts mehr zu sehen. »Jetzt sind wir dran, Charaua!« Der Nogk nickte. Prüfend beobachteten seine Facettenaugen den Verband der Ringraumer. Wie ein Schwarm von bläulich leuchtenden Punkten nahmen sich die Intervallschirme vor der Schwärze des Alls aus.
Charaua rief den Kommandanten des neben ihnen fliegenden El lipsenraumers an. Ein letztes Mal verglichen die beiden Schiffe ihre Sprungkoordinaten. Dann erfolgte der wesentlich kompliziertere Abgleich mit den Suprasensoren der Ringraumer. Über die Schirme des Nogkraumers zuckten die gekoppelten Im pulse der beiden Bordgehirne. Der Leitstand verdunkelte sich, die Wandungen verschwanden. Die Leere des Raumes schien plötzlich in das Schiff einzudringen. In den großen Gewölben im Mittelteil der Schiffe flammten die künstlichen Sonnen auf. Dann war es soweit. Die Sterne zwischen den Koordinaten erlo schen…
6.
Als die CHARR aus der Transition kam, zuckte Huxley zusammen. Charauas Körper neben ihm versteifte sich. Der Nogk stemmte seine Hände gegen das Steuerpult, als wollte er die Dinge aufhalten, die jetzt unweigerlich geschehen würden. »Nein!« Huxley stieß nur dieses eine Wort hervor. Ungläubig, mit weit aufgerissenen Augen starrte er die gewaltige Kugel an, die undeut lich zwischen den Koordinaten des Allsichtschirms hing. Charaua drehte sich mit einer ruckartigen, blitzschnellen Bewe gung zu ihm um. >Wir müssen deine Gefährten warnen, Huxley! Für ihre Schirme ist die Kugel unsichtbar. Das glaube ich jedenfalls! Rasch, beeile dich, deine Freunde Szardak und Larsen halten genau auf die Kugel zu!< Huxley löste sich aus seiner Erstarrung. »Verdammt, Charaua, du hast recht!« Und dann handelte er. Ohne Rücksicht darauf, ob die Fremden die Impulse der CHARR auffingen oder nicht. »Huxley an ARROW und LUXOR! Vor Ihnen in Flugrichtung, auf Gelb 07:13,39, befindet sich wahrscheinlich der Stützpunkt der Fremden. Er besitzt einen hochwertigen Deflektorschirm, der auch unseren Tastern eine genaue Ortung unmöglich macht. Wir können das kugelförmige Gebilde nur verschwommen auf unserem All sichtschirm ausmachen. Wir…« Charaua unterbrach ihn. >Eine erste Auswertung aus der Doppel peilung unserer beiden Schiffe. Ungefährer Durchmesser nach euren Maßen 10.000 Meter. Das Objekt wird von eigenartigen Feldern umgeben, deren Natur wir noch nicht erkennen können!< Die Gesichter von Larsen und Szardak verhärteten sich. Sie hatten die Impulse des Nogk verstanden. »Danke! Haltet die Augen auf, wir gehen wie besprochen vor.« Kurz darauf formierten sich die Ringraumer zu einem weiten Halb kreis, dessen Mittelpunkt die Station der Schatten bildete. Noch immer ließ sich kein feindliches Schiffe sehen. »Ringraumer an CHARR und Begleiter. Dirigiert uns, unsere Bild schirme zeigen so gut wie nichts; wir fliegen blind!« Huxley nickte grimmig. »Okay! Linker Flügel auf Gelb 13:13,72 gehen. Mitte Kurs halten. Rechten Flügel auf Grün 35:02,18 korrigieren. Verringern Sie Ihre Geschwindigkeit, sonst prallen Sie im Innern des Stützpunkts auf einander. Und eröffnen Sie sofort das Feuer. Sie müssen versuchen, den Druckkörper oder was sonst diesen Koloß umgibt, aufzureißen. Nur eine Lücke, eine Öffnung sichert unsere weitere Verständigung. Keiner von uns weiß, was sich im Innern der Kugel befindet…« »Verstanden!« Sekunden später korrigierten die Ringraumer ihre Formation. Dann eröffneten sie das Feuer. Schlagartig. Die Nadelstrahlen von 200
Raumern prallten auf den Deflektorschirm des Giganten. Zunächst hatte es den Anschein, als würde der Schirm die Energie absorbieren. Die blaßrosa Energiefinger verschwanden im Nichts. Aber dann, von einer Sekunde zur anderen, zerrissen gewaltige Ent ladungen das Deflektorfeld des Giganten. Der Koloß wuchs vor den Ringraumern auf. Eine lodernde, von grellen Blitzen und wirbelnden Energiefahnen umloderte Kugel. Weithin sichtbar für jedermann. Huxley brauchte die Ringraumer nicht mehr zu dirigieren. Szardaks Fäuste lagen auf den Steuerschaltern seiner LUXOR. Ra send schnell näherte sich das Schiff dem Inferno aus Eruptionen und Entladungen. Ein Blick auf einen der anderen Bildschirme zeigte ihm, daß Larsens ARROW ihm unmittelbar folgte. »LUXOR an alle! Wir fliegen ein!« Hastig stieß Szardak die Worte aus, während auf den Bildschirmen vor ihm die grünschwarze Masse des Giganten ins Unermeßliche anschwoll. Die Station der Fremden schien auf sie zuzustürzen. Für einen winzigen Augenblick konnte Szardak sogar Details ihrer Ober fläche unterscheiden. Flimmernde, möglicherweise rotierende Spira len, deren Struktur unter dem immer noch andauernden Na delstrahlbeschuß zusammenbrach. Die Schirme verdunkelten sich. Szardak spannte sich in seinem Sitz. Eine Kugel von annähernd zehn Kilometern Durchmesser! Er registrierte, daß auch die Wandung Hohlräume aufwies. Einmal glaubte er sich bewegende Schemen wahrzunehmen. Dann befanden sie sich im Innern der Kugel! »Verdammt…« Szardak beugte sich weit vor, so als könne er dadurch die Szenerie vor sich besser überblicken. Das erste was er sah, war ein Nogkraumer, eines der großen Kampfschiffe. Aber wie sah sein Druckkörper aus! Zerrissen, zer fetzt. Aus den riesigen Löchern in seinen Wandungen war eine glas artige Substanz hervorgequollen, die sich in langen Bahnen über die Flanken des eiförmigen Rumpfes zog. An diesen Stellen stand ein kaum wahrnehmbares Leuchten über dem Schiff. Szardaks Augen glitten blitzschnell weiter. Die Kugel bildete einen riesigen Hangar. In ihrer Mitte schwebte, umgeben von riesigen, ringförmig angeordneten Plattformen, eine schwarz strahlende Ku gel. Auf den Plattformen – Szardak kniff die Augen zusammen wahrhaftig, dort standen die schwarzen Schiffe! Eines neben dem anderen! Ihre fremdartigen Gitterkörper glänzten düster in dem Licht, das das Innere der Kugel ausfüllte. Licht? Erst jetzt wurde Szardak bewußt, daß er einem entsetzlichen Irr tum unterlegen war. »Masterson!« Blitzartig wandte er sich dem Sergeanten am Ortungspult zu. »Strahlung, Sir, unzweifelhaft Strahlung! Sie durchdringt unser Intervallfeld. Es ist, als ob sie in die Struktur des Unitalls eindringt und sich dort festsetzt! Weiß der Teufel, was…« Er zuckte zusam
men, wies dann auf die Instrumente. »Da, Sir, sehen Sie!« Szardak folgte seiner Handbewegung. Einer der Schirme zeigte den gegenüberliegenden Teil der Kugel. Eine gigantische, gewölbte Fläche, aus der antennenartige Gitterkonstruktionen hervorragten und zwar zwischen den ringförmigen Plattformen, die die Innenseite der Kugel in geringen Abständen umliefen und oben wie unten an eine schillernde Fläche grenzten. Aber das registrierte Szardak nur nebenbei. Was er vor allem sah, waren die schattenhaften Gestal ten, die jetzt überall auf den Ringplattformen erschienen, sich ab stießen und quer durch den Innenraum der Kugel schwebten. Ges talten, die nichts ähnelten, was er bisher in seinem Leben gesehen hatte. »Sie wollen zu den Schiffen! Achtung, die Fremden wollen zu ihren Schiffen! Wir scheinen sie überrascht zu haben! Sofort die Raumer unter Beschuß nehmen! Feuer!« Er registrierte noch, wie hinter ihm die ARROW auftauchte, wie kurz darauf auch noch andere Ringraumer in den Hohlkörper des Giganten einflogen. Ob sie seinen Befehl verstanden hatten oder nicht, sie folgten dem Beispiel seines Schiffes und schossen aus allen Rohren. Blaßrosa Nadelstrahlen und grüne Duststrahlen fraßen sich durch die mit jeder Sekunde heftiger pulsierende Strahlung. Die antennenartigen Gitterkonstruktionen ruckten herum. An ihren Spitzen erschienen schwach glühende Energiefahnen. Düster, nahe zu schwarz. Die schwarze Kugel in der Mitte der Station – zwischen den Platt formen, deren Material bereits unter dem Beschuß der Ringraumer zerstäubte – dehnte sich ruckartig aus. Schwarzes, lichtloses, unbe schreibliches Leuchten umgab sie, ließ sie pulsieren. Der erste der fremden Raumer fiel in sich zusammen, seine Gitter konstruktion zersprühte, der Innenkörper barst. Lautlos, gespens tisch. Das Schiff flog auseinander, irgendwelche Teile wirbelten herum, ohne jeden Blitz, ohne jede Entladung. Und doch zeigten in diesem Moment die Ortungen der Ringraumer enorm hohe Werte. Wie gebannt starrten die Ringraumerbesatzungen auf die herum wirbelnden Trümmer des schwarzen Schiffs. Und dann begriffen sie. Die Wrackteile verschwanden im Innern der pulsierenden Kugel, die nun die durch eigenartige Ringe abgeschirmte Sphäre zwischen den Plattformen ausfüllte. Immer mehr der bizarren Wesen ergossen sich aus den Ringen an der Innenwand der Kugel zwischen die feuernden Ringraumer. Un beirrbar, von den Energien der Dust- und Nadelstrahlen umflossen, bewegten sie sich von allen Seiten auf ihre Schiffe zu. Larsen und Szardak fluchten. Wie war es möglich, daß diese un heimlichen Gestalten auf ihre Waffen nicht im geringsten reagier ten? Wie pulsierende, konturenlose Schatten, weder von der Or tung, noch von den Bildschirmen deutlich zu erfassen, jagten sie dahin. Die Ringraumer verstärkten ihr Feuer. Der Beschuß konzentrierte
sich zusehends auf die noch immer völlig schutzlos dastehenden Röhrenraumer. Mehr und mehr von ihnen lösten sich auf, zerfielen in gespenstischer Lautlosigkeit, wirbelten als Trümmer und amor pher Staub davon, um gleich darauf von der schwarzen Kugel auf gesogen zu werden. Und dann geschah etwas, mit dem niemand gerechnet hatte. Ohne jede Vorwarnung hob der gewaltige Nogkraumer von seiner Plattform ab. Undeutliche, verzerrte Impulse drangen zu den Ringraumern. Unverständlich für menschliche Gehirne. »Vorsicht, dem Schiff ausweichen, Formation auseinanderziehen«, dröhnte die Stimme Larsens auf. Der Nogkraumer stand über der Plattform, auf der er eben noch scheinbar bar jeden Lebens gelegen hatte. Plötzlich verschwand ein Teil des Schiffs unter seinem Unsichtbarkeitsschirm. Ein gespensti scher Anblick: Heck und Mittelteil des Raumers waren wie ausge löscht. Einzig der mächtige Bug ragte wie ein gewaltiges Relikt in den Raum. Die Ringraumerbesatzungen sahen, wie das Schiff mit aller Kraft versuchte, sich von der schwarzen Kugel frei zu machen, die ihrer seits mit aller Macht an dem Kampfschiff zu zerren schien. Plötzlich standen mehrere weißglühende Bälle über den nach wie vor im konzentrischen Feuer liegenden Schattenraumern. Sie jagten auf die schwarze Kugel zu, zerplatzten und hüllten einen Teil von ihr und den Plattformen in ein weithin leuchtendes, flirrendes Ener gienetz. Kaskaden sprühender Funken ergossen sich in den Raum. Teile der Plattformen und Schiffe zersetzten sich unter gewaltigen, von unvorstellbaren Blitzen durchzuckten Entladungen. Mehrere der Röhrenschiffe wurden von ihren Liegeplätzen emporgerissen und davongewirbelt. Der Nogkraumer beschleunigte. Nochmals schoß das gewaltige Schiff eine ganze Serie von Energiebällen auf die schwarze Kugel ab. In der Station der Fremden brach die Hölle los… Die Energienetze entluden sich mit unvorstellbarer Heftigkeit, wo immer sie auf Materie stießen. Die ersten Schatten erreichten die Plattformen, verschwanden zwischen den ununterbrochen in die Schiffe und Plattformen einschlagenden Nadel- und Duststrahlen. Aber der Komplex im Mittelteil der Station war viel zu groß, als daß er sich von einer Minute zur anderen hätte vernichten lassen. Szar dak wußte, daß die Fremden trotz des Beschusses einige ihrer Schif fe erreichen würden. Diejenigen, die innen auf den Plattformen lagen, die die Strahlen der Ringraumer noch nicht zu erreichen vermochten. Unwillkürlich suchte er den Nogkraumer. Erst nach einigen Se kunden entdeckte er das Schiff – oder vielmehr den sichtbaren Teil davon. Szardak erschrak. Der Nogkraumer jagte mit hoher Beschleunigung auf die Innen wand der Station zu. Eine Masse von vielen, vielen tausend Tonnen, umgeben von defekten, halb zusammengebrochenen Schutzschir men.
Szardak brüllte eine Warnung ins Mikro. Er sah, wie einige der in diesem Teil der Station stehenden Ringraumer buchstäblich in aller letzter Sekunde auswichen. Dann raste der Nogkraumer auch schon gegen die Innenwand der Kugel. Szardak schloß für einen winzigen Moment die Augen. Das Kampfschiff durchschlug die Plattformen, riß den Druckkörper auf, raste alles zermalmend und zerfetzend durch die letzte Innen wand der Station. Der Kugelkörper der Station begann unter der Wucht des Aufpralls zu schwanken. Trümmer wirbelten durch den Innenraum der Kugel: Ganze Platt formen, einige der Antennen, skurrile, gezackte Gebilde, von denen keiner der Männer wußte, was sie darstellten. Eine jähe Explosion zerriß das Chaos. Das Kampfschiff der Nogk verwandelte sich in eine gleißende, alles um sich herum verdamp fende Sonne. Die Außenhaut der Station riß auf. Die ganze Kugel schale brach auseinander. Kilometerlange Risse liefen über die Wan dung, klafften blitzartig auf – und ließen ein gewaltiges Stück aus dem Druckkörper der Station brechen. Die Reste des Nogkraumers wirbelten davon. Trümmer, die eine weithin sichtbare Energiefahne hinter sich herzogen. Die Männer der Ringraumerbesatzungen starrten mit bleichen Ge sichtern auf das riesige Loch, das in der Station klaffte. Doch dann riß die scharfe Stimme Szardaks sie aus ihrer Erstarrung. Auf den Plattformen hoben die ersten Schiffe ab, wurden zu un deutlichen, verschwommenen Schemen. Szardak rechnete mit ei nem wütenden Angriff der Fremden, aber er irrte. Die Schiffe rasten auf die von Sekunde zu Sekunde stärker pulsierende Kugel zu und verschwanden in ihrer schwarzlodernden Sphäre. Andere folgten. Irgend etwas durchzuckte die Innensphäre der Station. Szardak spürte, wie sich ein unheimlicher Druck in seinem Gehirn ausbreite te. Er vermochte kaum noch die Augen offenzuhalten. Mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft kämpfte er dagegen an, das Bewußtsein zu verlieren. Verschwommen registrierte er einen schwarzen, kilometerdicken Strahl, der unten und oben aus der Ku gel herausbrach. Er verschwand in den schillernden Ebenen, die die beiden Pole der Innenkugel der Station ausfüllten. Riesige, mehrere Kilometer durchmessende Ebenen. Wie ein Blitz durchzuckte Szardak die jähe Erkenntnis. Diese Kugel ist ein Transmitter. Eine Station, über die… »Larsen, hören Sie mich, Larsen, bitte kommen!« stöhnte er. In seinem Kopf hämmerten die wildesten Schmerzen, die er jemals verspürt hatte. Er sah das verzerrte Gesicht Larsens, sah den bereits bewußtlos in seinem Sitz hängenden Madock. Für weitere Beobachtungen oder gar Worte blieb ihm keine Zeit. Irgend etwas lief schief. Die Transmitterkugel geriet außer Kontrolle. Sie blähte sich plötzlich auf. Schleuderte die einfliegenden Raumer zurück. Die Schiffe rasten durch die Innensphäre, streiften die Inter
vallfelder einiger Ringraumer, warfen auch sie aus der Bahn und zerschellten schließlich an der Innenwand zwischen den Plattformen. Lodernde, entsetzlich lichtlose Brände flackerten auf, fraßen sich blitzartig weiter, sprangen über die noch unzerstörten Teile der Ringplattformen, zersetzten die Wandung und zuckten schließlich in langen, protuberanzenähnlichen Eruptionen gegen die sich jäh ver formenden Intervalle der Ringraumer. Innerhalb von Sekunden brach im Innern der Station endgültig die Hölle los. Die Kugel blähte sich weiter auf. Plattformen, Schiffe, alles was sie berührte, wurde mit ungeheurer Wucht davongeschleudert. Ein schwarzer Strahl schoß aus ihr hervor. Verschwand durch das riesi ge Loch, das der Nogkraumer gerissen hatte. Abermals wirbelten Teile der Wandung davon… »Raus hier, um Himmels willen, raus!« brüllte Szardak ins Mikrofon seiner LUXOR. Er sah noch, wie die Ringraumer blitzartig beschleunigten, durch die tobende, lodernde Innensphäre rasten. Plötzlich durchfuhr ein gewaltiger Schlag sein Schiff – und dann war nichts mehr… Colonel Huxley und seine Männer wurden Zeuge des Untergangs der Transmitterstation. Die riesige Kugel zerfiel innerhalb weniger Se kunden. Riesige, sich ebenfalls zersetzende Trümmerstücke jagten in den Raum. Überall erschienen die leuchtenden Punkte der Ringraumer. Viele von ihnen steuerlos, andere noch gerade recht zeitig ausgeflogen. Er sah, wie Teile der beiden Geschwader sich an die Verfolgung der abtreibenden Ringraumer machten. Sofort be schleunigten auch die CHARR und ihr Schwesterschiff. »Wir können nichts tun, Charaua! Das Intervall ist für unsere Bei boote undurchdringlich! Ich weiß auch nicht, wie die anderen Ringraumer an die außer Kontrolle geratenen Schiffe herankommen wollen!« Charaua, noch ganz benommen von dem furchtbaren Opfertod der Besatzung des Nogkraumers, der sich im Innern der Transmittersta tion befunden hatte, ruckte hoch. >Wir müssen sie stoppen! Ihre Intervallfelder sind ein mehr als ausreichender Schutz gegen unsere normalen Energienetze! Rasch, ehe sie zu weit abtreiben. Vielleicht arbeiten sogar noch ihre Antrie be! Wenn sie zu schnell werden, können wir sie nicht mehr einho len!< Die CHARR und der andere Ellipsenraumer beschleunigten. Huxley schluckte konsterniert. »Ich Narr! Ich verdammter alter Narr!« murmelte er. »Daß ich auf diese Idee nicht selbst gekommen bin!« Rasch setzte er sich mit den noch rechtzeitig vor der Explosion ausgeflogenen Schiffen in Verbindung. Colonel Shooters, einer der Kommandanten aus dem Geschwader Larsen, meldete sich stellver tretend für die andern.
»Vielleicht geht es, Huxley! Wir müssen es zumindest versuchen! Der Antrieb der LUXOR arbeitet. Wir müssen vor allen Dingen dieses Schiff aufhalten, bis Szardak wieder zur Besinnung kommt! Die meisten anderen treiben lediglich. Um sie kann sich das andere Ellipsenschiff kümmern! Alle Intervalle stehen noch!« »Wir versuchen es, Shooters!« Die CHARR jagte davon. Charaua holte alles aus dem Schiff her aus. Es gelang ihnen, die LUXOR zu überholen. Bläulich leuchtete das Intervallfeld zu ihnen herüber. Der Ringraumer Szardaks wurde mit jeder Sekunde schneller und schneller. Charauas Facettenaugen glitzerten. Er wußte, daß sie ohne die Schiffe der Terraner gegen die schattengleichen Fremden keine Chance gehabt hätten. Der kurze, verworrene Bericht des im Transmitter gefangenen Nogkraumers, der einzig und allein durch den Angriff der Ringraumer zeitweilig der Kontrolle der Schatten entglitten war, war deutlich genug gewesen. Die CHARR hatte den notwendigen Vorsprung erreicht. Nachein ander verließen zehn blauweiße Energiebälle die Waffensteuerung. Die LUXOR flog in die vor ihr im Raum stehenden Energienetze der Nogk. Die ersten beiden wurden vom hell aufglühenden Intervall durchbrochen, das dritte aber hielt dem Ansturm des steuerlosen Schiffs stand. Die LUXOR verfing sich unter blitzenden, sprühenden Entladungen in seinen Maschen. Der Ringraumer Colonel Shooters’ drang mit Hilfe des eigenen Intervallfeldes bis zu Szardaks Schiff vor. Fasziniert beobachteten Huxley und seine Männer, wie Shooters sein Ringschiff genau über die LUXOR manövrierte. Die beiden Schiffe schienen zu einem Doppelring zu verschmelzen. Das Intervall von Shooters’ Schiff erlosch. Aus einer der Schleusen kamen Bergungstrupps hervor, die nach kurzer Zeit im Innern von Szardaks Schiff verschwanden. Minuten später fiel das Intervall der LUXOR ebenfalls in sich zusammen. Die Facettenaugen Charauas richteten sich auf Huxley. >Unsere beiden Rassen sollten von nun an immer zusammen kämpfen, Hux ley! Auch dann, wenn wir nach Andromeda ausgewandert sein wer den, wird ein Teil unserer Schiffe, unserer Krieger und unseres Ra tes zu eurer Verfügung stehen. Der Herrscher unseres Imperiums hat mich beauftragt, nach Beendigung dieses Kampfes noch vor der Erprobung der CHARR mit dir zu eurem Heimatplaneten zu fliegen. Wir Nogk haben ein Geschenk für deine Rasse, das ihr von größtem Nutzen sein wird. Wir Nogk freuen uns, daß wir zu euren Freunden zählen!< Charaua erhob sich. Durch einige Impulse befahl er eine Gruppe gelbgekleideter Meegs zu sich. >Wir werden jetzt zu deinen Gefährten gehen. Ich glaube, unsere Meegs vermögen ihnen rascher zu helfen als eure Ärzte!< Huxley und Maxwell erhoben sich fast gleichzeitig. Der Colonel streckte dem Nogk die Hand hin. »Ich danke dir im Namen Terras, Charaua. Dir und deiner Rasse!
Ihr werdet auf unserer Welt stets willkommen sein!« Stunden später erwachten Szardak und seine Männer in den Be handlungskabinen der CHARR aus ihrer todesähnlichen Ohnmacht. Szardak wollte aufspringen, aber Huxley drückte ihn wieder zurück. »Sie waren so gut wie tot, Szardak! Die Nogk mußten all ihre me dizinische Kunst aufbieten, um Sie dem Schock zu entreißen, der fast alle Ihre Körperfunktionen lähmte! Bleiben Sie ruhig liegen. Sie und Ihre Männer fliegen an Bord der CHARR zur Erde. Marschall Bulton wartet bereits auf uns. Sie haben durch Ihren beispiellosen Einsatz die Transmitterstation vernichtet. Sie und der Nogkkreuzer, dessen Besatzung sich für unsere beiden Rassen geopfert hat!« Charaua trat zu ihm. Seine goldene Uniform leuchtete im milden Licht der künstlichen Sonnen, die im ellipsenförmigen Gewölbe ne ben den Kabinen brannten. >Auch ich danke dir im Namen der Nogk, Terraner. Dir und den Besatzungen eurer Ringschiffe! Aber jetzt überlasse dich den Hän den und der Pflege unserer Meegs. Bis wir auf Terra landen, wirst du wieder völlig genesen sein!< Über Janos Szardaks eingefallene Züge huschte ein schiefes Lä cheln. Er winkte dem Nogk und den Terranern, unter denen sich auch sein alter Freund Larsen befand, zu. »So habe ich mir immer meine eigene Beerdigung vorgestellt höchst überflüssige Reden, eine Menge alter, närrischer Burschen, die lauter dummes Zeug schwatzen…« murmelte er. Seine letzten Worte waren kaum noch zu verstehen. Janos Szardak versank abermals in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Charaua wandte sich mit einigen fragenden Impulsen an Huxley. >Was hat euer Gefährte gemeint?< wollte er beunruhigt wissen. Huxley winkte ab. Er und die übrigen Terraner grinsten. »Es war nicht böse gemeint, Charaua. Dieser Mann wird sich nicht mehr ändern! Es war seine Art, sich bei uns zu bedanken!« Einer der Meegs trat an Szardaks Bett. Er wechselte einige Impulse mit Charaua, der daraufhin mit den Menschen die Kabine verließ. Marschall Bulton stand am Fenster seines geräumigen Arbeitszim mers im Stabsgebäude der TF. Unter buschigen Brauen liegende Augen blickten zum strahlend blauen Himmel hinauf, der sich an diesem Morgen über Cent Field spannte. Weit im Süden des Raumhafens, gerade noch mit bloßem Auge zu sehen, reckten sich die schlanken Schäfte der mehr als tau send Meter hohen Stielbauten Alamo Gordos empor. Langsam wanderte Bultons Blick zu dem auf einem abgeriegelten Landefeld liegenden Nogkkampfschiff hinüber. Die Nogk befanden sich immer noch in ihrem totenähnlichen Schlaf. »Patters!« wandte sich der Marschall schließlich an seinen Adju
tanten, »die Schlacht auf der anderen Seite der Galaxis gewährt uns einen Aufschub. Vielleicht ist den Invasoren für die nächste Zeit die Lust vergangen, sich in unserer Milchstraße nochmals blicken zu lassen. Aber wissen können wir das nicht, darum werden wir nach her sofort gemeinsam mit den Nogk unsere Vorkehrungen treffen.« Er wandte sich vom Fenster ab, als das Vipho auf seinem Schreib tisch summte. Gleichzeitig flammte der große Wandschirm auf. »Hyperfunkstation an Marschall Bulton! Ein Verband von 200 Ringraumern fliegt soeben in den äußeren Sperrgürtel ein. Bei dem Verband befinden sich außerdem zwei ellipsenförmige Nogkraumer bisher unbekannten Typs. Der Kommandant der ARROW, Colonel Larsen, bittet um Landeerlaubnis. Landung kann in einer halben Stunde erfolgen!« »Erlaubnis erteilt! Weisen Sie die Schiffe ein, Cent Field Tower. Die beiden Nogkraumer sollen neben dem Kampfschiff landen. Und bemühen Sie sich, mir für die nächste Stunde die TV- und Presse leute vom Hals zu halten. Später stehe ich für Interviews gern zur Verfügung! Ende.« Als der Verband über Cent Field erschien, standen Marschall Bulton und Captain Patters vor dem Nogkkampfschiff. Fasziniert beobachte ten sie die in geschlossener Formation niedergehenden Raumer. Immer wieder wanderten ihre Blicke zu den beiden Ellipsenraumern hinüber, die im Sonnenlicht silbern schimmerten. Captain Patters schüttelte nachdenklich den Kopf. »Können Sie sich vorstellen, wie die Nogk diese Ellipse zustande bekommen haben?« Der Marschall furchte seine Stirn. »Offengestanden nein, Patters! Dieser Rumpf wirkt fast, als ver berge sich zwischen seinen Wandungen eine uns noch unbekannte Dimension! Was mag das erst für ein Schiff sein, das bei den Nogk seiner Fertigstellung entgegensieht! 900 Meter lang! Patters, kön nen Sie sich das Volumen vorstellen, das ein solcher Druckkörper umschließt?« Langsam sanken die beiden Ellipsenraumer auf die Piste herab. Nur wenige hundert Meter von dem alten Nogkkampfschiff ent fernt, setzten sie nebeneinander auf. Die beiden Männer beobachteten, wie sich Schotts an den Unter seiten der Raumer öffneten. Drei Nogk verließen das Schiff. Kurz danach die Besatzungen der FO-1 und der LUXOR. Huxley winkte dem Marschall zu. Dann landeten die Ringraumer. Larsen und die anderen Komman danten verließen ihre Schiffe und kamen zusammen mit Huxleys und Szardaks Männern auf Bulton zu. Eine Stunde später wußte Marschall Bulton in allen Einzelheiten, was am Rande der Milchstraße geschehen war. »Das ist eine verteufelte Geschichte!« wandte er sich an Charaua. »Was sollen wir tun, wenn die Fremden in größerer Anzahl abermals in unsere Galaxis einfallen?«
Der Nogk erhob sich. >Meine Rasse hat ein Geschenk für euch, Terraner. Eine Trans portflotte unseres Imperiums startet in dieser Stunde. Sie bringt alle Teile, die ihr zur Errichtung eines undurchdringlichen, globalen Schutzschirms für euren Planeten braucht. Unsere Techniker werden die Anlage gemeinsam mit euren Wissenschaftlern errichten. Dieser Schutzschirm hilft auch gegen die Fremden, frage unseren Freund Huxley!< Der Colonel blickte Charaua überrascht an. »Du meinst doch nicht eure neue Waffe, die wir gegen die Schatten…« >Doch, Huxley, die meine ich. Wenn auch in etwas anderer Form, als auf unseren Schiffen!< Huxley schüttelte den Kopf. Dann klärte er Bulton mit wenigen Worten auf. »Das ist ein nobles Geschenk, Marschall! Zugleich der Beweis vorbehaltloser Freundschaft!« Marschall Bulton erhob sich. Er trat auf Charaua zu und reichte dem Nogk die Hand. »Sag’ dem Herrscher eures Imperiums unseren Dank, Charaua! Sag’ all denen unseren Dank, die halfen, jene Fremden zu bekämp fen und aus unserer Galaxis zu vertreiben. Ich spreche in dieser Stunde auch für den Commander der Planeten, für Ren Dhark! Sei nen offiziellen Vertreter, einen Terraner namens Trawisheim, wirst du noch heute kennenlernen. Er wurde von eurer Ankunft unterrich tet und wird bald hier sein!« Charaua nahm die Hand des Marschalls. >Die Männer an Bord eurer Schiffe taten mehr für uns, Terraner! Wir sollten nicht von Dank sprechen, sondern von der Freundschaft, die unsere beiden Rassen von nun an für immer miteinander verbin den wird!< Das Vipho summte. Captain Patters schaltete auf Empfang. Auf dem Schirm erschien einer der Meegs, die sich sofort nach der Landung der beiden Ellipsenraumer an Bord des Nogkkampfschiffs begeben hatten, in dem sich die schlafenden Nogk befanden. Charaua horte seinem Bericht aufmerksam zu. Dann gab er dem Meeg präzise Anweisungen. Der Schirm erlosch. Charaua sah die Menschen an. >Es wird nach eurer Zeitrechnung noch fast einen Monat dauern, ehe die Besatzung unseres Kampfschiffs erwacht. Vorher werden wir also nichts darüber erfahren, was mit dem Schiff während seines Fluges zu eurem Planeten geschah, auf welche Weise der Beauf tragte unseres Herrschers, der Kommandant und die vier Krieger starben, ohne daß das Kampfschiff beschädigt wurde. Wecken dür fen wir sie auf keinen Fall vor Ablauf dieser Zeit, es wäre ihr siche rer Tod! < Er trat auf Huxley zu. Seine langen Fühler spielten einige Zeit hin und her. Der Colonel nickte. Anschließend wandte er sich an Bulton. »Charaua bittet uns, ihn zu der Stelle zu führen, an der die Totenkegel der sechs Nogk stehen! Er lädt alle Anwesenden ein, ihn an
Bord der CHARR zu begleiten; der Raumer wird uns zu den Toten bringen!« Marschall Bulton warf einen Blick auf das Chrono in seinem Ar beitszimmer. Dann nickte er zustimmend. »Selbstverständlich, Charaua! Bis Trawisheim hier eintrifft, werden noch einige Stunden vergehen. Starten wir am besten gleich!« Der Marschall, Charaua, Huxley, Larsen und Szardak verließen das Arbeitszimmer. Kurz darauf startete die CHARR und nahm Kurs auf das Illampu-Massiv. Stumm stand Charaua vor den Totenkegeln seiner sechs Rassege fährten. Taktvoll hielten sich die Menschen im Hintergrund. Lediglich Huxley nahm an der Totenehrung teil. Vor jedem Totenkegel verneigte sich Charaua dreimal. Beim letz ten Kegel, nach der letzten Verneigung, richtete er sich hoch auf. >Huxley!< teilte er sich dumpf mit, >es muß etwas Außergewöhn liches geschehen sein. Keiner meiner Gefährten wurde verletzt. Sie starben auf die gleiche Weise, wie unser erster Toter auf jenem Pla neten, auf dem ich eurer Rasse zum erstenmal begegnete! Das We sen, das damals einen Krieger tötete, nanntet ihr Syntie. Diese We sen haben schon einmal ein Schiff unserer Rasse vernichtet, unse ren damaligen Herrscher getötet. Ich weiß nicht, ob zwischen diesen Toten und jenen im System der beiden Col-Sonnen ein Zusammen hang besteht, aber ich werde das untersuchen!< Charaua schwieg eine Weile. Hin und wieder zuckten seine Fühler in verhaltener Erregung. In seinen Facettenaugen glitzerte der Wi derschein der Totenkegel, deren glasartige Substanz in der hochste henden Sonne leuchtete. >Wenn es euch recht ist, dann möchte ich die Toten an dieser Stätte lassen, Huxley. Es ist ein schöner Ort, eure Sonne wird sie Tag für Tag grüßen, bis sich ihre Kegel eines fernen Tages auflösen und sie wieder freigeben…< Huxley nickte. Er wußte aus eigener Erfahrung, daß die Toten in den Totenkegeln nicht wirklich für alle Zeit tot waren. Charaua wandte sich ab. Mit schnellen, gleitenden Bewegungen ging er auf das Beiboot zu, vor dem die anderen warteten. Hoch über dem Gipfel des Illampu stand der mächtige Druckkörper der CHARR. Dir Schatten fiel genau auf jenes Plateau, auf dem vor nicht allzu langer Zeit der eiförmige Rumpf des Kampfschiffs gele gen hatte, zu dessen Besatzung auch die Toten im Illampu-Massiv gehört hatten…
7.
Die beiden entarteten Cyborgs Dordig und Mildan waren nicht tot. Auf Jos Aachten van Haags Aufforderung hin waren sie neben dem vorletzten Ringraumer, der auf seine Abwrackung wartete, stehen geblieben. Langsam und mißtrauisch ging der GSO-Mann auf sie zu. Ich darf ihnen keine Chance geben, dachte er, obwohl ich gegen Cyborgs wenig ausrichten kann, wenn sie auf ihr zweites System geschaltet haben! Hinter ihm drehte sich Manu Tschobe ratlos zu Chris Shanton um. Aber auch der Diplom-Ingenieur konnte nicht verstehen, wieso plötzlich zwei Männer vor ihm standen, die im Industriedom von Jimmy getötet worden waren. »Projektion?« flüsterte Shanton, ganz im Gegensatz zu seiner son stigen Lautstärke. Der Afrikaner schüttelte den Kopf, obwohl er seine abweichende Meinung nicht beweisen konnte. Diese beiden Männer waren aus Fleisch und Blut. Dordig erkannte die Entschlossenheit in den Augen des GSOManns. Er begriff, daß Mildan und er verloren waren, wenn sie die kleinste Bewegung machten. »Van Haag, wir sind waffenlos!« rief er laut. Jos’ Reaktion war verständlich. »Langsam die Hände hochnehmen und noch langsamer umdrehen.« Die Cyborgs gehorchten. Van Haag ließ sie nicht aus den Augen. Er winkte Shanton und Tschobe zu sich heran. Fast im gleichen Mo ment tauchte Jimmy auf. Der Abstrahlpol in der aus dem Maul hän genden Zunge des Scotchterriers war auf die beiden Cyborgs ge richtet, die sich gegen die Verkleidung eines Aggregats stützten. »Volle Dosis, wenn die Burschen einen Trick versuchen!« be stimmte Jos. Chris Shanton hatte seine Kaltblütigkeit wiedergefunden. Seine Stimme dröhnte so laut wie meist, als er sagte: »Jimmy wird ihnen schon jede Lust an irgendwelchen Eskapaden nehmen.« Jos steckte seine Strahler ein und durchsuchte erst Mildan, dann Dordig nach Waffen, fand aber keine. »Haben Sie umgeschaltet?« fragte er scharf und lauschte gleich zeitig konzentriert. Nur wer schon öfter mit Cyborgs zu tun gehabt hatte, vermochte den winzigen Unterschied aus ihrer Stimme her auszuhören, wenn sie auf ihr zweites System geschaltet hatten. »Jos, wir… Großer Himmel, warum geben Sie uns keine Gelegen heit, eine Erklärung…« »Mund halten!« fauchte Jos. »Arme ‘runtemehmen und umdre hen!« »Große Milchstraße«, schnaubte Dordig, »wir sind doch keine Ver brecher!«
»Nein«, fiel Jos ihm schneidend ins Wort, »nur Mörder!« »Reden Sie keinen Blödsinn!« brüllte ihn Mildan an, der alles an dere als schuldbewußt wirkte. »Auch Sie können niemand zur Ver antwortung ziehen, der unzurechnungsfähig ist – und das waren wir, bis uns die Robs wieder kurierten.« Manu Tschobe wurde hellhörig. »Wo sind die Roboter, von denen Sie kuriert wurden?« mischte er sich ein. »Auf T-4! Ach so, das können Sie ja noch gar nicht wissen… Wir haben die Transmitter-Stationen so benannt. Nur T-1 haben wir nie finden können.« »Verdammter Unsinn!« knurrte Chris Shanton. Drohend baute er sich vor den beiden auf. »Sie haben doch erst vor ein paar Stunden versucht, uns drei umzubringen!« »Aber hören wir uns doch erst einmal an, was die beiden uns zu berichten haben«, meinte Tschobe. »Nicht viel«, erwiderte Dordig, »selbst wenn wir mit den nicht um geschalteten Robonen anfangen, die uns gekidnappt haben. Müssen wir eigentlich hier in der Abwrackwerft bleiben, oder können wir ins Kasino gehen – dort ist es viel gemütlicher.« Versuchte Dordig sie zu bluffen? Jos war ein Mann schneller Ent schlüsse. »Gehen Sie voraus! Zeigen Sie uns das Kasino!« Mildan warf Jimmy einen mißtrauischen Blick zu. »Dieser Köter und sein Abstrahlpol machen mich reichlich nervös!« »Reden Sie nicht so viel, Mildan! Gehen Sie endlich!« Das half. Die Cyborgs setzten sich in Bewegung. Sie bogen am Ende der Bandstraße links ab und schritten auf eine fugenlose Uni tallwand zu, die sich blendenartig öffnete, als sie sie erreichten. Ein mannshoher Durchgang entstand. Blaues Licht strömte aus den Wänden eines röhrenartigen, gerade verlaufenden Ganges. Der Bo den war mit einem schalldämpfenden Belag beschichtet. Die Luft roch frisch und würzig, die Temperatur war angenehm. »Vorsicht!« warnte Dordig. »Wir erreichen gleich ein A-Grav-Feld, das uns zum Kasino bringt.« Jos blieb mißtrauisch. »Sagen Sie uns, wenn Sie das A-Grav-Feld erreichen!« Bereitwillig erwiderte Dordig: »Tun wir, aber Sie werden es ohne hin sehen, wenn wir den Boden unter den Füßen verlieren.« Unwillkürlich streckte sich Jos Aachten van Haag. Dordigs Stimme hatte eine Spur zu freundlich geklungen. Wollte der Cyborg sie ver höhnen? Hatte der Bursche womöglich auf sein zweites System geschaltet, um gegen Schockstrahlen immun zu sein? Aufpassen! befahl sich der GSO-Mann. »A-Grav!« rief Mildan ohne sich umzudrehen. In diesem Moment erkannte Jos, daß man sie hereinlegen wollte. Beide Cyborgs bewegten sich auf gleicher Höhe. Beide erreichten zur gleichen Zeit das A-Grav-Feld. Und beide verschwanden von einem Augenblick zum anderen!
Gegen Mysterious-Technik war auch Jimmy machtlos! Wie ein Sprinter spurtete Jos los. Tschobe reagierte fast genauso schnell. Der dicke Shanton hatte mehr Masse zu beschleunigen und einen schlechten Start, holte aber erstaunlich schnell auf. Dann verschwand Jimmy! Jos verspürte leichten Widerstand. Er glaubte keinen Boden mehr unter den Füßen zu haben und rannte dennoch weiter. Aber in einer anderen Umgebung! Vor ihm stand Jimmy, der seinen Kopf drehte und wahrscheinlich alle Ortungen laufen ließ. »Die sind weg!« Hinter dem GSO-Mann tauchten seine beiden Begleiter auf. Chris Shanton stolperte und wäre um ein Haar über seine eigenen Beine gestürzt. Fluchend fing er sich gerade noch einmal. »Wieder einmal ein anderes Transmittermodell!« stellte Tschobe sarkastisch fest, überhörte das Fluchen des Dicken und suchte in der Wand hinter ihnen nach einer Steuerung. Unwillkürlich mußte er an sein Transmitter-Abenteuer mit Professor Tim Acker und Jimmy denken. Damals waren sie auf der POINT OF aus einer Wand getre ten, hinter der niemand einen Transmitter vermutet hatte. Plötzlich erkannte er in der Unitallschicht Zahlensymbole der Mysterious. Seine Hand fuhr über die glatte Wand. Shanton öffnete den Mund, um etwas zu sagen. »Lassen Sie mich für einige Momente in Ruhe!« verlangte der Afrikaner; er wollte versuchen, die Schaltung in der Unitallwand mit seiner Alpha-Rhythmus-Frequenz anzusprechen. Unterdessen sahen sich Jos Aachten van Haag und Chris Shanton in ihrer neuen Umgebung um. Sie befanden sich in einer vollkom men leeren transparenten Kuppel von mehr als hundert Metern Durchmesser, die mitten in den Tiefen eines Ozeans zu schwimmen schien. Wohin sie auch sahen, blickten sie ins künstlich beleuchtete Wasser hinaus. Jos und Shanton glaubten selbst, mitten im Wasser zu sein, und dieser Eindruck verstärkte sich, je länger sie die Unge heuer der Tiefsee betrachteten, die zu ihnen hereinglotzten. Gewaltsam unterdrückte Manu Tschobe seinen Ärger darüber, daß Mildan und Dordig ihnen entkommen waren. Den Weg schalten, den die beiden Cyborgs genommen haben! dach te er immer wieder. Es spielte keine Rolle, ob die empfangende Station den Begriff Cyborg kannte oder nicht. Zahlensymbole verschwanden, andere tauchten an ihrer Stelle auf. In der Unitallwand begann eine Kontrollanzeige zu blinken. »Folgen Sie mir!« rief Tschobe seinen Begleitern zu, überwand den schwachen Widerstand und trat durch die Wand. Lichtloses Dunkel empfing ihn. Um ihn herum ein drohendes Rau schen. Seine Hände bewegten sich, und der grelle Lichtkegel seines Scheinwerfers stach durch die Finsternis! Jetzt fluchte auch der Afrikaner. Die beiden Cyborgs hatten ihnen den zweiten Streich gespielt! In dem Riesenraum, in dem es nur ge waltige unitallverkleidete Maschinensätze gab, konnten Mildan und
Dordig über Infrarot so gut sehen wie immer; Tschobe und seine Begleiter hingegen waren hier trotz ihrer Scheinwerfer hilflos. Da stieß etwas gegen seine Kniekehlen. Jimmy war eingetroffen. Vor seinem Konstrukteur und dem GSO-Mann. »Ich habe sie in der Ortung!« Jimmy sah über Infrarot. Manu Tschobe hörte, wie der Robothund sich in Bewegung setzte. Als er seinen Scheinwerferstrahl in Rich tung der Laufgeräusche schwenkte, sah er, daß sich das Brikett auf vier Beinen zur Verfolgung der Cyborgs aufgemacht hatte. Mittlerweile waren auch Jos und Shanton angekommen. Der Afri kaner informierte sie. Shanton holte das Spezialgerät aus der Ta sche, mit dem er mit Jimmy kommunizierte, und las die Anzeige ab. »Was ist?« verlangte Jos zu wissen. Der Dicke zischte eine Verwünschung. »Beim nächsten Umbau ver passe ich Jimmy ein As-Onen-Triebwerk. Zur Hölle, was hat Echri Ezbal nur in diese Cyborgs reingebaut? Die Burschen sind doppelt so schnell wie Jimmy. Und jetzt…« Er schnaufte. »Aus!« knurrte er. »Aus und vorbei. Die Verdrehten sind mal wieder in einem Trans mitter verschwunden… Doch wenn jetzt jemand auf die Idee kom men sollte, wir müßten da hin – ohne mich. Für einen Spaziergang von sechs bis sieben Kilometern sind meine Gehwerkzeuge nicht gebaut!« Manu Tschobe nickte. »Es hat keinen Sinn, die Cyborgs weiter zu verfolgen. Sie scheinen die Werftanlage sehr gut zu kennen, wäh rend wir Gefahr laufen, uns in diesem Labyrinth zu verirren. Doch Mildan und Dordig haben uns auf etwas Lebenswichtiges aufmerk sam gemacht: Wir müssen trinken und essen. Ich glaube an dieses Kasino, und wir sollten versuchen, es so schnell wie möglich fin den.« Jos wollte die Jagd nicht so schnell aufgeben. »Uns steht immer noch der Weg über den Kugel-Transmitter im Dschungel offen. Über ihn können wir jederzeit nach Deluge zurückkehren.« Shanton richtete seinen Scheinwerferstrahl auf den GSO-Mann. »So eilig habe ich es nicht mit der Rückkehr, mein Lieber. Aber ich hab’ Durst, und ich freue mich auf ‘nen anständigen, vierstöckigen Cognac. Den brauch’ ich zur Ölung, sonst fressen sich meine Ge lenke fest!« Jos seufzte innerlich. Wenn der Dicke in dieser Form redete, dann war er Vernunftgründen nicht mehr zugänglich. Jimmy tauchte aus der Finsternis auf und hockte sich stumm neben seinen Herrn. »Wir sollten versuchen dieses Kasino zu finden«, schlug Tschobe vor. »Vielleicht kann ich mich ja über meine Alpha-RhythmusFrequenz verständlich machen«, ergänzte er mit einem dünnen Grinsen… Das Raumschiff Girr-Os existierte nicht mehr.
Zwitt hatte zugeschlagen. Zwitt hatte seine Roboter-Wacht alarmiert, und die variablen Ro boter hatten das Schiff mitsamt seiner Besatzung vernichtet. Ren Dharks Flash war von einer Robotergruppe aufgeschnitten worden, die sich gleich einem Ring um sein Beiboot gelegt hatte. Unitall war wie Butter durchschnitten worden! Vollkommen ge räuschlos und anscheinend ohne den Einsatz thermischer Energie! Der hinter der Unitallverkleidung liegende Antrieb war abgetrennt worden, während die Doppelkugel der Schwarzen Weißen in einem atomaren Orkan vergangen war. Für Sekunden hatte der Comman der buchstäblich im Freien gesessen. Ren Dhark registrierte eine schwache Bewegung. Im gleichen Mo ment wurde es um ihn herum dunkel. Die Robotergruppe, die seinen Flash auseinandergeschnitten hatte, umgab ihn wie eine zweite Haut. Er fühlte sie überall, und überall war ihr Druck gleich stark. Großer Himmel, dachte er, hätte ich doch auf Dan gehört und die se Sternenbrücke niemals angeflogen! Er glaubte, leichten Andruck zu spüren. Was passiert mit mir? fragte er sich. Und was ist in der Zwischenzeit mit den anderen ge schehen, mit Oberleutnant Roder und seinen Männern vor dem äußeren Ring Fanals? Eine Idee, ich brauche eine Idee, um aus diesem robotischen Ge fängnis herauszukommen und wieder handeln zu können. Blitzartig fiel die zweite Haut ab. Licht stürzte von allen Seiten auf ihn ein. Die Roboter waren verschwunden. Er stand einen Augenblick reglos da – wie jemand, der Todesäng ste erlebt hat und nun nicht begreift, daß ihm gar nichts passiert ist! Ren Dhark befand sich nicht mehr dort, wo man seinen Flash zu Boden gedrückt und auseinandergeschnitten hatte. Und er konnte keinen einzigen Schritt tun! Dafür war kein Platz. Die konkav und konvex gebogenen Abstrahlpole, die ihn von allen Seiten einschlossen, verhinderten es. Wie in einer eisernen Jungfrau aus dem Mittelalter, dachte er. Die Abstrahlpole, von denen keiner mehr als zwanzig Zentimeter durchmaß, umgaben ihn vollkommen. Er hörte sich unter dem Klar sichthelm hastig atmen. Im Empfang war es still. Absolute Abschirmung, konstatierte er, und die ihm eigene Ruhe kehrte zurück. Er wurde erst stutzig, als das schwache Übelkeitsge fühl in seiner Magengegend sich zusehends verstärkte. Normaler weise gehörte er nicht zu den Menschen, die aufgrund starker Erre gung Schwierigkeiten mit dem Magen bekamen. Ren Dhark versuchte, den Kopf in den Nacken zu legen, um zu sehen, was sich über ihm befand. Sein Klarsichthelm stieß gegen einen der Abstrahlpole, die so blankpoliert waren, daß sie wie Spie gel wirkten, die ihn vielfach verzerrt wiedergaben. Er bewegte die Augen. Über sich konnte er einen winzigen Aus schnitt erkennen: Ein leuchtendes Band, das dicht über seinem Kopf stand und konstant grüne Strahlen aussandte.
Das Übelkeitsgefühl wurde stärker. Schluß mit dem Herumsuchen, befahl er sich. Im Augenblick er fahre ich doch nichts. Er konzentrierte sich und kämpfte mit aller Willenskraft das scheußliche Gefühl in seinem Magen nieder. Ich darf mich nicht übergeben! Ich darf es nicht! Immer wieder hämmerte er sich mit fast suggestiver Kraft diesen Befehl ein. Ich darf es nicht! Ich darf es nicht! Die polierten Abstrahlpole spiegelten sein von der Anstrengung gezeichnetes Gesicht wider, doch er nahm es nicht wahr. Ich lasse mich nicht unterkriegen! So kann man mit mir doch nicht umspringen! Und im gleichen Moment sah er in den vielen dünnen Metallstäben mit ihren Abstrahlpolen den Gegner! Sie versuchten ihn physisch zu erledigen! Die Übelkeit wurde noch stärker. Schweiß brach ihm aus allen Po ren. Seine Beine begannen zu zittern, als ob er einen Marathonlauf hinter sich hätte. Ich habe doch Strahlwaffen! schoß es ihm durch den Kopf. An seine Strahler kam er heran. Mühsam balancierte er den Blaster zwischen den kleinen Lücken der Abstrahlpole hindurch. Sein Zeigefinger näherte sich dem Kontakt. Da schwangen lautlos alle Pole zurück. Der Boden unter ihm war zu erkennen. Ren Dhark blickte hoch. Das leuchtende, grüne Band erlosch langsam. Verwirrt ließ er seinen Blaster sinken. Dhark, willkommen in der siebten Sonne der Sternenbrücke, die ihr Zwitt nennt! Der unerwartete telepathische Gruß traf ihn wie ein Schlag. War er auf einem anderen Planeten der Sternenbrücke nicht schon einmal so empfangen worden? Hatte man ihn nicht aufgefordert, einen Xe-Flash zu benutzen? Später hatte sich herausgestellt, daß alles das Werk der Schwar zen Weißen gewesen war. Der Commander wirbelte herum. Zum erstenmal sah er den Raum, in den man ihn gebracht hatte. Vorhin, als die Robotergruppe sich aufgelöst hatte, war keine Gelegenheit gewesen, sich umzusehen. Der Raum war kugelförmig. Eine Hohlkugel, auf deren Innenseite er stand. Von blauem Licht erhellt. Ein Raum, in dem es außer der spiegelnden Innenwandung nur ihn, den Terraner, gab! Ren Dharks Blick wanderte die Rundung entlang. Er versuchte den Durchmesser des Raumes zu bestimmen. Zwanzig Meter? Fünfzig? Oder sogar hundert? Seine Umwelt war unwirklich. Sie wirkte nicht real. Dhark erinnerte sich der meisterhaften Projektionen, mit denen man ihn und seine Begleiter düpiert hatte. War nicht die gesamte Besatzung der POINT OF ein Opfer dieser unglaublichen technischen Mittel geworden, als alle geglaubt hatten, in ein Gebäude einzufliegen, das sich gut acht tausend Meter über der Spiralturmstadt befand?
Warum konnte er den Durchmesser der Hohlkugel nicht schätzen? Weshalb schwankten seine Schätzungen zwischen zwanzig und hundert Metern? Er blickte zu Boden, hob das rechte Bein und stampfte fest mit dem Fuß auf. Der Boden war real, wie jenes Gefängnis in dem Bau werk über der Spiralturmstadt, aus dem er sich mit Riker und den beiden Flash-Piloten hatte befreien müssen; dennoch war alles Pro jektion gewesen! Er hielt immer noch den Blaster in seiner rechten Hand, wollte ihn einstecken, zögerte… Ein wahnwitziger Gedanke schoß ihm durch den Kopf! Er setzte sich in Bewegung, ging die Rundung hinauf! Immer weiter! Und wo er sich befand, war unten! Überall! Dhark blieb stehen. Auf seinen Paraschocker konnte er verzichten. Er legte ihn zu Boden und ging weiter, zählte seine Schritte. Dhark, gib den Versuch auf, denn er führt zu keinem Resultat! Wieder hörte er diese unpersönlich klingende Stimme in seinem Kopf – der Beweis, daß er nicht nur beobachtet wurde, sondern daß man auch seine Gedanken las. Unbeirrt ging er weiter. Nach genau einhundert Schritten blieb er stehen. Er drehte sich nach seinem Paraschocker um. Die Waffe lag genau über ihm! Er mußte den Kopf weit in den Nacken legen, um sie hoch über sich auf der anderen Seite der Hohlkugel sehen zu können. In Ge danken triumphierte er, daß er sein Experiment durchgeführt hatte. Wieder setzte er sich in Bewegung. Es war schwierig, in dieser Hohlkugel ohne jeden Anhaltspunkt nicht die Richtung zu verlieren. Wieder blieb er nach genau einhundert Schritten stehen. Aber er hatte seinen Paraschocker nicht erreicht, obwohl er kaum von der vorgesehenen Richtung abgekommen war. Hypnose! dachte er. Nein, sagte die Stimme in seinem Kopf, du wirst nicht durch Hyp nose beeinflußt. Du erlebst Zwitts Herz, den Mittelpunkt der siebten Sonne, den Girr-O das Tor zur Sonne genannt hat. Ren Dharks Herzschlag setzte für einen Augenblick aus.
Er befand sich im Mittelpunkt des Planeten Zwitt?!
Daran ist nichts besonderes, meldete sich die Stimme wieder. Auch
nicht daran, daß sich der Durchmesser dieses Hohlraums ununter brochen verändert. Die Kräfte, die entwickelt werden konnten, um auch Zwitts Energien zu nutzen, mußten in einem gesunden Ver hältnis bleiben. Deshalb ist dieser Hohlraum auch nicht völlig stabil. Woher kamen die Impulse, die ihm Aufklärung gaben? Während er sich suchend umsah, fiel sein Blick zufällig auf den als Markierungszeichen zurückgelassenen Paraschocker. Keine dreißig Schritte trennten ihn von der Waffe! Innerhalb weniger Sekunden mußte die Hohlkugel mehr als zwei
Drittel ihres Durchmessers verloren haben – und er hatte davon nicht das geringste bemerkt! Sie benutzen Intervallfelder, schoß es Dhark durch den Kopf. Nein! erwiderte die Stimme. Das ist in diesem Fall unmöglich, weil Intervall und Korona nicht miteinander harmonieren! Allein aus die sem Grund mußte Vorsorge getroffen werden, daß die POINT OF keinen Versuch unternehmen konnte, durch die Sonnenhülle zu fliegen! Ren Dhark mußte sich bewegen. Still auf der Stelle zu stehen war eine zusätzliche Belastung. Wenn er sich vorzustellen versuchte, welcher Druck, welche Hitzegrade im Mittelpunkt Zwitts herrschen mußten, drohte ihn das Grauen zu übermannen. Und wie stark die Hohlkugel zusammengepreßt wurde und sich wieder ausdehnte, konnte er an seinem Paraschocker beobachten. Die Waffe war inzwischen wieder soweit entfernt, daß er sie kaum noch erkennen konnte! Du kannst den Raum verlassen und bis zur äußeren Schale gehen, wann immer du willst! Und ob er wollte! Aber zuerst holte er sich seinen Paraschocker. Er erreichte seine Waffe als die Hohlkugel gerade wieder stark zu sammengepreßt wurde. Innerhalb weniger Sekunden verringerte sich die Distanz so deutlich, daß Dhark unwillkürlich den Atem an hielt, stehenblieb und fast schon damit rechnete, im nächsten Au genblick mitsamt dem Hohlraum zerdrückt zu werden. Doch die Hohlkugel brach nicht in sich zusammen. Ich will diesen Raum verlassen, dachte Dhark unter Aufbietung aller Konzentration – und der nächste Schritt führte ihn mit kaum spür barem Widerstand hinaus und in einen anderen Raum hinein. Er stand nun auf der Außenseite der sich verändernden Hohlkugel, und die gebogene Decke über ihm war die Innenseite einer weiteren Kugel! Er sah eine Instrumentenwand, davor ein Schaltpult – und unwillkürlich wurde er an die Zentrale auf W-4 erinnert. Schon wieder >hörte< er die unpersönlich klingende Stimme in seinem Gehirn. Dieser Planet ist von uns eliminiert worden! Ahnte die Stimme, welchen Schock sie Ren Dhark mit diesem Satz versetzt hatte? Die Mysterious waren die Mörder von W-4 gewesen! Sie hatten die Planetenbombe gezündet und eine Welt vernichtet! Gewaltsam schüttelte er die düsteren Überlegungen ab. Eine Ras se, die ein astronomisches Wunder wie die Sternenbrücke erschaf fen konnte, mußte schwerwiegende Gründe gehabt haben, eine von ihr beherrschte Welt zu vernichten. Bei diesem Gedanken begann Dharks Herz schneller zu schlagen! Die Mysterious lebten! Mit der Vernichtung von W-4 hatten sie den Beweis ihrer Existenz geliefert! Er erwartete, daß sich die Stimme wieder melden würde, doch seine Erwartung erfüllte sich nicht.
Dhark überflog die Instrumente. Sein Gesicht entspannte sich, als er seinen Klarsichthelm öffnete und zurückstreifte. Kühle, würzige Luft umgab ihn. Sie roch, als ob man sie gerade aus einem Tannenhochwald von der Erde hierhergeschafft hätte. Dhark rührte keinen einzigen Steuerschalter an, aber je weiter er an der Instrumentenwand entlangging, um so vertrauter wurde ihm alles. Unbekannte Symbole konnte er plötzlich deuten, und als er vor der fugenlosen Wand stand, schritt er einfach weiter, verließ sich voll und ganz auf die Auskunft, bis zur äußeren Schale gehen zu können. Abermals erlebte Ren Dhark eine Sternstunde! Nach Überwindung des kaum spürbaren Widerstands befand er sich in einem Archiv der Mysterious! In seinen Schläfen pulste das Blut. Er sah den kleinen, ihm aus der Ringraumerhöhle so vertrauten Auffangkorb! Er verlangte nach Wissen – nach Wissen über das Tor zur Sonne; er wollte alles über die Sternenbrücke erfahren, über die Mysterious, über die Schwarzen Weißen und ihre humanoid wirkenden Roboter! Eine Archivscheibe fiel in den Korb. Als er sie öffnete, sah er darin eine Mentcap liegen. Ohne die geringsten Bedenken führte Dhark die kleine weiße Kugel zum Mund und schluckte sie. In der Ringraumerhöhle hatte er viele Mentcaps geschluckt und auf diesem Weg sein Wissen über die POINT OF erworben. Schlagartig brach der Inhalt der Mentcap bei Ren Dhark durch. Er befand sich in der Kommandozentrale der Sternenbrücke! Im nächsten Augenblick wäre er in der Lage gewesen, die Hohl kugel mit ihren sieben Schalen maßstabgetreu mit allen wichtigen Einzelheiten zu zeichnen. Energieerzeuger, Schwerkraftregler, Druckabsorber – jeweils in regelmäßigen Abständen über die gesamte Station verteilt. Acht zehn Maschinenräume. Sie nahmen vier Fünftel des gesamten Vo lumens ein. Wohnräume, nach Mannschaftsgraden unterteilt. Die Kabine des Kommandanten neben der Funk-Z, mit einem Transmit ter ausgerüstet, um ihn an jeden gewünschten Punkt der siebten Schale zu bringen, die ein einziger Bildschirm war! Ren Dhark schluckte Wissen in Form von schneeweißen syntheti schen Kugeln. Und erfuhr, daß der Kommandant diese Station vor rund tausend Terra-Jahren verlassen hatte. Ma-Soor! Ein paarmal sprach er den Namen leise vor sich hin. »Ma-Soor… Ma-Soor…« Er lauschte dem Klang dieses Namens nach – dem ersten Namen eines Geheimnisvollen. Dann stoppte er abrupt die Einnahme der Mentcaps. In Gedanken wünschte er sich in diesem Augenblick seinen Stellvertreter Henner Trawisheim herbei, den Cyborg, der niemals etwas vergaß, und der sich des eingenommenen Wissens vielleicht auch nicht durch zu
sätzliches Erarbeiten versichern mußte. Aber Henner Trawisheim war nicht hier. Er war auf Terra – und Terra lag viele, viele tausend Lichtjahre tief im Sternenmeer. Dhark hielt die letzte Archivscheibe noch in der Hand, als er auf merkte. Diese Station im Mittelpunkt des Planeten Zwitt besaß kei nen Checkmaster! Keine einzige Mentcap hatte ihm darüber eine In formation geliefert. Aber auch die Schwarzen Weißen waren nicht erwähnt worden, genausowenig wie das System, zu dem der inzwi schen vernichtete Planet W-4 gehört hatte! Dhark, der keine Mentcap mehr schlucken wollte, um von der Flut an Wissen nicht überwältigt zu werden, konzentrierte seine Gedan ken noch einmal auf die Punkte, die ihm gerade eingefallen waren. Keine Scheibe fiel aus dem Schlitz in den Auffangkorb. Das Archiv enthielt darüber also kein Wissen! »Woher«, fragte sich Ren Dhark eher verwirrt als verärgert, »hat dann die Stimme von W-4 und den Schwarzen Weißen gewußt?« Informanten waren die stellaren Kontrollen! Abermals hatte sich die unpersönlich klingende Stimme gemeldet, aber was unter dem Begriff stellare Kontrolle zu verstehen war, ver riet sie nicht. Dhark verzichtete darauf, weitere Informationen einzuholen. Sie verwirrten ihn mehr, als daß sie ihm einen Überblick verschafften. Er machte sich auf den Weg zur Kabine des Kommandanten – zur Kabine des Mysterious’ namens Ma-Soor! Eine Schale nach der anderen passierte er. Seine MentcapKenntnisse ließen ihn auf den ersten Blick erkennen, wo er sich aufhielt und welchem Zweck die einzelnen Räume dienten. Dann trat er durch die Wand und stand in Ma-Soors Kabine! Er glaubte in der POINT OF zu sein. Dieser Raum unterschied sich praktisch nicht von seiner Kabine! Doch damals, als sie die POINT OF entdeckt hatten, waren alle Ka binen bis auf die Einrichtung leer gewesen. Aber hier lagen Gegen stände auf dem kleinen Schwebetisch! Und auf dem Bett! Als ob Ma-Soor diesen Raum überstürzt verlassen hätte! Ein Etui, dunkelblau, geschlossen, lag neben drei Gegenständen, die ihm völlig unbekannt waren. Auf dem Bett ein schillernder Gurt, an dem zwei Strahlwaffen klebten. Daneben vier Folien – Sternkar ten. Sein Blick wanderte weiter, suchte die Wand ab. Kein Holo, kein Foto, dachte er – und dann kniff er die Augen zu sammen und glaubte an eine Sinnestäuschung: Die leere Stelle an der Wand über dem Bett war nicht mehr leer. Er sah einen unitallblauen Ringraumer, auf dessen Wandung un bekannte Schriftzeichen in kräftigem Goldton prangten. Für einen Moment wanderten Dharks Gedanken ab. Synchron dazu verblaßte das Bild, und die Wand über dem Bett war wieder leer. Ein eigenartiges Gefühl beschlich ihn, als er die Zusammenhänge
verstand; terranische Technik war von diesem Grad der Perfektion zum Glück noch weit entfernt. Vorsichtig griff Dhark nach dem schillernden Gurt, an dem zwei Strahlwaffen klebten. Er war erstaunlich leicht. Bevor er eine der Waffen berührte, betrachtete er sie von allen Seiten. Vor Jahren, auf der Flucht vor Rocco, hatte er im Industriedorn ei nen Energiestrahler der Mysterious gefunden. Aber eines Tages war ihm die Waffe entwendet worden, als man ihn entwaffnete… Seine Augen weiteten sich, als er die Kapazitätsanzeige ablas. Hun dert Prozent! Die zweite auch. Trotz tausendjähriger >Lagerung
besaß sie in diesem Augenblick ihre maximale Ausdehnung. Der gewölbte Boden war eine einzige, durchgehende Panoramascheibe. Mehr als fünfzig Meter mußte der Commander zurücklegen, um die drei Flash zu sehen. Aufgeschnitten die 002, drum herum die drei Piloten mit Dan Riker und Arc Doorn. Er konnte sehen, wie sie ihre Lippen bewegten und bedauerte es, sie in diesen Augenblick nicht hören zu können. »…und das will mir nicht in den Kopf!« sagte Dan Riker und deu tete erregt auf die völlig glatte Schnittstelle. »Großer Himmel!« stieß Ren Dhark aus, als er Rikers Worte hörte. Und danach den Sibirier in seinem typischen Tonfall. »Hier haben wir es mit einer Strukturauflösung zu tun! Hier ist weder geschnitten noch gebrannt worden. Und das bringt mich dazu, mir über Dharks Schicksal keine besonders großen Sorgen zu machen!« Unwillkürlich schmunzelte der Commander, als er miterlebte, wie alle drei Flash-Piloten Doorn widersprachen, ihn aber nicht aus der Reserve locken konnten. Er hatte seine Meinung gesagt, und damit war der Fall für ihn erledigt. »Aber wir können hier nicht bis zum Jüngsten Tag auf Ren war ten.« Rikers ungeduldig vorgebrachte Bemerkung brachte den Comman der zu dem Entschluß, die Station zu verlassen. Er hatte den Plan genau im Kopf. 45-8 in der sechsten Kugelschale! Die graue Transmitter-Antenne war ihm vertraut. Die Steuerschaltung auch. Die Koordinaten kannte er. Nur war ihm rätselhaft, wie er seine Begleiter erreichen würde. Zwitts Oberfläche konnte doch unmöglich ein einziger Transmitter sein. Sein Herz klopfte ein wenig schneller, als er durch die Ring antenne trat. »Hallo!« stieß er verblüfft aus, und dann benötigte auch er ein paar Sekunden, um sich klar zu machen, daß er wie eine Transiti onsbombe vom Mittelpunkt Zwitts zur Oberfläche verschickt worden war. »Ren, schließ den Raumhelm!« brüllte ihn Riker über Helmfunk so laut an, daß er es sogar aus dem zurückgeklappten Helm hörte. Mit einem Ruck zog sich Ren Dhark den Klarsichthelm über den Kopf. Von allen Seiten wurde er mit Fragen bestürmt. Er ging auf keine einzige ein. Erst wollte er das Rätsel lösen, wie er zwischen seinen Freunden wieder hatte existent werden können. Als er zur Rohröffnung hinübersah und das leichte Flimmern er kannte, verstand er alles. Aber gab es einen Rückweg in die Stati on? Ungläubig sahen ihn die Männer an. Sie glaubten ihm kein Wort. Sein Bericht war aber auch zu phantastisch. Ausgerechnet im Mit telpunkt des Planeten sollte sich das komplizierte Steuerzentrum der Mysterious befinden? »Was? Du hast Mentcaps geschluckt?« An dieser Stelle von Dharks Bericht war Riker hellhörig geworden, genau wie Doorn.
»Ziemlich viele. Daher kenne ich die Station in der Tiefe auch in allen Einzelheiten.« Jetzt erst bemerkte Riker den schillernden Gürtel mitsamt der dar an klebenden Strahlwaffen, den Dhark um die Hüften trug. »Den habe ich in Ma-Soors Kabine gefunden.« »In wessen Kabine? Wer ist Ma-Soor? Du hast mit einem Mysteri ous… gesprochen?« Drei Fragen auf einmal. Keine einzige konnte er beantworten, denn in diesem Augenblick kamen erneut Raumschiffe der Schwarzen Weißen über Zwitt aus der Transition. Eine ganze Armada! Aus der Korona jagten Energiebahnen herab und schlugen mit vernichtender Macht mitten im Pulk der Angreifer ein. Fanal und die übrigen planetaren Forts griffen in den Kampf ein. Überall schienen plötzlich winzige Sonnen aufzugehen, die schnell vergingen. Aber wo gerade ein Raumschiff des Gegners vernichtet worden war, tauchte ein weiterer Verband aus dem Hyperraum auf. Die Schwarzen Weißen waren zum Großangriff auf Zwitt ange treten. Die Stunde der Entscheidung hatte begonnen! Und der Planet schlug zurück! Durch das Tosen und Fauchen der Energiebahnen, die in Zwitts Lufthülle wahre Orkane entfesselten, brüllte Ren Dhark über Helm funk: »Ich muß sie finden! Ich muß sie aktivieren!« Sie begriffen nicht, was er damit meinte. Sie sahen ihn gegen den Orkan ankämpfen. Er wurde zur Seite gewirbelt, fing sich wieder und kroch auf Händen und Füßen der dunklen Öffnung im Boden zu, durch die er die Oberfläche erreicht hatte. »Ren, was hast du vor? Sag uns doch, was du vorhast!« Dan Ri kers Stimme dröhnte ihm in den Ohren. »Wir müssen nach unten, Dan. Alle! In die Zentrale. Sie hat keinen Checkmaster! Wir müssen nach unten!« Der Orkan wurde immer schlimmer. Dhark krallte sich im Boden fest, aber er durfte nicht liegenbleiben. Wenn er und seine Kameraden es nicht schafften, die Öffnung zu erreichen, dann würden sie mitsamt den Flash in wenigen Minuten davongewirbelt werden. Der Boden bebte. Zwitt wurde von schwersten Treffern erschüttert. Die Schwarzen Weißen versuchten, die gefährlichen planetarischen Forts zu ver nichten. Aber auch der Planet schlug zu. Feuerräder, von Energiefontänen umlodert, rasten vom Himmel herab – zusammengeschossene Doppelkugelraumer der Schwarzen Weißen, die wie Bomben einschlugen und Vulkane entstehen ließen, die viele tausend Tonnen Erdreich halbvergast in die aufgewühlte Atmosphäre schleuderten. Inzwischen hatte Ren Dhark die Öffnung erreicht. Aber er kam nicht ganz heran. Ein Energiefeld hielt ihn zurück. Der Transmitter war aktiv, arbeitete in entgegengesetzer Richtung. Er jagte Robotergruppen wie Transitionsbomben in den Raum dorthin, wo sich die Verbände der Schwarzen Weißen befanden.
Ren Dhark suchte verzweifelt nach einer Steuerschaltung, um den Transmitter umzupolen. Dan Riker hatte den rettenden Gedanken. »Versuch’s doch einmal mit der Alpha-Rhythmus-Frequenz, Ren!« Sie sprach sofort an, kaum daß der Commander sich konzentriert hatte. Ein Stein, den er zur Probe in die Öffnung warf, fiel nicht in die Tiefe, sondern verschwand, kaum daß er das Loch erreicht hat te. »Einzeln einsteigen«, schrie Dhark, der sich kaum noch halten konnte. Der gefährlichste Augenblick – er mußte sich aufrichten. Er sprang. Der Orkan packte ihn, aber bevor er ihn mitreißen konnte, hatte Ren Dhark den Transmiter-Bereich erreicht. Er verschwand! In 45-8 trat er aus der grauen Transmitter-Antenne. Nacheinander trafen Riker, Wonzeff und Doraner ein. Aber Warren und Doorn kamen nicht. Hatte der Orkan sie davongetrieben? »Zwei Mann müssen zurück!« schrie Dan Riker verzweifelt. »Keiner geht zurück. Wartet hier!« stieß Dhark hervor und ver schwand durch die Wand. Riker, Doraner und Wonzeff sahen ihm entgeistert nach. Daß man sich in dieser Station derart von Raum zu Raum bewegen konnte, davon hatte ihnen Dhark nichts erzählt. Der Commander ahnte, daß jetzt jede Sekunde kostbar war. Bevor er sich um die Verteidigung des Planeten kümmern konnte, mußte er zunächst Arc Doorn und Rul Warren retten. Sein Mentcap-Wissen befähigte ihn, Zwitts Robotergruppen ein zusetzen – jene bizarren Segmente, die sich zu den verschiedenar tigsten Einheiten formierten. Er raste durch die dritte Wand, befand sich jetzt in der fünften Schale. Drei Räume nach rechts, dann hatte er sein Ziel erreicht. Er warf sich in den Sessel, überflog kurz die Instrumente und schalte te, als ob er sein ganzes Leben lang nichts anderes getan hätte. Kontrollen flackerten auf, erloschen wieder. Einmal, zweimal… Bestätigung! Auftrag ausgeführt! Im gleichen Moment hörte er wie zum Beweis Doorns Stimme im Helmfunk. Erleichtert stand Dhark auf und raste zurück. Großer Himmel, dachte er, warum haben die Mysterious dieser Station keinen Checkmaster mitgegeben wie der POINT OF? Wieder glitt er durch eine Wand. In diesem Moment begann die Zentrale im Herzen des Planeten zu schrumpfen. Dhark hatte diese Vorgänge bereits ein paarmal erlebt. Aber er mußte daran denken, wie es seinen Begleitern zumute sein mußte, die nichts von diesem Phänomen wußten. Deshalb rief über Helmfunk: »Zentrale verändert ständig den Durchmesser. Ein nor maler Vorgang, der vollkommen ungefährlich ist.« »Das hättest du uns auch früher erzählen können!« Dhark antwortete nicht auf Rikers Vorwurf. Arc Doorn wollte wissen, wo er das Archiv fand. »Schließlich bin ich nicht zu Besuch hier, Dhark!«
Der Commander beschrieb ihm die Lage des Archivs. »Ich bin in der Waffensteuerung zu finden!« schloß er. »Wo?« fragte ihn Riker verblüfft. »In der Waffensteuerung? Großer Himmel, weißt du denn damit umzugehen?« Dhark glitt durch die letzte Wand. Die Waffensteuerung! Ähnlichkeiten mit den Waffensteuerungen in der POINT OF waren vorhanden, aber diese Zentrale war um ein Vielfaches größer. Den noch gab es am Schaltpult nur einen einzigen Sitz! Und einen großen Bildschirm, der in viele Quadrate aufgeteilt war und die gesamte Umgebung des Planeten Zwitt wiedergab. Distanz- und Masseortung ein! Koordinaten-Abruf ein! Antennenjustierung… Für einen Moment dachte Ren Dhark daran, daß der Strahl, der vom äußeren Ring Fanals emittiert wurde, einen Durchmesser von zwölf Kilometern hatte. Doch jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, weiteren Gedanken und Überlegungen nachzuhängen. Drei Strukturerschütterungen innerhalb einer Sekunde. Masse- und Distanzortung hatten die gerade auftauchenden Verbände erfaßt. Die Auswertung arbeitete so exakt, wie er es von der POINT OF gewohnt war. Für einen kurzen Moment dachte er an sein Schiff, das sich angeblich in der Nähe des inneren Planeten aufhalten soll te. Die Koordinierung warf die neuesten extrapolierten Daten aus. Mit einem Blick hatte Dhark alles erfaßt und schaltete. Dreihundert achtzehn Anlagen, jede so groß wie Fanal, unterstanden nun seinem Kommando. Er fühlte sich als Verantwortlicher für die Hinterlassenschaft der Mysterious. Er konnte nicht vergessen, daß die Schwarzen Weißen ihm sein Wissen gewaltsam hatten entreißen wollen, und daß es ihnen gleich gültig gewesen war, ihn dadurch zum Idioten zu machen. Er hatte auch Girr-Os Drohung nicht vergessen, sich bald einen lächerlichen Planeten namens Terra näher anzusehen. Durch seinen Leichtsinn waren die Schwarzen Weißen nach Zwitt gekommen. Erst durch ihn hatten sie erkannt, daß die siebte Sonne der Sternenbrücke keine Sonne war, sondern nur eine künstlich er stellte Korona, in deren Innern sich ein Planet verbarg. Sechzehn große Verbände kämpften sich immer näher an Zwitt heran. Über achtzehntausend Doppelkugelraumer befanden sich in nerhalb der Korona! Hauptsteuerschalter! Position Null-eins! Die Zielerfassungen wurden mit neuen Impulsen gefüttert. Drei hundertachtzehn Anlagen stellten für den Bruchteil einer Sekunde ihr Feuer ein. Fanal befand sich auch darunter. Dann waren die neuen Ziele erfaßt. Und Ren Dhark hatte nichts
mehr zu tun! Einzeln im Raum herumrasende Doppelkugelraumer der Schwar zen Weißen, die vorher von der Planetarischen Abwehr so vehement bekämpft worden waren wie ein geschlossener Verband, wurden plötzlich nicht mehr belästigt. Das gesamte Abwehrfeuer Zwitts galt jetzt nur noch den Schiffen, die in so eng gestaffelten Formationen flogen, daß sich ihre Schutzschirme überlappten. Nicht nur die dreihundertachtzehn planetarischen Forts waren auf die Hauptziele ausgerichtet worden, sondern auch einige Millionen Flächenprojektor-Stationen in der Korona! Die nächste Aufgabe wartete auf Ren Dhark. Ununterbrochen schickte Zwitt seine Roboter in den Raum, wo sie sich in Gruppen zusammenschlossen und versuchten, die Doppelku gelraumer der Schwarzen Weißen zu vernichten. Dhark hatte sich mit seinem Schwenksessel leicht nach rechts ge dreht. Dort war das Schaltpult deutlich erkennbar unterteilt. Sein Gehirn arbeitete fast mit der Geschwindigkeit eines Suprasen sors. Das durch die Mentcaps erworbene Wissen wurde schlagartig frei. Es bestimmte sein Handeln. Jedes Roboter-Segment sollte eine neue Programmorder erhalten! Angriff auf die einzelnen oder in kleinen Pulks fliegenden Schiffe des Gegners! Keinen Raumer mehr angreifen, der zu einem großen Verband gehört! Besonders auf havarierte Schiffe achten, die versu chen, auf Zwitt zu landen! Er kam nicht mehr dazu, die neuen Befehle abzustrahlen. Langsam, aber unaufhaltsam, schob sich eine Wand zwischen ihn und das Steuerpult. Was ist das? fragte sich Ren Dhark entsetzt. Sein Entsetzen wurde noch größer, als er bemerkte, daß er seine Arme nicht mehr bewe gen konnte. Was ist das nur? fragte er sich noch einmal. Da hatte ihn die Wand erreicht.
8. Die Angaben der beiden Cyborgs waren richtig gewesen. Sie hatten das Kasino gefunden; es arbeitete auf der gleichen Ba sis wie die Kantine in der Ringraumer-Höhle auf Deluge. Der acht mal zehn Meter große Raum war mit runden Schwebeti schen und bequemen Sesseln ausgestattet und bot auf einer Seite einen phantastischen Blick in die Tiefen des fremden Ozeans, der von unbeschreiblichen Ungeheuern wimmelte. Obwohl sie grausige Kämpfe sahen, in denen sich wieder einmal erwies, daß nur der Stärkere überlebte, ließen sich Tschobe, Jos und Shanton ihr Essen schmecken. Der Dicke hatte außerdem auch einen Cognac-Ersatz gefunden, der ihm ausgezeichnet zu munden schien. Satt zu sein, macht zufrieden. Und möglicherweise lag es an dieser Zufriedenheit, daß sie sich über ihr weiteres Vorgehen aus nahmsweise sehr schnell einig wurden. »Wir können zu dritt hier sowieso nichts reißen«, hatte Jos gesagt und dann vorgeschlagen, über den Transmitter im Dschungel nach Deluge zurückzukehren. Shanton und Tschobe waren der gleichen Meinung. »Gehen wir«, sagte der Dicke, der sich diebisch freute, in diesem Kasino sein Essen nicht bezahlen zu müssen. In dieser Hinsicht waren ihm die Mysterious sehr sympathisch. In anderer Hinsicht hatte er sie oft schon aus ganzem Herzen verwünscht. Alle drei Männer warfen noch einmal einen Blick auf die transpa rente Wand und die Tiefen des unbekannten Ozeans, dann drehten sie sich um und gingen dem Ausgang zu. Jimmy, der nicht zu fressen und zu saufen brauchte, folgte ihnen. Kaum hatten sie den Gang erreicht, als der Robothund verrückt spielte. »Angriff!« bellte er, und die Männer, die keine Spur von ei nem Gegner sahen, glaubten sich gefoppt. Selbst Chris Shanton ließ sich irreführen. »Wenn du Mistviech…« Und dann sah Jos die Schatten. Schatten von drei oder vier Personen! Aber in dieser unterseei schen Werftanlage konnte es außer ihnen doch nur noch die beiden Cyborgs geben – oder sollten ihnen inzwischen einige Männer aus dem Industriedom gefolgt sein? Der GSO-Mann kam nicht zu weiterem Nachdenken. Jimmy raste los und verschwand um die Ecke, an der die Schatten von Menschen zu sehen waren, die sich plötzlich nicht mehr be wegten. »Hallo!« schrie Shanton mit seinem orgelnden Baß und fand es überflüssig, nach seinen Strahlern zu greifen. Manu Tschobe war mißtrauischer. Er ahmte das Beispiel des GSOMannes nach und zog seine Waffen.
»He! Hallo!« schrie Shanton noch einmal, als er keine Antwort er hielt. Er hob sein Spezialgerät und musterte die winzigen Anzeigen. Verwundert blies er die Backen auf und sagte: »Der kommt nicht zurück, der Lauser!? Der rennt weiter?! Ja, bei allen Sternen, dann stimmt hier doch was nicht!« Es stimmte einiges nicht! »Zurück! In die Kantine!« brüllte der GSO-Mann, den plötzlich eine furchtbare Unruhe peinigte. Die Schatten, die menschliche Form hatten, waren ihm unheimlich geworden, ebenso Jimmy s Verhalten! Er riß den Dicken herum und stieß ihn in Richtung der Tür zum Kasino. Manu Tschobe hatte sie schon erreicht. Plötzlich blitzten Energiestrahlen auf; Jos schaffte es gerade noch, sich durch die Tür zu werfen, dann dröhnte eine Explosion durch den langen, nicht allzu breiten Gang. Eine Feuerwalze fegte durch die offene Tür ins Kasino und zwang Tschobe und Shanton, zwischen Tischen und Stühlen Deckung zu suchen. Jos hatte sich in den toten Winkel hinter der Tür gerollt und warf sie mit einem Fußtritt zu. Ein hochenergetischer Strahlschuß schmolz ein Loch in die Tür, die leider nicht aus Unitall bestand. Daß keiner der drei Männer getötet wurde, war Zufall. Aber allen dreien war klar, daß jemand hier war, der ihnen nicht freundlich gesinnt war. »Raumhelme schließen, sonst werden wir gegrillt!« rief Tschobe, der als erster die Gefahr erkannte, seinen Begleitern zu. »Die haben uns die beiden Verdrehten auf den Hals gehetzt!« tobte Shanton, der hinter einem Sessel hockte und mittlerweile ebenfalls Waffen in den Händen hielt. Jos spähte zur Tür, in der das Loch durch Strahlbeschuß immer größer wurde – und sah einen Schatten. Er feuerte ohne nachzuden ken. Der Schatten zerbarst in einer gewaltigen Explosion, deren Druckwelle Tische und Stühle zur Seite schleuderte. »Das sind Roboter«, brüllte der GSO-Mann in plötzlichem Be greifen. »Shanton, was sagt Ihr Wunderhund?« Chris Shanton rief über sein Spezialgerät Jimmys Ortungsdaten ab. »Das gibt’s doch gar nicht«, orgelte er plötzlich los. »Was gibt’s nicht?« fragte Tschobe gereizt, während er nach einer besseren Deckung Ausschau hielt. »Wenn da draußen nicht irgendwelche Typen mit Konvertern auf dem Buckel ‘rumlaufen, haben wir’s tatsächlich mit Robotern zu tun.« Shantons Stimme klang ungläubig. Manu Tschobe sah die Sekunde kommen, in der die Roboter durch die aufgeschmolzene Tür hereinstürzen würden, und wenn Shanton mit seinem Verdacht recht hatte, daß sie diesen Angriff den beiden Cyborgs zu verdanken hatten, mußten sie mit dem Schlimmsten rechnen.
»Ich bohre die transparente Wand zum Ozean an!« überraschte der Afrikaner seine Begleiter mit einer selbstmörderischen Idee. »Sollen wir schneller ersaufen als uns diese Robs umbringen kön nen?« wehrte Jos den Vorschlag ab – und feuerte erneut. Auf der anderen Seite der halbzerstörten Tür explodierten in kurz aufeinanderfolgenden Donnerschlägen zwei Roboter. Die Druckwelle riß die Tür aus ihrer Halterung und schleuderte sie ins Kasino, gegen einige Schwebetische, die erstaunlicherweise dem Anprall standhiel ten. »Schießen! Schießen!« bellte Jos, die zusammengekniffenen Augen fest auf sich schnell bewegende Schatten im Gang gerichtet. Chris Shanton hatte seinen Helmfunk auf Jimmys Frequenz ge schaltet. Dadurch konnte er Jos’ Aufforderung nicht hören. Aber was Jimmy ihm auf Abruf zu sagen hatte, trieb ihm den Schweiß aus allen Poren. »Roboter haben die Werft besetzt, viele schwarze, menschenähnli che Roboter mit grell glühenden Augen.« Schwarze Roboter mit grell glühenden Augen? Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag wechselten einen kurzen Blick. Beide hatten das Dossier über Dharks Erlebnisse während seiner Gefangenschaft bei den Robonen gelesen. Darin wurde auch die Begegnung mit zwei derartigen Robotern erwähnt, die sich jedoch nicht direkt feindselig verhalten hatten. Und jetzt sollten diese Roboter die Werft besetzt haben? Woher sollten die drei Terraner auch wissen, was Ren Dhark und die Männer der POINT OF inzwischen erlebt hatten? Rechts von Shanton verging ein Schwebetisch in Höllengluten. In stinktiv schloß der Dicke die Augen. Drei Roboter drangen durch die aufgebrochene Türöffnung und kümmerten sich nicht um harte Strahlung. Tschobe, Jos und Shan ton, die hinter den letzten Schwebetischen entlang der Wände la gen, rechneten sich gegen die Kampfmaschinen keine Chancen mehr aus. Dennoch gaben sie nicht auf; sie wollten ihr Leben so teuer wie möglich verkaufen. Jos sah ein Paar Beine. Er zielte, kam aber nicht mehr dazu abzu drücken. Der hinterste der drei Robs griff seine Kollegen an. Ein durchdrehender Roboter, dessen technisches Innenleben durch die anhaltende, überaus harte Strahlung Schaden erlitten hatte! Eine andere Erklärung konnten die drei Terraner, die fassungslos den Amoklauf beobachteten, sich nicht vorstellen. Wieder einmal hatten sie eine winzige Galgenfrist erhalten, aber das Kasino war inzwischen zu einem Inferno aus tödlicher Strahlung und umherfliegenden Metallfetzen geworden. »Wir müssen hier ‘raus! ‘raus um jeden Preis!« brüllte Jos, der gleichzeitig aufsprang und schon wieder seinen Blaster benutzen mußte, als zwei neue Robs in der Türöffnung auftauchten. Sie ver gingen in einer wilden Explosion. Zufällig sah Manu Tschobe an der Wand hoch, vor der er lag.
Spielten ihm seine Augen einen Streich? Oder waren die Zahlen symbole echt? Sie waren echt! »Gebt mir eine Chance!« schrie er über Helmfunk und verschwen dete keinen Gedanken daran, daß weder Jos noch Shanton mit die ser Aufforderung viel anfangen konnten. Aber sie hielten ihn nicht mit unnützen Gegenfragen auf. Tschobe stemmte sich hoch, ver zichtete auf jede Deckung und ließ seine Handfläche über die Wand gleiten. Er fühlte eine winzige Erhebung! Wie auf der POINT OF! schoß es ihm durch den Kopf. Im gleichen Moment zuckte ein greller Blitz durch das Kasino, und die folgende Druckwelle preßte ihn heftig gegen die Wand. Einschalten! Einstellen! Nur dieser Gedanke beherrschte ihn. Wenn es überhaupt noch eine Rettung vor diesen Robotern gab, die anscheinend überfallartig die unterseeische Werft besetzt hat ten, dann lag sie in diesem Transmitter… Eingeschaltet! Jetzt noch einstellen. Der graue Ring der Transmitter-Antenne war nicht mehr zu über sehen. Hastig stieß der Afrikaner aus. »Achtung! Transmitter! Muß ihn nur noch einstellen, und dann… In drei Sekunden ist es soweit. Klar bei euch?« Zweimal hintereinander erklang ein »Okay!«. »Ich verschwinde!« stieß Tschobe aus und trat durch die Ringan tenne. Er hörte nicht mehr, wie Jos Aachten van Haag sagte: »Der ist weg! Los, Shanton, und jetzt Sie!« Der Dicke protestierte nicht. Gegen die Schießkünste des GSOAgenten kam er nicht an. Der Diplom-Ingenieur bewegte sich in Richtung Transmitter, ließ aber die aufgesprengte Türöffnung nicht aus den Augen. Er kollidier te zweimal mit einem Schwebetisch, einmal mit einem Sessel, stoppte dicht vor der rettenden Ringantenne ab und schoß aus bei den Waffen auf einen gerade aufgetauchten neuen Rob. Die reinste Energieverschwendung! Jos war ihm abermals zuvor gekommen und hatte einen Volltreffer erzielt. Der GSO-Mann hatte inzwischen erkannt, wo er die schwarzen Roboter treffen mußte, um sie mit einem Schuß zu vernichten, aber er fragte sich auch, wieso diese Konstruktionen so blindlings in ihren Untergang liefen. Mit denen stimmt etwas nicht, stellte er fest. Besonders große Be geisterung rief diese Erkenntnis nicht hervor. Wenn Jimmys Nach richt richtig war, dann trieben sich viele von diesen Blechkameraden hier herum, und es war unwahrscheinlich, daß Tschobe, Shanton und er weiterhin so viel Glück haben würden wie bis jetzt. Doch zunächst galt es, von hier zu verschwinden. Er trat durch die Antenne, trat aus einer anderen heraus – und verlor den Boden unter den Füßen, wirbelte in einem halben Dut zend Salti so schnell herum, daß er nur lange, helle, leicht gebogene Striche erkennen konnte!
»Aufpassen!« hörte er Manu Tschobe über Helmfunk schreien. Jos zerkaute einen Fluch. Der hat gut reden! Worauf sollte er denn aufpassen? Er konnte immer noch nichts erkennen, nur daß er hochstieg und dann wieder dreißig oder vierzig Meter absackte. Er krachte gegen den Boden. Ein scharfer Stoß jagte durch seine Wirbelsäule, aber Jos Aachten van Haag ließ seine beiden Strahl waffen nicht los. Die langen, hellen und leicht gebogenen Striche nahmen wieder Formen an. Großer Himmel, schoß es dem GSO-Mann durch den Kopf, als er in etwa hundert Metern Entfernung auf einer Art Galerie die beiden entarteten Cyborgs erkannte, die ihn jedoch nicht beachteten, son dern gegen drei Robs kämpften, die über ein A-Grav-Feld gerade die linke Seite der Kommandobrücke erreicht hatten. Jos sprang auf. Er rannte über die freie Fläche dem nächsten Ag gregat zu. Zwei schwach leuchtende Energiebahnen, weit ab und links von ihm, konnten ihn nicht stoppen. Sie galten auch nicht ihm, sondern den beiden Cyborgs auf der Brücke. Shanton und Tschobe gaben ihm Feuerschutz! Heftig atmend ließ Jos sich hinter einem mehr als dreißig Meter durchmessenden M-Konverter zu Boden fallen. Jetzt erst bekam er Gelegenheit, sich umzusehen. Wohin sein Blick fiel, sah er Energieerzeuger. Halbkugelförmige, nahtlose Tanks, die in dreiundzwanzigfacher Ausführung auf der POINT OF zu finden waren, dort aber nur einen Durchmesser von zwei Metern hatten, während diese hier über dreißig Meter maßen. Jos zählte die gewaltigen Aggregate nicht. Wichtiger war es ihm zu wissen, wo Tschobe und Shanton steckten, und wie der Kampf der beiden verdrehten Cyborgs gegen die Robs ausgegangen war. Sein Instinkt meldete sich wieder. Er spürte, daß hier einiges nicht stimmte. Wahrscheinlich waren die Roboter durch Mildan und Dordig hierhergeholt worden. Wie? Das zu wissen war vorläufig von zweit rangiger Bedeutung. Aber wichtig war es, zu erfahren, warum die Cyborgs plötzlich mit den Robs Streit bekommen hatten! Plötzlich hörte Jos über Helmfunk die orgelnde Stimme des Dicken – aber sie orgelte ungewohnt gedämpft. »Dieses Biest! Dieses Mist stück! Lauser, elender! Na, warte!« Diese Kosenamen konnten nur Jimmy gelten. Der Dicke freute sich über sein Brikett auf vier Beinen – nur hätte Jos gern gewußt, wor über sich der Dicke so freute. Er schob den Kopf um die Rundung seines M-Konverters. Knapp unter der Hallendecke schlugen mehr als ein Dutzend Ro boter in rasendem Tempo Salti! Wie ich eben! schoß es dem GSO-Agenten durch den Kopf, und unwillkürlich wanderte sein Blick zur Galerie. Dort standen die bei den Cyborgs völlig ungedeckt, als ob sie genau wüßten, daß ihnen von keiner Seite Gefahr drohen könnte. Sie standen vor einem klei nen Gerät, an dem sie offensichtlich schalteten! Sie hatten ihn also Salto schlagen lassen!
Irgend etwas in ihrem Verhalten kam Jos unnatürlich vor. »Tschobe«, flüsterte er ins Mikrophon seines Helmfunks, »sind die beiden Cyborgs übergeschnappt?« »Nein«, kam prompt die Antwort, »nur paralysiert…« »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« schnaubte Jos, der keine Spur von Lähmung an den beiden Entarteten beobachten konnte. »Es ist Jimmy. Er muß irgendwo auf der Brücke stecken und be strahlt die Cyborgs mit einer so minimalen Dosis, daß sie nicht in der Lage sind, auf ihr zweites System zu schalten, und außerdem nur noch über einen Teil ihrer Sinne verfügen. Mann, Jos, fragen Sie mich nicht. Es muß so sein, aber wieso es so ist… fragen Sie diesen dreimal verdammten Robot-Köter! Ende, oder noch was?« »Wo stecken Sie und Shanton?« »Genau hinter Ihnen. Sie wären schon zehnmal ein toter Mann, wenn wir Robs wären!« Jos grinste verlegen. Solche Fehler unterliefen ihm selten. »Müssen wir hierbleiben?« lautete seine nächste Frage. »Und wie so drehte ich Saltos, als ich aus dem Transmitter kam? »Fragen Sie die Cyborgs!« forderte ihn Shanton auf. »Glauben Sie, uns wäre es besser ergangen?« Jos zerkaute einen Fluch und ließ seinen Paraschocker sinken. Es hatte keinen Sinn, die beiden Cyborgs kampfunfähig zu machen, weil sie es dann sofort mit den Robs zu tun bekommen würden. Jos war kein Robotiker, aber für ihn stand fest, daß die schwarzen Roboter nicht normal reagierten. Selbst saltoschlagend hätten sie in der Lage sein müssen, ihre Gegner zu vernichten. Sie schienen aber nicht einmal daran zu denken, ihre Strahlwaffen einzusetzen! Oder sollten Mildan und Dordig die Möglichkeit besitzen, sie zu blocken? Roboter zu blocken? Der Gedanke war phantastisch, aber er ließ ihn nicht los. Jos stell te Manu Tschobe eine entsprechende Frage. Er hörte Tschobes überraschte Atemzüge. »Jos, wie sind Sie auf diesen Gedanken gekommen? Aber das würde bedeuten, daß…« »Hier wird zuviel geredet!« mischte sich Shanton grob ein. »Was nützt uns alles Wissen, wenn wir in den nächsten Minuten gegrillt werden? Verschwinden wir aus dieser Ecke. Bomben und Boliden, es muß doch irgendwo in dieser Werft einen Platz geben, wo wir sicher sind und den Rückzug der Robs in Ruhe abwarten können.« Manu Tschobe warnte davor, den Transmitter für den Rückzug zu nutzen. »Die Robs schlagen schon seit vier Minuten Saltos. Wir wären an ihrer Stelle längst tot oder verrückt. Der einzige, der uns den Weg weisen könnte, wäre wieder einmal Jimmy.« »Kommt nicht in Frage!« protestierte Shanton. »Ich habe keine Lust, mich schon wieder mit den Robs herumzuschlagen. Jimmy bleibt, wo er ist. Bei ihm sind Cyborgs und Roboter in besten Hän den. Wir müssen eben etwas riskieren!« »Außerdem haben wir weder Zeit noch Gelegenheit, nach einem anderen Fluchtweg zu suchen. Die beiden Cyborgs werden von Jim
my teilweise unter Kontrolle gehalten; die Robs von den Cyborgs. Wir müssen es riskieren, den alten Weg zu benutzen.« Jos machte eine kurze Pause. »Wenigstens einer von uns. Und wenn der durch kommt, ist für die beiden anderen der Weg wahrscheinlich auch frei… Ich geh’ als erster!« fügte er mit Nachdruck hinzu. Weder Tschobe noch Shanton widersprachen! Der GSO-Mann erhob sich, federte ein paarmal und spurtete los. Van Haag verließ die Deckung des großen M-Konverters. Er kam dem Bereich ziemlich nah, in dem die Robs immer schneller rotier ten und dabei ununterbrochen auf und ab stiegen. Weiß der Teufel, dachte er, wie die beiden Verdrehten das machen! Er sah sie auf der Brücke stehen und ununterbrochen schalten. Ir gendwo in ihrer Nähe mußte sich auch Jimmy aufhalten. Jimmy, dachte Jos, wenn wir Jimmy nicht bei uns hätten, wären wir drei längst tot. Unwillkürlich stieg seine Achtung vor Shanton, der mit dem Robothund etwas Einmaliges geschaffen hatte. Jos rannte wie noch nie in seinem Leben. Noch dreißig Meter. Plötzlich leuchtete eine Strahlbahn vor ihm auf. Sie kam von der Brücke! Aber nicht die beiden Cyborgs hatten auf ihn geschossen, Jimmy war der Schütze… Im gleichen Moment hörte van Haag den Dicken über Funk brül len: »Jos, zurück, zurück! Der Transmitter bringt Sie wahrscheinlich in Teufels Küche. Jimmy hat Ihnen den Weg verlegt! Er hat gerade davor gewarnt, den Transmitter zu benutzen!« Jos hatte schon kehrtgemacht. Wieder rannte er wie ein Weltklas sesprinter – und abermals kam er den rotierenden Robs verdächtig nah. Sein Ziel war wieder der große M-Konverter. Shantons Schnaufen kam wieder durch. Der Dicke war unsicher. »Jos, ich verstehe Jimmy selbst nicht mehr. Das… das habe ich ihm niemals als Programm mitgegeben. Der Lauser hat sich selbständig gemacht und reagiert auf meine Kommandos nicht mehr.« »Hinter uns!« schrie Manu Tschobe dazwischen. Jos warf sich im vollen Lauf auf den glatten Boden. Von einer De ckung war er noch weit entfernt. Er blickte in die Richtung, in der Tschobe liegen mußte – und sah schon die Strahlbahnen, die der Afrikaner aus beiden Waffen abfeuerte. Und er sah schwarze Roboter! Sie kamen aus einer großen Trans mitteranlage am Ende der M-Konverterreihe! Acht, neun, zehn Stück! War das ihr Ende? Jos sah seine letzte Stunde gekommen. Die Robs feuerten aus allen Rohren! Strahlbahnen zischten über den flach am Boden lie genden GSO-Mann hinweg. Über ihm explodierte ein rotierender Roboter. Die neu angekommenen Roboter schossen ihre rotierenden Kame raden ab!
Sie nahmen von Jos überhaupt keine Notiz! Van Haag setzte alles auf eine Karte. Aufspringen, losrennen und den M-Konverter erreichen! Der große Saal wurde von einer Kette heftiger Explosionen er schüttert. Nur noch drei Robs rotierten. Sie lagen im konzentrischen Strahlfeuer der anderen schwarzen Maschinen. »Durch den Transmitter, aus dem die Roboter gekommen sind!« schrie Manu Tschobe, der gleichzeitig aufsprang und den neben ihm liegenden Shanton hochzureißen versuchte. »Okay!« orgelte der Dicke. »Ist ja egal, wo man uns umbringt.« Drei Mann jagten um ihre Deckung herum und rasten in Richtung der großen grauen Transmitter-Antenne. Die neu angekommenen Roboter nahmen von ihnen noch immer keine Notiz. Sie beschäftigten sich nur mit dem letzten Rob, der so schnell rotierte, daß er nur noch als Kugel zu erkennen war. Schon war der Dicke verschwunden! Tschobe trat gerade durch den Ring, und Jos folgte dichtauf. Der GSO-Mann drehte sich um und warf der Brücke noch einmal einen Blick zu… Drei der zuletzt angekommenen Roboter hatten die Brücke erreicht und stürzten sich auf Mildan und Dordig, die sich aus allen Rohren feuernd dieses Angriffs zu erwehren versuchten. Von der anderen Seite der gut zwanzig Meter hohen Brücke, die mehr als achtzig Meter lang war, griff jemand in den Kampf ein. Jimmy, der irgendwo dort oben stecken mußte, schockte zuerst Mildan, dann Dordig. Wie gefällte Bäume brachen die Entarteten zusammen. Ein Schatten flog von der Brücke in die Tiefe und raste dann in unglaublichem Tempo heran. Auch Jimmy suchte sein Heil in der Flucht! Wieder ging der Blick des GSO-Mannes zur Brücke. Mildan und Dordig wurden von den Robotern hochgehoben und davongetragen. Warum haben diese Burschen nicht auf die beiden Verdrehten ge schossen? fragte sich Jos Aachten van Haag, als der Scotchterrier an ihm vorbeiraste und durch den Transmitterring sprang. Das war für Jos das Zeichen, keine Sekunde mehr zu verlieren. Er wirbelte herum und warf sich durch die graue Antenne.
9.
Ren Dhark suchte die Wand, die sich zwischen ihn und die Steue rung geschoben hatte, aber er konnte keine Spur mehr von ihr entdecken. »Ren, hörst du mich nicht? Ren, antworte! Ren, antworte!« Wie lange rief Dan ihn schon über die interne Verständigung der Zentrale? Riker war gereizt. Er überschüttete seinen Freund mit Vorwürfen. »Seit mehr als fünf Minuten versuchen wir dich zu erreichen. Warum meldest du dich erst jetzt?« Dhark richtete sich ruckartig in seinem Sessel auf. Mehr als fünf Minuten waren vergangen, und er wußte nicht, was in diesem Zeitraum passiert war? Fassungslos starrte er auf den großen Bildschirm, der in viele Quadrate aufgeteilt war. Wieder war Rikers erregte Stimme zu hören: »Ren, was ist da draußen auf einmal los? Hast du… Mein Gott, das kann doch wohl nicht wahr sein… hast du den Angriff eingestellt? Hast du alles auf Null heruntergeschaltet?« Dhark preßte verzweifelt die Hände gegen die Schläfen. Was war in den vergangenen fünf Minuten passiert? Hatte er die planetari schen Forts abgeschaltet? Hatte er den Flächenprojektor-Stationen in der Korona den Befehl gegeben, den Kampf einzustellen? Wo waren die Roboter geblieben, deren Aufgabe es war, in die Doppelkugelraumer einzudringen und sie zu vernichten? Über Zwitt stand keine einzige Strahlbahn mehr! Die Doppelkugelraumer beschossen die Oberfläche des Planeten oder die Innenseite der Sonnenkorona nicht mehr! Sie befanden sich aber eindeutig auf Landekurs! »Ren, warum sagst du nichts? Ren, um alles in der Welt, sag doch, daß du nichts abgeschaltet hast! Sag es!« Ren Dhark konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor in seinem Le ben so verwirrt und ratlos gewesen zu sein. Er mußte an die Wand denken, die sich zwischen ihn und die Steu erung geschoben hatte. Und außerdem war er doch gar nicht mehr in der Lage gewesen, seine Arme zu benutzen! Was war in diesen fraglichen Minuten mit ihm geschehen? »Ren, ich kann dich doch auf dem Bildschirm sehen… gib doch endlich Antwort! Die ersten Raumer setzen schon zur Landung an.« Ren Dhark schluckte. Gerade hatte er eine furchtbare Entdeckung gemacht: Der größte Teil des Wissens, das er durch die Einnahme der Mentcaps erworben hatte, war verschwunden! Die Waffensteuerung, vor der er saß, war ihm plötzlich fremd - bis auf die wenigen Dinge, die es auch in den beiden Waffensteue rungen der POINT OF gab. Aber er hatte sich doch an dieses Kommandopult gesetzt, als ob er
hier schon jahrelang Dienst gemacht hätte! Das wußte er! Das wußte er sogar ganz genau! Und draußen waren die Invasoren auf Landekurs und schickten sich an, ungehindert auf Zwitt zu landen! Auf Zwitt, dem Tor zur Sonne! Ren Dhark ballte seine Fäuste und schüttelte den Kopf. Warum ließ ihn Dan nicht in Ruhe? Ununterbrochen redete sein Freund auf ihn ein, forderte ihn auf, alles zu erklären. Dhark wollte Riker schon zurufen, er möge doch bitte endlich den Mund halten, als sich Arc Doorn meldete. »Einen Augenblick, Riker, ich muß mit Dhark sprechen.« Doorn befand sich im Archiv und hatte mehr als drei Dutzend Mentcaps eingenommen. »Dhark, hören Sie mich?« »Sprechen Sie, Doorn.« »Dhark, diese Mentcaps sind keinen Schuß Pulver wert und unter scheiden sich beträchtlich von den weißen Kügelchen im Archiv auf Hope. Gerade eben, mitten im Einnehmen, wurde mir… tut mir leid es sagen zu müssen, aber anders läßt es sich nicht ausdrücken… da wurde mir speiübel, und als es vorbei war, war auch das Wissen aus meinem Kopf verschwunden.« »Wann war das, Arc? Wann genau?« »Große Milchstraße!« brüllte Dan Riker dazwischen. »Da draußen landen die ersten Kähne der Schwarzen Weißen, und ihr beide un terhaltet euch über die Qualität der Mentcaps!« Rikers Zwischenbemerkung verschaffte Dhark einige Sekunden Zeit zum Nachzudenken. Allem Anschein nach war dem Sibirier das gleiche passiert wie ihm. Auch Doorn war ein Teil des übermittelten Wissens wieder ge nommen worden, jedoch mit anderen Nebenwirkungen. Doorn war nur übel geworden, er selbst hatte das Bewußtsein verloren. »Doorn, wann war es? Und du, Dan, mischst dich in den nächsten Minuten bitte nicht mehr ein!« Der Sibirier nannte den Zeitpunkt. Er fiel in die Zeitspanne, in der man auch Dhark einen Teil seines Spezialwissens geraubt hatte. Dan Riker befand sich mit den Flash-Piloten in der siebten Kugel schale, die ein einziger Bildschirm war und die gesamte Oberfläche Zwitts erfaßte. Knapp zwanzig Kilometer von Fanal entfernt waren die ersten Schiffe der Schwarzen Weißen gelandet – mehr als fünfhundert, und Tausende befanden sich noch auf Landekurs. Vor dem gelblich brennenden Himmel zeichneten sich die noch im Anflug befindlichen Raumer als scharf umgrenzte Doppelscheiben ab. Riker stand zwischen Doraner und Wonzeff. Schneller als Dhark hatten sie sich daran gewöhnt, daß sich die Station in unregelmäßi gen Abständen zusammenzog und wieder ausdehnte. Und seit die Invasionsflotte mit der Landung begonnen hatte, nahmen sie das
ständige Auf und Ab kaum noch wahr. Zwitt, eine Wunderwelt der Geheimnisvollen, fällt durch unsere Schuld nun in die Hände der Schwarzen Weißen, dachte Dan Riker, während sie beobachteten, wie weitere Verbände landeten. Pjetr Wonzeff machte eine eigenartige Entdeckung. »Alle Schiffe landen, soweit ich es verfolgen konnte, auf der Seite Zwitts, auf der Fanal liegt. Ob Fanal das wichtigste Abwehrfort des Planeten ist?« Riker verschaffte sich Gewißheit. Er verschwand zur anderen Seite des gigantischen Rundsichtschirms. Er sah Verbände der Schwarzen Weißen im Anflug, einige befanden sich auch im Parkorbit, aber kein einziges Schiff setzte zur Landung an. »Stimmt, Wonzeff«, bestätigte er dem Flash-Piloten, als er wieder neben ihm stand, »und Sie könnten auch mit Ihrer Vermutung recht haben, daß Fanal das wichtigste Fort ist. Mich wundert nur, wie sicher sich die Schwarzen Weißen fühlen; als ob sie wüßten, daß keine einzige Station in der Korona, kein planetarisches Fort noch einen Angriff wagen würde.« Zwischenzeitlich hatte Ren Dhark sein Gespräch mit Arc Doorn be endet. Nur widerwillig hatte sich der Sibirier der Vermutung des Commanders gebeugt. »Ich habe immer noch meine Zweifel, Dhark«, hatte er zum Schluß der Unterredung gesagt. »Warten wir’s ab, Doorn.« Aber auch Dhark fiel es schwer zu warten. Er war allein in der Waffensteuerung. Dan Riker und die drei FlashPiloten ließen sich nicht sehen. Sie machten auch keinen Versuch mehr, mit ihm in Verbindung zu treten. Doch was sie über den gro ße Schirm sahen, das sah er auch. Ein Verband der Schwarzen Weißen nach dem anderen landete. Die Humanoiden waren fast ausschließlich mit Schiffen durchgebro chen, deren Kugelzellen jeweils 450 Meter durchmaßen. Wie viele tausend waren schon gelandet? Wie viele tausend be fanden sich noch auf Landekurs? Wie viele im Parkorbit? Die Invasoren waren gelandet – aber das war alles! Keine einzige Schleuse öffnete sich. Kein Robotkommando verließ das Schiff. Aber auch die Segment-Roboter waren nicht mehr zu sehen. Ren Dharks Befehl, nur noch Jagd auf einzeln fliegende Schiffe zu ma chen, war nicht mehr abgestrahlt worden, weil die Wand sich zwi schen ihn und die Waffensteuerung geschoben und ihm jede Erinne rung an die nachfolgenden fünf Minuten genommen hatte. Solange die Schwarzen Weißen nicht entdeckten, wie leicht es war, in die Zentrale zu kommen, waren sie im Mittelpunkt Zwitts sicher. Aber stimmte seine Vermutung, die Doorn nicht so recht glauben wollte? Wieder warf er einen Blick auf sein Chrono. Eine lange, lange Stunde war vergangen. Die letzten Raumschiff verbände setzten zur Landung an. Und Ren Dhark saß unbeweglich im Sessel vor den Waffensteue rungen, deren Schalter blockiert waren, und wartete immer noch.
Längst zweifelte er daran, daß seine Vermutung richtig sein könn te. Arc Doorn schien recht zu haben, leider! Und wieder waren fünfzehn Minuten vergangen. Die letzten Ein heiten waren gelandet; nichts rührte sich. Der Planet hatte seine Eroberung akzeptiert! Zwitt war dem Terraner, der kraft seines Mentcap-Wissens die Ab wehr hatte koordinieren wollen, in den Arm gefallen. Dharks Augen weiteten sich! Die Sonnenkorona hatte auf Nacht geschaltet. Blitzartig war das gelbliche Brennen des Himmels ver blaßt. Die Dunkelheit über Zwitt schien absolut zu sein! Nur für einen Augenblick! Die Zentrale im Mittelpunkt des Planeten blähte sich wie ein Ballon auf. Die Waffensteuerung war innerhalb weniger Sekunden um das Zehnfache größer geworden und wuchs immer noch. Die Stille, die einem unruhigen Menschen hätte auf die Nerven fallen können, gab es nicht mehr. Alle Energieerzeuger der Station waren angelaufen; alle Speicherbänke arbeiteten; sämtliche Transformer liefen auf Vollast. Aber auch von draußen, aus dem Kern des Planeten, kam Dröhnen und Grollen herein! Vor Dhark flammten Kontrollen auf, die vorher nicht zu sehen ge wesen waren. Instrumente, die keine Werte angezeigt hatten, stan den plötzlich im Maximumbereich. Eine von innen beleuchtete Re liefkarte offenbarte ein verwirrendes Bahnmuster. Der Commander beugte sich vor. Er studierte die Reliefkarte. Er konnte sie lesen… Die Station im Zentrum des Planeten war nicht die einzige Anlage, aber die einzige, die betreten werden konnte. Bis zu 4300 Kilometer vom Mittelpunkt entfernt befanden sich ein paar tausend weitere Stationen in Innern dieser Welt, um die unvorstellbaren Drucke und Temperaturen in Energie umzuwandeln! Zwitt wurde die Kraft abgesaugt! Die Station in seinem Herzen war ein Vampir! Bestand zwischen der plötzlichen Dunkelheit und dem Anlaufen aller Transformerstationen ein Zusammenhang? Ren Dhark hoffte es. Seine Zweifel waren in den letzten Minuten kleiner geworden, aber er war sich seiner Sache längst nicht mehr so sicher wie im Gespräch mit Doorn. Oben – auf der Planetenoberfläche – hatte sich die Situation nicht verändert. Die vielquadratische Schirmanlage hatte automatisch auf Infrarot geschaltet und zeigte nach wie vor die gelandeten Verbän de. Die Bahnen der Reliefkarte leuchteten immer heller. Synchron da zu war auch die Geräuschkulisse lauter geworden. Das Aufblähen der Station hatte ein Ende gefunden, und Ren Dhark glaubte in ei nem domartigen Raum zu sitzen, in dem er sich verloren vorkam. Er kämpfte gegen das deprimierende Gefühl an. »Doorn…« Doch Doorn meldete sich nicht. Und mit Dan wollte er nicht spre
chen. In dieser Stunde konnte er seine Vorwürfe nicht ertragen. Aber hatte Dan mit seinen Vorwürfen nicht recht? Unmerklich hatte die Zentrale im Herzen des Planeten zu zittern begonnen. Jetzt lief das Zittern deutlich spürbar durch Boden, De cken und Wände. Es kam sowohl von innen wie von außen! Die leuchtenden Bahnen der Reliefkarte verblaßten. Eine Reihe Kon trollanzeigen und Instrumente erlosch. Ein entsetzlicher Verdacht schoß Ren Dhark durch den Kopf: Wird Zwitt gleich ebenso untergehen wie W-4? Verzweifelt konzentrierte er sich. Die Stimme sollte ihm Auskunft geben. Sie konnte es tun! Sie mußte es tun! Aber entweder kamen seine Gedanken nicht durch – oder die Stimme ignorierte sie. Sie schwieg! Die Bahnen der Reliefkarte waren nicht mehr zu erkennen. Dan Riker meldete sich. Seine Stimme klang tonlos: »Es hat noch nicht einmal Sinn, unser Testament zu machen, Ren.« In Rikers Bemerkung lag kein Vorwurf, nur Resignation. »Dan, red’ nicht solchen Unsinn!« erwiderte Dhark ungewohnt scharf. »Noch ist das Spiel nicht zu Ende, auch wenn man mir die Hände gebunden hat. Noch können vier Mann nach oben und mit den beiden intakten Flash zur POINT OF transitieren… lost aus, wer verschwinden darf, und wer mit mir hierbleiben muß…« »Jetzt redest du Unsinn, Ren! Niemand von uns denkt daran, dich im Stich zu lassen. Trotzdem…« Er hätte auch gegen den Wind sprechen können. Dhark hörte gar nicht mehr zu. Er hatte seinen Sessel verlassen. Mit den Knien be rührte er die blaue Unitallverkleidung der Steuerung. Es kümmerte ihn nicht, daß alle Schalter blockiert waren. Es kommt langsam wieder! Vorhin, als Riker seine letzte Bemerkung gemacht hatte, war es zurückgekommen, als Torso. Und dieser Torso erhielt nun die noch fehlenden Bruchstücke zurück. Über die Verständigung hörte er Doorn flüsternd sagen: »Ich bin doch nicht verrückt…?« und er erkannte, daß diese Bemerkung für niemanden bestimmt war. Unwillkürlich nickte Ren Dhark. Doorn erging es nicht anders als ihm. Nur hatte er keine Sorge, nicht ganz richtig im Kopf zu sein. Die letzten Zweifel verflogen. Seine Hypothese stimmte. Sie mußte stimmen! Wie war das noch gewesen? Die Stirn in Falten gelegt, die Augen zusammengekniffen, versuchte er mit aller Kraft, sein MentcapWissen zu aktivieren, aber es gab immer noch Lücken. Alles war ihm noch nicht zurückgegeben worden. Aber er besaß auch seinen Verstand, sein logisches Denken, sein Wissen um einen Teil der Mysterious-Technik und seine Erfahrungen mit der POINT OF. »Es muß stimmen!« Doch seine Hypothese war ungeheuerlich. Er betrachtete sich als das Herz von Zwitt – als das Herz dieser Station im Mittelpunkt des Planeten.
Plötzlich stockte sein Denken. Ungeheure Leere breitete sich in seinem Kopf aus. Nur die Unendlichkeit des Alls schien darin noch Platz zu haben. Ren Dhark war keines Gedankens mehr fähig. Wieder sah er die Wand, die ihn trennte. Wovon? Auch diese Frage stellte er sich nicht. Leere, unendliche, unbeschreibliche Leere! Sein Kopf sank auf die Brust. Sein Blick wurde leer. Die Arme hingen herunter, als ob sie ihm nicht gehörten. Ren Dhark war kein denkendes Wesen mehr, nur noch eine Hülle. Langsam verlor er das Gleichgewicht; dumpf schlug sein Körper gegen das Steuerpult. Seine Beine knickten ein, und langsam rutschte er zu Boden. Er hörte nicht mehr, daß Arc Doorn versuchte, mit ihm in Verbindung zu treten. Der Sibirier verließ hastig das Archiv. Das unerklärliche Schweigen des Commanders trieb ihn zu den anderen zurück. Er traf Riker und die Flash-Piloten in einer niedergedrückten Stimmung an, die ihn zwar stutzig werden ließ, über die er aber einfach hinwegsah. »Dhark meldet sich plötzlich nicht mehr. Ich konnte ihn auch auf dem Bildschirm nicht mehr sehen.« Mit einer unendlich müden Bewegung deutete Riker auf eine be stimmte Stelle des Panoramaschirms. »Was spielt das alles noch für eine Rolle, Doorn? Können Sie zählen ja? Dann versuchen Sie ein mal die Anzahl der gelandeten Raumer zu bestimmen und…« Die Station schrumpfte wieder! Ohne jede Ankündigung und viel fach schneller als sie sich ausgedehnt hatte, zog sich die Zentrale nun wieder zusammen. Unwillkürlich lauschten die Männer trotz des unveränderten Brummens und Dröhnens. Der Abstand zwischen der Außenwand der siebten Schale und dem Boden, auf dem sie standen, verringerte sich so stark, daß die fünf Männer unwillkürlich den Kopf einzogen, weil sie fürchteten, gleich zerdrückt zu werden. Unverständlich in diesem Prozeß war die Tat sache, daß die Wiedergabe des Panoramaschirms unverändert gut blieb. Die Männer, die doch schon so viele, gefahrvolle Situationen ge meistert hatten, blickten sich hilflos an. Nie zuvor war es einem Menschen gelungen, bis zum Mittelpunkt eines Planeten vorzudrin gen, und hier hielten sie sich nicht nur in seinem Zentrum auf, hier hatte eine intelligente Rasse auch noch eine Anlage errichtet, deren technische Möglichkeiten menschliche Vorstellungskraft um ein Viel faches überstieg. Doorn, der genau wie Dhark einen Teil seines Mentcap-Wissens zurückerhalten hatte, begann die Lethargie seiner Begleiter auf die Nerven zu gehen. Er, der so selten aus sich herausging, brauste auf und machte Riker und den Piloten heftige Vorwürfe, daß sie sich nicht um Dhark gekümmert hatten, als der sich plötzlich nicht mehr gemeldet hatte. Riker hatte jeden Elan verloren. Er deutete zur Decke, die sich nur
noch einen halben Meter über seinem Kopf befand. »Ist ja egal, wo wir zerquetscht werden, Doorn. Okay, Sie sollen Ihren Willen haben. Kommen Sie, wir beide gehen Ren suchen.« Doorn kannte den Weg. Eine Mentcap hatte ihm den Aufbau der Zentrale verraten. Und dann standen sie in der Waffensteuerung, in der der Com mander sich so lange aufgehalten hatte. Sie war leer. Nichts verriet, daß Ren Dhark tatsächlich hier gewesen war. Ver blüfft sahen sich Riker und Doorn an. Und dann stellten sie fest, daß alle Steuerschalter blockiert waren. »Hat er aufgegeben?« Rikers Frage blieb ohne Echo. »Weil alles blockiert ist?« Auch auf diese Frage ging Doorn nicht ein. Der bullige Mann mit der platten Nase und dem grobporigen Gesicht sah zur Decke hoch. Die Zentrale verkleinerte sich nicht mehr. Der Schrumpfungspro zeß war zum Stillstand gekommen. In der Schale, in der sich die Waffensteuerung befand, betrug der Abstand zwischen ihren Köpfen und der Decke noch knapp zwanzig Zentimeter. Doorns Schweigen verjagte Rikers Depressionen. Dazu kam, daß auch er jetzt den Stillstand des Schrumpfprozesses bemerkte. »Doorn, denken Sie nach! Wo kann Dhark stecken?« »Wo soll er sein? Ich weiß es nicht. Wir müssen ihn suchen… ich muß ihn suchen, denn Sie und die Piloten haben es leider nicht für erforderlich gehalten, Mentcaps zu schlucken. Dadurch bin ich der einzige, der die Station kennt. Wollen Sie hier auf mich warten?« »Bleiben Sie, Doorn!« Das klang wie ein Befehl. Riker schaltete die Verständigung auf Rundspruch und rief nach Dhark. Aber der Com mander meldete sich nicht. Er konnte sich nicht melden, weil er sich gar nicht mehr in der Station im Mittelpunkt des Planeten Zwitt aufhielt.
10.
Jos Aachten van Haag hörte den Dicken entsetzlich laut brüllen. Er sah Manu Tschobe im Kampf mit zwei dunkelhäutige Humanoiden. Gleich einem Schatten sprang ihn von der Seite her ein dritter an, mit fremdartigen Strahlwaffen in den Händen. Blitzschnell verlagerte Jos sein Körpergewicht auf den linken Fuß, duckte sich und warf sich dem anderen entgegen. Dann packte er zu, verdrehte einen Arm, prallte gegen den Körper seines Gegners und richtete sich wie ein zuvor gespannter Bogen blitzartig senk recht auf. Der Schwarzhäutige flog über seinen Rücken und landete krachend rücklings in der Ecke. Gerade war Shanton mit seinem Gegner fertig geworden. Manu Tschobe hatte auch nichts mehr zu tun. Jimmy hatte dazwischenge funkt. »Mahlzeit!« orgelte der Dicke, dessen Gesicht trotz der Klimaan lage seines M-Anzugs schweißüberströmt war. »Achtung!« schrie Jos und schoß auf das Schott, das von der an deren Seite geöffnet wurde. Jimmy wirbelte herum. Seine Ortungsergebnisse ließen ihn sein technisches Innenleben auf Kampfmodus umschalten. Während Jos noch damit beschäftigt war, die drei hereinkommen den Schwarzhäute als Robs zu erkennen, hatte das Brikett auf vier Beinen sie bereits unter Blasterbeschuß genommen. Die Maschinenkonstruktionen vergingen in grellen Energieblitzen. Jos stand neben dem Schott und griff zu, ohne nachzudenken. Das Schott schloß sich wieder. »Alle Achtung, Jos«, rief Shanton ihm über Helmfunk zu, »wie haben Sie das gemacht?« Verblüfft schüttelte der GSO-Mann den Kopf. »Das möchte ich auch gern wissen!« »Sind wir vielleicht in einer Raumschiffzentrale?« fragte Tschobe, der jetzt erst Gelegenheit bekam, sich umzusehen. »Scheint so«, brummte der Dicke, der sich den Bauch hielt; die beiden Humanoiden, die immer noch besinnungslos am Boden la gen, waren keine fairen Gegner gewesen. »Schöne Überraschung!« stellte Jos sarkastisch fest. »Aber habe ich eben richtig gesehen? Die Augen…!« Er verstummte, denn ihm wurde bewußt, vorhin keinen Roboter in die Ecke geschleudert zu haben, sondern einen schwarzhäutigen Humanoiden aus Fleisch und Blut! »Die hier…« »Haben wir inzwischen auch gemerkt«, mischte sich Chris Shanton ein. »Diese Burschen sind echt. Aber zur Sache. Wenn das hier tatsächlich eine Raumschiffzentrale ist, dann sind wir so lange si cher, bis uns Hunger und Durst zur Aufgabe zwingen und es den
Kerlen nicht gelingt hereinzukommen.« Manu Tschobe hörte nicht zu. Er suchte nach dem Transmitter, der sie hier hatte ankommen lassen – im Raumschiff dieser Fremden, die allem Anschein nach von den beiden entarteten Cyborgs alar miert worden waren. Er sah vier Konturliegen. Davor in Hufeisenform je ein Schaltpult. Im Boden die Instrumente. Einen Schritt weiter ein rechteckiger Rahmen aus braunem Metall. Sechs Humanoide in enganliegenden silbergrauen Uniformen, die auf der Brustseite mit verschiedenen blauen und roten Ornamenten verziert waren, lagen zwischen den Liegen und in den Ecken. Keiner der Männer hatte protestiert, als Jimmy sie zur Sicherheit noch einmal geschockt hatte. »Tschobe, suchen Sie vielleicht den Jüngsten Tag?« fauchte Shan ton den Afrikaner aufgebracht an. »Nein, nur den Transmitter!« erwiderte der Afrikaner scharf. »Sie wissen natürlich, wo er steckt!« Der Dicke konnte auch verlieren. »Eins zu Null für Sie. He, Jos, können Sie uns sagen, an welcher Stelle Sie rematerialisiert sind?« »Bei dem Wirbel, mit dem ich empfangen wurde?!« Shantons Laune wurde nicht besser. »Glauben Sie, man hätte uns die Hand gereicht, als wir hier hereinplatzten?« Die Zentrale war ein knapp dreißig Quadratmeter großer vierecki ger Raum mit abgerundeten Ecken. Die vier Konturlager beherrsch ten das Bild. Fremdartig der Eindruck der im Boden angebrachten Instrumente. Gegenüber den Zentralen der terranischen Kugelrau mer oder der POINT OF war dieser Kommandoraum auffallend klein und spartanisch in seiner technischen Ausrüstung. Auch das Schott, das Jos – ohne zu wissen, wie – gesperrt hatte, war gerade groß genug, um zwei Mann gleichzeitig durchzulassen. Die Wände waren glatt und leer. Von einem Transmitter keine Spur. »Er muß in einer der Wände sein«, vermutete Chris Shanton und sah Jimmy an, der wieder auf die Kommandoimpulse des Spezialge räts reagierte. Seine Finger huschten mit einer Geschwindigkeit über die Tasten, die auch Tschobe Bewunderung abrang. Der Robothund peilte offensichtlich die knapp drei Meter über ih nen befindliche Decke an. »Da oben?« zweifelte Jos, der sich nicht erinnern konnte, drei Meter tief gefallen zu sein, als er hier angekommen war. Shanton wartete nicht, bis Jimmy zu sprechen begann. Er las die Ortungsresultate an seinem Spezialgerät ab. »Der Transmitter befindet sich tatsächlich in der Decke. Unglaub lich!« stieß der Diplom-Ingenieur verblüfft aus. »Einen besseren Platz konnten sich diese Burschen nicht aussuchen!« Es klang nicht gut, wenn er die Fremden Burschen nannte. Tschobe zweifelte nicht an Jimmys Ortungsergebnissen. Von der Decke schweifte sein Blick zu den Konturlagern. Jos Aachten van Haag, der Praktiker, behielt die Schleuse im Auge, in einer Hand den
Blaster, in der anderen den Paraschocker. Er nickte zufrieden, als er die Kapazitätsanzeigen kontrollierte. Im gleichen Moment ließ ihn sein Instinkt blindlings zur Seite springen. Manu Tschobes Aufschrei brach im Ansatz ab. Neben Jos stand wie aus dem Boden gewachsen ein Roboter. Jimmy kam zu spät. Shanton brach lautlos unter dem Strahlbeschuß zusammen. Manu Tschobes Strahl traf die Decke. Jos säbelte dem Roboter die metallenen Beine weg. Im gleichen Moment wurde der verstümmelte Robot zur Seite ge schleudert. Jos reagierte ohne nachzudenken und gab der Maschi nenkonstruktion, die aus dem Boden kam, keine Chance! Geblendet schloß er die Augen. Die automatisch arbeitende Ab schirmung seines Klarsichthelms hatte nur einen Teil der Lichtflut zurückhalten können. Gefahr! signalisierte sein Gespür. Er sah nur einen Schatten. Der Boden schien einen Roboter regel recht auszuspucken, um danach sofort wieder stabil zu werden. Jimmy >sah< mehr. Seine auf sensorischer Basis arbeitenden Au gen erfaßten das neue Ziel – und dann feuerte er sofort. »Wir müssen raus!« rief Tschobe erregt, der die Gefahr erkannt hatte. »Sie zwingen uns, die Zentrale zu…« Noch konnten sie den Raum nicht verlassen, in dem sich härteste Strahlung in hohen Dosen ausbreitete. Ein neuer Roboter tauchte auf und wurde ebenso vernichtet wie seine Vorgänger. Die schwarzhäutigen Humanoiden, die bewußtlos am Boden ge legen hatten, konnten nicht mehr am Leben sein. Ihren Tod hatten sie ihren eigenen Artgenossen zu verdanken. »Jos, noch zwei Roboter… und wir werden trotz Raumanzug ge grillt!« Dabei hatten die Spezialisten auf Terra einst behauptet, die M-Anzüge würden jeder atomaren Belastung standhalten! »Zur Hölle mit Ihren Warnungen, Tschobe«, rief Jos, der keinen Sol mehr für ihr Leben gab, »finden Sie lieber den Schalter, mit dem man den Transmitter umpolen kann.« Der nächste Roboter brach durch den Boden. Ihm erging es wie allen seinen Vorgängern. Jimmys Ortung arbeitete auf Hochtouren. Daß sein synthetisches Fell brannte, störte ihn nicht, aber die ato mare Verseuchung des relativ kleinen Raumes begann auch auf seine Sensoren einzuwirken. Einige wurden träge. Ihre Schwingungszahlen hatten sich so stark verändert, daß sie durchgehende Impulse verfälschten. Die Aktivie rung seines Abstrahlpols an der Zungenspitze war noch in Ordnung. Sein Ziel traf er auch. Weder Jimmy noch Jos ahnten, daß vor ihren Augen im zweiten, getarnten Zugang zum Leitstand der Kommandant dieses Schiffes in Energie umgewandelt worden war. Jos hatte einen schwachen Energieausbruch gesehen und sich
nichts dabei gedacht. In Jimmy kam der Alarm nicht mehr durch. Weitere Sensoren seines technischen Innenlebens waren träge ge worden und betrieben Impulsfälschungen großen Stil. Und dann sah Jos den Durchlaß in der Wand rechts des Schotts! Es war ihm gleichgültig, ob der Weg ins Verderben führte. Er wollte nur raus aus dieser Strahlenhölle… Tschobe und er packten den bewußtlosen Shanton und zerrten ihn hinter sich her. Der Robothund lief voraus. Das Deck war leer. Der Afrikaner bestimmte die Richtung. Jos spähte zur Zentrale zu rück. Sein Mißtrauen sagte ihm, daß noch weitere Roboter hineinge schickt werden würden. »Jos, ein A-Grav-Schacht!« Der Schacht nahm sie auf und trug sie höher. Vier Meter über ih nen befand sich Jimmy, der unter technischen Krämpfen litt. Sein Zusatzprogramm nutzte die kurze Einsatzpause, um die Sensoren in seinem Innern zu testen und durch Umschaltung die träge geworde nen daran zu hindern, weiterhin Impulsfälschungen vorzunehmen. Tschobe und Jos schwiegen. Sie machten sich nichts vor. Ihre Chancen, dieses unbekannte Raumschiff verlassen zu können, wa ren gleich Null. Ihre Lage hatte sich radikal verschlechtert, als Chris Shanton geschockt worden war. Der Zwei-Zentner-Mann war zu dem berühmten Klotz am Bein geworden, der ihnen jede Bewe gungsfreiheit nahm. Als sie rund dreißig Meter nach oben geschwebt waren, sah Manu Tschobe das nächste Deck. Er fragte sich, was auf der Strecke, die sie gerade passiert hatten, wohl liegen mochte. Bis jetzt hatte er noch nicht erraten können, welche äußere Form dieses Raumschiff besaß. Nur daß zwischen den Cyborgs und den Fremden schon vor her ein enger Kontakt bestanden haben mußte, war ihm klar. Ge nauso wie die Tatsache, daß die beiden Entarteten über ein viel größeres Wissen auf dem Gebiet der Mysterious-Technik und dieser Anlage hier besaßen als jeder andere Mensch – und das machte sie in ihrem Zustand noch gefährlicher, als sie es ohnehin schon waren. Und steckten hinter dieser Veränderung wirklich die nicht umge schalteten Robonen? Über Helmfunk hörte Tschobe Jos murmeln: »Ob ich das Rätsel jemals lösen werde?« »Was meinen Sie, Jos?« fragte Tschobe, während sie die letzten paar Meter zum Deck zurücklegten. »Ach, ich zerbreche mir über Mildan und Dordig den Kopf. Diese Kerle werden nur immer unheimlicher, Tschobe. Und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß auch die Mysterious ihre Finger im Spiel haben.« »Und deren Roboter. Ich habe sie kennengelernt. So, aussteigen!« Sie verließen den schwach beleuchteten A-Grav-Schacht. Nach vier Richtungen zweigten Decks ab, und alle waren leer. Weder ein Ro boter war zu sehen, noch einer der Humanoiden. Chris Shanton befand sich immer noch in Paralyse.
Jimmy stand dicht vor dem Zusammenbruch. Jede Ähnlichkeit mit einem Scotchterrier war ihm abhanden gekommen. Bis auf winzige, halbverkohlte Reste besaß er kein Fell mehr. Blank schimmerte sein Metallkörper. Der sonst so rassige Kopf hatte jede Form verloren und wirkte wie der mißglückte Versuch eines Stümpers, einen Hund aus Metall modellieren zu wollen. Das Zusatzprogramm des Robothundes war mit der ihm gestellten Aufgabe nicht fertig geworden. Es hatte die erforderliche Umschal tung nur teilweise vornehmen können, und das war gleichbedeutend mit der halben Zerstörung seines sensorischen Innenlebens. Tschobe kannte die Frequenz, auf der Jimmy anzusprechen war. Er befahl ihm, seine Ortungen einzusetzen und ganz besonders auf Ge hirnströme zu achten. Ein Dutzend Schritte vom A-Grav-Schacht entfernt entdeckten sie einen Haarriß in der glatten Wand, der ein Viereck begrenzte. Und in Brusthöhe eine kaum wahrnehmbare Vertiefung. Shanton lag direkt an der Wand. Sein leicht geöffneter Mund gab ihm einen törichten Gesichtsausdruck. Jimmy behauptete noch einmal, daß hinter dieser Tür laut seiner Ortungsergebnisse die Funkzentrale des Schiffes läge. Der GSO-Mann legte seine Hand gegen die schwache Vertiefung in der Wand. Kaum hatte er Kontakt, als die Tür aufsprang. Der Afrikaner war nicht weniger überrascht als die drei Fremden, die sich ahnungslos mit ihren schwenkbaren Sesseln herumdrehten. Jos sah sie einen Moment später. Er war schnell wie immer, und die drei Humanoiden bewiesen, daß sie auch eine fremdartige Strahlwaffe auf den ersten Blick erkennen konnten. Sie streckten ihre Arme ganz langsam zur Seite. Auf ihren tief schwarzen Gesichtern zeichnete sich maßloses Erstaunen ab. »Tschobe, geben Sie diesen Freunden keine Chance, wenn ich sie gleich nach Waffen durchsuche. Und drücken Sie auch dann ab, wenn Sie mich dabei treffen. Nehmen Sie nicht die geringste Rück sicht! Ich kann mich doch auf Sie verlassen?« »Auf mich ist Verlaß, nur auf das Robotmonstrum nicht mehr…« Da paralysierte Jimmy den Afrikaner. Jos wurde am linken Arm getroffen. Der Paraschocker entglitt seinen kraftlos gewordenen Fingern. Wie ein Mann sprangen die drei schwarzhäutigen Humanoiden auf und warfen sich auf ihn. An der Tür stand Jimmy, hatte seinen häßlichen Metallkopf etwas schief gelegt und sah aus seinen treuen Hundeaugen vergnügt zu. Es machte ihm Spaß, zu beobachten, was diese drei Schwarzen und ein Weißer miteinander machten… Alle, bis auf Rul Warren, suchten den Commander! Gemeinsam suchten sie Schale um Schale ab und riefen über die Verständigung immer wieder nach Ren Dhark.
Er meldete sich nicht. Aber Rul Warren meldete sich kurz, als Dan Riker ihm mitteilte, daß sie nun die vierte Schale absuchen würden. »Verstanden. Draußen nichts Neues. Noch immer liegen die Dop pelkugelraumer mit geschlossenen Schleusen auf ihren Landeplät zen. Nicht das geringste…« Warren verstummte. Rikers Gesicht auf dem Bildschirm hatte sich verzerrt. Seine Augen waren unnatürlich groß geworden. Was war mit ihm los? »Warren… hinter Ihnen…« Rul Warren, die kalte Stummelpfeife zwischen den Zähnen, wir belte herum. Die Stummelpfeife fiel zu Boden. Er dachte nicht daran, sie aufzuheben. Er stand Oberleutnant Roder gegenüber. Und hinter Roder kamen sie, einer nach dem anderen – die Män ner, die vor dem äußeren Ring Fanals auf die Rückkehr des Com manders und seiner Begleiter gewartet hatten. »Roder, woher kommen Sie denn? Und die anderen? Woher…?« Roder bückte sich nach Warrens Stummelpfeife. »Bitte!« sagte er und drückte Warren die Pfeife in die Hand. Er grinste. »Woher wir kommen? Vom äußeren Ring Fanals. Woher sonst? Nur war es dort nicht besonders angenehm, als Fanal zu feuern begann…« Schneidend unterbrach ihn Dan Riker. »Halten Sie keine Reden, Roder. Beantworten Sie lieber Warrens Frage.« Das belustigte Grinsen verschwand aus Roders Gesicht. »Der Commander hat uns geholt. Per Transmitter. Aber Sie können sich doch auch direkt mit ihm in Verbindung setzen, Riker.« »Soll das bedeuten, daß Dhark hier ist?« schnaubte Riker. »Aber ja. Wir beide haben den Transmitter gleichzeitig benutzt.« »Welchen Transmitter, Roder?« »Den im äußeren Ring Fanals. Wir hatten keine Ahnung, daß es dort einen gab, bis der Commander bei uns auftauchte. Die Anlage gleicht übrigens dem Großtransmitter im Industriedom.« »Danke!« Riker schaltete um. Dharks Gesicht war zu sehen, und dann war er zu hören. »Bitte keine Störung, Dan. Auch durch dich nicht. Ende!« Wortlos schaltete Riker ab. Er tobte innerlich, denn wieder einmal ließ Dhark ihn über seine Pläne im unklaren. Der einzige, der in der Lage gewesen wäre, zu verraten, was Dhark vorhatte, dieser eine schwieg, weil er nie gern sprach. Und er schwieg auch, weil Riker ihn nicht fragte. Aber selbst wenn Riker ihn gefragt hätte, hätte er sein Wissen möglicherweise nicht preisgege ben. Er sah in Ren Dhark nämlich einen Phantasten. Und es war schlimm genug, daß er dieses Urteil über Dhark hatte fällen müs sen. Arc Doorn machte kein besonders zufriedenes Gesicht!
Jos Aachten van Haag auch nicht! Drei schwarzhäutige Fremde waren über ihn hergefallen. Und das hatte er Jimmy zu verdanken! Jos kochte! Und dann wurde er zum Berserker. Daß er seinen lin ken Arm nicht benutzen konnte, steigerte seine Wut nur noch mehr. Ein Fremder hatte ihn von hinten angesprungen und versuchte ihm die Kehle zuzudrücken. Der filmdünne Raumanzug schützte ihn kei neswegs vor diesem mörderischen Angriff. Er fühlte das umklam mernde Händepaar genau wie den Schwinger an der rechten Kinn seite, der ihm den Kopf in den Nacken schleuderte, und er sah eine Faust auf sein Gesicht hinter dem Klarsichthelm zufliegen! Das war zuviel! Rekko-Trick und Rade-Schritt! Perfekt! hätte jeder Fachmann geschwärmt. Der Bursche, der ihm die Faust ins Gesicht setzen wollte, schlug einen Salto rückwärts und krachte mit dem Hinterkopf gegen eine Metallkante. Er beteiligte sich an der Aktion nicht mehr. Der zweite, der ihm den Schwinger verpaßt hatte, flog plötzlich einen halben Meter in die Luft, kippte in die Waagrechte und krachte rücklings zu Boden. Für die nächsten Augenblicke war er damit beschäftigt, seinen malträtierten Lungen wieder Luft zuzuführen. In diesem Moment mischte sich Jimmy erneut ein. Seine Zunge schwenkte nach rechts auf den nach Luft schnappenden Humanoi den. Jimmy schockte erst ihn und dann den anderen, der es gar nicht mehr nötig hatte, weil er bewußtlos war. Jos ahnte nichts davon. Er hatte es noch mit einem schlangenglat ten Gegner zu tun, der schon zum zweitenmal versuchte, seinen Strahler zu ziehen. Dieser Humanoide dachte längst nicht mehr daran, Jos die Kehle zuzudrücken. Der GSO-Mann setzte den Mattin-Griff an. Der Fremde schrie gel lend auf, als er zurücktaumelte und in diesem Moment die flache Hand seines Gegners unter das Kinn bekam. Jos hatte seinen Schlag genau dosiert. Er beabsichtigte keineswegs, dem Humanoiden das Genick zu brechen, er wollte ihn nur außer Gefecht setzen. Durch stark zusammengedrückte Halswirbel zu hyperempfindlichen Schmerzzentren gewordene Nervenbahnen brachten den Fremden an den Rand des Wahnsinns. Abrupt verstummte sein Schrei. Jimmy hatte auch ihn geschockt! Immer noch wütend wirbelte Jos herum und brüllte: »Du verfluchtes Monstrum!« Jimmys treu blickende Augen richteten sich auf den GSO-Mann. Die Zunge pendelte einmal hin und her, die kahle Rute stand ver dächtig steil. Plötzlich bewegte sich die Zunge nicht mehr. Jimmy schockte auch Jos Aachten van Haag! Sein stark gestörtes Innenleben hatte ihm den Auftrag gegeben, alles, was sich um ihn herum bewegte, zu paralysieren. Er lief zu seinem bewußtlosen Herrn, hockte sich hin und ließ seine Ortungen laufen. Sein sonst so leistungsfähiger Suprasensor konnte ihm nicht sagen, daß die Werte alle falsch waren, denn die Impulse kamen
nicht einmal über die zweite Sensorbrücke hinaus. Ren Dhark fühlte sich wie von einer schweren Last befreit, als er wieder in der Waffensteuerung der Zentrale Platz genommen hatte. Seit er die Männer seiner Einsatztruppe in Sicherheit wußte, war die Unruhe, die ihn vorher ununterbrochen gestört hatte, von ihm abge fallen. Dennoch machte er sich Vorwürfe, wie er die Männer vor dem äußeren Ring Fanals hatte vergessen können. Seine Hände lagen neben den Steuerschaltern. Sein Blick flog über die Instrumente. Alles war ihm wieder vertraut. Sein MentcapWissen war ihm auf unerklärliche Weise genommen und ebenso unerklärbar wiedergegeben worden. Es wurde Zeit, daß er handelte! Ren Dharks markantes Gesicht versteinerte. Sein Unterbewußtsein hatte ihn gewarnt. Das dumpfe Gefühl, zum Spielball einer unbe kannten Macht geworden zu sein, stieg plötzlich in ihm auf, aber es erreichte sein Bewußtsein nicht. Er nahm es als etwas Normales hin, daß sich die Station im Herzen Zwitts wieder nach allen Seiten ausdehnte. Es kam ihm nicht in den Sinn, nachzufühlen, was die Männer um Oberleutnant Roder bei diesem Vorgang empfanden. Er hob die Blockierung der Waffensteuerung auf. Die Zentrale ge horchte wieder seinen Befehlen. Er wußte, daß es die trennende Wand nicht mehr geben würde. Doch woher er dieses Wissen bezog, vermochte er nicht zu sagen. Ohne Hast nahm er eine Reihe komplizierter Schaltungen vor. Hin und wieder überflog er die Instrumente und ab und zu den Bild schirm mit den vielen quadratischen Unterteilungen. Die Raumschiffe der Schwarzen Weißen waren deutlich zu sehen. Die Doppelkugeln wirkten wie Kolosse aus der Urzeit. Einen Au genblick später verschwanden sie vom Schirm. Dhark nickte, als ob er nichts anderes erwartet hätte. Kontrollabschnitt Drei leuchtete kurz auf. Als wäre er an dieser Waffensteuerung ausgebildet worden, nahm Dhark ohne zu zögern weitere Schaltungen vor. Die Bildschirmwiedergabe befand sich noch im Umschaltprozeß. Kurven und sich kreuzende Gerade kamen und gingen. Alle Primär farben tauchten auf und verschwanden wieder. Dann wurde das Bild auf dem unterteilten Großschirm schlagartig stabil! Es zeigte den fünften Planeten der fünften Sonne der Sternenbrü cke! Auf achtzehn Quadraten war die Stadt mit den bizarren Spiral türmen, den geschwungenen Brücken und den faszinierenden Hoch straßen zu sehen. Nur kurz hatte der Commander die Stadt betrachtet. Noch immer glich sein Gesicht einer starren Maske. Kontrollabschnitt Vier leuchtete kurz auf. Dhark war eins geworden mit der Waffensteuerung.
Die blinkenden Endkontrollen unzähliger Zielerfassungen zwangen seinen Blick hin und her. Daß er nicht mehr in terranischen Vor stellungen dachte, sondern sich vollkommen mit der Technik der Mysterious identifizierte, die auch ihm bis zu diesem Tag in ihren charakteristischen Merkmalen fremd geblieben war, war ihm nicht bewußt. Die Wiedergabe auf dem großen Schirm veränderte sich. In Ma ximalvergrößerung war die Stadt auf dem fünften Planeten der fünf ten Sonne zu sehen. Aber die Stadt, die auch Ren Dhark einmal in ihren Bann gezogen hatte, löste keine Wirkung mehr in ihm aus. Er betrachtete sie als Objekt. Seine Finger bewegten sich ununterbrochen. Nacheinander betä tigte er acht verschiedene Steuerschalter, las ein Dutzend Instru mente ab und erfaßte den letzten Endwert. Der Fluktuationsprozeß der Station war zu Ende. Sie vergrößerte sich nicht mehr. Ren Dhark beugte sich leicht vor. Seine Hand zitterte nicht, als er drei Finger auf drei Schalter legte. Unter dem schwachen Druck sei ner Fingerkuppen kippten sie in andere Positionen! Der letzte Kreis war geschlossen! Die Flächenprojektor-Stationen in der Korona der siebten Sonne waren umgeschaltet! Auf dem großen Bildschirm erschien ein Koordinatensystem. Das Bild sprang um! Nur noch das Zentrum der Stadt war zu se hen, zum Greifen nah. Jede Einzelheit war erkennbar, die Schatten und die von der Sonne beschienenen Flächen. Angriff, Angriff! sagten die Instrumente vor Ren Dhark. Und der Commander, der bisher nur in Notlagen den Feuerbefehl gegeben hatte, zuckte mit keiner Wimper, als er über den Bildschirm den ersten hochenergetischen Ausbruch in der Stadt beobachtete! Die Flächenprojektor-Stationen vernichteten die Stützpunkte der Schwarzen Weißen innerhalb der Stadt! An drei verschiedenen Stellen nahe des Zentrums begannen Bau ten von innen heraus zu glühen. Schwaches Rosa, das noch gegen das helle Licht der Sonne anzukämpfen hatte, wurde immer intensi ver. Kaltes Feuer versuchte nach draußen zu kommen… Die untere Reihe der Schirmquadrate zeigte Teile der Oberfläche des fünften Planeten. Dharks linke Hand glitt zur Seite. Drei Steuer schalter kippten in andere Positionen, und auf dem fünften Planeten entstanden Vulkane, die Millionen Tonnen Erdreich in den Himmel spien; Blitze zuckten ununterbrochen aus dunklen Wolken, die wie gigantische Pilze nach allen Seiten wuchsen! Die ebenfalls von den Schwarzen Weißen besetzten, kilometertief im Boden liegenden planetarischen Forts des fünften Planeten waren durch die geballte Kraft der Flächenprojektor-Stationen zerstört worden, die ihre überlichtschnellen Kampfstrahlen durch den Hyper raum geschickt hatten. Während die Rauchpilze sich immer weiter ausbreiteten und die Abermillionen Tonnen Staub das Sonnenlicht mehr und mehr ab sorbierten, begannen die unteren Etagen der angegriffenen Bauwer
ke ihre Struktur zu verlieren. Die molekularen Bindungskräfte lösten sich auf. Unter dem Druck des eigenen Gewichts quollen die Wände auseinander, wölbten sich nach außen. Hunderttausende von Tonnen Plastikbeton drückten auf die auf geweichtem Massen – und plötzlich begann das erste Bauwerk lang sam zur Seite zu kippen. Die obersten Etagen hatten ihre Form noch nicht verändert, aber die unteren bis in den Bereich der zwanzigsten Etage gaben wie weicher Teig nach, der nach allen Seiten breiig auseinanderfloß. An drei Stellen zugleich, nahe dem Zentrum der Stadt, fand dieser unheimliche Zerstörungsprozeß statt. Die Schwarzen Weißen besa ßen keinerlei Möglichkeit, zu fliehen; zusammenfließende Türen und Fenster versperrten ihnen den Ausgang. Lichtjahre entfernt spielte sich das alles ab, doch die Schirmanlage brachte es so gut heran, als ob nur ein paar hundert Meter zwischen der Waffensteuerung und dem Geschehen liegen würden. Über eine Tatsache war Ren Dhark nicht informiert: Auf dem Pan oramabildschirm der siebten Schale sahen seine Männer ebenfalls, was auf dem fünften Planeten der fünften Sonne geschah. Dan Riker wurde immer erregter, je länger er mit den Männern um Oberleut nant Roder die Vorgänge beobachtete. »Das darf doch nicht wahr sein!« stieß er fassungslos aus. Ren sollte diesen Angriff gegen die Stationen der Schwarzen Weißen auf dem fünften Planeten gestartet haben? Ren ging mit dieser kalten Entschlossenheit gegen die schwarzhäutigen Humanoiden vor? Ren, der sonst nur in äußerster Notwehr zur Waffe griff?! Rikers Augen blitzten, als er Arc Doorn ansah. »Bringen Sie mich auf dem schnellsten Weg zu Dhark!« Der Sibirier nickte. Auch ihm war das Verhalten des Commanders unheimlich – und er entsann sich plötzlich, welche gewagte Hypo these Dhark aufgestellt hatte, als ihnen beiden das durch Mentcaps erworbene Wissen wieder genommen worden war. Ist diese Hypothese womöglich das erste Anzeichen gewesen, daß Dharks Gehirn nicht mehr einwandfrei arbeitet? Hat er sich durch die Einnahme der Mentcaps Schaden zugefügt? fragte sich Doorn. Er ging voraus. »Hier«, sagte der Sibirier und trat zur Seite. Sie hatten die Waffensteuerung erreicht. Dhark saß in dem einzi gen Sessel und kehrte ihnen den Rücken zu. Obwohl er sie gehört haben mußte, drehte er sich nicht nach ihnen um. »Ren!« rief Dan Riker seinen Freund an. Dhark bewegte sich nicht. »So was…!« Ärgerlich setzte sich Riker in Bewegung. Beim dritten Schritt wurde er abrupt gestoppt. Er war gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt. Eine energeti sche Sperre, die sie vom Commander trennte! Wortlos nickte Doorn. Er deutete auf den großen, in viele Quadrate
unterteilten Bildschirm. Die Aktion gegen die fünfte Welt der fünften Sonne schien beendet. Nahe dem Stadtzentrum gab es drei auffälli ge Lücken. Trümmerstücke waren alles, was von den him melstürmenden Bauwerken aus Plastikbeton übriggeblieben war. Hinter der Silhouette der Stadt begannen sich die ersten Rauchpil ze miteinander zu verbinden, und die Absorption des Sonnenlichts hielt unvermindert an. »Doorn, versuchen Sie Dhark vom Nebenraum aus über die Ver ständigung zu erreichen. Großer Himmel, warum hat er diese ener getische Sperre errichtet?« Dan Riker tat seinem Freund unrecht. Dhark hatte keine Ahnung, daß er abgeschirmt worden war. Doorn kam nach kurzer Zeit zurück. Sein Gesicht verriet Bestür zung. »Nichts zu machen. Die Phasen zur Waffensteuerung sind unterbrochen. Wie mag er das wohl angestellt haben?« Riker hatte andere Sorgen. Dieser Angriff auf die Station der Schwarzen Weißen paßte nicht zu dem Ren Dhark, den er kannte. »Ren…! Ren!« Er schrie so laut er konnte, aber sein Schrei drang nicht durch die energetische Sperre. Nach wie vor ahnte Dhark nichts von ihrer Anwesenheit. »Doorn, gibt es wirklich keine Mög lichkeit, mit Dhark in Verbindung zu treten? Über Helmfunk…« Der Sibirier versuchte es. »Abgeschaltet, Riker. Ich glaube, nicht einmal per To-Funk würden wir durchkommen.« Die Bildwiedergabe hatte sich verändert. Sie zeigte wieder die ge landeten Raumschiffe der Schwarzen Weißen! Und Riker wie Doorn sahen den Commander an einem ihnen unbekannten Pult schalten, als ob er sein ganzes Leben lang nichts anderes getan hätte. Ren Dhark kam diese Tatsache auch jetzt noch nicht zu Bewußtsein. Daten liefen über die Kontrollanzeige. Eine Zusatzsicherung, die ihm bewies, daß er keine Fehlschaltung vorgenommen hatte. Die planetarischen Forts waren umgeschaltet und einsatzbereit. Alle Flächenprojektor-Stationen, die diesen Teil der Planetenoberfläche erreichten konnten, hatten ebenfalls auf Hy-Kon umgestellt. Ihm war klar, welche Folgen der Einsatz des Hy-Kon haben würde. Doch er dachte nicht wie ein Terraner – nicht mehr; durch das neu erhaltene Mentcap-Wissen dachte er ausschließlich in den Bahnen der Mysterious. Zielerfassung erfolgt. Die letzten Korrekturen der Justierung liefen ab. Bis auf neun Stellen hinter dem Komma genau. Zwitts planetarische Energien, soweit sie von der Station und ihren Satelliten absorbiert werden konnten, warteten abrufbereit. Dharks Hände huschten blitzschnell über die Tastatur. Riker und Doorn beobachteten ihn gebannt. »Wie macht er das? Woher hat er diese Fähigkeiten?« Arc Doorn ging nicht darauf ein. Ihn beschäftigte die Frage, ob Dharks Handeln wohl den Schiffen der Schwarzen Weißen galt, die noch immer keinen Versuch gemacht hatten, Zwitt zu betreten.
Dharks Vorbereitungen mußten mit dem Bild auf dem Schirm in Zusammenhang stehen – aber was bereitete er vor? Dhark setzte Hy-Kon ein! Einleitung von Stufe l! Achtundzwanzig neue Schaltpositionen! Abruf! Der letzte Kommandoimpuls war abgestrahlt worden. Die letzte Sicherung wartete auf ihren Befehl! Noch einmal warf Dhark dem Bildschirm einen Blick zu. Dann kippte er mit der Kuppe seines linken Ringfingers den ent scheidenden Steuerschalter in eine neue Position! Der Bildschirm zeigte nicht die kleinste Veränderung. Alles blieb, wie es war. Nur Dharks Haltung im Sessel veränderte sich. Er lehnte sich be quem zurück, die Arme vor der Brust gekreuzt, wie ein Mann, der sich entspannt, jedoch nicht langweilt. Seine Gesichtszüge wurden weicher, das Funkeln in seinen braunen Augen ließ nach. Dan Riker und Arc Doorn, die so dicht hinter ihm standen und durch die Sperre doch so weit von ihm entfernt waren, wurde er immer unheimlicher… Seine Gelassenheit war unnatürlich. Sein ganzes Verhalten war ih nen fremd! Dieser Mann war nicht der Ren Dhark, den sie kannten! Milchstraße und Kometen, dachte Arc Doorn bestürzt, der sich schon wieder der Hypothese des Commanders erinnerte, er wird doch wohl nicht recht haben? Doch trotz seiner Befürchtungen verriet er auch in diesem Moment Riker nicht, worüber er und Dhark sich vor dessen Verschwinden zur Gruppe Roder unterhalten hatten. Ren Dhark beobachtete gelassen das Chrono der Mysterious. In vier Norm-Zeiteinheiten würde X erreicht sein. Plötzlich mußte er an Mone denken, dem er sein Leben zu verdan ken hatte. Mone, das unsichtbare, fremde Intelligenzwesen, das sein Freund geworden war. Noch eine Zeiteinheit bis X! X kam! Hy-Kon wurde aktiv! Zwitt und die Korona leiteten den zweiten Angriff ein. Opalisierendes Licht schwebte gleich einer Gloriole über den ge landeten Doppelkugelraumern. Hoch am Himmel stand das Licht. Ein leuchtender Ring, und dieser Ring war durch sechs schmale dunkle Bahnen siebenfach unterteilt! Sieben – ein heiliges Symbol der Mysterious? Oder nur eine Primzahl von vielen? Das opalisierende Licht blieb unverändert, lediglich die dunklen Bahnen wurden breiter. Die Lichterscheinung wirkte aber keines wegs bedrohlich, ganz im Gegenteil, sie wirkte beruhigend. Dan Riker fiel darauf herein. »Großer Himmel, das sieht gar nicht übel aus…« kam es über seine Lippen. Doorns Kopfschütteln sah er nicht. Dem sagte eine innere Stimme,
daß das opalisierende Licht der Vorbote des Untergangs war. Jetzt! dachte Ren Dhark, und in diesem Augenblick geschah es! Zwitts planetarische Forts und die einsatzfähigen FlächenprojektorStationen in der Korona arbeiteten synchron. Auch die Station im Innern des Planeten setzte die gespeicherten Energien frei. Die acht Sonnen der Sternenbrücke wurden zur Leistung herangezogen. Das opalisierende Licht stürzte in die Tiefe, auf die gelandeten Raumschiffe hinunter! Am Himmel riß die Sonnenkorona auf! Einzelne Projektor-Stationen wurden auf dem Bildschirm sichtbar! Das Loch in der Korona wuchs mit rasender Schnelligkeit! Der Strahlenkranz um Zwitt brach zusammen und stürzte auf die Planetenoberfläche hinab – dorthin, wo die Raumer gelandet waren! Dann hatte das Licht die Schiffe erreicht. Sie schillerten opalisie rend! Noch niemals hatten Terraner Raumschiffe in diesem Glanz leuchten sehen! Dem Glanz der Vernichtung. Über den Horizont kam der Teil der Korona heran, der über der anderen Seite Zwitts stand! Auch er fiel auf die fremden Schiffe hinab! Und sie glänzten, sie schillerten, sie sahen unwirklich schön aus! Den rund hundert Menschen in der Station kroch es kalt über den Rücken. Der gewaltige Panoramaschirm ließ sie das Geschehen draußen in seiner vollen Dramatik miterleben. In der Station im Zentrum der Planetenkugel war es still, totenstill! Nur einen Mann schien diese Stille nicht zu stören: Ren Dhark. Er warf einen Blick auf das Chrono. Er wußte, daß in einer halben Zeit einheit Hy-Kon wirksam wurde! Hy-Kon besaß drei Aktivstadien! Im zweiten Stadium riß es die fremde Raumflotte vom Boden! Die Dop pelkugelraumer starteten. Rasten im geschlossenen Verband in die Höhe. Mit ausgefahrenen Teleskopbeinen. Herrlich opalisierend! Die Instrumente zeigten, mit welcher Beschleunigung die Flotte in die Höhe gerissen wurde! Sie zeigten aber auch immer mehr Statio nen in 141 Millionen Kilometern Entfernung, die keine Sonnenkorona mehr erzeugten! Zwitt war ohne Sichtschutz! Hy-Kon trat ins dritte aktive Stadium! Hy-Kon war – das Hyper-Kontinuum! Es war der Abgrund, der als undefinierbares Nichts die Schiffe der Schwarzen Weißen verschlang! Und dann verging das Licht. Abermillionen FlächenprojektorStationen bauten die Korona wieder auf. Der Himmel über Zwitt zeigte erneut sein gelbliches Brennen. Die Forts hatten auf Null ge schaltet, und in der Zentrale im Zentrum des Planeten endete die angsteinflößende Stille. Aber es gab viele Männer, denen es beim Gedanken an Ren Dhark die Nackenhärchen aufstellte! Er hatte mittels der Technik der Mysterious Tausende von Raum schiffen mit ihren Besatzungen in den Hyperraum geschleudert! Ren Dhark wischte sich über die Stirn. Er sah sich um. Sein Blick
flog über den großen Bildschirm. Er wußte, was er getan hatte, aber er war sich keiner Schuld bewußt! In diesem Moment hätte er nicht eine der vielen Schaltungen wiederholen können. Nun, da die Hypno-Sperre nicht mehr bestand. Der Verdacht, den er Arc Doorn gegenüber geäußert hatte, als ihm und dem Sibirier das Mentcap-Wissen plötzlich genommen und dann bruchstückweise zurückgegeben worden war – dieser Verdacht war richtig gewesen! Man hatte ihn kraft einer Hypno-Sperre zum Checkmaster der Station gemacht! Man…? Nein, die Mysterious, die unter Ma-Soor vor rund tausend Jahren diese Station verlassen hatten! »Großer Himmel«, flüsterte Ren Dhark, der diese Ungeheuerlich keit erst einmal verarbeiten mußte, »warum haben die Mysterious so unmenschlich gehandelt, nachdem sie die Schiffe der Schwarzen Weißen durch hypnotische Macht zur Ladung gezwungen hatten?« Und wieder mußte er an die Grakos denken – und daran, wie er gleich seinen Männern sein Verhalten erklären sollte. Ob sie ihm glauben würden, daß er unter hypnotischem Zwang zum Checkmas ter geworden war? Er drehte sich um und sah sich Dan Riker und Arc Doorn gegen über, die ihn entsetzt anblickten…
11.
In 12.300 Metern Höhe war die POINT OF blind geworden und nicht mehr zu steuern. Der Checkmaster war ausgefallen; die Waffensteuerungen konnten die anfliegenden Ziele nicht mehr erfassen. Grappa hinter seinen Ortungen und die Männer in der Funk-Z konnten die Hände in den Schoß legen – es gab nichts mehr zu tun. Alles war tot! Sogar die Bildkugel war schwarz! Stürzte das Schiff ab, das wahrscheinlich auch seine Intervalle nicht mehr besaß? Leon Bebir, der Zweite Offizier und derzeitige Kommandant, ver suchte verzweifelt die blockierten Steuerschalter für Sle und Ster nensog zu bewegen, doch sie rührten sich nicht. Nach wie vor arbeitete die Bordverständigung einwandfrei. Hastig beugte sich Bebir vor. Seine Stimme klang ruhig. »Hier Kommandant Bebir! Wichtige Durchsage an alle! Wichtige Durchsage an alle! Sämtliche Hauptgeräte sind ausgefallen; Check master, Ortungen und Funk streiken. Bildkugel zeigt nichts mehr an. Ob Sle und A-Grav noch arbeiten und die Intervalle noch stehen, ist unbekannt. Die Katastrophe setzte in einer Höhe von 12.300 Metern ein. Ob die POINT OF im Moment abstürzt, kann nicht festgestellt werden. Wir sollten uns jedoch innerlich auf einen Absturz vorbe reiten. Außerdem ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß wir von den achtzehn soeben eingebrochenen fremden Raumern abgeschos sen werden, die wir vor dem Ausfall der Ortungen noch ausmachen konnten. Ende der Durchsage!« Feine Schweißperlen standen Bebir auf der Stirn, als er geendet hatte. Er drehte sich um. Niemand sprach. Kein Offizier der Zentrale hatte seinen Klarsichthelm geschlossen. Wozu auch? Das Herz der POINT OF, der Checkmaster, lag still. Seine Kontrol len leuchteten nicht mehr. Er war nur noch eine wertlose Hülle! Das Chrono lief unerbittlich weiter. Seit etwas mehr als zwei Mi nuten waren alle wichtigen Funktionen ausgefallen. Wie lange dauert ein Sturz aus 12.300 Metern Höhe? fragte sich Bebir in Gedanken – und hörte einen Augenblick später das Heulen der Andruckabsorber. Sie arbeiteten also noch! Aber was hatte das Geräusch zu bedeuten? Lag das Schiff in einem Traktorstrahl, der es zu den unbekannten Raumern zog? Bebir verfluchte sein Schicksal. Daß so etwas ausgerechnet pas sieren mußte, während er das Kommando hatte. Sieht ganz so aus, als ob die POINT OF unter meinem Befehl ihren letzten Flug macht! Tino Grappa, der Ortungsspezialist, durchbrach die Stille im Leit stand. »Wir stürzen nicht ab! Wir hätten längst aufschlagen müs sen!«
Krachend sprang das Schott zur Zentrale auf. Hen Falluta, der Er ste Offizier, stürmte heran. Bebir stand auf. »Sitzenbleiben!« knurrte Falluta und stellte sich zwischen die bei den Steuersitze. Der Erste überflog die Instrumente. Sie bestätig ten, was er über die Bordverständigung erfahren hatte. Falluta nahm die Schultern leicht nach vorn. »Helm ab zum letzten Gebet«, murmelte er kaum hörbar. Hier gab es nichts mehr zu tun. Am Checkmaster auch nicht. Nirgendwo im Schiff. Er tastete die Verbindung zu Miles Congollon. Das ungewohnt laute Dröhnen im Triebwerksraum konnte von der Bordverständigung kaum ausgefiltert werden. Selten war der 1. Ingenieur der POINT OF so schlecht zu verstehen gewesen. »Die Steuerung ist blockiert. Alle Instrumente stehen auf Null. Aber wir…« Congollon verstummte. Die Blockierung war aufgehoben worden! Die Bildkugel funktio nierte wieder! Der Checkmaster hatte sich wieder eingeschaltet und zeigte Grün. »Ich… ich…« stammelte Falluta. Bebir konzentrierte sich gewaltsam auf das Nächstliegende. Kontrollen! Sle arbeitete im Maximum! Die beiden Intervalle standen! A-Grav war abgeschaltet worden! Hatten sie die zweite Zeit-Verschiebung erlebt? Bebir blinzelte. Noch war er sich nicht sicher, ob er nicht mit of fenen Augen träumte. Tino Grappa traute sich mehr zu. Er spielte mit seinen Ortungen, rasselte die neuesten Werte herunter. Elis Yogan in der Funk-Z hatte sich zur Zentrale durchgeschaltet und bestätigte Grappas Behauptungen! Die POINT OF war 58 Millio nen Kilometer vom inneren der drei >verrückten< Sauerstoffplane ten entfernt! Ihr Kurs stellte eine Spiralbahn dar, die auf diesen Planeten zielte. Die beiden Offiziere am Checkmaster wurden aktiv. Das Bordge hirn antwortete. Transition normal durchgeführt… Bebir kam nicht zum Nachdenken. Der Erste hatte ihn an der Schulter gepackt und schüttelte ihn. »Verstehen Sie das?« Er war nicht der einzige in der Zentrale, der ratlos den Kopf schüttelte. Grappa gehörte auch dazu. Aber aus ei nem anderen Grund. Die Daten der Energie-Ortung wiesen Höchst werte aus. Die Richtungen, aus denen die hochenergetischen Strö me kamen, hatten sein Kopfschütteln ausgelöst. Von der einen Seite kamen sie von der achten und neunten Sonne der Sternenbrücke und endeten in der Korona der siebten, während der andere Strom seinen Ausgang bei der ersten Sonne nahm, sich von einer zur anderen immer weiter verstärkte, um ebenfalls in der Korona der siebten sein Maximum zu erreichen.
Grappa schaltete kurz entschlossen zu Jens Lionel, dem Bordastro nomen, durch. Der hörte aufmerksam zu und nickte dankend, als der Ortungsspezialist ihm unaufgefordert alle Meßwerte zuspielte. Er warf nur einen flüchtigen Blick darauf und sagte dann: »Ihre Beo bachtungen stimmen mit den unseren überein, Grappa. Zwar kön nen wir jetzt noch nicht sagen, warum es so ist, aber es steht ein deutig fest, daß acht Sonnen der Sternenbrücke zur Zeit der siebten ein Übermaß an Energie zuführen. Und außerdem hat sich der ener getische >Schlauch<, der alle neun Sonnen einhüllt, deutlich verän dert.« Grappa wurde abgelenkt. Der Kommandant wünschte präzise Da ten über den inneren Sauerstoffplaneten, dem das Schiff inzwischen bis auf 55,4 Millionen Kilometer nahe gekommen war. In der Funk-Z rief Glenn Morris nach Walt Brugg. Er saß hinter der Echo-Kontrolle und wußte nicht mehr weiter. »Da habe ich immer geglaubt, mich im Blip-Sortiment auszukennen, aber haben Sie viel leicht eine Ahnung, was das sein könnte?« »Eine Hyperfunkstation, die klar ist, oder?« Brugg stellte eine Ge genfrage, erwartete aber keine Antwort. Morris hatte recht. Dieser Blip war ein Monstrum. Im Plus- wie im Minus-Bereich hatte die Schwingung einen Knoten. »Standort?« fragte Brugg. »Dreimal dürfen Sie raten«, erwiderte Morris bissig. Brugg muster te ihn verwundert und erkannte, daß die Bissigkeit nicht ihm galt. Auch Brugg konnte den Standort der starken Hyperfunkstation nicht ausmachen. »Die Echo-Kontrolle arbeitet nicht einwandfrei…« »Sie arbeitet exakt!« fiel ihm Morris schlecht gelaunt ins Wort. »Sie stellen also auch fest, daß der Standort der Station identisch mit der Oberfläche des Planeten ist, ja?« Genau das wollte Brugg nicht zugeben. Das war doch absurd. »Test-Kontrolle!« sagte Morris in einem Ton, der keinen Wider spruch duldete. Der Test ergab keinen Fehler. »Na?« Diesmal klang Morris fast schon angriffslustig. Walt Brugg zuckte die Achseln. »Dann ja, in Gottes Namen, aber das ist doch Nonsens!« »Weiß ich auch«, knurrte Morris, »und diesen Blödsinn darf ich jetzt dem Kommandanten melden… Oder wollen Sie vielleicht…?« Brugg lehnte dankend ab. Morris gab seine Beobachtungen durch und wunderte sich über den Kommandanten. Denn der erwiderte nur: »Nach allem, was in den letzten Tagen passiert ist – warum soll da nicht die Oberfläche einer Sauerstoffwelt als Antenne benutzt werden?« Als die Verbindung zur Zentrale nicht mehr bestand, sagte Morris: »Wenn Bebir wüßte, wieviel Energie für so etwas benötigt wird…« Sämtliche Phasenkreise des großen Hyperfunk-Empfängers brach ten ihren Brems-Effekt zur vollen Wirkung. Automatisch wurde der größte Teil der empfangenen Energie den Speicherbänken zuge führt. Elis Yogan hinter dem Auswertungsgerät sprang erschreckt
auf. Glenn Morris, der ebenfalls zusammengezuckt war, als sie in voller Stärke von der Sendung getroffen worden waren, verlor dennoch nicht die Übersicht. Er beugte sich nach links und verminderte die Aufnahmeleistung der Antennen in der Unitallhaut um mehr als neunzig Prozent; im gleichen Augenblick fiel der Brems-Effekt auf unter fünfzig Prozent, und in der Funk-Z konnte man sein eigenes Wort wieder verstehen. Morris grinste verzerrt. »Bebir hat recht gehabt! Sterne und Boli den, einen Planeten als Antenne zu benutzen… Wir haben uns allem Anschein nach noch an manches zu gewöhnen…« Erregt fiel Brugg ihm ins Wort: »Sie hören ja gar nicht zu, was da ‘reinkommt!« »Dieses Kauderwelsch, Brugg?! Verstehen Sie denn ein Wort da von?« und er äffte nach, was da ‘reinkam: »Pa doror dane du tschim-bim! Soll ich vielleicht antworten: Ramtam-tam du ramtam – oder was, Brugg?« Diese Bemerkung ärgerte Brugg. »Lassen Sie doch alles über den Translator laufen. Vielleicht kann er übersetzen und…« »Und was ist das?« unterbrach ihn Morris ätzend. »Ist das nicht die Rot-Kontrolle unseres superklugen Translators, der mit dieser fremden Sprache so wenig anfangen kann wie wir?« Von allen Seiten blickte man zu ihnen herüber. Es war ungewöhn lich, daß sich die Offiziere der Funk-Z auf diese Weise stritten. Mor ris und Brugg waren in diesem Augenblick keine Freunde. Walt Brugg schaltete zur Zentrale durch, um den unfruchtbaren Wortwechsel mit seinem Kollegen abzubrechen. Bebir paßte sich der außergewöhnlichen Situation immer besser an. Sein Gesicht zeigte nicht einmal Verwunderung, als Brugg ihm erklärte, was geschah. »Wir beobachten dazu eine Amplitude, die einen Knoten hat.« »Ihre Sache, Brugg. Sie sind Funk-Spezialist, nicht ich. Und der Translator streikt, sagten Sie?« »Wir senden gleich geometrische Figuren als Antwort…« »Meinetwegen auch Geffields Ode an die Materie«, erwiderte der Kommandant bissig und schaltete ab. Fragend sahen sich die Männer in der Funk-Z an. Geffields Ode an die Materie war ihnen unbekannt. Plötzlich lachte ein Sergeant laut auf. Morris brüllte den Mann an. Doch der war so schnell nicht ein zuschüchtern. Lachtränen liefen ihm übers Gesicht. »Morris…« brachte er mühsam heraus, »ich habe diese Ode gele sen. Ich kenn’ sogar die ersten zwei Verse auswendig…« und er ließ sich nicht daran hindern, sie zu zitieren: » Wege der Seele funktionell verborgen Wonnen der Tiefen zu Eis gestorben… Reicht das, Morris? Oder soll ich Ihnen alle hundertfünfzig Verse beschaffen?« Glenn Morris war sich nicht sicher, ob er nicht auf den Arm ge nommen wurde, aber Bruggs nächste Bemerkung lenkte ihn ab.
»Geometrische Figuren werden auf gleicher Hyperfrequenz abge strahlt!« Sekunden später kam vom Planeten die Antwort. In Zahlensymbolen der Mysterious! (a + b)/2 x h. Die Formel für die Flächenberechnung eines Trapezes! Die Offiziere in der Funk-Z benötigten keinen Translator. Meldung an Bebir: »Der innere Planet antwortet mit den Formeln der geometrischen Figuren, die wir abgestrahlt haben.« »Danke«, sagte Bebir und warf Hen Falluta, der inzwischen doch im Copiloten-Sitz Platz genommen hatte, einen fragenden Blick zu. »Landen würde ich vorschlagen, Bebir – wenn beim Anflug nichts Besorgniserregendes passiert.« »Auch meine Meinung.« Die POINT OF war noch 47,8 Millionen Kilometer von ihrem Ziel entfernt und behielt ihren Kurs bei. Bei der derzeitigen Geschwin digkeit war in gut einer Stunde mit dem Erreichen der äußeren Luft schichten zu rechnen. Da gab Jens Lionel aus der astronomischen Abteilung Alarm! Tino Grappa, der in diesem Augenblick schwerste Strukturerschüt terungen über Zwitt anmaß, kam nicht dazu, seine Ortungsergeb nisse bekanntzugeben. Bebir – durch den Bordastronomen abge lenkt -übersah die eingespielten Ortungsdaten, und Falluta war einen kurzen Moment unaufmerksam. Zwitt war weit, und in der Sonnenkorona befanden sich unzählige Flächenprojektor-Stationen, die mit jedem Schiffsverband fertig wurden. Lionel war wieder einmal auf äußerste erregt. Seine Kollegen, die neben ihm vor dem Bildschirm standen, sahen nicht anders aus. »Wir erleben gerade einen astrophysikalischen Vorgang, der unse re phantastischsten Vorstellungen weit in den Schatten stellt, Kom mandant. Energie, von acht der neun Sonnen zur siebten transfe riert, wird auf unfaßbare Weise von der Korona abgestrahlt und zur Stabilisierung des Systems verwendet.« »Was hat man darunter zu verstehen?« fiel ihm Bebir ins Wort. Lionel suchte einen Augenblick irritiert nach Worten und erklärte dann: »Sämtliche Planeten, auch die äußeren, deren Bahnen relativ instabil sind, erhalten zur Zeit eine energetische Aura, die sie laut Checkmaster für einen Zeitraum von mehreren Stunden Norm-Zeit unabhängig von der siebten Sonne macht.« Bebir hatte immer noch nicht begriffen, welche Entwicklung sich in diesem System anzubahnen schien. »Deswegen regen Sie sich so auf, Lionel?« Der Astronom rang nach Luft, »…aufregen? Sie betrachten unsere Beobachtungen als Bagatelle? Großer Himmel, hätten wir es doch mit Ren Dhark zu tun!« Diese Bemerkung ließ Bebirs Ohren klingeln, und er erinnerte sich, daß Dhark schon oft auf die Warnungen und Hinweise des Astro
nomen gehört hatte. Außerdem spürte er Fallutas kritischen Blick. Jens Lionel sprach wieder, hastiger als zuvor. Er versuchte, so we nig wie möglich die Terminologie seiner Fakultät zu benutzen, auch wenn ihm das nicht immer leichtfiel. »Soeben erhalte ich neue Auswertungen vom Checkmaster. Da nach ist die Wahrscheinlichkeit von 67,4 Prozent auf 81,6 Prozent gestiegen, daß in absehbarer Zeit alle Planeten dieses Systems mehrere Stunden lang ohne die physikalischen Kräfte der künstli chen Korona auskommen können. Mit anderen Worten: Das Plane tensystem wird auch dann noch stabil bleiben, wenn es die siebte Sonne nicht mehr geben sollte! Bebir, haben Sie nun verstanden, was diesem System bevorstehen kann?« Bebir konnte es immer noch nicht glauben. »Die Energiemengen, die für einen Prozeß der von Ihnen angedeuteten Art… Lionel, ste hen diese Energien denn überhaupt zur Verfügung?« Lionel war kurz davor, zu verzweifeln. »Natürlich stehen sie zur Verfügung! Acht Sonnen liefern sie schon jetzt, über diesen Hohl schlauch, der der Sternenbrücke den Zusammenhalt verleiht. Bebir, wir fliegen durch ein Sonnensystem, das mehr und mehr von Energie… von Bindungs-Energie übersättigt wird. Aber zugleich verhält sich diese Bindungs-Energie noch neutral. Der Checkmaster hat Berechnungen durchgeführt, die wir gerade noch verstehen können, und die haben ergeben, daß es nur eines unbedeutenden Eingriffs im Energiebereich bedarf, um alle Planeten zeitweilig von der F-Korona unabhängig zu machen!« Leon Bebir war mehr von Lionels erregter Art des Vertrags über zeugt worden als von den Tatsachen. »Danke!« sagte er. »Sie schlagen also vor, nicht auf dem inneren Sauerstoffplaneten zu landen, sondern statt dessen das System zu verlassen?« Falluta mischte sich ein. »Lionel, stellen diese astrophysikalischen Veränderungen eine Gefahr für das Schiff dar?« Bestimmt antwortete Lionel. »Nein, solange sich die Entwicklung in dem von uns beobachteten Rahmen hält. Sollten schwerwiegende Änderungen eintreten, werden wir uns sofort wieder melden.« Leon Bebir lächelte verzerrt und erinnerte sich an sein Abschluß examen auf der Raum-Akademie. Astronomie und Astrophysik unter Durchschnitt! Dennoch war er als Zweiter Offizier auf die POINT OF versetzt worden, weil er in allen anderen Fächern hervorragend ab geschnitten hatte. Hen Falluta, der um die Schwäche seines Kollegen wußte, beru higte ihn mit einigen freundlichen Worten und gab nebenbei zu, daß er auch nicht alles verstanden hatte. Wieder betrachteten sie die Bildkugel, die die drei Sauerstoffwelten und den Mondsammler zeigte. Es war ein ungewöhnliches Bild. Grappa schreckte sie auf. »Weitere starke Strukturerschütterungen über Zwitt! Mehr kann ich nicht feststellen. Energie- und DistanzWerte sind seit einiger Zeit verfälscht!« Unzufrieden stellte Bebir fest: »Und wir haben den Commander
und seine Truppe im Stich gelassen…« »Unsinn!« widersprach Falluta energisch. »Man hat uns aus dem Bereich der Korona regelrecht hinausgeworfen und unser Schiff auf Anflugkurs auf den inneren Planeten gebracht. Ob wir jemals erfah ren werden, warum man derart mit uns verfahren ist?« Schon wieder tauchte Jens Lionels Gesicht auf dem Bildschirm der Bordverständigung auf. Er ersparte sich jede Vorrede. »Die F-Korona hat sich verändert. Schlagartig strahlt sie die von den anderen Sonnen zugeführten Energien nur noch zum Teil ab. Was die Korona aber mit den Energien macht, die sie behält, kön nen wir nicht sagen. Der Checkmaster ist keine Hilfe mehr. Er gibt alle Fragen als nicht genügend spezifiziert ohne sie zu beantworten wieder zurück. Die meisten meiner Kollegen sind der Ansicht, daß über Zwitt eine gewaltige Raumschlacht stattfindet, bei der die In nenseite der Korona die einbehaltenen Energien verbraucht.« Lionel und seine Kollegen waren der Wahrheit ziemlich nahe ge kommen; doch sie hätten sich niemals vorstellen können, was sich tatsächlich auf Zwitt ereignete. In der Funk-Z herrschte keine gute Stimmung. Beim HyperfunkVerkehr mit dem inneren Planeten gab es keine großen Fortschritte; der Versuch, den Commander zu erreichen, scheiterte an der Son nenkorona, die nicht einmal To-Funksprüche durchließ. Elis Yogan dachte nicht daran, aufzugeben. »Und wenn ich Tag und Nacht rufen muß! Einmal muß sich Dhark doch melden!« »Hoffentlich!« brummte Glenn Morris. In diesem Augenblick nahm Leon Bebir eine Kurskorrektur vor. Die POINT OF verließ ihre Spiralbahn und ging auf direkten Anflug. Ihre Geschwindigkeit war unverändert. Nach wie vor zeigte die innere der drei Sauerstoffwelten ein ab solut harmloses Gesicht. Chris Shanton schlug die Augen auf, blinzelte, schluckte ein paarmal und atmete tief durch. Sein Klarsichthelm war geschlossen, die Temperatur in seinem MRaumanzug normal; der Helmfunk schwieg – abgesehen vom leich ten Rauschen der Statik. Hatte man ihn nicht geschockt? Das Brummen im Kopf ließ darauf schließen, aber wo war das noch gewesen? Langsam kehrte seine Erinnerung zurück. Über einen Transmitter hatten sie die Zentrale des Invasoren-Raumschiffs erreicht und wa ren auf sechs Humanoide getroffen. Die Fremden waren im Feuer ihrer Schockstrahlen zusammengebrochen. Aber was war dann passiert? Wer hatte ihn geschockt? Trottel! sagte sich der Dicke in Gedanken, räusperte sich und rief über Helmfunk nach Tschobe und Jos. Das leichte Rauschen der Statik blieb unverändert! Chris Shanton fluchte, dann schaltete er auf Jimmys Frequenz um.
Das Rauschen der Statik blieb weiterhin unverändert, auch als er ein paarmal nach ihm gerufen hatte. Allmählich wurde es Shanton unheimlich. Langsam richtete er sich auf. Das war nicht leicht, weil die Wirkung der Schockstrahlen noch nicht vollständig abgeklungen war. Es fehlte ihm an Kraft, und die Gedanken in seinem Kopf flossen nur träge. Im Sitzen sah er sich um. Er war allein in einem halbdunklen, vielleicht neun Quadratmeter großen und mit knapp zweieinhalb Metern Höhe verhältnismäßig niedrigen Raum. Wände und Boden waren schmutzig, die einzige Tür verschlossen. Er hatte keine Waffe mehr! Aber er besaß noch sein Vipho, und in den Taschen seines Raumanzugs befanden sich auch alle Kleinig keiten, die er immer mit sich führte. »Das verstehe, wer will«, murmelte er. Gedankenlos öffnete er den Klarsichthelm, holte tief Luft – und bereute es sogleich zutiefst. Hektisch versuchte er seinen Klarsichthelm wieder zu schließen, dabei fluchte er ununterbrochen in höchster Lautstärke. In dem Raum, in den man ihn gesteckt hatte, stank es bestialisch und durch seine Unvorsichtigkeit war der Gestank jetzt auch in seinem Raumanzug. Das war ja tausendmal schlimmer als auf der Skunk-Welt, einem Planeten im Tebe-System, 2103 Lichtjahre von Sol entfernt. Obwohl sich doch tatsächlich einige zehntausend Menschen gefunden hat ten, die dort leben wollten. Ihnen machte der Gestank nichts aus, weil sie über keinen Geruchssinn verfügten, aber sie mochten es nicht, wenn sie von den Besatzungen der Handelsraumer als Stinker bezeichnet wurden. Doch Menschen mit besonders feiner Nase be haupteten immer wieder, daß die Außenhaut der Raumschiffe nach einem Besuch auf der Skunk-Welt sogar dann noch riechen würde, wenn sie nach einem Flug quer durch den Weltraum einschließlich Transition wieder auf der Erde gelandet waren. Immer wieder krauste Shanton die Nase. An diesen Gestank würde er sich nie gewöhnen, aber er lähmte seine Aktivität nicht, die um so größer wurde, je mehr das Brummen in seinem Kopf nachließ. Auch die Schwäche in seinen Gliedern verschwand allmählich. Er klopfte die Wände ab, doch es klang überall metallisch. Nach wenigen Minuten stellte er seine primitiven Untersuchungen ein. Wieder schüttelte er den Kopf. Der Geruch in seinem Anzug war durch den Filter inzwischen entfernt worden. Die Luft darin roch wieder frisch und würzig. »Hier darf ich bleiben, bis ich grün geworden bin«, knurrte er, um im nächsten Augenblick zusammenzuzucken, denn er hörte: »Hallo, Shanton, sind Sie wieder fit?« Das war Manu Tschobes Stimme. »Fit?« orgelte der Dicke voller Sorge, der Funkkontakt könnte wieder abreißen. »Mehr als das. Wo stecken Sie? Wo befindet sich Jos? Wissen Sie, wo man Sie eingesperrt hat?«
»Eingesperrt, Shanton? Wie meinen Sie das? Niemand ist einge sperrt, auch Sie nicht.« »Was? Ich bin nicht eingesperrt? Was denn dann? Ich stecke in einem Stinkloch, kann nicht raus, und Sie erzählen mir, ich sei nicht eingesperrt?« »Bei Ihnen riecht’s?« mischte sich Jos Aachten van Haag ein. »Hier riecht’s nicht, hier stinkt’s!« brüllte der Dicke, der Jos’ arg lose Frage für pure Verstellung hielt, »und wenn ich in einer Minute nicht aus diesem Loch ‘raus bin, hetze ich euch Jimmy auf den Hals!« »Ach ja, Ihr Jimmy!« erwiderte Jos und fügte hinzu: »Ich komme, aber warum Sie nicht herausgefunden haben, wie die Tür zu öffnen ist, verstehe ich nicht. Denn die ist doch gar nicht versperrt.« Der letzte Hinweis verschlug Shanton die Sprache. Er stürzte zur Tür, die eben noch verschlossen gewesen war. Sie war es auch jetzt noch. An ihr gab es keinen Griff, keinen Drücker; nichts! Jos’ Vorwurf klang ihm immer noch in den Ohren: Aber warum Sie nicht herausgefunden haben, wie die Tür zu öffnen… »Sie geht nicht auf! Sie ist verschlossen! Sterne und Boliden, ich bin doch kein…« Die Tür sprang auf. Wie ein Schlitzverschluß! Mit einem Schritt war Shanton draußen. Hinter ihm schloß sich die Tür wieder. Jos kam auf ihn zu, den Klarsichthelm nach hinten zusammenge faltet. »Na also«, sagte er, als er den Dicken sah. »Nichts, na also!« schnaubte der Diplom-Ingenieur. »Ich weiß im mer noch nicht, wie ich aus diesem Loch rausgekommen bin. Haben Sie mich da hinein geschafft?« Jos hatte! Er schnupperte – und trat unwillkürlich ein paar Schritte zurück. Chris Shanton stank unbeschreiblich! Der Dicke schob sich auf Jos zu. Er wollte ihm so lange seine Hand unter die Nase halten, bis der GSO-Agent ihm Rede und Antwort gestanden hatte. Aber wieder machte er einen Fehler. Er öffnete seinen Klarsichthelm, wollte ihn zurückklappen, und da stieg es ihm schon wieder in die Nase. »Oh…« Er klappte den Helm wieder zu. »Jos«, sagte er dann ziemlich kleinlaut, »warum mußten Sie mich ausgerechnet in diesen Raum sperren?« Jos verstand ihn nicht, aber er hatte gehört, daß die Lautsprecher seines Helms etwas von sich gegeben hatten. Statt nachzufragen, winkte er Shanton, ihm zu folgen. Shanton konnte sich über Jos nur noch wundern. Der GSO-Mann bewegte sich in dem fremden Schiff, als ob es sein Eigentum wäre. Plötzlich blieb Jos stehen und deutete auf die Wand. Erst auf den zweiten Blick sah Shanton den rechteckigen Umriß, der vor ihm aufsprang und einen Raum freigab, der ebenfalls leer war. »Was soll das sein?« schnaubte der Diplom-Ingenieur. »Der Duschraum. Er arbeitete automatisch. Die Schwarzen haben
wohl gewußt, warum sie ihn eingebaut…« Shanton war schon an ihm vorbei. Jos wartete. Er konnte die Rat losigkeit des Dicken verstehen. Shanton fehlten durch den Scho ckertreffer die Zusammenhänge. Kurz danach tauchte der Mann, der im Sol-System für die AstStationen und Mondforts verantwortlich war, wieder auf. Er schnup perte an seinem Raumanzug, und seine Miene hellte sich auf, als er keinen Geruch mehr feststellen konnte. »Kommen Sie«, forderte der GSO-Agent ihn auf. Shanton hatte es schwer, dem sportlichen Jos zu folgen. Dann stand er Manu Tschobe gegenüber. In der Ecke lagen einige schwarzhäutige Humanoide, die sich nicht rührten. Aber in dersel ben Ecke lag auch sein Jimmy, und der rührte sich genausowenig. Shanton holte tief Luft, doch Tschobe legte ihm beschwichtigend eine Hand auf den Arm. »Mal langsam, Shanton. Jimmy ist jetzt nicht so wichtig…« »Was sagen Sie? Nicht so wichtig? Jimmy, der uns bisher vor dem Schlimmsten bewahrt hat?« Wenn er einmal loslegte, war er kaum noch zu bremsen, und niemand konnte oder wollte ihn aufhalten, als er hinüberging, sich hinkniete und begann, seine Blechkonstruktion, die kein Fell mehr besaß, zu untersuchen. Ein Blick genügte, um ihn feststellen zu lassen, was mit seinem Spielzeug passiert war. »Wer hat das gemacht?« orgelte er, und seine Augen funkelten. »Ich!« sage Jos trocken. Chris Shanton stutzte und blickte den GSO-Mann scharf an. »Warum haben Sie ihm mit Ihrem verdammten Blaster ein Loch in den Schädel gebrannt, Jos?« »Warum hat Jimmy zuerst Manu Tschobe, dann die Fremden und zum Schluß mich geschockt? Warum wohl, Shanton?« »Sie spinnen!« erwiderte dieser grob. »Jimmy kann so etwas nicht tun. Sein Programm verhindert es…« »Sein Programm hat es nicht verhindert!« mischte sich Tschobe ein. »Aber lassen wir das. Es geht um Wichtigeres, Shanton. Wie kommen wir hier raus? Wir finden keinen Ausweg!« Langsam wuchtete der Diplom-Ingenieur seine zwei Zentner in die Höhe. Noch langsamer stemmte er seine Pranken in die Hüften. Mißtrauisch sah er von einem zum anderen. Sein Verdacht, sie würden sich mit ihm einen schlechten Scherz erlauben, verflog. Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag wirkten ratlos. Shanton warf seinem Chrono einen Blick zu. »Stimmt das?« »Muß wohl«, erwiderte Tschobe. »Wir waren auch einen ganzen Norm-Tag lang geschockt. Glücklicherweise haben die Fremden noch höhere Dosen erhalten, sonst sähe es für uns richtig schlecht aus. Aber auf Ihren Jimmy können wir nicht mehr zählen. Der hat uns zum Schluß, als Sie längst jenseits von Gut und Böse waren, der Reihe nach geschockt. Jos und ich haben uns inzwischen umge sehen, und wir sind unabhängig voneinander zu dem Ergebnis ge kommen, daß wir uns nicht in einem Raumschiff aufhalten!«
»Nicht in einem…? Wo denn dann?« Tschobe und van Haag zuckten die Achseln. »Das gibt’s doch gar nicht! Wir waren doch in der KommandoZentrale mit den Konturlagern und den Instrumenten!« »War es wirklich die Zentrale eines Raumschiffs, Shanton?« »Zum Teufel, was dann…? Was ist das hier?« »Bekommen Sie es vielleicht heraus? Wir nicht!« »Ich weiß es auch nicht. Mit M-Technik hat es keine Ähnlichkeit.« Seine Gedanken gingen in eine andere Richtung. »Ist viel passiert, nachdem ich geschockt wurde?« »Kann man wohl sagen«, erwiderte Jos, der seine letzte Zigarette rauchte. »Das, was wir für eine Kommando-Zentrale hielten, gibt es nicht mehr. Dort sind Sie schon ein Opfer von Jimmy geworden, der behauptete, der Transmitter sei in der Decke. In Wirklichkeit saß die Anlage im Boden. Sie spuckte einen Rob aus, der schockte Sie, und dann war erst mal der Teufel los. Anschließend ging es hier weiter. Als wir nach dem turbulenten Geschehen wieder zu uns kamen, lag Jimmy am Boden. Er rührte sich nicht, aber ich wollte sichergehen, und jagte ihm einen Blasterschuß durch den Kopf. Dann haben Tschobe und ich nach einem Ausgang, einer Schleuse oder einem Transmitter gesucht. Wir haben nichts gefunden, aber wir kamen beide zu dem Schluß, daß dies hier kein Raumschiff sein kann.« Hier hakte Chris Shanton ein. »Und warum nicht?« »Weil ein Raumschiff Triebwerke haben muß!« erwiderte Tschobe. Hatte Shanton diese Erklärung absichtlich überhört? Er fragte: »Sind wir bis auf die geschockten Fremden allein hier?« »Ja!« »Dann sehe ich mich einmal um, aber ich möchte nicht allein ge hen. Weniger aus Furcht, als wegen der Gefahr, mich zu verirren.« »Nicht möglich, denn…« Ein Stoß ging durch den Raum. Es knirschte laut, als ob tausend Tonnen Kies zur Seite gedrückt würden, und dann setzte ein immer lauter werdendes Brummen ein. Erschreckt sahen sich die drei Männer an. Jeder stellte sich die glei che Frage: Was war das? »Stecken wir in einer Tauchkugel?« Shantons Vermutung wirkte auf Tschobe und Jos gar nicht mal so unwahrscheinlich. Eine Tauchkugel, mit der die dunkelhäutigen Humanoiden an die unterseeische Werft der Mysterious herangekommen waren, um dann die letzte Strecke per Transmitter zurückzulegen. Jetzt spürten sie deutlich ein Schwanken, und jedes Schwanken war bei seinem weitesten Ausschlag mit jenem Geräusch verbun den, als ob gewaltige Kiesmengen verdrängt würden. War die Tauchkugel aufgestiegen und am Ufer angetrieben? Oder war die Tauchkugel von dem Traktorstrahl eines Raumschiffs an die Oberfläche des Ozeans geholt worden? Manu Tschobes Blick streifte die Ecke, in der die bewußtlosen Fremden lagen – und ein verrückter Gedanke schoß ihm durch den
Kopf. »Sie und Sie… Gesichter schwärzen, dann denen die Uniform ausziehen und überstreifen. Vielleicht haben wir eine winzige Chan ce.« »Kolumbus!« orgelte Shanton und schlug dem Afrikaner begeistert auf die Schulter. »Aber woher bekommen wir die Farbe?« Jos spurtete los. »Bin gleich wieder da!« Er hielt Wort – und brachte in einem Plastikgefäß eine sirupartige schwarze Masse mit. »Was ist denn das?« fragte Shanton mißtrauisch. »Woher soll ich das wissen… Los wir haben nicht mehr viel Zeit!« Tschobe hatte diese Maskerade nicht nötig, aber ihm war auch klar, daß er mit seinem starken negroiden Einschlag von den Schwarzhäutigen als erster als Fremder erkannt werden würde. Doch darauf mußten sie es ankommen lassen. Er betrachtete die Bewußtlosen. Drei mußten ihre silbernen Um formen hergeben, aber keine war so groß, daß der dicke Shanton hineingepaßt hätte. »Es muß aber gehen!« schnaubte der Diplom-Ingenieur, während er sein Gesicht mit der geruchlosen schwarzen Sirupmasse einrieb. »Umsonst hab’ ich mir das Zeug nicht ins Gesicht geschmiert. Him mel, wie schnell das trocknet!« Tschobe bekam schon wieder Zweifel an seinem eigenen Plan. Shantons dicker Bauch war nicht unterzubringen, und dann war da ja noch sein Backenbart. Ob es Schwarzhäute gab, die über Bart wuchs verfügten? Er bückte sich, strich einem der Besinnungslosen über’s Gesicht und fühlte Stoppeln. Aber trug man Bart? »Der Bart muß ab, Shanton!« rief er, wäh rend er einem Bewußtlosen die Uniform auszog. »Der Bart bleibt!« säuselte der Dicke, der sich gerade die Ober lippe einschmierte. Jos hielt sich raus. Die Masse, die er und Shanton sich ins Gesicht schmierten, trocknete ihm fast schon zu schnell, auch wenn sie da bei elastisch blieb. »Wenn uns das Zeug bloß nicht die Haut vom Gesicht zieht!« brummte er. »Erst soll der Bart ab, und jetzt das… Oh…!« So stark wie gerade hatte die Anlage noch nie geschwankt, aber dafür hatte dieses Mal das knirschende Geräusch gefehlt. Der metallisch klingende Schlag, der dann durch den Raum lief, gab ihnen unmißverständlich zu verstehen, daß sie gerade auf ei nem metallenen Untergrund aufgesetzt hatten. Hatte ein Raumschiff die Anlage an Bord genommen?
12.
Das Hy-Kon! Ren Dhark wußte, was sich hinter dieser Abkürzung verbarg: Das Hyper-Kontinuum! Aber weder Dan Riker noch Arc Doorn hatten begriffen, was ge schehen war, als die großen Schiffsverbände der Schwarzen Weißen plötzlich verschwunden waren. Sie hatten nur verstanden, daß er sie mit der Kraft der Station im Mittelpunkt Zwitts hatte verschwinden lassen! Er hatte sie ins Hyper-Kontinuum geschleudert! Ungewollt! »Ja«, sagte er, »es ist nun einmal geschehen.« Ren Dhark begriff, daß er den beiden Männern, die ihn entsetzt anstarrten, damit gar nichts erklärt hatte. »Ren… die Schwarzen Weißen… sie haben nicht einen Versuch gemacht, Zwitt zu betreten… wahrscheinlich waren die Besatzungen gelähmt, geschockt, vielleicht schon tot… was weiß ich? Mußtest du auch noch die Schiffe vernichten? Alle auf einen Schlag?« Dan Riker war immer noch fassungslos. Die Anschuldigungen trafen Dhark schwer; besonders, weil sie von Riker kamen. Dan mußte doch wissen, daß er niemals so un menschlich handeln würde; gerade Dan müßte sich doch sagen, daß da noch etwas anderes eine Rolle gespielt haben mußte. Dhark wischte sich über die Stirn. Es war eine Bewegung, die Mü digkeit und Niedergeschlagenheit ausdrückte. Während sein Blick zwischen Riker und Doorn hin und her ging, kreisten seine Gedanken um einen Punkt: Sein Glaube an die Fair neß der Mysterious war zutiefst erschüttert; die Befürchtungen, daß sie womöglich auch die Grakos gewesen waren, hatten sich ver stärkt! »Ren…« Riker verstummte. Hilfesuchend warf Dhark Arc Doorn einen Blick zu. Doorn, der viele Mentcaps geschluckt hatte und nun neben Dhark der einzige war, der über neues Wissen verfügte. Aber auch im Gesicht des Sibiriers las er nur Unverständnis. Beide zweifeln, dachte Dhark verbittert. Beide trauen mir diese Tat uneingeschränkt zu, und es fiel ihm schwer aufzustehen. Er machte einen Schritt auf Riker und Doorn zu – und blieb dann stehen. Er sah die beiden nicht einmal mehr an. Es hatte keinen Sinn, ihnen etwas von der Hypno-Sperre zu erzählen. Sie würden ihm kein Wort glauben, vielmehr alles für eine phan tastische Ausrede halten. Ihr Grakos! dachte er verbittert, und er meinte damit die Geheim nisvollen, die Mysterious. Sie hatten sein Wissen und seine mentalen Kräfte mißbraucht, um Tausende von Raumschiffen zu vernichten. Das Hy-Kon!
Die Wucht der plötzlichen Erkenntnis ließ ihn taumeln. Aus dem Hyper-Kontinuum gab es für diese Schiffe keine Rückkehr mehr! Plötzlich wollte er nur noch allein sein. Er mußte allein sein. Er mußte erst einmal selbst mit allem fertigwerden! Die Männer in der Funk-Z der POINT OF hatten keinen Grund zu jubeln. Zwar war es ihnen gelungen, Funkkontakt mit dem Com mander aufzunehmen, doch nach wenigen Sekunden war er wieder abgerissen; immerhin blieb als schwacher Trost die Gewißheit, daß Dhark auf Zwitt noch lebte. Leon Bebir fühlte sich erleichtert, als die Funk-Z die Meldung durchgab. Hen Falluta meinte dazu: »Dennoch möchte ich gern wis sen, was sich jetzt auf Zwitt abspielt.« Genau diese Frage machte Bebir nervös. Seine Nervosität zeigte sich darin, daß er die Geschwindigkeit des Flaggschiffs merklich verringerte und damit den Zeitpunkt der Landung um Stunden hin ausschob. Falluta erkannte, wie es um seinen Kollegen bestellt war, und er war sich gegenüber ehrlich genug, ihm Recht zu geben. Tatsächlich machte ihm das rätselhafte Geschehen auf Zwitt und in der Sonnen korona ebenfalls Sorgen. Es wollte ihm nicht in den Kopf, daß acht von neun Sonnen der Sternenbrücke dieser Korona mit ihren unzäh ligen Flächenprojektor-Stationen unvorstellbare Energiemengen zuführten. Wozu wurden sie benötigt? Tino Grappa brach der Schweiß aus. Die Energie-Ortung hatte bis auf die vorletzte Phase hochgeschaltet, um noch Messungen durch führen zu können. Die Werte der Distanz-Ortung waren eindeutig. In der astronomischen Abteilung zuckten die Wissenschaftler zu sammen. Wie Grappa hatten sie erkannt, wem der Angriff der Son nenkorona galt: Der fünfte Planet der fünften Sonne wurde ange griffen! Jene Welt, auf der die Schwarzen Weißen ihren Stützpunkt errichtet hatten! »Die Korona wird doch den fünften Planeten nicht zerfetzen, wie W-4 auseinandergeflogen ist, als die Planeten-Bombe zum Einsatz kam?« sagte Jens Lionel angesichts der Werte, die die Meßgeräte auswiesen. Er konnte nicht vergessen, wie im Ika-3S-System eine Sauerstoffwelt vernichtet worden war. Bebir hatte das Schiff gestoppt, als Grappa seine alarmierenden Neuigkeiten durch die Zentrale gebrüllt hatte. Im Leitstand sprach niemand mehr. Die Bildkugel, auf den fünften Planeten der fünften Sonne eingestellt, ließ Vulkane sehen, wo es gerade noch weitflä chige Ebenen gegeben hatte. Rauchwolken tauchten auf, die an Atompilze erinnerten – pech schwarze Rauchpilze, die Millionen Tonnen Gestein und Staub in sich herumwirbelten und dabei immer schneller in die Höhe wuchsen und immer breiter wurden!
Das Licht der fünften Sonne wurde absorbiert. Über der Welt, auf der die Station der Schwarzen Weißen lag, wurde es Nacht! Aber was mit drei gewaltigen Häuserblocks nahe des Stadtzen trums geschah, sahen die Männer in der POINT OF nicht. Die Werte fielen. Der Angriff auf den fünften Planeten war beendet. Der Planet bestand noch, aber wie schwer war er getroffen worden? Die astronomische Abteilung blieb still. Grappa hatte nichts mehr zu sagen. Die Männer in der Funk-Z schwiegen sich aus. Plötzlich beugte Grappa sich leicht vor. Sein Haupt-Oszillo zeigte kurz hintereinander eine Reihe stark unterschiedlicher Blips. Kommando-Amplituden! sagte sich der junge Spezialist, ohne et was vom Hy-Kon zu ahnen, das mittels dieser Blips von Ren Dhark aktiviert worden war. Die Bildkugel hatte sich wieder auf den inneren Sauerstoffplaneten eingestellt und zeigte nur einen Teil der Korona. Das war der Grund, warum man im Leitstand die Veränderung erst so spät bemerkte. Die Korona riß auf! Das, was eine Sonne sein sollte, brach zusammen! Schon waren die ersten Flächenprojektor-Stationen zu erkennen! Es wurden im mer mehr, je weiter der Zusammenbruch der Strahlenhülle voran schritt. Grappa starrte seine Energie-Ortung an! Acht Sonnen führten dem Strahlengebilde um Zwitt ein Maximum an Energie zu, und dennoch hatte die Korona keinen Bestand mehr! In der astronomischen Abteilung raufte sich Lionel die Haare. Ge reizt herrschte er einen Astrophysiker an: »Dieses opalisierende Licht muß doch zu analysieren sein!« Im Loch der Korona war es zu sehen – um so deutlicher, je größer das Loch wurde! Und niemand konnte sagen, was es zu bedeuten hatte! Opalisierendes, schillerndes Licht! Aus dem analytischen Labor kam die Meldung: »Opallicht wider steht jeder Analyse!« Die Astrophysiker konnten auch nicht sagen, warum die Korona zusammenbrach. »In zehn Sekunden gibt es sie nicht mehr!« Lionel war ein guter Prophet! Zwitt war zu sehen. Zwitt, der Planet, der viele tausend Jahre im Schutz einer künstlich erstellten Korona rotiert hatte. Die Bildkugel wurde auf Zwitt gestellt. Maximale Vergrößerung! Im Leitstand hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Die Männer hielten den Atem an, als sie die gelandeten Flottenverbände sahen, die auf eine Art schillerten und glänzten, wie Menschen es nie zuvor gesehen hatten! Doppelkugelraumer der Schwarzen Wei ßen! Daß Zwitt verloren war, daran zweifelte in der POINT OF niemand! Die Invasoren hatten die Korona zusammenbrechen lassen! Nur Tino Grappa war anderer Ansicht…
Die Energie-Ortung sprach eine zu deutliche Sprache! Der Bereich, in dem es vor wenigen Minuten noch die Strahlenhülle gegeben hatte, verbrauchte nach wie vor ungeheuerliche Energiemengen, obwohl die Korona nicht mehr existierte. Aber die unzähligen Flä chenprojektor-Stationen bestanden noch immer! Hen Falluta verlor die Beherrschung, als er über die Bildkugel die Invasionsflotte starten sah. »Sie starten!« brüllte er und verstumm te im nächsten Augenblick. Seine Beobachtung war falsch gewesen. Die Flottenverbände der Unbekannten wurden gestartet! Sie wurden in die Höhe gerissen! Sie rasten der Kugelschale aus Flächenprojektoren entgegen! Und sie opalisierten! Die Männer in der POINT OF erlebten das Hy-Kon! Über Zwitt riß der Normal-Raum auf! Grappas Struktur-Ortung schlug durch! Der Checkmaster blockier te. Er nahm keine Werte der Struktur-Ortung mehr an! Und im gleichen Moment waren die im opalisierenden Licht schil lernden Schiffsverbände nicht mehr zu sehen. Das Hy-Kon hatte sie verschlungen! »Die Korona kommt wieder!« Es ging Schlag auf Schlag. Wo gerade noch die FlächenprojektorStationen gestanden hatten, war wieder das gelbe Leuchten zu se hen, wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Hinter diesem Leuch ten verschwand der Planet Zwitt, und in ihm die Stationen. Dann sah alles wieder so aus, wie sie es beim Hinflug ins System der siebten Sonne zuerst gesehen hatten. Grappa meldete fast unverständlich leise: »Die acht Sonnen haben ihre extreme Energielieferung zur siebten Sonne eingestellt.« Sollte das heißen, daß der Angriff auf dieses System vollkommen abgeschlagen war? Niemand im Schiff kam auf den Gedanken, daß ihr Commander als Checkmaster einer Station im Mittelpunkt des Planeten Zwitt das Geschehen ausgelöst hatte. In der astronomischen Abteilung feierten Jens Lionel und seine Kollegen ihren Triumph. Ihre Voraussage hatte sich bestätigt! Obwohl die Sonnenkorona einige Zeit nicht mehr bestanden hatte, waren keine Störungen bei den Planeten aufgetreten. Die MantelEnergie, die ihnen vorher zugeführt worden war, hatte ihre Aufgabe hervorragend erfüllt und sämtliche Umläufer auf den vorgeschrie benen Bahnen gehalten. »Hut ab vor den Mysterious!« sagte Jens Lionel in ehrlicher Be wunderung. »Lieber wäre mir, wir kämen dahinter, wie die Mysterious dieses Kunststück fertiggebracht haben«, warf ein Astrophysiker ein. Aber darauf hätte ihm kein Terraner Antwort geben können. Manu Tschobe warf dem Diplom-Ingenieur die silbern glänzende
Kombination eines besinnungslosen Humanoiden zu. »Die paßt Ihnen niemals. Bei dem Bauch…« »Wollen mal sehen!« knurrte Shanton, der im Stillen seine Wampe verwünschte. »Aber der Bart bleibt… Heiliger Strohsack, was ist mit dieser Schmiere los?« Fragend blickte er zu Jos hinüber, dem die Uniform der Fremden wie maßgeschneidert paßte. »Es spannt nicht mehr, aber ich habe das Gefühl, kein Gesicht mehr zu haben.« »Hoffentlich hat diese Schmiere nicht noch irgendwelche uner wünschten Nebenwirkungen«, sorgte sich der Dicke. Nach Manu Tschobes Ansicht redeten die beiden zuviel. Er hatte den metallisch klingenden Schlag nicht vergessen, und sie hatten nach wie vor keine Ahnung, wem diese Station gehörte und welchen Zweck sie erfüllen sollte. Während er dem dritten Bewußtlosen die Uniform vom Leib zerrte, rief er seinen Partnern zu: »Wir sollten uns etwas mehr beeilen und weniger reden! Wer weiß, was uns noch bevorsteht!« Lauschend hoben alle drei den Kopf. Ein kurzer, scharfer Knall war durch die Station gelaufen. Das Geräusch war einwandfrei von rechts gekommen. »Ein Schott?« fragte Jos Aachten van Haag, während er seine Waf fen wieder an sich nahm; er hatte sie abgelegt, um die fremde Uni form überzuziehen. Shanton jubelte innerlich. Er konnte die Kombination der Fremden überstreifen. Sie war von hervorragender Elastizität und spannte nur schwach über seinem Prachtbauch. »Was machen wir mit Schrott-Jimmy?« wollte Jos wissen und trat mit dem Fuß gegen den nackten Blechhaufen. »Wird mitgenommen! Was haben Sie denn gedacht?« Da hörten sie den Wassereinbruch! Die Station wurde geflutet. Es donnerte, gurgelte und rauschte überall – oben, unten, rechts und links. Die Station zitterte merk lich. Nur sah der GSO-Mann keinen Tropfen Wasser, obwohl die Fluten längst herangekommen sein mußten. Auch der Dicke war mit seiner Maskerade fertig, und Jos, der ihm einen kurzen Blick zuwarf, mußte trotz ihrer Situation lachen. Im gleichen Moment fiel ihm auf, daß er nicht viel anders aussah. Sie hatten beide vergessen, auch ihre Handrücken zu schwärzen. »Dazu haben wir jetzt keine Zeit mehr«, drängte Tschobe. »Wir müssen hier raus, oder der Wasserdruck zerquetscht uns!« »Wo ist denn der Ausgang?« fragte Jos bissig. »Wo zum Teufel?« Er stand schon auf dem Deck und wartete darauf, die Wassermas sen heranjagen zu sehen, denn das Donnern, Gurgeln und Rauschen hatte noch zugenommen. »Der Ausgang ist da, wo wir ihn übersehen haben! Raus!« tobte Manu Tschobe und setzte sich in Bewegung. Shanton klemmte sich Schrott-Jimmy unter den Arm und folgte den beiden anderen.
Augenblicke später brachen Wassermassen aus der Wand, die ge rade noch materiestabil gewesen war. Gischtendes grünes Wasser, das als meterhohe Welle auf sie zuraste! Unwillkürlich blieb Jos stehen. Manu Tschobe rannte an ihm vorbei, den Blaster in der Rechten – und schoß auf die gischtende grüne Woge. Er traf sie, aber die Wassermassen reagierten nicht. Unaufhaltsam tosten sie heran. Der Blasterstrahl ging ohne jede Reaktion mitten hindurch. Nur noch dreißig Meter trennten sie von ihrem Verderben! Tschobe riß die Arme hoch. Sein Ruf ging in der Geräuschkulisse unter. Jos starrte ihn an. Shanton schüttelte den Kopf. Manu Tschobe rannte den Wassermassen entgegen! Er stürzte sich hinein, lief hindurch! Die Wassermassen existierten nicht! Sie waren nichts anderes als Fiktion! Gleichzeitig begriffen Jos und Shanton, daß man sie mit diesem fiktiven Wassereinbruch und den damit verbundenen Geräuschen zu einem bestimmten Punkt in der Station treiben – oder von einem anderen fernhalten wollte. Wahrscheinlich hatte das Programm, das dahintersteckte, nicht damit gerechnet, daß es einen Terraner ge ben würde, der sich gegen alle Voraussagen verhalten und in die heranjagenden Fluten stürzen würde! »Wasser, das gar nicht da ist?!« orgelte Shanton, der krampfhaft Schrott-Jimmy festhielt und sich immer wieder sagen mußte, daß er nicht wirklich bis zur Glatze im vorbeirauschenden Wasser stand. Die Fluten stiegen immer höher und näherten sich langsam der Decke. Jos und der Dicke hatten Tschobe fast erreicht, als dieser plötzlich stehenblieb, sich nach rechts wandte und die Wand absuchte, ohne sich durch die fiktiven Wassermassen stören zu lassen. Auch Jos und der Diplom-Ingenieur bemerkten, was dem Afrikaner aufgefallen war. An dieser Stelle war das Donnern, Gurgeln und Rauschen am lau testen, aber trotz allen Suchens konnte Tschobe in der Wand nicht die Spur einer Lautsprecheranlage entdecken. Als er seine Hand dagegen-preßte, war das Resultat ebenfalls negativ. »Weiter!« Es gab nur eine Richtung, in die sie sich logischerweise bewegen konnten: weg vom zentral gelegenen A-Grav-Schacht, dem einzigen in dieser Anlage. Irgendwo im Randbereich mußten sie auf eine Schleuse oder einen Transmitter treffen, der sie hinausbrachte. Sie waren ein ganzes Stück gegangen, da hörte der Spuk abrupt auf. Die Wassermassen verschwanden, und mit ihnen auch der Lärm. Zwanzig Meter vor ihnen endete der Gang an einer anschei nend fugenlosen Wand. »Da vorne ist die Welt zu Ende«, sagte Jos lakonisch. Er hatte schon einmal vor dieser Wand gestanden, und sie sah immer noch
so undurchdringlich aus wie beim letzten Mal. Shanton ließ sich nicht abschrecken, trat an die Sperrwand heran und klopfte gegen das Material; es klang massiv. Er warf SchrottJimmy einen abfälligen Blick zu: »Wäre das Miststück klar, könnten wir ihn einsetzen.« Tschobe und Jos hörten nicht zu. Ihre Blicke tasteten die Wände, den Boden und die Decke ab. »Vielleicht haben wir beim ersten Mal ja wirklich etwas übersehen«, murmelte der Afrikaner. Es klang nicht sehr überzeugt. Jos’ Blick war womöglich noch skeptischer. Nur Shanton strahlte so etwas wie Optimismus aus. Er legte Schrott-Jimmy beinahe zärtlich auf den Boden und untersuchte die Wand Quadratzentimeter für Quadratzentimeter. Dann widmete er sich den Gangwänden. »Geben Sie’s auf, Shanton, ich glaube nicht, daß wir hier etwas finden.« Tschobes Stimme klang entmutigt. Der Dicke ließ sich nicht beirren. Er hätte selbst nicht sagen kön nen, was ihn dazu brachte, ausgerechnet diese Stelle mit einer derartigen Akribie zu untersuchen, außer einem vagen, nicht faßba ren Gefühl. »Sie können ja gerne an einer anderen Stelle suchen, Tschobe ich bleibe hier!« erklärte er mit Nachdruck. »Ich glaube nämlich…« Shanton verstummte überrascht. Für den Bruchteil einer Sekunde war ein Prickeln durch seinen Arm gelaufen, schwach, aber spürbar. Er ließ seine Hand erneut über die Stelle gleiten, suchte, tastete… »Ich glaub’s einfach nicht!« Das war Jos’ Stimme. Der GSO-Agent sah es zuerst: Mitten in der Sperrwand bildete sich ein Haarriß – und dann glitten die beiden Hälften mit einem leisen, kaum wahrnehmbaren Summen in die Wand! Und dahinter lag eine Schleusenkammer. Shanton wollte losstürmen, doch Jos hielt ihn zurück. »Langsam, mein Lieber. Schließlich wissen wir nicht, was uns erwartet, wenn wir das Außenschott öffnen.« »Mir vollkommen egal«, fauchte der Dicke, blieb aber stehen und folgte dem Beispiel seiner Begleiter, die ihren Klarsichthelm aus der fremden, eng und doch elastisch anliegenden Kombination heraus zogen, ihn sich über den Kopf streiften und schlossen. Dann betätig te Shanton den nicht zu übersehenden Kontakt im Innern der Schleuse. Das Schott flog auf. Draußen lag zum Greifen nah ein ihnen unbekannter Strand, da hinter die Unendlichkeit eines Ozeans. Eine breite Schleifspur führte vom Wasser bis zum Liegeplatz der Station. Jos beugte sich so weit vor wie er konnte, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Gut hundert Meter unter ihm befand sich der Boden, der das Son nenlicht spiegelte. Metall! Eine Metallplatte, die anscheinend ein gewaltiges Viereck dar stellte. Jos kniff die Augen zusammen. An der linken Ecke hatte er
nicht nur Bewegung erkannt, sondern auch ein nicht besonders gro ßes Bauwerk, das aus dem gleichen Material wie die Platte bestand. Er machte Tschobe und Shanton darauf aufmerksam. Beide maßen seiner Beobachtung keinen Wert bei. Shanton zerrte an seiner schwarzen Maske und bekam sie nicht ab. »Hätte ich mich auf diesen Unsinn doch nie eingelassen«, maul te er und wechselte dann das Thema. »Hundert Meter, eher mehr. Wenn wir hinunterspringen, dann tut uns kein Zahn mehr weh. Ich begreife jetzt auch, warum man uns die Schleuse überhaupt finden ließ.« Jos unterbrach ihn. Der GSO-Mann hatte einen Blick in die Tiefe geworfen und die Gefahr entdeckt, in der sie schwebten. Roboter griffen sie an – fliegende schwarze Roboter, die in drei großen Schwärmen zu ihnen heraufgejagt kamen. Es waren ein paar hundert. Aber das gab nicht den Ausschlag. »Auch das noch!« stieß Manu Tschobe aus und deutete zum Him mel empor. Aus der Höhe fiel ein Raumschiff unbekannten Typs herunter! »Und die Roboter kommen rauf«, preßte Jos über die Lippen. Tschobe schaute nach rechts um die Schleusenkante. Als er den Kopf zurückzog, sagte er ohne jede Erregung: »Sie sind schon da.« Und um die Ecke herum schwebten die ersten Robs heran. Ren Dhark war allein im Archiv. Er hatte Arc Doorn hinausgeschickt, während Riker sich wahrscheinlich zu Oberleutnant Roder und sei nen Männern begeben hatte. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Die Vorwürfe seines Freundes bedrückten ihn. Hypno-Sperre?! Er lachte auf. Damit konnte er nicht kommen. Er würde sich nur unglaubwürdig machen, und das würde alles noch verschlimmern. Ren Dhark, der Mann, der eine ganze Flotte in den Hyperraum geschleudert hat! Ma-Soor! Er mußte an den letzten Kommandanten dieser Station denken. Er trug Ma-Soors Waffen. Sie klebten an dem Gürtel um seine Taille. Ma-Soor, der Mysterious – oder der Grako? Dhark wischte sich den Schweiß ab, schüttelte den Kopf; er konnte sich nicht richtig konzentrieren, und das Archiv reagierte nicht auf seine schwachen Alpha-Rhythmus-Impulse. Es hatte keinen Sinn, länger hierzubleiben. Er nahm den kürzesten Weg zu Ma-Soors Kabine. Auf dem Schwebetisch lagen noch das dunkelblaue Etui und drei weitere Gegenstände, die wie kleine, kaum zwei Zentimeter durch messende, plattgedrückte Kugeln aussahen. Er nahm das Etui, setzte sich auf die Bettkante und drehte es hin und her! Was mag das sein? fragte er sich neugierig.
Und dann wurden auf dem dunkelblauen, sich samtartig anfühlen den Material plötzlich Schriftzeichen sichtbar – Schriftzeichen der Mysterious. Halblaut las Dhark: »Erron-3«, und dann dachte er darüber nach, ob er diesen Begriff schon einmal gehört oder durch Mentcaps er fahren hatte. Nein, dieser Begriff ist gerade zum erstenmal aufgetaucht. Aber was bedeutete Erron-3? War es der Name eines alltäglichen Gebrauchsgegenstandes? Er glaubte nicht daran, denn die Mysterious hatten ja nicht einmal für das Triebwerk der POINT OF eine Bezeichnung gehabt, sondern das Aggregat mit einem Zahlen-Code versehen. »Hm… etwa zweihundert Gramm schwer.« Dhark wollte das Etui schon einstecken, um nach den drei anderen Gegenständen zu grei fen, da öffnete es sich von selbst! Auf einem flexiblen, dünnen Stab, der knapp einen halben Meter lang war, fuhr eine winzige blitzende Kugelantenne aus. Sie beweg te sich wie suchend im Kreis, um nach kurzer Zeit stehenzubleiben. Aber als Dhark das Etui zur Seite drehte, nahm die Antenne mit der winzigen Kugel erneut ihre Suche auf. Fünfmal wiederholte Dhark das Experiment. Wie er das Etui auch hielt, die Antennenkugel zeigte immer in dieselbe Richtung. Hielt er ein Peilgerät in den Händen? Drei kleine Anzeigen waren zu sehen. Eine davon kannte er: sie gab die Raumkoordinaten an. Zumindest auf der POINT OF und hier in der Station im Herzen von Zwitt. Aber nicht bei diesem Ding. Anstelle der Zahlen gab es Buchstaben, deren Bedeutung er nicht kannte – aber vielleicht konnte ihm eine Mentcap Auskunft geben. Er nahm die drei anderen Gegenstände vom Schwebetisch, steckte sie ein und verließ Ma-Soors Kabine. Jetzt gelang es ihm, sich zu konzentrieren. Eine Archivscheibe fiel in den Auffangkorb. Er öffnete sie und schluckte unbesehen das weiße Kügelchen. Kaum eine halbe Minute später weiteten sich seine Augen. Das Etui in seiner linken Hand war ein Wegweiser! Das auf ihn einstürmende Wissen ließ seine Verwirrung größer und größer werden. Er konnte kaum glauben, was ihm die Mentcap ü bermittelte. Mit diesem Wegweiser sollte er in der Lage sein, Erron-3 zu finden. Dieser Wegweiser sprach auch auf Transmitter vom Typ TTT an, aber die Mentcap verriet nicht, wie ein TTT-Transmitter aussah. Ebensowenig erfuhr er, was er sich unter Erron-3 vorzustellen hatte: Ein Sonnensystem? Einen Kugelsternhaufen? Eine Dunkel wolke? Erneut konzentrierte er sich. Das Archiv sollte eine Kapsel liefern, die ihm präzisere Auskunft gab. Der Auffangkorb blieb leer. Dhark wunderte sich nicht. Auf Deluge war es oft genauso gewe
sen. Das von den Mysterious angelegte Archiv wies hier wie dort unerklärliche Lücken auf. Ein Wegweiser nach Erron-3! Die kleine blitzende Kugel wies immer nach Erron-3, gleichgültig, in welcher Position sich das Etui befand. Das zweite Instrument mit seinen sieben Farbfeldern war nichts anderes als der KommandoImpulsgeber für einen Ringraumer der POINT OF-Klasse. Das letzte diente dazu, Transmitter der TTT-Serie einzustellen! Ein Gedanke stieg in ihm auf. »Ich brauche Informationen über die Schwarzen Weißen«, murmelte er und konzentrierte sich erneut. Doch der Auffangkorb blieb leer. »Schade«, stellte er bedauernd fest und befahl in Gedanken dem Etui, die Antenne einzufahren und sich zu schließen. Im nächsten Moment war der Überzug des dunkelblauen Gegen standes nahtlos um seinen Inhalt geschlossen. »Die Folien…« erinnerte er sich plötzlich. Als er Ma-Soors Kabine zum erstenmal betreten hatte, hatten auf dem Schwebetisch vier Folien gelegen. Gerade eben hatte er sie nicht mehr bemerkt. Er begab sich wieder in Ma-Soors Kabine. Die Folien fehlten. Dhark suchte die siebte Schale der Station auf. »Doorn!« Ein gebrummtes »Hmm?« war die Antwort. »Ich muß unbedingt mit der POINT OF sprechen. Der Sender die ser Station ist stark genug, um das Schiff zu erreichen. Lassen Sie mich rufen, wenn der Funkkontakt hergestellt ist.« »Hmm…« Doorn wollte gehen, aber Dhark hielt ihn zurück. »Vorher forschen Sie nach, wer aus Ma-Soors… wer aus einer Wohnkabine dieser Sta tion vier Folien an sich genommen hat.« »Die hab’ ich!« erwiderte Doorn, das Gesicht mürrisch und unbe wegt. »Dann geben Sie sie jetzt bitte mir und versuchen Funkkontakt mit dem Schiff zu bekommen!« Doorn verschwand. Dhark wanderte am Panoramaschirm der sieb ten Schale entlang. Er zeigte Zwitts Oberfläche mitsamt der Narben, die der Angriff der Schwarzen Weißen hinterlassen hatte. Unvermittelt erinnerte er sich erneut an Mone, jenes rätselhafte Wesen, das in den Tiefen des fünften Planeten wohnte und dem er sein Leben – oder zumindest seine geistige Gesundheit – verdankte. Warum stieg diese Erinnerung ausgerechnet jetzt in ihm auf, wäh rend seine Männer auf eine Erklärung warteten, weshalb er die hilf lose Raumflotte der Schwarzen Weißen vernichtet hatte? Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gehörten die Männer an Bord der POINT OF zu den Kolonisten, die mit der GALAXIS ins ColSystem verschlagen worden waren. Sie hatten ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, aber sie konnten nicht ahnen, daß Dhark ih nen in der augenblicklichen Situation nichts sagen durfte, wenn er nicht riskieren wollte, den letzten Rest Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Sein Blick kreuzte sich mit dem aus Rikers Augen. Er hält mich immer noch für den Vernichter! stellte er betroffen fest und dachte wieder an die Grakos. Hatten sie ihn mittels der Hypno-Sperre zum Checkmaster der Station gemacht und mißbraucht? Das Hy-Kon! Ihn schauderte, wenn er an diese Waffe dachte. Noch mehr schau derte ihn, wenn er sich vorstellte, daß die Raumflotte der Schwarzen Weißen nun im Hyperraum steckte und wahrscheinlich nie mehr den Weg zurück ins Einstein-Universum finden würde. Ihn verwirrte aber auch immer stärker die Frage, warum die Mysterious die Terraner von Anfang an akzeptiert hatten. Hatten die Geheimnisvollen den goldenen Menschen auf Mirac zer stört, und war der Ringraumer, den sie in der Nähe des Standbilds gefunden hatten, bei dieser Aktion vernichtet worden? Ren Dhark war sich klar darüber, daß er sich bewußt ablenkte. Aber seine Gedanken kehrten immer wieder zum Ausgangspunkt zurück. Dabei hätten die Mysterious doch gar nicht anders handeln kön nen! Zwitts Geheimnis konnte nur gewahrt bleiben, wenn keiner der Schwarzen Weißen, die die Position dieser ungewöhnlichen Welt kannten, das Unternehmen überlebte. Das Tor zur Sonne?! Welch tieferer Sinn verbarg sich dahinter? Und was steckte hinter dem Begriff Erron-3? Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er vier Folien in der Hand hielt. Folien aus Ma-Soors Kabine, die der letzte Mysterious-Kommandant dieser Station vergessen hatte, als er aller Wahrscheinlichkeit nach diese Anlage überstürzt verlassen hatte. Vier Sternkarten! Drei davon sagten ihm nichts; sie zu entziffern war Aufgabe der Astronomen. Aber die vierte konnte er lesen. Sie zeigte die Sternenbrücke und den energetischen Hohlschlauch, der die neun Sonnen umspannte. Die drei Sauerstoffwelten und der Mondsammler waren besonders hervorgehoben. In sattem Blau waren sie und ihre Bahnen zu se hen; ebenso Hinweise, daß sie eine Einheit bildeten. Blau – die typische Farbe der Mysterious… Die siebte Sonne jedoch sah auf der Folie nicht anders aus als die acht übrigen Sterne. Kein Hinweis verriet, daß sich hinter der Koro na einer F-Sonne eine Sauerstoffwelt verbarg. Welche Aufgabe hatte die Korona mit ihren unzähligen Flächen projektor-Stationen zu erfüllen? Ren Dhark ließ die Sternkarte sinken. Seine Männer standen herum und schauten ihn fragend an. Ihr Commander war ihnen fremd und unheimlich geworden. Sie verstanden sein Schweigen nicht. Sie erkannten jedoch, daß er einer Erklärung bewußt auswich, und das wiederum belastete ihn noch stärker.
Dhark blickte auf sein Chrono. Doorn mußte die Funk-Z der Station mittlerweile eigentlich erreicht haben. Er rief ihn über die Bordverständigung. »Die POINT OF ist auch mittels der Echo-Kontrolle nicht zu errei chen«, lautete die lakonische Antwort auf seine Frage. Auf dem Weg ins Archiv schaute er in der Funk-Z vorbei. Er ver langte die letzte Position der POINT OF, und man gab ihm die Koor dinaten. Demnach stand die Landung auf dem inneren Sauerstoff planeten kurz bevor. Diese Nachricht trieb ihn zu noch größerer Eile. Diesmal gab das Archiv auf seinen konzentrierten Gedankenimpuls eine Scheibe aus. Dhark schluckte die weiße Kugel und wartete ab, daß das gespeicherte Wissen auf ihn überging. Plötzlich besaß er alle Informationen, die erforderlich waren, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Erneut benutzte er die Verständigung. Er rief Doorn und gab ihm den Auftrag, die Männer in Raum 40-4 zu führen, »…und falls Sie es nicht wissen sollten, Doorn, 40-4 liegt in der vierten Schale.« »Ich bringe die Männer!« Nachdenklich sah Dhark den grau gewordenen Bildschirm an. Langsam ging er zum Raum 40-4. Dank der zuletzt geschluckten Mentcap war er mit der Bedienung des Transmitters vertraut. Die sparsamen Hinweise in der Schrift der Geheimnisvollen las er wie ein Buch in terranischer Sprache. Es blieb ihm Zeit genug, die Anlage auf den inneren Sauerstoffplaneten einzustellen. Bevor die POINT OF auf diesem Planeten landete, woll te er mit seinen Männern dort sein. Die Hauptkontrolle warf Grün aus. Der Weg zum inneren Planeten war frei. Die vier Meter durch messende graue Ringantenne wartete darauf, sie in Nullzeit zu ei nem anderen Planeten zu befördern. Kurz darauf erreichten die ersten Männer 40-4. Dhark rief Ober leutnant Roder zu sich. »Ich benutze als erster die Anlage, bleibe drei Minuten im Bereich der Gegenstation und komme um…« er warf einen Blick auf sein Chrono, »…um 15:35 Uhr Norm-Zeit wieder zurück. Sollte das nicht der Fall sein, darf diese Anlage nicht mehr benutzt, aber auch kei nesfalls abgeschaltet werden. Roder, Sie handeln nach eigenem Ermessen. Sie könnten auch versuchen, mit den zurückgelassenen Flash die POINT OF zu erreichen. Also… es wird Zeit für mich!« Schweigend sahen ihn mehr als hundert Männer auf die Ringan tenne zugehen. Dharks Herz klopfte bis zum Hals, wenngleich ihm das Mentcap-Wissen sagte, daß er nichts zu befürchten hatte. Die große Ringantenne, die eine Stärke von gut zwanzig Zenti metern hatte und oben und unten mit Boden und Decke verbunden war, wirkte wie eine stumme Drohung. Rechts an der Wand leuch tete konstant das Freizeichen. Es zeigte an, daß die Gegenstation betriebsbereit war.
Ren Dhark tat den letzten Schritt – und verschwand im Antennen ring. Die letzten zehn Kilometer legte die POINT OF mit dem A-Grav zu rück. Der Brennkreis des Sle bestand nicht mehr. Die fußballgroßen Flächenprojektoren emittierten keine Energie mehr. Der Gigant im Triebwerksraum lief fast unhörbar in der Null-Phase, und die Män ner, die hier ihren Dienst verrichteten, hatten nichts mehr zu tun. Leon Bebir saß gelassen im Pilotensessel und warf den Instru menten routinemäßig hin und wieder einen Blick zu, um sein Inter esse dann wieder der Bildkugel zu widmen, die einen immer kleiner werdenden Teil der unbekannten Planetenoberfläche wiedergab. In den beiden Waffensteuerungen herrschte höchste Alarmbereit schaft. Alle in der Unitallhaut liegenden Antennen waren auf Nadel strahl geschaltet und warteten auf den letzten Impuls, um die POINT OF zu verteidigen. »Enttäuschend«, sagte Hen Falluta, der momentan als Copilot fungierte. »Mehr als das!« erwiderte Bebir. »Dieser Planet ist eine der lang weiligsten Sauerstoffwelten, die ich bisher unter die Augen bekom men habe. Flache Kontinente, flache Meere, nirgendwo nennens werte Vegetation, keine zusammenhängenden Wälder – und tech nisch ein leergeblasenes Ei!« Im gleichen Moment bewies eine Durchsage aus der Funk-Z, daß die letzte Behauptung nicht stimmen konnte. Glenn Morris teilte er regt mit, daß die POINT OF keinen Empfang mehr besaß. »Was heißt das?« bellte Bebir. Morris zwang sich zur Ruhe und erklärte, weshalb die Funk-Z diese Feststellung erst so spät gemacht hatte: »Es gibt zur Zeit in der gesamten Sternenbrücke keinen einzigen arbeitenden Sender. Wir haben seit Transitionsende nur einmal kurzfristig mit Dhark Kontakt gehabt. Seit dem Verschwinden der Invasionsflotte herrschte im Empfangssektor absolute Ruhe. Nicht einmal statische Störungen waren zu hören. Und wir hätten auch jetzt noch nichts bemerkt, wenn Yogan nicht die vorgeschriebene Routinekontrolle durchge führt hätte. Kommandant, wir sind noch nicht in der Lage zu sagen, wo der Fehler liegt. Nur daß unsere Empfangsanlagen einwandfrei arbeiten, wissen wir. Das hilft uns aber nicht, weil die Antennen streiken.« »Mit anderen Worten: Wir können auch keinen Ruf abstrahlen?« Besonders zufrieden sah Morris nicht aus. »Ich gäbe etwas darum, wenn ich Ihre Frage beantworten könnte. Im Augenblick prüfen wir noch durch, aber wie es jetzt aussieht… wir können auch der EchoKontrolle nicht mehr trauen. Deshalb raten wir während des Lan demanövers und nach der Landung zur allergrößten Vorsicht.« Das paßte nicht zum Bild dieses Sauerstoffplaneten, dessen Ober fläche sich langweilig und harmlos präsentierte. »Okay, Morris. Die WS werden sofort gewarnt.« Rochard und Clifton, die Chefs der Waffensteuerungen, horchten
auf. Bud Clifton hatte eine leichte Störung in seiner Zielsteuerung zu melden. »Hin und wieder habe ich in der letzten halben Stunde Doppelwerte erhalten, die an und für sich bedeutungslos waren, weil sie die zulässige Toleranzgrenze nicht überschritten, die ich aber zuvor noch nie beobachtet habe.« Weder Bebir noch der Erste waren Waffenexperten. Clifton mußte ihnen erklären, was er unter diesen >Doppelwerten der Zielsteue rung< verstand. »Clifton, Sie wären jetzt also nicht in der Lage, einen Punkttreffer anzubringen?« forschte Bebir, der dem Höhenmesser einen Blick zuwarf und erkannte, daß sich das Schiff nur noch 4300 Meter über dem vorgesehenen Landeplatz befand. »Wenn man hundert Quadratmeter noch als Punkt bezeichnen will, dann können wir Punktschießen veranstalten. Wenn man hingegen von uns verlangt, den Nadelstrahl innerhalb eines Quadratmeters zur Wirkung zu bringen, müssen wir streiken.« »Danke!« sagte Bebir, dessen Stimmung nicht mehr die beste war. »Falluta, was sagen Sie dazu?« Der erinnerte sich an Zwitt! Zwitt hatte zunächst auch langweilig ausgesehen. Nicht eine ein zige der gigantischen Ringanlagen war bemerkt worden, und doch war Zwitt alles andere als ein langweiliger, harmloser Planet. »Ich würde größte Vorsicht…« Morris brüllte über die Verständigung dazwischen. »Wir haben den Commander im Empfang!« und schaltete zur Zentrale durch. »…sehen das Schiff! Wir befinden uns etwa 35 Kilometer nord westlich. Riker schaltet jetzt sein Vipho auf Peilstrahl. POINT OF, bitte kommen! POINT OF, bitte kommen!« Morris’ Stimme war zu hören. »Hier POINT OF! Peilstrahl erfaßt. Auswertung liegt vor. Koordinaten gehen an Kommandant!« Morris’ Gesicht verschwand vom Schirm. Im Triebwerksraum fuhren die Konverter hoch. Der Sle wurde aktiv. Steuerschalter kippten in andere Positionen. Die Andruckabsorber heulten auf. Die POINT OF verließ den Landekurs. Titanische Kräfte rissen den Ringraumer in nordwestliche Richtung. Mitten im Schalten beugte sich Bebir vor und rief die Funk-Z. »Mitteilung an Commander, Morris: POINT OF im Anflug. Stehen in drei Minuten über Koordinatenpunkt. Ende!« Er hatte alle Hände voll zu tun, aber er fand trotzdem noch Zeit zu fragen: »Falluta, können Sie mir sagen, wie Dhark auf diesen Pla neten kommt?« Der gab ihm die einzig mögliche Antwort: »Warum warten Sie die lächerlichen drei Minuten nicht ab und fragen Dhark selbst?«
13.
Chris Shanton, Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag glaubten in einem Irrenhaus zu stecken. Ihre Station hatte sich als eine dicke, mehr als vierhundert Meter durchmessende Scheibe entpuppt, die sich plötzlich in Viertel aufgeteilt hatte, die nacheinander dem hoch über ihnen stehenden Raumschiff entgegenjagten. Die drei Terraner hatten kaum noch Platz vor lauter Robotern mit grelleuchtenden Augen. An der linken Schleusenwand standen Jos und Shanton, an der rechten der Afrikaner. Zwischen ihnen stampf ten die Roboter vorbei und machten erst weiter hinten im Gang halt. Sie stellten sich in Reihen nebeneinander auf, und durch die Schleu se kamen immer neue hinzu. »Die drücken uns platt, wenn der Segen nicht bald aufhört!« brüll te Shanton mit seinem orgelnden Baß. Da hob auch das Viertel der Station, in dem sie sich aufhielten, von der großen Plattform am Strand des unbekannten Ozeans ab. Es schwankte wie betrunken hin und her, stieg dann mit einer Be schleunigung, die die Männer in die Knie zwang. Im nächsten Moment stockte Shanton und Jos der Atem. Tschobe war zu Boden gestürzt. Im gleichen Moment kippte das Stations-Viertel in Richtung der geöffneten Schleuse ab. Shanton und der GSO-Mann konnten sich gerade noch festhalten. Der Afri kaner aber rutschte unaufhaltsam an stampfenden Roboterbeinen vorbei auf die Öffnung zu. Sie sahen, wie er verzweifelt versuchte, sich an einem Roboterbein festzuhalten. Gerade das wurde ihm zum Verhängnis. Er verfehlte das Bein, erhielt einen kräftigen Stoß – und wirbelte durch die Schleuse davon. Entsetzt sahen sich die beiden zurückgebliebenen Männer an. Manu Tschobe abgestürzt… zerschmettert auf der Oberfläche eines Planeten, von dem sie nicht einmal wußten, wo in der Milchstraße er zu suchen war. Die Roboterreihe wuchs und wuchs, und ein Ende des Stroms war noch nicht abzusehen. Die Roboter waren im Flug deutlich schneller als das Stations-Viertel, das immer noch auf das Raumschiff zujag te. Plötzlich zweifelte der hartgesottene GSO-Agent an seinem Ver stand. Neben ihm röchelte der Diplom-Ingenieur. Ein Rob schwebte in den Schleusenraum, und dieser Roboter hielt Manu Tschobe in seinen Armen! Er stellte ihn ab und kümmerte sich nicht mehr um ihn, als der Afrikaner zusammenbrach. Mit einem großen Schritt stieg der Ro boter über ihn hinweg und stellte sich zu den anderen. »Er kippt… er kippt…« Shanton versagte die Stimme. Manu Tschobe drohte ein zweites Mal in die Tiefe zu stürzen, und
wiederum konnten ihm weder Jos noch der Dicke helfen, wollten sie nicht auch hinaus und in die Tiefe geschleudert werden. Tschobe rutschte schon wieder auf die Öffnung zu – und dann ge schah das Wunder! Ein ankommender Rob fing den Afrikaner auf, beiläufig, als ob er kein Gramm wiegen würde. Der fliegende Ro boter schwankte nicht einmal. Unbeeindruckt schwebte er herein, setzte auf, stoppte mit einem schnellen Schritt ab, ließ Tschobe zu Boden gleiten und ging auf die anderen zu, die in Reih und Glied im Gang standen. Die Lage des Viertels veränderte sich erneut. Jos stieß sich ab, ohne auf den Andruck Rücksicht zu nehmen. Schon beim ersten Schritt ging er in die Knie. Er versuchte erst gar nicht, sich aufzu richten. Auf Händen und Füßen kroch er auf Tschobe zu und bekam den besinnungslosen Afrikaner zu fassen. Plötzlich war Shanton neben ihm. Mit vereinten Kräften zerrten sie Tschobe zur Seite. Sie bemerkten kaum, daß sich das Außenschott der Schleuse schloß. »Große Milchstraße!« keuchte Jos, dem der Schweiß über’s Gesicht lief, »das war knapp.« »Ja«, erwiderte der Dicke, »das wird zu knapp!« Er hatte recht. Das Stations-Viertel krachte in diesem Augenblick hart auf; gleichzeitig verschwand der hohe Andruck. »Wir sind wieder einmal angekommen«, stellte Shanton fest. »Fragt sich nur, wo und bei wem.« Die Robs stampften davon. Ihre schweren Schritte hallten dumpf über das Deck. »Was hat das zu bedeuten?« fragte Jos, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Manu Tschobe kam zu sich. Er hatte es schwer, sich in der Wirk lichkeit zurechtzufinden, verstand nicht, warum er noch lebte. »Ein Roboter muß Sie aufgefangen haben, als Sie in die Tiefe pur zelten!« vermutete der Dicke, der wieder Schrott-Jimmy unter dem Arm trug. »Aber wie diese Blechkameraden programmiert worden sind, ist mir ein Rätsel.« Tschobe konnte kaum glauben, daß er gleich zweimal von Robo tern gerettet worden war. »Freuen Sie sich nicht zu früh«, warf Jos ein, der seine pessimisti sche Stunde hatte, »wer weiß, was uns noch bevorsteht.« Darauf hatten sie nicht lange zu warten. Manu Tschobe war kaum in der Lage, wieder auf seinen Beinen zu stehen, als sich das Au ßenschott der Schleuse öffnete und Mildan und Dordig – flankiert von sechs Robotern der Schwarzen Weißen – hereinstolzierten. Mildan grinste. Der entartete Cyborg genoß seinen Triumph. Als er Schrott-Jimmy sah, brach er in schallendes Gelächter aus. »Kommen Sie!« befahl Dordig, der sich keinerlei Gefühlsregung anmerken ließ. »Und nur damit Sie sich keine falschen Hoffnungen machen: diese sechs Robs sind umprogrammiert, sie reagieren nicht auf Ihr geschwärztes Gesicht. Mildan und ich haben auf das zweite
System geschaltet. Was das heißt, wissen Sie!« Jos erkannte schnell, daß sie im Moment zur Passivität verurteilt waren. Jetzt waren die beiden Cyborgs und die sechs Roboter auf der Schwebeplatte vor der Schleuse am Zug. Langsam setzten sie sich in Bewegung und betraten die Schwebe platte. Als sie >ihr< Stations-Viertel verließen, sahen sie, daß sie sich in einem gewaltigen Hangar befanden, in dem auch die restli chen drei Viertel lagen. »Legen Sie die Waffen ab, aber alle!« kommandierte Dordig, der einen Kommando-Impulsgeber in der Hand hielt. Ohne Zögern gaben die Terraner ihr Arsenal ab; Shanton dachte allerdings nicht daran, Schrott-Jimmy oder das Spezialgerät, mit dem er ihm Kommandos übermittelte, dazu zu legen. Dordig gab sich kühl und überlegen. Mildan hingegen zeigte deut lich, welche Genugtuung es ihm verschaffte, die Terraner in dieser Situation zu sehen. Daß er damit Dordigs Worte Lügen strafte, fiel ihm nicht auf. Jos und Tschobe hatten es erkannt: Weder Mildan noch Dordig hatten auf ihr zweites System geschaltet. Mit anderen Worten: Ihre Reaktionen waren nicht schneller als die normaler Menschen. Leider ließ sich aus dieser Erkenntnis im Augenblick angesichts der sechs Roboter kein Kapital schlagen. Auf einen Wink seines Partners begab sich Mildan zur Steueranlage der Schwebeplatte. Interessiert schaute Shanton zu. Er prägte sich jeden Handgriff ein. Die Schwebeplatte war leicht zu betätigen; schon nach wenigen Schaltungen setzte sie sich in Bewegung und schwebte dem Boden des Hangars entgegen. Von zwei Robs flankiert, stand Dordig nur ein paar Schritt vor ih nen. Mit eiskalten Blick maß er den Diplom- Ingenieur und dessen Schrottstück. »Lange werden Sie keine Freude mehr an Ihrem Robotspielzeug haben«, sagte er, und zum erstenmal klang seine Stimme haßer füllt. Shanton kraulte seinen Backenbart. »Er hat Ihnen und Mildan auf der Kommandobrücke viel Freude gemacht, nicht wahr?« Dordig kniff die Augen zusammen, ging jedoch nicht auf die Be merkung des Dicken ein. »Ihnen ist hoffentlich klar, daß Sie für den Verlust einiger Roboter zur Verantwortung gezogen werden?« »Wer wird uns zur Verantwortung ziehen?« Dordig warf ihm einen geringschätzigen Blick zu. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Jos. Spielen Sie nicht den harmlosen Trottel.« Er verstummte, neigte den Kopf zur Seite und lauschte. Auf sei nem Gesicht zeichnete sich erst Verwunderung und dann Bestür zung ab. Zu gern hätten die drei Terraner erfahren, was dem ver drehten Cyborg in diesem Moment übermittelt worden war. Dordig wandte den Kopf in Richtung seines Partners. »Mildan«, rief er ihm zu, »wir müssen noch einmal zur Schleuse.« Jos begann etwas zu ahnen. Ob die Roboter, die sich noch im Sta
tions-Viertel befanden, inzwischen die geschockten Humanoiden entdeckt und ihre Entdeckung weitergegeben hatten? Tschobe und Shanton schienen keine Ahnung zu haben, worauf der Kurswechsel der Schwebeplatte zurückzuführen war. Fragend pen delten Ihre Blicke zwischen den beiden Verdrehten hin und her. Erst als sie vor der Schleuse stoppten, begriffen auch der Afrikaner und der Diplom-Ingenieur, warum sie zurückgekehrt waren. Roboter erwarteten sie, und diese Roboter hielten in ihren Armen die geschockten schwarzhäutigen Humanoiden! »Das wird man Ihnen nie verzeihen.« »Wer?« warf Tschobe ein. Dordig blickte ihn kalt an. »Sie kennen sie doch schon…« Jos wurde aus Dordig nicht schlau. Es gab Momente, in denen der Ausdruck in den Augen des Cyborg auffallend stark wechselte. Für Sekunden glaubte Jos darin etwas Grüblerisches, Nachdenkliches zu sehen, aber jedesmal, wenn dieser Eindruck verging, schickte ihnen Dordig eiskalte Blicke zu, unter denen man erschauern konnte. Jos hob den Arm, um Tschobe die Hand auf die Schulter zu legen, da fuhr Dordig ihn an: »Wollen Sie jetzt schon zerstrahlt werden?« Wie auf ein Stichwort fuhren drei der Roboter Abstrahlpole aus ihren Brustkästen aus und richteten sie auf den GSO-Agenten. Hübsche Spielsachen, dachte Jos grimmig und machte der Regie rung Terras den stillen Vorwurf, in den letzten Jahren viel zu wenig für die Serienfertigung vom Kampfrobotern getan zu haben. Schnell ließ er den halb erhobenen Arm wieder sinken und gab sein Vorhaben auf, Manu Tschobe über seine Beobachtungen zu informieren. Er mußte einen günstigeren Moment abwarten. Aber ihre Lage verschlechterte sich schlagartig. Aus der Tiefe des gewaltigen Raumschiff-Hangars kam eine kleine Schwebeplatte herangerast. Auf ihr standen – schwarzhäutige Hu manoide. Und Roboter, die den Befehl hatten, ihre Erbauer zu schützen. Ein hochgewachsener, schlanker Fremder, dessen silberglänzende Uniform auf der Brust einen breiten schwarzen Ring trug, stieg nach dem Anlegen auf die große Schwebeplatte über, kam auf die drei Männer zu und blieb dicht vor ihnen stehen. Sein markantes Gesicht, die hohe Stirn, der energische, etwas zu harte Mund und seine feingliedrigen, schlanken Hände prägten sich den Terranern unvergeßlich ein. Der Fremde interessierte sich nicht für die am Boden liegenden Strahlwaffen, eher für das Ding, das Shanton unter dem Arm trug, und danach galt seine Aufmerksamkeit dem dicken Mann in der erbeuteten Uniform. Plötzlich öffnete der Fremde den Mund – und zum Erstaunen der drei Terraner sprach er Angloter! »Ich heiße Merrnur und bin Sektorchef der Weißen Gruppe. Ich warne vor jeder unfreundlichen Aktion, sie würde drastische Kon sequenzen haben. Wer von Ihnen hat meine Männer angegriffen?«
Während Jos und Shanton noch überlegten, ob sie dem arroganten Fremden Rede und Antwort stehen sollten, hob Manu Tschobe, der sonst seinem Gesprächspartner kaum in die Augen sehen konnte, leicht den Kopf und blickte Merrnur scharf an. »Wer hat den Robotern den Befehl gegeben, uns in der Werft unter dem Ozean anzugreifen? Nicht Sie haben das Recht, Fragen zu stel len, sondern allein wir, die wir grundlos angegriffen wurden!« »Gib’s ihm!« flüsterte Shanton neben dem Afrikaner. »So, Sie wurden also grundlos angegriffen?« Merrnur zeigte ein wölfisches Lächeln. »Völlig grundlos?« wiederholte er seine Frage, während seine Begleiter unbeweglich auf der anderen Schwebe platte standen und die drei Männer gelangweilt musterten. »Wer hat denn unsere Freunde Mildan und Dordig angegriffen?« »Mildan und Dordig gehören zu unserem Volk, Merrnur, und über unsere internen Streitigkeiten haben wir Ihnen keine Rechenschaft abzulegen.« »Wie Sie meinen.« Merrnur betrat – gefolgt von zwei Robotern die Schleuse und ging das Deck entlang. Sein schwarzes Gesicht war starr, hölzern sein Schritt. Wortlos betrat er seine Schwebeplatte, flüsterte mit seinen Begleitern, die im Gegensatz zu ihm nur einen Halbkreis auf der Brust trugen, und gab dann das Zeichen abzulegen. Kaum hatte sich die Schwebeplatte in Bewegung gesetzt, als auch Mildan die Fahrt wieder aufnahm. Jos benutzte die Gelegenheit, Shanton und Tschobe seine Ver mutung mitzuteilen, daß Dordig zeitweilig vollkommen normal sei und in diesen Phasen mit sich kämpfte, ob er sich nicht auf ihre Seite schlagen sollte. Der Dicke traute der optimistischen Vermutung des GSO-Mannes nicht so recht, Tschobe war anderer Meinung. Dordig unterbrach wütend ihr Geflüster und warnte sie erneut. Seine Ankündigung, daß Merrnur sie drastisch bestrafen würde, klang nicht wie eine haltlose Drohung. Verstohlen blickte Shanton zu den Strahlwaffen, die immer noch vor ihnen auf dem Boden lagen, aber als er dann zu den Robotern hinübersah, die sie aus ihren grelleuchtenden Augen beobachteten, verging ihm jede Lust zu einem Überraschungsangriff. Die Platte setzte erschütterungsfrei auf. Mildan schaltete ab, und wiederum merkte sich der Dicke jeden Handgriff. Im stillen schalt er sich einen Narren. Aus einem Raumschiff zu fliehen war ein aus sichtsloses Unternehmen. Von Merrnur und seinen Begleitern war nichts mehr zu sehen. Roboter trieben die drei Männer vorwärts. Mit jedem Schritt ent fernten sie sich weiter von ihren Waffen. Mit jedem Schritt verrin gerte sich ihre Chance, das Heft des Handelns noch einmal in die Hand zu bekommen. Ich schmeiß’ den Schrott weg! dachte Shanton, als sie vor einem Hangartor warteten, und er wollte Jimmy schon wegwerfen, aber
plötzlich tat ihm der arme Kerl leid. Einzeln und in großem Abstand durchschritten sie das Tor. Vor ihnen lag ein breites Deck, auf dem weitere Roboter warteten. Je drei Roboter führten die Männer zu einem A-Grav-Schacht, der sie weit hinaufbrachte, und dann standen sie in einem Raum, der bis auf eine technische Apparatur in seiner Mitte leer war. Die Konstruktion sah unheimlich aus. Gut zehn Meter hoch, mehr als zwanzig Meter breit, hatte die glat te schmutzigbraune Front acht mannshohe, dunkle Öffnungen zu ebener Erde. Schweigend starrten die drei Männer die Öffnungen an. Sie wagten nicht mehr zu sprechen, seit sie ausschließlich von Robotern eskortiert wurden. Aber jeder dachte das gleiche. In eins dieser Löcher mußten sie hineingehen. Was würde dann mit ihnen geschehen? Sie hatten nicht vergessen, daß Dordig ihnen ein unheimliches Ende angekündigt hatte. Tschobe blickte nach links, zu Shanton und Jos. Leider verstanden sie nicht, was er ihnen mit den Augen sagen wollte. Er hatte eine winzige Hoffnung, vielleicht doch noch etwas zu er reichen, aber er hatte auch Angst, daß sich seine Hoffnung schnell zerschlagen könnte. Doch zunächst einmal mußte er warten, denn für seinen verzwei felten Versuch benötigte er menschliche Wesen, keine Roboter. Shanton und Jos hatten mit dem Leben abgeschlossen. Sie ahnten, daß das Ende nahe war. Wahrscheinlich würde ihnen in dieser Ma schine ihr gesamtes Wissen entrissen werden – ohne Rücksicht auf irgendwelche bleibenden Schäden. Und danach… Auch wenn es ihnen so vorkam, als seien bereits Stunden vergan gen – sie hielten sich erst ein paar Minuten in dem großen Raum auf, als sich hinter ihnen die Tür öffnete. Vier Fremde verschwanden um eine Ecke zur linken Seite der Apparatur. Kaum waren sie auf Manu Tschobes Höhe, als der Afrikaner zuschlug! Konzentration! Höchste Konzentration! Er mußte seine schwachen hypnotischen Kräfte freimachen! Würden die Schwarzhäutigen auf seine mentalen Kräfte anspre chen? Er konnte nur noch drei Rücken sehen, nahm es bewußt gar nicht mehr wahr. Er hatte abgeschaltet, war nur noch Konzentration! Es muß gelingen! Seine Knie begannen zu zittern. Feine Schweißperlen tauchten auf seiner Stirn auf. Konzentrieren! Die letzten Reserven einsetzen! Die Zeit verrann. Vier schwarzhäutige Humanoide trafen ihre Vorbereitungen. Einer hatte sich einmal um drei Schritt rückwärts bewegt und zu ihnen herübergesehen. Tschobe hatte es nicht einmal wahrgenommen! Jetzt ist es soweit! dachten Shanton und Jos, als die vier wieder
um die Ecke bogen. Drei kamen auf sie zu. Der vierte blieb an der Seite stehen. Die drei Näherkommenden erteilten den Robs Befehle. Neun Robs setzten sich in Bewegung, gingen rechts an der Appa ratur vorbei. Drei Terraner wurden von je einem der Fremden am Arm berührt. Jos und Shanton fragte sich verzweifelt, was diese allem Anschein nach freundliche Geste zu bedeuten hatte. Vier Humanoide führten drei Terraner aus dem Raum. Über das Deck. Der A-Grav-Schacht brachte sie nach unten. Vorbei an der Stelle, an der sie ihn vorhin betreten hatten. Vorbei an vielen Decks, an unzähligen Robotern und Humanoiden. Nach wie vor waren sie voneinander getrennt. Jos und Shanton ahnten nicht, daß diese Trennung ein Bestandteil des hypnotischen Befehls war, den die Schwarzhäutigen befolgten. Fremde, die ihnen entgegenkamen, sahen sie zum Teil neugierig, zum Teil feindselig an. Einmal richtete ein schwarzer Humanoider, der einen dünnen Dop pelkreis als Rangabzeichen auf der Brust trug, eine Frage an denje nigen, der Jos’ Arm festhielt. Ohne stehenzubleiben, gab der Ge fragte Antwort. Kopfschüttelnd ließ der Fremde mit dem Doppelring Shanton und Tschobe an sich vorbei gehen. Der Afrikaner bemerkte es und wuchs über sich hinaus! Vergiß, daß du uns gesehen hast! Vergiß, daß du gerade eine Fra ge gestellt hast! Ununterbrochen sandte er diese beiden Befehle ab. Ob sie Wirkung zeigten, konnte er nicht sagen. Wie er ebensowenig verhindern konnte, daß ihnen Dordig begeg nete! Der blieb stehen, stemmte die Hände in die Hüften und starrte die kleine Gruppe wie ein Weltwunder an. Aus! Vorbei! dachte Tschobe resigniert. Dordig auch noch zu hyp notisieren überstieg seine mentalen Kräfte. »Ja«, hörte er Dordig sagen, und für Tschobe hatte ein >Ja< noch niemals so sinnlos geklungen. Jos drehte sich um und wurde dadurch langsamer. Der Schwarze, der ihn führte, war damit nicht einverstanden. Unwillkürlich ver stärkte er den Druck seiner Finger um Jos’ Arm. Der GSO-Mann hatte genug gesehen. Dordig schien in diesem Moment völlig normal zu sein. Er lief ihnen voraus. Er schien zu wissen, wohin die drei Männer geführt wurden. Schneller! Schneller! hämmerten Tschobes hypnotische Befehle. Ununterbrochen, obwohl er entsetzt feststellte, daß seine Kräfte sich immer schneller verbrauchten. Im Raumschiff wurde es laut. Gewaltige Maschinensätze liefen auf Vollast, und ihr Dröhnen durchbrach die Schallisolierung. Der Boden unter ihren Füßen begann zu beben. Alles deutete darauf hin, daß der Raumer dem All zujagte. Dordig verschwand durch ein Tor, das hinter ihm offenblieb.
Als auch Jos und Shanton hindurchgingen, glaubte der Afrikaner, daß sein verzweifeltes Unternehmen gelungen war. Irgendeine Ah nung zwang ihn, sich umzudrehen. Roboter verfolgten sie. Roboter, die noch zu weit entfernt waren, um ihre eingebauten Strahlwaffen einsetzen zu können. Robs, die rasend schnell heranschwebten. Dann wurde auch Manu Tschobe von >seinem< Schwarzen durch das Tor geschoben. Der vierte schloß es. Wir haben eine Galgenfrist! dachte Tschobe, der noch nicht so recht begriffen hatte, daß die in diesem Hangar lagernden, leicht abgeplatteten Kugeln Beiboote des fremden Raumschiffs waren. Jos war schon in die vorderste Kugel hineingeführt worden, dann kam Shanton an die Reihe, und nun stand Tschobe vor der kurzen steilen Rampe, die keine Stufen aufwies. Er erhielt einen Stoß und mußte hineingehen. Da hörte er hinter sich schnelle Schritte und keuchendes Atmen. Dordig kam zurück, sein Gesicht war verzerrt, als ob der entartete Cyborg Todesangst hätte. »Schnell! Schnell!« stieß er aus, drückte den Afrikaner zur Seite, griff nach rechts – und im gleichen Moment schnappte der Einstieg mit einem satten Geräusch zu. Wir haben es fast geschafft, dachte Tschobe, der nur unbewußt re gistrierte, daß die vier Humanoiden draußen stehenblieben. Aber wie kommen wir mit dem Beiboot in den freien Raum? Er hörte Flüche, Jos’ Stimme, dann den wütenden Shanton. »Verdammt, es geht um Sekunden!« tobte der Cyborg. »Das Schiff - das Schiff…« Der Afrikaner stellte sich hinter den Mann, dem Jos und Shanton den Pilotensitz verwehrten. »Laßt ihn!« fauchte er, dem die Angst des Cyborgs zwar unheim lich, aber menschlich vorkam. Das gewisse Etwas, das Dordig genau wie Mildan gezeigt hatte, war verschwunden. Ihm war auch unbe greiflich, warum Dordig nicht auf sein zweites System schaltete. Kaum hatte er das gedacht, als Jos Aachten van Haag zur Seite geschleudert wurde. Chris Shanton mußte einen trockenen Haken einstecken, der ihn wie einen Baum fällte. Der Cyborg bewegte sich unwahrscheinlich schnell. Er saß schon im Pilotensitz, bevor Tschobe begriff, was geschehen war. In der vier Meter durchmessenden Kugel heulte ein Triebwerk auf. In Meterhöhe entstand ein Streifen, der sich schnell stabilisierte. Ein Bildschirm! Und über diesen Bildschirm konnte Tschobe einen Blick in den Hangar werfen, in dem dieses Beiboot lag. Roboter hatten das Tor aufgebrannt! Roboter kamen durch die Öff nung, deren Metallränder hell glühten. Bevor Manu Tschobe auch nur einen Ton über die Lippen bringen konnte, waren vier Fremde von ihren eigenen Robotern vernichtet worden. Doch in diesem Moment standen drei blaßblaue Strahlen im Hangar! Dordig schoß mit den Waffen des Beiboots zurück!
Reihenweise wurden die Roboter in Energie umgewandelt. »Dordig, kommen wir hier überhaupt raus?« fragte Tschobe, der entsetzt feststellte, daß ununterbrochen neue Roboter versuchten, in den Hangar einzudringen. »Wir müssen, sonst…« Dordig riß drei Hebel bis zum Anschlag herunter. Das Beiboot zit terte. Jos stöhnte. Chris Shanton rührte sich nicht. Still lag SchrottJimmy neben ihm. Die Wiedergabe des langgestreckten Bildschirms veränderte sich. Dordig hatte umgeschaltet. Unter ihnen wölbte sich die Planetenkugel. »Start!« brüllte Dordig, offensichtlich von Todesangst gequält. Tschobe hielt den Atem an. War der Cyborg, der inzwischen wieder auf normal zurückgeschaltet hatte, endgültig übergeschnappt? Wa rum hatte er überhaupt zurückgeschaltet, statt seinem Zusatzgehirn zu vertrauen, das keine Emotionen kannte? Ein schrilles Pfeifen drohte die Trommelfelle des Afrikaners zu zerreißen. Unwillkürlich preßte er die Hände gegen die Ohren. Das Beiboot schwankte. Tschobe wartete auf den Schlag, mit dem es gegen die Innenwand des Hangars krachen würde. Der Bildschirm flackerte als ob eine Störung vorgelegen hätte. »Durch«, keuchte Dordig. Das fremde Raumschiff war zu sehen. Die beiden Einheiten ent fernten sich voneinander. Das Beiboot raste dem Planeten zu, das Schiff der Humanoiden jagte dem freien Raum entgegen. »Großer Himmel, geschafft!« Die dunkle Öffnung in der Zelle des großen Schiffs, durch die ihr Beiboot den Hangar verlassen hatte, spie eine grelle Stichflamme aus, die ihnen zu folgen schien. Tschobe begriff nicht, was er sah. Die dunkle Öffnung weitete sich. Rundherum brach der Druckkörper auf. Gigantische Trümmer wir belten nach allen Seiten, und dazwischen tobten Energiegluten. Plötzlich verstand Manu Tschobe die unheimliche Angst des Cy borgs. Hart packte er ihn an der Schulter. »Dordig, was haben Sie getan?« brüllte er ihn an, während ihr Beiboot dem langsam größer werdenden Planeten zujagte. »Haben Sie – haben Sie…?« Im Raumschiff der Fremden mußte ein Inferno wüten. Aus der Schiffszelle brach ein gewaltiges Stück heraus, dessen Innenseite glühte. Das Schiff war eine einzige Energiehölle. Es barst! Eine neue Sonne beleuchtete auf viele tausend Kilometer den dunklen Raum. Und dann gab es das Schiff der Fremden nicht mehr! Das Beiboot drang in die äußeren Luftschichten des Planeten ein. »Ja«, sagte Dordig, »ich habe das Schiff vernichtet. Bewußt!« Mißtrauen flammte in Tschobe auf. Mißtrauisch sah auch Jos, der sich inzwischen von dem unerwarteten Angriff und dessen Auswir kungen erholt hatte, den Cyborg an. Ein Mann allein sollte das gewaltige Raumschiff vernichtet haben? Dordig verstand das Mißtrauen. Hastig erklärte er: »Auch wenn es
unglaubwürdig klingt, ich habe das Raumschiff vernichtet, indem ich die Konverter-Robs umprogrammierte und ihnen den Befehl gab, die Energie-Erzeuger hochgehen zu lassen. Um die zentrale Hauptkon trolle zu umgehen, mußte ich sie vor diesem entscheidenden Eingriff mit falschen Kommandos versehen.« Tschobe glaubte ihm kein Wort. Dordig zuckte geringschätzig mit den Schultern. »Ich verstehe, daß meine Behauptungen für Sie utopisch klingen, aber Tatsache ist, daß das Mutterschiff dieses Beiboots nicht mehr existiert.« Shanton kam langsam zu sich. Stöhnend rieb er sich das Kinn. Jos und Tschobe wurden dadurch abgelenkt. Als sie wieder Dordig an blickten, lag im Gesicht des entarteten Cyborgs erneut das gewisse, undefinierbare Etwas. Und in seiner Hand hielt er einen Strahler. Mit hämischem Unterton sagte er: »Wir werden gemeinsam eine kleine Reise unternehmen. Schade, daß Mildan nicht hier ist.« Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag bewegten sich nicht. Dordig war in dieser Verfassung zu allem fähig. Der Mann, dessen Verhalten ihnen so rätselhaft erschienen war, bewies jetzt, daß sein entarteter Zustand einen Höhepunkt erreicht hatte. »Wir werden zusammen eine wunderschöne, kleine Reise unter nehmen«, wiederholte Dordig und drückte ab. Gelassen wandte er sich wieder den Instrumenten zu. Er brachte das Beiboot auf neuen Kurs, fast senkrecht auf den Planeten hinunter. Daß er das Raumschiff der Schwarzen Weißen vernichtet hatte, damit die Besatzung ihr Wissen über die Position des Sol-Systems nicht zu ihrem Heimatplaneten mitnehmen konnte und auch nicht mehr in der Lage war, von einer Raumschiffwerft der Mysterious zu erzählen, das alles wußte der entartete Cyborg Dordig jetzt nicht mehr. Sein ganzes Sein drehte sich um den Wunsch, mit seinen drei Be gleitern eine wunderschöne, kleine Reise zu machen. Und er kannte viele Reisewege – sehr viele! Die Männer der POINT OF bewunderten noch die große Ringantenne der Transmitteranlage, über die mehr als hundert Mann von Zwitt aus diesen Sauerstoffplaneten erreicht hatten, als Ren Dhark den Wissenschaftlern erklärte: »Auch die beiden anderen Planeten sind durch Transmitter miteinander verbunden. Und neben dem Trans mitterraum, kaum dreißig Meter unter der Oberfläche, befindet sich etwas, das ich Ihnen zeigen möchte. Bitte, folgen Sie mir.« Auch Dan Riker, Roder und Doorn folgten dem Commander, der die graue, mehr als vierzehn Meter durchmessende Antenne um ging, den Instrumenten an der Wand keinen Blick schenkte und sich einer anscheinend fugenlosen Unitallfläche näherte. Als sie zwei Schritte vor dem Ziel waren, sprang sie auf. Staunend und schweigend blieben die Männer stehen. Fassungslos starrten sie die grobmaschige, wenige Schritte hinter
dem Eingang gelegene Gitterkonstruktion an. Sie reichte vom Boden bis zur Decke und war auch in den Wänden verankert. Im blauen Licht schimmerte die Anlage silbern. Nur die Kugeln im Bereich der Kreuzungspunkte – teilweise winzig klein, dann wieder über einen Meter groß – wirkten stumpfgrau. Ein System war in der Anordnung nicht zu finden. Niemand fragte: Was ist das? Alle blickten durch das grobmaschige Gitter und sahen im Hintergrund eine Schaltanlage, die sich bis zur Höhe von zwei Metern an der gesamten Wand hinzog. Eine Schaltanlage, an die niemand herankommen konnte. Dhark beobachtete die Männer, die Experten, seinen Freund Riker und zuletzt den Sibirier. Dann durchbrach er die Stille. »Wir müssen uns mit den Maßstäben, in denen die Mysterious gedacht haben, vertraut machen. Planet 1 des Zwitt Systems, also diese Welt, ist ein Materie-Sender. Ihre Oberfläche ist eine Hyper funk-Antenne. Planet 1 ist außerdem eine Transformer-Station, die in der Lage ist, alle Energien, die ihr über die Sonnenkorona zuge strahlt werden, für ihre Zwecke umzuwandeln. Laut der Informatio nen, die ich durch eine Mentcap bezogen habe, befindet sich auf Planet 1 keine einzige Abwehranlage, denn Zwitt und die Sonnenko rona reichen aus, um die gesamte Sternenbrücke falls erforderlich in einem energetischen Feuerschlag zu vernichten. Darüber hinaus wurde Planet 3, der sich hinter dem Mondsammler befindet, zu einer Hypno-Station gemacht. Diese Hypno-Station war nicht nur die Ursache dafür, daß wir beim Anflug drei ihre Bahnen wechselnde Planeten sahen, sondern sie hat mich außerdem hypnotisch zum Checkmaster der Station in Zwitt gemacht und anschließend dazu gezwungen, mittels des Hy-Kon die Flottenverbände der Schwarzen Weißen in den Hyperraum zu schleudern.« Er sah, wie sich der Sibirier duckte, als habe ihn ein kräftiger Faustschlag getroffen. Dan Riker machte unwillkürlich einen Schritt auf ihn zu, blieb dann aber stehen. Roder und seine Männer blickten zu Boden. Alle hatten in diesem Augenblick erkannt, daß ihr Mißtrauen Dhark gegenüber nicht berechtigt gewesen war, und sie hatten gleichzeitig begriffen, daß sie ihm kein Wort geglaubt hätten, wenn er diese Erklärungen im Zentrum Zwitts abgegeben hätte. Erst vor dieser Kulisse, erst nach dem Beweis, daß er die Trans mitter-Wege im Bereich des Zwitt-Systems kannte, klangen seine Worte überzeugend. »Folgen Sie mir!« forderte Dhark Arc Doorn auf. Gemeinsam gingen sie auf die grobmaschige Gitterkonstruktion zu, die den Weg zur Schaltwand im Hintergrund sperrte. Was will er hier? fragte sich der Sibirier, als Dhark forsch weiter ging, obwohl er beim nächsten Schritt gegen das Gitter prallen mußte. Mehr als zweihundert Menschen sahen den beiden nach. Sie sahen, wie sie durch das Gitter gingen, und daß das Gitter hinter ihnen unverändert aussah, als hätte es nie zwei Menschen den Weg frei
gegeben. Doorn holte auf. Schulter an Schulter gingen sie auf ihr Ziel zu. »Sehen Sie sich alles genau an«, sagte Dhark, fast so wortkarg wie der Sibirier sich oft gab. Doorn war einmal mehr beeindruckt. Zwar rührten Dharks Kennt nisse nur von den Mentcaps her, aber der Sibirier wußte aus eigener Erfahrung, daß Wissen allein nicht genügte. Es mußte auch verar beitet werden. Wann aber hatte der Commander Zeit gehabt, sich damit zu befassen? Schon lag die Gitterkonstruktion achtzig Meter hinter ihnen, und noch immer hatten sie ihr Ziel nicht erreicht. »Planet 1 ist eine einzige unterirdische Anlage. Dieser Ort ist ihr Herz. – Von hier aus führt der Weg nach Erron-3!« Doorn riß den Kopf herum. »Was ist Erron-3?« »Ich weiß es auch nicht. Aber ich weiß, daß wir auf unserer Suche nach den Mysterious nur über Erron-3 weiterkommen!« Dann standen sie vor der Schaltwand. Sorgfältig sah Doorn sich um. Nur sein phänomenales Einfühlungsvermögen konnte ihm hel fen, sich mit der unbekannten Technik vertraut zu machen. Und natürlich das Wissen aus den Mentcaps, aber das reichte bei weitem nicht aus, ihn verstehen zu lassen, was die Mysterious hier gebaut hatten. Doorn vertiefte sich in seine Aufgabe. Er vergaß, wo er war. Er vergaß, daß Ren Dhark ihm auf Schritt und Tritt folgte. Er vergaß, daß ihnen mehr als zweihundert Men schen von der anderen Seite der Gitterkonstruktion zusahen. Große Milchstraße, dachte er, als er zu begreifen begann, was die se Anlage darstellte, aber da war er noch weit davon entfernt, sie in ihrer Gesamtheit verstanden zu haben. Die Anlage konnte aus der Planetenoberfläche eine Antenne ma chen und die gesamte Emissionsstärke von Millionen Quadratkilo metern Antennenfläche auf einen Punkt konzentrieren. Das ergab einen unvorstellbaren Richtstrahleffekt, der die Wirkung der TofiritKristalle weit übertraf. Erschüttert trat Doorn einen Schritt zurück. Sein Blick flackerte. Er hatte plötzlich begriffen, daß er vor der Justiereinheit eines Mate riesenders von planetarischem Format stand! Ren Dhark sah die Verwirrung des Sibiriers – und die Angst. Ge rade letzteres beruhigte ihn. In Doorns Augen aufleuchtender Tri umph hätte ihn bestürzt. Doorn hätte dann zu einem Spielball seiner Machtgelüste werden können. Aber das Gegenteil war der Fall. Die Ehrfurcht vor den technischen Möglichkeiten der Mysterious weckte in ihm die Angst, diese Macht zu mißbrauchen. Doorn studierte weiter die Anlage. Er erkannte den Weg der ein zelnen Phasen-Inoden, die komplizierte Verschachtelung der Uben flektoren. Doch dann kam er nicht mehr weiter. Fragend blickte er Ren Dhark an. »An diesem Punkt verlassen wir das uns vertraute physikalische
Weltbild«, erklärte Dhark lächelnd. »Der Durchbruch nach Erron-3 reißt nicht nur unser Raum-Zeit-Gefüge auf, sondern der Riß bleibt stabil, solange der Materiesender arbeitet. Nach meinen Informatio nen muß diese Anlage besetzt bleiben, damit die Rückkehr gewähr leistet ist.« »Dhark, Sie sprechen schon wieder von Erron-3, behaupten aber, nicht zu wissen, was es ist – und dennoch wollen Sie hinfliegen.« »Ja«, erwiderte Dhark mit einer Ruhe, die ihn selbst erstaunte, »mit der POINT OF. Sie und einige Wissenschaftler bleiben hier. Sie müssen uns den Rückweg offenhalten, während ich herauszufinden versuche, was Erron-3 darstellt. Wenn meine spärlichen Informatio nen stimmen, dann ist Erron-3 wichtiger als die Sternenbrücke. Und jetzt schalten Sie den Phasen-Vorlauf hoch. Ich werde Sie stoppen, falls Sie einen Fehler machen sollten.« Doch er brauchte kein einziges Mal einzugreifen. Arc Doorn wurde immer sicherer. Zum drittenmal bereitete er den Teil der Plane tenoberfläche als Emissionsbezirk vor, der von den Teleskopstützen der POINT OF begrenzt wurde. »Dhark, ich begreife nicht, wie unter diesen Umständen von einer Justierung gesprochen werden kann. Wenn ich mir nur vor Augen halte, wie schnell der Planet rotiert!« Wortlos führte Dhark ihn ein Stück nach rechts. Sieben eng ge bündelte Strahlenfinger strichen langsam über drei in mattem Rot leuchtende Kreisflächen hinweg. Auf der rechten Scheibe wanderten drei blitzende Punkte auf Kreisbahnen in die Tiefe, um sich danach langsam wieder in den Vordergrund zu schieben. Dhark ließ dem Sibirier Zeit. Mit einer Sicherheit, die ihn selbst er staunte, wußte er, daß Doorn bald begreifen würde, daß er vor der automatischen Justierungsanlage des Materiesenders stand, die alle erforderlichen Fakten berücksichtigte. Schwer nickte Doorn. »Ich hätte es mir eigentlich denken können«, sagte er leise. »Die Mysterious haben alles der präziseren Automatik überlassen.« Sie gingen zurück. Doorn schaltete alles herunter. »Bleiben Sie hier, Arc. Die Experten, die Sie unterstützen werden, treffen bald ein. Aber denken Sie immer daran, daß Sie es sind, der dem Ringraumer die Rückkehr von Erron-3 ermöglicht.« In der POINT OF war alles klar. Ein paar Kilometer weiter, dicht unter der Oberfläche der Sauer stoffwelt, schaltete Arc Doorn den Materiesender hoch. Dhark hatte Mannschaft und Wissenschaftler informiert. Nicht ein einziger Widerspruch war laut geworden, obwohl jedem klar war, daß dieser Versuch mit einer Katastrophe enden konnte. In der Zentrale erklang Doorns Stimme: »Letzte Phase läuft an!« Er hatte keinen Ausdruck für das, was gleich geschehen würde daß die POINT OF von diesem Planeten verschwinden würde.
Niemand im Leitstand ahnte, wann X war, auch nicht Ren Dhark, der gedankenverloren die Bildkugel betrachtete. »Letzter…« Doorns Stimme war nicht mehr zu hören. Die POINT OF befand sich nicht mehr auf Planet 1! Der Weltraum war blaßblau! Der Weltraum war angefüllt mit zuckenden, gigantischen Spiralen, die sich überschnitten, unterliefen, senkrecht nach unten stießen oder aus der Tiefe hoch jagten! Spiralbahnen unvorstellbarer Ausmaße! Spiralbahnen, die ein gan zes Universum ausfüllten! Und verloren darin das Flaggschiff der TF, die POINT OF! »Dhark, die Ortungen, die Ortungen, alle Ortungen sind ausgefal len!« stammelte Grappa. »Das ist Erron-3?« fragte Dan Riker im Copilotensessel; seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Das ist Erron-3? dachte Ren Dhark und versuchte vergeblich, einen einzigen Stern zu finden. Wo befanden sie sich? In einem Labyrinth? Aber wo war dann der Ausgang aus diesem Irrgarten aus zucken den Spiralbahnen?
14.
Eine junge, attraktive Frau verließ den Transmitterraum des Regie rungsgebäudes in Alamo Gordo. Nachdenklich ging sie den breiten Gang entlang und erwiderte geistesabwesend das gelegentliche grü ßende Nicken der Menschen, die ihr entgegenkamen. Anja Field hielt sich selten in diesem Gebäude auf – viel seltener jedenfalls als in den unterirdischen Forschungslabors, wo sie häufig Wissenschaftlern mit ihrem mathematischen Können aus der Verle genheit half. Schließlich gab es auf Terra niemanden, der die Hoch mathematik der Mysterious so beherrschte wie sie. Aus diesem Grund hatte Henner Trawisheim sie auch heute morgen angerufen, und daher befand sie sich jetzt auf dem Weg zu seinem Büro. In Trawisheims Vorzimmer begegnete ihr eine hochgewachsene Frau mit kurzen roten Haaren, die ihr freundlich lächelnd zunickte. Noch immer in Gedanken erwiderte Anja Field den Gruß, identifi zierte sich an der Sensorkontrolle und betrat Trawisheims Büro. Sie wurde von lautem Gebrüll empfangen. »…und dafür gibt es in meinen Augen nur einen Begriff, Eylers, und der heißt Unfähigkeit!« Mit hochrotem Kopf tigerte Marschall Bulton im Raum auf und ab und schien kurz vor einem Schlaganfall zu stehen. Bernd Eylers ließ die Tirade mit steinernem Gesicht über sich ergehen, doch Anja, die ihn gut kannte, sah, daß es in seinem Innern brodelte. Henner Trawisheim saß hinter seinem Schreibtisch, und so etwas wie ein amüsiertes Lächeln spielte um seine Mund winkel, als er jetzt aufblickte und Anja Field zu sich heranwinkte. »Marschall Bulton, bitte mäßigen Sie sich – schließlich haben wir einen Gast«, sagte er in seinem typischen, verbindlichen Tonfall. Bulton wirbelte auf dem Absatz herum, warf Anja einen finsteren Blick zu, knurrte »paah!«, stapfte zum Fenster und vertiefte sich in die Silhouette von Alamo Gordo. »Wenn ich störe, kann ich auch später wiederkommen«, schlug Anja Field vor. »Nein, nein, bleiben Sie, Anja. Schließlich habe ich Sie hergebeten. Und Sie, Marschall, setzen sich bitte wieder hin, damit wir zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen können.« Mit einem Ruck wandte Bulton sich vom Fenster ab. Er wirkte be reits viel gelassener, als er Anja Field zunickte und sagte: »Guten Tag, Mrs. Field… Ich sollte mich vielleicht für mein Benehmen von gerade eben entschuldigen, aber es macht mich einfach fuchsig, wenn man mir irgendwelche… haltlosen Phantastereien auftischt!« Mit diesen Worten schob er Anja einen Besuchersessel zu und ließ sich selbst in einen anderen sinken. »Worum geht es denn – oder darf ich das nicht wissen?« fragte Anja Field unschuldig. »Doch, natürlich – und vielleicht können Sie mit Ihrem scharfen
Verstand zur Klärung des Problems beitragen.« Sie sah, daß Bulton bei Eylers’ Worten die Stirn runzelte, aber er schwieg. Auffordernd blickte sie Bernd Eylers an. »Na, dann schießen Sie mal los!« Der GSO-Chef, den sie seit den gemeinsam überstandenen Erleb nissen auf Hope kannte und schätzte, atmete einmal tief durch und begann: »Es geht um die Gruppe nicht umgeschalteter Robonen, die sich nach wie vor auf Terra aufhält und immer wieder mit versuch ten oder geglückten Sabotage-Aktionen für Unruhe sorgt. Da van Haag seit einiger Zeit auf Hope ist, habe ich eine andere Agentin mit dem Fall beauftragt, und diese Agentin hat eine Entdeckung von – wie ich meine – allergrößter Tragweite gemacht.« Eylers machte eine winzige Pause, ehe er fortfuhr: »Es sieht so aus, als hätten die Robonen Kontakt zu absolut menschenähnlichen, dunkelhäutigen Außerirdischen, von denen sich sogar einige unerkannt auf Terra aufhalten sollen.« »Das Roboterpärchen auf dem Robonenplaneten«, murmelte Anja überrascht. »Genau, nur daß es diesmal eben keine Roboter sind…« »Sondern schwarzhäutige Supermenschen mit einer uns grenzen los überlegenen Technologie – was praktischerweise auch gleich die dauernden Fehlschläge der GSO erklärt«, warf Bulton brummig ein. »Bitte, Marschall, nicht schon wieder«, wehrte Henner Trawisheim ab. »Warten wir doch erst einmal, was Mrs. Field dazu zu sagen hat.« »Nun, ich nehme an, daß Ihre Agentin die Quelle dieser Informa tion für zuverlässig hält«, begann Anja und warf Bernd Eylers einen fragenden Blick zu. Als der GSO-Chef zustimmend nickte, fuhr sie fort: »Dann stellt sich die Frage, was gegen diese Information spricht – schließlich müssen wir davon ausgehen, daß die Erbauer der Roboter, denen Ren und mein Mann und die Cyborgs damals begegnet sind, noch irgendwo in der Milchstraße existieren.« Sie hob abwehrend die Hand, als Marschall Bulton den Mund öffnete. »Ich darf doch davon ausgehen, daß niemand in diesem Raum ernsthaft daran glaubt, die GSO würde so etwas erfinden? Wir alle wissen doch, daß Bernd Eylers’ Leute hervorragende Arbeit leisten. Andererseits könnte ich mir vorstellen, Marschall«, und bei diesen Worten fixierte sie Bulton scharf, »daß Ihnen diese Information vor allem deswegen nicht gefällt, weil das bedeuten würde, daß es schon wieder Fremden gelungen sein muß, unbemerkt von Ihrer Raumüberwachung auf der Erde zu landen…« Bulton sah für einen Augenblick wie ein ertappter Schuljunge aus. Er räusperte sich, doch bevor er etwas sagen konnte, fügte Anja hinzu: »Aber wieso sollen diese Fremden nicht an Bord eines Raum schiffs der Robonen hierher gelangt sein? Wir wissen schließlich, daß diese Raumschiffe über einen nahezu perfekten Ortungsschutz ver fügen.« »Hm«, machte Bulton. »Vielleicht haben Sie ja recht, Mrs. Field und dann meinetwegen auch Sie, Eylers… Obwohl… Sterne und
Boliden, was soll’s, es schadet nicht, wenn wir diese Hinweise weiter verfolgen… Na, zufrieden, meine Herren?« Eylers nickte knapp, während Trawisheim Anja Field zuzwinkerte. »Dann können wir uns endlich dem Thema zuwenden, über das ich mit Ihnen sprechen wollte.« Er reichte ihr einige Folien. »Das sind Aufzeichnungen der großen Hyperfunk-Station von Cent Field. Da nach wurde um 10:42 Uhr Norm-Zeit auf einer am Rande des Spek trums gelegenen Hyperfunk-Frequenz ein ungewöhnlicher Impuls stoß aufgefangen. Die Techniker haben versucht, den Ausgangs punkt zu fixieren, aber das Verfahren erfordert außergewöhnliche Kenntnisse im Umgang mit M-Mathematik, und da…« »…haben Sie an mich gedacht«, beendete Anja den Satz. Sie über flog die Folien, runzelte dabei ein paarmal die Stirn. Schließlich stand sie auf und sagte: »Ich gehe mal ins Rechenzentrum und sehe, was ich tun kann.« Sie war schon fast an der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte und fragte: »Glauben Sie, daß dieser hy perfrequente Impulsstoß irgend etwas mit der POINT OF zu tun haben könnte, Henner?« Sie machte sich zweifellos Sorgen um ihren Mann, doch ihrer Stimme war nichts anzumerken. Henner Trawisheim breitete entschuldigend die Arme aus. »Ich weiß es nicht, Anja – und ehrlich gesagt bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich mir wünschen soll, daß es so wäre…« Gut zwei Stunden später hatte Anja Field nicht nur die Koordinaten bestimmt, an denen der Impulsstoß seinen Ausgang genommen hatte, sondern die Wissenschaftler aus dem unter Alamo Gordo gelegenen Forschungszentrum hatten auch eine Theorie beigesteu ert, worum es sich bei dem Phänomen handeln könnte. Geholfen hatte ihnen dabei ein zweiter, allerdings wesentlich schwächerer Impulsstoß. Ein örtlich begrenzter Bruch des Raum-Zeit-Kontinuums schien jedoch allen aufregend genug, um ein Raumschiff – aus dem nach längerer Diskussion zehn Ringraumer wurden – zu den bewuß ten Koordinaten zu schicken, auch wenn diese in einem Teil der Milchstraße lagen, der noch nie von einem terranischen Raumschiff besucht worden war. Zu ihrer eigenen Überraschung hörte sich Anja irgendwann sagen, daß sie die Expedition mitmachen wollte. Sie wollte einfach das Gefühl haben, etwas zu tun, anstatt nur zu Hause auf Terra zu hok ken und sich Sorgen zu machen – wobei die Tatsache, daß Ralf Larsen das Kommando über die Ringraumer-Gruppe führen sollte, ganz sicher nicht unerheblich zu ihrer Entscheidung beitrug. Schließ lich war Larsen praktisch seit der Zeit an Bord der GALAXIS ein guter, verständnisvoller Freund. Von Henner Trawisheim stammte der Vorschlag, auch einige Cy borgs mitzunehmen. Nur wenig später erging der Befehl an Holger Alsop, Bram Sass, Lati Oshuta und Mark Carrell, sich in Cent Field einzufinden und sich an Bord der ARROW zu begeben.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich Anja Field bereits wieder in ihrer Wohnung und suchte die Dinge zusammen, die sie auf die Reise in die Milchstraße mitnehmen wollte. Der Cyborg Per Paavo Dordig schaltete das Triebwerk des Beiboots ab, dessen Mutterschiff er zur Explosion gebracht hatte. Das große Raumschiff der Schwarzhäutigen würde seinen Hei matplaneten nie mehr wiedersehen, und wenn die Besatzung von ihren Entdeckungen auf diesem Planeten nichts nach Hause gefunkt hatte, war das Geheimnis um die unterseeische Werft der Mysteri ous nach wie vor in den Händen der Menschen. Und Dordig fühlte sich als Mensch. Er begriff nicht, daß er krank war, daß sein Gehirn sich verändert hatte, besonders in den letzten Stunden. Die Plattform, von der die Roboter zu ihrem Raumschiff hochge flogen waren, war leer. Sie wiegte sich sanft in der Dünung des Ozeans, der den gesamten Planeten zu umspannen schien. Der Wind warf niedrige Wellen an den Strand, und die fremdartigen Gräser bewegten sich genau wie Grashalme auf der Erde. Langsam drehte Dordig sich um, den Schocker schußbereit in der Rechten. Hinter seinem Sitz lagen Manu Tschobe, Jos Aachten van Haag und Chris Shanton in Paralyse. Dordig grinste zufrieden. Sein Gesicht nahm einen träumerischen Ausdruck an, als er an die Reise dachte, die er mit ihnen unterneh men wollte. Lässig erhob er sich, stieg über Chris Shanton hinweg und ging auf die kleine Schleuse zu. Er sah nicht, wie zwei Pranken Schrott-Jimmy hochhoben und auf die Reise schickten. Fast lautlos flog Shantons nicht mehr funktions fähiges Spielzeug quer durch den kleinen Leitstand – und traf Dor dig mit voller Wucht am Kopf. Der Cyborg, der nicht auf sein zweites System geschaltet hatte, schrie auf. Verzweifelt ruderten seine Hände durch die Luft, suchten nach einem Halt. Sie griffen ins Leere. Er fiel nach vorn, prallte mit dem Kopf gegen die Schleusenkante, und als er zu Boden stürzte, ahnte der Diplom-Ingenieur bereits, was mit seinem Gegner geschehen war. Schwerfällig erhob sich der Dicke, der kaum seine Glieder bewegen konnte. Er hatte unwahrscheinliches Glück gehabt, denn er war als Letzter geschockt worden – von einem Paraschocker, dessen La dung zu Ende gegangen war. So hatte ihn nur noch ein Teil der ihm zugedachten Dosis erwischt. Shanton kniete sich neben Dordig, schob Schrott-Jimmy zur Seite und drehte den Cyborg vorsichtig auf den Rücken. Er hätte ruhig rauher mit ihm umgehen können. Dordig war tot. Chris Shanton fühlte kein Bedauern, als er den Cyborg schnaufend
und schwitzend zur Seite zog. Dann kroch er zum Außenschott, atmete die frische Luft tief ein und wartete, daß die letzten Nach wirkungen des Schockertreffers abklangen. Sein Magen knurrte. Schwerfällig stieg er über Jos hinweg und begann die Einrichtung des Beiboots zu inspizieren. Er betrachtete die Ablagen und überlegte, wie die Fächer wohl zu öffnen waren. Das beruhigende Rauschen der Brandung und das gleichmäßige Säuseln des Windes schufen eine Atmosphäre, die ihn vergessen ließ, daß er sich auf einem fremden Planeten aufhielt. Wenn nur der Hunger nicht gewesen wäre. »Nanu!« stieß er aus, als ein Fach unerwartet aufflog und eine La de gegen seinen Bauch stieß. Ihr Inhalt erwies sich als uninteres sant. Wichtiger war ihm zu erfahren, wie er das Fach geöffnet hatte. Seine Pranken, die trotz ihrer Größe in der Lage waren, winzige Sensorelemente miteinander zu verbinden, tasteten die Flächen ab. »Nichts!« knurrte er und wurde immer unzufriedener. Wütend stieß er die Lade zu und drückte an der, die darüber lag. Auch sie stieß gegen seinen Prachtbauch. Plötzlich hatte er eine Idee – und sein nächster Versuch bewies, daß er recht hatte. Die Fächer öffneten sich, wenn er eine Hand dagegenlegte und die Körpertemperatur wirksam wurde. Erst als er bereits etliche Fächer kontrolliert hatte, stieß er auf Le bensmittel der Schwarzen. »Heiliger Strohsack, was mag das für ein Fraß sein?« Trotz seines Hungers betrachtete er mißtrauisch den Tablettenvor rat, der in Klarsichtverpackungen vor ihm lag. Unbekannte Früchte waren auf den Verschlüssen abgebildet, oder Gerichte, die ihm nichts sagten. Noch weniger gefiel ihm, daß er diese schneeweißen Tabletten von kaum einem halben Zentimeter Durchmesser trocken schlucken sollte. Woher sollte er denn wissen, ob eine Tablette für eine Person reichte oder für acht oder zehn bestimmt war? Er griff in die Lade – und erlebte die nächste Überraschung. Die Packung ließ sich nicht herausnehmen. Sie saß fest. »Verdammt!« fluchte er und versuchte es noch einmal. Doch seine Fingerkuppen glitten ab. Aber weiter rechts hatte sich eine bisher nicht sichtbare Klappe geöffnet, und ein Mittelding zwischen Becher und Suppentasse schob sich heraus. Shanton griff zu, verzog das Gesicht und rieb sich die Handfläche am Hosenbein. »Verflucht heiß! Haben diese Schwarzen statt normaler Speise röhren vielleicht hitzeunempfindliche Plastikorgane?« Doch er vergaß den Schmerz schnell, als ihm appetitlicher Duft in die Nase stieg. Er schnupperte immer intensiver. »Bomben und Boliden, hab’ ich einen Kohldampf!« stöhnte er, und dann, auch auf das Risiko, sich noch einmal die Finger zu ver brennen, griff er zu, nahm das Gefäß aus der blitzenden Halterung und führte es an die Lippen.
Nach dem ersten vorsichtigen Kosten lief ein Strahlen über sein Gesicht. Die Schwarzhäute verstanden zu kochen! Genußvoll schlürfte er das Gefäß leer. Wohin damit? Er schob das Gefäß wieder in die Halterung. Im nächsten Moment verschwand es, die Klappe schloß sich; in der Lade sah er nur noch die Tabletten, die sich nicht herausnehmen ließen. »Gut«, stellte er satt und zufrieden fest, »nicht ganz so modern wie in der Kantine der Ringraumerhöhle, aber immerhin…« Dann machte er sich auf eine lange Wartezeit gefaßt. Tschobe und Jos hatten die volle Dosis abbekommen, als sie von Dordig geschockt worden waren, und es konnten noch Stunden ver gehen, bis sie wieder bei Bewußtsein waren. Er betrachtete Jimmy, der nur noch Schrottwert hatte, und erin nerte sich an die unbekannten Werkzeuge in einer der Laden. Vielleicht… Als er sich erhob, um sich das Werkzeug genauer anzusehen, glaubte er fest daran, Jimmy wieder einsatzfähig machen zu kön nen. Es mußte klappen, denn mit einem aktionsfähigen Robothund wä ren sie niemals in diese miese Lage geraten. Chris Shanton pfiff vor sich hin. Nicht schön, aber laut. Doch das spielte keine Rolle, denn er war allein. Die beiden Bewußtlosen hörten ihn nicht. Der Weltraum, in dem sich die POINT OF befand, war blaßblau und angefüllt mit zuckenden, gigantischen Spiralen, die sich überschnit ten, unterliefen, senkrecht nach unten stießen oder aus der Tiefe hochjagten. Spiralbahnen unvorstellbarer Ausmaße! Und verloren darin, mit ausgefahrenen Teleskopstützen, das Flaggschiff der TF, die POINT OF! Die Ortungen waren ausgefallen. Tino Grappa fühlte sich hilflos. Die Männer in dem Ringraumer glaubten an keine Rückkehr mehr. Dhark schaltete zum Triebwerksraum durch. Miles Congollons melancholische Augen blickten ihn fragend an. Dann bewegte der Chefingenieur seine Lippen. »Ich suche immer noch den Materie-Sender, der uns hier ausgespuckt hat, Dhark.« Die Triebwerksanlage des Flaggschiffes war okay. Sie hatte den Transfer in ein anderes Universum unbeschadet überstanden. Aber Congollon hatte mit seiner Frage nach der Gegenstation des Mate rie-Senders ein wichtiges Thema angeschnitten. Vorläufig war daran aber nicht zu denken. Solange die Ortungen versagten, konnte nicht einmal bestimmt werden, ob sich der Ringraumer im freien Fall bewegte oder mit hoher Geschwindigkeit durch das fremde Univer sum jagte. Dan Rikers Blick hatte sich an der Bildkugel festgebrannt. Die In strumente beachtete er nicht mehr. Sie standen – mit Ausnahme
der Geräte, die die Funktionen im Schiff anzeigten – auf Null. Wie bei der Ortung war alles tot. Genauso in der Funk-Z. Glenn Morris gab es gerade durch. Nicht besonders erregt. Seit sie die Sternen brücke zu Gesicht bekommen hatten, war es ja nicht zum erstenmal der Fall. »Hast du nicht behauptet, beim Durchbruch nach Erron-3 würde der Riß stabil bleiben, Ren?« »Solange der Materiesender auf Planet 1 arbeitet.« »Und woran erkennt man, daß er arbeitet?« Dan Riker konnte wie ein Inquisitor fragen. Der Commander blieb die Antwort schuldig. Er griff in die Tasche und zog ein handspannenlanges, gut einen Zentimeter dickes und dreieinhalb Zentimeter breites, dunkelblaues Etui heraus. »Was ist das?« Dan Riker hatte ausgesprochenes Pech mit seinen Fragen, denn auch diese blieb unbeantwortet. Dann interessierte ihn die Antwort auch nicht mehr. Er sah, wie sich das Etui von selbst öffnete. Eine winzige, blitzende Kugelantenne auf einem flexiblen, extrem dünnen, knapp einen halben Meter langen Stab fuhr aus. Das gibt’s doch alles nicht, dachte Riker und beobachtete seinen Freund, der die drei kleinen Instrumente betrachtete, die in Zahlen symbolen der Mysterious Werte angaben. Dhark wandte sich Riker zu und rasselte eine Reihe von Koordi naten herunter. »Den Kurs darauf einstellen.« Dann schaltete er wieder zum Triebwerksraum. »Congollon, ich gebe Ihnen jetzt ein paar Werte durch. Schalten Sie so schnell wie möglich um und benachrichtigen Sie mich nach erfolgter Doppelkontrolle. Denken Sie daran, daß jetzt nichts schief gehen darf.« Miles Congollons Frage, um was es sich denn handeln würde, wur de durch die Angaben des Commanders abgewürgt. Eine Zahlenkolonne nach der anderen gab er durch. Von Congollon war hin und wieder ein Grunzen zu hören. Im Leitstand gab es keinen Offizier, der die Anweisungen des Commanders begriff. Man konnte sich nicht vorstellen, um was es sich überhaupt handelte. »Die Intervalle brauchen wir hier nicht. Schalten Sie alle Flächen projektoren ab und blockieren Sie sie, Congollon!« »Erledigt, Dhark. Noch etwas?« »Führen Sie bitte die Doppelkontrolle durch!« Es dauerte eine gewisse Zeit, ehe wieder Congollons Stimme zu hören war. »Doppelkontrolle durchgeführt. Aber darf ich mal fragen, was diese blödsinnige Einstellung soll?« »Congollon, wir schaffen damit eine negative Stabilitätszone!« »Eine was?« bellte der zurück. »Dhark, soll das ein Witz sein?« Dan Riker zweifelte am Verstand seines Freundes. Eine Stabili tätszone war wie der Name schon sagte etwas Stabiles; im Zusam menhang mit diesem Begriff gab es doch weder positiv noch nega tiv.
Eine negative Stabilitätszone war physikalischer Unsinn! Gelassen fragte Dhark zurück: »Congollon, sagen Ihnen die Ein stellungswerte etwas, die ich Ihnen eben durchgegeben habe?« »Das ist es ja! Ich verstehe sie nicht.« »Dann überlassen Sie mir die Verantwortung – und glauben Sie mir einfach, daß es in diesem blaßblauen Bereich positive wie nega tive Stabilitätszonen gibt. Nur mittels der negativen sind wir in der Lage, unser Schiff auf Fahrt zu bringen. Wir erzeugen mit unseren umgeschalteten Triebwerken einen Bereich, der sich zum umgebenden Raum negativ verhält. Mit anderen Worten, wir werden gemäß unserer Triebwerkseinstellung in die von uns gewünschte Richtung angezogen.« Miles Congollon war blaß geworden. Er konnte nicht begreifen, wie man mit seinem Triebwerk, das er doch zu kennen glaubte wie kein zweiter Mensch, eine negative Stabilitätszone schaffen konnte. »Congollon, es stimmt, was der Commander gesagt hat!« Auch wortkarge Menschen können hin und wieder unaufgefordert reden. Das beste Beispiel war Arc Doorn auf Planet 1. Er hatte über den Wegweiser in Dharks Hand mitgehört – und er mußte begriffen haben, was Dhark bezweckte. Dhark sah seinen Freund im Copilotensessel kurz an. »Dan, hochschalten!« Riker zögerte. »Auf Fahrt gehen? Sle oder Sternensog, Ren?« »Auf Fahrt gehen, aber es gibt jetzt weder Sle noch Sternensog.« Er stellte das Etui mit der Kugelantenne auf das langgestreckte In strumentenpult. Weit beugte er sich vor, um die Werte an den drei kleinen Instrumenten ablesen zu können. Dan Riker schaltete. »Fahr auch die Teleskopbeine ein, Dan.« In der Zentrale wurde es still. Jeder wartete, aber niemand konnte präzise sagen, worauf. Einer der Offiziere am Checkmaster rief dem Commander mit krächzender Stimme zu: »Checkmaster hat abgeschaltet.« Das war für Dhark keine Überraschung. Grappa glaubte auch, sich melden zu müssen. Seine Ortungen lagen nach wie vor brach. Nur die Funk-Z rührte sich nicht. Dort hatte man es sogar aufgegeben, mit der Echo-Kontrolle zu arbeiten. Sie erbrachte ebensowenig wie alles andere. Im Blaßblauen gab es weder Normalempfang noch ein einziges Geräusch auf den Hyper funkfrequenzen. »Ein Funkfriedhof!« hatte Walt Brugg gesagt, und die anderen hatten es ihm geglaubt. Seither hockten sie mehr oder weniger mißmutig herum und warteten. Stumm saß Dhark vor seinem Wegweiser. Stumm hockte Riker im Copilotensessel. Je mehr Zeit verrann, seit er auf Fahrt gegangen war, um so mehr glaubte er, daß sein Freund einem Irrtum zum Opfer gefallen war. Mit dem Flaggschiff war keinerlei Veränderung vor sich gegangen; die zuckenden, gigantischen Spiralen um sie herum hatten sich so wenig verändert wie die Spiralbahn vor ihnen.
Dicht vor ihnen? Weit vor ihnen? Niemand vermochte es zu sagen. In diesem Universum gab es keine Vergleichsmöglichkeiten. Aus diesem Grund zögerte Riker zu behaupten, die POINT OF würde sich höchstens im freien Fall bewe gen, obwohl die Instrumente nach wie vor auf Null standen. Nur nicht die komische Antenne am kleinen dunkelblauen Etui. Woher hatte Dhark es? Aus der Station im Innern von Zwitt? Unmerklich bewegte sich die Antenne. »Grün 2 Minuten und 18 Sekunden mehr, Dan!« Automatisch reagierte Riker; das Bild, das die Kugel lieferte, ver änderte sich auch nach der vorgenommenen Kursregulierung nicht. »Und auf Rot 8 Minuten und 1 Sekunde heruntergehen!« Die Bordverständigung knackte. Miles Congollons Stimme klang nicht begeistert. »Dhark, können Sie mir erklären, warum wir Ener gie aufnehmen, obwohl das Triebwerk bei mir kräftig rauscht?« Gelassen erwiderte Ren Dhark: »Um eine negative Stabilitätszone erzeugen zu können, muß man dem umgebenden Raum seinen po sitiven Charakter nehmen. Was Sie im Triebwerk rauschen hören, ist der gleiche Vorgang, den man akustisch bei einem arbeitenden Transformer wahrnimmt.« Das war der Augenblick, in dem Dan Riker mit sich selbst unzu frieden war. Warum hatte er es versäumt, das Mentcap-Archiv im Mittelpunkt Zwitts aufzusuchen? Nur aus Mentcapwissen konnte Ren seine Er fahrungen gewonnen haben. Und es war für Riker bestürzend, mit welcher Sicherheit sein Freund sich in diesem Blaßblauen benahm. Die zuckenden, gigantischen Spiralbahnen mit ihrem schwachen Leuchten, das alle Primärfarben enthielt, hatten nach dem ersten überwältigenden Eindruck alles Faszinierende für ihn verloren, wäh rend alle anderen im Leitstand dieses Wunder immer wieder teils begeistert, teils mißtrauisch beobachteten. Die Zeit verrann. Der Raum um sie veränderte sich nicht. Spiral bahnen kamen zuckend und vergingen zuckend. Neue traten an ihre Stelle. An dieselbe Stelle. Warum hatte sich die astronomische Abteilung nicht gemeldet, seit sie sich in diesem blaßblauen Fremdraum aufhielten? Riker konnte nicht einmal ahnen, was sich dort abspielte. Die Wissenschaftler waren verzweifelt, weil auch ihre Geräte und Apparaturen versag ten. Nur die Bildkugel stand ihnen zur Verfügung, aber sie konnte ihnen nicht das liefern, was sie wissen wollten. Jens Lionel hatte eine kluge Entscheidung getroffen. »Dhark wird nicht angerufen; wir warten, bis er sich mit uns in Verbindung setzt.« Aber Dhark rief sie nicht an. Auch nach Stunden nicht. Er saß vor nübergebeugt im Pilotensessel und beobachtete ununterbrochen die drei Instrumente des Wegweisers. Er glaubte an Erron-3, aber auch er konnte sich nicht vorstellen, was Erron-3 war.
Ein paarmal hatte er schon gelauscht. Ein paarmal hatte er ge glaubt, sich geirrt zu haben, aber als er das feine Singen abermals aus dem Etui dringen hörte, war er sich seiner Sache sicher. Ein Peilton, der schnell lauter wurde. Bald war er nicht mehr zu ertragen. Ein Mann nach dem anderen schloß seinen Klarsichthelm. Ver ständigung war nur noch über Helmfunk möglich. »Dan, auf halbe Fahrt gehen!« Das hieß doch, daß sie kurz vor dem Ziel standen, aber wo um al les in der Welt war dieses Ziel? Der Raum mit seinem blaßblauen Leuchten und seinen Spiralbahnen sah unverändert aus. Warum gab es in diesem Kontinuum keinen einzigen Stern, oder sollten diese zuckenden Bahnen das Äquivalent von Sternen sein? »Dan, auf minus 10 schalten!« Verwirrt starrte Riker seinen Freund an. Abbremsen? Die POINT OF abbremsen? In diesem Universum war wohl alles auf den Kopf gestellt! Dage gen war das Karmin das reinste Erholungsparadies gewesen! »Auf minus 10 schalten!« wiederholte Dhark. Er konnte sich vor stellen, wie verwirrt Dan war, aber er hatte jetzt keine Zeit, ihm zu erklären, daß der Ringraumer nur mittels einer übersättigten positi ven Stabilitätszone abgebremst werden konnte. Sie befanden sich dicht vor dem Ziel. Vor Erron-3! Das Schiff wurde atompisch! Er konnte diesen Begriff nicht übersetzen. Er war und blieb ein Fremdwort in Angloter, genau wie der Ausdruck ertobit! In diesem Augenblick veränderte sich alles. Die POINT OF wurde von einer Spiralbahn erfaßt! Die Bildkugel in der Zentrale und ihre Ableger in den übrigen Räu men wurden beinahe blind. Sie zeigte nur noch Blaßblau! »Auf minus 100 gehen, Dan! Schnell! Schnell!« Riker schaltete auf maximale negative Beschleunigung. Sein Blick huschte über die vielen Instrumente, aber nach wie vor standen sie auf Null. Aber ein Stück neben ihm veränderte sich etwas. Die Antenne fuhr ein! Der Kugelkopf verschwand im Etui. Ren Dhark nahm nach Stunden wieder eine normale Haltung ein. Sein Kreuz schmerzte, und tief durchatmend streckte er sich. Dann klappte er seinen Klarsichthelm wieder zurück. Im gleichen Moment klang Arc Doorns Stimme aus dem winzigen Gerät auf dem Instrumentenpult. »Heiliger Strohsack, habt ihr ein Tempo drauf.« »Sonst alles okay, Doorn?« »Alles okay, Dhark, der Riß im Raum-Zeit-Gefüge ist unverändert stabil.« »Doorn, Sie wissen, was von seiner Stabilität abhängt – was für uns davon abhängt.« »Ich weiß!«
Riker legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. »Ren, willst du uns nicht allmählich aufklären?« »Warum nicht? Wir haben etwas Zeit. Wenn wir stellar-eins er reichen, werden wir wohl wieder alle Hände voll zu tun bekommen. Im Augenblick befinden wir uns auf der Bahn von Erron-3. Nur was das sein soll, kann ich nicht sagen. Wir sind zur Zeit schneller, und die POINT OF wird mittels einer übersättigten positiven Stabilitäts zone abgebremst. Sobald wir uns atompisch angepaßt haben, be wegen wir uns auch in stellar-eins. Bitte, warten Sie ab, und stellen Sie keine Zusatzfragen. Ich bin auch nicht über alles informiert. Aus meinem Gespräch mit Arc Doorn haben Sie entnehmen können, daß es in seiner Hand liegt, ob wir den Rückweg finden. Ich glaube, darüber brauchen wir uns die allerwenigsten Sorgen zu machen.« Dan Riker überging Dharks Bitte, keine weiteren Fragen zu stellen. »Doorn wunderte sich über unsere hohe Geschwindigkeit, Ren. Wieso kann er die Geschwindigkeit der POINT OF feststellen, wäh rend wir bis auf den Eintritt in eine Spiralbahn nicht das geringste feststellen konnten?« Dhark sah Riker nachdenklich an. »Diese Frage hatte ich erwartet. Hast du schon einmal freigewordene Atompartikel beobachtet, Dan?« Seit die Technik der Mysterious auf Terra Einzug gehalten hatte, war dieses faszinierende Schauspiel schon ein paar tausendmal über die Bildschirme gegangen. »Warum fragst du?« »Weil anscheinend niemand begriffen hat, daß die zuckenden Spi ralbahnen nichts anderes sind als vorbeirasende Sonnensysteme! Wir befinden uns mitten im Sternendschungel einer fremden RaumZeit-Struktur. Sie unterscheidet sich von unserem Kontinuum darin, daß hier die Zeit millionenfach schneller abläuft als bei uns. Und sie unterscheidet sich darin, daß es einige bei uns unveränderliche phy sikalische Gesetzmäßigkeiten hier nicht gibt. Welcher Ersatz an ihre Stelle getreten ist, weiß ich nicht.« Dan Riker umklammerte die Lehnen seines Sessels. Er hatte ver standen, was Dhark gesagt hatte -jetzt versuchte er es zu verarbei ten. Sonnensysteme waren als zuckende Spiralbahnen, die aus Raum tiefen kamen und wieder darin verschwanden, an ihnen vorbeige rast. Das bedeutete, daß sich die Sterne in diesem Kontinuum an ders bewegten als im heimatlichen! Und hier sollte die Zeit millionenfach schneller ablaufen als in ih rem Universum? Demnach war die POINT OF hier ein Fremdkörper, und sie war mit ihrer Eigenzeit in dieses fremde Universum eingedrungen. Wenn sie sich an die Sterngeschwindigkeit anpassen würde, würde die Zeit konstante dieses Universums auch für sie gelten. Fremdkörper – Eigenzeit – Sterngeschwindigkeit – Zeitkonstante! Plötzlich stieg ein furchtbarer Verdacht in Riker auf. Wenn in die
sem Universum alles millionenfach schneller ablief als in ihrem eige nen, dann würden sie ja auch millionenfach rascher altern! Dann gab es keinen Weg zurück! Dann würde es nur noch einen Sarg geben, der POINT OF hieß, der ebenfalls über kurz oder lang zerbröckeln würde, denn selbst Unitall war nicht für die Ewigkeit! Er beugte sich vor und flüsterte Ren Dhark seine Überlegungen zu. Beruhigend legte ihm Dhark die Hand auf die Schulter. »Wenn wir stellar-eins erreicht haben, spielt es für uns keine Rolle mehr, welche Form in diesem Universum die Zeit-Konstante hat, aber wir haben erst mit stellar-eins den Eintritt in diesen Weltraum endgültig geschafft. Im Augenblick liegen wir noch im Wirkungsbe reich des Materie-Senders von Planet 1 im Zwitt-System.« Riker war nicht der einzige, der ihn verständnislos ansah. »Warum mußte ich dann die POINT OF abbremsen? Das ist doch ein Widerspruch.« »In unserem Kontinuum. Nicht in diesem. In diesem ist Raumfahrt nur mittels der negativen Stabilitätszone möglich, die anderen phy sikalischen Gesetzen unterliegt. Damit wird die Physik aber nicht auf den Kopf gestellt. Wir haben in diesem Bereich nur zu vergessen, welche Gesetze in unserem Kontinuum herrschen. Das ist alles, und es ist alles viel einfacher zu verstehen, wenn man diesen Weltraum mit den ihm eigenen Naturgesetzen betrachtet.« »Du hast gut reden!« stieß Riker aus. »Ich mußte mit dem neuen Wissen auch erst fertig werden.« Dieser einfache Satz erstickte jede Diskussion. Commander Dhark hatte seine Offiziere beschämt – und ihnen gleichzeitig den Rat gegeben, ihren Verstand zu benutzen und sich mit den hier angefal lenen Problemen zu befassen. Das Blaßblau, das die POINT OF einhüllte, reichte nicht mehr bis in die Ewigkeit. Überall hatte es seine Grenzen, und in seinen Grenz bereichen verlor es seine Farbe. Ob die Mysterious aus diesem Universum ihre Vorliebe für die Farbe Blau bezogen hatten? Abrupt war der Übergang! Auch Ren Dhark hatte ihn zu diesem Zeitpunkt nicht erwartet. Das Blaßblau um sie herum riß auf, verschwand blitzartig. Sie hatten stellar-eins erreicht! Sie waren endgültig in einem fremden Universum angekommen. Sie waren eins geworden mit der hier herrschenden Zeit-Konstante. Aber was sie sahen, riß selbst die Männer in der Zentrale, die ei niges gewohnt waren, von ihren Plätzen! Die Bildkugel zeigte ihnen ein unglaubliches Bild: Sie schauten in einen schwarzen Trichter, dessen Drehbewegung deutlich erkennbar war. Und dieser Trichter stand auf einem Planeten. Ein Teil der O berfläche war zu sehen. Wurde dieser Teil stellenweise von Wolken verdeckt? »Meine Herren, auf die Plätze!« Ren Dhark hatte sich als erster von der Überraschung erholt. Ein
Blick auf die Instrumente hatte ihm gezeigt, daß sie wieder arbeite ten. Die Ortungen liefen, als befände sich der Ringraumer nicht in einem fremdartigen Universum. Der Checkmaster hatte sich wieder eingeschaltet. Ob er auch auf dieses Raum-Zeit-Kontinuum programmiert war? Nur in der Funk-Z hatte sich wenig geändert. Normal- und Hyper funk lagen nach wie vor still. Einzig die Echo-Kontrolle arbeitete, aber weder Glenn Morris, noch Walt Brugg oder Elis Yogan konnten mit den Werten etwas anfangen. Ren Dhark hatte die POINT OF wieder übernommen. Er wollte den Ringraumer nicht in diesen Trichter hineinjagen. Noch nicht. Er schaltete vom übersättigten positiven Stabilitätsbereich auf den negativen um. Die Geschwindigkeit des Schiffs blieb nach wenigen Sekunden konstant. Nun erging es ihm genauso wie vorhin Dan Riker. Unwillkürlich stellte er sich die Frage: Sind hier Sekunden tatsächlich Sekunden? »Unsinn!« murmelte er und schüttelte die nutzlosen Gedanken ab. Er drehte den Kopf und rief seinen Offizieren am Checkmaster zu: »Anfrage: Was ist Erron-3?« Ein Planet, hätte Dan Riker beinahe gesagt, aber im letzten Mo ment schluckte er die Bemerkung hinunter. Erron-3 ist Erron-3! Riker stieß einen Fluch aus. »Ob der mit der alten sibyllinischen Hexe verwandt ist?« Der Überlieferung nach hatte die Sibylle von Cumae ebensolche Antworten gegeben. Nur Dhark sagte diese Antwort mehr als den anderen. Sein neues Mentcapwissen kam ihm zu Hilfe – ein Wissen, das leider nicht voll ständig war. Erron-3 ist Erron-3! In Gedanken sprach er sich diese Auskunft ein paarmal vor, und je öfter er es tat, um so mehr Gewicht bekam sie. Erron-3 ist Erron-3! In 180.000 Kilometern Höhe stoppte er die POINT OF. Mitten über dem schwarzen Riesentrichter stand das Schiff im freien Fall. Rundspruch an alle Besatzungsmitglieder des Ringraumers: »Wir haben unser Ziel fast erreicht. Unter uns liegt ein Planet, auf dem sich Erron-3 befindet. Was wir uns darunter vorzustellen haben, ist noch unbekannt. Anweisung an alle wissenschaftlichen Stationen, sofort mit den üblichen Untersuchungen zu beginnen. Schiff bleibt bis zur letzten Auswertung im freien Fall. Ende.« Kürzer ging es wirklich nicht. »Ren, du hättest ruhig ein paar Sätze mehr zu den Männern sagen können«, hielt Riker ihm zu Recht vor. »Ich habe Angst, daß du sie eines Tages mit deinen spärlichen Informationen überforderst. Manchmal habe ich dich im Verdacht, du würdest Doorn nachah men.« Doorn!
Dhark versuchte mit Hilfe des Etuis mit Doorn zu sprechen.
Es gab keine Funkverbindung zu Planet 1 im Zwitt-System mehr.
»Mein Gott«, flüsterte Dhark. Die nächste Frage dachte er nur: Der
Materie-Sender auf Planet 1 wird doch nicht abgeschaltet worden sein? Er war abgeschaltet worden!
Aber nicht von Arc Doorn.
15.
Arc Doorn konnte es nicht fassen, aber er begriff, was es bedeutete: Ren Dhark und der POINT OF war der Rückweg ins heimatliche Uni versum verschlossen! Doorns Mitarbeiter starrten ihn an. Hilflos wie er. Noch hilfloser, denn sie waren nur in der Lage, nach seinen Angaben zu arbeiten. Und in ihrem hilflosen Blick entdeckte er die zweite Wahrheit. Sie hatten keine Möglichkeit, Terra über Funk zu erreichen. Die Sternenbrücke ließ auch keinen To-Funkspruch hinaus! »Machen Sie einmal Platz.« Er wollte einen letzten Versuch unternehmen, den Materie-Sender wieder einzuschalten. Aber er ließ es dann doch sein. Schon der erste Versuch nach dem Abschalten war sinnlos gewe sen. Dhark hatte es ihm erklärt und von Eigenbewegungen unter schiedlicher Universen gesprochen. »Wir haben uns dabei klarzumachen, was der Begriff Bewegung alles beinhaltet, zum Beispiel auch den Unterschied in gewissen physikalischen Konstanten der Universen. Und was angesichts sol cher Unterschiede schon eine einzige Sekunde ausmacht, können Sie sich vielleicht vorstellen, Doorn.« Der Sibirier konnte! Selbst wenn er mit dem Materie-Sender er neut einen Riß zum anderen Universum schaffen könnte, wäre jedes Bemühen sinnlos, weil Dharks Wegweiser nicht in der Lage sein würde, diesen Riß zu finden! Doorn starrte die Meßinstrumente an und fragte sich zum hundert stenmal: Wer hat den Materie-Sender abgeschaltet? Wer? Von draußen kam ein Schrei, laut und deutlich: »Die POINT OF ist wieder zurück! Die POINT OF ist wieder zurück!« Doch nach dieser Nachricht wurde es auffallend still. Verwundert nahm Arc Doorn sein Spezial-Vipho und fragte: »Was ist denn nun wirklich da draußen los?« Die Antwort klang so unglaublich, daß er sich selbst auf den Weg machte, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen. Chris Shanton war der perfekte Babysitter. Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag konnten sich über schlechte Behandlung nicht beklagen. Mit wahrem Heißhunger schlürften sie die gedickte Spei se, die ihnen ebenso schmeckte, wie sie vorher Shanton gemundet hatte. Aber das Knurren hatte der Diplom-Ingenieur auch nicht verlernt. »Jos, das nächstemal, wenn Sie der Ansicht sind, meinem Jimmy ans Fell gehen zu müssen, dann schießen Sie ihm mit Ihrem ver dammten Blaster nicht gleich drei Quitex-Kreise kaputt. Einer hätte
auch genügt. Himmel noch mal, haben Sie mir Arbeit gemacht!« Tschobe und Jos waren noch etwas mitgenommen, aber sie ver standen trotzdem, was Shanton ihnen gerade gesagt hatte. Der Afrikaner richtete sich etwas auf, drehte suchend den Kopf und nickte, als er feststellte, daß der Dicke sein robotisches Spielzeug wieder fit gemacht hatte. Offen zeigte er seine Bewunderung für Shantons Können, aber er begriff nicht, wie der Diplom-Ingenieur diese komplizierte Reparatur hatte durchführen können. »Damit!« sagte Shanton lakonisch und deutete auf die Werkzeuge der schwarzen Humanoiden, die überall auf dem Boden herumlagen. »Leider habe ich Jimmy nicht richtig durchprüfen können. Wir müs sen also darauf vorbereitet sein, daß er hier und da mal anders rea giert, als wir erwarten.« »Wenn er uns nicht wieder der Reihe nach schockt, soll es mir egal sein«, sagte Jos Aachten van Haag etwas leichtsinnig. Eine Stunde später, als die Sonne des unbekannten Planeten sich anschickte, langsam hinter dem Horizont zu verschwinden, verließen drei Männer und etwas, das wie das Zerrbild eines Hundes aussah, das Beiboot. Sie betraten die große Fläche dicht am Strand und waren sich einig, auf einer Piste zu stehen, die irgendwann einmal für Raumschiffe gebaut worden war. »Zurück nach Hope?« fragte Manu Tschobe. »Für heute zu spät!« widersprach Jos Aachten van Haag, der keine Lust hatte, sich nachts durch den Dschungel zum Transmitter zu rückzukämpfen. »Ich bin derselben Meinung«, pflichtete Shanton ihm bei. »Aber in diesem Zusammenhang mal eine Frage: Warum steht der Transmit ter mitten im Dschungel und nicht in der unterseeischen Werft? Hat sich jemand schon Gedanken darüber gemacht? Ich hatte Zeit ge nug, als ich Jimmy repariert habe…« Er stockte, drehte sich um und suchte sein Spielzeug. Jimmy war verschwunden. Auf das Steuergerät sprach er nicht an. Auch Shantons Fluchen half nichts. »Zum Teufel, habe ich bei der Reparatur etwas falsch geschaltet?« »Und ich fing gerade an, mich sicher zu fühlen!« warf Tschobe ein. »Es war irgendwie beruhigend, den Robotköter bei uns zu haben.« Shanton ließ seine Kameraden stehen, setzte seine zwei Zentner in Bewegung und lief zum Rand der Piste. Acht, vielleicht zehn Meter waren es bis zum Boden. Für sein Spielzeug kein Problem, für den Dicken eine lebensgefährliche Höhe. Er schaltete sein Steuergerät auf höchste Leistung. Aber der Robot auf vier Beinen tauchte nicht wieder auf. »Der ist weg!« sagte Shanton betroffen und schüttelte nachdenk lich den Kopf. Noch einmal durchdachte er, welche Kontroll-Checks er nach der Reparatur durchgeführt hatte, und er begriff nicht, war um Jimmy nicht auf seine Funkimpulse reagierte und zurückkam. Tschobe und Jos traten zu ihm. Auch sie blickten mißmutig in die Tiefe, dann zur Sonne hinüber, die hinter dem Horizont versank.
»Verbringen wir die Nacht im Beiboot, oder was machen wir?« frag te Jos drängend. »Ich habe wenig Lust, mir stundenlang die Sterne anzusehen.« Die Arme vor der Brust verschränkt und den Blick zu Boden ge richtet, meinte der Dicke. »Wenn Jimmy nicht verschwunden wäre, würde ich vorschlagen…« Er kam nie dazu, den Vorschlag zu machen. Wie eine Rakete kam Jimmy aus der Tiefe hochgeschossen. Er schaffte mehr als acht Meter Höhenunterschied. »Diese Piste besitzt einen Hohlraum«, sagte er mit blecherner Stimme, bevor Shanton ihn zusammenstauchen konnte. »In dem Hohlraum befindet sich ein großes Aggregat.« Er legte den eckigen Metallkopf, der überhaupt nicht mehr nach Scotchterrier aussah, wie früher etwas schief und blickte die drei Männer hundetreu an. »Wie kommen wir in den Hohlraum, Jimmy?« fragte Shanton und strahlte dabei über’s ganze Gesicht. »Direkt neben euch ist doch der Eingang!« Jimmys Ortungsanlage mußte wieder ausgezeichnet funktionieren, aber so intensiv die Männer auch suchten, sie fanden auf dem glat ten Boden der Landefläche nicht die Spur einer Öffnung. Alles wirkte wie aus einem Guß. »Wo denn?« fragte Shanton ungeduldig, weil es zusehends dunkler wurde. »Zeig uns endlich die Stelle, wo es nach unten geht!« »Du stehst doch drauf!« Gedankensteuerung! schoß es Tschobe in diesem Moment durch den Kopf. Er konzentrierte seine Gedanken nur auf diesen Punkt, und der Erfolg zeigte sich in dem Schrei, den der Dicke ausstieß, als der Boden unter seinen Füßen nachgab und er in die Tiefe schwebte. Ein A-Grav-Schacht war sichtbar geworden, eine Röhre von knapp zwei Metern Durchmesser! Jimmy sprang seinem Erbauer hinterher. Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag folgten. Die glatten Wände, an denen vorbei sie langsam tiefer schwebten, strahlten weiches blaues Licht aus, das ihren Augen guttat und sie an die Mysterious erinnerte. Nur wenige Sekunden dauerte der Transport im Schacht. Als Jos als letzter den Boden erreichte, schloß sich die Röhre wieder, und danach war nicht mehr die geringste Spur von ihr zu sehen. »Seht euch das an!« stieß Manu Tschobe aus und deutete auf die irisierende Kugel, die zur Hälfte in einer Grube stand, zu der eine mehr als fünf Meter breite Straße führte. Eine Kugel mit mehr als 30 Meter Durchmesser! Zwei halbkugelige Schalen sorgten für den Kontakt mit Boden und Decke. Sie standen vor einem Kugeltransmitter – aber einem von einer Größenordnung, die ihnen noch nie begegnet war. In der Mitte des flimmernden Energieballs flackerte es rot, als wolle etwas jeden Augenblick die Kugel sprengen und sich in den Raum stürzen.
Langsam traten die Männer an die Grube heran, die selbst eine Halbkugel war und mehr als vierzig Meter Durchmesser besaß. Die gebogene Wandung war in Griffhöhe ein einziges Instrumenten band, das hier und da durch Steuerschalter und Bildschirme unter brochen wurde. »Na«, sagte Shanton und kratzte sich seine Halbglatze. »Toll!« meinte Manu Tschobe. »Die Mysterious verstehen sich einfach auf Überraschungen. Großer Himmel, welche Leistung muß dieser Transmitter haben, wenn ich nur überlege, daß uns die Anla ge im Industrie-Dom wahrscheinlich ein paar hundert Lichtjahre weit durch den Raum transportiert hat.« »Und das da, meine Herren? Ist das nichts?« Shanton drehte sich, und seine Hand beschrieb einen Kreis. Seine Hand deutete auf M-Konverter, diese halbkugelförmigen, nahtlosen Tanks, die es in viel kleinerem Maßstab auch auf der POINT OF gab. Je eine Konverter-Kette rechts und links. So weit das Auge reichte. So lang die Piste war, und so breit sie war. Alle vier Seiten waren mit diesen Energie-Erzeugern ausgefüllt. Sie standen dicht an dicht. Es gab zwischen den nahtlosen Körpern keinen Zwischenraum. »Ein paar hundert«, stellte Manu Tschobe fest und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe schon wieder einmal überhaupt nichts mehr. Wieso haben die Mysterious diese Anlage hier untergebracht, denn bei einem Angriff aus dem Raum werden seit Äonen zuerst die Strahlstellungen und die Landeplätze vernichtet! Die Decke über uns dürfte bei einem hochenergetischen Angriff kaum Schutz gewähren. Im Gegensatz dazu wurde die Werft auf dem Grund des Ozeans angelegt. Und erinnern wir uns, wo die Geheimnisvollen ihr Indu striezentrum auf Hope gebaut haben.« Schulterzucken. Jimmy stand neben seinem Herrn und lauschte, sagte aber kein Wort. »Vielleicht stammt diese Transmitter-Anlage aus einer anderen Zeit. Vielleicht hatten die Geheimnisvollen in dieser Epoche keine Angriffe aus dem Raum zu befürchten«, warf Jos ein. »Reden bringt uns nicht weiter. Gehen wir bis zum Straßenanfang zurück«, schlug Tschobe vor, den es reizte, sich die Anlage aus der Nähe anzusehen. Mißtrauisch blickte Shanton auf. »Spielen Sie schon wieder mit dem Gedanken, eine kleine Reise zu unternehmen…?« Plötzlich schlug er die Hände zusammen. »Das hat Dordig gemeint!« rief er erregt, »als er gesagt hat: Wir werden gemeinsam eine kleine Reise unternehmen! Er hat diese Anlage gekannt.« »Und er muß sie mit Mildan auch ausprobiert haben!« warf Manu Tschobe seinen Begleitern den Köder hin. Nur konnte er damit einen Chris Shanton nicht fangen. »Ohne mich, Tschobe!« sagte er grinsend. »Mich zieht es wieder zu Mutter Erde. Mein Bedarf an Transmitter-Reisen ist für die nächsten zehn Jahre gedeckt.« Tschobe dachte noch nicht daran aufzugeben. »Sehen wir uns die
Sache an.« Sie sah gut aus. Die Straße führte mit schwachem Gefalle bis zur irisierenden Kugel. Der Abstand zwischen Wand und Kugel betrug gleichbleibend fünf Meter. Genug Platz also, sich vom irisierenden Innern fernzuhalten. Tschobe, der die einzelnen Schaltpulte studierte, schwärmte in Su perlativen. Wesentlich weniger begeistert folgten ihm Shanton und Jos. Beide hatten sich durch Blicke darauf geeinigt, diesen Transmit ter nicht zu benutzen. Über einem Schaltpult flammte ein Bildschirm auf. Er war schwarz, aber in der Schwärze befand sich ein grell leuchtender Punkt, der von winzigen Körpern umlaufen wurde. Bildschirm um Bildschirm schaltete der Afrikaner ein. Unbekannte Sternbilder waren zu sehen, einzelne Sonnen, die aber allesamt Planeten besaßen, aber in keinem Fall war zu erkennen, wo in der Galaxis sich diese Sterne befanden. »Schade, daß die Mysterious keine Gegenanlage auf Terra aufge baut haben, Tschobe. Den Weg würde ich benutzen, aber nur den!« orgelte Chris Shanton. Tschobe gab keine Antwort. Er schaltete den zehnten oder zwölf ten Bildschirm ein, dabei hatten sie erst ein knappes Fünftel der irisierenden Kugel umrundet. Und dann hielten die Männer den Atem an. Sie sahen neun Sonnen! Neun Sterne, die in gleichmäßigem Abstand in einem weitgezo genen Halbkreis im Raum schwebten und durch ein schwach leuch tendes Band verbunden waren. »Ein Band?« zweifelte Shanton, dessen Interesse plötzlich er wachte. »Ein Band… oder ein Schlauch? So etwas!« Manu Tschobe hatte nicht auf die Worte des Dicken geachtet. Ihm war aufgefallen, daß dieses Schaltpult sich durch seine vielen Steu erschalter von den übrigen unterschied. Er studierte die Zahlensym bole. Der Wert Sieben war auffallend deutlich angebracht. Langsam betätigte er den Schalter, kippte ihn von einer Position in die ande re, und bei jedem Positionswechsel tauchte eine andere Sonne allein auf dem Bildschirm auf. Schalterstellung sieben! »Das ist doch keine Sonne!« stieß Tschobe überrascht aus. »Ein Planet?« In Shantons Stimme lag Zweifel. Er begriff nicht, warum die siebte Sonne nicht zu sehen war. Höchst interessiert beugte er sich vor, musterte den Bildschirm, und dann deutete sein Zeigefinger nacheinander auf drei weitere Punkte. »Insgesamt vier Planeten! Vier Planeten ohne Sonne? Tschobe, schalten Sie doch noch einmal das Gesamtbild ein.« Neun Sterne waren wieder zu sehen, aber nur der siebte interes sierte sie noch. »F-Typ, wenn mich meine kümmerlichen astronomischen Kennt nisse nicht im Stich lassen«, murmelte der Dicke. »Hm, Tschobe,
können Sie mir erklären, warum die siebte Sonne nicht in Einzeldar stellung zu sehen ist? Oder sollte sie nach der Darstellung der Pla neten zu sehen sein? Los, machen wir die Probe.« Jos Aachten van Haag kam sich überflüssig vor. Sterne und Pla neten waren nicht sein Fall. Sie konnte er nicht jagen. Und wie schnell Chris Shanton seinem Vorsatz untreu geworden war. Eben hatte er noch mit Stentorstimme behauptet, er wolle so schnell wie möglich nach Terra zurück, und nun mußte er unbedingt wissen, warum man diese siebte Sonne nicht sehen konnte. In ge wisser Hinsicht waren seine beiden Begleiter wie Kinder, die hinter jedem Fragezeichen ein neues Abenteuer sahen. Tschobe schaltete. Vier Planeten tauchten auf und verschwanden, als der Schalter die nächste Position erreicht hatte. »Das ist die achte Sonne!« knurrte Shanton unzufrieden. Tschobe barst fast vor Neugier. Noch einmal glitt sein Blick über das Schaltpult. Die oberste Reihe der Schalter hatte er noch gar nicht betätigt. Zurück zu den Planeten. »Warum das?« fragte Shanton. Der Afrikaner wollte sich nicht ablenken lassen und ignorierte die Frage. Statt dessen probierte er die Schalterreihe durch. Beim ersten: nichts! Beim zweiten das gleiche Resultat. Aber beim dritten! Der Bildschirm schien auseinanderzufliegen. Sie sahen einen Teil der Oberfläche eines unbekannten Planeten. Jetzt drängte sich auch Jos Aachten van Haag vor. Drei Männer starrten den Bildschirm an. Ihnen blieb förmlich die Luft weg. Ein Trugbild narrte sie! Mußte sie narren! Sie sahen die POINT OF! »Nein«, flüsterte Shanton. »Nein.« Tschobe nickte. Er konnte auch nicht glauben, was er sah. »Nein, das ist nicht die POINT OF! Wer kann auf dem Rumpf einen Buchstaben sehen?« Scharf hatte Tschobe seine Frage gestellt. »Wir haben es mit einem Schiff der Mysterious zu tun. Da! Seht! Geht da nicht ein Wesen die Rampe hinunter? Shanton, können Sie es nicht erkennen? Und Sie, Jos?« »Machen Sie uns nicht total verrückt«, fauchte der Dicke. »Natür lich kann ich es sehen, ich habe ja Augen im Kopf! Großer Himmel, die Mysterious! Die Geheimnisvollen! Sie leben also doch noch! Tschobe, können Sie die Vergrößerung nicht höher schalten? Geht es wirklich nicht weiter?« Es ging nicht weiter, so viel Tschobe auch schaltete. Über eine unbekannte Entfernung hinweg sahen sie die Mysteri ous! Die Geheimnisvollen, denen Terra und die Menschheit so un endlich viel zu verdanken hatten! Wesen, die den Menschen glichen!
Wesen, die ihre Ringraumer flogen! Shantons Pranken krallten sich um Tschobes Schultern. »Ist der Transmitter auf dieses Ziel justiert?« »Natürlich!« »Worauf warten wir dann noch? Große Milchstraße, ich möchte endlich einem Mysterious die Hand schütteln. Wer bleibt hier?« Niemand! Manu Tschobe überprüfte noch einmal die Kontrollinstrumente. Die Erfahrungen, die er mit dem Kugeltransmitter im Industrie-Dom gemacht hatte, kamen ihm zugute. Fein-Justierung! Das Bild auf dem Schirm wurde nicht schärfer. Nach wie vor zeigte es einen Ringraumer vom Typ POINT OF, der auf seinen Tele skopbeinen stand und die breite Rampe ausgefahren hatte. »Fein-Justierung steht!« »Dann los!« drängte Shanton. Tschobe machte den Anfang. Er ging als erster in die riesige irisierende Kugel hinein und auf das unruhige rote Flackern im Mittelpunkt zu. Shanton und Jos sahen ihn mit jedem Schritt kleiner und kleiner werden. Das unregelmäßige Flackern im Zentrum der energetischen Kugel bekam etwas Gespenstisches. Plötzlich schoß, grelles, ultrablaues Licht in den Raum unter der Piste, ein einmaliges, kurzes Aufleuchten. Dann leuchtete es in dem irisierenden Gebilde wieder flackernd rot. Manu Tschobe war ver schwunden. Der Transmitter hatte ihn zur Gegenstation befördert. »Los, Jos, wir sind dran! Gehen wir zusammen ‘rein?« Schulter an Schulter betraten sie die Anlage. Drei Schritte vor ih nen lief der Robothund. Ihr Ziel war das flackernde rote Leuchten. Wieder schoß ultrablaues Licht aus der Kugel. Abermals hatte die Anlage zwei Menschen und einen Robot zur Gegenstation auf einen anderen Planeten befördert. In der Station gab es niemanden mehr, der hätte beobachten kön nen, wie die Automatik alle Einstellungen am Schaltpult löschte und nur den Wartebereich unangetastet ließ. Auch Dan Riker wußte, was geschehen war. Es gab keine Verbindung zum heimatlichen Kontinuum mehr. Der Riß zwischen zwei Universen hatte aufgehört zu existieren. »Erron-3«, murmelte Riker und hätte die Bildkugel, die ihnen den schwarzen Trichter und einen Teil der Planetenoberfläche zeigte, am liebsten zertrümmert. Abermals schaltete Dhark auf Rundspruch. Es war notwendig, daß er auch den letzten Mann über ihre Lage aufklärte. Er schloß seine Ausführungen mit den Worten: »Wir brauchen alles Glück, das wir haben können. Wir müssen unserem Verstand Höchstleistungen abringen. Wir haben in diesem Kontinuum aber
nur hinsichtlich der veränderten physikalischen Verhältnisse umzu denken. Wenn wir uns das vor Augen halten, ist unsere Lage beilei be nicht hoffnungslos. Ich betreibe damit keine Schönfärberei. Der Begriff sehr gefährliche Situation wird der Wirklichkeit am ehesten gerecht. Mehr hätte ich im Augenblick nicht zu sagen. Im übrigen warte ich auf die Endwerte aus den einzelnen wissenschaftlichen Abteilungen. Doch – noch etwas. Ich bin jederzeit für jeden zu sprechen. Nie mand soll das Gefühl haben, nur ein unwichtiges Mitglied der Besat zung zu sein. Es kommt auf den letzten Mann an, wenn wir unser Universum wiedersehen wollen. Das wäre es. Ende.« Riker konnte noch schmunzeln. Leise sagte er zu seinem Freund: »Du unverbesserlicher Optimist, und am liebsten möchte ich dir sagen: Du dreimal raffinierter Bur sche! So wie eben habe ich dich noch nie reden hören. Mit extre mem Pessimismus ein Übermaß an Optimismus zu erzeugen, ver dammt noch mal, das zu können, muß ich auch noch lernen.« »Danke«, erwiderte Dhark, dem Rikers Worte gut taten, »aber ich bin ganz und gar nicht optimistisch. Ich kann noch nicht einmal die Frage beantworten, wie wir landen können. Die POINT OF in diesen Trichter zu jagen, kommt nicht in Frage. Die Flash fallen aus, weil ich nicht weiß, wie man ihr Triebwerk umzuschalten hat. Zur Zeit sind wir von Erron-3 so weit entfernt wie in dem Augenblick, als wir auf Planet 1 im Zwitt-System lagen. Gib du mir einen Rat, Dan!« »Dieser Trichter…« Riker verstummte. Sein Blick brannte sich an der Bildkugel fest. »Er macht die Rotation des Planeten mit. Er ver ändert seine Stellung zu uns nicht.« »Was man als Aufforderung betrachten könnte, in ihn hineinzu fliegen. Aber im Zentrum von Zwitt, im Archiv, habe ich durch eine Mentcap bruchstückhaftes Wissen erhalten. Eine dürftige Informati on, die noch nicht einmal eindeutig war. Sie gab nur an, daß auf Erron-3 keine atompische Wirkung erzielt werden könnte. Und nun erkläre mir, was ich darunter zu verstehen habe…« »Warum ziehst du nicht Arc Doorn…« Riker unterbrach sich und schüttelte den Kopf. Doorn befand sich auf Planet 1. Damit versagte auch der letzte Strohhalm, an den er sich geklammert hatte. Abrupt erhob sich der Commander. Der Checkmaster mußte hel fen. Er hatte gesagt, Erron-3 ist Erron-3. Er mußte Informationen über diese Welt im blaßblauen Universum besitzen. Die Offiziere machten Dhark Platz. Unwillkürlich schloß er die Au gen. Das Wissen, das er durch die Mentcaps erhalten hatte, war noch frisch. Bisher hatte ihm die Zeit gefehlt, sich intensiv damit zu beschäftigen, um es für die Dauer seines Lebens auch zu behalten. Er wußte nichts über Erron-3! Nichts über die Funktionsweise des Wegweisers! Und doch verfügte er über Informationen, die diese Welt betreffen mußten, denn es gab zu viele frische Erinnerungen, die sich nicht in den Bereich des heimatlichen Universums einfügen ließen.
Er wurde sich nicht bewußt, daß er in der Sprache der Mysterious dachte. Er wurde sich nicht bewußt, wie er am Checkmaster stand: die Augen geschlossen, den Kopf tief gesenkt. Mit beiden Händen hielt er sich am Herzstück der POINT OF fest. Es gelang ihm, alles Nebensächliche beiseitezuschieben. Er hatte vergessen, daß er in der Zentrale seines Flaggschiffs stand und daß sie sich in einem fremden Universum befanden. Sein Bewußtsein nahm nicht wahr, wie er sein bruchstückhaftes Wissen und jene In formationen, die im heimatlichen Raum-Zeit-Kontinuum keinen Sinn ergaben, dem Checkmaster übermittelte. Auf Dharks Stirn tauchten die ersten Schweißperlen auf. Um sei nen Mund herum bildeten sich scharfe Falten. Seine Nasenflügel bebten. Bebir und Falluta wechselten Blicke. Sie konnten nur ahnen, wel che Anstrengung der Commander jetzt auf sich nahm. Es ging um Sein oder Nichtsein der POINT OF und ihrer Besatzung! Plötzlich trat Dhark vom Checkmaster zurück. Er schwankte auf den Pilotensessel zu, setzte sich hinein, ließ den Kopf auf die Brust sinken und schloß die Augen. Sein Brustkorb hob und senkte sich, als habe er die Arbeit eines Herkules vollbracht. Dan sah an der linken Schläfe des Freundes eine Ader pochen. Er sah aber auch, wie grau Dharks Gesicht war. Wie unter hypnotischem Zwang drehte sich Riker mit dem Sessel nach dem Checkmaster um. Er zeigte Grün! Noch immer arbeitete das Wundergehirn der POINT OF. Nach wie vor standen die Grün-Kontrollen. Die zwanzigste Minute war zu Ende. Immer noch Grün! Ren Dhark saß apathisch im Steuersitz; der Kopf war ihm tief auf die Brust gesunken. An der linken Schläfe konnte Riker noch immer deutlich die Ader pulsieren sehen. Eine halbe Stunde war vorüber! Grün stand! Die Bordverständigung knackte. Riker blockierte sie. Kein Anruf sollte den Freund stören. Die Offiziere in der Zentrale bewegten sich leise, unterhielten sich nur im Flüsterton. Noch nie hatten sie erlebt, daß das Bordgehirn sich so lange mit einer einzigen Aufgabe beschäftigt hatte. Was wollte der Commander vom Bordgehirn erfahren? Er ahnte nicht, daß er den Männern, mit denen er seit Jahr und Tag zusammen war, allmählich unheimlich wurde. Sie wußten, daß Dhark aus dem Archiv im Zentrum Zwitts durch die Einnahme von Mentcaps neues Wissen erworben hatte – aber gab es einen Men schen, der dieses Übermaß an neuem Wissen überhaupt behalten konnte? Und dann kam das Ergebnis. Nach achtunddreißig Minuten!
Dhark erwachte aus seiner Starre. Er reckte sich und studierte den Monitor, über den die Auswertung des Checkmaster flimmerte. Dan Riker hatte sich zu ihm hinübergebeugt, um mitzulesen. Langsam drehte sich Ren Dhark zu seinen Männern im Leitstand um. Erschreckend schmal war sein Gesicht geworden. »Wie ich es befürchtet habe, können wir mit der POINT OF auf Er ron-3 nicht landen. Der Checkmaster hält nur eine Vorgehensweise für erfolgversprechend: Im Einzeleinsatz zu versuchen, durch den Trichter nach unten zu kommen. Das heißt: Auf das Schicksal ver trauen und sich im Raumanzug in die Tiefe stürzen! Der Trichter soll teilweise A-Grav-Funktionen haben. Die Überlebenschancen bei diesem Einsatz sind mit achtunddreißig Prozent angegeben!« Achtunddreißig Prozent! Ren Dhark durchbrach die Stille, die sich über die Zentrale gesenkt hatte. »Die Rückkehr zum Schiff soll durch Verwendung von Trak torstrahlen möglich sein, wenn es uns gelingt, sie auf die physi kalischen Verhältnisse dieses Universums umzustellen. Das dürfte meines Wissens aber die kleinste Schwierigkeit sein.« »Und über Erron-3 nichts, Ren? Keine Angaben?« »Nichts! Das ist das Schlimmste. Auch ich kann nicht sagen, ob sich all das gelohnt hat, was wir bisher gewagt haben. Und ich weiß erst recht nicht, ob ich den Einsatz von Menschenleben verantwor ten kann.« Alles sollte umsonst gewesen sein? Und die Rückkehr ins heimat liche Universum so gut wie ausgeschlossen? Riker machte seiner immer größer werdenden Unruhe Luft. »Ich verstehe nicht, warum sich bis jetzt keine einzige unserer wissen schaftlichen Abteilungen gemeldet hat? Ich würde gerne einmal ein paar Auswertungen hören.« Mit diesen Worten hob er die Blockie rung der Bordverständigung auf und schaltete zu den wissenschaft lichen Abteilungen durch. Er vernahm eine Fehlanzeige nach der anderen. Die Experten wagten nicht, sich auf ihre Meßgeräte zu verlassen. Die Männer, die für die Erstellung der Luftanalyse zuständig waren, erklärten: »Wir vermuten, daß Erron-3 eine Sauerstoffatmosphäre hat, weil wir unsere Beobachtungen mit der astronomischen Abtei lung abgestimmt haben; aber wir können es nicht mit Gewißheit sagen. Wenn sogar die Spektralanalyse nicht mehr einzusetzen ist, mit welchen Hilfsmitteln sollen wir dann noch arbeiten?« Unerwartet mischte sich Ren Dhark ein. »Erron-3 hat eine Sauerstoffatmosphäre. Hier, Dan!« Er hielt den Wegweiser in der Hand und deutete auf die mittlere Anzeige. »Siehst du die Werte? Einwandfrei atembare Luft, allerdings mit einem erstaunlich hohen Prozentsatz an Argon und Xenon.« »Eigenartig! Wir kommen mit den Mitteln der POINT OF keinen Schritt weiter, und dieses kleine Ding analysiert die Luftzusammen setzung.« »Der Wegweiser nach Erron-3, den Zwitts letzter Kommandant,
Ma-Soor, in seiner Kabine liegen ließ.« Bei dieser Bemerkung erin nerte Dhark sich der vier Sternkarten in Ma-Soors Kabine. Er zog sie hastig hervor und studierte sie nochmals. Eine davon stellte keine Sternkarte mehr dar! »Dan, sieh dir das einmal an!« forderte er Riker verblüfft auf. Ahnungslos nahm der die Folie, zuckte zusammen und meinte er staunt: »Das ist doch die Skizze eines ziemlich großen Bauwerks.« »Ja! Auf einmal! In Zwitt sah ich diese Folie noch als Sternkarte. Wieso konnte sie sich verändern?« Darauf gab es keine Antwort, aber es hatte auch keinen Sinn, sich noch länger mit den Folien zu beschäftigen. Eine andere Entschei dung war wichtiger. Sollte der Versuch unternommen werden, endlich über den Trich ter Erron-3 zu erreichen, oder sollten alle Kräfte darauf konzentriert werden, den Rückweg ins heimatliche Kontinuum zu finden? Dhark winkte seinen Ersten Offizier heran. »Übernehmen Sie das Schiff, Falluta. Freien Fall beibehalten. Bei besonderen Vorkomm nissen lassen Sie mich wecken.« Noch während Leon Bebir, der II.O., Dan Rikers Platz einnahm, verließen der Commander und Riker den Leitstand. Sie wollten ver suchen, ein paar Stunden zu schlafen. Danach mußte die Entschei dung fallen.
16.
Arc Doorn glaubte im ersten Augenblick die POINT OF zu sehen, aber als er auf dem Rumpf den Namen nicht fand, vermutete er, daß ein S-Kreuzer gelandet war. »Aber wie, zum Teufel, kommt das Schiff so nur nichts dir nichts nach Planet 1?« brummte er und verzichtete darauf, sich begleiten zu lassen. Mit großen Schritten stapfte der bullige Sibirier auf den Ringraumer zu, der gerade die Rampe ausfuhr. Er konnte nicht verstehen, wie man sie hier aufgespürt hatte. Die se Tatsache ging über seinen Verstand, und das stimmte ihn nicht besser. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß der Riß zwischen den beiden Kontinua nicht mehr bestand, weil der Materie-Sender sich abgeschaltet hatte. Er hatte sich dem Ringraumer bis auf zweihundert Meter genähert, als sein Spezial-Vipho sich meldete. Nur die Tonphase wurde be nutzt. »Doorn, machen Sie sich keine Gedanken«, hörte er. »Sie haben die ARROW vor sich, Colonel Larsens Kommandoschiff.« Ralf Larsen! Doorns Stimmung verbesserte sich jetzt doch. Mein Gott, dachte er, was haben wir damals alles durchgestanden, als uns dieser größenwahnsinnige Rocco quer durch die Höhlen von Deluge jagte und sich damit selbst das Grab schaufelte. Das äußere Schleusenschott sprang auf. Zwei Menschen in MRaumanzügen, aber mit zurückgeklapptem Klarsichthelm, kamen die Rampe herunter. Doorn kniff die Augen zusammen und musterte die Person, die links neben Larsen ging. Der hatte auch im letzten Jahr seinen leich ten Bauchansatz nicht verloren und dachte nicht daran, sich auf kosmetischem Weg seine Glatze beseitigen zu lassen. Plötzlich blieb Doorn wie angewurzelt stehen. Er hatte Larsens Begleiter erkannt – genauer gesagt: seine Begleiterin. »Großer Himmel!« rief er. »Anja, was machen Sie denn hier?« Anja Field lächelte den Sibirier freundlich an, als sie auf ihn zutrat. »Mir wurde es auf der Erde einfach zu langweilig, Arc«, erwiderte sie. »Ich glaube, irgendwie vermisse ich die wilden Zeiten auf Ho pe!« Sie blickte sich um. Ihr blondes, langes Haar flatterte wie eine Fahne im leichten Wind. »Aber wo ist Dan? Wo sind Ren Dhark und die POINT OF?« »Die POINT OF ist nach Erron-3 unterwegs. Schade, die ARROW ist etwas zu spät gekommen.« Ralf Larsen mischte sich ein. »Wir konnten nicht eher kommen, weil wir wieder einmal keine Ahnung hatten, wo Sie stecken. Erst das energetische Getöse hat uns einen Hinweis gegeben. Warum hat die POINT OF denn nicht wenigstens einen Spruch nach Terra abgesetzt?« »Weil die Sternenbrücke keinen Spruch hinausließ.«
Die Funk-Z der ARROW erhielt den Befehl, sich sofort mit Cent Field in Verbindung zu setzen. Der gleiche Befehl erging auch an die übrigen neun Ringraumer, die sich noch im Orbit um Planet 1 be fanden. Das Ergebnis war in allen Fällen gleich. »Na, was habe ich gesagt?« meinte Doorn. Dann begann er, Anja Field und Ralf Larsen Bericht zu erstatten. Diese staunten nicht schlecht, als die Rede auf die Schwarzen Wei ßen kam. »Also hatte Eylers recht«, murmelte Anja mehr zu sich selbst und konzentrierte sich wieder auf den Bericht Doorns, der sie knapp und prägnant informierte. Sie hörten von Zwitt und blickten unwillkürlich zur F-Sonne empor. Dieser Stern sollte keine Sonne sein, sondern nur eine Kugelhülle, in deren Mittelpunkt sich ein Planet befand? Und was war das für eine Geschichte mit Erron-3? »Aber nun muß ich noch einmal nachfragen, Larsen, wieso Sie uns auf Anhieb finden konnten?« Ralf Larsen und Anja Field erzählten abwechselnd von den beiden Strukturerschütterungen. »Gleich zwei?« fragte Doorn mißtrauisch. »Himmel, ja! Einmal, als Ren Dhark durch das Hy-Kon die Flotten der Schwarzen Weißen in ein anderes Universum jagte, und danach, als der Materie-Sender einen Riß zwischen zwei Kontinua entstehen ließ. Leider gibt es ihn nicht mehr.« In Doorns Kopf gellte der Alarm. »Larsen, können Sie mir sagen, wann die ARROW und ihre Begleitschiffe die letzte Tran sition ausführten?« Die Zentrale des Schiffs gab ihm die Zeit durch. Doorn verglich. Nun verstand er alles. Der Materie-Sender hatte sich im gleichen Moment abgeschaltet, als die Ringraumer in der Sternenbrücke rematerialisierten. Anja Field war blaß geworden. Was zu Hause auf Terra wie eine gute Idee ausgesehen hatte, konnte möglicherweise fatale Folgen haben. Denn wenn die Ringraumer nicht in der Sternenbrücke auf getaucht wären, dann würde der Materie-Sender noch arbeiten und der Riß nach wie vor existieren! Im Nebenraum wurde es laut. Ein Schrei war zu hören. Das halb geöffnete Schott öffnete sich vollends. Drei Männer und ein komisches Etwas auf vier Beinen traten ein, gefolgt von einem Wissenschaftler. Eine tiefe Stimme orgelte: »Da glaubt man, endlich den Mysterious guten Tag sagen zu können, und wem begegnet man? Immer nur denselben langweiligen Gesichtern.« Chris Shanton, Jos Aachten van Haag und Manu Tschobe standen vor ihnen! Doorn hatte keine Ahnung, daß die drei Männer im Industrie-Dom vermißt wurden. Ihn wunderte nur, woher sie kamen. Larsen wunderte sich noch mehr. Und seine Verwunderung steigerte sich, je länger Manu Tschobe
erzählte. Dessen Bericht gipfelte in der Behauptung: »Wir haben die Transmitter-Straßen der Mysterious entdeckt! Wir sind von einem Verteiler aus direkt hier, in diesem altmodischen Modell mit der Ringantenne angekommen.« Erst jetzt schien ihm aufzufallen, daß auch Anja Field vor ihm saß. Doch es wollte keine rechte Wiedersehensfreude aufkommen. Zu weitreichend waren die Konsequenzen, die sich aus den neuesten Erkenntnissen ergaben. In aller Eile wurde >Kriegsrat< gehalten, und schnell kam man zu Ergebnissen. Zunächst einmal galt es, Henner Trawisheim und Marschall Bulton darüber zu informieren, daß die beiden entarteten Cyborgs mög licherweise Terras Position an die Schwarzen Weißen verraten hat ten. Aus diesem Grand würde Ralf Larsen mit der ARROW zur Erde zurückfliegen, während die übrigen Ringraumer unter dem Kom mando von Major Keir von der ASPEN hierbleiben würden, um auf die Rückkehr der POINT OF zu warten. Manu Tschobe würde Ralf Larsen begleiten, um einen detaillierten Bericht über die Transmitterstraßen und die unterseeische Werft der Mysterious abzugeben, während Chris Shanton und Jos Aachten van Haag genau wie Anja Field noch einige Tage auf Planet 1 bleiben würden. Die vier Cyborgs Holger Alsop, Bram Sass, Lati Oshuta und Mark Carrell schließlich – die ebenso wie die Kommandanten der Ring raumer am >Kriegsrat< teilgenommen hatten – würden mit der Erforschung der Transmitterstraßen beginnen. Aus diesem Grund erhielten sie von Manu Tschobe noch einen Schnellkurs in der Be dienung der Kugeltransmitter. Ralf Larsen, der vor seinem geistigen Auge schon eine Raumflotte der Schwarzen Weißen im Sol-System rematerialisieren sah, dräng te zum Aufbruch, und so startete die ARROW schon wenig später. Auch die Cyborgs wollten so wenig Zeit wie möglich verlieren. »Schließlich sind wir nicht hierher gekommen, um Däumchen zu drehen«, erklärte Holger Alsop. Daher überprüften und ergänzten die vier Männer nur noch kurz ihre Ausrüstung und traten dann einer nach dem anderen in die graue Ringantenne des Transmitters. »Wenn Terra möglicherweise ein Angriff dieser Schwarzen Weißen – was für eine blöde Bezeichnung – droht, wäre Ihr Platz dann nicht eigentlich im Sol-System, Shanton? Schließlich sind Sie der Verant wortliche für die Ast-Stationen«, fragte Jos Aachten van Haag den Diplom-Ingenieur, der neben ihm im Transmitter-Raum stand und genau wie er den Aufbruch der Cyborgs beobachtet hatte. »Wenn – wie Anja Field angemerkt hat – sich möglicherweise A genten der Schwarzen Weißen auf Terra aufhalten, wäre dann nicht Ihr Platz auf der Erde, van Haag? Schließlich sind Sie der Spit zenagent der GSO, wie ich gehört habe«, gab Shanton brummig zurück. Nur grinste er dabei. »Sie haben nicht ganz Unrecht, Shanton, und vielleicht fliege ich
auch in den nächsten Tagen mit einem der anderen Ringraumer zurück«, sagte Jos. Ein ironisches Funkeln trat in seine Augen. »Im Moment habe ich allerdings das Gefühl, mein Platz ist hier. Schließ lich muß irgend jemand sich um Anja Field kümmern. In Anbetracht der Tatsache, daß ihr Mann in einem fremden Universum verschol len ist, hält sich Rikers Frau zwar ganz hervorragend, aber man kann nie wissen… Und außerdem muß auch jemand dieses vierbei nige Robot-Monstrum im Auge behalten. Womöglich fängt ihr Spiel zeug sonst wieder an, reihenweise Leute zu schocken.« »Das ist nicht fair, Jos«, orgelte Shanton los, »und das wissen Sie ganz genau! Wir wären alle drauf gegangen, wenn wir Jimmy nicht gehabt hätten!« »Ja, ja, Shanton, nun hören Sie schon mit dem Geschrei auf, das war ein Scherz. Helfen Sie mir lieber, was Vernünftiges zu trinken auf zutreiben!« Das ließ sich der Dicke nicht zweimal sagen. Die Entscheidung war gefallen! Vierzehn Freiwillige hatten sich zum Einsatz für Erron-3 gemeldet. Dan Riker war zurückgewiesen worden. Er hatte die POINT OF zu übernehmen und außerdem den Auftrag, alles zu versuchen, den Rückweg zu finden, wenn das Unternehmen mit einem Fehlschlag endete. Und in diesem Fall war ein Fehlschlag gleichbedeutend mit dem Untergang der Expedition. Gruppe eins bestand aus nur drei Mann: Ren Dhark, Sigi Anders und One Ona. Gruppe zwei – sechs Mann stark – wurde von Leon Bebir geführt. Sie sollte erst eingesetzt werden, wenn einwandfrei bewiesen war, daß Dhark mit seinen Männern gesund die Oberfläche von Erron-3 erreicht hatte. Um unter allen Umständen eine solche Nachricht übermitteln zu können, hatte Sigi Anders in seinem zweiten Plastik sack eine Pergan-Folie, die ausgebreitet mehr als dreihundert Qua dratmeter groß war und als Spiegel dienen sollte, um zur POINT OF zu morsen, wenn kein Funkkontakt möglich war. Sie standen in Schleuse 1 und warteten auf die Grün-Kontrolle, die ihnen verriet, daß die Luft abgesaugt worden war. Noch arbeitete der Helmfunk. Warum er im Schiff nicht versagte, draußen aber aussetzen sollte, dafür gab es keine Erklärung. »Noch einmal: Ich springe zuerst. Sie, Anders, verfolgen meinen Sprung, bis ich wenigstens zwei Drittel der Trichterlänge zurückge legt habe. Die Technik gibt Ihnen durch, wenn der Druckstrahl mich entläßt. Stellen Sie dann fest, ob mein Sturz tatsächlich wie erwar tet abgebremst wird, und folgen Sie mir, während Ona sich so ver hält, wie ich es gerade mit Ihnen noch einmal durchgesprochen habe. Noch Fragen?« Beide schüttelten unter ihrem Klarsichthelm den Kopf. Dhark bestätigte die Steuerung. Schleuse 1 sprang auf, und zum
erstenmal blickten drei Menschen direkt ins blaßblaue Universum und in einen schwarzen Trichter, der an einen sich verjüngenden Wasserstrudel erinnerte und auf der Oberfläche eines unbekannten Planeten endete. Dhark trat an den Rand der Schleuse. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er vergewisserte sich noch einmal, daß er den Wegweiser eingesteckt hatte, dann machte er den entscheidenden Schritt. 180.000 Kilometer tief war der Abgrund. 180.000 Kilometer weit war er von Erron-3 entfernt! Er trieb langsam ab. Das störte ihn nicht. Er wußte, daß es ein paar Minuten dauern konnte, bis ihn der Druckstrahl erfassen und in die Tiefe seinem Ziel zutreiben würde. Oder seinem Untergang? Er sah auf sein Chrono. Die sechste Minute ging zu Ende, als er spürte, wie ihn die un sichtbare Kraft ergriff. Er wurde herumgewirbelt, sah sein Schiff, dann den Trichter, und dann wieder das Blaßblau. Mit welcher Geschwindigkeit er in die Tiefe stürzte, konnte er nur daran abschätzen, wie schnell die POINT OF kleiner wurde. Allmählich ließ die Drehbewegung seines Körpers nach. Er ver suchte im Druckstrahl seine Lage so zu verändern, daß er besser in den gigantischen Trichter hineinsehen konnte. Gab es innerhalb des Trichters wirklich ein Feld, das ihn wie in einem A-Grav-Schacht nach Erron-3 hinunterbringen würde? Er erinnerte sich, was die Wahrscheinlichkeitsrechnung erbracht hatte: Achtunddreißig Prozent! Mehr Chancen hatte der Checkma ster diesem Einsatz nicht zugebilligt. Abschalten, befahl Ren Dhark sich in Gedanken. Jetzt, wo ich un terwegs bin, hat es keinen Sinn mehr, darüber nachzugrübeln. Der Helmfunk stand auf der Frequenz der POINT OF. Er rief das Schiff, doch noch während er sprach, wußte er, daß er aus der Funk-Z keine Antwort erhalten würde. Der Empfang lag still. Nicht einmal das Rauschen des Hyperfunks war zu hören. Umschalten auf normale Frequenz! Weiterschalten und dann bis auf UKW herunter. Stille! Keine Antwort von der POINT OF. Keine Antwort von Sigi Anders und One Ona, die in Schleuse 1 standen und seinen Sturz beobachteten. Sigi Anders stand hinter dem Televis und hatte One Ona so weit Platz gemacht, daß auch der die Bildscheibe einsehen konnte. Die Zielerfassung ließ den Commander nicht aus den Fängen. Stu fenlos schaltete sich die Vergrößerung weiter, je tiefer und schneller Dhark stürzte. Auf der Bildscheibe veränderte sich weder sein Aus sehen noch seine Größe.
»Rund zwanzigtausend Kilometer tief ist er inzwischen gestürzt«, murmelte Anders, nachdem er einen Blick auf sein Chrono geworfen hatte. »Bald müßte er die Trichteröffnung erreicht haben.« Er fürchtete sich vor diesem Trichter mit seinen dunklen, kreisen den Massen, die man nicht hatte identifizieren können. Dennoch hatte er sich spontan freiwillig zu diesem Einsatz gemeldet. One Ona gab ihm einen Stoß. »Ruf den Commander doch endlich einmal an, Sigi.« Anders schaltete seinen Helmfunk auf die abgesprochene Fre quenz. Er schaltete immer weiter durch und fluchte wütend. »Genau wie vermutet. Kein Funkverkehr möglich. Der Teufel soll dieses Uni versum holen!« One Ona war nicht so impulsiv wie sein Kamerad. »Dann holt er uns auch. Nein, danke, dann möchte ich doch noch einmal Terra wiedersehen. Hoffentlich werden wir keine Greise, wenn uns die Rückkehr doch noch gelingt.« Damit hatte er die heimliche Angst, die in der POINT OF umging, in Worte gekleidet. Trotz aller Raumerfahrung konnten die wenigsten sich vorstellen, was eine dem heimatlichen Universum gegenüber veränderte Zeit-Konstante in Wirklichkeit bedeutete. Die meisten wußten nur, daß die POINT OF mittels einer neuen Methode auf eine unvorstellbare Geschwindigkeit gebracht worden war, um das omi nöse stellar-eins zu erreichen. Wissenschaftler hatten vom >Null-Wert< des blaßblauen Univer sums gesprochen, aber keiner von ihnen war in der Lage gewesen, der Besatzung diesen Null-Wert verständlich zu machen. Sie versteckten sich hinter der Aussage: »Wir haben uns damit den physikalischen Verhältnissen dieses Raum-Zeit-Gefüges ange paßt.« Die kleine Scheibe zeigte, daß die Drehbewegungen des Comman ders zum Stillstand gekommen waren. Er bewegte weder Beine noch Arme. Dicht neben ihm, an Plastikleinen, schwebten die beiden Säk ke, in denen er seine Ausrüstung untergebracht hatte. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, denn es zeigte in Richtung der oberen gigan tischen Trichteröffnung, die einen Durchmesser von mehr als fünf zigtausend Kilometern hatte, während sie am Ende des Trichters nur noch auf dreitausend Kilometer geschätzt wurde. Die dunklen Gas- oder Partikelmassen sollten sich mit einer Ge schwindigkeit von 140.000 Kilometern pro Sekunde bewegen und dabei langsam zum Planeten abfallen. Doch alle diese Werte waren fraglich, weil die Experten an Bord bisher keine Möglichkeit gefunden hatten, ihre Meßinstrumente auf dieses Universum einzustellen. Der Versuch, die Umstellungen mit Hilfe des Checkmaster vorzunehmen, war gescheitert. Die Technik meldete sich bei den Männern in Schleuse I. Auch sie benutzten ein Televis, ein auf dotischer Frequenzbasis arbeitendes Fernrohr, das der Technik der Mysterious entstammte und dessen Funktionsweise noch immer rätselhaft war.
»Unsere Zielerfassung beginnt ungenau zu arbeiten. Wie sieht es damit bei Ihnen aus?« Anders wurde aus seinen Gedanken gerissen. Erschreckt stellte er fest, daß die Bildschirm-Wiedergabe Unscharfen aufwies. »Hier genauso. Jetzt wandert der Commander aus dem Bild! Mein Gott, wir können ihn nicht mehr sehen.« Er fühlte, daß sich One Ona an ihm festhielt. Nur noch die Beine Ren Dharks waren zu erkennen, und einer der beiden Säcke mit der Ausrüstung, aber auch der verschwand lang sam über die rechte Seite des Bildschirms. Der Helmfunk übertrug den beiden Männern die erregte Ausein andersetzung in der Technik. »Versuch abbrechen…« »Das hieße doch, den Commander im Stich lassen…« »Druckstrahl muß weg.« »Nein, wir können weder das eine noch das andere tun! Verdammt noch mal, warum kriegen wir ihn nicht wieder auf den Schirm? Miko, Sie sind doch Televis-Experte.« »Aber nicht in diesem blaßblauen Universum. Ich…« »Ruhe, die Zentrale fragt an!« Sigi Anders und One Ona hörten Dan Rikers Anfrage: »Warum wurde die Durchgabe der Meldungen unterbrochen?« Riker erfuhr die volle Wahrheit, die er nicht glauben wollte. »Dann schalten Sie doch wenigstens den Pressorstrahl ab!« »Können wir nicht, Riker!« wurde ihm widersprochen. »Damit würden wir das Leben des Commanders nur unnütz verlängern.« »Damit würden Sie was?« schnaubte Riker, der glaubte, sich ver hört zu haben. »Können Sie mir Ihre Bemerkung bitte erklären?« »Unsere beiden Televis erfassen Dhark nicht mehr. Wir wissen nicht, wo er sich im Augenblick befindet. Stellen wir jetzt den Pres sorstrahl ab, dann verlängern wir Dharks Todeskampf. Dann lassen wir ihn über zwei, drei Stunden dem unausweichlichen Ende zutrei ben.« »Sind Sie denn alle verrückt geworden?« brüllte Riker über die Verständigung. »Der Commander lebt noch, und Sie Narren spre chen von seinem Tod, als sei er unausweichlich? Ich gebe Ihnen den Befehl, den Pressorstrahl sofort abzuschalten und…« »Riker, wir können Ihrer Anordnung nicht Folge leisten. Der Com mander ist kurz vor dem Einsatz noch einmal hier gewesen und hat ausdrücklich darauf bestanden, daß wir alles wie abgesprochen durchlaufen lassen und auch dann keine Unterbrechung oder Ände rung vornehmen, wenn sich während seines Einsatzes etwas Außer gewöhnliches ereignen sollte. Die einzige Ausnahme wäre, wenn uns der Commander über Funk neue Anweisungen erteilen würde.« »Aber Funkverbindung ist doch überhaupt nicht möglich!« brüllte Riker dazwischen, den die Sorge um seinen Freund fast wahnsinnig machte und der sich nicht eingestehen wollte, daß niemand mehr in der Lage war, an Dharks Schicksal etwas zu ändern.
War der Mann in der Technik, der Riker Antwort gab, ein seelenlo ser Automat? Beinahe aufreizend ruhig erwiderte er: »Auch dieser Punkt ist mit dem Commander abgesprochen worden, Riker. Wir haben den Versuch über die angesetzte Zeit laufen zu lassen! Wir befinden uns jetzt in der 46. Minute. Er wird noch hundertsieben Minuten weiterlaufen.« »Ich sperre Ihnen die Energiezufuhr!« herrschte Riker seinen Ge sprächspartner an. »Das können Sie nicht. Der Commander hat darauf bestanden, daß wir einen autonomen Energiekreis aufbauen, der von jeder Bord schaltung unabhängig ist. Bitte, machen Sie uns unsere Aufgabe nicht noch schwerer, Riker. Wir möchten ja auch am liebsten ab schalten, aber wir sind an die Order des Commanders gebunden.« Aus dem Leitstand kam keine Bemerkung mehr. Im Helmfunk der beiden Männer, die in der offenen Schleuse 1 standen, wurde es still. Anders und Ona sahen sich vielsagend an. Beide hatten Schweißperlen auf der Stirn stehen. Beide dachten in diesem Mo ment das gleiche. Warum habe ich mich zu diesem Einsatz gemel det? Freiwillig gemeldet! In der Tiefe sahen sie den gigantischen, dunklen Trichter, der ei nem schmutzigen Wasserstrudel glich, der seine Massen mit wahn sinniger Geschwindigkeit nach unten riß. In diesem Gebilde befand sich der Commander, und ein Pressorstrahl jagte ihn mit steigender Geschwindigkeit dem dichten Luftmantel der Welt entgegen, die unter dem Ende des Trichters stand. Trotz seines M-Raumanzugs würde Ren Dhark in diesen Luft schichten verglühen, und dann würde es nur noch einen aufgebläh ten Raumanzug geben, in dem sich Asche und Metallteile bewegten. Ren Dhark blickte wieder einmal auf sein Chrono. Seit einer Stunde und achtzehn Minuten befand er sich im Leer raum des blaßblauen Universums, und seit knapp einer Stunde im Bereich des Trichters, in den er mit immer höherer Geschwindigkeit hinabjagte. Vom Druck des Pressorstrahls hatte er nur kurz etwas festgestellt, als er von ihm erfaßt worden war. Es war gleich einem Angriff von allen Seiten gewesen, doch Sekunden später hatte es dieses Gefühl nicht mehr gegeben. Lange Zeit konnte er nicht einmal sagen, ob er im freien Fall durch den Raum trieb oder sich dem Planeten Erron-3 näherte, bis er entdeckte, daß die Trichteröffnung scheinbar größer geworden war. Erst im Trichter verfügte er wieder über Vergleichsmöglichkeiten. An den dunklen, beinahe kompakt aussehenden, um einen unsicht baren Mittelpunkt rotierenden Massen konnte er abschätzen, daß er mit steigender Beschleunigung seinem Ziel entgegenraste. Erron-3! Der Begriff verfügte über eine beinahe magische Kraft. Erron-3
ein neues Geheimnis der Mysterious! Aber dann kam die Angst. Sie war stärker als die magische Kraft. Sie packte Dhark, bevor er begriff, was mit ihm geschah. Er sah den Tod auf sich zukommen. Er hörte sein qualvolles Atmen unter dem Klarsichthelm. Kälteschauer jagten durch seinen Körper und wurden von Schweißausbrüchen abgelöst. Die Stille im Helmfunk ließ seine Angst noch größer werden. Er hatte sich in ein wahnsinniges Unter nehmen gestürzt. Warum war er nicht mißtrauischer gewesen? Wieso hatte er ver gessen, wie oft er sich schon die Frage gestellt hatte, ob die Myste rious nicht auch die Grakos waren, die Geißel der Galaxis? »Ich rufe die POINT OF! POINT OF, bitte kommen! Ich rufe die POINT OF! POINT OF, bitte kommen!« Er krächzte es. Immer wieder. Er lauschte. Aber es blieb totenstill. Er lauschte mit angehaltenem Atem. Nichts! Er war allein! Er stürzte ins Nichts! »Dhark ruft POINT OF! POINT OF, bitte kommen!« Keine Antwort. »POINT OF…« Er verstummte. Schlagartig kam er wieder zu sich. Machte sich frei von der Angst, die von ihm und seinen Sinnen Besitz ergriffen hatte. Unwillkürlich streckte er sich. Dabei machte sein Körper durch die abrupte Bewegung eine Drehung. Er sah aus dem Trichter hinein in den freien, blaßblauen Raum. Er sah nur diesen farbigen Schimmer. Keinen einzigen Stern! Keine einzige Strahlbahn, die kam und verging. Keine POINT OF. Er sah in die Ewigkeit eines fremden Weltraums hinein, und dieser Blick ins Unendliche hatte etwas Tröstliches. Er gab ihm Kraft. Und in diesem Moment hörte er sich lachen! Ein befreiendes Lachen. Das Lachen eines Mannes, der seine ei gene Angst überwunden hatte. Unwillkürlich blickte er auf sein Chrono. Verwundert schüttelte er den Kopf. Seit einer Stunde und neun zehn Minuten befand er sich im Leerraum des blaßblauen Univer sums! Eine einzige Minute davon war voller Angst gewesen. Eine Minute, die eine halbe Ewigkeit gedauert hatte. »Nein!« hörte er sich energisch sagen. »Das passiert mir nicht noch einmal.« Aber er schämte sich nicht, Angst gehabt zu haben. Wieder betrachtete er den dunklen, schnell rotierenden Trichter. Er stürzte immer schneller. Mehr als den halben Weg mußte er schon zurückgelegt haben. Achtunddreißig Prozent waren seine Erfolgsaussichten! »Ist das nicht viel?« fragte er sich laut. Doch gab es im Bereich dieses Trichters wirklich einen Abschnitt,
in dem A-Grav-Kräfte ihn erfassen würden? Ihn sanft zu Boden glei ten lassen würden? Neue Zweifel erwachten. Sein Kampf gegen die Angst begann erneut! One Ona schrie gellend auf. Sein Versuch, Sigi Anders zurückzu halten, war gescheitert. Anders war bis zur Schleusenkante gelaufen und hatte sich mit einem mächtigen Satz in den freien Raum ge stürzt. »Ich kann Ren Dhark doch nicht allein lassen! Ich habe doch die Pergan-Folie! Nur damit kann man zur POINT OF…« Damit brach Anders’ Funkspruch ab. Die physikalischen Kräfte des fremden Uni versums waren wirksam geworden. Anders wirbelte, langsam abtreibend, in die Tiefe. One Ona sah ihm mit weit aufgerissenen Augen nach, bis er seinen Kameraden nicht mehr erkennen konnte. Erst dann fiel ihm ein, was er ver säumt hatte: die Zentrale von Anders eigenmächtiger Entscheidung zu benachrichtigen. »Auch das noch!« sagte Riker, und dann folgte ein müdes Danke! »Unterrichten Sie auch die Technik, Ona. Nein, das hätte ich Anders nie zugetraut. Was hat sich der Mann nur dabei gedacht?« Erron-3! Langsam streifte Ren Dhark seinen Klarsichthelm zurück und at mete tief die Luft einer fremden Welt in einem fremden Universum ein. Langsam legte er den Kopf in den Nacken und sah zum grün getönten wolkenlosen Himmel empor. Gleich einer unbeschreiblichen Drohung war der schwarze, rotie rende Trichter zu sehen. »Trichter!« sagte er und schüttelte den Kopf; er konnte kaum fas sen, was er erlebt und erkannt hatte. Dieser Trichter war nichts an deres als eine raffinierte Tarnung. Er sollte abschrecken. Er sollte verwirren, aber keine Fremden anlocken. »Ja«, sagte Ren Dhark leise, »das habt ihr wieder einmal perfekt hingekriegt. Ein Transmitter im freien Raum? Über der Luftschicht? Ein Transmitter – so groß, daß Raumschiffe ihn benutzen können?« Langsam drehte er sich um, stieß mit dem Fuß gegen einen der beiden Plastiksäcke und schaute sich die Gegenstation an, die ihn ausgespuckt und durch ein unsichtbares A-Grav-Feld auf dem Boden abgesetzt hatte. »Aber was ist Erron-3?« Er zuckte mit den Schultern, setzte sich auf einen Sack, und dachte nach. Seine Gedanken schweiften ab. Er hatte einen Fehler gemacht; er hätte dem Wegweiser mehr vertrauen sollen. Durch ihn waren sie bis an den Trichter herangebracht worden. Die POINT OF hätte hin einfliegen sollen und wäre automatisch durch den Transmitter am Ende des Trichters auf diese Welt gebracht worden.
Noch einmal erlebte er, wie der Pressorstrahl plötzlich keine Wir kung mehr hatte, wie er mehrfach herumgewirbelt wurde, um Au genblicke später dicht über dieser Welt zu sein. Er zog den Wegweiser hervor. Wieder fuhr das Gerät mit den drei kleinen Anzeigen die Antenne mit dem Kugelkopf aus, und abermals justierte sie sich. Fast parallel zum Boden zeigte sie scharf nach links. Dharks Blick wanderte ebenfalls in diese Richtung, aber außer der weichen gelblichen Grasebene gab es nur in der Ferne einen Anhaltspunkt: Einen einsam aufragenden, dunkelblau schimmernden Berg. Er war enttäuscht, denn er hatte etwas Grandioses, Einmaliges er wartet. Dieser Berg, der so weit entfernt war, konnte doch nicht das Ziel sein, auf das die Antenne wies? 0,89 Gravos las er ab. Die Welten, auf denen die Mysterious ihre Spuren hinterlassen hatten, wiesen alle ohne Ausnahme normale Gravowerte auf, und sie waren Sauerstoffwelten. Dhark sah auf die Uhr. Vor zwei bis drei Stunden brauchte er mit der Ankunft von Sigi Anders überhaupt nicht zu rechnen – wenn er überhaupt eintraf. Und was tue ich dann? fragte sich der Commander und konnte sich darauf selbst keine Antwort geben. Vorsichtig legte er den Wegwei ser zur Seite, rutschte vom Plastiksack herunter und benutzte ihn als Kreuzstütze. Abermals sah er zum Himmel hoch und vermißte erst jetzt eine Sonne! Er brauchte lange, bis er begriff, daß auch die Experten im Schiff einem Irrtum zum Opfer gefallen waren. Die zuckenden Spiralbah nen, die dieses fremde Universum belebten, waren keine vorbeira senden Sonnensysteme gewesen, sondern nur Planeten. Und diese Planeten benötigten keine Sonne! Das blaßblaue Universum war ihre Sonne! Es war ihr Lebensspender und Lebenserhalter! Das Blaßblau in seiner Gesamtheit. Es hatte nicht die lebensfeindli che Dunkelheit des heimatlichen Kontinuums. Es verlangte nicht, daß erst Sonnen entstehen mußten, um Leben werden zu lassen. Ren Dhark vergaß Zeit und Raum. Er vergaß, daß er ganz allein und hilflos auf diesem fremden Planeten war. »Hallo, Dhark!« Der Zuruf riß ihn aus seinen Gedanken. Mit einem Satz war er auf den Beinen, drehte sich um und sah Sigi Anders mitsamt seiner Ausrüstung grinsend herankommen. Mit wenigen Worten erklärte Anders, warum er früher als verein bart nachgekommen war. Dhark tadelte die Eigenmächtigkeit des jungen Mannes nicht. Gemeinsam breiteten sie die Pergan-Folie aus, die sich selbsttätig straffte und keine einzige Falte oder Delle zeigte. Während Dhark noch einmal die Fläche kontrollierte, klemmte An ders den Minikonverter an das Perr-Gerät und hängte die Einheit dann an den Folienanschluß.
»Wir können!« »Ja, aber vorher den Plastikhelm schließen und die Blende ein schalten, Anders, sonst laufen wir Gefahr, blind zu werden.« Dhark kniete auf dem gelblichen Grasteppich und drückte die Ta ste, wie es vor vielen, vielen Jahrzehnten einmal ein Mann namens Morse getan hatte. Kurz – lang – lang – kurz. Ren Dhark morste die POINT OF an. Dort mußte man die grellen Lichtblitze von unterschiedlicher Dauer sehen, die die Pergan-Folie abstrahlte. POINT OF in den Trichter fliegen. Vor Trichterende befindet sich ein Transmitter, der das Schiff nach Erron-3 befördert. Zehnmal morste Ren Dhark diese Order, dann ließ er sich von An ders ablösen, und zum Schluß jagte er die Botschaft noch einmal selbst zum Blaßblauen hoch. Das Warten begann. Plötzlich raste ein gewaltiger Schatten über sie hinweg. Die POINT OF war aus der flimmernden Mauer gekom men und wurde von unsichtbaren Kräften sanft auf dem Boden abgesetzt! Langsam gingen Dhark und Anders auf das Schiff zu. Dan Riker sah Ren Dhark kopfschüttelnd an, zog ihn dann zur Seite, damit die Offiziere im Leitstand nicht erfuhren, was er ihm zu sagen hatte. »Ren, hast du mir nicht erklärt, auf diesem Planeten könnte keine atompische Wirkung erzielt werden? Und wenn ich auch nur ahnen kann, was unter atompisch zu verstehen ist, dann bedeutet es, daß die POINT OF nun bis zum Jüngsten Tag hier festliegt.« Dhark legte ihm die Hand auf die Schulter. »Festliegen würde, wenn es diesen Transmitter nicht gäbe! Ich bin sicher, daß wir hier keine atompische Wirkung erzielen können, wohl aber im Trichter, dicht hinter der Gegenstation.« Er wechselte das Thema. »Sind die Vorbereitungen für unsere Expedition abgeschlossen?« »Die Männer warten schon auf uns, aber wenn dieser ferne Berg unser Ziel ist, dann laufen wir uns hübsche Blasen. Ich begreife nicht, weshalb hier sogar unsere A-Grav-Platten versagen, während uns nach Passieren des Transmitters ein A-Grav-Feld butterweich abgesetzt hat.« Dhark winkte ab. »Auf Erron-3 müssen wir es uns abgewöhnen, Fragen zu stellen. Schau mal bei den Astronomen und Astrophysi kern rein, Dan. Ich habe ihnen vorhin einiges erzählt – unter ande rem, daß das gesamte blaßblaue Universum die einzige Sonne all seiner Welten ist.« »Eine Sonne, Ren?« platzte Dan Riker heraus. »Natürlich keine Sonne von der Art, wie wir sie kennen. Na, mein Lieber, habe ich dir damit auch ein bißchen Stoff zum Nachdenken gegeben?« Trotz seiner Verblüffung grinste Dan Riker. »Und da gibst du mir
noch den Rat, mich bei den Astros sehen zu lassen? Nee, danke, Ren, die lasse ich doch lieber ungestört. Großer Himmel, ein Weltall soll die Zentralsonne für alle darin befindlichen Planeten sein?« Es gab keine Antwort darauf.
17.
Arc Doorn verzweifelte. Er sah keinen Ausweg mehr. Er war ratlos wie kaum jemals zuvor in seinem Leben. Er, der ein unglaubliches Einfühlungsvermögen in unbekannte Technologien besaß, fühlte sich hilflos, wenn er sich zwei Universen vorzustellen versuchte - oder genauer: den Riß, der beide miteinander verbinden sollte! Ein Riß an einer alokalen Stelle, der sich trotz der Eigenbewegun gen zweier Raum-Zeit-Strukturen nicht bewegte, solange er existent war? Ein Riß, der aber nie wieder ein zweites Mal zwei Universen an den gleichen Stellen miteinander verbinden konnte? Er war allein im Raum mit dem Materie-Sender. Er war schon ein halbes dutzendmal aufgesprungen, um hinauszurennen, und doch jedesmal wieder umgekehrt, um die Sache noch einmal zu durch denken. Es mußte doch einen Ausweg geben! Die POINT OF konnte doch nicht bis an ihr Ende irgendwo in einem fremden Universum treiben! »Ich komme noch ins Irrenhaus«, knurrte er. »Warum denn, Arc?« fragte eine Frauenstimme vom Schott her. Anja Field war eingetreten. Die hat mir gerade noch gefehlt, dachte Arc Doorn und wollte der Antwort ausweichen, aber er hatte ihre Hartnäckigkeit unterschätzt. Eine halbe Stunde später wußte sie die volle Wahrheit. Sie wurde nicht blaß. Sie sagte nur: »Dann will ich mich einmal der Sache annehmen, Arc.« Und seit diesem Moment war er Zuschauer, durfte nur hin und wieder die Funkverbindung zur ASPEN herstellen, wenn Anja Field den großen Suprasensor des Schiffs in Anspruch nahm. Sie setzte höchste Mysterious-Mathematik ein, und er verstand keine einzige Formel oder Gleichung. Er konnte nicht einmal die Namen der Formeln und Gleichungen verstehen. Zum dreißigsten oder vierzigsten Mal zeigte der Suprasensor rot. Sie ließ sich nicht entmutigen. Für drei Stunden verschwand sie in der ASPEN, um den Suprasensor zu programmieren. Jetzt saß er wieder neben ihr und durfte zusehen und ab und zu ei nen Handgriff erledigen. »Wir kommen der Sache langsam näher, Arc.« Er hatte es zu glauben, weil er nichts verstand. Und sie hatte es aufgegeben, ihm ihre Arbeit zu erklären, weil er ihr nicht folgen konnte. »Morgen machen wir weiter, Arc. Ich hoffe, in einer Woche die Aufgabe gelöst zu haben«, meinte sie, als die Nacht über Planet 1 hereinbrach. »In einer Woche erst, Anja?«
»Hoffentlich, denn zuerst habe ich geglaubt, ich würde einen Mo nat benötigen.« Doorn bewunderte sie. Nicht nur wegen ihres überragenden Kön nens, sondern auch wegen ihrer Energie – und ihrer Beherrschung. Mit keinem einzigen Wort hatte sie ihren Mann erwähnt, sondern nur von der POINT OF gesprochen. Er war bereits am Schott, als ihre Frage ihn aufhielt. »Mir fällt ge rade ein Widerspruch auf, Arc. Sollte der Materie-Sender nicht auto matisch abschalten, wenn die POINT OF im anderen Universum stellar-eins erreicht hatte?« »Das ist leider kein Widerspruch, Anja, sondern nur schlecht for muliert gewesen«, erklärte Doorn. »Nach Dharks Kenntnissen blieb die POINT OF im Wirkungsbereich des Materie-Senders, solange das Schiff stellar-eins nicht erreicht hatte. Dann sollte sich das Aggregat automatisch abschalten, aber nur so weit, um den Ringraumer zu entlassen und nur noch den Riß konstant zu halten. Aber das ist ja durch die Rematerialisierung der Ringraumer…« »Ich weiß, und darum werde ich dafür sorgen, daß dieses Unglück wieder rückgängig gemacht wird, Arc!« Und dann legte sie, die doch eigentlich in diesen Stunden Trost gebraucht hätte, ihren Arm um die Schultern des bulligen, oft so wortkargen Mannes und zog ihn an sich. »Arc, wir beide werden es rückgängig machen. Verlassen Sie sich darauf.« Sie ging zur ASPEN zurück. Arc Doorn sah ihr in der hereinbre chenden Dämmerung nach. Sie schafft es, dachte er. Sie schafft es bestimmt! Der Wegweiser führte sie nach Erron-3! Ohne ihn hätten sie es nie gefunden. Die vierundachtzig Männer waren waffenlos. Was sollten sie auch mit Strahlwaffen, die auf diesem Planeten ohnehin nicht funktio nierten? Das gleiche galt für Funkgeräte und Ortungsanlagen. Die Männer waren immer schweigsamer geworden, je weiter sie sich von der POINT OF entfernt hatten. In der dunstigen Ferne jag ten große Schatten über die Ebene – Schatten, die sich lange Stre cken dicht am Boden bewegten, um dann plötzlich senkrecht in die Höhe zu steigen und vom Gipfelpunkt ihrer Bahn aus im langge streckten Gleitflug wieder zu Boden zu segeln. Schatten, deren Form niemand beschreiben konnte. Ren Dhark ging zwischen Dan Riker und Miles Congollon. Sein Blick war auf den Kugelkopf der Antenne gerichtet. Sie zeigte die Rich tung, in die sie sich zu bewegen hatten. Beinahe unmerklich veränderte die Antenne ihre Stellung. Und sie bog sich durch! Sie bildete immer deutlicher einen Bogen, so daß der Kugelpol mehr und mehr zu Boden wies. »Bin gespannt, was daraus wird«, flüsterte Riker, der den Vorgang mit wachsender Aufmerksamkeit beobachtete. Ren Dhark hielt sich
das Etui vor die Augen und las an den kleinen Instrumenten die sich ununterbrochen verändernden Werte ab. Alle Koordinatenangaben näherten sich dem Null-Wert. Sollte das heißen, daß sie kurz vor dem Ziel waren? Aber wo war Erron-3? Außer den weiten, gelblichen Ebenen und dem einsamen Berg in der Ferne gab es nichts zu sehen. Ein Peilton schwoll an, wie man ihn in der Zentrale der POINT OF schon einmal gehört hatte. Es war kein Befehl erforderlich, um die Raumhelme zu schließen, denn das durchdringende Pfeifen war für menschliche Ohren unerträglich. Dhark und alle anderen schalteten das Außenmikrofon herunter, trotzdem löste der gedämpfte Dauerton Mißbehagen aus. Der Grasboden hatte plötzlich einen Riß, der zu einem wahren Abgrund wurde. Drei Meter vor Dhark, Congollon und Riker begann er und endete erst mehr als hundert Meter weiter. Erron-3 tat sich auf. Ein gewaltiges, im Boden eingelassenes, doppelflügeliges Schott öffnete sich. »Wie damals, Dhark! Wie in den Höhlen, auf der Flucht vor Roc cos Männern!« stieß der Chefingenieur der POINT OF aus, aber die anderen konnten ihn nicht hören. Achtzehn Meter waren die Hügel breit, mehr als dreißig Meter die Stahlplastikstraße, die mit leichtem Gefalle in die dunkle Tiefe führ te. War die Tiefe wirklich dunkel? Ren Dhark hielt Congollon und Riker zurück, dann öffnete er den Klarsichthelm, weil das Peilzeichen verstummt war. In der Tiefe leuchtete es im Goldton! Es nahm an Intensität zu. Es erhielt Umrisse. Und das, was sie dann alle sahen, sagte ihnen alles: Das Emblem einer Galaxisspirale! Vierundachtzig Männer standen gebannt. Senkrecht zogen sich stahlplastikverkleidete Wände nach unten. Über ihnen wölbte sich der grüne Himmel, doch vor ihnen, irgendwo im Dunkeln, leuchtete es im strahlenden Goldton! Das Emblem der Mysterious! »Der goldene Mensch von Mirac?« Aus den hinteren Reihen war diese Frage gekommen. Etwas wie Andacht hatte die Männer erfaßt, sie mußten sie ab schütteln, als Ren Dhark sich wieder in Bewegung setzte. Dann lag das Doppeltor hinter ihnen, und blaues Licht sprang nun aus den Wänden. Langsam verblaßte das Emblem vor ihnen, bis es nicht mehr zu sehen war. Die Schritte von vierundachtzig Männern hallten durch den Tunnel, der einen quadratischen Querschnitt besaß. Nicht ein Staubkorn lag auf dem grauen Boden. Die Luft roch würzig. Der Tunnel schien endlos zu sein. Da prallte Ren Dhark gegen eine
unsichtbare energetische Sperre. Er besaß den Schlüssel zu Erron-3! Sein Wegweiser stieß Peiltöne in arhythmischer Folge aus. Die Sperre verschwand. Der Tunnel verengte sich. Von rechts und links rückten die Wände heran und die Decke kam herunter. Sie erreichten die Stelle, an der sie hintereinander hergehen mußten. Der Gang ließ nur noch einen Mann durch. Und dann hielt das Emblem, das blitzartig wieder zu sehen war, auch Ren Dhark auf. Er stand vor einer massiven Wand. Der Wegweiser in seiner Hand gab keinen Ton von sich. Die An tenne fuhr langsam ein. War das alles? fragte sich Dhark. Sein Blick brannte sich am Em blem fest, von dem man immer noch nicht wußte, ob es ein heiliges Zeichen war oder nur von profaner Bedeutung. Ren Dhark konzentrierte seine Gedanken: Öffne dich! Öffne dich! Er ballte die Fäuste. Er winkelte die Arme an, als wolle er noch mehr Kraft in seine Gedanken legen – da bewegte sich die massive Sperre, glitt langsam in die Höhe und verschwand in der Decke. Er machte einen einzigen Schritt. Erron-3! Erron-3! Erron-3! rief eine Stimme in seinem Kopf. Es klang beschwörend, wie eine Warnung! Erron-3! Erron-3! Langsam drehte sich Ren Dhark um und blickte Dan Riker fragend an, doch der schien die Stimme in seinem Kopf nicht zu hören. »Dan, warte hier. Geh keinen Schritt weiter! Warte, bis ich zu rückkomme!« Riker konnte nicht mehr sehen als Dhark: einen sich verbreiternden Gang, der im Vordergrund von einer blauen, dann einer grünen und am Ende von einer roten, eng gebündelten Strahlenflut unter teilt wurde. Was dahinter lag, war nicht zu erkennen. »Ren!« Riker hielt seinen Freund fest, und sein Blick hatte be schwörende Kraft. »Ren, hör dieses Mal auf mich. Geh nicht allein. Tu es nicht!« Lag es am Ton? Lag es am Blick? »Komm, Dan!« sagte Ren Dhark einfach. Congollon nickte. Er hatte alles gehört. Auf ihn war der Auftrag übergegangen, keinen Schritt weiter zu gehen. Immer noch den Wegweiser in der Hand, gingen Ren Dhark und Dan Riker auf das grelle blaue Licht zu, das gleich einer Wand den Raum zu sperren schien. Dabei erklang pausenlos in ihrem Kopf: Erron-3! Erron-3! Sie passierten die blaue Wand, dann die grüne und durchschritten schließlich die rote. Im gleichen Moment verstummte die Stimme in ihrem Kopf. Sie hatten Erron-3 erreicht! Sie erkannten es auf den ersten Blick!
Ren Dhark ließ die Hand mit dem Wegweiser sinken und steckte ihn ein. Das Gerät hatte seine Aufgabe erfüllt. Nun lag es an den Menschen, was sie mit Erron-3 anfingen. Flüsternd, beinahe ängstlich fragte Dan seinen Freund: »Was muß hier verborgen sein, wenn die Mysterious diese gigantischen An strengungen unternahmen, um ihr Archiv in einem anderen Welt raum zu verstecken?« Kreisförmig war der Saal, ringförmig die Unitallwand, in der sich das blaue Licht widerspiegelte. Wie groß war der Saal? Sechzig, siebzig oder gar achtzig Meter im Durchmesser? Ren Dhark trat vor. Langsam ging er auf die Ausgabe zu, die ein zige, die er bisher entdeckt hatte. Riker hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Neidlos überließ er dem Freund den Vortritt. Der aktivierte seine Alpha-Rhythmus-Frequenz. Eine halbe Minute später schluckte er die erste Mentcap. Die Magensäure löste sie auf. Neues Wissen floß in sein Gehirn. Ruckartig drehte er sich und kam zu Riker zurück. »Dan, sag’ Congollon, daß er mit den Männern zum Schiff zu rückkehren soll!« Dan Riker stellte keine Frage; in Dharks Augen hatte etwas Unbe scheibliches gelegen. Dann waren die beiden Männer allein in Erron-3. Sie blieben lange. Acht Stunden, behauptete man in der POINT OF. Ruhig betraten sie ihr Schiff. Niemand wunderte sich, daß alle aufgefordert wurden, nach Plan in der Medo-Station zu erscheinen, um eine Mentcap einzunehmen. Mit wenigen Ausnahmen bekam jeder nur eine weiße Kugel zu schlucken. Für Miles Congollon lagen acht Stück bereit, für die beiden Chefs der Waffensteuerungen je sechs, während sich die Chefs der anderen Abteilungen mit nur drei Mentcaps begnügen mußten. Kurz darauf sprach kein Mensch mehr von Erron-3, und niemand wunderte sich, in einem blaßblauen Universum zu sein. Warum auch? Weder das eine noch das andere hatte es je gegeben. In ihrer Erinnerung gab es darüber nichts. In ihrer Erinnerung fehlte auch die Tatsache, daß sie durch einen Materie-Sender auf Planet 1 eine Reise ins Unendliche angetreten hatten. Allein Dhark, Riker und Congollon bildeten die Ausnahme. Die Bordverständigung gab den Start des Schiffes für 13:50 Uhr Norm-Zeit bekannt. Auf die Minute genau hob der Ringraumer ab. Aus eigener Kraft, obwohl die Flächenprojektoren hier keine atompische Wirkung er zielen konnten. Hinter der POINT OF blieb der dunkle, rotierende Trichter mit seinem Planeten immer weiter zurück. Um 14:23 Uhr Norm-Zeit fiel die Geschwindigkeit des Flaggschiffes unter stellar-eins. Wenig später waren die ersten zuckenden Spiral bahnen wieder zu sehen.
Die POINT OF versuchte ihr heimatliches Kontinuum wieder zu er reichen. »Nur wo wir herauskommen werden, macht mir noch Sorgen«, sagte Ren Dhark zu Riker. »Ja.« Im Haupt-Archiv auf Erron-3 hatte es keine Mentcap gegeben, die ihnen klare Anweisungen für den Rückweg ins eigene Raum-ZeitGefüge hätte vermitteln können. Statt dessen waren sie darauf vor bereitet worden, 40.000 bis 60.000 Lichtjahre entfernt vom vorge sehenen Ziel das Heimatkontinuum wieder zu erreichen. Nur Ren Dhark und Dan Riker vernahmen die Stimme in ihrem Kopf: Alle Daten über das blaßblaue Universum und Erron-3 sind gelöscht! Gerade hatte Dhark beabsichtigt, zum Checkmaster zu gehen und diese Daten zu löschen, als die Stimme sich gemeldet hatte. Die beiden Männer sahen sich sprachlos an und schüttelten den Kopf. Auch das Haupt-Archiv hatte das Geheimnis ihres Bordgehirns nicht preisgegeben, aber war das von so großer Bedeutung, wenn man sich vor Augen hielt, daß Erron-3 fast das gesamte technische Wissen der Mysterious in sich barg? In der Ortungszentrale des Raumhafens Cent Field herrschte die ge wohnte Ruhe. Zur Routine erstarrt war die Kontrolle der aus- und einfliegenden Schiffe und ihre Identifizierung. Selten kamen Pannen vor, und wer von einem aufregenden Dienst sprach, wurde schnell als Aufschneider erkannt, weil auch Terras Bevölkerung durch eine Reihe populärwissenschaftlicher Sendungen über die Arbeitsweise der Ortungszentrale informiert worden war. Leutnant Chulla griff zum Plastikbecher, um einen Schluck Tee zu trinken, als ihm das Ding aus der Hand fiel und der Inhalt sich über den Boden ergoß. Der Strukturtaster war durchgeschlagen! Während optische und akustische Warnsignale darüber informier ten, daß etwas Ungewöhnliches vorgefallen war, übernahmen be reits Reserveaggregate die Aufgabe der überlasteten Einheiten. Chullas Standvipho blinkte. Die globale Ringschaltung stand. Kapstadt meldete sich zuerst. Dort hatte es den gleichen Schaden gegeben. Aber in Singapur nicht. »Wir geben die Daten durch.« Hinter Chulla standen schon drei Experten, die durch den Alarm aufgeschreckt worden waren. Der große Suprasensor stand nur noch für diesen einen Fall zur Verfügung. Auch Südpol II gab seine Daten durch. Alle anderen Stationen Terras konnten nichts melden. Ihnen war es nicht besser ergangen als der großen Anlage in Cent Field. Das Rechengehirn arbeitete, und Leutnant Chulla hatte genügend Zeit, seinen Bericht abzugeben. Viel konnte er nicht sagen.
Mehr sagte das Auswertungsresultat. Die Experten zeigten offen ihre Ratlosigkeit. »Haben wir nicht vor ein paar Tagen etwas Ahnliches beobachtet? Zwei kurz hintereinander erfolgende Strukturerschütterungen?« »Aber nicht von dieser Stärke, Kollege!« kam der energische Wi derspruch. Der junge Wissenschaftler mit den fiebrig glänzenden Augen blieb bei seiner Behauptung. »Damals wurde vermutet, ein halbes Dut zend Sonnen-Systeme seien verschwunden. Inzwischen wissen wir, daß der Commander auf einem Planeten namens Zwitt das Hy-Kon eingesetzt hat. Was ein Hy-Kon ist, muß er uns noch verraten, aber dieses Hy-Kon bezog seine Energie aus acht Sonnen. In diesem Fall aber scheinen achtzig Sonnen Energielieferanten gespielt zu ha ben!« »Utopisch!« »Was heißt heute noch utopisch? Ich habe mir abgewöhnt, diesen Ausdruck zu benutzen.« »Dennoch reden Sie Unsinn, Kollege! Sehen Sie sich doch einmal die Koordinaten an! Der Bruch des Zeit-Raum-Gefüges liegt rund 31.000 Lichtjahre hinter dem Zentrum unserer Galaxis. Wollen Sie etwa behaupten, daß sich der Commander zur Zeit dort aufhält?« Fiebrig glänzende Augen blickten sich um. »Habe ich denn be hauptet, Commander Dhark habe diesen Strukturbruch ausgelöst? Ich wüßte nicht. Aber warten wir doch ab. Vielleicht bekommen wir bald Gelegenheit, ihn wegen dieses Phänomens zu befragen.« Damit ging er. Für ihn war dieser Fall weit hinter dem Zentrum der Milchstraße vorläufig abgeschlossen. Der Bruch des Raum-Zeit-Gefüges hatte sich ebenso schnell wieder geschlossen, wie er entstanden war. Zigtausend Sonnen funkelten in die Kommandozentrale der POINT OF hinein. Blaue Riesen dominierten, aber auch Weiße Zwerge wa ren nicht gerade selten vertreten, und unsichtbare Radiosterne gab es auf tausend Lichtjahre im Umkreis ein paar Zehntausend zuviel. Ren Dhark hatte es die Sprache verschlagen. Hier sollten sie zu Hause sein? In diesem Gewimmel sollte das SolSystem seine Bahn ziehen? Er wollte den Checkmaster befragen, doch der streikte. »Wie damals, als wir von Hope aus Terra suchten!« murmelte Dan Riker. Er wirkte nicht gerade übermäßig besorgt. Dhark schwieg und schaltete statt dessen die Vergrößerung der Bildkugel herunter. Das Gesamtbild wurde dadurch noch imposan ter. Acht Kugelsternhaufen und drei offene Cluster sahen sie – und im oberen Polbereich der Bildkugel eine Nova, die höchstens ein paar Wochen alt sein konnte. Über die Bordverständigung meldete sich Jens Lionel.
»Dhark, wie kommen wir eigentlich in diese Gegend?« Riker blinzelte seinem Freund zu. Lionel hatte als erster an Bord gemerkt, daß er eine Erinnerungslücke besaß. Die anderen würden bald auch darauf kommen, und Dhark, Congollon und Riker würde dann nichts anderes übrigbleiben, als ebenfalls zu behaupten, eine Lücke in ihrer Erinnerung zu besitzen. Ruhig erwiderte der Commander: »Die gleiche Frage haben Riker und ich uns auch gerade gestellt. Haben Sie keine Erklärung, Lionel, was passiert sein kann?« »Aber wir waren doch eben noch auf Planet 1 in der Sternenbrü cke! Großer Himmel!« Lionel wirkte völlig verwirrt. »Woher weiß ich das alles? Woher? Und seit wann weiß ich, wie man die Schwerkraft Weißer Zwerge überwinden kann?« »Was sagten Sie?« fragte Dhark, den Ahnungslosen spielend, um Lionel auf andere Gedanken zu bringen, denn er konnte ihm doch schlecht sagen, daß er sein neues Wissen aus drei Mentcaps bezo gen hatte, während ihm die vierte jede Erinnerung an Erron-3 und alles, was damit im Zusammenhang stand, genommen hatte. Grappa hatte auch drei Mentcaps zusätzlich geschluckt, die natür lich anderes Wissen enthalten hatten als diejenigen, die Lionel zu sich genommen hatte. »Fremde Raumschiffe auf Grün 34:00 im Anflug. Geschwindigkeit 0,9 Licht.« Lionel war vergessen. Dhark wunderte sich über die unpräzisen Angaben seines Ortungsspezialisten, doch bevor er ihn darauf an sprechen konnte, kam schon die Erklärung. »In diesem Sektor muß vor relativ kurzer Zeit ein Bruch des Raum-Zeit-Gefüges stattgefunden haben. Die Spannung des Hy perspace ist dadurch instabil geworden und pendelt sich erst wieder ein. Daher die Fehlleistung der Ortung!« Grappa wunderte sich nicht einmal über das, was er gesagt hatte! Vor ein paar Stunden noch hätte er gefragt: Was hat man sich un ter der Spannung des Hyperspace vorzustellen? »Wie weit sind die Raumschiffe noch entfernt? Und können Sie ihre Zahl schätzen?« Dhark konzentrierte sich auf das Wesentliche. »Noch nicht, weil… Vorbei! Die Schiffe sind in Transition gegan gen!« »Dan, übernehme«, erging die knappe Anweisung an Riker. Bordverständigung zum Triebwerksraum und zu den WS. »Es besteht die Möglichkeit eines Angriffs. Congollon, schalten Sie sofort um. Das gleiche gilt für die beiden Waffensteuerungen.« Im stillen gratulierte sich Dhark, daß er Jean Rochard und Bud Clifton mit je sechs Mentcaps versorgt hatte. Wenn die beiden sich gleich wunderten, woher sie ihr Wissen hatten, würden sie schnell darauf kommen, daß auch ihnen in ihrer Erinnerung einige Stunden fehlten. Eine grelle Strahlbahn zerriß das Bild in der Kugel. »Schiffe der Schwarzen Weißen!« gellte Grappas Stimme durch die
Zentrale. Aus drei verschiedenen Richtungen flogen die Doppelku gelraumer der Schwarzen Weißen die einsame POINT OF an. Dreiundsiebzig Schiffe der Siebenhundert-Meter-Klasse! gab der Checkmaster bekannt. Nur auf Rot gab es noch eine freie Schneise. Riker schaltete den Sle auf Maximum. Der Ringraumer wurde aus dem Kurs gerissen. Gerade noch rechtzeitig, denn unzählige, gewal tige Strahlbahnen zischten kaum ein paar Kilometer unter dem Schiff durch den Raum. »Mix einsetzen!« Der Befehl galt den beiden Waffensteuerungen. Die Offiziere in der Zentrale begriffen nichts. Was bedeutete Mix? Die Antennen in der Unitallhaut des Flaggschiffes schwenkten in andere Positionen. Auf Deck 3 wurden Aggregate aktiv, die seit dem Jungfernflug der POINT OF noch nie in Betrieb gewesen waren. Bud Clifton verzog sein Kindergesicht zu einer Grimasse. Die mächtigen Doppelkugelraumer kannte er noch von Zwitt her. Der Pulk auf Grün war noch zu weit entfernt, aber der Verband auf Gelb, der aus allen Antennen feuerte und sich immer besser auf die POINT OF einschoß, hatte die richtige Distanz. Achtzehn Antennen des Ringraumers spien Mix aus. Mix war überlichtschnell, erzeugte jedoch ein sekundäres Fluid, das den dunklen Weltraum in ein geisterhaftes Licht tauchte, und das man noch am ehesten als schmutziggrau bezeichnen konnte. Das obere Intervallfeld erhielt vier Volltreffer und schien für einen Moment aufzuglühen, doch dann war die Leuchtkraft der nach allen Seiten verspritzenden Energiekaskaden stärker. Dan Riker nickte zufrieden. Belastung unter zwanzig Prozent. Jean Rochard erwischte mit drei Mix-Bahnen einen Einzelgänger der Schwarzen Weißen. Geblendet schloß er die Augen. »Zur Hölle, steckt da ein Dampf dahinter!« murmelte er verblüfft, kam aber nicht dazu, noch länger über Mix nachzudenken. Miles Congollon saß im Triebwerksraum an seinem Kontrollpult und ließ die Meßinstrumente nicht aus den Augen. Er hatte sich nicht gewundert, daß sie Werte anzeigten, die er frü her noch nie gesehen hatte. Ein dumpfes Grollen tobte durch den Ringraumer. Das untere Intervall war zusammengebrochen, und das Flaggschiff der TF flog plötzlich nur noch mit fünfzigprozentigem Schutz. Entgeistert starrten die Offiziere zum Commander hinüber. Der saß seelenruhig im Pilotensitz und beobachtete die Instrumente auf dem langgestreckten Pult. »Haben gleich 0,8 Licht erreicht«, sagte Riker gelassen. In diesem Augenblick hatten sich mehr als zwanzig Schiffe auf die POINT OF eingeschossen. Etwas zu spät, denn die kurze Pause war von Riker genutzt worden, um das untere Intervall wieder aufzubauen. Dennoch kletterte die Belastungsanzeige immer höher.
Die Bildkugel – auf stärkste Vergrößerung geschaltet – zeigte den Ringraumer, wie er von drei Seiten unter Feuer genommen wurde. Die beiden Intervallfelder waren eine einzige lodernde Energiefläche und hellten den nachtdunklen Raum stark genug auf, daß blen dendes Licht in die Zentrale fiel. »Funk-Z, ist Gringer klar?« »Seit Angriff, Dhark!« bellte Walt Brugg zurück. »Einsetzen!« Die Offiziere im Leitstand blickten sich verständnislos an. Gringer? Was war denn Gringer? Und seit wann konnte die Funk-Z in eine Raumschlacht eingreifen? Ein Schleier zog sich über die Bildkugel. Strahlbahnen, die in allen Regenbogenfarben leuchteten, wurden unscharf. Die nahen und fernen Sterne verschwanden. Grau begann zu dominieren. »Gringer läuft!« Dhark und Riker nickten. Selbst sie hatten diese Wirkung nicht erwartet. »WS auf Mix-2 umschalten!« Im Leitstand schluckten ein paar Offiziere. Im Triebwerksraum rieb sich Miles Congollon die Hände. Mix-2 wurde eingesetzt! Die Schwarzen Weißen würden gleich ihr blaues Wunder erleben! Grappa kniff die Augen zusammen und beugte sich noch weiter vor. Dann war er sich seiner Sache sicher. »Wir haben es mit Robotschiffen zu tun.« Riker grunzte, und Dhark brummte vor sich hin: »Darauf habe ich gewartet. Hallo, WS: Ich übernehme.« Vierzehn Steuerschalter wurden in andere Positionen gebracht. Blitzartig hob im Schiff ein infernalisches Brüllen an, als wolle je des Deck sich aus seiner Verstrebung lösen und gesondert in den Raum fliegen. Vier Fünftel aller Antennen wurden zu Flächenprojektoren! Nur noch mit dem letzten Fünftel konnte sich der Ringraumer ge gen den übermächtigen Gegner zur Wehr setzen. Von einem Ge genangriff war nicht mehr die Rede. »Intervalle sind abgedeckt!« rief Riker dem Commander zu. Dhark nickte. Fein-Justierung war durchgeführt. Alle drei Pulks der Schwarzen Weißen lagen genau im Koordinaten-Mittel. Die letzte Zeiteinheit lief ab. Dhark griff mit dem Hy-Kon der POINT OF an! Opalisierendes Licht überflutete das Undefinierbare des Gringer. Über jedem Pulk war es zu sehen. Es paßte sich genau an die Ge schwindigkeit der vorwärtsjagenden Doppelkugelraumer an. Das Licht formte einen Ring, der alle Schiffe der Angreifer um schloß. Sechs dunkle, schmale Bahnen unterteilten ihn siebenfach. »Ortung wird ja schon wieder unklar!« tobte Grappa hinter seinem Heiligtum.
»Dauert aber lange.« Dan Riker hatte sich etwas zu früh beschwert. Die opalisierenden Ringe hatten sich dicht um die drei Pulks gelegt. Die Schiffe der Schwarzen Weißen begannen in wunderbaren Farben zu leuchten. Drei von vierzehn Steuerschaltern wurden angetippt. Plötzlich blähten sich die dunklen Unterteilungen in den drei Rin gen auf. Sie verschlangen das Opalisierende. Sie verschlangen das Leuchten auf den Doppelkugeln der Schwarzen Weißen. Und dann war der Raum leer. Bis auf die Sterne. Und die POINT OF! Das Hyper-Kontinuum hatte die Schiffe der Schwarzen Weißen ver schlungen! Vierzehn Steuerschalter kippten zurück in die Null-Stellung. »So etwas!« kam es vom Ortungspult. Lässig drehte Ren Dhark sich um. Um seinen Mund lag ein leichtes Schmunzeln. »Was, Grappa?« »Ich habe alles begriffen, Dhark. Auch wenn Sie gleich nein sagen sollten, so bleibe ich dabei, daß Sie das Hy-Kon eingesetzt haben. Sie müssen es eingesetzt haben, denn nur so ist die Strukturer schütterung des Raum-Zeit-Gefüges zu erklären. Aber wie konnten Sie das Hy-Kon einsetzen?« Dharks Antwort war nicht überzeugend. »Aufgrund meiner Erfah rungen in der Station im Mittelpunkt Zwitts. Dort habe ich viel ge lernt, als ich unter Hypno-Zwang zum Checkmaster der Station wurde. Dort habe ich sehr viel gelernt.« Zum erstenmal glaubte Tino Grappa dem Commander kein Wort. »Ich habe auch viel gelernt. Wenn ich nur wüßte, wie und wann. Ich habe vorhin von der Spannung des Hyperspace gesprochen, die sich erst wieder einpendeln müsse. Wie komme ich dazu? Woher weiß ich, daß der Hyperspace eine Spannung hat? Und wieso greift auf einmal die Funk-Z mit einem Ginscher oder Schincher oder wie das Ding heißt in Kämpfe ein? Was hat man sich unter einem abge deckten Intervall vorzustellen? Und dann Mix, Commander? Mix? Warum sagen Sie nichts, Dhark?« Er log. Er mußte zu einer Notlüge greifen. Von ein paar Auserwählten abgesehen, durfte niemand etwas von Erron-3 im blaßblauen Universum erfahren. Erron-3 konnte der Untergang der ganzen Menschheit sein. Erron-3 konnte aber auch der Galaxis den Untergang bringen. In diesem Moment, da ihn Tino Grappa auffordernd und bittend zugleich ansah, kämpfte Ren Dhark mit einer ganz anderen Frage: Sind die Mysterious auch die Grakos der Milchstraße gewesen? Die Antwort pendelte zum Ja! Erron-3 war der Beweis! Auch in Erron-3 hatte es nichts gegeben, was verraten hätte, wie die Mysterious ausgesehen hatten. Aber wer verbirgt denn sein Gesicht? Doch nur ein Verbrecher! Oder – ein Grako?!
18.
Gedankenverloren saß Marschall Bulton in seinem Arbeitszimmer und starrte die Projektion der Erde an, die von einer spiralförmigen Linie umlaufen wurde, auf der in regelmäßigen Abständen Punkte markiert waren. Die Stirn des Marschalls furchte sich mehr und mehr, während vor seinem geistigen Auge abermals jene Bilder vorüberzogen, die sich ihm bei seinem letzten Inspektionsflug mit Colonel Huxley unaus löschlich eingeprägt hatten: Soweit der Blick reichte, überall auf der Erde gelandete oder über ihr schwebende Nogkraumer. Überall die gleiche rastlose Tätigkeit dieser unheimlichen Wesen, die keine Pause kannten und Tag und Nacht mit ihrem gewaltigen technischen Potential die Installation ihres Globalen Schutzschirmes für Terra vorantrieben. An den Polen der Erde wuchsen zwei gigantische Kegel aus der gleichen glasartigen Substanz empor, die der Marschall bereits von den sechs Totenkegeln im Illampu-Massiv kannte. Sie wurden durch Prallschirme geschützt, die selbst für das Intervall der POINT OF oder ihrer Flash völlig undurchdringlich waren. An den markierten Punkten schufen die Nogk zusammen mit terranischen Technikern aus dem gleichen Material kugelförmige Kavernen tief im Erdinnern, die in ihrer Einrichtung stark an die Zentralen nogkscher Kampf schiffe erinnerten. Marschall Bulton riß sich gewaltsam aus seinen Gedanken und ging mit raschen Schritten zu Colonel Huxley hinüber, der damit beschäf tigt war, Stapel von Detailplänen durchzusehen. »Huxley«, unterbrach ihn der Marschall und fuhr sich gleichzeitig mit dem Handrücken über seine schweißnasse Stirn, »ich weiß die ses kostbare Geschenk unserer Freunde, dessen Konsequenzen noch gar nicht vollständig abzusehen sind, bestimmt zu schätzen, aber…« Ein helles Singen, das mühelos sämtliche Schallisolierungen seines Arbeitszimmers durchdrang, unterbrach ihn. Unwillkürlich warf der Marschall durch das Fenster einen Blick zum Raumhafen hinüber. Eine Gruppe von Nogkraumern setzte gerade zur Landung an. Eiförmige, gut sechshundert Meter lange Schiffe, die von einem äußerst eigentümlich wirkenden Ellipsenraumer be gleitet wurden. Der Marschall kannte dieses Schiff. Seine Züge nahmen einen besorgten Ausdruck an. »Die CHARR landet. Huxley! Charaua wird zu uns wollen. Hof fentlich hat es keine unerwarteten Schwierigkeiten gegeben!« Der Colonel schüttelte den Kopf. »Sicher nicht, Marschall. Die Nogk haben gelernt, Schwierigkeiten zu meistern! Aber Sie wollten doch eben etwas sagen! Wenn ich Sie recht verstanden habe, bereitet Ihnen irgend etwas an dem Projekt
noch Kummer, oder?« Marschall Bulton nickte. »Sie haben recht. Und ich glaube, ich sollte es Ihnen sagen, solan ge wir noch allein sind. Charaua könnte mich mißverstehen!« Er winkte Huxley zu sich heran und deutete auf die Projektion. »Sehen Sie hier, Huxley! Wenn die Installation der beiden Kegel und der unzähligen Sphären erfolgreich abgeschlossen ist, wird der aktivierte Schutzschirm die gesamte Erde einhüllen; das sehe ich doch richtig, oder?« »Genau, Marschall! Der Schutzschirm wird um Terra eine herme tische Sphäre aufbauen, die uns sowohl vor den Magnetorkanen schützt als auch vor Angreifern jeder uns bisher bekannten Art. Mit Ausnahme der Schatten, solange der Schirm lediglich als Schutz schirm und nicht als Waffe eingesetzt wird!« Der Marschall fuhr herum und starrte Huxley aus schmalen Augen an. »Bei dem Schirm, Huxley, handelt es sich doch – wenn ich mich recht erinnere – um die neue, ultimative Waffe der Nogk! Diese Waffe, so jedenfalls habe ich Sie bei Ihrem Vortrag verstanden, baut um einen Angreifer eine sogenannte Antisphäre auf, die als Fremd körper vom Normalkontinuum abgestoßen wird. Ausgeschleudert, Huxley. In irgendeinen Bereich, ein Kontinuum, von dem wir nichts wissen. Ist das so?« Huxley nickte bestätigend. Er hatte es beim Angriff der schwarzen Schiffe auf der anderen Seite der Milchstraße selbst miterlebt. »Gut! Wenn also die Erde von einem solchen Schutzschirm umge ben ist, und wenn dieser Schirm sich im Fall eines Angriffs in eine Waffe verwandelt – wer garantiert uns dann dafür, Huxley, daß unser Normalkontinuum diese Terra umgebende Sphäre nicht mit samt ihrem Inhalt ausschleudert?« Huxley schüttelte den Kopf. »Ich hatte anfangs ähnliche Bedenken, Marschall. Deswegen habe ich mich mit Charaua und seinen Meegs über dieses Problem aus führlich unterhalten. Wird der Schirm im Fall eines Angriffs zur Waf fe, dann steuern die auf der Erde nach einem genauem System verteilten Schaltsphären jeweils nur so viele Angreifer an, wie ge fahrlos Antisphären errichtet werden können. Diesen Schaltungen liegen exakte Berechnungen zugrunde. Es ist dabei durchaus mög lich, daß ein von allen Seiten zugleich angreifender Feind durch bricht, weil die Steuersphären das Maximum von möglichen An tisphären nicht überschreiten. Unter keinen Umständen.« Marschall Bulton atmete auf. »Seit wann steht das endgültig fest, Huxley?« »Seit etwa vierundzwanzig Stunden, Marschall. Ich kenne die Nogk, auf sie ist hundertprozentig Verlaß!« Der Marschall nickte. »Noch etwas, Huxley. Für mich wie für alle anderen auf Terra sind diese ganzen Dinge ziemlich neu. Es ist praktisch unmöglich, sich
mit dieser Rasse und ihren Eigenarten so schnell vertraut zu ma chen. Was für sie selbstverständlich ist, ist für uns immer noch recht merkwürdig. Sie verstehen, oder?« Huxley verstand den Marschall nur zu gut. Wenn er allein daran dachte, welcher Unsinn in der letzten Zeit von den Presseagenturen und TV-Sendern unter die Leute gebracht worden war. »Huxley, wenn dieser Schirm einen zuverlässigen Schutz gegen die Magnetorkane gewährt«, fuhr der Marschall fort, »warum schützen die Nogk dann nicht ihr eigenes System auf die gleiche Weise, an statt ihr gewaltiges technisches Potential auf die bevorstehende Auswanderung nach Andromeda zu konzentrieren? Ein Unterneh men, von dem niemand weiß, wie es ausgehen wird?« Colonel Huxleys Züge verdunkelten sich. Sein hageres Gesicht wirkte plötzlich angespannt. »Der Schirm wird genügend Magnetstrahlung absorbieren oder re flektieren, um uns Menschen das Überleben zu gewährleisten. Nicht aber den Nogk, Marschall. Die Nogk sind strahlungsabhängige Mu tanten. Sie sind auf einen ungestörten, gleichmäßigen Strahlungs verlauf innerhalb ihres Lebensraumes angewiesen. Dieser seit Jahr millionen bestehende Rhythmus ist aus uns immer noch unbekann ten Gründen gestört! Ein für die Nogk auf Dauer tödlicher Vorfall! Wie gesagt, Marschall: Was für unsere verhältnismäßig unempfindli che Struktur noch ausreicht, bleibt für die Nogk tödlich, gefährdet zumindest den Fortbestand ihrer Rasse! Ich weiß das auch erst seit meinem letzten Aufenthalt bei ihnen!« Bulton nickte abermals. »Noch eine letzte Frage, Huxley. Was geschieht mit heimkehren den oder startenden Schiffen der TF, wenn eines von ihnen in den Schutzschirm gerät? Wird er dann nicht automatisch zur Waffe?« »Im Normalfall ja, Marschall!« erwiderte Huxley nach einigem Zögern. »Aber die Nogk haben eine Lösung dieses Problems vorbe reitet. Eine endgültige Entscheidung ist jedoch noch nicht gefallen. Charaua steht auf dem Standpunkt, daß wir das selbst entscheiden müssen. Es besteht die Möglichkeit, die Schiffe der TF mit einer Schlüsselfrequenz auszurüsten, die den Schirm im Moment des Ein flugs neutralisiert. Allerdings birgt eine solche Frequenz immer die Gefahr, daß sie durch Spionage in die Hände potentieller Angreifer fällt! Aber vielleicht«, Huxley warf einen kurzen Blick aus dem Fens ter, »kommt Charaua gerade deswegen jetzt hierher. Er ist von mir darüber unterrichtet worden, daß Sie Trawisheim heute abend einen umfassenden Vortrag halten werden! Ich nehme sogar an, daß er ihnen einen Teil Ihrer Arbeit abnehmen wird!« Huxley und Bulton sahen den hochgewachsenen, mehr als zwei Meter großen Nogk. Seine goldene, enganliegende Uniform, von deren Schultern breite Silberstreifen bis zu den Handgelenken hin abliefen, leuchtete in der hellen Vormittagssonne. »Seltsam!« knurrte der Marschall, »diese Nogk sind wirklich eine Laune der Natur, mit ihrem Libellenkopf und dem humanoiden Kör
perbau, der trotzdem etwas Reptilhaftes hat. Vielleicht durch die lederartige, gepunktete Haut!« Kopfschüttelnd betrachtete er Cha raua, der sich auf merkwürdig gleitende, unheimlich schnelle Art auf das Portal der Kommandozentrale zubewegte. Die beiden Wachen salutierten, als er an ihnen vorbeiglitt, und der Nogk dankte, indem er in der Art seiner Rasse die Hände bis in Brusthöhe hob und dort für einen winzigen Moment mit den Innen flächen aneinander legte. Minuten später hatte der Lift ihn ins obere Stockwerk befördert, und er trat ein. Zur gleichen Zeit saßen Major Pietro Angelo Caruso und sein ehe maliger Erster Offizier, der frischgebackene Captain und Ringrau mer-Kommandant Majjid T’Challa, in einem der Erfrischungsräume von Wohnkugel III/c und feierten Abschied. Sie genossen die Aus sicht aus den gewaltigen Panorama-Scheiben, die einen geradezu faszinierenden Blick auf langsam dahinwandernde Wolken, gelbe Wüstenformationen und das gewaltige Areal des Raumhafens frei gaben. »Und, wie fühlt man sich am Vorabend des ersten eigenen Kom mandos?« richtete Caruso seine Frage an T’Challa. Der dunkelhäutige Hüne zuckte die Schultern. »Gut! Vielleicht ein bißchen – aber nur ein ganz kleines bißchen – nervös… und na türlich auch stolz!« »Stolz, hm.« Caruso bückte wieder aus dem Fenster. »Ich war da mals auch stolz, als ich mein erstes Kommando erhielt…« Er schüt telte sich leicht, machte eine Handbewegung, als wolle er etwas bei seite wischen, und sah T’Challa wieder an. »Und wie haben Sie dein neues Schiff getauft?« »BUKEPHALOS«, erwiderte T’Challa. Sein breites Grinsen enthüllte zwei Reihen strahlend weißer Zähne. »Das war…« »…das Streitroß Alexanders des Großen, ich weiß, ich weiß… ein geschichtsträchtiger Name, T’Challa!« Der Hüne wurde übergangslos wieder ernst. »Es mag verrückt klingen, Major, aber… ich war noch ein kleiner Junge, da stand ich nachts vor unserem Haus und hab zu den Sternen hoch geschaut und mir gewünscht, einmal dorthin, zu all diesen flimmernden Lich tern zu fliegen. Als meine Eltern dann… starben, hat mir dieser Traum, dieses Ziel geholfen, zu überleben – und die Geschichte von Alexander dem Großen, die meine Mutter mir immer vorgelesen hatte…« T’Challa machte eine kurze Pause, dann sprach er weiter. Sein Blick schien dabei durch Caruso hindurchzugehen. »Die armen Randbezirke von Nairobi sind kein Ort, an dem man aufwachsen sollte, und schon gar nicht als Waise. Ich war oft genug in Situatio nen, in denen ich nicht mehr wußte, wie es weitergehen sollte, aber ich habe mir geschworen, mich niemals von meinem Ziel abbringen zu lassen. Irgendwann habe ich diesem Schwur dann einen zweiten
hinzugefügt: Wenn es jemals möglich sein sollte, daß ich dem Raumschiff, das ich befehlige, einen Namen geben könnte, dann sollte dieses Raumschiff Bukephalos heißen. Denn so wie sein treues Roß Alexander durch die Schlacht getragen hat, so hat mich mein Traum durch eine schlimme Zeit getragen…« T’Challa atmete tief durch. Er starrte noch einen Augenblick ins Leere, dann sah er Ca ruso wieder an. »So, jetzt kennen Sie eines meiner kleinen Geheim nisse.« »Wir haben alle unsere Geheimnisse…« sagte Caruso düster. T’Challa horchte auf. Er war mehr als zwei Jahre unter Carusos Kommando geflogen, und sie hatten einiges zusammen erlebt. Doch wenn er den Major auch als immer fairen, sowohl mutigen als auch besonnenen Vorgesetzten schätzte, so war ihr Verhältnis doch im mer distanziert geblieben. Bei all seiner Leutseligkeit und seiner Lust an Wortgeplänkeln hatte Caruso niemals wirklich jemanden an sich herankommen lassen. Und jetzt… T’Challa zögerte ein, zwei Herzschläge lang – und dann war der Augenblick vorbei. »Was ist, trinken wir noch einen Schluck, oder müssen Sie schon los und Ihr Streitroß satteln?« Das war wieder ganz der alte Caruso. »Aber wirklich nur noch einen, Major«, erwiderte T’Challa nach einem kurzen Blick auf sein Chrono, »wir starten zwar erst morgen früh, aber ich wollte mich nachher noch mit meinen Offizieren zu sammensetzen und…« »Schon gut, schon gut.« Caruso hob beschwichtigend die Hand. »Nur noch einen, allenfalls zwei, Captain – schließlich sind Sie jetzt Kommandant und müssen auf ihren Ruf achten!« Er schenkte ein. Als T’Challa eine halbe Stunde später aufbrach, blieb Caruso noch sitzen. Das Gespräch mit seinem I.O. hatte ihn in eine eigenartige Stimmung versetzt. Und während sein Blick über das weite Lande feld von Cent Field glitt, stiegen Erinnerungen in ihm auf… »Major Caruso?« Noch immer etwas abwesend blickte Caruso auf. Vor ihm standen zwei Männer mittleren Alters mit Dutzendgesichtern. Sie trugen unauffällige graue Anzüge und wirkten völlig durchschnittlich. Und genau das machte Caruso mißtrauisch. »Ja, was gibt’s?« »Major Caruso, wir möchten Sie bitten mitzukommen. Es handelt sich um eine dringende Angelegenheit, die allerdings äußerster Diskretion bedarf«, erwiderte der kleinere der beiden Männer. »So?« Caruso lehnte sich zurück. »Und um was für eine Angele genheit handelt es sich?« »Das können wir Ihnen leider nicht sagen.« »Ah ja. Dann können Sie mir aber vielleicht sagen, wer Sie ge schickt hat, Mister…« Der Sprecher schüttelte den Kopf. »Es tut mir wirklich sehr leid, aber wie bereits erwähnt, bedarf die ganze Angelegenheit…« »…äußerster Diskretion, ich weiß«, vollendete Caruso den Satz.
»Allerdings«, er beugte sich wieder etwas nach vorn, »allerdings glaube ich nicht, daß ich Sie unter diesen Umständen begleiten werde.« »Ich hab’ dir doch gesagt, daß wir so nur unsere Zeit verschwen den«, mischte sich das zweite Dutzendgesicht ein. Und dann geschahen mehrere Dinge auf einmal. Mit einer blitzschnellen Bewegung packte Caruso die Tischplatte und riß sie hoch, nutzte dabei den Schwung, um sich mitsamt dem Sessel zur Seite zu werfen. Noch während er sich auf dem Fußboden abrollte, hörte er das helle Zischen eines Paraschockers. Er wirbelte herum und sah sich um. Wie in Zeitlupe schien abzulaufen, was in Wirklichkeit nur Sekunden dauerte. Der kleinere der beiden Männer war von der Tischplatte im Gesicht getroffen worden und hielt sich die Nase. Sein Kumpan hatte mehr Glück gehabt und stand breitbeinig nur gut zwei Meter von Caruso entfernt. Die Mündung seines Paraschockers wanderte genau dort hin, wo Caruso immer noch am Boden lag. Von irgendwoher ertönte ein Schrei – und dann war wieder das Zischen eines Schockers zu hören. Die beiden Graugekleideten brachen zusammen. Caruso blinzelte verwirrt. Eine Frau trat in sein Blickfeld. Sie war groß – sehr groß, wie er beim zweiten Blick bedauernd feststellte und hatte kurzgeschnittene rote Haare. Sie ging zu den beiden Män nern hinüber und untersuchte sie kurz. Dann wandte sie sich an Caruso, der sich mittlerweile aufgerappelt hatte. »Wenn Sie das nächste Mal versuchen, den Helden zu spielen, sollten Sie sich vielleicht nicht ausgerechnet mit Robonen anlegen! Ich weiß nicht, ob ich dann wieder zur Stelle sein werde, um Sie zu retten!« sagte sie zu Caruso, während sie aufmerksam die Umge bung musterte. Erst dann senkte sie den Paraschocker. »Robonen?« echote Caruso leicht verwirrt. »Ja, unsere beiden Freunde da drüben sind nicht rückgeschaltete Robonen; deshalb war Ihre Einlage auch nur zur Hälfte erfolgreich.« Sie lächelte ihn an. »War aber nicht schlecht, der Stunt, Major. Lernt man sowas bei der Flotte?« »Äh, nein.« Caruso sah sie an und sein Bedauern darüber, daß sie wirklich sehr groß war, stieg. »Sie scheinen mich ja zu kennen, aber mich würde interessieren, wer Sie sind…« Ihr Gesicht bekam etwas Maskenhaftes. »Jelena Suskowna, GSO. Und wir beide, Major, suchen uns jetzt eine stille Ecke, damit ich mit Bernd Eylers Kontakt aufnehmen kann. Er muß wissen, was hier passiert ist. Und ich fürchte, es wird ihm nicht gefallen!« Nur wenige Minuten später hörte Bernd Eylers dem Bericht seiner Agentin, den sie ihm über ihr Spezial-Vipho aus ihrem GSO-Jett übermittelte, aufmerksam zu. Die grünen Augen zu schmalen Schlit zen zusammengekniffen, dachte er einige Augenblicke nach, ehe er
fragte: »Was glauben Sie, Jelena, warum haben sich unsere speziel len Freunde ausgerechnet Major Caruso ausgesucht?« Jelena Suskowna atmete einmal tief durch, dann begann sie: »Ich bin den Robonen jetzt schon einige Zeit auf der Spur und glaube mittlerweile zu wissen, wie sie denken. Daher habe ich mit so etwas gerechnet, seit der Nogkraumer auf Cent Field lag und Major Caruso die Wache im Schiff übernommen hatte. Die Installation des Glo balen Schutzschirms mußte die Gegenseite dann einfach zu Aktio nen zwingen. Deshalb habe ich ihn in den letzten Tagen praktisch nicht mehr aus den Augen gelassen – und voilà, ich hatte recht.« Auf dem kleinen Bildschirm konnte sie sehen, daß Bernd Eylers erregt in seinem Büro auf und ab wanderte. Schließlich blieb er stehen. »Warum haben Sie mir Ihren Verdacht nicht mitgeteilt? Sie wissen hoffentlich, daß Sie ein verdammt gefährliches Spiel gespielt haben, Agentin Suskowna!« Jelena zuckte die Schultern. »Ich kann mich noch gut daran erin nern, was passiert ist, als ich das letzte Mal mit einer Information zu Ihnen gekommen bin, für die ich keine hieb- und stichfesten Bewei se hatte. Die Besprechung bei Trawisheim wird mir auf ewig unver geßlich bleiben.« Eylers verzog das Gesicht, sagte jedoch nichts. »Außerdem hatte ich die Dinge immer unter Kontrolle!« »Was Major Caruso angeht, mögen Sie recht haben. Aber haben Sie sich einmal überlegt, daß die Robonen auch Huxley als Zielper son hätten auswählen können?« hakte Eylers ein. »Nein… ich meine, ja, das habe ich mir überlegt. Aber an Huxley trauen sie sich nicht ‘ran, der ist zu gut abgeschirmt. Caruso hinge gen, ein ganz normaler kleiner Major der TF…« Das ist jetzt aber nicht nett, junge Frau, dachte Caruso. Eylers dachte nach. »Wir sprechen uns noch, Agentin Suskowna«, sagte er schließlich. »Ich nehme an, Sie haben dafür gesorgt, daß die beiden Robonen sich in sicherem Gewahrsam befinden?« Als sie nickte, wandte er sich direkt an Caruso: »Major, wir befinden uns in einer scheußlichen Situation. Wir müßten die Nogk warnen, aber wir können es nicht! Im Gegensatz zu uns kennen die Nogk Begriffe wie Verrat, Sabotage, Spionage nicht! Ja, sogar egozentrisches Denken nur insoweit, als es ihre Rasse als Ganzes betrifft. Ich habe mit Huxley vor einiger Zeit – ohne konkreten Anlaß, einfach nur so – über derartige Dinge gesprochen, und er ist der Ansicht, die Nogk würden nie begreifen, aus welchen Gründen eine Sache wie der Globale Schutzschirm von uns selbst, von Wesen unserer eigenen Rasse, sabotiert werden könnte, wo er doch zum Schutze aller, zum Schutze des Ganzen dient! Die Nogk sind trotz ihrer hohen Intelli genz einfach nicht in der Lage, menschliche Differenziertheit im Denken, Fühlen und Handeln zu begreifen. Sie können es nicht, weil ihr Imperium, ihre Rasse eine soziale Struktur aufweist, wie wir Menschen sie auf unserem Planeten in wesentlich primitiverer Form höchstens bei Ameisenstaaten kennen.«
Eylers wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn. »Aber wir müssen etwas tun! Ich wage gar nicht darüber nachzu denken, was geschehen könnte, wenn auch nur ein einziger Meeg getötet oder gar entführt und gefoltert werden sollte! Verstehen Sie das, Caruso?« Caruso nickte stumm. Er hatte plötzlich einen Knoten im Magen. »Überlegen Sie einmal«, fuhr Eylers fort, »wie viele Nogk, wie viele kampfkräftige Einheiten sich im Zuge der Installationsarbeiten auf Terra befinden. Es darf zu keinerlei Zwischenfällen kommen, denn von Huxley weiß ich, daß Treuebruch bei den Nogk als eines der schwersten Verbrechen überhaupt gilt. Nein, es ist nicht auszu denken, welche Folgen irgendwelche Stör- oder Sabotageaktionen nach sich ziehen könnten.« Eylers blickte Caruso eindringlich an. »Major, Sie machen sich sofort auf den Weg und informieren Hux ley, denn der befindet sich in der gleichen Gefahr wie Sie. Aber achten Sie darauf, daß sich kein Nogk in seiner Nähe befindet! Ich werde mit Bulton reden. Dann müssen wir zusammen überlegen, was wir tun können. Im Augenblick habe ich noch nicht die gering ste Idee. Major, ich verlasse mich auf Sie!« Der Bildschirm erlosch. Für einen Augenblick hatte Caruso den Eindruck, Jelena Suskowna hätte ihrem Chef noch etwas sagen wollen, aber er war selbst viel zu verwirrt, um seiner Beobachtungsgabe zu vertrauen. Nur eine Sache fiel ihm noch ein. »Was haben Sie damit gemeint, als Sie zu Eylers gesagt haben, sie hätten immer alles unter Kon trolle gehabt?« wandte er sich an die GSO-Agentin. Jelena Suskowna lächelte. »Ich habe Sie beschattet, Major… die ganze Zeit…« »Die ganze… wirklich jeden Tag?« vergewisserte sich Caruso. Die GSO-Agentin nickte. Ihr Lächeln wurde breiter. »Die ganze Zeit, Major. Sie sind ein Mann mit interessanten… Neigungen. Wenn das alles hier vorbei ist, könnte ich mir gut vorstellen…« Pietro Angelo Caruso traute seinen Ohren nicht – und er wußte erst recht nicht, ob er sich jetzt freuen oder fürchten sollte. Bernd Eylers war ein vorsichtiger Mann. Er hatte zwar keine Ah nung, ob zur Zeit bei Marschall Bulton eine Besprechung mit Cha raua stattfand, aber er rechnete zumindest mit einer derartigen Möglichkeit. Bernd Eylers hatte sich zudem in seiner Funktion als Chef der GSO mit den Nogk beschäftigt. Er hatte über diese Rasse an Material gesammelt, was immer er auch bekommen konnte. Angefangen bei den ersten Begegnungen der Terraner mit den Nogk auf Hope. Eylers wußte von den scharfen, für menschliche Vorstel lungen überempfindlichen Sinnen der Nogk. Wenn sie auch nicht die Fähigkeit besaßen, Gedanken zu lesen, so registrierten ihre für menschliche Begriffe unglaublich scharfen Sinne eben doch noch Dinge, die weit außerhalb jeder Wahrnehmungsfähigkeit eines
menschlichen Gehirns lagen. Eylers dachte in diesem Zusammen hang an die erstaunliche Fähigkeit der Nogk, sich völlig lautlos in Form von gestochen scharfen, holographisch anmutenden Bildern mitzuteilen, die ohne jeden Umweg direkt im Gehirn entstanden. Eylers dachte an die bei Dhark, Huxley und anderen durchgeführten Detektorbefragungen der Nogk. Alles in allem war er sich immer noch nicht sicher, ob diese Rasse am Ende nicht doch noch über ei nige Fähigkeiten verfügte, die sie den Menschen verheimlicht hatte. Vielleicht aus Gründen der Freundschaft, vielleicht auch, um den noch über alle Gefühle und Überlegungen der Terraner eine gewisse Kontrolle zu behalten. Denn die Nogk waren eine militante Rasse, eine Lebensform, die jahrtausendelang gegen andere Rassen ge kämpft und um ihre Existenz zwischen den Sternen bitter gerungen hatte. Die Freundschaft mit Terra war seit Jahrtausenden ihr erster Versuch… Bernd Eylers’ Hand lag auf der Ein-Taste des Viphos. Er war im Begriff gewesen, Marschall Bulton anzurufen, und ihn über das zu unterrichten, was in Wohnkugel III/c vorgefallen war – und vor allem über die Schlüsse, die er daraus zog. Doch dann schüttelte er den Kopf. »Lieber nicht!« murmelte er. »Ein solcher Anruf könnte höchst unerwünschte Folgen haben, zumal der Marschall nicht der Mann ist, derartige Nachrichten ohne jegliches äußeres Anzeichen von Sorge oder Unruhe in sich zu verschließen.« Bernd Eylers richtete sich aus seiner gebeugten Haltung auf. Es würde am besten sein, wenn er selbst zu Bulton flog. Minuten später hob sein Jett vom Dach des GSO-Gebäudes ab. Die Maschine ließ die Stielbauten Alamo Gordos hinter sich und nahm Kurs auf das riesige Raumhafen-Areal. Neben Nogkraumern und Ringraumergruppen sah Eylers auch ein Geschwader von 400 Meter-Kugelraumern, ein paar Einheiten der Hunter-Klasse und einige Sternschnuppen, die sich um eines der riesigen Bergungs schiffe gruppierten, von denen ständig zwei oder drei auf Abruf bereitlagen. Der GSO-Chef griff schon zum Vipho, um sich beim Cent Field Tower anzumelden, als sich plötzlich die Mündung einer Waffe in seinen Rücken bohrte. »Lassen Sie die Hände vom Vipho, Eylers. Gehen Sie auf Kurs Nord. Unterlassen Sie alles, was mich nervös machen könnte.« Der Druck der Waffe in seinem Rücken verstärkte sich. Eylers, der sonst gewiß nicht langsam reagierte, brauchte eine ganze Weile, ehe er seinen Schreck überwunden hatte. Während er die Maschine zögernd auf Nordkurs brachte, überlegte er fieberhaft, wie es seinen Gegnern überhaupt gelungen sein konnte, sich seines Jetts zu bemächtigen, ohne daß die Alarmanlage angeschlagen hatte. Es war selbstverständlich, daß Eylers für sich und seine Mit
arbeiter alle nur erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte - schließlich wußte niemand besser als er, daß es immer noch Kräfte auf der Erde gab, die gegen Dhark und seine Leute arbeite ten. Allen voran die kleine Gruppe nicht rückgeschalteter Robonen, die immer wieder mit Sabotageakten für Unruhe sorgte. Der GSO-Chef gab sich einen Ruck. »Okay, für den Moment haben Sie gewonnen. Und was jetzt?« »Automatik einschalten, Maschine bleibt auf Nordkurs. Und noch mal, Eylers: Versuchen Sie bloß keine Tricks. Es würde Ihnen ver dammt leid tun.« Bernd Eylers zuckte die Schultern. »Ich fürchte, mein Freund, daß Ihnen noch manches leid tun wird. Es ist schon dreist, ausgerechnet den GSO-Chef zu entführen! Aber lassen wir das, das hat Zeit bis später.« Eylers schaltete die Automatik seines Jetts ein. Irgendwie überkam ihn plötzlich wieder die eiskalte Gleichgültigkeit, die er von früher kannte. Er würde seine Augen offenhalten und jede sich nur irgendwie bietende Chance wahrnehmen. »Aufstehen, Eylers.« Kalt unterbrach die Stimme des Fremden in seinem Rücken seine Gedanken. »Sie werden für die nächste Stunde nicht mehr gebraucht. Danach wird sich das dann allerdings ändern, sehr sogar.« Die Stimme des Mannes klang höhnisch. Eylers glitt langsam aus seinem Pilotensessel. Er erwartete jede Sekunde das zischende Ge räusch eines sich entladenden Schockers zu hören oder den kurzen Schmerz eines Schlags von hinten zu spüren. Aber nichts dergleichen erfolgte. »Umdrehen, nach hinten gehen!« befahl statt dessen die Stimme. Bernd Eylers drehte sich um und – starrte in die maskierten Ge sichter dreier in enganliegende schwarzglänzende Metallicanzüge gekleideter Männer, neben denen, deutlich erkennbar an den Kontu ren ihrer Brust, eine Frau stand. »Darf ich um Ihre Hände bitten, Eylers?« fragte die Frau und hielt ihm zwei Stahlfesseln entgegen. »Nur eine kleine Sicherheitsmaß nahme. Sie als GSO-Chef werden dafür doch wohl Verständnis ha ben, oder?« Eylers zögerte, aber die unmißverständlich auf ihn gerichteten Mündungen ließen ihn resignieren. »Bitte!« Er streckte die Hände aus. Sofort schnappten die Fesseln über seinem rechten Handgelenk und der Prothese zusammen. »Sie sind viel vernünftiger, als ich dachte, Eylers. Aber vielleicht gehören Sie tatsächlich zu den Männern, die wissen, wann sie verlo ren haben. Solche Männer sind meist besonders gefährlich. Denn sie nutzen jede sich ihnen bietende Chance, auch wenn sie noch so klein ist. Wir werden sehr gut auf Sie aufpassen.« Derjenige der drei Männer, der bisher das Reden übernommen hatte, trat auf ihn zu. »Kommen Sie, Eylers, wir gehen jetzt ein wenig nach nebenan.
Dort wartet bereits jemand auf Sie. Denn freiwillig würden Sie doch nicht reden, oder?« Der GSO-Chef erschrak. Er konnte nicht vermeiden, daß er zu sammenzuckte. Eylers war lange genug Geheimdienst-Mann, um zu wissen, was der Fremde mit ihm vorhatte. Es gab Mittel, die aus einem Gefangenen auch das letzte Quentchen an Wissen heraus preßten, die das Opfer eines derartigen Verhörs förmlich umkrem pelten. Nur die wenigsten überlebten eine solche Behandlung. Die Drogen waren zu stark. Wer aber überlebte, der wurde meist nie wieder ein normaler Mensch. Bernd Eylers verfluchte sich in diesem Moment, daß er nicht schon beim allerersten Wort des Fremden die Maschine einfach auf den Kopf gestellt hatte. Das wäre zwar sein Ende gewesen, aber auch das jener erbarmungslosen Kreaturen, denen er in die Hände gefal len war. Der Maskierte hatte den GSO-Chef nicht aus den Augen gelassen. »Es hilft Ihnen nichts, Eylers. Wir brauchen einige Informationen. Ein normales Verhör würde nicht genügen, da wir niemals wüßten, ob Sie wirklich die Wahrheit sagen. Wir brauchen Sicherheit. Das bedeutet, daß wir Ihren Willen ausschalten müssen. Caruso hat Glück gehabt, deshalb sind jetzt Sie dran. Wir haben alle Möglich keiten in unsere Planungen einbezogen. Und jetzt kommen Sie, wir haben nicht viel Zeit!« Aber Eylers ging noch nicht. Wenn nicht ein Wunder geschah, dann kam für ihn jede Hilfe ohnehin zu spät. »Hören Sie, ich weiß genau, was jetzt mit mir passieren wird. Aber ich möchte gern noch etwas wissen, bevor wir nach nebenan gehen. Einverstanden?« Der Maskierte warf seinen Kumpanen und dem Mädchen einen kurzen Blick zu. Dann nickte er. »In Ordnung, Eylers. Ausgenommen Sie fragen uns, wer wir sind und was wir wollen.« Eylers sah den Fremden an. »Wie sind Sie in den Besitz meiner Maschine gekommen, warum hat keine der Alarmeinrichtungen angeschlagen?« Eylers sah, wie sich die Lippen des Fremden unter seiner Maske zu einem Lächeln verzogen. »Es ist nicht Ihre Maschine, Eylers. Dieser Jett ist ein Double. Sie werden das sofort erkennen, wenn wir gleich nach nebenan gehen. Ihre Maschine ist zur Zeit auf Ihre eigene Anordnung hin unterwegs nach Europa. Sie hätten ein wenig besser auf Ihre eigenen Leute aufpassen müssen. Genügt Ihnen diese Antwort?« Der GSO-Chef nickte. Die Antwort genügte nicht nur vollständig, sie erklärte zugleich manches, was ihm in letzter Zeit einfach uner klärlich geblieben war. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann ist meine Maschine auf meinen Befehl hin zur Durchführung eines Sonderauftrages gestartet, wurde dann irgendwo über dem Atlantik vernichtet, wo
man keinerlei Trümmer mehr findet oder beseitigen muß, und Sie kehrten mit dem Double zurück und legten sich auf die Lauer. Nachdem Carusos Entführung scheiterte, stand für Sie fest, daß ich mich schon sehr bald nach Cent Field aufmachen würde, um mich mit Bulton zu beraten. So war es doch, oder?« In Bernd Eylers’ blaßgrünen Augen stand ein gefährliches Licht. »So war es, Eylers. Sie kombinieren gut«, erwiderte der Fremde. Der GSO-Chef nickte. Er dachte flüchtig an die Gaswaffe, die in die Prothese seines linken Unterarms eingebaut war. Sie hätte ihm jetzt helfen können. Er hatte sie jedoch wegen eines Defekts schon vor längerer Zeit ausbauen und in einer der GSO-Werkstätten über prüfen lassen. Durch die dann auf ihn einstürmenden Arbeiten war die ganze Angelegenheit schließlich in Vergessenheit geraten. In Vergessenheit? Eylers zuckte in jäher Erkenntnis zusammen. Er hatte die Reparatur zwar vergessen, die Werkstatt hingegen hätte sich unbedingt melden müssen! Eylers begriff in diesen Sekunden, daß die trügerische Ruhe auf der Erde auch ihn nachlässig und unvorsichtig gemacht, ihn einge schläfert hatte. So etwas wäre ihm auf Hope niemals passiert. Er sah den Fremden an. Plötzlich glaubte er zu wissen, wen er vor sich hatte. »Scholf!« sagte er langsam. »Nehmen Sie ruhig Ihre Maske ab. Mir ist eben eine Menge klargeworden. Sie wollen Ihre letzten Nie derlagen wettmachen, nicht wahr?« Eylers hatte den Maskierten nicht aus den Augen gelassen, und das Zusammenzucken des Mannes sagte ihm, daß er recht hatte. Und dann fiel der Blick des GSO-Chefs durch die Kanzel nach drau ßen. Er brauchte all seine Willenskraft, um sich nicht ebenfalls durch ein jähes Zusammenzucken zu verraten. Ich muß jetzt Zeit ge winnen, dachte er, unbedingt Zeit gewinnen. Ich muß diesen Scholf und seine Kumpane noch eine Weile hinhalten, dann habe ich eine Chance. Scholf tat ihm den Gefallen. Langsam zog er seine Maske vom Gesicht. Er bemerkte nicht, daß Eylers sich absichtlich so drehte, daß die Blicke der Robonen un willkürlich in den rückwärtigen Teil des Jetts gerichtet waren. »Ich habe Sie trotz aller Vorsicht immer noch unterschätzt, Eylers. Dadurch, daß Sie mich erkannt haben, haben Sie zugleich Ihr To desurteil gesprochen. Sie werden reden und sterben, Eylers.« Er machte mit seiner Waffe eine unmißverständliche Bewegung. In diesem Moment traf den Jett ein sehr schwerer Stoß. Schorf, Eylers, das Mädchen und die anderen Robonen verloren das Gleich gewicht. In der Kanzel wurde es merklich dunkler. Bernd Eylers nutzte die Gelegenheit. Instinktiv hatte er sich noch im Fallen zusammengerollt. Die Robonen hatten ihm die Hände nicht auf den Rücken, sondern vor dem Körper gefesselt. Bei einem Geg ner wie Eylers ein unverzeihlicher Fehler. Er schnellte sofort wieder empor und hechtete mit einem gewalti
gen Satz durch das offene Trennschott in den Nebenraum, von dem Scholf gesprochen hatte. Er sah den Mann im schwarzglänzenden Metallicanzug, der sich krampfhaft an dem Operationstisch in der Mitte des Raumes festklammerte, um nicht durch die heftigen Be wegungen des Jetts gegen die Wände geschleudert zu werden. Eylers stieß sich mit beiden Füßen ab. Sein Körper streifte den Operationstisch. Instrumente und Schalen flogen zur Seite, ein dik kes Kabel wurde aus seiner Anschlußbuchse gerissen und knallte irgendwo gegen die Wand. Dann hatte Eylers den Mann auch schon gepackt, zu Boden gerissen und mit einem einzigen Hieb seiner Stahlfesseln betäubt. Er nahm sich nicht die Zeit, nach dem niedergeschlagenen Gegner zu sehen. Er kannte die Wirkung solcher Hiebe auch so. Statt des sen hechtete er abermals zum Schott zurück, griff mit der durch die Fessel nur schwach behinderten Rechten zu und schloß das Schott mit einem einzigen Ruck. Eylers wußte, daß Scholf das Schott vom Instrumentenpult her leicht wieder öffnen konnte. Er wußte aber auch, daß Scholf damit rechnen mußte, von Eylers geschockt oder zerstrahlt zu werden, sobald er auch nur den Versuch machte, in den Operationsraum des Jets einzudringen. Der GSO-Chef bückte sich nach dem Fremden. Er fand sofort, wonach er suchte. Mit dem Fuß drehte er den Bewußtlosen herum und riß den schweren Blaster aus dem Halfter an seiner Hüfte. Dann hetzte er durch den Operationsraum und schob sich in den engen, leicht gebogenen Gang, der zum Notausstieg führte. Eylers spürte, daß ihm Blut über’s Gesicht lief. Wahrscheinlich hatte er sich bei seinen verzweifelten Sprüngen den Kopf aufge schlagen. Aber das zählte jetzt nicht. Eylers wußte nur eins: daß er verschwinden, daß er so schnell wie möglich aus dem Jett heraus mußte. Scholf war nicht der Mann, der sich gefangennehmen lassen würde. Dieser Bursche würde seine Vorkehrungen getroffen haben. Eylers erreichte den Notausstieg und griff keuchend nach den Verriegelungen. Dann passierte es…
19.
Einige Zeit bevor Scholf und seine Leute den Überfall auf den GSOChef durchführen konnten, saßen sich Colonel Huxley, Marschall Bulton und Major Caruso gegenüber. »Das ist eine üble Sache, Caruso!« sagte Huxley schließlich. »Ey lers hatte vollkommen recht, wenn er unter allen Umständen ver meiden wollte, daß Charaua oder irgendeiner der Nogk von diesen Dingen Kenntnis erhält. Zwar sähe ich auch bei einem Sabotageakt oder sonstigen Zwischenfällen nicht ganz so schwarz wie unser Freund Eylers, aber angenehm wäre die Sache keineswegs. Schlimm würde es allerdings, wenn tatsächlich ein Nogk von diesen Brüdern getötet oder entführt und gefoltert würde.« Huxley überlegte. Nachdenklich blickte er aus dem Fenster zu dem Nogkraumer hinüber, dessen Besatzung nun jeden Augenblick aus ihrem Tiefschlaf erwachen mußte. Deshalb hatte Charaua dem Mar schall und ihm auch nur die allernotwendigsten Informationen über den Stand der Arbeiten am Globalen Schutzschirm gegeben, bevor er zu den bereits wartenden Meegs in die Tiefschlafzelle hin abgestiegen war. Huxley wußte, daß Charaua jetzt für etliche Stun den nicht gestört werden wollte und auch nicht gestört werden durf te. Die Meegs hatten an Bord des Kampfschiffes alles für eine De tektorbefragung der gesamten Besatzung vorbereitet. Die Nogk wollten endlich ergründen, warum jenes Kampfschiff in den Kor dilleren notgelandet war, warum es erst mit derartiger Verspätung an sein Ziel, die Erde, gelangt war. Und vor allen Dingen hatte Cha raua eine strenge Untersuchung darüber angeordnet, auf welche Weise sechs Besatzungsmitglieder des Raumers getötet worden waren, darunter der Gesandte des Rates ihres Imperiums und der Kommandant des Kampfschiffs. Huxley wandte sich Bulton und Caruso zu. »Vielleicht erfahren wir noch im Laufe des heutigen Tages von Charaua mehr über die Hintergründe. Vielleicht sind es bedrohliche Neuigkeiten. Auf jeden Fall wird mit dem heutigen Tag auch klar, wann die Aktion Andromeda steigt. Deshalb haben sich Charaua und seine Nogk auch so beeilt. In den nächsten vierundzwanzig Stunden sind die Installationsarbeiten am Schutzschirm abgeschlossen. Dann kehrt das Gros der Schiffe ins System Tantal zurück. Eine Gruppe von hundert Werkstattschiffen bleibt mit ihren Besatzungen hier. Sie werden unseren eigenen Technikern bei den noch verbleibenden Arbeiten helfen und dann die Bedienungsmannschaften der einzel nen Schaltsphären mittels Detektorschulungen praktisch wie theore tisch in ihre Arbeit einweisen. Ebenfalls die beiden Bereitschaften nebst Ablösungen für die Impulskegel auf den Polen. Die Werkstatt schiffe werden die Erde erst verlassen, wenn die Gewähr gegeben ist, daß irgendwelche Pannen absolut ausgeschlossen sind. Die ein
zige Schwierigkeit wird sein, zurückkehrende Ringraumer der Dhark-Gruppe abzufangen und zu informieren. Unsere Schiffe werden von den Nogk und später von unseren ei genen Technikern schnellstens mit dem Impulsator für die schüt zende Schlüsselfrequenz ausgerüstet. Das gilt auch für das bereits wieder in den Raum Tantal verlegte Ringraumergeschwader Szar dak.« Marschall Bulton nickte. »Es ist gut, daß Sie das alles noch einmal präzise zusammengefaßt haben, Huxley. Offen gestanden habe ich Charaua vorhin manchmal nicht recht folgen können. Er teilte sich zu schnell, zu eilig mit. Ich bin an diese vertrackte Bildersprache noch nicht gewöhnt. Außer dem scheint Charaua bisweilen mit einer Schnelligkeit zu denken, an die man sich erst noch gewöhnen muß!« Huxley grinste. Er verstand den Marschall nur zu gut. Bei ihm und seiner Crew hatte es auch eine ganze Weile gedauert, bis sie völlig firm waren und die Nogk hundertprozentig in jedem Tempo ver standen. Hinzu kam noch, daß seine Mannschaft und er im Gegen satz zu Bulton auf dem Weg der Detektorschulung mit vielen Be griffen der nogkschen Denkungsart vertraut gemacht worden waren. »Es wäre nicht falsch, Marschall, wenn unser Freund Dhark unserer guten alten Erde mal wieder einen Besuch abstatten würde. Es sind doch inzwischen eine ganze Menge Entscheidungen zu treffen, für die meiner Ansicht nach auch Trawisheim nicht kompetent ist. Ich selbst werde ja…« Der Marschall unterbrach ihn. »Auch darüber muß ich noch mit Ihnen sprechen, Huxley. Die Akti on Andromeda ist ein gewagtes Unternehmen. Sagen Sie einmal ganz ehrlich Huxley: Welche Chancen rechnen Sie sich und Ihren Männern aus, zur Erde zurückzukehren? Sind Sie der Ansicht, daß der Einsatz des Geschwaders Szardak wirklich verantwortet werden kann? Niemand von uns kennt die Bereiche außerhalb des Halos unserer Milchstraße.« Der Marschall kaute erregt auf seiner Unterlippe. »Sie müssen mich verstehen, Huxley. Ich will mir mit dieser Frage kein Hintertürchen offenhalten, ich bin nicht zu feige, eine notwen dige Entscheidung zu treffen. Aber was ich entscheide, muß ich nicht nur vor mir, sondern auch vor Dhark verantworten können! Das ist es, Huxley! Außerdem können wir nicht einfach das Leben unserer Besatzungen sinnlos aufs Spiel setzten. Männer wie Janos Szardak sind für die Erde einfach unersetzlich!« »Niemand kennt den Ausgang der Aktion Andromeda, Marschall! So wie damals niemand den Ausgang der Reise der alten GALAXIS unter Sam Dhark voraussagen konnte. Aber es wird eben immer einfach Dinge geben, die wir tun und wagen müssen, Marschall. Mir scheint, die Freundschaft der Nogk ist jedes Risiko wert. Ganz ab gesehen davon, daß meine Männer und ich ohnehin schon durch unser Wort gebunden sind. Szardak und seine Besatzungen werden
zur Zeit im Tantal-System einem harten Training unterworfen; von Seiten der Nogk wird alles getan, ihnen soviel Sicherheit wie mög lich zu geben. Die Ringraumer Szardaks sind aber eine derart wert volle, ja geradezu unerläßliche Ergänzung der Nogkflotte, daß ich unbedingt für den Einsatz dieser Schiffe plädiere. Im übrigen ist Szardak durchaus der Mann, der auf sich selbst aufpassen kann. Jeder Raumschiffverband, gleich welcher Rasse, kann sich nur be glückwünschen, wenn er Männer wie Szardaks Besatzungen zur Unterstützung hat.« Er sah Bulton an und legte dem Marschall unwillkürlich beschwö rend seine Rechte auf die Schultern. »Es geht bei der Aktion Andromeda um Sein oder Nichtsein einer ganzen Rasse, Marschall. Es geht darum, erstmals den Bannkreis unserer Galaxis mit einem Riesenverband von Schiffen zu verlas sen!« Marschall Bulton gab sich einen Ruck. »Gut, Huxley. Ich werde heute abend die Sache vor Trawisheim vertreten. Ich glaube nicht, daß er irgendwelche Einwände hat. Und wenn, dann werden wir gut daran tun, ihm sehr genau zuzuhören.« Huxley nickte. Er wollte schon seinen Mund zu einer Entgegnung Öffnen, als er plötzlich zusammenzuckte. »Caruso, kommen Sie doch mal, rasch.« Mit einem einzigen Satz stand der Major, der der Unterhaltung bis her schweigend gefolgt war, neben Huxley. »Dort, das ist doch Eylers Dienstjett! Ich erkenne die Maschine an ihren gelbroten Zeichen! Da, sehen Sie, was zum Teufel soll das?« Huxley, Caruso und der eilig hinzugetretene Marschall spähten angestrengt zu dem Jett hinüber, der bereits zum Anflug auf Cent Field angesetzt hatte und jetzt sekundenlang wie unschlüssig hin und her taumelte, um dann plötzlich auf Nordkurs zu gehen. Caruso zog eine Minikamera mit elektronischem Zoom aus der Tasche. »Ich erkenne Eylers unter der Panoramakuppel! Aber… hinter ihm steht noch irgend jemand! Eine dunkel gekleidete Gestalt.« Huxley begriff in Sekundenschnelle. »Marschall!« wirbelte er herum. »Welcher der Bergungsraumer hat Bereitschaft, welches der Schiffe ist startklar?« Marschall Bulton spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. So hatte er Huxley noch nie erlebt. »Die JAPETUS unter Major Crook. Piste sieben, aber was…« Huxley hörte schon gar nicht mehr hin. Er sprang zum Vipho, wählte die Codenummer der JAPETUS und hatte bereits Sekunden später den Wachhabenden auf der Mattscheibe. »Starten, geben Sie sofort Startbefehl! Alarmstufe eins! Verstän digen Sie Major Crook! Und schicken Sie unverzüglich ein Beiboot. Es soll mich und einen weiteren Mann sofort vor dem Kommando gebäude der Sektion VII abholen! Ende.« Huxley kümmerte sich nicht um das bestürzte Gesicht des Wach habenden, sondern ließ sich sofort mit Cent Field Tower verbinden.
»Colonel Huxley an Cent Field Tower. Über der Piste ist eben ein GSO-Jett auf Kurs Nord gegangen. Nummer der Maschine GSO-03E. Sind Flug und Kursänderung gemeldet?« »Nicht gemeldet, Flugerlaubnis liegt nicht vor.« »Lassen Sie den Kurs der Maschine überwachen, teilen Sie die Ergebnisse ab sofort laufend an die JAPETUS mit, das Schiff startet auf persönlichen Befehl Marschall Bultons sofort! Ende.« Der Marschall trat mit einem schnellen Schritt auf Huxley zu. »Huxley, was zum Teufel soll das? Wollen Sie nicht endlich…« »Es geht um Bernd Eylers, Marschall. Die Burschen haben ihn auf irgendeine Weise…« Der Rest ging bereits im Singen der Triebwerke der JAPETUS un ter. »Kommen Sie, Caruso, schnell. Das Beiboot löst sich bereits aus der Schleuse der JAPETUS«, fügte er noch hinzu und zog Caruso mit sich fort. Zurück blieb ein immer noch reichlich perplexer Marschall Bulton. Er rannte zum Fenster seines Arbeitszimmers hinüber und sah, wie Huxley und Caruso auf die Piste hinaustraten und von dem bereits wartenden Beiboot aufgenommen wurden. Gleich darauf hob das kugelförmige Boot auch schon wieder ab und folgte der startenden JAPETUS. Bulton konnte gerade noch er kennen, wie es schließlich durch eine der Schleusen im Bootsdeck des mattgrauen Bergungs-Raumers verschwand. Unterdessen beschleunigte die JAPETUS bereits. Dir riesiger Kugel rumpf schoß durch die Atmosphäre. Er hinterließ auf seinem Weg orkanartige Böen, die heulend über die Wüstenlandschaft jagten und kilometerweit sichtbare Staubfahnen emporwirbelten. Erschrocken wandten die Gäste der Panorama-Views in den Stielbauten Alamo Gordos ihre Köpfe zu den Panzerplastikscheiben und starrten dem grauen Ungetüm nach, das vor ihren Augen in den tiefblauen Him mel hineinschoß. Die JAPETUS unterschied sich grundsätzlich von anderen Kugel raumern. Sie glich einer gigantischen, flugfähigen Werft. Statt der üblichen Aufteilung des Schiffskörpers verfügte sie über mehrere große Montagehallen. Über die Unterseite ihres Kugelrumpfes ver teilten sich spezielle Sichtkuppeln mit allen nötigen Bedienungse lementen, die zum Einsatz der zwölf ringförmig um das Schiff ver teilten Kombigreifer erforderlich waren. Eine eigene Zentrale, ober halb einer der Montagehallen im Zentrum des Schiffes gelegen, sorgte für die wirksame Koordination der gewaltigen Hydraulikarme, deren Enden mit verschiedenartigstem Werkzeug versehen werden konnten. Und genau darauf baute Huxley seinen Plan. Zusammen mit Caruso und Major Crook, einem nicht mehr ganz jungen Offizier, der genau wie Janos Szardak und Huxley selbst aus der berüchtigten Kallisto-Akademie hervorgegangen war, hockte
Colonel Huxley in einer der Greiferkuppeln. Ständig liefen die Or tungsergebnisse ein. Auf den Bildschirmen, die mit denen des Leit stands gekoppelt waren, tauchte ein winziger, blitzender Punkt auf. Major Crook beobachtete den Kurs des Jetts. »Sie sind es, Frederik, wir werden sie in wenigen Minuten errei chen. Hoffentlich bemerken sie uns nicht zu früh, das könnte für Eylers böse Folgen haben, wenn deine Vermutung stimmt!« Huxley nickte. Crook war einer der wenigen Offiziere, mit denen er sich seit seinen Kadettentagen duzte. »Wir packen sie mit dem Greifer, Roger. Wie ich Eylers kenne, wird er den plötzlichen Stoß nutzen. Schärfe den Männern ein, daß sie auf die Ausstiege des Jetts achten sollen.« Der Hydraulikarm des Greifers schwenkte aus. Schnell näherte sich die JAPETUS dem immer noch auf Nordkurs dahinjagenden Jett. Der Greifer spreizte seine mächtige Zange. Crook gab die letzten Kom mandos an die Bedienungsmannschaft. Dann packte der Greifer zu. Huxley bewunderte im stillen die Exaktheit, mit der die JA-PETUS dieses schwierige Manöver ausführte. Die Außenhaut des Jetts platz te auf, noch während der Greifer das Fluggerät durch das weit ge öffnete Schott einer der Montagehallen schob. Plötzlich erklang eine Detonation. Huxley sah, wie drei schwarze Körper aus dem Rumpf des zerberstenden Jetts herauswirbelten und den Bruchteil einer Sekunde später unter der Masse des immer noch dahinjagenden Schiffs verschwanden. Huxley hatte keine Zeit, sich um sie zu kümmern, denn die Explo sion hatte den Bug des Jetts abgerissen. Nur das halbverformte Heck hing noch im Griff des Greifers. Ohnmächtiger Zorn erfaßte Huxley. In diesem Augenblick hätte er für das Leben Bernd Eylers’ keinen Pfifferling mehr gegeben. Major Crook gab die notwendigen Befehle, während Huxley und Caruso bereits aus der Kuppel in den mächtigen A-Grav-Schacht stürzten. Doch so schnell sie auch waren, sie kamen zu spät. Sie sahen ge rade noch, wie der Heck-Torso des Jetts endgültig aus dem sich langsam senkenden Greifer rutschte. Mit einen dumpfen Lauf prallte er auf den Boden der Montagehalle, rollte auf die Seite und blieb dann rauchend liegen. Wahre Fluten aus den vollautomatisch an sprechenden Schaumlöschern hüllten ihn im Nu ein, so daß Huxley mit einem Fluch zurückspringen mußte. Aus schmalen Augen starrte er auf die höllische Szenerie. Als Bernd Eylers wieder zu sich kam, begriff er sofort, daß ihn nur das massive Schott zwischen Kanzel und Heckraum gerettet hatte. Er hustete gequält und registrierte gleichzeitig die immer dichter werdenden Rauchschwaden im Gang vor dem Notausstieg. Dunkel erinnerte er sich an das Werkstattschiff, das er als letztes vor seiner Flucht aus der Kanzel noch registriert hatte.
Der GSO-Chef stemmte seinen zerschundenen Körper hoch. Bren nende Schmerzen schossen bei jeder Bewegung durch seine rechte Schulter. Aber er wußte, daß er jetzt nicht aufgeben durfte, wenn er überleben wollte. Mit aller Macht zerrte er an der Verriegelung des Notausstiegs. Langsam gab sie nach, und dann wurde ihm das ovale Schott plötz lich aus der Hand gerissen. Wie durch eine Nebelwand erkannte Eylers die scharfen Züge von Colonel Huxley, der fast bis zu den Hüften im Feuerlöschschaum stand. »Caruso, Eylers lebt! Er hat sich bis zum Notschott durchgeschla gen! Los, packen Sie mit an!« Eylers spürte, wie ihn die beiden Männer ins Freie zerrten. Als nächstes drang das Wummern mächtiger Triebwerke an sein Ohr. Seine Knie drohten nachzugeben. Gewaltsam riß er sich zusam men, klammerte sich an Huxley und Caruso und ließ sich durch den dichten Schaum zerren. Nach und nach bekam er seine Glieder wie der in die Gewalt. Sein eisenharter Wille zwang den zerschundenen Körper zu gehorchen. »Mindestens ein Mann liegt noch im Jett, Huxley! Im Operations raum!« keuchte er. »Die anderen…« Er überlegte krampfhaft, was mit den anderen geschehen sein konnte, während Caruso und Hux ley wie auf Kommando stehenbleiben. »Operationsraum?« Huxley starrte den GSO-Chef fragend an. Eylers klärte ihn mühsam auf. »Verdammt, Eylers, das wäre ja…« Huxley gab Caruso einen Wink und stapfte durch den immer noch dichten Schaum abermals auf das Wrack des Jetts zu. Gestützt von Caruso folgte ihm der GSO-Chef ohne zu zögern. Huxley ließ seinen Handscheinwerfer aufflammen, als sie sich durch den verzogenen und zusammengepreßten Gang bis zum Ope rationsraum durchgekämpft hatten. Eylers mußte sich eine Weile gegen die deformierte Wandung des Jetts lehnen, bis er wieder genügend Kraft gesammelt hatte, um zu Huxley hinüberzugehen. Doch so sehr sie auch suchten, sie fanden nichts. Weder den Mann noch das geringste Stück seines schwarzglänzenden Metallicanzu ges. »Weg, wie zerstäubt, Eylers. Nicht die geringste Spur! Wir sollten das Wrack Ihrem Labor überstellen, vielleicht finden wir dann des Rätsels Lösung«, sagte Huxley verblüfft. Danach erzählte er Bernd Eylers, was er kurz nach der Explosion des Jetts gesehen hatte. Eylers nickte müde. »Ich werde alles veranlassen, Huxley. Ich fürchte, diese Burschen werden uns noch schwer zu schaffen machen. Sie müssen wirklich sehr an dem Geheimnis des Schutzschirms interessiert sein, wenn sie zu solchen Mitteln greifen. Und genau das macht mich stutzig. Weder der Überfall auf Sie, Caruso, noch meine versuchte Entfüh rung passen so recht zu den Methoden, die Scholf und seine Truppe
sonst anwenden. Außerdem…« er ließ die Szene noch einmal vor seinem geistigen Auge ablaufen, »außerdem war eine Frau dabei, und sie schien Scholf zumindest nicht untergeordnet zu sein…« Huxley nickte bedächtig. »Ich glaube, Sie denken das gleiche, was ich denke…« »Und Sie denken beide an die Schwarzen Weißen«, sagte Caruso, in erster Linie um überhaupt mal wieder etwas zu sagen. »Wie kommen Sie denn darauf, Major?« fragte Eylers und warf Caruso einen auffordernden Blick zu. »Tja, also… da gibt es einerseits die nicht rückgeschalteten Robo nen und ihren Anführer Scholf. Eine zahlenmäßig kleine Gruppe, die mit gelegentlichen Anschlägen von sich reden macht. Ich würde trotzdem sagen, daß die paar Robonen eher lästig als gefährlich sind.« »Da teile ich Ihre Auffassung nicht unbedingt, Major« wurde Ca ruso von Bernd Eylers unterbrochen, »aber fahren sie fort!« »Hm.« Caruso räusperte sich. »Dann gibt es das Phänomen der beiden entarteten Cyborgs. Lange Zeit sah es so aus, als ob auch da die Robonen dahinterstecken würden, aber wenn man bedenkt, was Manu Tschobe, Jos Aachten van Haag und der dicke Shanton auf dem Werftplaneten erlebt haben, dann dürften die Drahtzieher viel eher die Schwarzen Weißen sein.« Caruso wischte sich über die schweißnasse Glatze. Es war immer noch heiß in dem Wrack. »Und weiter?« forderte ihn Eylers auf. »Schließlich wissen wir drittens seit den Geschehnissen in der Sternenbrücke, daß diese Schwarzen Weißen genau wie wir hinter dem Erbe der Mysterious her sind, und daß sie mit verdammt harten Bandagen kämpfen. Die Verschwörer wiederum lassen sich auf höchst riskante Unternehmungen ein, um an Informationen über die neue Waffe der Nogk zu kommen; das läßt nur einen Schluß zu: daß sie einen militärischen Angriff auf Terra vorhaben. Denn dann ist die neue Waffe – und mit ihr der Globale Schutzschirm – ein Hindernis für ihre Pläne! Und das paßt wiederum hervorragend auf die Schwarzen Weißen!« Huxley und Eylers warfen Caruso einen anerkennenden Blick zu. »Ich glaube, Major Caruso hat recht!« stimmte der GSO-Chef den Ausführungen des Majors zu. »Ich werde mich jetzt erst mal ein we nig verarzten lassen, dann wird dieses Wrack untersucht. Mal sehen, was dabei herauskommt.« Die drei Männer verließen den zerstörten Jett. In der Montagehalle wartete bereits Major Crook auf sie. Huxley berichtete ihm alles Notwendige auf dem Weg zum Leitstand. Anschließend nahm die JAPETUS Kurs auf Cent Field. Scholf und die Frau landeten im Gebiet des Pelado Peak, eines schroffen, dreieinhalbtausend Meter hohen Berges nordwestlich der früheren Stadt Santa Fe.
Die Frau sah sich um, ehe sie die beiden Notfallschirme einrollte. Dann erst kümmerte sie sich um den mit geschlossenen Augen da liegenden Scholf. Sie zog eine Plastikphiole aus einer der Taschen ihres Metallicanzugs, brach die Spitze ab und zwang dem Bewußtlo sen mit erstaunlicher Kraft die Kiefer auseinander. Langsam ließ sie eine grünliche Flüssigkeit zwischen seine Lippen laufen. Ihre Augen nahmen dabei einen eigentümlich harten Glanz an. Etwas wie Ver achtung trat in ihre Züge. Als Scholf endlich die Augen öffnete und sich dann fast blitzartig aufrichtete, beobachtete sie ihn scharf. Scholf ließ ihr keine Zeit für Fragen. »Was ist mit Delta und Gamma? Wo ist Beta?« Die Frau erhob sich geschmeidig und trat an den Rand einer tiefen Schlucht. Sie deutete in die Tiefe. »Tot!« sagte sie nur. »Sie gerieten in die Schlucht, weil sie genau so bewußtlos waren wie du! Dich konnte ich gerade noch retten, die anderen nicht!« Sie funkelte ihn aus ihren eigentümlich kalten grü nen Augen an. »Ihr hättet auf mich hören sollen! Das ganze Unter nehmen war Irrsinn! Man kann nicht den Chef der GSO aus dem größten und am stärksten überwachten Raumhafen Terras entfüh ren.« Scholf machte eine unwillige Bewegung, antwortete jedoch nicht. Statt dessen streckte er der Frau seine Rechte hin. »Halt fest!« Er beugte sich weit über die Schlucht und sah hinab. Tief unten, gerade noch erkennbar, entdeckte er die Leichen seiner Gefährten und ihre ineinander verschlungenen Fallschirme. »Wir müssen sie beseitigen. Niemand darf sie finden! Es ist durch aus möglich, daß man nach uns suchen wird.« Er trat vom Rand der Schlucht zurück. Langsam streifte er seinen Metallicanzug ab und löste von seinem Körper eine bläulich schim mernde Spirale, die Brust und Rippenpartien geschmeidig umgab und mit dem Gewebe seiner Kombination an einigen Stellen durch hauchdünne, golden schimmernde Drähte verbunden war. Behut sam löste er die Drähte und hockte sich anschließend wortlos zwi schen die Felsen. Mit geübten Griffen verstellte er am oberen Ende der Spirale einige drehbare Ringe, auf denen winzige Markierungen eingraviert waren. Sorgfältig, so als arbeite er am Zünder einer scharfen Bombe, überprüfte er ständig von neuem die verschiede nen Einstellungen. Danach schlüpfte er unter den fragenden Blicken der Frau wieder in seine Metallic-Kombination und ging abermals zur Schlucht hinüber. Er suchte sich eine für sein Vorhaben geeignete Stelle und ließ die Spirale fallen. Hastig gingen er und die Frau hinter einem mächtigen Felsblock in Deckung. Sekunden später stach aus der Schlucht in gespenstischer Lautlo sigkeit eine grellweiße Lichtzunge hervor. Wie ein Leuchtfeuer stand sie für einige Augenblicke zwischen den düsteren Felsen des Pelado Peak. Dann fiel sie so lautlos wieder in sich zusammen, wie sie ent
standen war. Um Scholfs Lippen zuckte ein böses Lachen. »Komm«, sagte er rauh zu der Frau. »Jetzt können sie suchen, so lange sie wollen.« Am Abend dieses ereignisreichen Tages verließen genau bei Son nenuntergang vier Männer das am Rande des gewaltigen Raumha fens gelegene Kommandogebäude der Sektion VII. Bernd Eylers, Marschall Bulton und Colonel Huxley begleiteten Henner Trawisheim zu dem ellipsenförmigen Beiboot, das sie an Bord der CHARR bringen sollte. Kurz zuvor hatte Marschall Bulton dem Stellvertreter Ren Dharks umfassend Bericht erstattet. Jetzt blickte Trawisheim zum eigentümlich geformten, 500 Meter langen Rumpf der CHARR hinüber. »Ich weiß nicht, Huxley«, wandte er sich an den Colonel zu seiner Linken. »Sooft ich dieses Schiff ansehe, habe ich irgendwie das Ge fühl, als verberge sich zwischen den Wandungen seines Rumpfes eine uns fremde Dimension. Ist natürlich völliger Unsinn, aber ich kann mir einfach nicht helfen, ich empfinde so, ob ich nun will oder nicht!« Huxley sah den Stellvertreter Dharks überrascht an. In seinen Zü gen zuckte es. »Ich habe genau dasselbe gespürt, Trawisheim. Dabei kenne ich dieses Schiff seit unserem Kampf gegen die Schat ten auf der anderen Seite der Milchstraße genau. Ich verstehe eine ganze Menge von Raumschiffen, aber ich begreife einfach nicht, wie die Nogk diesen aus allen Perspektiven einwandfrei als raumum schließende Ellipse wirkenden Druckkörper geschaffen haben.« Er spähte aus zusammengekniffenen Augen zur CHARR hinüber, deren spiegelnde Außenhaut in den letzten Strahlen der blutroten Sonne wie flüssiges Feuer wirkte. »Dabei ist diese Form Vorausbedingung ihrer technischen Funkti on!« fuhr der grauhaarige Colonel nach einer Weile fort. »Die Ellip sen der Innenzelle mußten mit mathematischer Genauigkeit ge schaffen werden, denn in ihren Brennpunkten haben die Nogk die beiden künstlichen Sonnen installiert, die das ganze Schiff durch transparente Wandungen diffus und völlig schattenlos erhellen…« Und dann erklärte Huxley Trawisheim in allen Einzelheiten, was es mit diesen neuen Nogkraumern auf sich hatte. Die Begeisterung für die Fähigkeiten seiner außerirdischen Freunde riß ihn mit, und es schien, als wollte er gar nicht mehr aufhören, von den Vorzügen der Ellipsenraumern zu schwärmen. Trawisheim hörte ihm mit der für den geistigen Cyborg typischen Konzentration zu. Er wußte, daß Huxley auf diesem Gebiet über ein immenses Wissen verfügte. Raumschiffe waren Huxleys Hobby. »Um auf den Ausgangspunkt meiner Erklärungen zurückzukom men, Trawisheim: Diese eigentümliche Form ist die Voraussetzung für die eben erwähnten Eigenschaften der CHARR. Schon eine ge ringe Verformung ihres Druckkörpers muß außerhalb des Halos
unserer Milchstraße entsetzliche, wenn nicht tödliche Folgen für die gesamte Besatzung haben. Denn dann läßt sich die Zusammenset zung der Strahlung der beiden künstlichen Sonnen, die über Eigen reflexion gesteuert werden, nicht mehr vernünftig dosieren. Die Detektoren würden falsche Werte ausweisen. Mein Freund Charaua kennt diese Schwäche der neuen Schiffe. Die Nogk arbeiten daran, eine Lösung dieses Problems zu finden, hatten jedoch bisher keinen Erfolg.« Unterdessen hatten sie das wartende Beiboot erreicht. Ein Nogk offizier empfing sie und geleitete sie in einen Raum, wo sie in be quemen Kontursitzen Platz nahmen, die sich jeder erdenklichen Körperform anpassen konnten. »Ihre Ausführungen waren für mich von größtem Interesse, Hux ley. Unter diesen Umständen muß ich Marschall Bulton völlig recht geben, wenn er darauf besteht, daß das RR-Geschwader Szardak Sie und die Nogk begleitet! Ich selbst werde mich zusammen mit Eylers um die mysteriösen Vorgänge des heutigen Tages kümmern. Es muß uns gelingen, ein Abwehrsystem aufzubauen, das den Werkstattschiffen der Nogk, ihren Besatzungen und nicht zuletzt auch dem Projekt des Globalen Schutzschirms bis zu seiner Vollen dung und darüber hinaus ausreichende Sicherheit bietet! Ich bin gespannt, was Charaua uns mitzuteilen hat. Ich nehme an, daß sich bei der Befragung der inzwischen erwachten Besatzung des notge landeten Kampfschiffs schwerwiegende Neuigkeiten ergeben ha ben!« Bulton, Eylers und Huxley nickten zustimmend. Besonders der Colonel hatte in diesem Punkt seine eigenen Vermutungen, aber er schwieg vorläufig.
20.
Charaua empfing die vier Terraner im Leitstand der CHARR. Seine dunklen Facettenaugen ruhten sekundenlang auf Huxley und glitten dann auch zu Bulton, Eylers und Trawisheim hinüber. Mit einer Geste bat er sie, Platz zu nehmen, und gab dann einem der Nogk ein Zeichen. Sofort verdunkelte sich der Raum, und die Koordinaten des Allsichtschirms glommen auf. Zwischen ihnen schwebte blaugrün leuchtend das Bild der Erde, neben dem sogleich die vom Pol aus gesehenen holographischen Projektionen ihrer O berfläche entstanden – ähnlich denen, die Marschall Bulton in sei nem Arbeitszimmer hatte. Henner Trawisheim schaute sich verstohlen um. Er befand sich zum ersten Mal an Bord eines Nogkraumers und gewöhnte sich nur allmählich an die Illusion, die der Allsichtschirm vermittelte. Boden und Decke waren verschwunden, die Kontursitze und die Steuerpul te schienen irgendwo im All zwischen den Sternen zu schweben. Er hatte jedoch keine Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen. In die Projektionen der Erde kam Leben. Gleichzeitig drangen die Impulse Charauas in Form von gestochen scharfen, holographisch anmuten den Bildern in sein Bewußtsein. Trawisheim und seine Begleiter ver mochten nicht zu unterscheiden, ob auf den Projektionen des All sichtschirms etwas geschah oder ob direkt in ihren Gehirnen zusätz liche Informationen entstanden. >Jeder der Kreise bedeutet eine Schaltsphäre!< empfingen sie Charauas Impulse. Flüchtig, aber wieder in unheimlicher Schärfe und Präzision, huschte gedankenschnell eine der Schaltsphären durch ihr Bewußtsein. Eine grünlich schimmernde Kugel, deren kuppelförmige Decke genau wie der Leitstand der CHARR ein einzi ger gigantischer Bildschirm war. Jede Sphäre hatte einen Durch messer von gut hundert Metern. In ihren doppelten Wänden lagen die Wohn- und Schlafkabinen der Bedienungsmannschaften, unter der ebenfalls glatten Bodenfläche die Versorgungsaggregate. >Bei jeder Sphäre haben wir eines unserer Werkstattschiffe statio niert. Es verfügt über alle technischen Einrichtungen, um gemein sam mit den Technikern eurer Rasse die letzten Arbeiten zu erledi gen. Gleichzeitig ist jedes Schiff darauf eingerichtet, mögliche Stö rungen sofort zu beheben. Gruppenweise werden eure Techniker durch unsere Meegs einer Detektorschulung unterzogen. Sie werden schon in wenigen Tagen alles Wissen besitzen, das zur Bedienung und Wartung der Sphären notwendig ist.< Das Bild zwischen den schwach grünlich schimmernden Koordi naten wechselte. Statt der holographischen Projektion der Erdkugel entstanden riesige Bilder der Polregionen Terras. Einen Moment lang hatten die vier Männer das Gefühl, mit unheimlicher Geschwindig keit den jagenden Wolken und den kalt glitzernden Eiswüsten der
Arktis oder Antarktis entgegenzustürzen. Sogar der erfahrene Hux ley verspürte ein leichtes Ziehen in der Magengegend. Dann wuchs ihnen aus der Eintönigkeit des ewigen Eises ein gigantischer Kegel entgegen. Wie grünes Glas stand er in der Trostlosigkeit der Polregi on, weit über tausend Meter hoch, von deutlich sichtbaren Spiralmu stern umlaufen, in denen eigenartige Lichter pulsierten. Aus den Spitzen der beiden Kegel ragten lange, teleskopartige Antennen. Jeder Impulsgeber deckt sich genau mit einem der Längengrade eures Planeten<, teilte sich Charaua ihnen mit. >Im Fall einer Ge fahr bauen die Antennen sofort ein dichtes energetisches Netz rund um eure Welt auf, das dann von den einzelnen Schaltsphären immer genau dort verstärkt oder sogar zu Antisphären umgewandelt wer den kann, wo es gerade notwendig ist. Die Energiebahnen verlaufen immer von Norden nach Süden. Die beiden Kegel übernehmen dabei die Funktion des Abstrahl- und Auffangpols. Eine direkte Verbindung beider Kegel besteht in gerader Linie durch das Innere Terras. Die Energiebrücke, die bei Errichtung des Schirms wie eine Achse durch eure Welt hindurchgeht, schafft den Ausgleich zwischen den unter schiedlichen energetischen Potentialen der beiden Kegel. Die Kegel selbst besitzen genau wie die einzelnen Sphären einen Schutz schirm, der für alle uns bisher bekannten Waffen, Schiffe oder Fel der völlig undurchdringlich ist. Eure Schiffe werden von uns eine Schlüsselfrequenz erhalten, die ihnen auch bei aktiviertem Schirm ein gefahrloses Durchdringen ermöglicht. Weitere Fragen werden von unseren Meegs jederzeit beantwortet; sie bleiben auf Terra, bis die Gewähr gegeben ist, daß jede Störung auch von euch beseitigt werden kann.< Die Projektion erlosch. Für einen Augenblick leuchteten nur grün lich schimmernde Koordinaten durch die Dunkelheit. Doch dann entstand jäh ein anderes, erschreckendes Bild. Es zeigte einen der alten Nogkraumer – deutlich erkennbar an seiner Eiform –, der von schwarzen, nur verschwommen auszuma chenden Schiffen angegriffen wurde. Huxley pfiff leise durch die Zähne. Er begriff sofort, daß es sich um jenes Kampfschiff handelte, das Caruso und T’Challa in den Kor dilleren entdeckt hatten. Der Nogkraumer wehrte sich mit allen Mitteln. Unablässig ver schossen seine Waffenzentren jene tödlichen Miniatursonnen, die sofort zu golden schimmernden, flirrenden Energienetzen zerbarsten und zwischen dem Nogkraumer und den unheimlichen Angreifern energetische Barrieren errichteten. Aber das nützte den Nogk nichts. Die schwarzen Schiffe zögerten nur einen winzigen Moment, dann baute sich plötzlich jenes entsetzliche, lichtlose Leuchten um ihre kaum erkennbaren Gitterkörper auf, das Huxley nur zu gut von seinem letzten Zusammenstoß mit ihnen kannte. Schwarze, rotie rende Strahlen, von denen niemand zu sagen vermochte, wieso sie sich überhaupt vom tiefschwarzen Hintergrund des Alls abhoben, durchbrachen die Energienetze. Sie griffen nach dem sich verzwei
felt wehrenden Nogkraumer, der nun versuchte, seinen Unsichtbar keitsschirm aufzubauen. Es gelang ihm nicht – oder es half ihm gegen diesen Gegner nicht. Die schwarzen Strahlen zerrissen un barmherzig die Deflektorfelder. Sie umliefen das gewaltige Kampf schiff, hüllten es sekundenlang in loderndes schwarzes Feuer, das Huxley und seinen Gefährten eiskalte Schauer über den Rücken jagte. Dann sahen sie, wie der Nogkraumer sich plötzlich aufzulösen schien. Die Konturen des Schiffs verschwammen, zuckende Eruptio nen umwaberten seinen Rumpf. Irgendeine unvorstellbare Kraft griff nach dem Kampfschiff und schleuderte es in einen Ball gleißender Schwärze. Danach nichts. Lediglich einige verzerrte Impulse – stei le, scharf gezackte Kurven – liefen durch die Koordinaten des All sichtschirms. >Die Schatten griffen unser Schiff an, als es mit einer Botschaft unseres Herrschers zu euch unterwegs war, und schleuderten es in ein fremdes Raumgefüge. Im Moment der Ausschleuderung starben der Gesandte unseres Imperiums, der Kommandant des Schiffs und vier unserer Krieger. Niemand von uns weiß bisher, woran und wa rum nur diese sechs. Auch unsere Meegs vermochten es bei ihren Detektorbefragungen nicht zu ergründen.< Charaua unterbrach sich und sah die vier Menschen an. Seine dunklen Facettenaugen glitzerten. Auf seiner goldenen Uniform spiegelten sich die Lichter der Armaturenbeleuchtung. >Wir sind zu der Annahme gekommen, daß diese Aggressoren über eine Waffe verfügen müssen, die uns noch nicht bekannt ist. Vielleicht erfolgte die Ausschleuderung unseres Raumers zu schnell, um die Waffe noch voll wirksam werden zu lassen. Denn unser Kommandant hatte gerade Befehl zur Nottransition gegeben. Es können also gut zwei verschiedene energetische Abläufe zusam mengewirkt haben. < Huxley schaltete sich ein. »Du könntest recht haben, Charaua. Aber warum haben die Schat ten diese Waffe nicht eingesetzt, als wir mit einigen ihrer Schiffe zusammenstießen und später ihre Transmitterstation vernichteten?« >Vielleicht waren sie über unsere Antisphären erschrocken, viel leicht verwirrte sie die Unangreifbarkeit der Intervallfelder eurer Ringraumer! Wir sollten uns aber davor hüten, unseren damaligen Sieg als endgültig zu werten, denn die Schatten kamen wieder, Hux ley! Vielleicht prüften sie erst alle Geschehnisse, die zu ihrer Nie derlage führten. Wir Nogk wären genauso vorgegangen!< »Kamen wieder, Charaua? Soll das heißen…?« Charaua gab abermals ein Zeichen. Wieder entstanden zwischen den Koordinaten des Allsichtschirmes fremdartige Szenerien. Weite Wüstenflächen füllten den Schirm. Die Ruinen gewaltiger Ringstädte glitten ins Bild. Ihre Mauern schimmerten glasig im Licht einer hei ßen blaugrünen Sonne. »Nogk I!!« stieß Huxley betroffen hervor. Seine scharfen Augen erkannten sofort die Veränderungen, die seit seinem letzten Aufent
halt auf diesem Planeten stattgefunden hatten. Schon damals, als er in der zerfallenen Ringstadt erstmalig auf die Schatten gestoßen war, hatte es auf Nogk II schlimm genug ausgesehen. Dann verschwamm das Bild für einen winzigen Moment. Als es wieder klar wurde, zuckte Huxley deutlich zusammen. Die Wüstenflächen waren von den Trümmern abgestürzter Nogk raumer übersät. Von links schob sich die Silhouette eines spindel förmigen, schlanken Raumschiffs ins Bild. Unwillkürlich sprang Huxley auf. »Meine FO-1! Was zur Hölle…« Die FO-1 glitt vollständig ins Bild. Das Schiff setzte zur Landung an, und gleich darauf öffneten sich die Bootsdecks. Silberne, spin delförmige Körper lösten sich aus den Schleusen und schwärmten aus. Einer der Sektoren verfolgte eines der Boote und holte es in Großprojektion heran. Deutlich erkannte Huxley durch die Direkt sichtscheiben der Kanzel seinen Ersten Offizier Lee Prewitt. Prewitt deutete auf eines der Wracks und landete anschließend unmittelbar neben dem Koloß. Dann überstürzten sich die Ereignisse. Wie aus dem Nichts fielen die schwarzen Schiffe der Schatten. Schwarzgraue, verzerrte Gebilde, deren Umrisse merkwürdig ver schwommen und unscharf blieben. Die FO-1 verlor keine Sekunde. Sie hob sofort ab und schoß den Angreifern entgegen, während sich ihre Beiboote ebenfalls mit unglaublicher Schnelligkeit formierten und auf die schwarzen Schiffe zujagten. Aus dem Rumpf der FO-1 lösten sich gleißende, goldfarbene Bälle, bauten flirrende Energie netze auf, die sich trotz blitzartiger Ausweichmanöver der Gegner um einige der schwarzen Schiffe zu kugelförmigen Sphären schlös sen. Sie verfärbten sich, und gewaltige Entladungen zuckten über den grünen Himmel von Nogk II. Dann brach die Hölle los. Schlag artig verschwanden die Sphären mitsamt den von ihnen einge schlossenen Schiffen. Für den Bruchteil einer Sekunde öffnete sich den Menschen, die atemlos die unheimlichen Vorgänge verfolgten, ein fremdes Universum. Unbekannte Strukturen, jagende Bilder, deren Sinn niemand begriff, schemenhafte Gebilde, die wie die Fangarme eines riesigen Kraken durch das All griffen und den Raum zusammenzukrümmen schienen, zuckten durch ihre Hirne. Wie grelle Blitze, die noch im Verlöschen ihre Abdrücke auf der Netzhaut hinterlassen und deren Wirkung sich das geistige Auge erst nach und nach zu entziehen vermag. Die unversehrten schwarzen Schiffe wichen diesmal jedoch nicht zurück. Sie nahmen den Kampf gegen die FO-1 auf. Huxley spürte, daß ihm der Schweiß den Rücken hinunterrann. Wie Hornissen stießen nun auch die Beiboote auf den Gegner zu. Aus ihren Rümpfen lösten sich ebenfalls goldfarbene Bälle. Einer von ihnen geriet durch einen schwarzen Strahl außer Kontrolle und prall te gegen die Ringmauer der unter den Kämpfenden liegenden ehe maligen Stadt der Nogk. Voller Entsetzen sah Huxley, wie sich die Antisphäre über der Stadt aufbaute. Augenblicke später zerbarst die
Stadt vor seinen Augen. Was sich innerhalb der Antisphäre be funden hatte, verschwand unter entsetzlichen Entladungen. Die anderen Teile wirbelten davon, prallten gegen die Schutzschirme der schwarzen Schiffe, ließen für Sekunden ihre scheußlichen, von ei nem bizarren Röhrensystem umgebenen Rümpfe erkennen, und schlugen schließlich – gewaltige Sandfontänen aufwirbelnd – in die Wüste von Nogk II. Die FO-1 und ihre Beiboote feuerten unterdessen pausenlos aus allen Rohren. Die grellen Bahnen schwerer und schwerster Energie geschütze belasteten die Schutzschirme der schwarzen Schiffe mehr und mehr. Die Antisphären wüteten unter ihnen und dezimierten sie in immer schnellerer Folge. Erst als die FO-1, die genau wie ihre Beiboote von einer hell leuchtenden und für die schwarzlodernden Strahlen der Fremden offenbar unangreifbaren Schutzsphäre umge ben war, gut die Hälfte der Angreifer vernichtet hatte, ließen die Schatten von ihr ab. Sie verschwammen zwischen den Koordinaten des Allsichtschirmes im Leitstand der CHARR. Sie lösten sich in grauschwarze Nebel auf und waren plötzlich verschwunden. Colonel Huxley atmete schwer, und auch Eylers brauchte all seine Willenskraft, um die Wirkung des eben Erlebten zu überwinden. >Das ist inzwischen im System Tantal geschehen, Terraner!< ver nahmen sie Charauas Impulse. >Daß wir die Schatten abermals zu rückschlagen konnten und sie nicht dazu kamen, auch den innersten Planeten unserer Sonne anzugreifen, verdanken wir der Besatzung deines Schiffes und ihrem Ersten Ingenieur, Huxley.< Huxley schaute überrascht auf. »Chief Erkinsson? Wieso, Charaua?« Die starren Züge des Nogk schienen sich zu verdüstern. >Er machte unsere Meegs auf die Möglichkeit aufmerksam, unsere neue Waffe zu verbessern. Zusätzlich zur Antisphäre baut sie nun auch noch einen Prallschirm auf, der die schwarzen Strahlen der Schattenraumer auf dem Weg einer Totalreflektion abstößt und sie damit zunächst einmal unwirksam macht. Nur<, Charaua machte eine Pause, und Huxley und seine Gefährten spürten fast körperlich in seinen Impulsen die nur mühsam unterdrückte Erregung des Nogk, >nur wußten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daß die durch jenen Prallschirm erzeugten Energiefelder für uns selbst töd lich sind. Du hast die abgestürzten Schiffe gesehen, Huxley. Die Besatzungen wurden getötet, als sie die neue Waffe erprobten. Ein Unglück, für das es keinen Schuldigen gibt. Aber wir gerieten damit in eine schlimme Lage, denn als die Schatten unser System kurz darauf wieder angriffen, vermochten wir keines unserer Schiffe gegen sie einzusetzen. Unsere Meegs arbeiten in den Zentren des inneren Planeten daran, den Fehler zu finden und den neuen Prall schirm auch für unsere Struktur zu neutralisieren. Während dieser ganzen Zeit, Huxley, haben die Männer deiner FO-1 den Schutz unserer Rasse übernommen. Nach jedem Einsatz wurde dein Schiff weiter verbessert und gründlich überprüft. Die FO-1 ist zur Zeit das
stärkste Schiff in unserem System. Erst als jener Terraner, den ihr Janos Szardak nennt, mit seinen Ringraumern eintraf, blieben die Schatten fort!< Charauas vier Fühler pendelten voller Erregung hin und her. >Wir müssen diese Galaxis verlassen, Terraner. Dabei sind wir auf eure Hilfe angewiesen. Morgen mit Sonnenaufgang sammeln sich alle Schiffe unserer Flotte, die wir nach Terra entsandt hatten. Aus genommen die hundert Werkstattschiffe, die zu eurer Unterstützung hierbleiben und deren Besatzungen wir bei Eintritt der Schlafperiode gegen andere austauschen werden. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, wir müssen das System Tantal verlassen, ehe die Schat ten oder die Magnetstürme unsere Rasse vernichten. < Der Allsichtschirm erlosch endgültig. Charaua kam zu den vier Menschen herüber. Seine dunklen Fa cettenaugen richteten sich auf Henner Trawisheim. >Möge unsere Rassen immer jene Freundschaft verbinden, die die Nogk für euch empfinden. Zusammen werden wir stark sein, auch wenn unsere Heimat noch im Ungewissen liegt. Aber unsere Meegs haben auch daran bereits gedacht. Wir werden Möglichkeiten finden, die Verbindung zwischen unseren beiden Rassen aufrechtzuer halten!< Nacheinander reichte der Nogk, terranischen Gebräuchen folgend, erst Henner Trawisheim, dann Marschall Bulton und schließlich Bernd Eylers seine lederhäutige Hand. Huxley hingegen legte er seine Hände auf die Schultern. >Wir sehen uns morgen, Huxley. Bei Sonnenaufgang wird dich ein Beiboot meines Schiffes abholen!< Charaua verneigte sich kurz und verließ dann den Leitstand der CHARR. Auf ihn wartete noch eine Menge Arbeit. Trawisheim, Bulton, Eylers und Huxley blieben hingegen noch eine geraume Zeit an Bord des Ellipsenraumers. Sie diskutierten das Gesehene gründlich, und diesmal stellte Henner Trawisheim eine ganze Reihe von Fragen. Sein Cyborggehirn registrierte jede Klei nigkeit. Anschließend versank er für längere Zeit in angestrengtes Nachdenken. Schließlich sah er seine Gefährten an. »Sie, Marschall, und Sie, Eylers, begleiten mich jetzt. Sie, Huxley, werde ich im Laufe der Nacht oder einige Stunden vor Sonnenauf gang noch zu mir bitten lassen. Ich werde für Sie und Szardak eine Order vorbereiten, die Sie aber nur im Fall akuter Gefahr öffnen werden. Führen Sie uns jetzt bitte wieder aus diesem Schiff hinaus, Huxley. Ich glaube kaum, daß ich mich in all den Schächten und Gleitfeldern dieses Raumers zurechtfinden würde.« Nach diesen Worten verließen auch die vier Männer den Leitstand der CHARR. Einem sofort herbeieilenden Nogk bedeutete Huxley höflich, daß er keine Hilfe benötigte. Der Nogk verneigte sich und blieb zurück.
Am nächsten Morgen erlebte die Erde ein Schauspiel, wie es ihr nicht alle Tage geboten wurde. Kurz nach Sonnenaufgang starteten dreitausend Nogk-Kampfschiffe. Die Atmosphäre Terras vibrierte vom Singen ihrer Triebwerke. Die gewaltigen Druckkörper leuchte ten in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne, als sich die Nogkschiffe am tiefblauen Himmel des amerikanischen Kontinents
formierten. Colonel Huxley saß neben seinem Freund Charaua im Leitstand der CHARR. Er warf einen letzten Blick auf die grünen, gelben und blau en Flächen der Kontinente und Meere. Niemand von ihnen wußte, ob sie diesen Planeten jemals wiedersehen würden. In kürzester Frist schon würden nicht nur die Erde und das Sol-System zu einem unsichtbaren, unbedeutenden Bestandteil der Milchstraße werden, sondern die gesamte Galaxis würde vor ihren Augen zusam menschrumpfen, bis sie nichts mehr war als eine der vielen Ster neninseln im All, die innerhalb ihrer Halos dem Leben in der Un endlichkeit des Universums Zuflucht und Heimat gewährten. Colonel Huxley war kein Mann, der zur Sentimentalität neigte, aber in diesem Augenblick, da die Schiffe der Nogk sich formierten und die ersten Verbände die Atmosphäre Terras verließen, wurde ihm erstmals richtig bewußt, in welche Abgründe zwischen den Sternen ihn sein Weg nun führen würde. Und für einen kurzen Moment beschlich ihn ein Unbehagen ange sichts der Ungeheuerlichkeit dieses Unternehmens, und er fragte sich, was ihn und seine Begleiter – Menschen wie Nogk – dort drau ßen im Nichts erwarten würde… Viele Menschen wandten in dieser Stunde – als die Armada der Nogkraumer sich anschickte, den Bannkreis ihres Planeten zu ver lassen – ihre Gesichter dem Himmel zu. Sie starrten hinauf, bis die blitzenden Punkte einer nach dem anderen verblaßten. Auch Scholf war für einen Moment stehengeblieben und hatte das Schauspiel beobachtet. Dann warf er der Frau, die ihn noch immer auf seinem Marsch durch die Berge begleitete, einen hämischen Blick zu. Er lachte böse. »Sie sind weg, Sigma! Jetzt werden sie ihr Geheimnis nicht mehr zu hüten vermögen. Wir müssen es wissen, und wir werden es er fahren! Ich weiß auch schon, wie! Komm, wir müssen pünktlich am ausgemachten Treffpunkt sein! Alpha wartet nicht.« Er warf noch einen Blick auf sein Chrono und setzte den unter brochenen Marsch dann eilig fort. Von all diesen Vorgängen wußten die Männer tief im Innern des In dustriedoms auf Hope nichts. Aber selbst wenn sie es gewußt hät ten, so hätten sie keine Notiz davon genommen, denn sie hatten ihre eigenen Probleme. Brandheiße Probleme. Ivo Marcus wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der große, breitschultrige Afrikaner konnte Hitze normalerweise sehr gut ver tragen, aber was zuviel war, war eben einfach zuviel! Er warf abermals einen abschätzenden Blick auf den Abschnitt der gewaltigen Ringröhre, an dem er seit mehreren Stunden arbeitete. Ivo Marcus war genau wie sein Kollege Raoul Pelletier, mit dem er
über ein auf seiner Schwebeplatte montiertes Standvipho ständig in Verbindung stand, M-Techniker und M-Mathematiker. Argwöhnisch ließ er seine Blicke an der saphirblau leuchtenden Wandung der mehrere Meter dicken und gut hundert Meter durch messenden Ringröhre entlangwandern. Anschließend musterte er bestimmt zum hundertstenmal die drei orangefarbenen Stellen der Röhre, die jeweils um genau einhundertzwanzig Grad gegeneinander versetzt waren. Es waren die einzigen Stellen, an denen man sich der Konstruktion nähern konnte, ohne von ihren Schutzfeldern so fort wieder abgewiesen zu werden. Die orangeroten Stellen existierten noch nicht lange. Sie waren erst während der letzten Ereignisse im Industriedom entstanden, und alles deutete darauf hin, daß die Ringröhre eine völlig andere Rolle spielte, als man bisher immer angenommen hatte. Seit seiner Ankunft im Industriedom war Ivo Marcus von der Röhre im höchsten Maße fasziniert, und seine Untersuchungen hatten die ser Faszination keinen Abbruch getan. Majestätisch und unnahbar schwebte sie über dem kreisrunden Platz zwischen den Mammuts. Nirgends wies der Ringkörper auch nur die geringste Verbindung zur Decke, zum Boden oder zu den Aggregaten auf. Sie schwebte völlig frei, wahrscheinlich schon seit Jahrtausenden. Und das war auch etwas, was Ivo Marcus keine Ruhe ließ: Selbst mit den raffiniertesten Verfahren moderner Technik war man nicht imstande, irgend etwas über das Alter der Ringröhre aus zusagen. Vorsichtig dirigierte Marcus seine Schwebeplatte an eine der orangeroten Stellen. Dabei achtete er sorgfältig darauf, den blau strahlenden Sektoren auf keinen Fall zu nahe zu kommen. Böse Erfahrungen, die ihn fast das Leben gekostet hätten, ließen ihn mit allergrößter Behutsamkeit zu Werke geben. Er manövrierte seine Schwebeplatte an die Ringröhre heran. Mit einem leisen Seufzer griff er nach seinen Meßwerkzeugen. Wenn er auch in diesem Sektor nichts Neues herausfinden würde, war er mit seinem Latein am Ende. Über Vipho rief er seinen Kollegen Pelletier. Das schmale, feinge schnittene Gesicht des Franzosen erschien auf dem Bildschirm. »Ich fange jetzt mit der Arbeit am letzten der drei orangefarbenen Sektoren an, Raoul!« ließ er ihn wissen. »Ich rechne nicht damit, daß sich irgend etwas Neues ergibt. Aber hab’ bitte ein Auge auf die Transmitterantenne. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß sie und diese verflixte Röhre zusammenhängen!« Pelletier stutzte. »Wie kommst du denn plötzlich darauf, Ivo? Ich denke, die Ringröhre ist lediglich…« »Dachte ich auch, Raoul, aber gestern abend habe ich mich noch einmal hingesetzt und alle Geschehnisse der letzten Zeit genau überprüft. Dabei bin ich darauf gestoßen, daß die Verfärbung der drei Sektoren zeitlich mit dem Aufglühen der Mammuts zusammen gefallen sein muß. Nur daß es von uns eben niemand bemerkt hat, weil wir uns ausschließlich mit der Explosionsgefahr der Mammuts
beschäftigt haben!« Pelletier schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich weiß nicht, Ivo, aber deine Behauptung kommt mir doch reichlich gewagt vor. Bisher hat sich die Ringröhre doch noch nie von irgendwelchen anderen Aggregaten…« Raoul Pelletier ver stummte abrupt. Auf dem Bildschirm seines Viphos beobachtete er seinen Kollegen, der plötzlich entgeistert zu der über ihm schwe benden Ringröhre emporstarrte. »Was ist los, Ivo? Warum hörst du mir nicht zu, ich…« Weiter kam er nicht, denn Ivo Marcus veränderte mit einem Griff die Position seines Standviphos, so daß Pelletier plötzlich nicht mehr seinen Kollegen sah, sondern jenen Abschnitt der Ringröhre, der bislang orangerot geleuchtet hatte. Die Augen des M-Technikers weiteten sich. Deutlich konnte er beobachten, wie sich der vor ihm liegende Teil der Röhre verfärbte. Das eben noch satte Orangerot verblich zusehends. Im Laufe weni ger Minuten nahm es eine milchigweiße Färbung an, die dann ganz allmählich in Transparenz überging. Marcus besaß immerhin soviel Geistesgegenwart, eine der eben falls auf seiner Schwebeplatte montierten automatischen Kameras einzuschalten und den mysteriösen Vorgang auf diese Weise festzu halten. Durch den transparenten Sektor der Röhre schienen wolkenartige Gebilde zu ziehen, die im Laufe der folgenden Minuten mehr und mehr feste Formen annahmen. Manchmal glaubte Ivo Marcus, die Landschaft einer ihm völlig unbekannten Welt zu sehen und Gegen stände und Bauten wahrzunehmen, deren Zweck er weder zu be greifen noch zu erraten vermochte. Doch dann änderte sich das Bild in der Röhre schlagartig. Die Landschaften und Bauten verblaßten, wurden überlagert von einer unheimlichen Masse ineinander verschachtelter Materialien und Gegenstände, deren Formen im einzelnen nicht zu erkennen waren. Ivo Marcus hatte von Sekunde zu Sekunde mehr das Gefühl, als würde sich etwas Unheimliches, Erdrückendes genau auf ihn zu schieben. Er spürte ein leichtes Ziehen im Kopf, dann ein Brennen und Kribbeln in seinen Gliedern. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf den unendlichen Strom, der durch die Ringröhre zog. Bizarre Formen, kristalline Muster, die einander überlagerten. Lichter, die blitzartig aufflamm ten und wieder erloschen, während mehr und mehr jener undefi nierbaren, unentwirrbaren Masse auf ihn einquoll. Ivo Marcus hatte plötzlich die Wahnvorstellung, sich innerhalb der Ringröhre zu befin den, sich mitten im Strom dieser gespenstischen, geisterhaften Formen zu bewegen, die da unablässig an ihm vorüberzogen und sich schmerzhaft in sein Bewußtsein drängten. Erst der laute Schrei seines Kollegen Pelletier riß ihn jäh in die Wirklichkeit zurück. Marcus wirbelte herum und sah gerade noch, wie Pelletier ebenfalls mit einer blitzartigen Bewegung seine auto
matische Kamera einstellte. »Was ist los, Raoul, warum…« »Der Transmitterraum öffnet sich, Ivo!… Und jetzt…« Seine Stimme ging im Dröhnen und Vibrieren für Ivo unsichtbarer Energien unter. Raoul Pelletier starrte unterdessen entgeistert auf die riesige An tenne im Großtransmitter-Raum. Die Antenne verfärbte sich. Inner halb weniger Sekunden wurde ihr vorher stumpfgrauer Ringbügel dunkelrot. Dann vernahm er ein Summen, das sich rasch zu einem tiefen, durchdringenden Brummen veränderte. Pelletier zog seine Schwebeplatte instinktiv nach oben, bis er in ungefähr hundert Metern Höhe mitten im Großtransmitter-Raum schwebte, unweit der dunkelrot glühenden Antenne. Doch dann blieb ihm fast das Herz stehen, Zwischen den Lücken der einzelnen Wolkenkratzer-Aggregate schossen flammende Ener giebahnen hervor, die sich heftig pulsierend quer durch den Groß transmitter-Raum schwangen und schließlich in den blaustrahlenden Unitallwänden der gegenüberliegenden Mammuts endeten. Ihr grel les Licht, die gleißenden Flammenbogen, die sich wie flüssige, lo dernde Feuer quer durch den Raum spannten, verwandelten den Transmitterraum in das reinste Höllenszenario. Raoul Pelletier schlug Alarm. Er wußte nicht, was in den nächsten Minuten geschehen würde, hatte keine Vorstellung, ob er den Trans mitterraum schleunigst verlassen sollte oder ob er auf seiner Schwebeplatte im Moment am sichersten aufgehoben war. Vielleicht dachte er an all diese Dinge auch nur ganz am Rande, denn er war einfach nicht imstande, seine Blicke auch nur für einen Moment von dem grandiosen Schauspiel tief unter ihm zu lösen. Er bemerkte nicht einmal, daß seine Schwebeplatte durch die Einwir kung fremder Energiefelder ständig ihren Standort wechselte. Der Astrophysiker Spence Bentheim, durch das Schrillen der Alarm anlagen von seinen Untersuchungen aufgeschreckt, jagte sofort zur großen Kontrolltafel hinüber, die ihm genau anzeigte, in welchem Sektor des Industriedoms Alarm gegeben worden war. »Großtrans mitter-Raum, Raoul Pelletier!« murmelte er. In diesem Augenblick meldete sich auch Ivo Marcus. Genau wie Pelletier beobachtete er die Vorgänge im Transmitterraum. Er konnte das, ohne seinen Be obachtungsposten an der Ringröhre aufzugeben, weil sich die Sei tenwände geöffnet hatten, die den Transmitter bisher vom Indust riedom getrennt hatten. Durch den transparenten Teil der Röhre zuckten jetzt ebenfalls in rascher Reihenfolge flammende Entladungen, die immer wieder mit undefinierbaren, sich blitzschnell aufbauenden und wieder zerfal lenden Mustern abwechselten. Die Leuchterscheinungen tauchten Marcus’ Schwebeplatte abwechselnd in wahre Kaskaden farbigen Lichts, das die ganze Breite des Spektrums durchlief.
»Bentheim, kommen Sie schnell!« keuchte Marcus. »Im Groß transmitter-Raum ist die Hölle los. Flammende Energiestraßen, die Antenne glüht dunkelrot, und Pelletier treibt mit seiner Schwebe platte in irgendwelchen Energiefeldern hin und her. Ich habe die Verbindung zu ihm verloren, er reagiert im Augenblick auf keinen meiner Anrufe.« Bentheim verlor keine Zeit. »Geben Sie nochmal Alarm! Halten Sie die Augen offen, ich komme.« Der Astrophysiker rannte los. Er lief zu seiner Schwebeplatte, die für ihn so eine Art Universalgerät zur Fortbewegung im Industrie dom war – äußerst zuverlässig und hinreichend schnell. Vor allen Dingen hatten Schwebeplatten den großen Vorteil, daß man mit ihnen überall hinkam. Schließlich waren die größten Mammuts rund 900 Meter hoch und bis zu eineinhalb Kilometer lang. Bentheim kam gerade noch rechtzeitig, um zusammen mit den von überall heranjagenden Wissenschaftlern die neue Hiobsbotschaft zu vernehmen. Sie kam vom anderen Ende des Industriedoms, wo sich hinter dem gigantischen Portal die Maschinenhöhle anschloß. Ein noch junger Techniker meldete sich über Vipho. Seine Züge waren verzerrt. Schweiß bedeckte in dicken Tropfen seine Stirn und das übrige Gesicht. »Bei uns haben sieben Mammuts ihre Unitallverkleidung geöffnet. In ihrem Innern scheinen gewaltige Feuer zu lodern. Genaueres können wir von hier aus nicht erkennen. Aber es traut sich keiner von uns näher an die Mammuts heran… Was sollen wir tun?« Bentheim kam nicht mehr dazu, dem Techniker zu antworten, denn in diesem Moment ließ ihn ein lauter Schrei von Ivo Marcus herumfahren. »Da, Bentheim, sehen Sie nur! Die Antenne!« Bentheim blickte in die ihm gewiesene Richtung. Anfangs traute er seinen Augen nicht, glaubte an eine Halluzination, aber je länger er hinsah, desto weniger vermochte er noch an dem zu zweifern, was er deutlich sah. Die riesige Transmitterantenne veränderte ihre Stellung. Sie neigte sich zusehends aus der Senkrechten nach vorn. Bentheim schätzte ihre Neigung, als sie wieder zur Ruhe kam, auf etwas über dreißig Grad. Sofort von anderen Wissenschaftlern durchgeführte Messun gen bestätigten die Richtigkeit seiner Schätzung. »32 Grad!« meldete einer der Wissenschaftler. Im gleichen Augenblick schaltete sich abermals der junge Techni ker vom anderen Ende des Industrie-Komplexes in das Gespräch ein. »Die Mammuts stoßen über A-Grav-Bahnen Fertigprodukte aus!« schrie er aufgeregt. »Mein Gott, es muß etwas unternommen wer den, die Höhle reicht nicht aus, um die Produktion aufzunehmen! Wenn das so weitergeht, werden die Mammuts sich nicht wieder schließen können. Und dann gnade uns der Himmel.« Spence Bentheim und die anderen hörten die Panik in der Stimme
des jungen Mannes. Der Astrophysiker starrte den Techniker ver ständnislos an. »Fertigprodukte? Was ist los mit Ihnen, Graham? Sie…« »Wenn Sie mir nicht glauben, Bentheim, dann überzeugen Sie sich doch selbst! Aber unternehmen Sie etwas, stoppen Sie diese Liefe rungen, oder es gibt eine Katastrophe.« Graham schrie sein Gegen über außer sich vor Erregung an. Durch das Vipho vernahmen Bent heim und die ändern jetzt deutlich das überlaute Poltern. »Drehen Sie das Vipho, Graham, dann kann ich etwas sehen, ohne hier fort zu müssen.« Bentheim hatte in diesem Moment seine Ruhe wiedergewonnen. Er überlegte mit der Präzision eines Computers. Dann sah er es. Der Techniker vollführte mit seinem Vipho einen langsamen Schwenk. Deutlich erkannten Bentheim und die anderen Männer, mit welcher geradezu unheimlichen Geschwindigkeit die sieben Mammutaggregate Maschinensätze, kleinere Teile und vor geformte Unitallplatten ausstießen. Über A-Grav-Bahnen schwebten sie quer durch die Höhle und wurden von unsichtbaren Kräften fein säuberlich übereinandergestapelt. »Ringraumerzubehör! Ohne jeden Zweifel Ringraumerzubehör!« Spence Bentheim starrte aus zusammengekniffenen Augen auf die unheimliche Szenerie. »Danke, Graham, das reicht. Beobachten Sie die Sache weiter, ich schicke Ihnen zur Verstärkung einige Techniker ‘rüber. Verlassen Sie Ihren Standort aber sofort, wenn Gefahr droht! Achten Sie vor allen Dingen auf die Mammuts und darauf, ob sie wieder anfangen zu glühen.« Bentheim gab rasch die notwendigen Anweisungen an einige Tech niker. Dabei schossen ihm gleichzeitig tausend Fragen durch den Kopf. Was sollte das nun wieder bedeuten? Wie sollte man diese Dinge je aus dem Industriedom hinaustransportieren und zur Erde schaffen? Die Ringraumer waren für derartige Transporte völlig ungeeignet. Sie verfügten einfach nicht über den notwendigen >Frachtraum<. Abgesehen davon waren die Schleusen der Schiffe viel zu klein, um auch nur eines der Aggregate durchzulassen. Trotzdem kam als Transportmittel nichts anderes in Frage, denn nur die Ringraumer vermochten mittels ihrer Intervallfelder in den In dustriedom einzufliegen. Flüchtig dachte Bentheim in diesem Au genblick auch an das vollständige Ringraumertriebwerk, das immer noch in einem Gewölbe des Industriedoms lag und nicht von der Stelle zu bewegen war. Gewaltsam riß er sich von seinen Gedanken los. Er beschleunigte seine Schwebeplatte und dirigierte sie in den Transmitterraum hin über. Er winkte Ivo Marcus, sich ihm anzuschließen. Zu seinem Erstaunen wurde seine Schwebeplatte nicht durch Sperrfelder aufgehalten; nur vor dem Ringbügel der immer noch dunkelrot leuchtenden Antenne schwenkte sie zur Seite. Fasziniert blickten Bentheim und Marcus auf die flammenden Energiestraßen unter ihren Schwebeplatten.
Nach wenigen Minuten entdeckten sie zwischen den tanzenden Lichtern Raoul Pelletier, der in eigentümlich verkrümmter Haltung auf seiner nur noch knapp zwanzig Meter über dem Boden des Großtransmitter-Raums schwebenden Platte hockte und angestrengt zu einer der Schaltwände an einem Mammut hinabstarrte. »Pelletier, was ist? Haben Sie etwas entdeckt, was uns aus der Klemme helfen könnte? Oder wissen Sie noch gar nicht, was hinten im Industrie-Komplex geschieht?« Der junge Techniker und angehende Transmitter-Experte sah hoch. »Doch, ich weiß Bescheid! Wir müssen zu der Schaltwand hinab. Dort haben sich einige Schalter verstellt, als sich die Antenne neig te. Man müßte sie wieder in ihre alte Lage bringen, vielleicht hört der ganze Spuk dann wieder auf!« Er blickte zu Ivo Marcus hinüber. »Traust du dich, Ivo? Ich weiß nur nicht, ob diese verflixten Schalter sich von uns überhaupt bewe gen lassen werden! Denn wenn es klappt, wozu dann diese ganze Automatik? Und wodurch wurden sie bewegt?« »Versuchen wir es, Raoul!« entschied Marcus. »Es wäre vielleicht gut, Bentheim, wenn Sie mit Ihrer Platte weiter oben blieben und aufpassen würden, ob sich irgend etwas Be drohliches ereignet, während wir an der Schaltwand arbeiten.« Bentheim nickte zustimmend. Gleich darauf sanken Pelletier und Marcus auf den Boden des Raumes hinab. Sie griffen nach ihrem Werkzeug und verließen die Schwebeplatten. »Welche Schalter waren es, Raoul?« Pelletier deutete auf eine Schaltergruppe direkt vor ihnen, die in einem durch feine Linien abgetrennten Quadrat saß. »Diese hier! Drei von ihnen haben sich nach rechts gedreht, die anderen beiden nach links.« Die beiden Techniker brauchten keine Lampe. Die lodernden Energiebahnen, die sich von ihrem Standort aus deutlich erkennbar in einem leichten Bogen bis zu den gegen überliegenden Mammuts spannten, gaben genug Licht. Raoul Pelletier setzte behutsam eine seiner Spezialzangen direkt am Schalter an und versuchte ihn nach rechts zu drehen. Doch so sehr er sich auch bemühte, der Schalter gab nicht nach. »Verdammt, das habe ich mir gedacht!« keuchte er. »Diese ver dammten Dinger rühren sich nicht. Weiß der Teufel, durch welche Sperren sie arretiert werden!« Aber er gab nicht auf. Er setzte die Zange an den nächsten Schal ter, während Ivo Marcus sich die beiden anderen vornahm. Ein scharfes Klicken ließ Pelletier herumfahren. Marcus war es ge lungen, einen der Schalter zu bewegen. Pelletier setzte die Zange abermals an und drückte mit aller Kraft. Der Schalter gab nach. Gleichzeitig flogen auch die restlichen Schalter der Gruppe herum. So blitzartig, so heftig, daß Pelletier die Zange aus der Hand gerissen wurde und in hohem Bogen davonflog. Mit einer Verwünschung ging der M-Techniker zu Boden.
Noch während er sich wieder aufrappelte, kam schon die erste Meldung aus der Maschinenhöhle. »Was habt ihr bloß angestellt? Die sieben Mammuts sind wieder zu, die A-Grav-Bahnen während des Transports einiger schwerer Maschinensätze zusammengebrochen. Die Maschinen liegen mitten in der Höhle! Jeder weitere Transport hat aufgehört.« Raoul Pelletier und Ivo Marcus hörten die gellende Stimme aus dem Vipho ihrer Schwebeplatten dringen. Auf alles vorbereitet, sahen sie sich um. Langsam wanderten ihre Blicke zur Transmit terantenne hinüber. Sie sahen, wie die Antenne in ihre Normallage zurückglitt und der Ringbügel seine dunkelrote Färbung verlor. Aber weiterhin drang ein deutliches Summen an ihre Ohren, und auch die flammenden Energiestraßen blieben bestehen. Sie veränderten sich auch nicht, als Ivo Marcus und Raoul Pelletier längst wieder auf ihren Schwebeplatten saßen und gemeinsam mit Bentheim durch den Großtransmitter-Raum glitten. Der Astrophysiker schüttelte den Kopf. »Irgend etwas stimmt immer noch nicht. Wir dürfen den Großtransmitter-Raum unter keinen Umständen unbeobachtet las sen. Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Sache.« Aber auch während der nächsten Stunden veränderte sich nichts. Nach wie vor spannten sich die Energiestraßen zu den blauleuch tenden Unitallwänden der Mammuts. Bentheim wartete abermals zwölf Stunden. Als sich dann immer noch nichts geändert hatte, faßte er seinen Entschluß. »Ich werde mit der DOG nach Terra fliegen und Trawisheim Bericht erstatten. Vielleicht findet er eine Möglichkeit, sich mit Ren Dhark in Verbindung zu setzen. Auch möchte ich nicht die Entscheidung dar über treffen, was mit dem Team, was mit den Technikern und Wis senschaftlern geschehen soll!« Er sah die um sich versammelten Gefährten an. »Irgend etwas in der Steuerung oder der Schaltung des Industrie doms ist durcheinander geraten. Schon die Lieferung der Maschi nensätze und Ringraumerteile wirkt auf mich unkoordiniert, unlo gisch. Niemand von uns weiß, was die nächste Stunde dem Indu striedom bringen kann. Seien Sie wachsam, meine Herren. Achten Sie auf die geringsten Anzeichen ungewöhnlicher Vorkommnisse! Wenn nötig, retten Sie sich per Transmitter auf den vierten Konti nent!« Zwei Stunden später startete die auf Deluge stationierte DOG mit Bentheim an Bord in Richtung Terra. Erst weit außerhalb des ColSystems ging der Kugelraumer in Transition.
21.
Als nach der letzten Transition des gewaltigen Raumerverbands die blaugrüne Sonne Tantal auf den Schirmen der CHARR sichtbar wur de, befand sich Colonel Huxley in seiner Kabine. Er lag in einem verstellbaren Konturbett, das von den Nogk eigens für ihn und seine Männer entwickelt worden war. Huxley hatte viele Stunden geschlafen. Als er erwachte, löste so gleich eine durch die transparenten Wände dringende Helligkeit die tiefe Dunkelheit ab, in der er sich bis jetzt befunden hatte. Er fühlte sich wieder völlig frisch. Ganz ruhig überdachte er noch einmal die Ereignisse der vergangenen Wochen. Da war zunächst die Rückkehr zur Erde nach der Vernichtung der Transmitterstation der Schatten. Danach die Ankunft der von Charaua angekündigten Transportflotte mit dem Material und den Aggregaten für den Globalen Schutz schirm. Der Beginn der Arbeiten und das ungeheure Aufsehen, das der Besuch der Nogk und ihr Geschenk in der Bevölkerung Terras verursacht hatten. Die TV-Anstalten und die Presse sprachen von einer neuen Ära der Verständigung und des Friedens. Vorträge, Sendungen und Publikationen hatten sich gegenseitig mit blühendem Unsinn überboten. Dann war der Tag gekommen, an dem der zweite Ellipsenraumer mit einem Teil der Nogk und der gesamten FO-1-Crew wieder mit Kurs auf Tantal gestartet war. Nur schweren Herzens hatte Huxley damals zu diesem Start seine Einwilligung gegeben, denn im Grunde hatten seine Männer einen erholsamen Aufenthalt auf Terra mehr als verdient. Doch Charauas Argumente waren zwingend gewesen, zu zwingend, um die Bitte des Freundes abzuschlagen. Und Charaua hatte recht behalten, wie sein Bericht über die Ereignisse im Tantal-System eindringlich bewies. Wieder einige Tage später war der Start des Ringraumergeschwaders Szar dak erfolgt. Die Schiffe waren zum Training für die bevorstehende Aktion Andromeda im Tantal-System stationiert worden. Gleichzeitig stellten sie eine unüberwindliche, für die schwarzen Schiffe kaum zu durchbrechende Barriere dar, so daß die Nogk sich mit ganzer Kraft der Fertigstellung ihrer neuen intergalaktischen Raumer hatten widmen können. Huxley setzte sich ruckartig auf. Et war gespannt, wie viele Schiffe die Nogk inzwischen fertiggestellt haben würden. Charaua hatte nur ausweichende Antworten gegeben, als er ihn einmal danach gefragt hatte. Nicht aus Geheimniskrämerei, dafür kannte Huxley den Nogk viel zu gut. Man wollte ihn offenbar überraschen. Huxley warf einen Blick auf den Bildschirm in seiner geräumigen, auf menschliche Bedürfnisse zugeschnittenen Kabine. Deutlich er kannte er den hell strahlenden Punkt neben der blaugrünen Sonne, der fast von ihrer Korona überstrahlt und nur durch die hervorra genden vollautomatischen Filter der CHARR sichtbar gemacht wur de.
Huxley warf die leichte Thermodecke ab und ging in den Dusch raum hinüber. Eine Einrichtung, die die Nogk erst auf der Erde mit Rücksicht auf die völlig andere Beschaffenheit seines Körpers in ihr Schiff eingebaut hatten. Das Wasser wurde natürlich wieder aufbe reitet und voll im Kreislauf geführt. Auf diese Weise war selbst bei einem täglichen Duschbad der Wasserverbrauch nur minimal. Die Nogk hatten in ihren neuen Schiffen vorsorglich jeweils einen separaten Trakt im Wohndeck geschaffen, der den Bedürfnissen ih rer terranischen Freunde in jeder Beziehung gerecht wurde. Unter anderen Umständen wäre für Huxley und seine Männer eine Betei ligung an einem Unternehmen wie dem Flug zur Andromeda gar nicht möglich gewesen. Andromeda! Colonel Huxley stellte die Dusche ab und drehte seinen Körper unter dem Ultraschalltrockner hin und her, bis er vollständig trocken war. Dann kehrte er in seine Kabine zurück und schlüpfte in seine schmucklose Uniform. Andromeda! Er setzte sich und stützte seinen Kopf für eine Weile in die Hände. 2,6 Millionen Lichtjahre! Eine geradezu ungeheuerliche Entfernung! Kein Schiff hatte bisher auch nur annähernd eine solche Entfernung zurückgelegt. Jedenfalls kein Schiff einer den Menschen oder Nogk bekannten Rasse. Hinzu kam noch, daß niemand die Verhältnisse jenseits des Halos, im Leerraum zwischen den Galaxien kannte. Huxley rekapitulierte sein Wissen über Andromeda. Nach neueren Messungen der von den Nogk weit draußen, fast am Rande der Kraftfelder der Milchstraße stationierten Forschungseinheiten betrug der Durchmesser, die sogenannte >große Achse< der Andromeda 100.000 Lichtjahre. Außerdem ballten sich in dieser Spiralgalaxis nach überschlägigen Berechnungen etwa einhundert Milliarden Son nen zusammen. Hinzu kamen noch die beiden Andromeda be gleitenden Zwerggalaxien, von denen die größere das vorgesehene Ziel der Nogk war. Huxley versuchte sich vorzustellen, wie der Himmel eines Sonnen systems am Rande jener Zwerggalaxis aussehen mochte. Riesen groß – von Horizont zu Horizont reichend – würde sich das flam mende, funkelnde Band Andromedas spannen. Schon die Nähe dieser gewaltigen Galaxis garantierte den Nogk einen gleichmäßigen Strahlungsverlauf. Zumal die beiden kleineren Satellitengalaxien sich noch innerhalb des mächtigen Halos der Andromeda befinden mußten. Auf den Planeten eines dort gelegenen Sonnensystems würde es niemals ganz Nacht werden. Denn im Gegensatz zur Erde, die in einem Spiralarm am Rand der Milchstraße lag und nur einen Bruchteil der Strahlung ihrer Sonnen einfing, stand am Himmel jener hypothetischen künftigen Heimat der Nogk Andromeda in ihrer ganzen majestätischen Größe. Huxley riß sich gewaltsam aus seinen Gedanken. Denn wieder beschlich ihn dieses unheimliche, warnende Gefühl, das ihn neben
der Erregung eines solch grandiosen Abenteuers in den letzten Ta gen immer häufiger befiel, sobald er an die Aktion Andromeda dach te. Er erhob sich und strich seine Uniform glatt. »Wir werden ja sehen!« murmelte er, während er auf den Gang hinaustrat und zum Gleitfeld hinüberging, das ihn gleich darauf in seinem milden, grün pulsierenden Licht zum Bug des Ellipsenrau mers trug, in dem sich der Leitstand der CHARR befand. Als er den im Leitstand mündenden Zentralschacht verließ, blieb er ruckartig stehen. Zwischen den schwach leuchtenden Koordinaten des aktivierten Allsichtschirms stand ein gewaltiger Verband golden leuchtender Ellipsenraumer. Huxley versuchte ihre Zahl zu schätzen. Es mußten weit über zweitausend sein. Kleinere und größere. Die kleineren 500 Meter lang, die größeren 900 Meter. Huxley war zwar von den Nogk allerhand gewohnt, er kannte die ungeheure Schnelligkeit, mit der sie arbeiteten, besser als jeder an dere Terraner, aber dies war schon fast Hexerei. Charaua trat neben ihn. Er wies auf den Verband der golden schimmernden Raumschiffe. > Deshalb habe ich deine Frage damals nicht beantwortet, Huxley! Wir wollten dich überraschen. Unsere Meegs haben gearbeitet wie noch nie zuvor in der Geschichte unseres Imperiums. Nach eurer Rechnung sind das 2300 Raumer des neuen Typs. Sie sind imstan de, drei Viertel unserer Rasse aufzunehmen. Der restliche Teil bleibt bis zur Vollendung der noch fehlenden Schiffe auf dem innersten Planeten der Sonne Tantal. Wir haben unsere Werkstätten inzwi schen tiefer in den Planeten verlegt. Auch die Schatten werden uns dort nicht mehr angreifen können!< Charaua blickte aus seinen dunklen Facettenaugen zu den Ellipsen raumern hinüber. >Ohne eure Hilfe wäre das alles nicht möglich gewesen. Wir wären den Schatten im Vertrauen auf unsere neue Waffe zum Opfer gefal len, Huxley.< Der grauhaarige Colonel schüttelte den Kopf. »Trotzdem, Charaua, ich begreife immer noch nicht, wie ihr in nerhalb so kurzer Zeit eine solche Menge von Raumern fertigstellen konntet! Das will mir einfach nicht in den Kopf.« Der Nogk starrte einen Moment lang vor sich hin. >Du weißt noch so vieles von meiner Rasse nicht, Huxley!< teilte er sich dann mit. >Als uns klar wurde, daß uns für die geplante Ex pedition mit einem unserer großen neuen Schiffe keine Zeit mehr bleiben würde, haben wir das gesamte Potential an Fertigungsma schinen und Robotaggregaten eingesetzt. Sofort nach unserem Start zum Kampf gegen die Schatten und ihre Station begannen unsere Meegs mit der Arbeit. Ich kann es dir schlecht erklären, Terraner: Unsere Rasse arbeitet nach ganz anderen Methoden als ihr. Auch unsere Fertigung ist nach völlig anderen Systemen aufgebaut. Wir konnten viele Teile unserer früheren Raumer übernehmen, und viele
der neuen Schiffe befanden sich auch bereits im Rohbau auf tief im Innern von Nogk II gelegenen Werften.< »Auf Nogk II?« Charaua nickte. Im Laufe seines Zusammenseins mit den Men schen hatte er viele ihrer Gewohnheiten und Gesten angenommen. > Als du damals in der halb zerstörten Ringstadt auf die ersten Schatten gestoßen bist, ist dir da denn nicht aufgefallen, daß die Energieversorgung noch in Ordnung war? Hast du dir nie die Frage gestellt, warum die Schatten immer wieder versuchten sich ausge rechnet dieser Stadt zu bemächtigen, ohne sie indessen völlig zu zerstören?< Huxley starrte den Nogk in jäher Erkenntnis an. »Vielleicht bin ich durch die Ereignisse damals nicht recht zum Überlegen gekommen, Charaua. Aber jetzt erinnere ich mich deut lich daran. Doch, du hast recht, Maxwell und mir ist wohl aufgefal len, daß die Gänge dieser Stadt noch beleuchtet waren! Warum habt ihr uns das bis jetzt verschwiegen, Charaua?« Der Nogk zögerte. >Es war kein Mißtrauen, Terraner. Du gehörst zum Rat unseres Imperiums, du hättest sogar Anspruch darauf gehabt, es zu wissen. Ich habe dagegen gestimmt, Huxley. Ich allein! Denn unter jener Ringstadt befindet sich außer den Werkstätten noch ein weiteres Gewölbe. Es ist für unsere Rasse noch wichtiger, als jene Schiffe es je sein können. In diesem Gewölbe, von dem ich eben sprach, liegt unsere Brut. Jene Generationen von Nogk, die einst unser Imperium weiterführen sollen!< Huxley schüttelte den Kopf. Er begriff nicht, worauf der Nogk hin auswollte. »Auch das hättest du mir anvertrauen können, Charaua! So gut müßtest doch gerade du mich kennen!« Der Nogk legte ihm plötzlich seine Hände auf die Schultern. >Ich hatte recht, Terraner, daß ich meine Stimme dagegen erhob. Denn noch immer begreifst du den Grund nicht, warum ich so han deln mußte! Ich will es dir sagen: Ihr seid anders als wir. Einen Nogk kann keine Rasse gegen seinen Willen verhören, versucht man es mit Gewalt, so tötet er sich. Auch wenn er gefesselt ist oder unter dem Einfluß irgendwelcher fremder Drogen steht. Vergiß nicht, Huxley: Wir sind völlig anders als ihr! Es wäre doch immerhin möglich gewesen, daß du in die Hände der Schatten gefallen wärst. Oder einer deiner Gefährten! Eure Gehirne halten Verhören nicht stand; wir wissen das von unseren Detektorbefragungen, die wir an dir, eurem Herrscher Ren Dhark und einigen anderen durchführten. Das war der einzige Grund, Huxley. < Der Colonel sah den Nogk an. »Du hattest recht, Charaua! Vergiß meine Fragen!« Ein hinzutretender Nogkoffizier unterbrach ihr Gespräch. Seine Fühler schwangen einige Sekunden lang hin und her. Auch Charauas Fühler zuckten ein paarmal.
>Wir werden jetzt landen, Huxley!< teilte er sich anschließend dem Colonel mit. >Der Herrscher und der Rat des Imperiums erwar ten uns. Die Kommandanten und Offiziere eurer Ringraumer und auch die Männer deiner FO-1 befinden sich ebenfalls im Ratsgewöl be. Wir werden nun die letzten Einzelheiten unserer gemeinsamen Aktion festlegen. Für die Dauer unserer Beratung wachen unsere neuen Schiffe über unsere Sicherheit! < Huxley trat zusammen mit Charaua vor den Bugsektor des All sichtschirms. Staunend registrierte er, wie diszipliniert und gekonnt sich die 3000 Eiraumer, die mit der CHARR zusammen von Terra gestartet waren, in Gruppen auflösten und sich sodann auf die ver schiedenen Basen des Planeten verteilten. »Was geschieht mit diesen Schiffen?« fragte Huxley nach einer Weile. >Sie werden hierbleiben, Terraner! Unsere Meegs haben alles zu ihrer Konservierung vorbereitet. Vielleicht überdauern sie uns sogar, wenn nicht Fremde sie vorher in ihren Hallen unter der Oberfläche von Nogk I und Nogk II finden! Ihre Triebwerke eignen sich nicht für den großen Sprung zu unserer neuen Heimat. Aber wir wollen sie nicht sinnlos zerstören, Huxley, sie haben uns lange gedient.< Colonel Huxley nickte. Er spürte plötzlich eine große Erleichterung. Es war gut zu wissen, daß die Planeten dieser blaugrünen Sonne in Zukunft in ihrem Innern ein Geheimnis bergen würden. Zeugen der Macht und Größe eines einstigen Imperiums dieser Galaxis. »Ich hätte es genauso gemacht, Charaua, wenn die Entscheidung darüber bei mir gelegen hätte! Sinnlose Zerstörung ist Frevel! Im mer und überall!« Die Facettenaugen des Nogk glitzerten, als er Huxley nach seinen letzten Worten ansah. >Es ist gut, Huxley, daß du empfindest wie ich! Um diesen Beschluß ist im Rat unseres Imperiums schwer ge rungen worden. Seit einiger Zeit gibt es auch in unseren Reihen ver schiedene Auffassungen über viele Dinge. Es wird Zeit, daß unsere Rasse endlich wieder zur Ruhe kommt, daß die ewigen Kämpfe ein Ende haben!< Charaua glitt in seinen Kontursitz. Im nächsten Augenblick gab er schon seine Befehle, und das gewaltige Schiff fiel der Oberfläche von Nogk I entgegen. Genau wie damals die FO-1 schwebte es auf den imitierten Krater zu und sank dann schließlich durch die energetische Sperre, die von der übrigen Oberfläche des Planeten nicht zu unterscheiden war. Zwei Tage später sammelten sich die Nogkraumer im Orbit um die beiden inneren Planeten ihrer blaugrünen Sonne. Huxley und Janos Szardak beobachteten die Manöver der Schiffe auf dem riesigen Bildschirm des Ratsgewölbes, zwischen dessen Koordinaten noch vor kurzem ihr Ziel, Andromeda, geschwebt hatte. Der Herrscher der Nogk trat mit Charaua zu ihnen. Seine hochge
wachsene, sehr schlanke Gestalt, die im milden Licht der transpa renten Wände des Gewölbes noch imponierender wirkte als sonst, hob sich scharf gegen den blaßgrünen Himmel des Kugelschirms ab. >Es ist soweit, Terraner! Die letzten Ellipsenraumer unserer Flotte starten aus ihren Depots. Zwischen uns ist alles besprochen. Du, Huxley, bleibst mit deinen Gefährten und Charaua an Bord der CHAKR. Die restlichen Mitglieder des Rates unseres Imperiums ver teilen sich auf die Großraumer unserer Flotte. Es wäre nicht gut, sie alle in einem einzigen Schiff unterzubringen. Ich selbst werde mich jetzt an Bord der NOGK begeben!< Er wechselte mit Charaua einige gedankenschnelle Impulse. Dann wandte er sich erneut an Huxley. >Wir haben dein Schiff, die FO-1, in einem der Hangars der CHARR untergebracht, Huxley. Um das tun zu können, waren um fangreiche Änderungen am Druckkörper der CHARR notwendig. Der Rat des Imperium hat daher in deiner Abwesenheit beschlos sen, daß die CHARR mit dem Start zur Aktion Andromeda dein Ei gentum wird, Huxley. Deine FO-1 wird ihr fortan neben den nor malen Beibooten als nicht zu unterschätzende Verstärkung dienen. Ich habe angeordnet, daß zwischen der CHARR und allen anderen Schiffen unserer Flotte ständig Verbindung besteht. Als einziger von allen Raumern hat sie deswegen von unseren Meegs eine besonders ausgerüstete Zentrale erhalten, die dir und deiner Rasse auch spä ter noch von Nutzen sein wird.< Er streckte Huxley und Szardak seine lederhäutige, von gelben Punkten übersäte Hand hin. Danach verließ er mit den raschen, ei gentümlich gleitenden Bewegungen seiner Rasse in Begleitung Cha rauas das Gewölbe, ohne Huxley oder Szardak Zeit zu einer Erwide rung zu lassen. Janos Szardak starrte den grauhaarigen Colonel fassungslos und kopfschüttelnd an. »Seit ich bei den Nogk stationiert bin, Huxley, wundere ich mich allmählich über gar nichts mehr. Wenn mir Cha raua oder der Herrscher unserer Freunde morgen mitteilen würde, unsere Aktion sei überflüssig geworden, weil sie inzwischen Andro meda nach hier verlegt hätten, dann würde ich das nach meinen bisherigen Erfahrungen vielleicht noch nicht einmal für unmöglich halten.« Er schüttelte abermals den Kopf. »Spaß beiseite, Huxley: Was ist das nur für eine eigentümliche Rasse? Ich habe noch niemals in meinem Leben eine solch muster gültige Organisation, eine solch rationelle Zeiteinteilung kennenge lernt wie bei den Nogk. Diese seltsamen Wesen vollbringen in für uns unvorstellbar kurzen Zeitspannen Leistungen, für die wir Wo chen oder gar Monate benötigen würden! Überlegen Sie doch nur einmal, welch eine unerhörte Arbeit es gewesen sein muß, in die CHARR eine Schleuse von über zweihundert Metern Länge einzu bauen! So lang muß sie schließlich sein, wenn Ihre FO-1 imstande sein soll, den Ellipsenraumer während des Fluges wie ein Beiboot zu
verlassen! Und nicht genug damit, sie installieren außerdem noch eine spezielle Zentrale, die, wenn ich den Herrscher der Nogk richtig verstanden habe, in der Lage ist, mit 2300 Schiffen zugleich ständig in Verbindung zu bleiben! Und dann, nachdem all das geschehen ist, schenkt man Ihnen und Ihrer Besatzung dieses Schiff! Huxley, Sie sind einfach ein Glückspilz! Falls mir so etwas überhaupt läge, wür de ich Sie beneiden.« Es war äußerst ungewöhnlich und kam auch nur sehr selten vor, daß Colonel Szardak eine derart lange Rede hielt. Daß er es tat, bewies, wie erregt er war. Huxley ging es nicht anders. Obwohl an Überraschungen durch die Nogk gewöhnt, war er diesmal doch regelrecht konsterniert. »Kommen Sie, Szardak, sehen wir uns die CHARR einmal an!« erwiderte er nach einer Weile heiser. »Eines meiner Beiboote kann Sie später an Bord Ihres Ringraumers bringen, bis dahin mag sich Ihr I.O. um alles kümmern.« Huxley zog Szardak mit sich. Szardak wußte nur zu gut, welch ein Raumschiffnarr Huxley war. Raumschiffe bedeuteten ihm seit ihren gemeinsamen Tagen auf der Kallisto-Akademie beinahe alles. Schon damals hatten sie ihn damit oft genug gefoppt. Ein solches Ge schenk mußte diesen Mann fast um seinen Verstand bringen. Denn wohl gemerkt: Die CHARR gehörte Huxley und nicht der TF! Die Vorstellungen der beiden Männer wurden noch bei weitem übertroffen. Im Hangar des Ellipsenraumers erwarteten sie die Män ner der FO-1. In Reih und Glied standen sie in dem riesigen Hangar, der sich im Mittelteil des Rumpfes zwischen den beiden Bootsdecks befand. Die Außenwandung des Druckkörpers der CHARR war an dieser Stelle so weit eingebuchtet, daß die FO-1 jederzeit bequem von ihren Bettungen abheben und sofort in den Raum hinausstoßen konnte. Die FO-1 war von Grund auf überholt, ihr gesamter spindel förmiger Rumpf mit der gleichen goldenen Metall-Legierung über zogen wie die riesige CHARR. Lee Prewitt, Huxleys I.O. trat auf die beiden Colonels zu. »Melde gehorsamst, die Besatzung der FO-1 und ihres Mutter schiffs CHARR vollzählig angetreten. Besatzung und Offiziere wün schen Ihnen und Ihrem neuen Schiff viel Glück, Colonel, und bitten an Bord bleiben zu dürfen!« Bei den letzten Worten konnten die Männer der FO-1 ein Grinsen nicht länger unterdrücken. Auf ein Zeichen von ihrem Zweiten Offi zier Maxwell stürmten sie plötzlich los und hoben Huxley und Szar dak auf ihre Schultern. Im Triumphzug trugen sie die beiden durch den ganzen Hangar des Ellipsenraumers bis zu den Mündungen der geräumigen Transportschächte. Huxley und Szardak ließen die Männer gewähren. Huxley pochte auf Disziplin, aber er wußte auch, wann man besser einmal ein Auge zudrückte. Bevor er mit Szardak im Gleitfeld verschwand, reichte er Prewitt, Maxwell und dem übers ganze Gesicht strahlenden Chief Erkinsson
die Hand. »Ich danke euch, Männer!« rief er mit lauter Stimme. »Möge die CHARR für uns alle ein genauso glückhaftes Schiff wer den, wie es unsere gute alte FO-1 immer war und bleiben wird! Und jetzt: Auf die Stationen, klar bei Manöver.« Er winkte seinen Männern abermals zu und ließ sich dann vom grünlichen Leuchten des Gleitfeldes durch den Zentralschacht der CHARR in den Leitstand tragen. »Eine ganz verdammte Bande, was?« wandte er sich an den grin senden, sonst wegen seiner Strenge und Kompromißlosigkeit ge fürchteten Szardak. »Aber die Jungs sind in Ordnung, Szardak!« fügte er hinzu. »Jeder einzelne von ihnen. Mit dieser Crew könnte ich den Teufel persönlich aus der Hölle holen!« Das Tantal-System blieb hinter dem Mammutverband von Raumern zurück. Mehr und mehr verblaßten auch die letzten Sterne dieses einsamen Sektors am äußersten Rand der Milchstraße. Szardak bildete mit einer Gruppe von zehn Ringraumern die Spitze des Verbandes; 80 weitere Ringraumer deckten die Flanken der Nogkflotte, und die letzten zehn Schiffe flogen als Nachhut. Verglichen mit den von ihnen begleiteten 2300 Schiffen der Nogk war die Zahl der Ringraumer klein. Aber durch ihre Intervallfelder und die mit ihnen verbundenen Möglichkeiten stellten sie eine ge waltige Kampfkraft dar. Janos Szardak rechnete fest mit einem An griff der Schatten. Er glaubte nicht daran, daß ein derartiger Ver band von Raumern unbemerkt und ungeschoren seinen Weg von Transition zu Transition fortsetzen konnte. Zwar verfügten die Nogk auch über eine ultimative Waffe, aber deren Anwendung verbot sich von selbst, solange die Schiffe noch in dichter Formation flogen. Es war Szardaks Aufgabe, den allerersten Schlag der Schatten abzu wehren und dadurch den Nogk die notwendige Zeit zu verschaffen, ihre Schiffe auseinanderzuziehen und selbst in den Kampf einzugrei fen. Daß die einzelnen Schiffe überhaupt in so geringen Abständen voneinander dahinjagten, hatte seinen Grund in der Transitions kopplung, die verhindern sollte, daß eines der Schiffe durch irgend welche Schäden oder Fehlsteuerungen zurückblieb oder gar an einer falschen Stelle wieder ins Normalkontinuum zurückkehrte. Nach welcher Richtung Szardak den Exodus der Nogk auch über dachte, er mußte zugeben, daß die Meegs äußerst gründlich zu Wer ke gegangen waren, daß sie bei der Planung der Aktion Andromeda nicht die geringste Kleinigkeit vergessen hatten. Szardak warf einen Blick auf sein Bordchronometer. »Position?« fragte er den Ortungsoffizier seiner LUXOR. »Gelb, 21:7,08! Beginn der X-Zeit für die nächste Transition in genau sechskommafünf Minuten! Erwarte jeden Augenblick Null zeitvergleich der CHARR!« Szardak nickte. Als er seinen früheren Funkoffizier, Jonny Malone, für diese Reise zu seinem I.O. ernannt hatte, war ihm kein Fehler
unterlaufen. Der Junge reagierte und arbeitete schnell und sicher. Zudem war es Szardaks Prinzip, gerade jüngere Offiziere auf ver antwortungsvolle Positionen zu stellen; nur so konnte die TF ihren dringenden Bedarf an fähigen Offizieren nach und nach decken. Er musterte die Bildschirme und entdeckte die CHARR, kenntlich durch das auf ihren Ellipsenrumpf weithin sichtbar aufgetragene taktische Zeichen als kommandoführendes Schiff im Verband der Nogkraumer, achteraus an Steuerbord. Abermals warf Szardak einen Blick auf das Bordchronometer. »Achtung, Nullzeitvergleich!« unterbrach die Stimme seines I.O. die in der Zentrale der LUXOR herrschende Stille. »CHARR an LUXOR. 10:05:37. Ich wiederhole: 10:05:37.« Der I.O. wartete, bis die Bestätigungen der anderen Ringraumer einliefen. Mittels komplizierter Berechnungen hatten Nogk und Ter raner ein Verfahren entwickelt, das gewährleistete, daß Ringraumer und Ellipsenraumer zum exakt gleichen Zeitpunkt in Transition gin gen und an genau aufeinander abgestimmten Koordinaten wieder ins Normalkontinuum eintauchten. Von allergrößter Wichtigkeit war dabei der sogenannte Nullzeitvergleich. Nur wenn die Chronometer aller Schiffe auf die Hundertstelsekunde genau die gleiche Zeit an zeigten, konnte das Verfahren gelingen. Huxley meldete sich. »Viel Glück, Szardak! Unsere Kopplungen stimmen mit Ihren Wer ten überein. Wiedereintrittspunkt Gelb 100:40,7, Ende!« Von Bord der CHARR aus verfolgten Huxley und Charaua, wie die Ringraumer zur angegebenen Zeit kurz beschleunigten. »Jetzt sind wir dran!« knurrte Huxley und gab an die AllroundZentrale seines Schiffes die notwendigen Anweisungen. Von der CHARR über Impulse aktiviert, liefen auf allen 2300 Nogkraumern die Sprungaggregate gleichzeitig an. Überall in den Leitständen und Zentralen der Ellipsenraumer beobachteten die Meegs sorgfältig die Kontrollen der Kopplungsfelder, die sich über ihre vollautomatischen Detektoren rasch auf die Gesamtmasse der Schiffe des Verbandes einpegelten. Danach erloschen plötzlich die Bildschirme. Darüber hinaus be merkten die Besatzungen der Nogkraumer von der Transition nichts. Kein Schmerz, kein Unbehagen, keine Aktionsunfähigkeit – absolut gar nichts. Als die Schiffe in geschlossener Formation wieder ins Normal kontinuum zurückkehrten, tauchten gleichzeitig die Ringraumer Szardaks wieder auf. Die terranischen Schiffe nahmen die gleiche Position ein wie zuvor. Colonel Huxley atmete auf. Er hatte diesen Augenblick insgeheim gefürchtet. Ein winziger Fehler in den Berechnungen der Suprasen soren der Ringraumer oder eine noch so geringe Abweichung in den ermittelten Ausgleichswerten der Transitionstaster der Nogkraumer, und die beiden Raumergruppen fanden sich so schnell nicht wieder. Das konnte jedoch der Aktion Andromeda sehr leicht zum Verhäng
nis werden. Denn Huxley rechnete im Stillen fest damit, daß die Schatten spä testens durch die erste Transition und die dabei auftretenden Struk turerschütterungen auf diese Armada aufmerksam werden mußten. Er vermutete, daß wahrscheinlich bereits der zweite Sprung in die ser Hinsicht unangenehme Überraschungen bereithalten konnte. Zudem wußte Huxley, daß gerade die Ellipsenraumer den schwarzen Schiffen gegenüber gefährdet waren, wenn diese sie am Wiederein trittspunkt ins Normalkontinuum erwarteten und sie unter Beschuß nahmen, noch ehe die Schutzschirme wieder standen. »Geschafft, Charaua!« stieß Huxley befriedigt hervor, als der Ver band in sauberer Formation wieder ruhig seine Bahn durch die Tie fen des Alls zog. Huxley zog mehrere Plastikfolien zu sich heran. »In einer Stunde erfolgt der nächste Sprang, Charaua! Er wird über 30.000 Lichtjahre gehen. Wenn die Berechnungen stimmen, müssen sich vom dritten Sprung an die Entfernungen bei gleichem Energieaufwand verdoppeln. Danach wieder und so fort, bis wir die graue Zone zwischen den beiden Galaxien überwunden haben. An schließend müßten sich die Sprungdistanzen dann wieder annähernd normalisieren, je nach Stärke und Dichte des Halos der Andromeda.« Charaua nickte bestätigend. >So sagten die Meegs, Huxley! Bisher irrten sie in dergleichen Dingen nicht. < Dann erhob er sich plötzlich mit der ihm eigenen Schnelligkeit. >Du kommst nun ohne mich aus, Terraner. Wenn du mich brauchst, dann erreichst du mich bei den Meegs in der Steuerzent rale unserer beiden künstlichen Sonnen. Ich muß jetzt zusammen mit ihnen die Strahlungswerte in unseren Schiffen kontrollieren. Die geringsten Abweichungen, kleine Fehler in ihrer Intensität oder Zusammensetzung können schlimme Folgen für uns haben. Die Sonnen müssen sich nun bald zum erstenmal wirklich bewähren, sobald wir den Halo unserer Galaxis verlassene Huxley horchte auf. Irgend etwas in den Impulsen Charauas mach te ihn stutzig. »Stimmt etwas nicht, Charaua? Ich habe das Gefühl, daß du ir gendwie unruhig bist, besorgt.« Der Nogk blieb an der Einmündung des Zentralschachts ruckartig stehen. >Du hast richtig vermutet, Huxley! Ich spüre, daß die Strahlung im Innern der CHARR schon nach dem ersten Sprung stark nachge lassen hat. Das ist nicht schlimm, denn die Detektoren, die jeden einzelnen von uns überwachen, haben inzwischen die notwendigen Impulse an die Meegs in der Zentrale und die automatische Steue rung der Sonnen gegeben. Mich beunruhigt jedoch, daß ein solch starker Strahlungsabfall den Berechnungen unserer Speicher zufolge frühestens nach dem dritten Sprung hätte eintreten dürfen! Sobald
wir die Ursache dieses Fehlers in unseren Berechnungen gefunden haben, gebe ich dir Bescheide Der Nogk nickte kurz und verschwand in der Mündung des Schach tes. Wieder beschlich Huxley jenes ungute, warnende Gefühl, das ihn noch nie getrogen hatte. »Es wird Schwierigkeiten geben, sehr bald schon!« Er wandte sich Prewitt und Maxwell zu, die sich ebenfalls im Leit stand der CHARR befanden. »Überprüfen Sie nochmals die Daten für den nächsten Sprung. Stellen Sie unsere genaue Entfernung von Tantal fest. Die Impuls sender der zurückgebliebenen Nogk müßten uns noch erreichen.« Erneut wandte er sich den Kontrollen zu, während Prewitt und Maxwell sich sogleich an die nicht ganz einfache Arbeit machten, die Huxley ihnen aufgetragen hatte. Als der Verband aus der zweiten Transition ins Normalkontinuum zurückkehrte, war von den Schatten immer noch nichts zu sehen. Die Entfernung der Schiffe vom Rand der heimatlichen Milchstraße betrug nunmehr 50.030 Lichtjahre. Das entsprach etwa der halben Länge ihrer großen Achse. Immer noch füllten Milliarden Sonnen den Raum hinter den knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeit da hinjagenden Schiffe. Lediglich einige der am weitesten in den Raum hinausgreifenden Spiralarme begannen sich in ihrer Struktur vom Gros der Sonnen abzuheben. Huxley und Szardak konnten sich in den Zentralen ihrer Schiffe beide eine ganze Weile von dem faszinierenden Anblick nicht los reißen. Sie wußten, daß die Milchstraße nun mit jedem weiteren Sprung hinter ihnen zusammenschrumpfen mußte – bis zur Bedeu tungslosigkeit eines milchigen, mit normalen optischen Systemen gerade noch erkennbaren Nebelflecks. Beide Männer stellten sich in diesen Minuten die bange Frage, was ihre Schiffe wohl in Andromeda erwarten würde. Denn es war für sie selbstverständlich, daß auch die benachbarte Galaxis millionenfach intelligentes Leben in allen Formen in sich bergen würde. Unerbittlich blinkten die Ziffern der Chronos. Es wurde Zeit, sich auf die nächste Transition vorzubereiten. Da schlugen plötzlich die Ortungen der Schiffe an. »Achtung, Huxley, da sind sie! Ein Verband von Schatten nähert sich mit hoher Geschwindigkeit von Backbord! Weiß der Teufel, warum ich die Schiffe ohne weiteres ausmachen kann, bei unserem letzten Zusammenstoß war das noch nicht der Fall.« Huxley wirbelte mit seinem Sitz herum. Szardak hatte recht. Normalerweise hätte er die schwarzen Schiffe viel früher ausma chen müssen als Szardak. Die Taster der Nogkraumer waren emp findlicher als die Ortungen der Ringraumer. Ein Verdacht stieg in ihm auf, denn auch er erkannte nun die an
fliegenden Verbände. Was steckt da noch dahinter? Und dann – von einer Sekunde zur anderen – kam ihm die Er leuchtung. »Achtung, Szardak, aufgepaßt, das ist nur ein Täuschungsmanö ver! Ziehen Sie Ihre Schiffe auseinander, rasch!« Szardak, der erfahrene alte Haudegen, zögerte keine Sekunde. Zu sammen mit den Nogkraumern stob sein Verband sternförmig aus einander. Das war sein Glück. Denn dort, wo sich eben noch seine Ringraumer befunden hatten, materialisierten Hunderte jener schwarzen Schiffe und gaben dabei für den Bruchteil einer Sekunde ihre monströse, bösartig-häßliche Form preis. Eine Konstruktion dicker, gitterartig angeordneter Rohre umschloß einen nur sche menhaft erkennbaren Innenkörper, der wie der Hinterleib einer ins Gigantische vergrößerten Spinne zwischen den zu ihm hinüberlau fenden Verstrebungen hing. Charaua sprang mit einem gewaltigen Satz aus dem Zentral schacht in den Leitstand der CHARR. Huxley und er verstanden einander sofort. »Maxwell, Prewitt! Besatzung der FO-1 alarmieren, wir starten augenblicklich.« Der Colonel jagte davon. Es hätte des Befehls an seine Männer gar nicht bedurft. Sie stießen bereits auf dem Weg zum Hangar zwi schen den Bootsdecks aus den verschiedensten Abteilungen der CHARR zu ihm. Ihre Körper schossen nur so aus den Gleitfeldern der Nebenschächte in den Zentralschacht hinaus, der die CHARR in der Mitte ihres Rumpfes durchlief. Sekunden später verschwanden Huxley und seine Männer im of fenen Schott der Steuerbordschleuse der FO-1. Als abermals Sekunden später die Klarmeldungen der einzelnen Stationen bei Huxley einliefen, löste Chief Erkinsson den Impuls zum Öffnen der Hangartore aus. Sofort glitt die Außenhaut zurück. Puffend, einer silbernen Blase gleich, entwich die Luft des Hangars, denn Huxley hatte sich nicht die Zeit genommen, ihn über die Vakuumpumpen zu entleeren. Er wußte, daß jede vergeudete Sekunde von nun an über Sieg oder Niederlage entscheiden konnte. Die FO-1 hob ab. Einen Moment lang sah es für die Besatzungen der anderen Raumer aus, als ob die CHARR sich plötzlich aufblähen würde. Dann löste sich der schlanke, spindelförmige Raumer von seinem Mutterschiff und jagte sofort unter hoher Beschleunigung zu den bereits in schwere Kämpfe verwickelten Ringraumern hinüber. Huxley aktivierte den Deflektorschirm seines Schiffes und wurde damit augenblicklich genau wie die Ellipsenraumer für Szardak und die Schatten völlig unsichtbar. Huxley rief Szardak an. Der Colonel meldete sich sofort. »Es ist gut, daß Sie kommen, Huxley! Eines meiner Schiffe haben die Burschen gleich am Anfang unter so konzentrierten Beschuß ge nommen, daß es nun schwer angeschlagen ist und von uns mit allen
Kräften gedeckt werden muß. Es handelt sich um die BANGOR unter einem noch ziemlich jungen Kommandanten. Er war eine Spur lang samer als wir anderen, deshalb haben diese verfluchten Schatten ihn dann auch gleich voll erwischt.« »Okay, Szardak, ich werde tun, was ich kann! Aber solange die Schatten sich auf dieses eine Schiff konzentrieren, können wir die Antisphäre nicht einsetzen, da sonst die BANGOR womöglich eben falls ausgeschleudert wird… wenn ihr Intervall sie auch wahrschein lich vor der Vernichtung schützen würde. Versuchen Sie, die Angrei fer von dem Schiff abzudrängen.« Szardak nickte. Seine Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen, während er die nötigen Befehle gab. Dann aber brach die Hölle los. Zwölf Ringraumer rasten plötzlich auf das Gros der Schattenraumer zu, deren schwarzlodernde Strah len unablässig in die Intervallfelder der Schiffe fuhren, die die BANGOR deckten, und sie durch den Ansturm ihrer fremden Ener gien zu zuckenden Entladungen trieben, die mit jeder Sekunde hef tiger wurden. Die Ringraumer erreichten die unablässig schießenden Schatten raumer so schnell, daß ihnen keine Möglichkeit mehr zu einem Aus weichmanöver blieb. Geschützt durch ihre Intervalle, rissen die sechs Ringraumer die Schutzschirme der unheimlichen Gegner auf. Sie drangen unter entsetzlichen Entladungen schwarzlodernder Energien in sie ein und flogen durch sie hindurch, so als seien sie überhaupt nicht existent, sondern ein wahnwitziger Spuk. Kaum hatten die Ringraumer einige von ihnen durchflogen, als die betreffenden schwarzen Schiffe auch schon in einer einzigen, ent setzlichen Explosion vergingen. Ein wirbelnder, schwarzlodernder Ball stand sekundenlang zwischen den kämpfenden Schiffen. Was er berührte, fegte er beiseite. Auch die BANGOR wurde wie von Zyklo penfäusten gepackt und zusammen mit drei anderen Ringraumern und der FO-1 weggeschleudert. Verzweifelt versuchten die Männer sich irgendwo festzuklammern, hingen halb bewußtlos in den Ver riegelungen ihrer Kontursitze und kamen erst halbwegs wieder zu sich, als die Stabilisatoren die Schiffe schließlich in die Normallage zurückbrachten. Die Instrumente der FO-1 zeigten heftige Strukturerschütterungen an. Genau dort, wo sich das Gros der Nogkraumer befinden mußte. Von den schwarzen Schiffen jedoch war keine Spur mehr zu ent decken. Die Aggressoren, von denen bisher niemand zu sagen ver mochte, woher sie kamen und warum sie ohne jede Vorwarnung über ihnen völlig unbekannte Schiffe herfielen, waren verschwun den. Verschluckt von den Abgründen des Universums. Es vergingen Stunden, bis sich die durch den Angriff der Schatten versprengten Schiffe wieder zusammenfanden und sich zunächst zu einem lockeren, weit auseinandergezogenen Verband formierten. Von den Ringraumern fehlte keiner. Szardaks Besatzungen hatten keinerlei Verluste zu beklagen. Die BANGOR war allerdings so
schwer angeschlagen, daß sie nach den notwendigen Reparaturen sofort unter dem Geleitschutz zweier weiterer Ringraumer den Ver band mit Kurs Terra verließ. Die Nogk hingegen waren nicht so gut davongekommen. Die NOGK, das Schiff, auf dem sich der Herrscher des Imperiums be funden hatte, war verschwunden. Erst nach stundenlanger Suche fand man einige der Besatzungsmitglieder, später Teile des völlig zerborstenen Rumpfes. Sonst nichts. Von den übrigen Mitgliedern der vieltausendköpfigen Besatzung, von den Beibooten und gewal tigen Maschinensätzen fehlte jede Spur. Trauer kehrte in die Decks der übrigen Nogkraumer ein. Huxley und Szardak suchten Stunde um Stunde weiter, begleitet von der CHARR und zwei weiteren Schiffen der 500-Meter-Klasse. Es war und blieb jedoch vergeblich. Als die gewaltige Flotte sich schließlich wieder sammelte, stand fest, daß der Herrscher der Nogk tot war. Mit ihm alle, die sich an Bord seines unglücklichen Schiffes befunden hatten. Die gespenstischen Invasoren aus den Tiefen des Universums hat ten genau den Moment abgepaßt, an dem die Aufmerksamkeit der Besatzungen des Raumerverbands bereits nachließ, weil sich die Schiffe auf die dritte Transition vorbereiteten. Keiner der Nogkrau mer war dazu gekommen, auch nur ein einziges Mal die neue, ulti mative Waffe einzusetzen. Auch Huxley nicht. Szardak, der sich als einziger mit seiner Ringraumergruppe erfolg reicher geschlagen hatte, wiegte zweifelnd den Kopf. »Die Antisphären sind zwar eine ungeheuerliche Waffe, Huxley, aber sie nützen nichts in so einem großen, zwangsläufig dicht aufge schlossen fliegenden Verband. Im Gegenteil, dort gefährden sie so gar die eigenen Schiffe! Wir sollten jetzt machen, daß wir weiter kommen. Ich schlage vor, den nächsten Sprung unter einer gehöri gen Kursabweichung durchzuführen. Für den Fall, daß die Schatten abermals versuchen sollten, uns so eine Falle zu bauen, wie eben. Und das Schlimmste von allem: Auch Ihre Ortungssysteme haben völlig versagt, Huxley! Entweder haben die Burschen seit ihrer letz ten Niederlage dazugelernt, und zwar nicht wenig, oder wir haben allesamt geschlafen.« »Sie haben recht, Szardak! Machen wir, daß wir hier wegkommen! Da ist nur noch ein Problem: Der Herrscher der Nogk ist tot. Die Mitglieder des Rates befinden sich zur Zeit an Bord meines Schiffes und halten eine Beratung ab. Sie wurden von den Besatzungen der einzelnen Nogkraumer dazu auf Grund der außergewöhnlichen Lage ermächtigt. Normalerweise kann ein neuer Herrscher nicht einfach vom Rat des Imperiums gewählt werden. Man hatte mich auch zu dieser Sitzung gebeten, aber ich habe abgelehnt. Ich bin der Mei nung, daß ich in dieser Sache trotz meiner Mitgliedschaft im Rat des Imperiums als Terraner, und damit immerhin doch als fremdes We sen, nichts zu sagen habe. Ich glaube, daß meine Entscheidung von den Nogk gut aufgenommen worden ist. Warten wir mit unserer
nächsten Transition also so lange, bis die Nogk ihre Beratung been det haben.« Er sah, daß Szardak nur zögernd einwilligte. »Sie wissen nicht, welch ein Schlag das für die Nogk ist, Szardak!« fügte er deshalb einen Atemzug später hinzu. »Sie haben bereits ihren vorigen Herrscher durch einen tragischen Irrtum der Synties im Col-System verloren, und jetzt dies.« »Gut, Huxley! Sie kennen sich in dieser Beziehung besser aus! Wir werden also unsere fünf Sinne hübsch anstrengen! Falls die Schat ten denkende Wesen sind – und alles spricht dafür – werden sie uns sowieso nicht mehr hier vermuten. Außerdem glaube ich, daß bei denen ebenfalls etwas ziemlich schiefgegangen ist. Dieser schwarze Ball, der Zusammenstoß unserer Intervallfelder mit ihren Schiffen, irgendwie hat sie das schockiert, wenn nicht gar viel schwerer ange schlagen als wir vermuten. Ich habe geahnt, daß unsere Intervalle sich nicht mit ihren Schutzschirmen vertragen, daher habe ich letz tesmal diesen Versuch nicht gewagt! Wären wir nur eine Idee lang samer gewesen, Huxley, dann könnte ich jetzt nicht mehr mit Ihnen sprechen – und es gäbe mindestens ein Dutzend Ringraumer weni ger in der TF!« Die Beratung der Nogk dauerte nicht allzu lange. Der Rat des Im periums wählte einstimmig Charaua zum neuen Herrscher. Stumm nahm Charaua die Glückwünsche der Terraner entgegen. Seine großen Facettenaugen blickten Huxley an, als er ihm die Hand drückte. >Seit wir unser altes System verlassen mußten, Huxley, begann für unser Imperium der Niedergang. Auch jetzt, da ich der Herrscher dieses Imperiums bin, das doch gar nicht mehr existiert, spüre ich, daß dies noch nicht das Ende unseres Unglücks ist. Ich werde für meine Rasse alles tun, was in meinen Kräften steht. Aber wieviel wird das sein?< Charaua wandte sich ab und starrte auf die Bildschirme. Huxley erwiderte nichts. Auch er mußte die Ereignisse der ver gangenen Stunden erst einmal verarbeiten. Später, kurz vor der dritten Transition, ging er noch einmal zu dem immer noch völlig regungslos dasitzenden Nogk hinüber. »Hör mir zu, Charaua! Ich will dir jetzt etwas sagen, worüber ich bisher noch niemals gesprochen habe. In meiner Rasse gibt es eini ge Wesen, die manchmal die Zukunft anderer erkennen können. Ich gehöre zu ihnen. Bisher geschah es dreimal in meinem Leben, daß ich Dinge sah, die dann auch später eintrafen. Zuletzt bei einem sehr guten Freund von nur, der im Kampf gegen die Giants fiel. Ich wollte ihn retten, aber ich kam zu spät.« Der grauhaarige Colonel stockte. »Das viertemal, daß ich die Zukunft eines Freundes sah, geschah vor einigen Tagen auf Terra. Du, Charaua, bist jetzt der neue Herr scher deiner Rasse. Du wirst lange über die Nogk herrschen, du wirst im Raum einer roten Riesensonne ein neues, starkes Imperium
aufbauen. Ich weiß nicht, wo sie sich befindet, aber ich glaube nicht, daß ihr sie dort findet, wo ihr jetzt glaubt, sie suchen zu müssen! Frag’ mich nichts, Charaua, denn mehr könnte ich dir nicht dazu sagen, ohne dich zu belügen. Bisher hat mich mein zweites Gesicht noch nie getrogen. Vertraue auf deine Zukunft und die deiner Rasse, und warte ab, ob ich nicht auch diesmal recht behalte.« Huxley wandte sich abrupt von Charaua ab. Er wußte selbst nicht, was ihn veranlaßt hatte, sein bisher sorgfältig gehütetes Geheimnis zu lüften. Aber er bedauerte es auch nicht. Gleich darauf nahmen ihn die Vorbereitungen zur dritten Transition voll in Anspruch. So sah er nicht, wie die dunklen Facettenaugen Charauas jede seiner Bewegungen verfolgten, ihn förmlich zu sezieren schienen, bis end lich ein weicher, freundlicher Zug die scharfen Linien der lippenlosen Kiefer des Nogk überlief. Stumm, ohne jede Erwiderung verließ der Nogk kurz vor der Tran sition den Leitstand der CHARR.
22.
Die vier nächsten Transitionen verliefen ohne Zwischenfälle. Die künstlichen Sonnen der Nogkraumer arbeiteten einwandfrei, von den schwarzen Schiffen zeigte sich keine Spur mehr. Als der Verband die Vorbereitungen zum siebten Raumsprung traf, lag die Milchstraße bereits rund 180.000 Lichtjahre hinter ihnen. Aus dieser Entfernung wirkte sie schon wie ein großer Spiralnebel, wäh rend sich das Bild der Andromeda in den Bugsektoren der Schirme noch nicht allzusehr geändert hatte. Nur daß sie inzwischen wesent lich heller strahlte als zuvor. Doch obwohl es keine Zwischenfälle mehr gegeben hatte, warfen sowohl die Nogk als auch die Terraner immer häufiger einen Blick auf die mehr und mehr schrumpfende Heimatgalaxis, in deren Kraft feld sie in diese Welt eingetreten waren. Sogar die raumgewohnten Männer Huxleys versuchten sich hin und wieder vorzustellen, wo jene Sonne lag, um die seit Jahrmilliarden Terra seine Bahn zog. Ih nen wurde mit einemmal bewußt, welch ein gewaltiger Abgrund die beiden benachbarten Galaxien voneinander trennte. Selbst der kei neswegs leicht aus der Ruhe zu bringende Chief Erkinsson, der sich zusammen mit den Meegs in den Triebwerksräumen der CHARR auf hielt und sich von ihnen in ihre Technik einweisen ließ, legte schließ lich seinen Mini-Suprasensor aus der Hand. Er spürte plötzlich eine nur noch mit äußerster Willensanstrengung niederzukämpfende Übelkeit in sich aufsteigen. »Vielleicht irren wir uns alle!« flüsterte er mit tonloser Stimme. »Vielleicht ist es unmöglich, eine Reise über solche Abgründe zu überstehen. 2,6 Millionen Lichtjahre sind es bis zur Andromeda. 180.000 davon haben wir erst zurückgelegt und fangen bereits an, durchzudrehen!« Seine Stirn furchte sich. Er wollte über irgend etwas nachdenken, vermochte es aber nicht mehr. Er konnte sich plötzlich nicht mehr erinnern, worüber er eigentlich hatte nachgrübeln wollen. Einer der Meegs trat zu ihm. Seine dunklen Augen musterten ihn. Nach einer Weile zuckten seine Fühler ein paarmal hin und her. Minuten später erschienen andere Meegs. Im Gegensatz zu den grünen Uniformen der Techniker trugen sie die gelben der Bewahrer des Lebens, wie die Nogk ihre Ärzte nannten. Sie nahmen Chief Erkinsson kurzerhand zwischen sich und ver schwanden mit ihm in einem der Gleitfelder. Es dauerte eine knappe Stunde, dann kehrte der Chief in den Ma schinenraum zurück. Aber die Meegs waren gewarnt. Noch sorgfäl tiger als bisher beobachteten sie die Kontrollen der Überwachungs detektoren. Chief Erkinsson war der erste Terraner, der kurz davor gestanden hatte, einen Raumkoller zu bekommen. Mochte die Überanstren gung der letzten Zeit eine Rolle dabei spielen: auf den anderen
Schiffen, gleich ob auf denen der Terraner oder denen der Nogk, gab es bereits ähnliche Erscheinungen. Nach der siebten Transition spürte jedermann an Bord der Ring raumer und der CHARR, daß irgend etwas nicht mehr ganz stimmte. Die Ortungen aller Schiffe stießen ins Leere, keiner der vor dem siebten Sprung noch zu hörenden Sender kam mehr durch. In allen Schiffen des Verbandes herrschte mit Ausnahme der geführten Ge spräche absolute Stille. Tatenlos saßen die Bedienungsmannschaf ten der Funk-Zentralen herum. Was sie auch versuchten, ihre Emp fänger blieben stumm. Janos Szardak hockte in der Zentrale seiner LUXOR und grübelte. Es mußte für dieses Phänomen doch eine Erklärung geben? Wenn es nicht zu zeitraubend und wegen der Schatten auch zu gefährlich gewesen wäre, er hätte den Sprung zurück riskiert, um festzustel len, ob diese entscheidenden Veränderungen tatsächlich nur auf die um abermals 30.000 Lichtjahre größere Distanz zur Milchstraße zurückzuführen waren! Doch so sehr ihn dieser Versuch lockte, er widerstand eisern. Statt dessen erhob er sich schließlich und blieb einen Augenblick in Ge danken versunken neben seinem I.O. stehen. »Malone!« sagte er dann plötzlich und legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. »Sie verstehen als ehemaliger Funkoffizier doch eine ganze Menge von Wellenbereichen, von Sende- und Emp fangsfrequenzen.« »Jawohl, Sir, selbstverständlich!« beeilte sich Malone zu erwidern. »Gut, dann kommen Sie mal mit! Osborn!« wandte er sich an sei nen Zweiten Offizier, der oben auf der Galerie mit Auswertungsar beiten beschäftigt war. »Für die Dauer meiner Abwesenheit küm mern Sie sich um alles! Malone und ich gehen zur Funk-Z.« »Aye, aye, Sir!« vernahm Szardak noch die Erwiderung seines H.O. dann befand er sich mit Malone auch schon auf dem Weg zur Funk-Z. Der Funkoffizier und seine drei Mann schössen von ihren Sitzen hoch, als Szardak so plötzlich und völlig unangemeldet eintrat. Der Leutnant wollte Meldung machen, aber sein Kommandant winkte ab. »Irgend etwas Neues, Shears?« »Nein, Sir, wir haben alles versucht. Kein Empfang, gar nichts!« »Gut – das heißt miserabel!« verbesserte sich Szardak sofort und grinste die Männer an. Er spürte, daß sie eine kleine Aufmunterung vertragen konnten. »Wir werden jetzt einen kleinen Versuch machen. Sie, Shears, schalten die Anlage mit allem was sie hat, auf Senden. Sergeant Masterson klemmt die Ausgänge so, daß er jederzeit an den Instru menten die ausgehenden Energien überwachen kann. In genau 15 Minuten beginnen Sie zu senden, klar?« Er wandte sich an seinen Ersten Offizier. »Sie, Malone, bewaffnen sich mit geeigneten In strumenten, mit denen wir draußen auf dem Rumpf die abgehende Energie ebenfalls messen können. Ich begebe mich inzwischen
schon zur vorderen Backbordschleuse und überprüfe die Rauman züge. Kommen Sie dann sofort dorthin, Malone.« Knapp zehn Minuten später stiegen Szardak und sein I.O. mit den Haftsohlen ihrer Spezialanzüge über den blauschimmernden Uni tallkörper der LUXOR. Ab und zu blieb Szardak stehen und warf einen prüfenden Blick auf den samtschwarzen Abgrund, der ihn von allen Seiten umgab. Au ßer den Sonnen der Milchstraße, den Kugelsternhaufen in ihren Randzonen und dem bleich und kalt schimmernden Nebelfleck der noch immer unendlich weit entfernten Andromeda leuchteten nur noch ganz vereinzelt einsame Sonnen im unermeßlichen Nichts. Szardak behielt seinen I.O. im Auge. Er paßte auf, daß der Junge hier draußen, außerhalb der schützenden Hülle des Schiffs, nicht plötzlich vom Raumkoller befallen wurde. Er wäre nicht der erste gewesen, den Szardak auf seine Weise sehr schnell wieder zur Rä son gebracht hätte. Aber Malone blieb ruhig. Geschickt justierte er die Meßgeräte. Dann gab er Szardak mit der Hand ein Zeichen. Verblüfft nahm Szardak das zur Kenntnis. Er drehte am Regler des Empfängers seines Raumhelms, der normalerweise über viele Ki lometer eine einwandfreie Sprechverbindung gewährleistete. »Was ist denn los, Malone, hören Sie mich nicht?« fragte er. Er sah, wie sein I.O. ebenfalls am Regler seiner Sprechfunkanlage drehte und dabei die Lippen bewegte. Aber alles blieb stumm. Nur seine eigenen Worte dröhnten Szardak in den Ohren. Er schüttelte verständnislos den Kopf. Dann trat er ganz dicht an Malone heran, so daß die beiden Scheiben ihrer Helme einander berührten. »Los, anfangen!« Szardak sah auf die Uhr. Seit genau zwanzig Sekunden mußte Shears zu senden begonnen haben. Gespannt blickte er auf die An zeigen der Meßinstrumente. Die Leuchtdioden flimmerten ein wenig und zeigten dann einen minimalen Wert. Malone überprüfte nochmals die Justierung. Es blieb dabei: ein lächerlich geringer Wert. Szardak bedeutete ihm, wieder zur Schleuse zurückzugehen. Seine Gedanken rasten. Aber er fand einfach keine Antwort auf die Frage, was da eben vor seinen Augen geschehen – oder besser gesagt, nicht geschehen war! Eine Nachfrage in der Funk-Z ergab, daß die Geräte einwandfrei gearbeitet hatten. Shears traute seinen Ohren nicht, als er den kurzen Bericht Szardaks hörte. »Was ist mit den Vipho-Verbindungen zu den anderen Raumern?« fragte Szardak einer plötzlichen Eingebung folgend in der Zentrale seines Schiffes nach. Das bleiche Gesicht Osborns erschien auf dem Schirm. »Nichts, Sir! Keine Verbindung zu bekommen! Auch nicht zur CHARR, dabei steht das Schiff fast neben uns!« Szardak warf einen Blick auf den großen Schirm. Osborn hatte recht. Der Ellipsenraumer befand sich an Steuerbord der LUXOR,
nur wenige hundert Meter vom Intervall entfernt. Szardak faßte einen schnellen Entschluß. »Lichtspruch an CHARR und alle anderen Schiffe. Genauen Bericht über unseren Versuch durchgehen. Sie machen das, Malone, aber sofort. Intervall abschalten, ich schieße mich zur CHARR hinüber; ich muß mit Huxley und Charaua über dieses Phänomen beraten. Aber aufpassen, meine Herren! Denken Sie an die schwarzen Schif fe!« Im Innern glaubte Szardak allerdings keineswegs daran, daß sie auf ihrer Reise zur Andromeda nochmals auftauchen würden. War um er nicht daran glaubte, hätte er in diesem Moment nicht sagen können. Er wußte es eben einfach! Huxleys Miene wurde ernst, als er Szardak zuhörte. »Ich dachte anfangs auch nur an eine Störung, Szardak. Als ich Sie dann mit Malone auf Ihrem Schiff herumkrabbeln sah, wollte ich mich erkundigen, ob irgend etwas nicht in Ordnung sei. Nun, den Ausgang meiner Bemühungen kennen Sie!« Als Charaua ebenfalls in den Leitstand der CHARR kam und so gleich einige seiner Meegs herbeibefahl, berieten sie noch lange hin und her. Aber zu einem Ergebnis kamen sie nicht. Schließlich wies Huxley auf den Chrono seiner Zentrale, der neben der nogkschen Zeit auch die solare anzeigte. »Wir müssen in die nächste Transition! Sonst kommen wir nie zur Andromeda.« Szardak schoß mit seinem umgeschnallten Rückstoßaggregat wie der zur LUXOR zurück. Charaua und die Meegs blieben jedoch dies mal im Leitstand. Huxley glaubte bei ihnen eine gewisse Unruhe zu erkennen, die immer stärker wurde, je näher der Zeitpunkt der Transition rückte. Der nächste Sprung verlief glatt. Auch der folgende. Die Schiffe hatten damit eine Entfernung von 245.000 Lichtjahren von der Milchstraße erreicht. Die Funkverbindung blieb jedoch tot. Erst nach dem nächsten Sprung, der sie laut Berechnung der Meegs ihrem Ziel nun nicht mehr um 30.000 weitere Lichtjahre, sondern um 70.000 bis 80.000 Lichtjahre näherbringen sollte, ge schah es. Die Transition verlief wieder völlig normal. Bis die CHARR im Nor malkontinuum rematerialisierte. In diesem Augenblick leuchteten an den Steuerpulten die Warnmarken der Antriebe jäh auf. Die mit ihnen gekoppelten akustischen Signale traten in Tätigkeit. Wie der Blitz waren Huxley und Charaua aus ihren Kontursitzen und jagten zu den Armaturen hinüber. Sie sahen gerade noch, wie die Warnmarken wieder erloschen und auch die Signale verstumm ten.
»Was zum Teufel war das, Charaua?« Der Nogk griff bereits nach dem Schalter, der die Überträger akti vierte. Unruhig zuckten seine Fühler hin und her. Fast körperlich spürte Huxley, wie die Antworten von den Detektorgruppen zu rückkamen. So schnell, so voller Erregung, daß nicht einmal er den Impulsen zu folgen vermochte. Zumal die Nogk sich untereinander nicht der den Terranern und anderen Rassen verständlichen Bilder sprache bedienten. Charaua sah ihn an, in seinen Facettenaugen lag Ratlosigkeit. Es geschah sehr selten, daß die starren Züge der Nogk ihre Empfindun gen widerspiegelten. Sie hatten sich fast immer eisern in der Ge walt. Aber dies war so ein Moment. >Die Meegs stehen vor einem Rätsel, Huxley! Die Transitionsag gregate waren total überlastet!< teilte sich Charaua dem Colonel mit. >Sie haben sogar die Energiespeicher angezapft, ein Vorgang der überhaupt nicht zu begreifen ist.< Huxley blickte Charaua erschrocken an. In der weichen, diffusen Helligkeit, mit der die beiden künstlichen Sonnen das ganze Schiff über raffiniert erdachte Systeme erfüllten, konnte er den Freund ge nau beobachten. Die Bestürzung Charauas nahm von Minute zu Mi nute zu, je mehr der Nogk über die rätselhaften Vorgänge nach dachte. Huxley schaltete die Sichtsprechverbindung ein. Auf einem der Sektoren des Allsichtschirms erschien das noch immer etwas blasse Gesicht von Chief Erkinsson. »Erkinsson, teilen Sie die Ansicht der Meegs?« fragte er. Der Chief nickte. »Von Ansicht kann hier gar keine Rede sein, Sir. Was die Meegs Charaua mitteilten, sind absolute, nicht zu bestreitende Fakten! Wir dachten schon, daß uns jeden Augenblick die Energiespeicher um die Ohren fliegen würden. Weiß der Satan, was da eben los war, denn es ist nichts zu erkennen, was zu einer derartigen Überlastung der Sprungaggregate führen könnte.« »Danke. Erkinsson, geben Sie sofort Bescheid, wenn Sie etwas entdecken sollten!« Huxley schaltete ab. Wie zufällig fiel sein Blick auf die Hecksek toren des Allsichtschirms. Er stieß einen Laut der Überraschung aus. Charaua wirbelte ebenfalls herum – und begriff sofort, was Huxley meinte. Statt irgendeiner Antwort eilte er unter den verblüfften Blicken Prewitts und Maxwells zu einem der kleineren Steuerpulte. Seine sehnigen Finger huschten über die Tasten. Über die inzwischen deutlich zur Spirale gewordene Milchstraße schob sich ein Meßfeld. Winzige Teilstriche, feinste Raster, die ihre Meßergebnisse sofort an die Speicher der CHARR weiterleiteten, sorgten für eine genaue Vermessung des Bildes und den anschließenden Vergleich mit den vorigen Sprungpositionen. Während sie schweigend warteten, spielten Charauas Fühler un
ruhig hin und her, Dann kam das Ergebnis. Die winzigen, kugelförmigen Überset zungsgeräte, die überall im Schiff in Decken und Wände eingebaut waren, transformierten die nogkschen Angaben sofort in Angloter, so daß Huxley nicht erst gezwungen war, umzurechnen. Charaua glitt auf ihn zu. >Nach den Angaben unserer Meegs müßte der letzte Sprung uns unserem Ziel um etwa 80.000 Lichtjahre nähergebracht haben, Huxley. Das ist aber nicht geschehen. Der letzte Sprung hat uns nur noch um knapp 10.000 Lichtjahre vorwärts gebracht! Trotz dieser geringen Entfernung haben die Transitonsmeiler, die normalerweise genügend Energie enthalten, um ein Schiff dieser Größe quer durch unsere Galaxis bringen zu können, sie nicht ausreichend versorgte Huxleys Gedanken drohten sich zu überschlagen. »Ich fürchte, Charaua, es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Versagen unserer Sender und dem hohen Energieverbrauch der Sprungaggregate! Wir müssen sofort die anderen Schiffe über Lichtspruch befragen, ob sie ähnliche Schwierigkeiten haben!« Doch Huxley und Charaua kamen nicht mehr dazu, einen Licht spruch abzusetzen. Von den umliegenden Nogkraumern schossen ellipsenförmige Beiboote auf die CHARR zu. Auch die Ringraumer der Gruppe Szardak hatten ihre Boote ausgeschleust und kamen ebenfalls zur CHARR herüber. Ganz nebenbei registrierte Huxley, daß sich der ganze Verband von Minute zu Minute dichter zusam menschob. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. »Sie haben alle die gleichen Schwierigkeiten, Charaua! Sogar un sere Ringraumer, sonst würden sie nicht genau wie deine Rassenge fährten zu uns kommen. Irgend etwas geht vor in diesen Räumen zwischen den Galaxien, was keiner von uns wußte, von dem weder eure Meegs noch unsere Wissenschaftler die geringste Ahnung hat ten.« Charaua lehnte sich gegen eines der Pulte. Es war das erstemal, solange Huxley ihn kannte, daß er sich irgendwie stützen mußte. >Wir werden es gleich hören, Huxley<, erwiderte er matt, und sei ne dunklen Facettenaugen starrten auf den Schirm, auf dem sich die herannahenden Beiboote immer deutlicher abhoben. Der Leitstand der CHARR bot nicht genügend Raum, um die durch die Schleusen ins Innere des Raumers drängenden Kommandanten der Nogk- und Ringraumer alle aufzunehmen. Charaua und Huxley wiesen ihre Besucher daher in den Raum mit den beiden künstlichen Sonnen im Mittelteil des Schiffs. Dieser streng ellipsoid geformte Raum war gleichzeitig dafür vorgesehen, jenen Mitgliedern der Be satzung als Schlafgewölbe zu dienen, die während einer Reise der CHARR ihre Ruheperiode antreten mußten. Die glatten, transparen ten Wände wurden von dem milden Licht der beiden Sonnen durch
flutet, so daß eine angenehme, wenn auch völlig schattenlose Hel ligkeit entstand. Als Charaua mit Huxley und Szardak den Hangar betrat, erhoben sich alle Anwesenden von ihren Schalensitzen. Charaua und Huxley redeten nicht lange um die Sache herum. Sie schilderten in knappen Worten und Bildern, was sich seit der letzten Transition an Bord der CHARR und der Ringraumer ereignet hatte. Die folgenden Berichte der anderen Raumerkommandanten, gleich ob Nogk oder Terraner, bestätigten ihre eigenen Erfahrungen. Eine Weile herrschte im Sonnenhangar tiefe Stille. Alle Anwe senden wurden sich darüber klar, daß sich der Auswanderung nach Andromeda Hindernisse in den Weg stellten, mit denen niemand gerechnet hatte, die niemand in seine Überlegungen und Planungen hatte einbeziehen können, weil sie in keiner Weise vorhersehbar gewesen waren. Einer der Nogk-Kommandanten erhob sich. Er verneigte sich vor seinem neuen Herrscher, ehe er sich mitzuteilen begann. >Was sollen wir nun tun, Charaua?< fragte er. >Selbst wenn es uns gelänge, ins Tantal-System zurückzukehren, so wäre unsere Rasse dennoch zum Tod verurteilt. Unsere Brut gedeiht dort nicht, es wird keine neuen Generationen von Nogk mehr geben, die unser Imperium fortführen könnten. Außerdem werden wir dort ständig gegen irgendwelche Eindringlinge kämpfen müssen. Jeder hier im Sonnenhangar dieses Schiffes weiß, daß wir Nogk den Kampf nicht fürchten. Aber jeder weiß auch, daß wir dabei nicht zu leben vermö gen, jedenfalls nicht auf Dauer! Woran es liegt, daß seit einiger Zeit immer wieder fremde Invasoren in unsere Galaxis einbrechen – wir wissen es nicht, und unsere Freunde, die Terraner, wissen es auch nicht! Was können wir also tun, um diesen Abgrund zwischen den Galaxien dennoch zu überwinden?< Der Kommandant blickte sich um, aber keiner war da, der ihm eine Antwort hätte geben können. Auch Charaua nicht. Der erste, der das nun folgende Schweigen durchbrach, war Janos Szardak. »Vielleicht gibt es doch einen Weg!« sagte er plötzlich und regi strierte, wie die Nogk zusammenzuckten und ihm ihre streng und unnahbar wirkenden Libellenköpfe zuwandten. »Wir müssen die Ursache des Energieverlusts unserer Schiffe fin den. Erst dann können wir weitere Entscheidungen treffen. Ich schlage vor, daß der ganze Verband vorerst einmal in dieser Position verbleibt. Eine weitere Transition können wir nicht riskieren, weil wir gar nicht wissen, ob unsere Schiffe der Belastung einer abermaligen Rückkehr ins Normaluniversum standhalten. Das gilt in ganz beson derem Maße für die Ellipsenraumer unserer Freunde, der Nogk. Unsere Ringschiffe sind etwas besser dran, weil das sie umgebende Minikontinuum – das Intervallfeld – sie weitgehend vor fremden Einflüssen schützt, sie abschirmt. Trotzdem mußten auch wir erfah ren, daß unser Energieverbrauch Ausmaße angenommen hat, die
auch die Aggregate unserer Raumer auf die Dauer nicht zu verkraf ten vermögen.« Szardak fuhr sich mit der Hand über die Stirn und wischte sich den Schweiß ab. »Wir sollten folgendes tun: Die besten Experten Terras und die besten Experten der Nogk kommen auf mein Schiff. Wir werden zwei Transitionen durchführen, bei denen wir versuchen, hinter das Geheimnis des Energieverlusts zu kommen. Eine in Richtung An dromeda, eine andere in Richtung unserer eigenen Galaxis. Zwi schen diesen beiden Sprüngen müssen sich Meßwerte ergeben, mit denen die Suprasensoren oder die Speicher der Ellipsenraumer etwas anzufangen vermögen. Es ist ein Versuch, aber es ist auch zugleich unsere einzige Möglichkeit, uns aus dieser scheußlichen Lage, in die wir durch unser mangelndes Wissen geraten sind, wie der zu befreien.« Szardak setzte sich. Er registrierte, wie unter den Nogk zustim mende Impulse aufkamen. Auch Huxley beugte sich zu ihm herüber und raunte ihm zu: »Ausgezeichnete Idee, Szardak! Ich denke, die Nogk werden diese Aktion mit einer Reihe hochempfindlicher Meßinstrumente unter stützen. Aber wir sollten keine Zeit mehr verlieren!« Er wechselte einige Gedankenimpulse mit dem neben ihm sitzen den Charaua. Dann erhob er sich. Die Nogk verstummten sofort, ihre Fühler richteten sich erwar tungsvoll in die Höhe. »Ich bin für den Vorschlag Colonel Szardaks! Ich selbst werde mich dieser Expedition anschließen. Auch euer Herrscher, Charaua, ist dafür. Aber gegen seinen Willen stimme ich dafür, daß er sich der Gefahr nicht aussetzt, sondern an Bord der CHARR verbleibt. Das Imperium der Nogk hat nun innerhalb weniger Jahre zwei seiner Herrscher verloren, es soll nicht auch noch einen dritten verlieren! Wählt nun die Experten unter euren Meegs aus! Ich werde un terdessen mit meinem Freund Szardak alles Notwendige an Bord seines Schiffes veranlassen.« Die Nogk sprangen auf. Zustimmende Impulse brandeten durch den Sonnenhangar, bis Charaua Ruhe gebot. >Unsere Freunde, die Terraner, haben uns in letzter Zeit schon oft geholfen. Wir stehen tief in ihrer Schuld. Aber wir nehmen ihren Vorschlag an, denn er ist gut! Auch ich werde mich den Wünschen Huxleys fügen, weil seine Gründe vernünftig und nicht zu widerlegen sind. Jeder überdenke jetzt intensiv und für sich allein die be vorstehende Aktion. Wer Vorschläge hat, teile sie mir mit.< Während die Nogk der Aufforderung ihres neuen Herrschers mit der ihnen eigenen Disziplin augenblicklich nachkamen, verließen Huxley, Szardak und die anderen terranischen Kommandanten den Sonnenhangar. Szardak gab an seine Kommandanten letzte Anweisungen und flog dann zusammen mit Huxley zu seiner LUXOR hinüber. Als terrani
scher Experte begleitete sie auf Wunsch Huxleys Chief Erkinsson. Das Kommando über die CHARR und die wieder in ihrem Hangar liegende FO-1 übernahmen unterdessen Prewitt und Maxwell, soweit nicht Charaua Anordnungen traf. Als die LUXOR sich Stunden später aus dem Verband der antriebslos dahintreibenden Schiffe löste, befanden sich außer Huxley und Chief Erkinsson noch drei der besten Nogk-Experten an Bord, die damit beschäftigt waren, zwei verhältnismäßig kleine Meßpulte im Leit stand des Ringraumers – genauer: auf der die Zentrale umlaufen den Galerie – zu installieren. Chief Erkinsson half ihnen dabei so gut er konnte. Szardak wartete mit der Beschleunigung auf Überlicht, bis sie fer tig waren und sich durch etliche Versuche vom einwandfreien Funk tionieren ihrer Instrumente überzeugt hatten. Colonel Huxley entschied sich nach einigen Überlegungen trotz des damit verbundenen Risikos doch, zuerst die Transition in Richtung Andromeda vorzunehmen. Er konnte nicht wissen, daß seine alte Draufgängernatur, die ähnlich wie die Szardaks nicht anders konnte, als buchstäblich immer und immer wieder den Stier so schnell wie möglich bei den Hörnern zu packen, ihm in diesem Fall einen un schätzbaren Dienst erweisen sollte. Und nicht nur ihm. Huxley und Szardak beobachteten die drei Nogk, die zusammen mit Chief Erkinsson vor ihren Instrumentenpulten hockten. Sie sa ßen dort wie Statuen, kein Muskel an ihrem Körper zuckte. Nur in ihren Fühlern dokumentierte sich ihre gespannte Aufmerksamkeit. Unbeweglich und starr aufgerichtet ragten sie aus ihren Libellen köpfen. Szardak und Huxley beobachteten die Instrumente. »Normallicht!« Nur dieses eine Wort sagte Szardak, aber jeder wußte, was es zu bedeuten hatte. »Transition!« Szardak leitete den Transitionsvorgang ein. Die Sterne verwischten sich für einen kaum meßbaren Zeitraum auf den Bildschirmen der LUXOR, dann schüttelte sich der Raumer plötzlich unter heftigen Vibrationen. Die Rotkontrollen glommen auf, die Aggregate tief im Innern des Rumpfes dröhnten. Szardak schaltete instinktiv auf Sie. Und dann passierte etwas Unheimliches: Noch während der Ring raumer wieder ins Normalkontinuum zurücksank, beschleunigte er, ohne daß irgendwelche Schalthebel berührt wurden. Das Dröhnen erstarb und wurde zu einem tiefen Brummen, das sich nach und nach in ein leises, kaum hörbares Summen verwandelte. Szardak und Huxley ließen die Instrumente nicht eine Sekunde aus den Augen. Sie merkten, wie der eben noch weit in den roten Fel dern stehende Energieverbrauch plötzlich sank. Die LUXOR benahm
sich seit jener letzten verhängnisvollen Transition endlich wieder so, wie Szardak es von seinen anderen Flügen her kannte. Alle Abläufe normalisierten sich. Vorsichtig versuchte Janos Szardak den Kurs des Raumers zu verändern. Das Schiff gehorchte augenblicklich. »Huxley, zum Teufel, verstehen Sie das denn?« Er schaute zu dem grauhaarigen Colonel hinüber. Huxley hielt eine Folie in der Hand, die der Suprasensor zusätzlich zur Bildschirm ausgabe ausgeworfen hatte, und sein Blick bohrte sich förmlich in die winzigen Zeichen. »Auf welche Entfernung hatten Sie den Sprung angesetzt, Szar dak?« »Auf etwa 10.000 Lichtjahre; warum, stimmt etwa wieder etwas nicht?« »Das kann man wohl sagen, Szardak. Aber sehen Sie selbst! Wenn der Suprasensor keine falschen Werte ausgeworfen hat – was ich nicht glaube –, dann ist unser Sprung diesmal über 50.000 Lichtjah re gegangen! Verstehen Sie, Szardak? 50.000 Lichtjahre! Ich be greife jetzt endgültig nichts mehr.« Szardak starrte Huxley an, als sei er ein Gespenst. Zufällig fiel sein Blick dabei auf die Bildschirme vor sich. Und dann stieß er vor Überraschung einen Schrei aus. »Da, sehen Sie, Huxley! Eine Sonne! Allem Anschein nach ein roter Riese!« Huxley führ herum, wie von der Tarantel gestochen. Aber an der Tatsache, daß dort vor ihnen im Raum eine rote Riesensonne stand, gab es nichts zu deuteln! Blitzartig addierte er noch einmal die einzelnen Sprungintervalle, die die Schiffe der Terraner und der Nogk hinter sich gebracht hat ten. »Meiner Rechnung nach, den letzten Sprung Ihrer LUXOR inbegrif fen, müßten wir uns jetzt in einem Abstand von 300.000 Lichtjahren zu unserer Milchstraße befinden. Da vor uns, mitten im Leerraum zwischen den beiden Galaxien, zieht eine einsame Sonne ihre Bahn. Da sie sich aber weit näher an unserer Galaxis als an Andromeda befindet, würde das außerdem bedeuten, daß sie wahrscheinlich auf irgendeine Weise auch an den Bewegungen unserer Milchstraße teilhat, ohne ihr aber jemals so nahe zu kommen, daß sie von ihr aufgesogen werden könnte.« Szardak nickte zustimmend. »Das waren genau meine Gedanken! Wir müssen feststellen, ob diese Sonne Planeten besitzt oder nicht, und wie sie beschaffen sind. Wir müssen dichter an sie heran!« Er überlegte und warf abermals einen Blick auf die Kontrollen. »CHARR!« murmelte er plötzlich und drehte sich dann ruckartig zu Huxley herum. »Ist das nicht der Name jener Sonne, in deren Sys tem die Nogk lebten, als Sie ihnen mit Ihrer FO-1 zum ersten Mal begegneten?«
Huxley nickte. »Und war jene Sonne nicht auch so eine Art roter Riese, nur daß sie plötzlich instabil wurde und die Nogk zur Flucht aus ihrem Sy stem zwang?« »Charr war eine sehr alte, sterbende Sonne, Szardak. Diese da ist jung, aber trotzdem…« Plötzlich begriff er, was Szardak meinte. »Sie denken, daß die Nogk dort eventuell ihr neues Imperium er richten könnten? Hier draußen, in der grauen Zone zwischen den Galaxien?« Und dann war Huxley plötzlich Feuer und Flamme. »Natürlich, Szardak! Hier draußen finden sie Ruhe, hier draußen wird sie so leicht niemand angreifen, denn es ist mehr als wahr scheinlich, daß nicht nur unsere Schiffe mit Schwierigkeiten bei der Transition zu kämpfen haben. Wenn ich nur wüßte, ob…« Er unterbrach sich, denn eben kamen die drei Meegs und Erkins son von der Galerie herab und traten zu Huxley. Sie verneigten sich und sahen gleich darauf den Chief an. >Rede du, dann ist es für den Terraner, den ihr Szardak nennt, einfacher.< Huxley und Szardak blickten den Chief fragend an. Gleichzeitig deuteten sie auf die rote Sonne, auf die der Ringraumer mit hoher Geschwindigkeit zujagte. Auch die Nogk hatten inzwischen die rote Riesensonne entdeckt. Für einen Augenblick standen sie starr und steif, dann begannen ihre Fühler plötzlich in höchster Erregung zu schwirren. Szardak beobachtete sie. »Wissen Sie, um was es bei ihnen geht, Huxley? Sie haben we sentlich feinere Sinne als wir, wahrscheinlich nehmen sie mehr wahr als wir, oder?« Huxley schien sich wie gebannt auf etwas zu konzentrieren, denn er winkte Szardak, sich ruhig zu verhalten. Dann erhob er sich und trat auf einen der Meegs zu. Der Meeg unterbrach die Diskussion mit seinem Rassegefährten sofort. Er entschuldigte sich bei Huxley mit einigen Impulsen für sein undiszipliniertes Benehmen. Doch der Colonel winkte ab. »Das ist jetzt gar nicht so wichtig. Ich an eurer Stelle hätte mich kaum anders verhalten, denn dort vor uns liegt wahrscheinlich die Rettung für eure Rasse. Aber jetzt möchte ich trotzdem wissen, was habt ihr herausgefunden?« Chief Erkinsson ergriff das Wort. »Wenn es Ihnen recht ist, Sir?« Huxley nickte. »Also los, was ist das mit den Halos, über die die Meegs sich eben unterhalten haben?« Erkinsson zog eine hauchdünne Metallfolie aus seiner Uniform. »Sehen Sie, Sir, dies hier sind die Aufzeichnungen der Gravotaster, die die Nogk dort oben neben anderen Geräten installiert haben. Wenn Sie sich diese Folien genau betrachten – Sie kennen die nogk schen Symbole ja mindestens ebensogut wie ich –, dann finden Sie
dort den Verlauf mehrerer Spannungskurven. Als die LUXOR vorhin aus der Transition in den Normalraum zurückkehrte, geschah etwas völlig Unerwartetes: Das Schiff, das eben noch über das Intervall unkontrollierbare Energiemengen an seine Umgebung abgegeben und deshalb alle energieerzeugenden Aggregate auf höchste Leis tung geschaltet hatte, konnte plötzlich die vorher irgendwo abge stoßenen Energien wieder nutzen. Es erfolgte eine zweite Transition, ohne daß wir etwas davon bemerkten. Denn beim ersten Sprung hatte die LUXOR statt der programmierten 10.000 Lichtjahre nicht etwa die von ihnen vermuteten 50.000 Lichtjahre zurückgelegt, sondern nur knapp 500. Und der Ringraumer hätte auch keinen weiteren Sprung in Richtung Andromeda mehr unternehmen kön nen, ohne sich selbst zu zerstören.« Huxley und Szardak warfen sich einen schnellen Blick zu. »Aber warum, Erkinsson, warum ist das so? Wieso gibt nicht nur die LUXOR über das Intervall unkontrollierbar Energie an den Raum ab, sondern in noch weit schlimmerem Maß auch die Raumer der Nogk?« »Gerade das wollte ich eben erklären, wobei ich mich natürlich auf die Messungen und Hypothesen der drei Meegs verlassen muß!« Er rollte die Folie ein Stück auf. »Daß wir den Halo unserer Milchstraße verlassen mußten, wenn wir zur Andromeda wollten, das war uns allen klar. Nur gingen wir dabei von der irrigen Voraussetzung aus, daß sich das Expect, das Spannungsfeld der Galaxis, genauso verhalten würde, wie die Gra vitationsfelder einer Sonne – daß es sich langsam schwächer und schwächer werdend bis in eine Nullzone erstrecken würde, wo dann das Expect der anderen Galaxis beginnt. Das aber war falsch, Sir, so jedenfalls behaupten die Nogk, und mir persönlich leuchtet das auch ein. Das Spannungsfeld einer Galaxis ist ähnlich wie ihr Halo eine in sich zurückgekrümmte Sphäre. Es hört nicht allmählich auf, sondern besitzt eine scharf gezogene Grenze. Verläßt ein Schiff nun das Expect, dann befindet es sich plötzlich in einem Raum, in dem die alten Gesetze energetischer Wechselbeziehungen nicht mehr gelten. Mit andern Worten: Der Antrieb eines Schiffes, das eine Transition innerhalb eines Span nungsfeldes beginnt und sie außerhalb des Expects beendet, äh…. geht durch. Wahrscheinlich werden die abgegebenen Energien ein fach aufgesogen, weil der ausgleichende Gegenpol fehlt!« Weder Szardak noch Huxley hatten Erkinsson unterbrochen, ob wohl sich Fragen über Fragen vor ihnen auftürmten. Sie spürten, daß auch der Chief erst begann, diese komplizierten Vorgänge zu verstehen. Trotzdem fand plötzlich vieles, worauf sie sich vorher überhaupt keinen Reim hatten machen können, eine Erklärung. »Wahrscheinlich ist es so, Szardak«, ließ sich Huxley schließlich vernehmen, »daß die drei Meegs zunächst einmal eine brauchbare Arbeitshypothese aufgestellt haben, nach der die anderen Wissen schaftler nun an dieses Problem herangehen können!«
Er blickte auf die bereits zur Scheibe angewachsene Sonne. »Eines allerdings dürfte wohl unwiderruflich feststehen: Wenn die Hypo these der Meegs stimmen sollte, dann gibt es für kein uns bisher bekanntes Raumschiff eine Möglichkeit, den Leerraum zwischen zwei Galaxien zu überwinden. Die Energie seiner Triebwerke und Spei cher wäre längst verpufft, noch ehe es auch nur die Hälfte der Ent fernung zurückgelegt hätte. Und ich glaube auch nicht, daß dabei die Größe oder Ausdehnung einer Galaxis auch nur die geringste Rolle spielt.« Huxley beendete seinen Monolog, weil sie sich nun schnell der roten Riesensonne näherten. »Kommandant an Labor. Sonnentyp feststellen und auf eventuell vorhandene Planeten achten. Ergebnisse sofort an mich! Ende.« Szardak wandte sich Huxley und den drei Meegs zu, die ebenfalls kein Auge mehr von der näher und näher rückenden Sonne ließen. »Selbst wenn dieses Sonnensystem unseren Freunden Lebens möglichkeiten böte, wie kommen Sie dann mit ihren Schiffen dahin? Reichen die Energien noch aus, um diesen Sprung über weitere 50.000 Lichtjahre zu schaffen?« Fragend richteten sich seine Augen auf die drei Meegs. Er spürte, wie sie überlegten, nach einem Ausweg suchten. Dann zuckte einer von ihnen plötzlich zusammen. >Doch, Terraner, es ist möglich!< vernahmen Szardak, Huxley und Erkinsson gleich darauf seine Impulse. >Die Energien unserer Schiffe reichen für den Sprung noch aus. Wir müssen nur sehr genau die Position dieses einsam zwischen den Galaxien dahinziehenden Sonnensystems festlegen. Der eigentliche Energieverlust tritt unseren Messungen zufolge immer erst in dem Moment auf, in dem ein Schiff aus dem Sprung wieder in das Nor malkontinuum zurückkehrt. Wenn wir die erforderliche Transition unserer Raumer jedoch so bemessen, daß sie erst wieder innerhalb des Spannungsfeldes dieser gewaltigen Sonne rematerialisieren, dann besteht keine Gefahr! Versteht ihr, wie ich das meine?< »Nur zu gut, mein Freund!« knurrte Szardak. »Aber wenn du recht hast, wenn deine Theorie über das Expect richtig ist, wie kommen wir dann eigentlich wieder zum Verband unserer Schiffe zurück? Dann müssen wir nämlich von einem Spannungsfeld in einen Leer raum springen!« Nach dieser Frage herrschte im Leitstand der LUXOR betroffenes Schweigen. In die Stille hinein meldete sich das Labor. »Die Sonne ist ein roter Überriese, vergleichbar in etwa mit Betei geuze im Orion. Sie gehört zum Spektraltyp M, hat einen Durch messer von 360 Millionen Kilometern. Eine bemerkenswerte Abwei chung wurde registriert: Die Oberflächentemperatur beträgt nicht wie bei Beteigeuze rund 3500 Grad, sondern liegt um tausend Grad höher. Das läßt darauf schließen, daß wir es hier mit einer noch jungen, in ihrem Energiehaushalt äußerst stabilen Sonne zu tun haben. Genauere Aufschlüsse könnten allerdings erst eingehendere
Untersuchungen bringen. Die Sonne dürfte zwischen 15 und 20 Planeten besitzen. Drei davon müßten in der Lebenszone liegen…« Die Männer im Leitstand starrten sich an. Und selbst die sonst so zurückhaltenden Meegs rutschten vor Erregung auf den für ihre Maße zu kleinen Kontursitzen unruhig hin und her. >Wir sollten umkehren, Terraner!< teilte sich dann plötzlich einer von ihnen mit. >Wir Nogk haben keine andere Wahl, wir müssen in dieses System! Unsere Schiffe können es untersuchen, dann werden wir alles wissen, was wir jetzt nur unter großen Zeitverlusten und vielleicht sogar Gefahren zu erkennen vermögen. Denn wer sagt uns, daß dieses System unbewohnt ist?< Huxley und Szardak stimmten den Argumenten des Nogk zu. Die Suprasensoren errechneten die Rücksprungdaten, und dann war es soweit: die LUXOR beschleunigte – und sprang. Bange Augenblicke verstrichen. Aber nichts geschah. Der Ring raumer kehrte in den Normalraum zurück. Huxley saß mit gerunzelter Stirn vor den Instrumenten. »Es muß da noch etwas geben!« sagte er nachdenklich. »In Rich tung unserer eigenen Milchstraße gibt es nicht die geringsten Schwierigkeiten, in Richtung Andromeda wird jeder Sprung ins Lee re sofort zum Spiel mit dem Tod.« Huxley schüttelte den Kopf. »Es muß da noch etwas anderes geben. Irgendeine energetische Strö mung, vielleicht auch ein Spannungsgefälle, das wir nicht kennen, das wir uns überhaupt nicht vorstellen können!« Er sah die Nogk an. »Behaltet das im Auge, Meegs! Eure Theorie ist gut, aber sie hat noch erhebliche Lücken.« Die Nachricht von der zwischen den beiden Galaxien entdeckten Sonne schlug bei den Nogk und Terranern wie eine Bombe ein. Charaua hatte alle Mühe, seine sonst so disziplinierten Nogk zu zügeln. Er bestand darauf, daß die vom astrophysikalischen Labor der LUXOR gemachten Aufnahmen zunächst vorgeführt und ausge wertet wurden, ehe sich die Armada der Nogk aufs Neue in Bewe gung setzte. Die Ergebnisse der Auswertung waren jedoch sehr günstig. Da zögerte der Herrscher der Nogk nicht länger. Unter Führung von Janos Szardaks Ringraumer nahm der riesige Verband erneut Fahrt auf. Charaua und seine Meegs überprüften die errechneten Transitionsdaten mit allen in ihren Schiffen zu Gebote stehenden Mitteln. Es zeigte sich jedoch, daß die Berechnungen der Suprasen soren der LUXOR absolut richtig und bis zur dritten Stelle hinter dem Komma genau waren. Als sie nach diesem letzten Sprung wieder in den Normalraum zu rückkehrten, leuchtete die rote Sonne zwischen den Koordinaten ihrer Allsichtschirme. Charaua stand neben Huxley im Leitstand der CHARR, während das Schiff am äußersten Planeten vorbei in das fremde System ein
flog. Fasziniert blickten seine dunklen Facettenaugen in den roten Sonnenball. Bei der kleinsten Bewegung, die er machte, brach sich ihr Licht in Hunderten und Aberhunderten von Reflexen auf seiner goldenen Uniform, die statt der silbernen nun die glutroten Streifen des Herrschers zierten. >Wir werden sie Corr nennen, Terraner, die Lebensspenderin! Dei ne Prophezeiung ist eingetroffen, Huxley! Jetzt glaube ich wieder an den Fortbestand unserer Rasse, unseres Imperiums! Ich habe noch nicht viel gesehen von den siebzehn Planeten, die diese Sonne um kreisen, aber ich spüre es, Huxley! Hier werden wir Nogk bleiben, hier werden wir unsere neue und endgültige Heimat finden!< Die Nogkraumer schwangen herum. Die Meegs hatten herausge funden, daß der sechste Planet ihren Lebensbedingungen in nahezu idealer Weise entsprach. Es war eine heiße, trockene Wüstenwelt, auf der es nur in den Polregionen noch kleine Meere gab. Sonst nichts. Kaum Berge, nur wenige Pflanzen, aber ganze Kon tinente voll heißen, hellbraunen Sandes. Die ersten Schiffe landeten. Unter ihnen die CHARR und die LUXOR. Nach und nach senkten sich auch die übrigen Schiffe herab. Ihre goldenen, ellipsenförmigen Druckkörper glühten unter den Strahlen der roten Riesensonne wie Feuer. Die Nogk verließen ihre Schiffe und standen in Gruppen oder auch einzeln herum. Charaua ließ sie gewähren. Er wußte, welches Über maß an Arbeit schon die nächsten Tage bringen würden, an denen sie damit beginnen wollten, die restlichen Planeten dieses Sonnen systems zu untersuchen. Sollten sie irgendwo intelligente Lebensfor men antreffen, so würden sie deren Lebensraum respektieren, so lange sie keine direkte Bedrohung für die Nogk waren. Unverrückbar fest stand für Charaua nur eines: In dieser Stunde, mit der Landung ihrer Raumer, hatten sie dieses Sonnensystem in Besitz genommen – und sie würden es unter gar keinen Umständen wieder hergeben. Charaua wußte, daß ihn eine schwere Aufgabe erwartete, aber er war entschlossen, sie zu meistern. Etliche Zeit später, als die Arbeiten auf dem neuen Wohnplaneten der Nogk längst begonnen hatten und bereits die ersten Ringmauern ihrer neuen Städte in einem für menschliche Begriffe unglaublichen Tempo emporwuchsen, rüsteten die Terraner zum Aufbruch. Charaua begleitete Huxley bis zu seinem Schiff, der CHARR. >Komm wieder, Huxley, damit du siehst, was wir aus unserer neuen Heimat machen. Du und deine Gefährten, ihr werdet uns Nogk immer willkommen sein! Unser Imperium wird wieder erstarken. Wir werden die Schläge und die schweren Verluste der Vergangenheit überwinden. Aber wir werden nie vergessen, daß uns die schlimmste Epoche unserer jahrtausendelangen Geschichte die Freundschaft eurer Rasse schenkten
Er streckte dem grauhaarigen Colonel seine gepunktete Hand hin. »Leb wohl, Charaua! Viel Glück dir und deinem Volk! Wir sehen uns wieder, vielleicht schon bald.« Huxley erwiderte den Hände druck Charauas und ging anschließend mit schnellen Schritten zum offenen Schott der CHARR hinüber. Wenige Augenblicke später hob der Ellipsenraumer zusammen mit den Ringraumern Janos Szardaks von der braunen, von Horizont zu Horizont reichenden Wüstenfläche ab. Charaua sah den so verschie denen Schiffen nach, bis sie der violette Himmel verschluckte. Unter den im Tantal-System zurückgebliebenen Nogk löste die Bot schaft der Terraner Freude aus. Huxley versprach ihnen, daß auch sie ein Ringraumer-Geschwader in jenes System zwischen den Ga laxien begleiten würde, wenn sie eines nicht mehr fernen Tages selbst dorthin aufbrechen würden. Als Huxley und Szardak wiederum einige Zeit später Henner Tra wisheim, Marschall Bulton, Bernd Eylers und einem kleinen Kreis geladener Gäste an Bord der CHARR Bericht erstatteten, erhob sich ein Raunen im Sonnenhangar des Ellipsenraumers. Henner Trawis heim beugte sich zu seinen Begleitern hinüber. »Wir werden unsere freundschaftlichen Beziehungen zu dieser Ras se pflegen, meine Herren! Aufrichtige, treue Freunde sind in solchen Zeiten von unschätzbarem Wert. Es ist gut zu wissen, daß wir uns auf die Nogk in jeder Beziehung hundertprozentig verlassen können. Denn weiß der Himmel, es sieht sehr danach aus, als ob wir auch in Zukunft solche Freunde dringend nötig hätten!«
REN DHARK Band 14
Sterbende Sterne
erscheint im September 1999