BASTEI
Wildwest-Roman Band 1227
Die Falle im San Pedro Canyon Ein neuer mitreißender Roman von DAN FERGUSON
Vier Män...
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BASTEI
Wildwest-Roman Band 1227
Die Falle im San Pedro Canyon Ein neuer mitreißender Roman von DAN FERGUSON
Vier Männer, die ihr Leben auf der falschen Seite vom Zaun verbracht haben. Gesetzesbrecher, aber keine Gesetzlosen. Und diese vier Männer wollen endlich einen Zipfel von dem Glück erwischen, das immer nur die anderen hatten. Sie planen, einen Transport der US Army auszurauben, und ahnen nicht, daß sie damit ihr Schicksal besiegeln. Es ist ein Poker mit dem Teufel – und der Tod teilt die Karten aus. Eine der Karten ist für Lieutenant Mark Conroy bestimmt, doch er nimmt sie nicht auf...
Dicht gedrängt standen die vier Reiter auf dem kahlen Höhenrücken und blickten auf die Anlagen von Fort Camp Lowell hinab. Perce Lindsay hieß der Anführer. Er war ein großer und hagerer Mann von fünfzig Jahren, dem anzusehen war, daß er sein Leben bisher im Sattel verbracht hatte. Alle vier gehörten sie zur harten und rauhen Sorte, die nicht viel Glück im Leben gehabt hatten. Troy Anderson, der etwas behäbig wirkte und älter aussah als Lindsay, obwohl er die Vierzig noch nicht überschritten hatte, sprach aus, was sie alle dachten. »Wenn uns dieser Fischzug gelingt, haben wir für eine Weile ausgesorgt, und dann gehören wir zu den ganz Großen!« sagte er in seinem breiten texanischen Slang. »Die Gewehre verschachern wir an die Roten, und die hundert Pferde bringen wir nach Prescott auf den Markt. Und dann nichts wie ab durch die Mitte mit dem ganzen Zaster.« »Erst müssen wir das alles mal haben«, dämpfte Perce Lindsay seinen Eifer. »Mit Alec und seinen Freunden sind wir zehn Mann!« warf der junge Skag ein, und der vierte Mann, der Godfrey hieß, nickte dazu. Perce Lindsay streifte sie beide mit flüchtigem Blick. »Davon rede ich nicht!« versetzte er schroff. »Was mir im Magen liegt, ist die verdammte Gewißheit, daß wir nicht die einzigen sind, die auf den Militärtransport nach Camp San Carlos warten. Ferguson und seine Raubwölfe haben den Braten ebenfalls gerochen, und hinzukommt, daß sie Marian dabei haben, dieses skrupellose Frauenzimmer. – Mit den Blaujacken werden wir schon fertig.« Troy Anderson musterte ihn und furchte dabei die Brauen. »Was kann diesen Hundesöhnen Marian schon nützen?« »Du bist gut!« knurrte Perce Lindsay gereizt. »Jim Ferguson hat mit Marian einen Lockvogel im Feuer! Ich habe sie gestern mit Offizieren zusammen gesehen und gehört, daß sie sich als
Tochter von General Bellmond ausgegeben hat, dieses billige Flittchen.« Troy Anderson zuckte die Schultern. »Von mir aus! Wer ist dieser Bellmond?« Perce Lindsay starrte ihn an. »Bellmond ist der Commander von Camp San Carlos! – Na, geht dir da nicht ein Licht auf? Dieses Biest wird mit dem Transport reisen! Kapiert?« Eine Weile herrschte betroffenes Schweigen. Hinter den Gebäuden im Fort standen in einem Corral an die hundert Pferde. Kavalleristen waren damit beschäftigt, die Tiere zur Tränke zu führen. »Da sind die Pferde!« meinte Perce Lindsay dann. »Erstklassig im Futter und gut zugeritten. Die haben ihren Preis!« »Die Gewehre werden in einem Wagen transportiert«, meinte Godfrey. »Und Bargeld hat so ein Transport auch immer mit.« Sie lächelten alle vier voller Zuversicht. »Mit Alec werden wir den Laden schon schmeißen«, meinte Troy Anderson und betrachtete Perce Lindsay mit hoffnungsvollem Blick. »Und wenn es uns gelingt, Fergusons Raubwölfen etwas auf die Köpfe zu schlagen, ist es vielleicht für uns ein Vorteil, daß Marian bei dem Transport ist.« Er lachte spöttisch. »Generalstochter! Ausgerechnet! Und die Blaujacken, diese Trottel, nehmen ihr das auch noch ab.« »Was rückt die Armee wohl für eine Generalstochter heraus?« fragte Skag. »Als Lösegeld, meine ich.« »Nun legt bloß nicht auch selbst noch goldene Eier!« brummte Perce Lindsay und zog sein Pferd herum. Langsam ritt er den Hang hinab und die drei Männer schlossen sich an. Perce Lindsay drehte sich um. »Skag, bleib da oben, verdammt, damit wir immer ein Auge im Fort haben und genau Bescheid wissen, wann es losgeht!« rief er ungehalten. »In drei Stunden wird dich einer ablösen.
Aber gib acht! Laß dich von Fergusons Hundesöhnen nicht entdecken.« Skag ritt wieder zurück. Die drei Männer strebten Seite an Seite der kleinen Hütte zu, die am Rande eines Kakteenfeldes stand. Sie war schon halb zerfallen. Goldgräber hatten sie vermutlich errichtet. *** Der Colonel trat mit der großen blonden Frau aus der Kommandantur und winkte dem wachhabenden Sergeanten. »Miß Marian Bellmond!« schnarrte er, als der junge Sergeant schneidig salutierte. »Die Tochter von General Bellmond in Camp San Carlos. Sie möchte zu ihrem Vater. Begleiten Sie die Lady zum Wagen. Erskin soll sie mitnehmen und dem Lieutenant übermitteln, daß dies auf meinen ausdrücklichen Befehl hin geschieht.« »Aye, Sir! Zu Befehl!« rief der Sergeant und salutierte wieder. Der Colonel gab der blonden Frau die Hand und wies auf den Sergeanten. »Farlow!« stellte sich der Sergeant vor, während der Colonel in die Kommandantur zurückkehrte. Ein ovales Gesicht besaß sie und hübsche blaue Augen. Dazu hatte sie eine makellose Figur. Farlow bekam rote Ohren, als er sie zu Sergeant Erskin führte. »Das ist Miß Marian Bellmond«, stellte Sergeant Farlow dem altgedienten Veteranen die blonde Lady vor, die er auf knapp Zwanzig schätzte. Marian Bellmond lächelte und hielt Sergeant Walt Erskin die Hand hin. »Nett, Sie kennenzulernen, Sergeant«, sagte sie. »Aber wo sind die Männer, die uns begleiten sollten?« »Sergeant Erskin wird den Wagen übernehmen und Sie
rasch zu Lieutenant Conroy bringen«, erklärte Sergeant Farlow. »Der Lieutenant ist mit den Pferden und seinen Leuten schon im Morgengrauen aufgebrochen. Sie und der Sergeant werden die Herde in ein paar Stunden eingeholt haben.« Sergeant Walt Erskin ließ die Kinnlade sinken, schloß dann aber den Mund sehr rasch und grinste. »Ma’am!« platzte er hinaus. »Höre ich richtig? Sie wollen mit uns nach Camp San Carlos ziehen?« Er sah Farlow an. »Wieso hat mir noch kein Mensch gesagt, daß wir so nette Gesellschaft haben werden? Also da bin ich doch platt. Wo steht der verdammte Wagen, Buster? Wir haben es eilig, Miß Bellmond und ich!« Er schlug Farlow auf den Rücken und zog sich den Hut ins Gesicht. Sergeant Farlow zog ein saures Gesicht. »Miß Bellmond wird in Camp San Carlos von ihrem Vater, General Bellmond, erwartet, Sergeant«, sagte er betont bissig, um Walt Erskin zu manierlichem Benehmen zu zwingen. Erskin salutierte grinsend. »Verstanden, Sergeant«, erwiderte er. »Aber wir haben es trotzdem eilig, Miß Bellmond und ich!« »Du kannst den Wagen holen«, sagte Sergeant Farlow ungerührt. »Er steht vor der Schmiede. Einer der Splinte war abgebrochen. Miß Bellmond und ich kommen nach.« Sergeant Farlow ergriff Marian Bellmonds Arm und nickte Sergeant Erskin zu, der kurz Luft holte, dann aber kehrtmachte. Sergeant Farlow wollte ihm mit dem Mädchen folgen. Sie blieb jedoch stehen und sah Erskin reichlich unzufrieden nach. »Sie gewöhnen sich an ihn!« sagte Farlow. »Er ist ein bißchen rauhbeinig veranlagt, wie die meisten alten Soldaten. Das bringt die Armee so mit sich. Sie zwingt zu eigenen Umgangsformen. Vor allem hier draußen. Aber Sergeant Erskin ist ein Mann, auf den Sie sich blind verlassen können, Ma’am! Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.« Sie sah ihn an. »Ja, aber er ist trotzdem ein einzelner Mann, Sergeant. Ist das nicht zu gefährlich? Es gibt Indianer, und ich
habe auch von Bandoleros gehört, die von Mexiko über die Grenze kommen und den Süden von Arizona verunsichern.« Sie gefiel Farlow ungemein, und er verstand sie auch. Schließlich war sie eine Frau, sehr jung noch dazu, da mußte sie ja Furcht haben. Angestrengt dachte er darüber nach, ob es nicht eine Möglichkeit für ihn gab, sie und Erskin zu begleiten. Wenigstens bis sie die Pferdeherde erreicht hatten. Aber da sah er kaum eine Chance. »So wild ist die Gegend hier in der Nähe von Camp Lowell nicht, Ma’am«, sagte er. »Erskin wird Sie schon sicher bis zu Lieutenant Conroy und dessen Männern bringen. Und dort kann Ihnen dann nichts mehr passieren.« Sie traten an den Wagen, der vor der Schmiede stand, beladen und die Pferde im Geschirr. Nur Erskin fehlte. »Das sieht diesem Rauhbein ähnlich!« schimpfte Farlow. »Eine Lady warten lassen. Augenblick, ich mach dem Bruder Dampf.« Er betrat die Baracke neben der Schmiede, und dort sah Marian plötzlich Greg Dayan um die Ecke kommen. Sie erschrak und schaute sich betroffen um. Greg Dayan war ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren. Er war der Jüngste in Fergusons Crew, und obwohl er genau wußte, daß sie zu Jim Ferguson gehörte, war er bis über beide Ohren in sie verliebt. Er sah gut aus. Er war ein Dandy und Frauentyp. »Was suchst du hier im Fort?« fragte sie wütend. »Wenn uns jemand sieht, zum Teufel!« »Ich dachte, du würdest dich freuen, mich zu sehen«, erwiderte er und grinste breit. »Ferguson schickt mich. Nehmen die Blaujacken dich mit?« »Lüg nicht! Ferguson weiß doch längst Bescheid. Also verschwinde aus dem Fort, oder ich werde Ferguson davon erzählen.« »Hab dich nicht so!« versetzte er und wollte sie umarmen. Doch sie schlug ihm die Hände weg. »Verschwinde!« zischte sie verärgert.
»Ich bin im Auftrag von Ferguson hier«, behauptete er. »Er will wissen, ob du etwas von Lindsays Leuten gesehen hast. Dieser ganze verdammte Verein ist nämlich in der Nähe.« »Nein! Lindsay habe ich nicht gesehen«, erwiderte sie. »Aber verschwinde trotzdem. Es ist nicht nötig, daß uns hier jemand zusammen sieht. Außerdem sind die Kavalleristen mit den Pferden bereits heute morgen losgezogen. Gibt es da für euch nicht schon zu tun?« »Bis Camp San Carlos ist es weit!« lächelte er. »Wer fährt den Wagen? Der schicke Sergeant von eben? Dann gib mal auf dich acht.« »Verschwinde jetzt endlich!« Stimmen drangen aus der Baracke. Greg Dayan zog sich augenblicklich zurück. Es waren die beiden Sergeanten, der alte und der junge. Sie kamen aus der Baracke und traten an den Wagen. »Ma’am, ich mußte mich abmelden«, entschuldigte sich Sergeant Erskin. »Das ist hier nun mal so der Brauch.« Farlow lächelte und half Marian auf den Wagen. »Gute Reise, Miß Bellmond!« Auch Erskin war aufgesessen. Er knallte mit der Peitsche und brachte die Pferde in Trab. »Überschlag dich nicht, Farlow! Eine gute Reise haben wir auf jeden Fall, ob du uns die nun wünschst oder nicht.« Farlow winkte und trat zurück. Er hatte gar nicht hingehört. Er hatte nur Augen für Marian Bellmond. *** Skag warf sein Pferd herum, als er den Frachtwagen der Armee aus dem Fort rollen und vorn auf dem Bock neben dem Grauschopf die blonde Frau sitzen sah. Im gestreckten Galopp jagte er den Hang hinab, durchquerte das Kakteenfeld und saß vor der Hütte ab. Er rannte zur Tür, trat sie auf und stieg über die Schwelle.
»Sie sind weggefahren, Lindsay«, rief er außer Atem. »Eben!« Perce Lindsay musterte ihn aus schmalen Augen. »Wären wir bei der Armee, Skag, würde ich dich wegen dieser Meldung glatt in den Bau schicken«, sagte er langsam. So sprach er immer, wenn er vor Zorn kochte. »Aber vielleicht sollte man einen Kindskopf wie dich auch bloß nach Hause schicken. – Sie sind weggefahren! Wer, zum Teufel? Wieviel Mann? Wohin? Das will ich wissen.« Skag sah ihn erschrocken an und schluckte. »Na, der Wagen, Lindsay!« krächzte er. »Ich habe nur Marian gesehen und einen Graukopf, der den Wagen fährt. Sie haben das Camp nach Norden verlassen. Vor drei Minuten sind sie losgerollt.« Lindsay griff nach seinem Revolvergurt. »Godfrey, sattel die Pferde! Beeilt euch! Wir brechen sofort auf.« Die Männer erhoben sich langsam. »Beeilt euch, verdammt noch mal!« fauchte Perce Lindsay. »Oder glaubt ihr vielleicht, die Blaujacken warten auf euch? – Skag, schwing dich wieder in den Sattel und bring Alec herbei. Aber mach schnell, verdammt!« Skag rannte los, sprang auf sein Pferd und jagte davon. Die Banditen sattelten die Pferde. »Reiten wir erst einmal Alec entgegen?« fragte Troy Anderson. Lindsay maß ihn mit einem zornigen Blick. »Wir könnten schon längst bei ihm sein, wenn ihr euch etwas mehr beeilt hättet. Wir reiten zunächst nach Westen und warten an der Straße. Alec wird in spätestens fünf Minuten dort sein.« Sie saßen auf und ritten los. Sie hatten die Straße gerade erreicht, als sie Alec mit dessen Freunden geritten kommen sahen. Lindsay drehte sich im Sattel um und warf dem Mann einen bissigen. Blick zu. »Was habe ich gesagt!« Sie beschleunigten das Tempo und trafen kurz darauf mit den anderen zusammen. Alec war ein Mann in Lindsays Alter. Er war klein und
hager. Aus diesem Grund hatten ihn schon viele unterschätzt. Man mußte ihm genau in die Augen sehen, um einen Hauch jener Gefährlichkeit zu spüren, die in ihm steckte. Er war ein alter, gerissener und erfahrener Raubwolf, und Lindsay wußte genau, was er an ihm hatte. »Ist Marian nun auf dem Wagen oder nicht?« fragte er sofort. »Und ist ihr Vorsprung groß oder nicht?« »Hat dir Skag nicht Bescheid gesagt?« fragte Lindsay erstaunt und warf dem jungen Burschen einen schrägen Blick zu. Alec lachte abfällig. »Ich habe nur verstanden, daß wir zur Straße kommen sollen. Aus seinem Gerede wird ja kein Mensch schlau.« »Sie ist auf dem Wagen, Alec. Sie hat es geschafft. Sie wird nur von einem alten Soldaten begleitet. Sie haben keine halbe Stunde Vorsprung. Wenn wir uns dazuhalten, können wir den Wagen bestimmt bald einholen.« Alec ordnete die Zügel und drehte sein Pferd. »Das will ich meinen, Lindsay, daß wir uns dazuhalten! Ich verspüre nicht die geringste Lust, dem Frauenzimmer bis Camp San Carlos nachzureiten.« »Dann haben wir jetzt genug geredet«, schnarrte Lindsay und gab seinem Braunen die Sporen. Die acht Kumpane schlossen hinter ihm auf und trieben die Pferde ebenfalls zum Galopp an. Dicht bei dicht und Bügel an Bügel stoben die Männer auf der alten Poststraße dahin, bis das graue ausgefahrene Band um einen mächtigen Felsen herum nach Süden einschwenkte. Dort bogen sie ab und ritten nach Norden weiter. Es dauerte nicht lange, da entdeckten sie voraus eine Staubwolke über den Hügeln. Lindsay hielt sofort an. »Ich denke, das ist der Wagen«, sagte er und schaute zu Alec, der drei Schritte von ihm entfernt angehalten hatte und aus schmalen Augenschlitzen den Weg
der Staubwolke verfolgte, die blaßbraun über den Höhenrücken vor dem stahlblauen Sommerhimmel hing. »Die fahren verdammt schnell«, meinte Alec. »Wir müssen sie erreichen, bevor sie zu den anderen stoßen. Ob Marian weiß, daß wir so dicht hinter ihr sind?« Er grinste. »Ob Ferguson überhaupt eine Ahnung hat, he?« Lindsay zuckte die Schultern. »Selbst wenn. Es wird ihm nicht viel nützen, denke ich! Vorwärts! Lassen wir uns auf dieses Wettrennen ein!« Wieder jagte er sein Pferd aus dem Stand heraus vorwärts. Das Rudel schloß rasch auf. Die Beute vor den Augen, wurden sie alle vom Jagdfieber gepackt. *** Sergeant Walt Erskin nahm den Sechserzug auf und ließ die Pferde im Schrittempo gehen. Marian sah sich verstohlen um und schaute angestrengt und besorgt über die Gewehrkisten hinweg zurück. »Sie sollten nicht so ängstlich sein, Ma’am«, meinte der Sergeant und musterte sie von der Seite. Er konnte immer noch nicht begreifen, daß dieses junge Ding mit ihnen ziehen sollte. »Sergeant Erskin, ich habe so furchtbare Dinge von den Indianern und Bandoleros gehört«, sagte sie zaghaft und blickte ihn ängstlich an. »Sie sollten sich beruhigen, Miß«, erwiderte Sergeant Erskin. »Es ist doch alles friedlich.« »Wann werden wir Ihre Kameraden erreichen?« fragte sie. »Sergeant Farlow sagte, es würde nicht lange dauern. Aber wir sind nun schon zwei Stunden unterwegs und sie sind immer noch nicht zu sehen.« »Der Lieutenant ist ein ziemlich ungeduldiger Mann, Ma’am«, sagte Sergeant Erskin. »Wenn er hundert Pferde so weit durch Indianerland treiben muß, ist ihm nichts so wichtig,
wie der Aufbruch. Er ist schon vor dem Morgengrauen losgezogen. Noch zwei, drei Stunden. Dann holen wir ihn und die Kameraden ein.« Marian schaute wieder durch den Wagen zurück. Dabei biß sie sich auf die Lippe. »Fahren Sie doch wenigstens schneller, Sergeant! Die Pferde vertragen das doch!« Sergeant Erskin knallte mit der Peitsche. »Hü!« rief er. »Hei, ihr lahmen Enten!« Er rief es so, daß die Pferde nicht reagierten und das Tempo beibehielten. Er wollte die Stunden in ihrer Gesellschaft nicht verkürzen. »Wissen Sie, Ma’am...«, wollte er beginnen. Doch zu seiner Überraschung krallten sich plötzlich Marians Fäuste in seinen rechten Arm. »Sergeant!« rief sie entsetzt. »Da sind Reiter! Hinter uns!« Sergeant Erskin sah sie verblüfft an, drehte sich dann, hob die Plane etwas an, um nach hinten besseres Blickfeld zu haben und spähte über die Ladung hinweg. Da sah er die Reiter. Sie waren schon ziemlich nah. Sie mußten von der Seite her auf die Wagenspuren gestoßen sein. Marian, die sofort wußte, daß es sich nur um Lindsay und seine Leute handeln konnte, rüttelte ihn. »So fahren Sie doch!« Sergeant Erskin, der an die Ladung des Wagens dachte, hatte schon mit der Peitsche ausgeholt. Er ließ den sechs Pferden das Leder über die Ohren pfeifen und trieb sie mit lautem Geschrei an. Als die Tiere galoppierten, schaute er wieder zurück, flüchtig nur, denn ein kurzer Blick genügte, um ihm klarzumachen, daß dieses Wettrennen nicht zu gewinnen war. Er versuchte es trotzdem. Er richtete sich auf und ließ dem Sechserzug wieder und wieder das Leder um die Köpfe pfeifen. Der schwere Frachtwagen jagte wie ein Rennsulky dahin, hüpfte und sprang, rollte bedrohlich auf zwei Rädern und krachte nach der nächsten Bodenwelle wieder auf alle vier, daß es sich anhörte,
als würden beide Achsen brechen. Die Staubwolke hinter dem Wagen verdichtete sich und versperrte Sergeant Erskin und Marian den Blick auf die Reiter, die näher und näher herankamen. Der alte Soldat schrie, riß an den Zügeln und knallte mit der Peitsche, um die Pferde anzufeuern. Aber seine Chancen waren gering. Da der Frachtwagen schwer beladen war, kamen die sechs Zugpferde gegen die Reittiere der Verfolger nicht an. Doch der Sergeant wollte diese Aussichtslosigkeit nicht einsehen, geradezu verbissen jagte er mit dem Wagen über die sandige und baumlose Ebene, die platt wie ein Kuchenteller war und in der es nirgends hinreichend Deckung gab. Er konnte auch nicht hoffen, bald auf Lieutenant Conroy und seine Kameraden zu stoßen; denn in dieser Ebene vermochte er über Meilen hinweg zu sehen. Und von den Pferden und seinen Kameraden war nicht einmal die Staubwolke zu erblicken. Marian kniete sich auf den Sitz, griff nach Erskins Gewehr und schob die Waffe auf den Stapel Gewehrkisten, preßte den Kolben fest gegen die Schulter und zielte sorgfältig über Kimme und Korn. Doch zu spät. Sämtliche Reiter waren so nah herangaloppiert, daß sie sich links und rechts des Wagens befanden. Sergeant Erskin hörte den Hufschlag. Dann tauchten die Reiter bereits zu beiden Seiten in seinem Blickfeld auf. Er wollte mit der Peitsche zuschlagen, die Zügel fallen lassen und zum Revolver greifen. Doch alles wäre sinnlos und nackter Selbstmord gewesen. Als zwei der Reiter scharf vorwärts galoppierten, ihre Pferde an das Gespann drängten, um ins Geschirr zu greifen, nahm er den Sechserzug auf und hielt den Wagen an. Während sich die Reiter formierten, der Wagen mit einem letzten Ruck stehenblieb, trieb der Staub vorüber, den Wagen und Pferde aufgewirbelt hatten. Der Sergeant sah auf Marian. Sie hockte bleich und
verängstigt auf dem Sitzbrett, das Gewehr noch in den Händen. Er nahm es ihr ab, warf es in den Wagen hinein und sprang auf die Erde. »Soll das ein Spaß gewesen sein?« fragte er, während er von einem zum anderen schaute. »Und mit wem habe ich überhaupt die Ehre?« Einer der Reiter stieg ab, stapfte auf den Sergeant zu und zog ihm den Dienstrevolver aus der Halfter. Genau bis dahin machte Sergeant Walt Erskin dieses Theater mit. Ein wuchtiger Fausthieb von ihm warf den Mann zurück und in den Sand. Doch Sekunden später bereute der Sergeant schon, wie ein Hammel reagiert zu haben, den man in den Hintern getreten hatte. Die Reiter flogen förmlich aus den Sätteln, stürzten sich auf ihn und schlugen auf ihn ein, bis er bewußtlos im Sand liegen blieb. Marian sah vom Wagen aus mit vor Angst weit aufgerissenen Augen zu. *** Lieutenant Mark Conroy war ein schlanker junger Mann mit schwarzen Haaren. Ungeduldig erhob er sich, trat aus dem Schatten des Felsens, blickte über die Herde der hundert Pferde hinweg und sah dann zu Reiter Roul Harding hinauf, dem untersetzten dunkelhaarigen Mann, der auf einem kleinen Plateau Wache hielt. »Reiter Harding!« rief er ungehalten. »Ist von diesem verdammten Wagen denn immer noch nichts zu sehen? Wir müssen weiter, verdammt noch einmal! Vor uns liegt noch ein langer, gefährlicher Weg.« Der Mann sah herunter und schüttelte den Kopf. »Nichts, Lieutenant!« brüllte er. »Da ist überhaupt nichts zu sehen.«
»Sergeant Erskin wird es nicht so eilig haben bei dieser Hitze«, ließ sich Corporal Glenn Garth vernehmen. Lieutenant Mark Conroy drehte den Kopf und schaute den ledergesichtigen Corporal an, blickte danach über die Reihe der acht Soldaten hinweg und befahl den Aufbruch. »Los, Männer!« sagte er mit sonorer Stimme. »Wir haben lange genug im Schatten gesessen. Sattelt und bringt die Herde auf die Beine. Gerade aus dieser Gegend möchte ich rasch kommen. Man weiß nie, ob sich die Apachen ruhig verhalten oder nicht. Sergeant Erskin wird uns auch dann finden, wenn wir weiterziehen. Sehen wir also zu, daß wir wegkommen.« Während sich die Soldaten erhoben, die Sättel nahmen und zu den Pferden liefen, trat Lieutenant Mark Conroy an den Felsen, nahm den Hut ab und wischte das Schweißband trocken. Dabei blickte er zu Reiter Harding hinauf. »Reiter Harding, zum Henker! Ist da immer noch nichts zu sehen?« Der Reiter grinste von oben herunter. »Sie sind kein geduldiger Mann, Lieutenant.« »Dann kommen Sie von da oben herunter!« rief Lieutenant Mark Conroy und setzte den Hut wieder auf. »Wir ziehen weiter! Sergeant Erskin wird schon wissen, wie und wo er uns finden kann.« Er wandte sich ab und ging zu seinem Pferd, das Reiter Callahan, der rothaarige Küchenbulle, für ihn sattelte. Der Lieutenant schob Callahan zur Seite und zog den Bauchgurt selbst stramm. Reiter Callahan sah ihm dabei schwitzend zu. »Ich glaube, ich sollte uns allen schon am ersten Tag etwas Kräftiges kochen, Lieutenant«, meinte Callahan. »Ich habe an Antilope mit Reis gedacht. Den Reis habe ich. Das Salz auch. Fehlt mir nur die Antilope und die Zeit zum Kochen. Sie werden doch heute nicht gleich bis an den San Carlos River Canyon treiben wollen?« »Dann sehen Sie zu, daß Sie eine Antilope erwischen, Reiter
Callahan! Sie sind dazu abkommandiert«, brummte Lieutenant Mark Conroy. Er schwang sich in den Sattel und ließ sein Pferd um die Hand gehen. »An die Herde! Los!« rief er den Soldaten zu. »Lieutenant Conroy! Da kommt ein Reiter!« rief in diesem Augenblick Harding von seinem Plateau herunter. Er wollte es gerade verlassen. Nun trat er weit nach vorn, beschirmte die Augen mit der Hand und rief abermals: »Da kommt ein Reiter. Im vollen Galopp. Er folgt genau unserer Fährte.« Die Männer verhielten. Lieutenant Mark Conroy brachte sein Pferd zum Stehen und schwang sich aus dem Sattel. »Können Sie erkennen, wer es ist, Reiter Harding?« rief er hinauf, während er durch den Sand stapfte. Harding ging dort oben auf die Knie und beugte sich herab. »Ich bin nicht sicher, Sir, aber es scheint Sergeant Farlow zu sein!« Lieutenant Conroy stemmte die Fäuste ein und schaute erstaunt zurück. Der Reiter war inzwischen deutlich zu erkennen. Er kam in voller Karriere die letzte Anhöhe heruntergeritten und hielt genau auf den Felsen zu, der als einziger Gegenstand weit und breit in dieser mörderischen Mittagshitze Schatten spendete. Auch er konnte nun erkennen, daß es sich bei dem Reiter um Sergeant Farlow handelte. »Was will er denn hier?« fragte Corporal Glenn Garth, der ebenfalls abgesessen war und hinter ihm stand. »Können Sie sich das erklären, Sir?« Der Lieutenant zuckte mit den Schultern. »Wir werden es gleich erfahren, Corporal. Vielleicht ist dem verdammten Wagen ein Rad gebrochen«, meinte er. »Sie werden es reparieren, und Farlow kommt nur, um uns Bescheid zu sagen. »Sie sind ein Optimist, Lieutenant Conroy!« erwiderte Garth. »Nein, Garth. Ich glaube eher, daß uns der Sergeant eine
Nachricht bringt, an der wir mächtig zu kauen haben. Wenn ein Mann sein Pferd bei dieser Hitze so hart antreibt, da ist immer etwas im Gange. Vor allem, wenn es sich um einen Kavalleristen handelt, der das tut.« Während sich die Männer um Lieutenant Mark Conroy versammelten, Reiter Harding von dem Plateau herunterkletterte, legte Sergeant Farlow das letzte Stück unvermindert schnell zurück. In einem kurzen scharfen Bogen ritt er dann aus und schwang sich aus dem Sattel, dabei schaute er zu den Pferden hinüber und zu dem Fleck, an dem die Männer gelegen hatten. Lieutenant Mark Conroy stemmte die Fäuste ein und sah den Sergeant erwartungsvoll an. Der kam heran und salutierte. »Wo ist der Wagen, Sir?« fragte er. Lieutenant Conroy sah sich kurz um und blickte von einem zum anderen. Dann sah er Farlow wieder an. Sein Blick verriet, daß er ziemlich verärgert war. »Ich dachte, Sie würden uns jetzt sagen, wo der Wagen geblieben ist! Aus welchem Grund sind Sie uns dann in diesem Wahnsinnstempo gefolgt?« »Sir, der Wagen müßte längst hier sein. Erskin ist schon Stunden vor mir mit Miß Bellmond aufgebrochen. Ich verstehe nicht, wo er sein könnte.« »Sergeant Farlow, wenn Sie nicht gekommen sind, um uns Nachricht von Sergeant Erskin und dem Wagen zu bringen, aus welchem Grund sind Sie uns dann von Camp Lowell aus gefolgt. Machen Sie gefälligst eine vernünftige Meldung, Mann!« knurrte Lieutenant Mark Conroy. Sergeant Farlow nahm Haltung an und salutierte. »Sergeant Farlow meldet sich hiermit zur Stelle, Sir! Ich soll Sie vor Banditen warnen, die hinter den Gewehren und den Pferden her sind. Eine berüchtigte Bande, Sir. Lindsay ist der Boß. Dieser Mann soll Verbindungen zu den Apachen unterhalten und ein ganz übler Schurke sein.«
Die Männer hatten gespannt zugehört. Alle sahen den Lieutenant interessiert an. »Banditen also!« lächelte der Lieutenant. »Bandoleros aus Mexiko sind nicht gemeldet?« »Zu Befehl, nein, Sir!« »Was haben Sie da von dem Wagen geredet, und wer, zum Teufel, ist Miß Bellmond?« fragte der Lieutenant gereizt. »Die Tochter des Commander von Camp San Carlos, Sir!« Der Lieutenant starrte dem jungen Sergeanten ins Gesicht und lief dabei dunkel an. »Soll das heißen, daß man mir zu den Pferden, den Gewehren und dem Geld auch noch eine Frau auf den Hals gepackt hat?« Der Sergeant reckte sich. »Das heißt es, Sir! Auf ausdrücklichen Befehl des Colonels, Sir!« »Ohne mich zu fragen!« knurrte der Lieutenant gereizt. »Was bildet sich der Colonel ein, zum Teufel, daß wir hier durch grüne Gärten nur so spazieren reiten?« »Ich habe ihn nicht gefragt, Sir?« Der Lieutenant schaute spähend nach Süden und lächelte plötzlich. »Wie alt ist sie denn?« »Zwanzig – würde ich sagen.« Die Männer hinter dem Lieutenant pfiffen kurz. Er drehte sich um. »Ruhe!« Dann sah er Sergeant Farlow wieder an. »Stehen Sie bequem! Wie sieht sie denn aus?« Sergeant Farlow rührte. »Tja, wie soll ich sie beschreiben? Bei ihrem Anblick könnte man die Armee glatt vergessen.« »Und wo befindet sich Erskin nun mit ihr?« »Der Wagen ist weg«, sagte Sergeant Farlow. »Ich habe auf dem Weg hierher nicht die geringste Spur von ihm gesehen. Wenn dieser Lindsay tatsächlich in der Nähe von Camp Lowell war, kann das nur bedeuten, daß diese Banditen den Wagen überfallen haben. Habt ihr denn nichts gehört?« Die Männer schüttelten die Köpfe. »Ich habe die ganze Zeit dort oben gesessen«, sagte Harding
und wies zu dem Plateau hinauf. »Aber ich habe weder etwas gesehen, noch etwas gehört.« »Wann ist Sergeant Erskin weggefahren?« fragte Lieutenant Mark Conroy. »Wann hat der Wagen Camp Lowell verlassen?« »Um neun!« Lieutenant Conroy schaute prüfend zur Sonne. »Well, dann hätte er längst hier sein müssen. – Anscheinend haben wir es doch mit diesem Banditenpack zu tun.« Sergeant Farlow nickte. »Es scheint so, Sir. Diese Gauner werden in der Nähe des Camps gewartet haben und sind dann dem Wagen sofort nachgeritten.« Lieutenant Mark Conroy drehte sich um. »Reiter Sayer, nehmen Sie Reiter Callahan und zwei andere Männer. Bringen Sie die Herde auf die Beine und treiben Sie sie langsam weiter.« »Wollen Sie die Pferde nicht lieber nach Camp Lowell zurückbringen lassen, Lieutenant?« fragte Sergeant Farlow. »Dieser Lindsay soll über ein Dutzend Männer verfügen.« Lieutenant Conroy kaute auf der Lippe und trat an sein Pferd. »Also gut! Wir lassen die Pferde hier stehen. Reiter Sayer, Reiter Callahan und Reiter Munroe bleiben als Wachen zurück. » »Ist das nicht ein Risiko?« Sergeant Farlow raufte sich das Haar und setzte dann den Hut wieder auf. »Denken Sie an die Roten und die Bandoleros, die immer da sein können, auch wenn sie nicht gemeldet sind, Sir!« Lieutenant Conroy stieg in den Sattel. »Hier kann man sich entscheiden, wie man will, Sergeant. In diesem verdammten Land hängt einem immer gleich eine Faust im Nacken. Haben Sie das noch nicht gelernt?« Der Sergeant saß wortlos auf. Die Männer warteten bereits. Callahan und Munroe ritten zur Herde. Howard Sayer stieg die Felswand hinauf, um Hardings Platz einzunehmen.
»Wir reiten breitgefächert zurück und halten uns dabei ein bißchen nach Westen«, erklärte Lieutenant Conroy den Männern. »Bleibt mir auf Rufweite zusammen.« Er ritt an, und die Männer folgten ihm und schwärmten dabei aus. Nach einer Stunde stieß Harding auf jene Stelle, an der Sergeant Erskin von den Banditen gestoppt worden war. Er jagte einen Schuß in die Luft, um die anderen heranzurufen, und stieg aus dem Sattel. »Da, seht euch das an!« sagte er, als Lieutenant Conroy und die ersten Männer bei ihm eintrafen. Bald waren sie alle dort versammelt und liefen die Spuren des Wagens und der Reiter ab. »Neun Mann!« sagte Sergeant Farlow verärgert. »Sie sind nach Westen hinüber«, meinte einer der Soldaten. Lieutenant Mark Conroy nickte. »Well, nach Westen!« »Sie werden versuchen, nach New Mexiko hinüber zu entkommen«, sagte Reiter Tom Rawlins. Lieutenant Mark Conroy schüttelte den Kopf. »Die wollen niemandem entkommen, Reiter Rawlins. Die nicht! Zu unserem Glück befinden sich auf dem Wagen nicht nur die dreißigtausend Dollar, sondern auch zweihundert nagelneue Gewehre samt Munition. Die werden sie mitnehmen wollen. Also geben sie auch den Wagen nicht auf. Sie werden sicher versuchen, die Gewehre den Roten zu verkaufen. Das ist unsere Chance. Bleibt nur die Frage, was die Halunken mit Miß Bellmond und Sergeant Erskin anstellen werden.« Er ging zu seinem Pferd zurück und stieg in den Sattel. Die Männer folgten seinem Beispiel. Eine halbe Minute später waren sie auf dem Ritt nach Westen. Sie ritten genau auf der Fährte entlang, die Lindsay hinterlassen hatte. Lieutenant Mark Conroy drängte mächtig zur Eile und trieb sein Pferd pausenlos vorwärts, da er sich um die Frau und Sergeant Erskin sorgte.
*** »He, du Sumpfbiber! Halt an!« rief einer der Banditen zu Sergeant Walt Erskin hinauf. »Was ist denn los?« brüllte Lindsay von der anderen Seite des Wagens. »Was hast du denn, Alec?« »Schau dich mal um, Lindsay!« rief Alec. »Wir werden verfolgt. Zumindest haben sich irgendwelche Komiker für den gleichen Weg entschieden, verdammt!« Während Sergeant Erskin den Wagen anhielt und Marian verstohlen zunickte, drehten die Banditen die Pferde und schauten zurück. Erskin sah sich um, hob die Plane etwas an und spähte angestrengt über die Ladung hinweg hinten hinaus. Meilen hinter ihnen, noch weit hinter den Hügeln, die sie gegen Mittag passiert hatten, hing eine matte Staubwolke in der Luft. Wie ein dünner grauer Schleier, der sich kaum aus dem fernen Dunst abhob, schwebte die Wolke über den Höhenrücken. »Er hat Augen wie ein Luchs, dieser Hundesohn!« brummte Erskin. »Hilfe?« fragte Marian leise. »Ob wir Hilfe erhalten?« »Unter dieser Staubwolke reitet der Lieutenant. Ganz vorn, meine ich. Darauf können Sie sich verlassen«, raunte Erskin. »Wie soll er erfahren haben, was uns zugestoßen ist?« »He, quatsch nicht rum da oben!« rief Alec. »Fahr den Wagen zur Seite. Dort drüben ist Schatten. Da halt an!« Sergeant Erskin befolgte diesen Befehl und fuhr den Wagen dicht an einen großen Quader, der zehn Fuß aus dem Sand ragte. Dann stieg er ab. Die Banditen hatten sich hinter dem Wagen versammelt und berieten, ob sie den Leuten, die da angeritten kamen, entgegenreiten oder sie hier erwarten sollten. »Ich weiß nicht, um wen es sich handelt«, sagte Alec. »Aber diesen verdammten Wagen sollte keiner sehen.«
»Und die Wagenspuren?« fragte Lindsay. »Du meinst wohl, die haben Pferdemist auf den Augen? Schließlich könnten es Burschen sein, die ebenfalls auf das Geld aus sind. Oder die Gewehre!« »Dann reiten wir ihnen doch entgegen!« schlug Alec vor. »Ich kann es nicht ertragen, Leute im Rücken zu haben. In dieser Situation sollte uns das alle stören.« »Godfrey! Skag!« rief Lindsay und drehte sein Pferd. »Ihr wartet hier am Wagen.« Er ritt an und die anderen folgten ihm. Godfrey und Skag stiegen von den Pferden und banden sie hinter den Wagen neben Sergeant Erskins graues Kavalleriepferd. Sergeant Erskin hatte dem Sechsergespann die Zugleinen gelöst und trat an die Vorderachse. »Angst?« fragte er Marian. »Ich weiß nicht!« lächelte sie herab. »Du sollst nicht mit ihr reden!« sagte Godfrey. »Ja, halt dein Maul!« forderte auch Skag und kam heran. »Setz dich rauf und halt die Futterluke dicht.« »Lindsay hat mir aber kein Redeverbot erteilt«, sagte Walt Erskin aufsässig. »Er hat mir befohlen, den Wagen zu fahren. Und das habe ich getan. Jedenfalls bis jetzt zur vollsten Zufriedenheit.« »Soll ich ihm eine langen, Godfrey?« fragte Skag grinsend. »Er hat ein Gesicht wie ein Brotkorb. Da müßte mal einer die Krümel rauswischen.« »Laß ihn in Ruhe!« versetzte Godfrey mißgelaunt. »Noch benötigen wir ihn. Oder willst du die Karre fahren?« Skag musterte Erskin verächtlich. »Ja, noch brauchen wir ihn. Doch nicht mehr lange. Gewiß nicht.« Sergeant Erskin blickte den Reitern nach. Noch waren sie nicht weit genug weg. Er stieg auf den Wagen und nahm neben Marian Platz. »Sind wir weit von der Richtung abgekommen?« raunte sie. Erskin zuckte die Schultern. »Es geht. Aber das sind unsere
geringsten Sorgen.« »Wenn es der Lieutenant mit seinen Männern ist, wird er sich ärgern, soweit nach Westen abgekommen zu sein«, flüsterte sie und schaute durch den Wagen hindurch zurück. »Sicher treibt er die Pferde mit. Wenn das hier vorbei ist, werden wir ein ganzes Stück zurück müssen. Nördlich von hier befindet sich ödes und wasserloses Land. Wir müssen durch den Black Rock Canyon. Es gibt keinen anderen Weg.« Sergeant Erskin sah sie an. »Über Ihren Mut und Ihre Zuversicht bin ich erfreut«, sagte er. »Doch Ihre Wegkenntnis setzt mich in Erstaunen, Miß Bellmond.« »Ja, ich kenne mich aus in Arizona«, antwortete sie leise. »Natürlich nicht selbst. Aber ich habe viel gehört und mein Vater hat mir eine Menge Briefe geschrieben«, setzte sie hinzu, als sie seinen erstaunten Blick auffing. Tritte klangen zu ihnen herauf. Skag stand dort unten. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst dein Maul halten?« Sergeant Erskin hatte während der Unterhaltung mit Marian die Banditenschar nicht aus den Augen gelassen. Sie hatten sich fast eine Meile vom Wagen entfernt. Bevor er jedoch Skag antwortete, warf er noch einen verstohlenen Blick unter der Wagenplane hindurch auf die Reiter. Dann grinste er zu Skag hinunter. Am liebsten wäre er sofort auf ihn hinabgesprungen. Aber er wußte nicht, wo sich Godfrey befand. Er schien sich irgendwo hinter dem Wagen aufzuhalten. »Was grinst du so blöd?« fragte Skag mißtrauisch. »Hast du ein Streichholz, Skag?« rief da Godfrey. Walt Erskin hörte, daß er hinter den Reitpferden saß, die am Wagen angebunden waren. Skag drehte kurz den Kopf. »Ja!« rief er, zog ein Holz aus der Tasche und winkte Erskin. »Komm runter und bring es ihm!« Walt Erskin stand langsam auf und stieg hinunter. Skag hielt ihm das Streichholz hin und legte die Hand auf
den Coltkolben. »Du bist wohl mächtig stolz darauf, daß du endlich einmal befehlen kannst, wie?« fragte Erskin. »Nein!« zischte Skag gereizt. »Ich warte darauf, daß du etwas versuchst.« Walt Erskin nahm ihm das Streichholz aus der Hand. »Wozu? Alles wird jetzt dort hinter den Hügeln entschieden. Ich glaube, für mich steht die Sache nicht einmal schlecht.« »Lindsay wird’s denen schon geben«, sagte Skag zuversichtlich. »Hast du nun ein Streichholz oder nicht?« brüllte Godfrey. »Ja!« antwortete Skag, den Blick hämisch auf Erskin gerichtet. »Der General mit der Brotkorbvisage bringt es dir.« »Well, ich bringe es ihm«, sagte Walt Erskin, machte kehrt und lief los. Skag folgte ihm, die Hand auf dem Kolben des Revolvers. Sergeant Erskin ging nur zwei Schritt. Dann fegte er schon wie ein Kastenteufel herum, ließ das Streichholz fallen und trommelte Skag die Fäuste an Kopf und Kinn. Das ging so schnell, daß Skag nicht einmal Zeit zum Ziehen oder Ausweichen fand, obwohl er die ganze Zeit einen Angriff von Erskin geradezu herbeigesehnt hatte. Noch während er rückwärts fiel, entriß ihm Erskin den Colt und landete den dritten Treffer. Dieser Schlag war so hart, daß er Skag das Bewußtsein nahm. Erskin wirbelte sofort herum und ließ sich auf den Bauch fallen, den Colt in der vorgereckten Faust. Godfrey war schon hoch und kam, den Revolver in der Hand, um die Pferde gerannt. Er feuerte auch sofort. Doch sein Colt krachte nur einmal. Das Geschoß pfiff dicht an Sergeant Erskins Kopf vorbei und schlug in den Sand. Dann knallte der Colt in Walt Erskins Faust. Er traf Godfrey in die Brust. Das Geschoß hob den Banditen auf die Absätze und schmetterte ihn zu Boden, als wäre er von einem Keulenhieb
getroffen worden. Erskin sprang sofort auf, rannte nach hinten, zog die Winchester von Skag und Godfrey aus den Scabbards und lief zurück, um die Pferde einzuschirren. Dabei sah er sich nach den Banditen um. Eigentlich hätten die Reiter die Schüsse hören müssen. Aber sie ritten weiter. Als Sergeant Erskin auf den Bock zu Marian stieg, sah er, daß Lindsay und die Männer galoppierten. »Jetzt müssen wir fahren«, sagte er zu Marian, während er die Gewehre hinter dem Sitz verstaute und den Colt in die Halfter schob. »Die Bande hört nur den eigenen Hufschlag. Das verschafft uns genau den Vorsprung, den wir haben müssen.« Er griff nach Zügel und Peitsche, trieb die Pferde an und fuhr in einer scharfen Biegung von dem Quader weg. Als er geradeaus nach Osten fuhr, sprang Skag auf die Füße und kam dem Wagen nachgerannt. Doch Sergeant Erskin hatte das Sechsergespann schon im vollen Galopp, so daß Skag bald erschöpft zurückblieb. Erskin trieb die Pferde hart vorwärts. Der Frachtwagen schlingerte und stampfte, daß sich Marian festhalten mußte, um nicht abgeworfen zu werden. »Heja! Heihü!« brüllte Sergeant Erskin und fuhr in einem weiten Bogen auf die Hügelkette zu. Doch als er sah, daß ihn die Banditen entdeckt hatten, sich drei Reiter von dem Pulk lösten und auf ihn zugejagt kamen, wich er stark nach Norden aus. Der Wagen donnerte und polterte durch den Sand. Staub stieg hinter dem Gefährt in die Luft. Die Achsen und Räder knarrten und quietschten. Die Hufe der Pferde vor und hinter dem Wagen trommelten im wilden Wirbel den lockeren Boden. »Hei! He! Hohooo!« brüllte Sergeant Erskin und ließ den Pferden das Leder um die Ohren pfeifen. Dabei schaute er zurück. Die drei Reiter kamen rasch näher. Der Rest der Bande
verschwand bald zwischen den Hügeln. Auch Marian schaute zurück. »Los, Sergeant!« keuchte sie. »Die Reiter holen auf.« »Können Sie den Wagen fahren? Ich meine, in diesem Tempo?« brüllte Sergeant Erskin. Marian griff wortlos nach Zügel und Peitsche. Erskin lächelte, übergab ihr das Gespann, langte nach den erbeuteten Winchestergewehren, kletterte über den Sitz hinweg und kroch auf der Ladung nach hinten. Dreißigtausend Dollar und zweihundert Gewehre waren ein Vermögen. Entsprechend schnell kamen die drei Banditen näher. Walt Erskin zielt sorgfältig über Kimme und Korn, wartete voller Geduld, bis sie nah genug waren und schoß dann schnell hintereinander. Ein Bandit fiel sofort aus dem Sattel, knallte zu Boden und überschlug sich mehrmals, ehe er still liegenblieb. Da traf Erskin auch schon den zweiten Mann. Er hielt sein Pferd an und sank über dem Sattelhorn zusammen. Für den dritten Burschen hatte sich damit der Spaß. Er schwenkte ein und hielt. »Gut, Ma’am!« brüllte Erskin. »Langsamer jetzt und nach Osten! Nach Osten!« Marian verstand ihn. Erskin blieb noch eine Weile liegen. Dann nahm er die Gewehre und kroch nach vorn. Marian lächelte erlöst, als er neben ihr Platz nahm und die Hände nach Zügel und Peitsche ausstreckte, die sie ihm nur zu bereitwillig überließ. Erskin nahm Peitsche und Zügel in die Faust und trieb die Pferde noch einmal mächtig an. *** Lieutenant Mark Conroy hielt und blickte auf den
Staubschleier im Westen, der mit einem Mal über dem Höhenrücken hing. Sergeant Farlow hielt an seiner Seite. »Da sind sie ja schon«, sagte er. »Da kommt die Fete ja sofort in Gang. Die Kerle haben uns gesehen und kommen zurück, um uns die Richtung zu weisen!« »Ja!« knurrte Mark. »Und das paßt mir.« Sergeant Farlow sah sich um. »Kein guter Fleck hier!« sagte er. »Wir sollten umkehren und zwischen den Mesquitebüschen auf die Halunken warten, an denen wir eben vorbeigekommen sind, Sir.« Mark saß ab. »Von den Pferden, Männer!« rief er. »Bringt die Tiere in Deckung und verteilt euch.« Die Soldaten kamen seinem Befehl sofort nach. Tom Rawlins nahm ihm das Pferd ab und führte es zur Seite. Nur Sergeant Farlow blieb im Sattel sitzen. »Was ist mit Ihnen, Sergeant?« fragte Mark verwundert. Der Sergeant schürzte die Lippen. »Mir gefällt der Platz nicht, Sir.« »Dieser Fleck ist zum Kämpfen so gut wie jeder andere, verdammt!« rief Mark ungehalten. »Runter vom Pferd, Farlow!« Dann wandte er sich um. »Reiter Harding! Reiter Clarents!« rief er. »Ihr geht da drüben in Stellung. Murdock und Parker! Ihr verschwindet hinter der Felsschulter.« Mark verteilte die Männer und winkte dann dem Sergeanten, der noch immer unschlüssig neben seinem Pferd stand. »Worauf warten Sie noch, Farlow?« zischte Mark wütend. »Kommen Sie hierher, verdammt!« Der Sergeant griff nach dem Gewehr, scheuchte sein Pferd in Richtung der anderen Tiere davon und kam zu Mark herüber. »Sie werden Erskin mithaben oder Miß Bellmond«, sagte er zu Mark. »So schnell wie heute sind wir bestimmt noch nie zu Kreuze gekrochen, Sir.« »Wenn man Sie so reden hört, Farlow, da könnte einem
schlecht werden«, versetzte Mark wütend. Da kamen die Reiter aus den Hügeln und beendeten so das Gespräch. Mark und der Sergeant gingen zu Boden und nahmen die Gewehre an die Schultern. Die Banditen, sie waren fünf Mann, hielten und blickten sich gespannt um. Dann begannen sie schon zu feuern. Der Lieutenant jagte einen Schuß aus dem Rohr. Danach erwiderten auch die anderen Soldaten das Feuer der Banditen. Es krachte und knallte. Die Banditen schwangen sich von den Pferden und rannten in Deckung. Dabei wurden zwei von ihnen getroffen. Sekunden später stoben die anderen davon. Das Gefecht hatte gerade zwei Minuten gedauert. Mark und der Sergeant sahen sich an. »Der Wagen, Sir!« brüllte da Tom Rawlins. »Dort drüben kommt der Wagen aus den Hügeln!« Mark und Sergeant Farlow erhoben sich. Corporal Garth stapfte heran. »Das ist Erskin, Lieutenant! Da! Sehen Sie doch!« Mark hatte den Wagen längst entdeckt, und sah auch, daß Sergeant Erskin das Gespann lenkte. Er sah auch das Mädchen neben ihm und stellte fest, daß der Wagen nicht verfolgt wurde. Die Männer links und rechts standen auf, winkten und schrien. Sergeant Farlow schwenkte den Hut. »Hier, Walt! Hier!« schrie er erleichtert. Sergeant Erskin schwenkte sofort ein. Die Männer liefen dem Wagen entgegen. »Da will ich doch vom Teufel gebraten sein, Walt!« krächzte Farlow, als Erskin vom Wagen sprang und Marian herunterhalf. Erskin baute sich vor dem Lieutenant auf. »Sergeant Walt Erskin meldet sich wie befohlen zur Stelle, Sir! Banditen haben mich leider zu einem Umweg gezwungen. Das hier ist Miß Marian Bellmond, die Tochter von General Bellmond. Der Colonel, Sir, hat ausdrücklich befohlen...«
Der Lieutenant winkte ab. »Ich weiß Bescheid!« Er reichte Marian Bellmond die Hand. »Mark Conroy!« stellte er sich vor. »Ich kenne den Mister General. Er hat mir nie gesagt, daß er eine Tochter hat.« »Über familiäre Dinge spricht er nicht gern«, erwiderte sie. »Ich dachte, ich weiß trotzdem Bescheid. Ich bin eine ganze Zeit mit Ihrem Bruder in Fort Yucca gewesen. Wie geht es ihm denn, und wo steckt er?« Sie war verwirrt, überspielte das aber mit einem Lächeln. »Keine Ahnung, Lieutenant. Aber ich hoffe, von meinem Vater etwas zu erfahren. Ich bin in der letzten Zeit viel unterwegs gewesen.« Er betrachtete sie und lächelte. Ihre Augen faszinierten ihn. Rasch wandte er sich dem altgedienten Sergeanten wieder zu. »Mit was für Leuten haben wir es da zu tun?« Der Sergeant berichtete kurz. »Na, denen werden wir die Hörner salzen!« knirschte der Lieutenant. »Lindsay! Von diesem Halunken habe ich genug gehört. Aber da ist er diesmal an die Falschen geraten.« Er befahl dann den Aufbruch. Begreiflicherweise hatte er es eilig, da er nur drei Männer bei den Pferden zurückgelassen hatte. Die Sonne sank und die Dämmerung holte den Trupp ein. Kurz vor der Herde verabschiedete sich Sergeant Farlow und ritt nach Camp Lowell zurück. Bei der Herde war nichts geschehen. Die Pferde standen noch in der Mulde, und auf dem Plateau hockte Callahan, als sie an die Felswand ritten und Sergeant Erskin den Wagen dorthin lenkte. »Es wird eine kurze Nacht für uns alle!« rief Mark, als er vom Pferd stieg. »Ruht euch aus. Rasch wenn es geht. Wir brechen morgen in aller Herrgottsfrühe auf.« ***
»Die Sache besteht nicht nur aus dem Geld und den Gewehren«, sagte Alec verbittert, »sondern auch noch aus hundert Pferden. Als ich noch ein ganz junger Bursche war, hätte mir einer ein solches Geschäft bieten sollen. Sicherlich wäre ich heute ein gemachter Mann.« Anderson spie widerwillig aus. »Wir sind nur noch zu fünft. Die drei verletzten Männer kannst du unmöglich dazurechnen. Im Gegenteil! Sie halten uns fest. Nichts anderes! Du kannst dir ja einreden, daß wir hier herumsitzen, weil uns der Schneid fehlt. – Ich bleibe einzig und allein wegen Godfrey hier, der ohne unsere Hilfe aufgeschmissen ist. Von den anderen Verletzten will ich gar nicht reden.« »Das würde dir auch schlecht stehen«, sagte Alec bissig. »Die Soldaten müssen mit den Pferden durch den San Pedro Canyon«, sagte einer von Alec’s Männern, der Jerry hieß. »Ich kenne etwas westlich von hier eine Siedlung, in der es genug Leute gibt, die schon seit Jahren nichts zu tun haben und jedes Geschäft erledigen, sofern es nur etwas einbringt. Geld, meine ich.« »Wir sollten uns Verstärkung etwas kosten lassen«, sagte Anderson. »Das wäre gut angelegtes Geld. Außerdem können wir die Verletzten nicht zu einem Doc nach Camp Lowell bringen. Dort würde man uns bestimmt erkennen.« »Auf dem Wagen könnten die verwundeten Männer ausruhen und genesen«, meinte Lindsay und nickte Alec zu. »Wir sind fünf Mann, Boß!« versetzte ein älterer Mann. Sein Name war Ellery. »Wie stellst du dir das vor? Nach dieser mißglückten Sache können wir uns keinen zweiten Fehler mehr leisten.« »Fehler?« fragte Lindsay lauernd. »Haben wir denn schon einen begangen?« »Zwei Tote und drei Verletzte sind ein Fehler!« knurrte Ellery. »Wir hätten alle dem Wagen folgen sollen, als dieser
Hundesohn Godfrey und Skag überlisten konnte.« Lindsay schnaufte wütend, nahm diesen Vorwurf aber hin. »Ich habe mit Godfrey und den anderen gesprochen. Sie können reiten.« »Aber nicht kämpfen!« unterbrach ihn Ellery. Lindsay schloß die Augen zu schmalen Schlitzen. Er kochte längst, und seine Stimme klang gedämpft, wie selten zuvor. »Wer vor Jahren in Texas dabeigewesen ist, weiß, wie man so etwas erledigt. Wir haben die Herde damals ziemlich leicht in die Hand bekommen. Einer von uns hat den Boß erschossen. Damit hatten wir auch die anderen. Daß wir die Herde später an die Rothäute verloren, ist eine Sache für sich. Ich bin deshalb dafür, daß wir diesmal in der gleichen Weise vorgehen. Wir erledigen die Offiziere, nehmen uns das Geld und verschwinden. Wer von den Männern am Leben bleibt, hat dann immer noch die Wahl, ob er lieber bei den Pferden bleiben oder sich von uns eine Kugel holen will. Stimmen wir ab. Ich bin dafür.« »Ich auch!« sagte Alec sofort und stand auf, um die Stimmen der Verletzten zu holen. Nur Ellery stimmte nicht dafür. Doch er wagte es nicht, dagegenzustimmen. Er enthielt sich der Stimme. Und als die Männer dann aufbrachen, um der Pferdeherde zu folgen, ritt er mit. Sie stießen bald auf die Fährte der Kavalleristen und schwenkten darauf ein. »Sie treiben wie die Verrückten, Lindsay!« sagte Alec. »Ob sie noch anderen Ärger haben?« »Die werden wissen, oder zumindest ahnen, daß wir ihnen auf den Fersen sind«, sagte Lindsay. Alec sah sich unbehaglich um. »Du, das hier ist das Land der Apachen! Gleichzeitig haben es die Bandoleros zum Jagdrevier ausersehen, die durch die Wüste aus Mexiko kommen. Und diese Bastarde sollen hier überall Augen und
Ohren besitzen und über jede Ladung Fracht informiert sein, die sich irgendwo zwischen zwei x-beliebigen Orten bewegt. Da kann ich mir vorstellen, daß diese Brut auch über den Wagen und die Pferde informiert ist.« »Wenn es stimmt mit deinen Bandoleros«, gab Lindsay zu bedenken. »Ich hoffe, nein!« gab Alec gelassen zurück. »Für uns hoffe ich das. Denn einmal könnten sie uns die Beute vor der Nase wegschnappen, zum anderen aber wäre es auch möglich, daß wir unter ihre Messer geraten.« »Wir passen schon auf uns auf«, sagte Lindsay und drehte sich nach den anderen um. »Haltet die Augen ein bißchen offen, Jungs! Alec meinte eben, daß es hier auch Indianer und Bandoleros gibt.« Die Männer versprachen wachsam zu sein und sahen sich fortan auch spähend um. Als die Sonne sank, erreichten sie hügeliges, von Kakteen und Stachelgestrüpp bewachsenes Land. Es war eine ziemlich unübersichtliche Gegend, durch die die Pferdeherde gezogen war, der sie unentwegt folgten. »Das wäre ein Platz zum Schlafen«, meinte Alec, als sie in das Hügelland einritten. »Vielleicht finden wir Wasser.« Lindsay verzog das Gesicht, da er an diesem Tag noch ein Stück reiten wollte. Da streckte Alec den Arm aus. »Dort drüben ist todsicher ein Wasserloch. Sieht alles verdammt grün aus, nicht?« Lindsay stoppte, und während die Männer aufschlossen und links und rechts von ihm hielten, nagte er auf der Lippe und blickte die Fährte entlang. – Unschlüssig, ob er schon campieren lassen sollte oder nicht. »Schaut mal zur anderen Seite hinüber!« rief da Ellery. »Seht, dort auf dem Hügel! Direkt unter dem Kamm!« Die Männer blickten in die gewiesene Richtung. Lindsay beschirmte die Augen mit der Hand. Es dauerte eine ganze
Weile, bis er den mausgrauen Kadaver erblickte. »Ein toter Esel oder so etwas«, sagte er und ließ die Hand sinken. »Ja, aber da liegen zwei Kisten daneben!« sagte Alec. Lindsay spähte noch einmal angestrengt hinüber. Da entdeckte er die Kisten. Sie lagen neben dem toten Tier, als wären sie heruntergefallen, als das Tier zusammenbrach. »Weißt du was«, krächzte Anderson und trieb sein Pferd dicht an Lindsays Seite. »Da hat einer kein Wasser finden können. In dieser Richtung soll es bis nach Tucson hinüber keine Pfütze Wasser geben. Das kann ein Goldgräber gewesen sein.« »Das ist kein Mann, sondern ein Tier!« brummte Lindsay. »Der Mann wird hinter dem Hügel liegen«, sagte Alec. »Ein Mensch fällt ja immer früher aufs Gesicht«, ließ sich Skag vernehmen. »Sehen wir doch einmal nach! Gegen ein paar Goldkörner hätte ich tatsächlich nichts einzuwenden.« »Macht bloß Schluß für heute!« schnaufte Godfrey, der von den verwundeten Männern am stärksten unter der Hitze und dem Ritt zu leiden hatte. Auch er war nur von einer Kugel gestreift worden. Doch es handelte sich um eine tiefe und breite Wunde. Lindsay reckte sich und nickte Alec zu. »Well, wir rasten dort drüben am Wasserloch. Aber erst sehen wir einmal nach, was auf dem Hügel liegt. Vielleicht finden wir auf der anderen Seite tatsächlich einen Mann.« Bügel an Bügel ritten sie los, schwenkten ein und strebten dem Höhenrücken zu, auf dessen Hang das tote Tier und die Kisten lagen. »Das Tier kann noch nicht lange tot sein«, sagte Alec, der als einziger von den Männern die Geier auf dem Kadaver oder am Himmel vermißte. »Der Mann scheint auch noch zu leben. Sicherlich finden wir ihn hinter dem Hügel.« Sie ritten bis an den Fuß des Berghanges, saßen ab und
stiegen zu Fuß hinauf. Alle. Auch Godfrey schleppte sich hoch, den Blick auf die Kisten gerichtet. »Ein Esel!« sagte Alec, als sie schnaufend und schwitzend vor dem Tier stehenblieben und auf die Kisten starrten. Skag bückte sich und stieß einen krächzenden Laut aus. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er einen schmalen prallgefüllten Lederbeutel hoch und in seinen hellen Augen stand ein gieriges Leuchten, das alle ansteckte. »Seht her! Gold!« krächzte Anderson. »Zeig, Skag! öffne!« Skag lief zu einer Kiste, rückte sie gerade, öffnete den Lederbeutel mit zitternden Fingern und – schüttelte Goldkörner, große und kleine, vor den verblüfften Männern auf die Kiste. Lindsay schlug das Herz bis zum Hals. Er leckte sich die Lippen. »Das ist für tausend Dollar Gold!« krächzte er und schaute von einem zum anderen. Alle umstanden Skag und die Kiste, die Köpfe gesenkt und die Augen weit geöffnet. »Vielleicht finden wir noch mehr«, sagte Lindsay, schob Anderson und Skag aus dem Weg und hob den Kopf, erbleichte und erstarrte. Auf dem Hügelkamm standen plötzlich ein Dutzend Männer, dunkelhäutig und in zerlumpter Kleidung, aber mit nagelneuen und erstklassig gepflegten Gewehren. Sie trugen zum Teil buntfarbene Ponchos und große mexikanische Hüte, waren mit goldenen Ketten und Armreifen behangen und trugen riesige Sporen an den Absätzen. Bandoleros! zuckte es Lindsay durch den Kopf. Er drehte langsam den Kopf und sah auf Alec und die anderen, die von seinem entsetzten Gesichtsausdruck alarmiert worden waren und nun in gleicher Haltung verharrten. Doch keinesfalls Entsetzen in den Augen, sondern entschlossenen Kampfeswillen. Die Bandoleros hielten die Gewehre schußbereit auf die Männer gerichtet.
Nur der Mann in der Mitte hielt eine Peitsche in der Hand und rauchte gelassen. »Ich bin Chavez!« stellte er sich vor und lächelte freundlich, wie ein Mann, der etwas verkaufen wollte. »Wer sich rühren – sterben!« »Du stirbst, du dreckiger Bastard!« brüllte da Ellery und griff zur Waffe. Aber da krachten auf dem Hang drei Gewehre, und Ellery lag auf dem Gesicht, bevor er die Hand überhaupt an den Revolver bringen konnte. Er war sofort tot. Sie hatten ihn alle drei getroffen, wie die Blutlachen zeigten, die unter seinem Körper hervorliefen und im Sand versickerten. Lindsay starrte betroffen auf Ellery und riß dann den Kopf wütend hoch. Skag legte den leeren Beutel vorsichtig zu dem Gold und trat behutsam ein Stück zurück, die Hände an den Schultern, damit die Bandoleros seine Bewegung ja nicht falsch deuteten. Chavez sah Lindsay an und grinste breit. »Du, Boß, stimmt’s?« Lindsay nickte, ohne es eigentlich zu wollen. Aber der Magen lag ihm auf einmal wie ein Stein im Leib. »Ich dich genau angesehen«, sagte Chavez und kam langsam herunter. »Ich hingelegt Esel mit Gold. Ich manchmal hinlegen auch nacktes Frau. Americano immer kommen in Falle von Chavez.« Er lachte wie ein Kind, das sich darüber freute, auf einen dritten Baustein noch einen vierten bekommen zu haben. Auch seine Kumpane grinsten. Das alles sah auf einmal ziemlich lustig aus. Doch es war kein Spaß. Lindsay begriff es, ehe er zurücklachen konnte. Chavez trat an ihn heran, blies ihm den Rauch ins Gesicht und nahm ihm blitzschnell den Colt aus der Halfter, als er den Oberkörper zurückbog. »Du starkes Mann!« grinste Chavez. »Ich suchen kräftige Männer für Mine in Mexiko. Kupfermine in Ensenada. Du gut
arbeiten, du auch gut essen in Ensenada.« Chavez wandte sich ab, sagte etwas auf spanisch und trat vor Alec. Während einer seiner Männer herunterkam, das Gold in den Beutel füllte und wieder in die Reihe der Gefährten zurückkehrte, musterte Chavez Alec von oben bis unten. »Wie alt?« fragte er, als er Alec den Colt aus der Halfter zog und zu Lindsays Revolver in den Sand warf. Alec schluckte. »Sechsunddreißig!« log er – und erschwindelte sich damit sein Leben, wie er fünf Sekunden später begriff. Chavez trat zu Godfrey, der als nächster in der Reihe stand, musterte ihn kurz, hob seinen Verband an, trat zurück und sagte etwas auf spanisch. Er sagte es schnell und scharf. Wieder krachten drei Gewehre. Godfrey stürzte tot zu Boden. Den Männern drohte das Entsetzen den Verstand zu nehmen. Von dem Willen, sich freizukämpfen, spürte keiner mehr etwas. Chavez zog an der Zigarette, ließ sie fallen und trat zu Godfrey. Er stieß ihn mit dem Stiefel an und sah danach auf Lindsay. »Altes und verwundetes Mann nix gut für Arbeit in Mine. Schlecht arbeiten, schlechtes Essen. Bald verhungert. Und weiter Weg bis Ensenada. Sehr weiter Weg. Viele Mann gehen tot.« Dann erschossen die Bandoleros auch den hageren Sapp, der nichts weiter abbekommen hatte als einen glatten Oberschenkeldurchschuß. »Mann nix kann laufen, auch nix gut«, erklärte Chavez und lächelte. Lindsay war sich nun darüber im klaren, daß es das Lächeln eines gemeinen Teufels war. »Hast du das begriffen?« raunte Alec verstohlen. »Dieser dreckige Bastard will uns als Sklaven nach Mexiko treiben. Wie eine Herde Vieh!« »Ich habe es begriffen!« keuchte Lindsay leise. »Hoffentlich
zieht sich Clay nicht aus. Wenn die Halunken seinen Brustverband sehen, schießen sie ihn auch noch nieder.« »Haben wir noch eine Chance?« »Abwarten!« raunte Lindsay. Chavez ging die Reihe der Banditen noch einmal ab und nickte zufrieden, als er vor Lindsay stehenblieb. »Alles gutes Mann!« sagte er immer noch lächelnd. »Wir jetzt drei Tage reiten. Ich schon vierzig Americanos gefangen. Dann marschieren nach Ensenada. Ich werde Pferde von Americanos verkaufen. Geld gut!« »Ich bin gar nicht so sicher, daß wir mit dir gehen, Chavez«, sagte Lindsay und zwang sich zu einem Lächeln. Seine Männer hielten den Atem an, als sie ihn so reden hörten. Chavez senkte den Blick und starrte in den Sand. »Du jetzt nix reden, Americano. Ich dich sonst schlagen mit Peitsche in Stücke.« Er warf die Peitsche hoch, schlug blitzschnell zu und Lindsay stand ohne Hut da. Der Schlag brannte wie Feuer auf seiner Kopfhaut. Lindsay spürte, wie ihm das Blut durch die Haare sickerte. Er lächelte trotzdem weiter. Er wußte, daß es ihre letzte Chance war, und er war entschlossen, sie auch zu nutzen. Die Bandoleros auf die Beute zu hetzen, die er selbst gejagt hatte, schien ihm die einzige Möglichkeit, mit Chavez etwas auszuhandeln und so vielleicht doch am Leben zu bleiben. »Wenn du mich erschlägst, entgeht dir ein Geschäft, Chavez«, sagte er. »Geschäft?« lächelte der Mexikaner und gab sich uninteressiert. »Ich rede von einem großen Geschäft!« Chavez nickte. »Rede!« Lindsay lachte auf. »Versprich zuerst, daß wir wieder frei sind.«
Der Mexikaner sah ihn lange an, dann nickte er. »Chavez versprechen!« »Warte, Lindsay!« rief Alec krächzend. »Nicht so! Er soll uns unsere Waffen zurückgeben. Seine Männer sollen sich zurückziehen. Dann kannst du hier mit ihm verhandeln.« »Du reden, ich warten!« sagte Chavez zu Lindsay. »Ja!« meinte Lindsay sinnend. »Dein Wort genügt mir nicht. Ich muß schon Garantien haben.« Chavez trat dicht an ihn heran. »Rede! Sofort! Oder ich deine Männer erschieße. Einen nach dem anderen!« »Hundert Pferde, zweihundert Gewehre mit Munition und dreißigtausend amerikanische Dollar«, sagte Lindsay. »Und eine weiße Frau!« warf Alec ein. Lindsay nickte. »Well, es ist auch eine weiße Frau dabei, an der wir nicht interessiert sind. Vielleicht bleiben auch ein paar Männer für dein Sklavengeschäft übrig.« »Chavez kein Narr! Wo soll das sein?« »Teilen wir uns dieses Geschäft?« fragte Lindsay. »Chavez gefragt, wo!« Lindsay zuckte die Schultern und lächelte, obwohl er sich auf einmal verdammt unbehaglich fühlte, denn in den Augen des Mexikaners schien es plötzlich zu brennen. »Erst deine Garantien, Chavez, daß es unser gemeinsames Geschäft ist. Die Frau, die Männer und die Pferde sollen allein deine Beute sein. Wir sind nur an der Hälfte des Geldes interessiert.« Chavez knallte mit der Peitsche und lächelte grausam. Dann schlug er zu. Die Peitsche knallte und krachte. Als er zurücktrat und die Hand erschöpft sinken ließ, konnte Lindsay nicht mehr reden. Chavez sah es und wandte sich an Alec: »Die Reihe jetzt an dir!« Alec schluckte und starrte in die kalt dreinblickenden Augen des Mexikaners. »Sie sind vor uns«, krächzte er dann. »Nur
einen Tagesritt von hier entfernt. Sie ziehen nach Norden, um Pferde, Waffen und Geld nach Camp San Carlos zu bringen.« »Du lügen!« bellte Chavez. »Er sagt die Wahrheit!« rief Skag mit zitternder Stimme. »Die Fährte ist da unten. Du brauchst sie dir nur anzusehen. – Läßt du uns dafür laufen?« Chavez blickte in die Senke hinab. Seine Männer hatten verstanden, was Skag sagte. Sie konnten von da oben aus das breite, von Hufen aufgewühlte Band deutlich erkennen, und machten Chavez mit lauten Rufen darauf aufmerksam. Chavez sah es jedoch selbst und trat langsam zur Seite. »Si, ich euch laufenlassen!« sagte er. »In Hölle!« Er hob die Hand und rief etwas zu seinen Männern hinauf. Das Krachen der Waffen zerfetzte die gespannte und entsetzte Stille. Fünf Minuten später ritten die Bandoleros den Hügel hinunter und schwenkten unten auf die Fährte der Kavalleristen ein. *** Mark hielt, drehte sein Pferd und ließ die Herde passieren. Corporal Garth scherte aus und kam zu ihm. »Es geht mir nicht schnell genug, Corporal«, sagte Mark und blickte sich angespannt um. »Wir legen fast zwanzig Meilen am Tag zurück, Sir!« erwiderte der Corporal. »Bei dieser Hitze und dem wenigen Wasser geht es einfach nicht schneller.« »Wem sagen Sie das«, brummte Mark verdrossen und blickte aus schmalen Augen in Richtung des Wagens, der weit vor der Herde fuhr. »Was ist denn mit Erskin los, Corporal? Ich hatte doch gesagt, er soll mit dem verdammten Wagen bei der Herde bleiben.« Der Corporal grinste und zog sich den Hut in die Stirn.
»Erskin möchte es Miß Bellmond ersparen, den Staub zu schlucken.« »Da hat er recht«, erwiderte Mark, »aber deswegen ist es trotzdem leichtsinnig von ihm, so weit vor uns herzufahren.« »Noch befindet er sich ja in Sichtweite, Sir!« Damit gab sich Mark zufrieden. Doch er ließ den Wagen nicht mehr aus den Augen. Aber es dauerte keine Stunde, da sah er ihn nicht mehr. Die Gegend war unübersichtlicher geworden. Er fluchte, trabte an Corporal Garth vorbei und übergab ihm das Kommando. Dann jagte er los. Im gestreckten Galopp ritt Mark dem Wagen nach. Gleich hinter dem ersten Hügel begann Buschland. Von dem Wagen war noch immer nichts zu sehen. Doch einen Augenblick später entdeckte er den Staubschleier über den von der Sonne ausgetrockneten Mesquite. Erskin hatte darin eine Schneise gefunden. Mark trabte weiter. Als er den Wagen zu Gesicht bekam, stand er. Erskin hatte endlich bemerkt, daß er zu weit vorausgefahren war. Mark hielt an seiner Seite und stauchte ihn, ohne auf Marian Bellmonds Gegenwart Rücksicht zu nehmen, kräftig zusammen, daß dem alten Kavalleristen vor Scham das Blut ins Gesicht schoß. »Es war meine Schuld!« gestand Marian. »Ich habe fortgesetzt auf ihn eingeredet.« »Sie unterstehen nicht meinem Kommando«, knurrte Mark gereizt und wandte sich ab. Er wollte noch mehr sagen, aber da stand plötzlich, keinen Steinwurf weit von ihm entfernt, ein Reiter zwischen den Büschen. Ein Mexikaner. Ein Bandolero – das sah Mark mit einem Blick. Auch Erskin hatte den Kerl sofort gesehen. »Lieutenant!« raunte er. Mark ritt einfach auf den Kerl zu, obwohl er deutlich spürte, daß sie längst von einer Bande solcher Hundesöhne umstellt waren. Der Mexikaner lächelte freundlich, doch seine schwarzen
Augen lachten dabei nicht mit. »Ich Chavez!« sagte er. Mark war sich darüber im klaren, an wen er geraten war, und er wußte auch, daß nicht nur er, Erskin und die Tochter des Generals samt dem Wagen verloren waren, wenn er nicht prompt reagierte und richtig handelte, sondern sein ganzes Kommando. Er hielt den Sattelkarabiner schon in der Faust, riß ihn hoch und legte auf ihn an, als er direkt neben ihm hielt. »Du bist Chavez«, sagte er mit knirschend klingender Stimme. »Meinetwegen. Aber ich bin der Mann, der dir ein Bleistück verpaßt, wenn sich deine Leute nicht augenblicklich entfernen. Und verlaß dich darauf, daß ich zum Zuge komme, auch wenn ich drei oder vier Kugeln im Rücken habe.« »Señor, ich Chavez!« sagte der Kerl in seinem fürchterlichen Kauderwelsch-Englisch. »Ich allein! Chavez nur fragen Señor Offizier, wo gibt es hier Wasser.« Mark starrte ihn an. »Chavez durstig! Sehr durstig.« Mark schoß, und das Bleistück fetzte dem Bandolero-Jefe die Jacke auf. – Mark hoffte, daß der Schuß von Corporal Garth und den Männern gehört worden war. »Ich kann’s besser«, sagte er. »Chavez mir glauben!« Die Miene des Mexikaners verschloß sich. Mark hatte blitzschnell durchgeladen und nahm den Abzug wieder bis an den Druckpunkt zurück. »Wenn sich deine Hühnerdiebe nicht sofort rühren, kracht es wieder. Aber ich glaube nicht, daß du den Schuß noch hören wirst.« Der Kerl starrte ihn an und sagte etwas auf Spanisch. Laut und hektisch. Mark zog die Schulterblätter zusammen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Da rührte es sich rings um den Wagen im Gestrüpp. Hufschlag klopfte. Die Reiter entfernten sich, ohne daß sich einer blicken ließ. Nun erst spürte der Lieutenant, daß er vom Schweiß klatschnaß geworden war.
Der Mexikaner lächelte. »Chavez und seine Männer wollten nur trinken. Ehrlich! Warum sein Offizier verschreckt. Chavez sein Amigo!« »Hau ab, und laß dich nicht noch einmal blicken!« zischte Mark wild. Da zog der Mexikaner das Pferd um die Hand und war schon nach zwei Pferdelängen im Gestrüpp verschwunden. Gebannt lauschte Mark dem Hufschlag, warf dann das Pferd herum und ritt zum Wagen. Erskin und Marian starrten ihm entgegen. Marian war blaß geworden. »Kehrt euch, verdammt!« befahl Mark wütend. »Wir müssen raus aus dem Gestrüpp!« Erskin schlug auf die Pferde ein. Er fuhr das Gestrüpp einfach nieder. In jagender Fahrt flohen sie die Schneise zurück. Die Männer hatten den Schuß vernommen und kamen mit den Pferden im Galopp den Hang herunter. Als sie den Lieutenant und den Wagen sahen, hielten sie an. »Bandoleros!« keuchte Mark, als Corporal Garth vor ihm hielt. »Bandoleros, Sir? Wo denn, um Himmels willen?« fragte Corporal Garth bestürzt. »Das hat uns gerade noch gefehlt, verdammt.« Mark sprang aus dem Sattel und half Marian vom Wagen, die noch immer vor Angst bleich war. Dann berichtete er den Männern, was geschehen war. »Gesehen haben wir von der Bande allerdings keinen Hut«, schloß er seinen Bericht. Inzwischen waren alle Männer auf ihren Pferden vor dem Wagen versammelt. Sie schauten nach Marks Worten alle nach vorn und nahmen die Karabiner in die Fäuste. »Ich würde vorschlagen, wir teilen uns, Sir«, sagte Sergeant Erskin. »Die eine Hälfte bewacht die Herde. Wir anderen reiten weiter und sehen einmal nach, wo die Hundesöhne geblieben sind.«
Mark hob die Hand und winkte abwehrend. »Ich schätze, daß es genau das wäre, was die Halunken von uns wollen, Sergeant. Nein, wir bleiben alle bei den Pferden, und wenn sie kommen, so machen wir ihnen unseren Standpunkt schon klar. Der Wagen bleibt in der Mitte, Sergeant! Los, wir ziehen weiter!« »Verdammt schlechte Gegend da vorn«, meinte Reiter Harding und sah in die Runde. »Stimmt doch, nicht?« Callahan nickte. »Well, dort vorn könnten sie uns aus dem Hinterhalt abknallen, wie wilde Karnickel.« »Gut!« brummte Mark. »Dann werde ich mir das einmal ansehen.« »Ich komme mit, Sir!« sagte Corporal Garth. »Ich auch!« rief Callahan. »Ich werde Sie auch begleiten, Sir«, sagte Harding. »Ihr bleibt alle bei der Herde!« schnarrte Mark und trat an sein Pferd. »Es wäre wirklich besser, wenn Sie nicht allein reiten, Lieutenant«, ließ sich Erskin vernehmen. »Gut, Sergeant, Sie begleiten mich!« bestimmte Mark. Walt Erskin sprang vom Wagen und übergab die Zügel an Callahan. Marian sah ihnen wortlos zu. Mark schwang sich in den Sattel und drehte sich kurz zu ihr um, bevor er anritt. »Garth!« rief er im Vorbei reiten. »Ihr zieht weiter und umgeht das Buschland nach Osten. Wir treffen uns schon.« Der alte Erskin schloß zu ihm auf. Seite an Seite ritten sie in das Buschland hinein, die Sattelkarabiner schußbereit in den Fäusten. Sie ritten in die Schneise, verließen sie dann aber, als sie auf einen Wildwechsel stießen. »Ein Wildwechsel!« meinte der altgediente Sergeant. »Da muß es in der Nahe auch Wasser geben, und dieser Bastard hat Sie danach gefragt!« »War mir schon klar, was dieser Halunke wollte«, erwiderte Mark. »Aber nicht mit mir.« Er nahm das Pferd auf. »Halt mal!
Da sind doch Spuren, zum Teufel.« Der kleine alte Sergeant schwang sich behend aus dem Sattel, ging ein paar Schritt zur Seite und kniete nieder. Er benötigte nicht lange, richtete sich wieder auf und kam, sich schnell umsehend, zurück. »Die Kerle müssen in der Nähe sein«, raunte er, als er aufsaß. »Ich bin sicher, daß die beiden, die hier vorbei geritten sind, den Pferden und dem Wagen auf der Spur bleiben sollen.« Langsam ritten sie weiter. Es gab lichte Stellen in dem Gestrüppgürtel, doch meist standen die Büsche so dicht, daß sie an undurchsichtigen Barrieren entlang ritten. Beiden war nicht wohl zumute. Mark hielt bald wieder, sie saßen ab und gingen zu Fuß weiter. Nach einer Stunde war das Buschland zu Ende. Mark und Erskin blieben stehen. Vor ihnen fiel das Land hundert Fuß steil ab, und dort unten lagerten die Bandoleros. Stumm starrten sie hinunter. Die Bande bestand aus zwanzig Mann. »Mit einer Schwadron könnte man das Pack glatt im Sitzen fassen«, raunte Erskin. »Leider sind wir keine Schwadron, Sergeant!« flüsterte Mark. »Also Rückzug. Machen wir uns nach Osten hin aus dem Staub. Vielleicht gelingt es uns, die Späher abzupassen, wenn sie zum Lager zurückreiten.« Sie führten die Pferde noch ein Stück, ehe sie es wagten, wieder in die Sättel zu steigen. Es ging längst auf den Abend zu. Weit im Westen versank die Sonne in einem prächtigen Farbspiel hinter einem tief über dem Horizont stehenden Wolkenband. Doch dafür hatten die beiden Kavalleristen keinen Blick übrig. Immer wieder schätzte Mark aufs Neue ab, in welcher Richtung sich sein Kommando befinden mußte. Und seine Rechnung ging auf. Kurz vor Einbruch der Dämmerung
kehrten Chavez’ Späher von seinem Kommando zurück, um ihrem Bandolero-Jefe dessen Position zu melden. Seite an Seite kamen sie schwatzend und rauchend durch das Buschland geritten. Einer hatte das rechte Bein über den Sattel geschlagen, sorg- und arglos kamen sie angeritten. Wen hatten sie schon zu fürchten? Schließlich wußten sie, wo sich die Kavalleristen befanden. Mark und Erskin glitten aus den Sätteln und ließen die Pferde zurück. Die Sattelkarabiner in den Fäusten, liefen sie den Kerlen geduckt vor den Weg und traten dann schnell aus der Deckung, als die Bandoleros heran waren. Es handelte sich um zwei hagere, dunkelhäutige Burschen, die beide von Yukatan, der Pirateninsel, zu stammen schienen. Denn genauso sahen sie aus. Beide trugen sie statt der üblichen Sombreros bunte Tücher auf dem Kopf, und jeder hatte einen großen goldenen Ring im linken Ohr. Ihre Kleidung bestand nur aus Lumpen. Aber ihre Waffen waren erstklassig in Schuß, und damit konnten sie auch umgehen. Mark wollte sie auffordern, die Waffen wegzuwerfen. Aber dazu kam er gar nicht. Sie reagierten jäh und wild wie Teufel. Nicht einen Moment lang waren sie überrascht. Sie warfen sich von den Pferden und griffen zu den Revolvern, die sie in den Gürteln stecken hatten. Mark und Erskin feuerten. Beide schossen aus der Hüfte, und die Mexikaner waren noch nicht zu Boden gekracht, da waren sie schon tot. Die Echos der Schüsse hallten in den nahen Hügeln wider. Ohne ein Wort zu verlieren gingen die Kavalleristen zu den Pferden zurück, saßen auf und ritten weiter. Nach drei Meilen war das Buschland zu Ende, und dort stießen sie auf das Kommando. Mark berichtete knapp, dann zogen sie weiter. Dämmerschatten senkten sich über das Land. Eine Stunde später schlugen sie ihr Lager in einer
windgeschützten Mulde auf. Mark teilte die Wachen ein. Obwohl die Bandoleros nicht wissen konnten, wo sie sich befanden, ließ er immer vier Männer gleichzeitig Posten stehen. Die Wachen wurden in der Nacht gewechselt. Als der Morgen graute und sich die Männer erhoben, entdeckten sie Reiter Haze mit einem Messer im Rücken. Er lag auf dem Gesicht hinter einem Mesquitestrauch. Nur seine Stiefel ragten heraus. Die Männer und Marian kamen sofort an der Leiche zusammen. Die Männer hielten Revolver und Gewehre in den Fäusten. Sie wollten die Gegend durchkämmen, um den Mörder ihres Kameraden zu suchen oder die Verfolgung aufzunehmen. Doch Mark hielt sie zurück. »Ihr bleibt hier!« rief er krächzend und nahm den Feldhut ab. »Reiter Haze ist schon Stunden tot. Es muß ihn sofort nach dem Wachwechsel erwischt haben. Hat denn keiner etwas gehört?« Die Männer schüttelten die Köpfe. Marian sah Mark unverwandt an. In ihren Augen stand panische Furcht. Corporal Garth kniete neben Haze nieder und zog ihm das Messer aus dem Rücken. Er wog es prüfend in der Faust und hielt es dann Mark hin. »Beste mexikanische Arbeit, Sir«, sagte er. Mark nahm das Messer in die Hand und drehte es hin und her. Dann ließ er es fallen und schaute sich spähend um. »Ich habe diese Kerle unterschätzt. Sie werden doch mit uns Kirschen essen wollen! Seid also auf der Hut! – Wir begraben Reiter Haze, dann brechen wir auf. – Corporal Garth, Reiter Parker! Seht euch mal nach Spuren um! Wahrscheinlich werden Sie nichts finden. Suchen Sie trotzdem. Wir werden Haze inzwischen unter die Erde bringen.« Garth und Parker sattelten die Pferde und ritten weg. Die anderen begruben Haze. Als sie danach zum Aufbruch rüsteten, ging Marian zu
Mark. Mark zog gerade seinem Pferd den Bauchgurt stramm, als er sie erblickte. Er richtete sich auf und legte die Hand grüßend an den Hutrand. »Ma’am«, sagte er höflich. »Wenn ich könnte, würde ich umkehren, Lieutenant«, sagte sie ernst. »Es ist leider nicht möglich«, erwiderte er. »Aber seien Sie unbesorgt. Es wird Ihnen nichts geschehen«. – Nicht, solange ich atme, wollte er hinzufügen, unterließ das aber. »Es geht nicht um meine Angst«, erwiderte sie. »Ich weiß, daß ich Ihnen und den Männern Ballast bin.« »Wie kommen Sie denn darauf?« »Doch! Ich spüre es.« »Ich gebe zu, ich bin nicht gerade erbaut gewesen, als ich erfahren habe, daß ich auch noch eine Frau beschützen muß. Aber Sie sind nun mal da. Und bis jetzt ist alles gutgegangen. Gewiß, wir haben einen Mann verloren. Aber das hat mit Ihnen nichts zu tun.« Er lächelte. »Sie sehen Ihrem Bruder kein bißchen ähnlich.« »Sie sollten umkehren, Lieutenant!« Er schüttelte den Kopf. »Dazu besteht nicht der geringste Anlaß. Außerdem habe ich einen klaren Befehl, als Tochter eines Generals müßten Sie wissen, was das bedeutet. Außerdem, Ma’am, ist es Ihr Vater, der auf die Pferde und die Gewehre dringend wartet. Die Männer in Camp San Carlos haben Ärger mit den Cheyenne. Ohne diesen Nachschub können sie sich nicht mehr lange halten, Ma’am.« »Sagen Sie doch Marian zu mir, Lieutenant. Bitte!« Ihr Blick ging ihm durch und durch. »Einverstanden, Marian. Aber dann lassen Sie meinen Dienstgrad weg.« Sie nickte. »Well, Mark!« »Nun machen Sie sich keine Gedanken, Marian«, sagte er. »Wir kommen durch. Es sei denn, die Hölle friert ein. Aber dann verpassen wir dem Wagen ganz einfach ein paar Kufen.«
Er lachte. »Und den Pferden natürlich auch. Sie sehen, wir wissen uns zu helfen.« »Ich danke Ihnen, Mark!« Wieder ging ihm ihr Blick unter die Haut. Sie streckte auch noch den Arm aus und berührte ihn an der Schulter. »Ich mag Sie!« Marian wandte sich ab und ging davon. Mark sah ihr nach. Dann stieg er in den Sattel. In diesem Augenblick kehrten Corporal Garth und Parker zurück. »Natürlich nichts, Sir!« rief Garth. »Wir sind um den gesamten Kessel geritten. Nirgends eine Spur.« »Ich verstehe nicht, was die Burschen wollen«, meinte Walt Erskin. »Was haben sie davon, daß sie Haze umgebracht haben? Die können doch nicht darauf hoffen, daß wir uns, einer nach dem anderen, auf diese Weise erledigen lassen. Wir werden jetzt noch einmal so wachsam sein.« »Ich schätze, wir werden noch früh genug erfahren, was diese verdammten Halunken von uns wollen. – Wir brechen jetzt auf«, erwiderte Mark. »Vorwärts!« Sergeant Walt Erskin sah ihn kurz an, zuckte die Schultern und ging zum Wagen. Dort nahm er neben Marian Platz, die bereits oben saß. Erskin nahm Zügel und Peitsche in die Hand und fuhr los. »Ich habe Angst, Sergeant«, sagte Marian. »Die Bandoleros werden uns überfallen. Wenn nicht heute, dann morgen.« »Das kann ich den Burschen auch nur raten«, brummte der Sergeant grimmig. »Denn Lieutenant Conroy ist kein geduldiger Mann. Wenn sie nicht kommen, dann werden wir sie uns greifen. Und das wird kein Spaß für dieses Pack.« Er sah sie an und lächelte beruhigend, als er die Angst in ihren Augen sah. »Wir sind genug Männer, um Sie zu beschützen, Miß Bellmond«, sagte er. »Es wird schon nicht so schlimm werden. Es ist keine sehr mutige Bande, die uns belauert, Miß. Sonst hätten sie uns längst zu überrennen
versucht. Der Lieutenant wird das schon hinkriegen.« Da kam Harding zum Wagen geritten. »Ich soll Sie ablösen, Sergeant«, sagte er. »Sie sollen zum Lieutenant kommen.« Walt Erskin nickte Marian zu, stand auf und sprang ab. Dann band er sein Pferd vom Wagen los, schwang sich in den Sattel und ritt im gestreckten Galopp zur Herde zurück. Er sah Mark und Corporal Garth schon beisammenstehen, hielt vor den beiden Männern und wollte aus dem Sattel springen. Doch Mark gab ihm ein Zeichen, daß er auf dem Pferd bleiben sollte. »Kommen Sie mit, Sergeant! Corporal Garth hat dort drüben Spuren entdeckt. Ich möchte, daß Sie sich das ansehen.« Mark und Garth stiegen auf die Pferde. Dann jagten die drei Soldaten im gestreckten Galopp nach Westen, überquerten einen Höhenzug und hielten auf der anderen Seite an. »Hier muß es irgendwo sein«, brummte Garth und schaute sich suchend um. »Ja, da liegt Pferdemist!« rief Walt Erskin und wies den Hang hinunter. Sie ritten an die Stelle, sahen Hufspuren eines Reiters und folgten ihnen ein Stück weiter nach Westen, bis die Spur plötzlich weg war. Sie hielten an. Während Mark den Karabiner in die Hand nahm und sich wachsam umblickte, stieg Sergeant Erskin ab und kniete nieder. Nach einer Weile erhob er sich und lief nach Süden. »Hier ist er entlang, Sir!« rief er. »Passen Sie auf, Sergeant!« warnte Garth. »Die Burschen arbeiten mit allen Tricks.« »Bringen Sie mein Pferd, Corporal!« rief Erskin ungerührt. Garth ritt ihm nach. Als Erskin aufsaß, krachte ein Schuß. Erskin hörte die Kugel pfeifen und warf sich aus dem Sattel. Auch Garth ließ sich blitzschnell zu Boden fallen und rollte
sich in Deckung. Da klang Hufschlag auf. Die Männer sprangen auf die Füße und rissen die Gewehre hoch. Der Reiter kam nur für einen Moment ins Blickfeld. Die Soldaten schossen jeder dreimal. Doch keiner traf. Garth und Erskin sprangen mit einem Satz in den Sattel. »Den Halunken kriegen wir noch, Lieutenant!« »Halt!« rief Mark scharf. »Diesen Banditen darf man nicht nachreiten. Denn das ist es meistens, was diese Kerle wollen.« Da grollte hinter ihnen ein Hufschlag über den Hügel. Harding, Munroe, Sayer und Clarents kamen über den Kamm gejagt und fegten den Hang herunter. Mark war darüber nicht erfreut. »Verdammt! Sie hatten Anweisung, bei der Herde zu bleiben! Wir werden den Halunken noch auf den Leim gehen, wenn Sie sich nicht an meine Befehle halten!« brüllte Mark, als die Reiter vor ihm anhielten. Dann zog er sein Pferd um die Hand. »Zurück zur Herde, schnell!« Da drang auch schon Gewehrfeuer über den Hügel. Die Männer stoben wie vom Teufel getrieben den Hang hinauf und jagten im gestreckten Galopp zurück. Als sie über den Kamm preschten, sahen sie, daß die Herde von mehr als zehn Reitern von Westen her angegriffen wurden. Die vier Kavalleristen, die an der Herde geblieben waren, hatten das Kunststück fertiggebracht und die Herde noch angehalten. Sie hatten sich am Wagen versammelt. Ihre Gewehre rasten förmlich. Zwei der Angreifer stürzten getroffen aus den Sätteln, und als die Bandoleros die Reiter auf dem Hang auftauchen sahen, zogen sie sich schleunigst zurück, nicht in panischer Flucht, sondern schießend und geschlossen. Doch als Mark mit den Männern an der Herde eintraf, verschwanden sie im gestreckten Galopp. Als Mark aus dem Sattel stieg, bedrängten ihn die Männer,
die Bandoleros zu verfolgen. Doch Mark hatte seine Erfahrungen mit diesen Halunken gemacht. »Zum Teufel, nein!« polterte er. »Alle können wir nicht reiten. Ein paar von uns müssen immer bei den Pferden bleiben. Und genau darauf setzen diese Halunken. Corporal Garth, Sergeant Erskin, Ihnen hätte ich auch einen klareren Blick zugetraut. Wissen Sie das denn nicht? Diese Brut geht doch immer so vor! Sie sind nicht mutig genug, um uns direkt anzugreifen. Deshalb versuchen sie mit allen Mitteln und Tricks, daß wir uns trennen und teilen. Also bleiben wir gelassen! In Zukunft werden wir uns um die Halunken gar nicht mehr kümmern. Wenn wir von ihnen angegriffen werden, wehren wir uns. Das ist ein Befehl! Nun vorwärts! Wir ziehen weiter!« Die Männer verteilten sich um die hundert Pferde, die Packtiere und den Wagen und trieben weiter. Gegen Abend erreichten sie einen Felsen, der ziemlich einsam aus dem kargen Flachland ragte. An der Felswand fanden sie ein Wasserloch und richteten dort das Biwak ein. Sergeant Erskin, der den Wagen wieder übernommen hatte, lenkte ihn dicht an die Felswand und spannte aus, während die Männer die Pferde rudelweise ans Wasserloch führten. Zuletzt kam Erskin mit den Zugpferden an die Reihe. Callahan kochte unterdessen für alle ein kräftiges Essen. Als sie das Mahl dann einnahmen, war es dunkel geworden. Howard Sayer und Tom Rawlins standen außerhalb des Feuerscheins auf Wache. Als Corporal Garth seinen leeren Napf in die Abwaschwanne warf und sich Kaffee einschenken wollte, griffen die Bandoleros wieder an. Als der Hufschlag zu hören war, gab Tom Rawlins drei Alarmschüsse ab. »Achtung, sie kommen!« brüllte Howard Sayer auf der anderen Seite. Die Männer sprangen hoch und griffen zu den Gewehren.
Mark umfaßte Marian und schob sie in Richtung des Wagens. »Das Feuer aus!« brüllte er dabei. Callahan kippte bereits den Suppentopf um und goß den Kaffee in den aufzischenden stinkenden Dampf. Dann rannte auch er in Deckung. Die Bandoleros kamen von Süden. Als die Soldaten die Reiter erkennen konnten, begannen die Bandoleros zu schießen. »Feuer!« brüllte Mark. Die Karabiner der Kavalleristen krachten. Drei Salven dröhnten auf. Dann wurden die Männer schneller, und das gleichmäßige Donnern ging in ein wildes und wütendes Prasseln über. Wie Schatten stoben die Bandoleros aus der Nacht heran und jagten vorüber. Hinter den Männern schwenkten sie scharf ein und jagten auf die hundert Pferde zu, die auch prompt in Panik gerieten. Die Mexikaner schienen Augen wie Nachtvögel zu haben. Sie schossen zwei, drei Hengste an, und das gesamte Rudel stob in wilder Furcht davon. Niemand vermochte die Tiere zu halten. Garth sprang mit ein paar Männern auf. Mark sah, daß sie ihre Säbel gepackt hielten und zu den Reitpferden rannten. »Halt!« brüllte er. »Hierbleiben! Bleibt alle zusammen! Das ist ein Befehl, verdammt noch einmal. Laßt die Pferde laufen!« Indessen flohen die Bandoleros in die Nacht. Dort, wo die hundert Pferde gestanden hatten, blieb einer tot zurück. Sein Pferd galoppierte mit schwingenden Steigbügeln davon. »Diese Hundesöhne!« schnaufte Sergeant Erskin wütend und jagte einen letzten sinnlosen Schuß in die Nacht hinaus. Mark erhob sich und gab Marian frei, die er während des Kampfes halb unter sich begraben hatte. »Alles in Ordnung?« fragte er besorgt. Sie fuhr sich benommen über das Haar und nickte, aber in
ihren Augen stand Angst. Ehe Mark etwas sagen konnte, kam Corporal Garth angestapft. »Nun haben diese Hundesöhne angerichtet, was sie die ganze Zeit vorhatten«, schimpfte er wütend. »Die Pferde sind nach Osten davongerast. Sie werden nicht weit laufen. Aber wir müssen sie suchen und zusammentreiben.« »Well, diese Bastarde wollen die Pferde gar nicht«, sagte Mark nachdenklich. »Sonst wären sie nicht nach Süden da vongeritten. Irgendwie müssen sie von den Gewehren und den dreißigtausend Dollar erfahren haben. Vielleicht steckt dieser Lindsay dahinter, von dem Farlow gesprochen hat. Der Teufel mag es wissen!« »Brechen wir sofort auf?« fragte Sergeant Erskin. »Die Reitpferde und auch die Packtiere sind uns alle geblieben.« Mark schaute sich um. Die Soldaten hatten sich um ihn, Marian und Corporal Garth versammelt. »Nein!« entschied er. »Wir warten, bis es hell wird. Bringt das Feuer wieder in Gang. Reiter Callahan! Kochen Sie noch einmal für alle Kaffee! Aber bleibt mir alle hier am Wagen. Wenn auch nur einer von uns diesen Hundesöhnen in die Hände fällt, sind wir wirklich erledigt. Dann nützt es uns auch nichts mehr, wenn wir die Pferde wieder einfangen können.« Die Männer brachten das Feuer in Gang, und Callahan kochte noch einmal Kaffee. Mark nahm auf einem Stein Platz. Marian trat zu ihm. »Was wird jetzt werden?« fragte sie herb. Er sah sie an. Wie hübsch sie war! Von Tag zu Tag schien sie ihm begehrenswerter. Sobald sie sich in seiner Nähe befand, pulste ihm das Blut eine gehörige Portion schneller durch die Adern. Das blonde Haar! Als er vierzehn und fünfzehn Jahre alt gewesen war, hatte er von solchen Mädchen geträumt. »Wir holen uns die Pferde wieder«, sagte er. »Nur keine
Sorge. Ihr Vater wird bekommen, worauf er wartet.« »Ich denke nicht an meinen Vater, sondern an Sie, Mark. Sie riskieren einfach zuviel.« Er grinste. Sie sorgte sich um ihn. Wie ihm das gefiel! »Ich gebe schon auf mich acht!« sagte er. »Bitte kehren Sie um!« Er musterte sie. »Es ist Ihr Vater, der auf uns wartet.« Es war dunkel geworden. Sie trat dicht heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich weiß! Trotzdem, Mark! Ich möchte, daß Sie am Leben bleiben.« Er griff nach ihrer Hand und küßte sie. Da beugte sie sich herab. Es war nur ein Hauch von einem Kuß, der seine Lippen streifte. Rasch ging sie davon. Mark stand auf. »Marian!« krächzte er. Doch das hörte sie wohl nicht mehr. Er wollte ihr nachgehen. Doch die Männer, die am Feuer saßen, schauten herüber. Er setzte sich wieder auf den Stein, und dort blieb er sitzen, die ganze Nacht hindurch. Marian, ihr Kuß – das ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Hatte er gefunden, was er so lange gesucht hatte? *** Am anderen Morgen ritten die Männer los, um die Pferde wieder einzufangen. Sämtliche hundert Tiere waren zugeritten und an Menschen gewöhnt. Vor allem daran, daß ihnen Wasser und Futter zugetragen wurde. Deshalb war es nicht schwierig, die Tiere zu finden. Einen Pulk von beinahe vierzig Pferden fanden die Männer schon nach wenigen Meilen. Doch die Suche nach dem Rest der Herde wurde schwierig. »Wir bleiben alle auf Rufweite zusammen«, befahl Mark. »Wer die Bandoleros sieht, jagt drei Schüsse in die Luft. Dann kommt jeder an den Wagen geritten!«
Die Männer ritten los, um den Rest der Herde zu suchen. Das Glück schien auf ihrer Seite zu sein. Es war noch nicht Mittag, als sie sämtliche Pferde beisammen hatten. Die Bandoleros griffen auch nicht an. Von diesen Teufeln war weit und breit nichts zu sehen. Doch bald wurde offensichtlich, daß drei Männer fehlten. Corporal Garth, Reiter Harding und Reiter Parker. »Corporal Garth weiß schon, wie er sich zu verhalten hat«, sagte Mark. »Wenn die drei zusammengeritten sind, ist auch nichts passiert. Auch Harding ist ein erfahrener Bursche. Vielleicht fehlt noch ein Pferd, dem sie nachjagen. Sie sind eben aus besonders zähem Holz.« Es vergingen nicht nur Minuten, sondern Stunden und die drei Männer tauchten nicht auf. »Sergeant Erskin! Reiter Clarents! Sattelt eure Pferde und sucht sie!« befahl Mark. »Wir kehren inzwischen zum alten Lagerplatz zurück.« Erskin und Clarents ritten los. Mark trieb mit den anderen Männern die Herde an das Wasserloch und die Felswand zurück, wo sie am Abend zuvor von den Bandoleros angegriffen worden waren. Callahan fuhr diesmal den Wagen. Als die Dämmerung hereinbrach, kehrten Walt Erskin und Clarents zurück. Sie ritten zum Wagen und sattelten dort ab. Obwohl jeder sah, daß sie erfolglos nach den drei Männern gesucht hatten, stand Mark auf und ging hinüber. »Nun?« fragte er die beiden. Walt Erskin schüttelte den Kopf. »Nichts, Sir«, meldete er. Mark stemmte die Fäuste ein und starrte zu Boden. Clarents lief an ihm vorüber und ging zu den anderen, die am Feuer hockten. Erskin blieb neben dem Lieutenant stehen. »Ich bin sicher, daß die Brut auftauchen wird, um uns den Preis für drei Leben zu nennen«, sagte er. Mark seufzte. »Ja, das glaube ich auch.« »Werden Sie bezahlen?« fragte Erskin gespannt.
Mark starrte dem Sergeant in die Augen. »Habe ich eine Wahl?« Erskin ging weiter und nahm am Feuer Platz. Mark blieb im Schlagschatten des Wagens stehen und starrte wütend in die Nacht. Plötzlich klang Hufschlag auf. Mark fuhr herum. Die Männer am Feuer erhoben sich, die Sattelkarabiner in den Fäusten. Es war nur ein Pferd. Das konnten sie deutlich hören. Das Tier hielt unmittelbar vor dem Lager an. Jedoch außerhalb des Feuerscheins. Mark ging zu den Männern hinüber, die ihn schweigend ansahen. Einer wollte in die Nacht hinauslaufen. Doch Mark hielt ihn zurück, um selbst zu gehen. Aber da lief das Tier weiter. Einen Augenblick später konnten sie es alle sehen. Es war das Pferd von Reiter Parker, und Sapp Parker lag quer über dem Sattel. – Tot! Mark würgte es im Hals. Die Männer standen wie erstarrt und blickten bestürzt auf das Pferd. Marian stieß einen erschreckten Seufzer aus und klammerte sich an Mark. Er machte sich mit einer sanften Bewegung frei und lief dann mit schwerem Schritt dem Pferd entgegen, packte es an der Kinnkette und führte es zu den Männern. Sie hoben Sapp Parker behutsam aus dem Sattel und legten ihn zu Boden. »Die Bastarde haben ihn gequält!« krächzte Tom Rawlins und drehte sich nach Mark um. »Ich sehe es, Rawlins!« sagte Mark ruhig. Da vernahmen sie abermals Geräusche. Sie wirbelten herum und rissen die Waffen hoch. Doch keiner schoß. Drei Gestalten kamen langsam aus der Dunkelheit. Zwei hielten Gewehre in den Fäusten. Der Mann in der Mitte trug eine Peitsche in der Hand und rauchte. Sie trugen große mexikanische Hüte. Doch es war jedem auch so der Bandolero
anzusehen. Selbst in der Nacht. Sie blieben vor dem Feuer stehen. »Ich Chavez!« stellte sich der Mann mit der Peitsche vor. »Wo sein Commandante?« »Hier!« antwortete Mark mit kalter Stimme und trat einen Schritt auf die drei Männer zu, den Revolver in der Faust. »Und ich bin einer, mit dem sich niemand an einen Tisch setzen sollte, wenn er nicht dazu eingeladen ist.« Chavez grinste. »Laßt ihn schreien!« befahl er laut auf spanisch. Mark hob den Kopf. Auch die Soldaten am Feuer lauschten gebannt. Da drang schon ein markerschütternder Schrei aus der Nacht zu ihnen ins Camp. Alle hörten heraus, daß es Roul Harding war, der da seinen Schmerz in die Nacht brüllte. Den Männern jagte ein Schauer nach dem anderen über den Rücken. Mark kochte, aber er blieb ruhig. Da schob sich Sergeant Erskin aus dem Kreis der Männer und stellte sich neben ihn. »Dieser Mann schreit noch einmal!« sagte Erskin klirrend. »Dann bist du tot, Chavez!« Chavez grinste gemein. »Du nicht schießen, Hombre! Dann sein auch dein Amigo tot, der eben geschrien hat. Er und anderer Mann.« Erskin sah Mark an, wütend und hilflos zugleich. »Was willst du, Chavez?« fragte er heiser. »Nenn deinen Preis!« »Chavez will Frau, weiße!« »Nie!« zischte Mark, der Marian hinter sich leise stöhnen hörte. »Chavez will Geld!« »Eher holt dich der Teufel«, erwiderte Walt Erskin heftig. »Chavez will Gewehre!« »Weiter!« bellte Mark. »Chavez will auch Pferde!« grinste der Mexikaner.
»Holen Sie das Geld, Sergeant!« befahl Mark mit klirrender Stimme. Erskin starrte ihn an. »Tun Sie, was ich Ihnen befehle, verdammt!« donnerte Mark. Da wandte sich Erskin ab, ging zum Wagen, holte den Sack mit dem Geld und kehrte damit zu Mark zurück. Mark nahm ihm den Beutel aus der Hand und warf ihn mit einem wütenden Schwung vor die Füße des Mexikaners. »Das ist für die Männer«, krächzte er. Chavez stellte einen Fuß auf den Sack und lächelte freundlich. »Gib noch Gewehre und Frau, Commandante. Rasch! Sonst Mann wieder schreien!« »Treib es nicht zu weit, Chavez!« sagte Mark klirrend. »Nimm das Geld und verschwinde, dann schick mir die Männer, oder ich reiß dir die Hölle auf!« »Du nicht sehr klug!« lachte der Bandolero. »Erschieß mich! Aber dann machen meine Leute Musik mit Blei.« Er lachte. »Du zuhören bis morgen abend. Vorher Soldaten nix tot.« »Gut!« sagte Mark knirschend. »Ich gebe die Gewehre dazu. Nun nimm das Geld und verschwinde. Schick meine Männer herunter. Dann bekommst du die Gewehre. Wir ziehen weiter und lassen die Waffen hier zurück.« »Und nix Frau?« grinste Chavez. »Nein!« zischte Mark. »Du kennst uns, Chavez! Wir Weißen sterben lieber, als uns auf Kosten einer Frau freizukaufen. Vergiß das nicht.« »Chavez schon Frauen gekauft für Leben von Americano!« sagte der Mexikaner hämisch. Walt Erskin schloß die Augen. »Wenn er nicht geht, schieße ich!« keuchte er. »Geld und Gewehre!« bellte Mark. »Das ist mein letztes Wort. Mein allerletztes!«
»Chavez sein einverstanden!« sagte der Bandit auf einmal lächelnd und bückte sich nach dem Geldsack. Dabei geriet sein Gesicht in den tiefroten Schein des Campfeuers, und die Männer glaubten die Fratze des Satans zu erkennen. »Chavez nehmen Geld! Aber Commandante schickt sofort Wagen mit Gewehre. Dann kommen beides Männer in Camp. Doch dauern länger als fünf Minuten, kommt ein Mann ohne Ohren mit anderes Mann tot.« »Sergeant, lassen Sie die Zugpferde einschirren!« befahl Mark. Walt Erskin starrte den Lieutenant an, sah zu Chavez, diesem Teufel in Menschengestalt, und wandte sich ab. Chavez glitt langsam zurück, trat zwischen seine Gefährten und verschwand, so rasch und lautlos, wie er erschienen war. Mark blinzelte und wischte sich die Augen. Es schien ihm einen Moment, als hätte er mit dem Teufel gesprochen. Als Hufschlag und das Knarren von Rädern aufklang, wandte sich Mark um. Erskin saß auf dem Bock und hielt neben ihm an. »Haben Sie alles heruntergeworfen, Sergeant?« fragte Mark. Erskin nickte. »Nur die Gewehre sind oben, Sir. Wie weit soll ich fahren?« »Bringen Sie die Pferde in Trab und steigen Sie dann ab!« krächzte Mark. Erskin ruckte an den Zügeln, knallte mit der Peitsche und sprang zu Boden. Der Wagen verschwand langsam und polternd in der Nacht. Mark, Walt Erskin und die Soldaten warteten darauf, daß die Pferde stehenbleiben würden. Doch der Sechserzug hielt nicht mehr an. Die Pferde zogen den Wagen weiter. Nach zehn Minuten verhallte das Geräusch in der Ferne. »Jetzt haben wir alles aus der Hand gegeben«, krächzte Walt Erskin und ging zu Mark hinüber. »Dieser Teufel wird bestimmt noch einmal auftauchen und Miß Bellmond und die
Pferde verlangen. Aber dann schieße ich diesen Bluthund in Stücke.« Mark legte dem Sergeant die Hand auf den Arm und lauschte gespannt. Da drehte sich auch Erskin um. Augenblicke später war der Hufschlag zweier Pferde zu vernehmen. »Garth und Harding!« sagte Mark erlöst. Die Männer versammelten sich alle um ihn und sahen den Reitern gespannt entgegen. Schnell erreichten Glenn Garth und Roul Harding das Camp. Roul Harding war so erledigt, daß er den Männern vom Sattel herunter in die Arme stürzte. Die Männer legten ihren erschöpften Kameraden zu Boden, und Callahan flößte ihm heißen Kaffee ein. »Ich habe geglaubt, die Hundesöhne wollten ihn zerreißen«, keuchte Garth. »Warum haben sie Parker umgebracht?« fragte Mark. »Nur so!« krächzte Garth. »Sobald sich Harding erholt hat, lassen wir hier alles stehen und liegen«, befahl Mark mit klirrender Stimme. »Reiter Murdock, satteln Sie ein Pferd für Miß Bellmond.« Marian bahnte sich einen Weg durch die Männer. »Warum muß das sein? Können wir denn die Gewehre und das Geld nicht den Banditen überlassen und von hier verschwinden? Dieser Teufel wird uns alle umbringen«, schluchzte sie. »Nein, Marian, das ist nicht möglich«, erwiderte Mark ruhig. »Wir müssen dafür sorgen, daß die Leute in diesem Land friedlich leben können. Das geht nicht, wenn solche Ratten wie dieser Chavez mit einem Wagen voller Gewehre und Geld davonkommt.« Marian ließ die Schultern sinken und wandte sich ab. »Bemüht euch um Harding, damit wir aufbrechen können«, befahl Mark den Männern. ***
Zwei Stunden nach Mitternacht brachen die Soldaten auf. Sie ließen alles zurück. Die hundert Pferde, die Ausrüstung, Proviant und die Packtiere mit dem Futter. Dichtgedrängt und Bügel an Bügel folgten sie der Fährte des Wagens, die trotz der Dunkelheit gut zu erkennen war. Als nach einer Stunde der Tag zu grauen begann, erreichten sie die Stelle, an der die Bandoleros in einem weiten Bogen nach Süden abgeschwenkt waren. Doch dann, als die Sonne hochkam und sich die Soldaten und Marian sieben Meilen westlich ihres Lagerplatzes befanden, waren die Spuren auf einmal zu Ende. Mark hielt an und saß ab. Auch Corporal Garth und Sergeant Erskin verließen ihre Pferde, um sich umzuschauen. »Hier sind Schleifspuren von Decken!« rief Garth die Männer nach einer Weile zu sich. Mark und Sergeant Erskin kamen sofort zu ihm und knieten nieder. »Well!« knurrte Mark und spähte in südöstliche Richtung. »Damit haben wir sie. Sie wollen rüber nach New Mexiko. Damit müssen sie durch den San Carlos River Canyon.« Die Männer richteten sich auf und spähten angestrengt nach Südosten. »Wieviel Vorsprung haben sie Ihrer Meinung nach, Garth?« fragte Mark. »Es können Stunden sein«, antwortete Garth. »Aber davon haben sie sicherlich viel verloren. Der Wagen hält sie auf. Sie können die Zugtiere nicht pausenlos hetzen und treiben.« »Wir reiten direkt zum San Carlos River Canyon«, bestimmte Mark. »Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht vor ihnen dort sind.« Sie gingen zu den Pferden zurück, informierten Marian und die Männer und ritten weiter nach Osten. Es war heiß. Nirgends gab es Schatten in dieser wasserlosen
und sandigen Weite. Doch die Soldaten zogen Stunde um Stunde nach Osten. Das Land schien zu kochen, und manchmal glaubten sie, diese unwirtliche Einöde unter der Hitze stöhnen zu hören. Der Staub drang Menschen und Pferden in die Atemwege. Doch von kurzen Pausen abgesehen, die sie einlegen mußten, um die Pferde nicht zuschanden zu reiten, zogen sie unentwegt, weiter durch diese Gluthölle, bis sie kurz vor Sonnenuntergang den Canyon erreichten, den die Wasser des San Carlos River vor Urzeiten in das Land gewaschen hatten. Der San Carlos River war jedoch jetzt nur noch ein Fluß, der selten Wasser führte. In fast tausend Fuß Tiefe konnten Marian und die Männer das breite ausgetrocknete Flußbett erkennen. Treibsand und Felsbrocken bedeckten den Boden des Arroyo, und hier und da lagen Verhaue von Baumskeletten an seinen Ufern. Die Männer standen Bügel an Bügel und blickten hinunter. »Seht ihr Huf- und Wagenspuren im Flußbett?« fragte Erskin bissig. »Ich nicht, verdammt!« »Und wenn dieser Chavez sich nun zu einem anderen Weg entschlossen hat, Sir?« fragte Harding erledigt. Der Ritt hatte ihn stärker beansprucht als alle anderen – selbst mehr als Marian, die wie von der Sonne ausgedörrt und vollkommen teilnahmslos auf ihrem Pferd saß. Harding war ein Mann und hatte sich etwas mehr in der Gewalt. Mark spähte den Canyon entlang, der sich über zwanzig Meilen hinweg in jene Richtung erstreckte, aus der die Bandoleros kommen mußten. »Ich wette, die Brut zieht schon irgendwo da unten entlang«, sagte er brummend. »Es ist der beste Weg, auf dem man von hier aus mit einem Wagen nach New Mexiko entkommen kann, wenn man es eilig hat. Und mit seiner Beute hat es dieser Bastard verdammt eilig. Er kennt auch diesen Weg!«
»Staub ist aber weit und breit nicht zu sehen«, sagte auch Garth zweifelnd. »Man kann weit sehen, und die Luft ist klar.« »Der Sand im Arroyo ist fest und schwer«, erklärte Mark. »Der Staub steigt nicht einmal über den Kopf des Reiters auf. – Dort drüben ist ein Einsturz. Sehen wir zu, daß wir noch bei Tageslicht hinunterkommen.« Sie ritten zu dieser Stelle, saßen ab und führten die Pferde hinunter. Mark übernahm noch Marians Pferd und führte sie besorgt und behutsam nach unten. Im Grund des Canyons angelangt, sah sich Mark nach einer geeigneten Stelle auf dem Rand des Arroyos um. Die er auch fand. Er ließ die Pferde in Deckung bringen und wies jedem seinen Platz zu. Noch war er der einzige von den Männern, der felsenfest daran glaubte, daß die Bandoleros in dem Arroyo des San Carlos River entlang gezogen kommen würden. Sein Glaube und die Geduld der anderen wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Sonne sank, die Dämmerung kam und bald hüllte die Nacht das Land ein. Doch Mark Conroys Rechnung ging wieder auf. Kurz vor dem Morgengrauen hörten sie die Bandoleros kommen. Mark hörte sie zuerst. Doch er verriet nichts, lächelte nur zufrieden vor sich hin. »Da kommen sie!« raunte Howard Sayer plötzlich. »Well, ich höre sie auch!« rief Garth und stand auf, um weiter sehen zu können. Marian rückte näher an Mark heran, legte ihm die Arme um die Schultern und barg den Kopf an seinem Rücken. Die Männer griffen nach den Karabinern und legten sie prüfend an die Schulter, zielten auf imaginäre Gestalten unten im Arroyo, der knapp dreißig Fuß tief war. »Wir lassen sie bis vor unsere Gewehre kommen«, befahl Mark. »Wir verhalten uns still, bis sie hier direkt unter uns stehen. Ein Schuß von mir ist das Zeichen.« Es war ein Land ohne Gnade und Erbarmen, das keine
Rücksicht kannte und kein Vergessen. Das Geräusch des Hufschlags und das Stampfen und Mahlen der schweren Wagenräder, sowie das Knarren und Quietschen der Achsen und Radnaben wurde lauter. Ringsum hob der anbrechende Tag die Gegenstände in Grau aus der Nacht. »Wir werden gutes Büchsenlicht haben«, raunte Mark. »Sie haben nur eine Chance, wenn sie sich ergeben.« »Sie sterben lieber, als in Gefangenschaft zu gehen«, sagte Walt Erskin. Mark zuckte die Schultern. »Ich habe ihre Gesetze nicht gemacht. Dafür hat jeder selbst zu leben und zu sterben.« Es dauerte nicht lange, da tauchten die Bandoleros aus dem Grau des Morgens auf. An der Spitze war Chavez zu erkennen. Er hielt die Peitsche in der Hand und rauchte, den großen Sombrero weit im Nacken. Ihm folgten drei Reiter. Dann kam schon der Wagen, auf dem ein Kutscher und ein verletzter Mann saßen. Dahinter kamen noch einmal zehn Reiter zum Vorschein. Sie kamen rasch näher. Der Staub, den die Pferdehufe und die Wagenräder aufwirbelten, schwebte in diesem düsteren Licht der schwindenden Morgendämmerung wie ziehende Pulverschwaden über dem Boden. Mark schätzte fortgesetzt die Entfernung. Die Männer hielten die Gewehre an den Schultern und spähten über die Läufe hinweg in die Gesichter der Bandoleros. Als die Mexikaner nah genug heran waren, stand Mark auf und jagte einen Schuß in die Luft. Der Trupp stoppte jäh, Chavez ließ die Zigarette fallen und sah auf. Lächelnd, ganz in seiner teuflischen Art. »Ergebt euch, Chavez!« rief Mark hinunter. »Ihr habt keine Chance, nicht die geringste!« Chavez drehte sich im Sattel und sah kurz zurück. Dann lächelte er schon wieder herauf. »Gut, Commandante!« rief er freundlich. »Chavez dir geben
Wagen und Gewehre!« »Es ist zu jedem Geschäft zu spät!« antwortete Mark. »Chavez dir geben auch Geld! Was willst du? Du hast alles zurück!« »Werft die Waffen weg und runter von den Pferden!« bellte Mark. »Tretet dort drüben an, die Gesichter zur Arroyowand.« Die Mexikaner saßen eine Weile reglos in den Satteln. Doch dann, von einem Augenblick zum anderen, waren sie plötzlich alle in Bewegung und begannen wie wütende Wölfe um ihr Leben zu kämpfen. Chavez riß auf einmal den Colt hoch und schoß, gleichzeitig ließ er sich vom Pferd fallen. Die Gewehre seiner Männer begannen sofort zu krachen. Mark warf sich lang auf den Bauch. »Feuern!« brüllte er. Die Karabiner der Kavalleristen hämmerten. Die Mexikaner galoppierten scharf an. Der Wagen wurde von dem Sechserzug polternd und krachend vorwärts gerissen. Mark traf Chavez in den Arm, als er sich, nur halb abgesessen, wieder in den Sattel warf. Zwei seiner Gefährten stürzten mit ihm zu Boden. Walt Erskin wollte den Wagen stoppen, indem er den Kutscher vom Bock schoß, als dessen Gewehr hochschwang. Der Bandolero neben ihm fiel zur anderen Seite hinunter. Die Pferde aber rasten weiter. Da schnellte Walt Erskin hoch und sprang hinunter, überschlug sich unten, sprang auf und rannte dem Wagen nach. Während das Gewehrfeuer den Arroyo und den Canyon ringsum erfüllte, holte er den Wagen ein, kletterte auf den Bock und lenkte das Gespann an die Arroyowand, über der seine Kameraden in Stellung lagen. Er fuhr dicht an das steile Ufer heran, hielt und kniete vor dem Sitz nieder, da ihn die vorbeigaloppierenden Bandoleros beschossen. Walt Erskin holte einen mit einem Schuß aus dem Sattel. So wild und plötzlich, wie die Schießerei begann, brach sie
auch ab. Walt Erskin richtete sich auf und sah die Kameraden die Arroyowand heruntergeklettert kommen. Mark war Marian behilflich. Corporal Garth stapfte als erster heran. »Du lieber Himmel!« rief er Walt Erskin zu. »Hast du dir nicht alle Knochen gebrochen?« Walt Erskin grinste bloß und stieg vom Wagen, hinkte ein paar Schritte und lief dann den Männern entgegen. Mark lief inzwischen von einem Toten zum anderen. Doch keiner war Chavez. »Dieser Hundesohn ist natürlich entkommen!« fauchte Roul Harding. »Ja, er und ein paar andere sind auf und davon«, sagte Sayer. »Nach Osten! Wir sollten sie verfolgen. Bloß, damit wir vor diesen Hundesöhnen jetzt auch wirklich Ruhe haben.« Mark winkte ab. »Wir kehren um. Auf der Stelle! Bis Chavez sich von meiner Kugel erholt und neue Männer um sich versammelt hat, vergehen Wochen.« »Die Burschen sind zäh wie Katzen!« gab Roul Harding zu bedenken. »Aufbruch!« befahl Mark. »Holt die Pferde herunter! Dreht einer den Wagen!« Callahan war schon auf dem Wagen, um nach dem Geld und den Gewehren zu sehen. Er hatte den Geldsack gefunden und hielt ihn hoch. »Geld, Gewehre – alles an Bord, Lieutenant!« grinste er. Mark nickte Callahan zu und stieß Roul Harding an. »Los, steigen Sie mit hinauf, damit Sie sich noch etwas erholen können.« Zehn Minuten später befanden sich Marian und die Soldaten auf dem Rückweg. Zwei Tage später trafen sie bei der Herde ein, die sich nicht sehr verlaufen hatte.
Sie trieben die Tiere zusammen, rasteten einen Tag an dem Wasserloch und zogen dann am anderen Morgen weiter. Drei Tage später erreichten sie den Black Rock Canyon. Die Männer beschäftigten sich nach wie vor am meisten mit dem Gedanken an Chavez und seine Bandoleros. Immer wieder fragten sie sich, ob Chavez so schwer verletzt worden war, daß er ihnen nicht mehr folgen konnte. Sie hatten die ganzen Tage die Wachsamkeit nicht vernachlässigt. Auch als sie am Abend im Black Rock Canyon, noch vier Tagesmärsche vom Ziel entfernt, das Biwak aufschlugen, bestand Mark darauf, daß jeweils drei Männer Posten bezogen. Diese Sorge, sich vielleicht doch noch einmal mit Bandoleros herumschlagen zu müssen, war schuld daran, daß keiner der Männer Marians wachsende Unruhe bemerkte, die von Tag zu Tag zugenommen hatte und an jenem Abend im Black Rock Canyon wenigstens Mark hätte auffallen müssen. Doch Mark hatte soviel damit zu tun, die Männer zur Wache einzuteilen, und selbst auf Posten zu stehen, daß er sich nicht um sie kümmern konnte. *** Marian wartete, bis im Lager tiefe Ruhe herrschte. Dann zog sie sich unter der Plane die Stiefel an und kletterte hinten hinaus, vorsichtig bemüht, nicht das geringste Geräusch zu verursachen. Sie trat schnell um den Wagen und hockte sich zu Boden. In dieser Haltung verharrte sie etliche Minuten, bis sie sicher war, daß sie keiner der Männer gehört hatte und alle schliefen. Bevor sie sich dann auf allen vieren entfernte, blickte sie angestrengt zu den Pferden hinüber, die Walt Erskin bewachte. Doch sie konnte den Sergeant nicht erkennen. Die Nacht war stockdunkel.
Dann kroch sie langsam und auf allen vieren davon. Sie wagte erst, sich aufzurichten, als sie schon hoch oben auf dem Hang war und hinter Mesquitesträuchern und Krüppelkiefern das Biwakfeuer nur noch wie einen fernen Stern glühen sehen konnte. Dann aber lief sie schneller, und als sie den Höhenrücken überquert hatte, rannte sie. Doch das kostete Kraft. Sie war bald so erschöpft, daß sie einhalten mußte und sich gegen einen Baum lehnte. Nachdem sie sich etwas erholt hatte, ging sie weiter, fast zwei Stunden lang. Es war bereits weit nach Mitternacht, als sie in einem Seitental die kleine Blockhütte erreichte. Es brannte kein Licht. Doch die Geräusche von Pferden verrieten ihr, daß sie erwartet wurde. Sie klopfte an und trat ein. »Jim?« raunte ein Mann schlaftrunken. »Ich bin es! Marian!« Ein erstaunter Ausruf war zu hören. Dann flammte ein Streichholz. Marian erkannte Greg Dayan. Er hatte angezogen auf dem Bett gelegen. »Endlich, Marian!« sagte er, nachdem er die Lampe angezündet hatte, die er auf einen klobigen Tisch stellte. Er kam auf sie zu und wollte sie in die Arme nehmen. Marian wich bis an die Tür zurück. »Wo ist Jim? Warum ist er nicht hier?« Sie war naßgeschwitzt und völlig außer Atem von dem anstrengenden Lauf. Greg Dayan folgte ihr. Da sie keine Kraft mehr besaß, ihn anders zurückzuweisen, zog sie den Colt aus dem Hosenbund, den er übersehen oder gar nicht beachtet hatte. »Hehe!« murrte er und glitt zurück. »Was ist denn mit dir los? Seit wann bist du bewaffnet? Aber Mädchen! Was habe ich dir denn getan? Bist du verrückt?« »Wo ist Jim?« fragte Marian, lief zu dem Hocker unter, dem Flaschenfenster und nahm Platz. »Er hat acht Tage hier gewartet. Mit allen Leuten!«
erwiderte Greg Dayan verblüfft. »Warum kommt ihr jetzt erst?« »Wir sind aufgehalten worden.« »Von Lindsay?« »Auch! Doch am meisten hat uns eine Bande von Mexikanern zugesetzt. Es ist eigentlich nur ein Glück, daß wir alle noch leben.« »Dann komm!« sagte Greg Dayan und griff nach Hut und Jacke. »Wir reiten zu Jim. Die Pferde stehen bereit. Ich habe schon geglaubt, ich sehe dich nie wieder! Jim ist in ziemlich schlechter Laune. Er hat sich hier pausenlos eingeredet, du machst das Geschäft mit anderen Leuten. Na, der wird staunen!« »Ich kann diese Sache mit euch nicht machen, Greg. Es geht nicht«, sagte Marian erschöpft. »Was?« fragte Greg Dayan verblüfft und ließ die Kinnlade sinken. Sekundenlang starrte er sie mit offenem Mund und reichlich bestürzt an. Dann mußte er erst einmal tief Luft holen. »Na, das wird Jim aber nicht schmecken!« krächzte er. »Wieso denn das? Was ist denn passiert?« »Reite und hole Jim her!« verlangte Marian. »Rasch! Ich muß vor Tagesanbruch wieder im Biwak sein. Ich habe nicht viel Zeit.« »Also, ich beeil mich«, sagte Greg Dayan kopfschüttelnd. »Aber nur, weil ich sein Gesicht sehen will, wenn ich ihm das sage. Warte! Wir sind in einer halben Stunde hier. – Aber willst du nicht doch mitkommen?« Er stapfte zur Tür, blieb dort stehen und sah sie fragend an. Marian schüttelte den Kopf. Greg Dayan zog sich den Hut in die Stirn und lief hinaus. Kurz darauf hörte sie ihn wegreiten. Sie schob den Colt wieder in den Hosenbund und lehnte sich zurück. Sie blieb sitzen, die Augen geschlossen, bis sie Hufschlag hörte. Die Tür ging auf und Jim Ferguson kam herein. Er war ein
großer massiger Mann von fünfzig Jahren. »Hallo, Marian! Wie geht es dir?« begrüßte er sie. Er lachte. »Greg hat mir da etwas erzählt. Aber du wirst mir doch jetzt erklären, daß er betrunken ist und dich gar nicht richtig verstanden hat.« »Nein, Jim!« erwiderte Marian und stand auf. »Greg ist stocknüchtern. Es tut mir leid. Ich kann diese Sache nicht machen. Es geht einfach nicht, Jim.« Jim Ferguson hielt ihr die Hand hin, ließ sie wieder sinken und sah ihr aus schmalen Augenschlitzen ins Gesicht. »Das ist doch nicht dein Ernst. Hast du plötzlich Gewissensbisse bekommen? Ist dir die Hitze nicht bekommen? Marian, was ist mit dir los?« Bevor Marian antworten konnte, ging abermals die Tür. Der Raum füllte sich mit Männern, die Marian alle freundlich grüßten. »Sie will auf einmal nicht mehr!« wandte sich Jim Ferguson an die Männer. »Anscheinend hat sie Mitleid mit den Blaujacken. Oder sie hat bessere Partner gefunden«, stieß er wütend hervor. Die Gesichter der Männer wurden kantig. Eine feindselige Stimmung breitete sich aus. »Hängt das etwa mit Lindsay zusammen?« fragte Jim Ferguson drohend. »Mit Lindsay hat das nichts zu tun«, sagte Marian. Jim Ferguson starrte sie. an. »Mit wem dann? Das mußt du uns schon erklären, Marian!« »Wozu fragst du, Jim?« warf ein älterer Mann ein. »Siehst du ihr das nicht an? Damit die Burschen für die Tochter des Generals auch die dreißigtausend Dollar Lösegeld bezahlen, sollte sie sich an den Lieutenant heranmachen. Und daraus ist ernst geworden! Stimmt’s?« »Du hast einen Knall!« bellte Jim Ferguson wütend. Doch der Mann ließ sich nicht beeindrucken. »Sieh sie dir doch an, Boß!« verlangte er.
Jim Ferguson musterte Marian lange, eindringlich. Dann wußte er Bescheid. »Das ist doch nicht wahr?« zischte er. »Sag mir jetzt, daß das eine verdammte Spinnerei ist! Los!« Marian schwieg und sah Jim Ferguson ausdruckslos an. »Dein Mädchen, Jim!« sagte der Alte bekümmert. »Halt den Rand!« fauchte Jim Ferguson wütend. »Was soll das ganze Theater?« warf da Greg Dayan wild ein. »Wenn sie sich wirklich ernstlich in den Kerl verliebt hat, der die dreißigtausend Dollar nach Camp San Carlos bringen will, dann läuft das Geschäft doch erst recht. Er wird uns das Geld förmlich an den Hals werfen, die Gewehre und die Pferde dazu. Wenn an der Sache nichts dran ist, werden sie die Sachen eben für die Tochter ihres Generals herausgeben müssen.« Jim Ferguson sah ihn wütend an. »Ich bin nicht umsonst so lange unterwegs gewesen«, versetzte Greg Dayan. »Das kannst du von mir nicht verlangen. Marian ist ja hier. Wir machen die Sache und fertig!« »Wo lagern sie?« fragte Jim Ferguson. »Sei vernünftig, Jim!« verlangte Marian. »Ich kenne die Männer. Ihr seid ihnen gar nicht gewachsen. Ihr Leben hier draußen ist ein einziger Kampf. Sie sind aus ganz anderem Holz als ihr. Ich habe es zu sehen bekommen!« »Sie hat Angst um ihren Zukünftigen!« lachte jemand bissig. Jim Ferguson glitt herum und winkelte die Arme an, ließ sie jedoch wieder fallen und starrte erneut auf Marian. »Greg! Jeff!« krächzte er. »Ihr wißt Bescheid! Reitet im Morgengrauen hinunter. Ihr werdet sie schon entdecken. Und macht diesem Lieutenant klar, daß es uns ernst ist mit unseren Drohungen. Sie sollen alles stehen und liegen lassen und verschwinden. Vielleicht kriegt er seine Zukünftige dann noch einmal zu sehen. Vielleicht! – Aber das brauchst du ihm nicht zu sagen, Greg. Richte ihm nur aus, daß er irgendwo auf der
anderen Seite des Black Rock Canyons seine Zelte aufschlagen soll.« Da stand Marian auf und zog den Revolver aus dem Hosenbund. »Nein, Jim!« schrie sie. »Niemals lasse ich das zu!« Die Männer verharrten und schauten gebannt auf Marians Colt. Jim Ferguson verzog das Gesicht zu einer spöttischen Grimasse. »Das, Marian, ist das Letzte, was ich von dir hinnehme. Laß die Waffe fallen und geh mit den anderen hinaus zu den Pferden! Wir reiten sofort weg. Die Blaujacken im Canyon könnten im Morgengrauen deine Spuren verfolgen. Also, tu was ich dir sage!« »Geht! Ihr alle!« schrie Marian. »Oder ich schieße auf Jim!« »Du bist verrückt, Marian!« krächzte Jeff. »Das kannst du doch nicht machen. Vor allem jetzt nicht, wo du Jim gemein hintergehen willst.« »Geht!« schrie Marian. Jim Ferguson wandte sich seinen Männern zu. »Geht, verlaßt die Hütte! Ich will noch einmal mit ihr reden.« Die Männer drängten zur Tür. Da ließ sich Jim Ferguson aus dieser Haltung vorwärtsfallen und schlug Marian mit der Linken den Colt aus der Hand. Ein zweiter Hieb warf sie gegen die Wand. Jim Ferguson hob den Colt auf und winkte. »Packt sie! Wir verschwinden hier! Beseitigt alle Spuren!« Zwei Männer traten auf Marian zu, die an der Wand stand und weinte. »Das hättest du nicht tun sollen«, sagte der eine zu ihr. »Du kennst doch Jim. Hinzu kommt, daß du uns nun alle gegen dich hast, Mädchen. Wir haben diese Sache so lange geplant und wir sind so lange unterwegs – und du willst uns alles vermasseln!« Marian gab keine Antwort und blickte verzweifelt zu
Boden. Die Männer ergriffen sie an den Armen und führten sie an Jim Ferguson vorbei zur Tür. Jim Ferguson hielt sie dort mit einer Handbewegung auf. »Was meinst du, Marian, was dein Lieutenant sagt, wenn er sein Geld, seine Gewehre und seine Pferde losgeworden ist und dann erfährt, wer du bist?« fragte er hämisch. »Denk mal darüber nach!« Er machte auf dem Absatz kehrt, und die Männer führten Marian hinaus zu den Pferden. Marian wehrte sich nicht. Dazu war sie viel zu erschöpft. *** Mark klopfte gegen die Wagenwand und rief: »Marian, so steh doch auf! Ich habe noch gar nicht bemerkt, daß du auch verschlafen kannst. Komm, Callahan wartet mit dem Kaffee. Wir wollen auch bald aufbrechen!« Er lauschte danach eine Weile, wandte sich dann schulterzuckend ab und ging, um die Zugtiere zu holen und einzuschirren. Walt Erskin hatte das beobachtet. Als Mark zwischen den Pferden verschwand, schob er Clarents und Tom Rawlins aus dem Weg, ging zum Wagen und klopfte ebenfalls. »Miß Bellmond! Miß Bellmond! Wir sind fertig! Es geht weiter!« rief er mit Stentorstimme, daß die Männer ringsum die Hälse reckten und herüberblickten. »Marian, ist dir nicht gut?« fragte Mark, der inzwischen zurückgekehrt war, und klopfte noch einmal an die Plane. »Hörst du! Ich schaue jetzt zu dir herein.« Er trat ans Ende des Wagens, reckte die Arme, umspannte das Bordbrett und zog sich hinauf. Marian war gar nicht im Wagen! Mark ließ sich fallen und sah Walt Erskin an, der neben dem Wagen stand. »Wo ist sie denn?« fragte er verwundert.
Walt Erskin zuckte die Schultern. Dann sprang er mit einem Satz auf den Bock. Die Männer versammelten sich um Mark und schauten zum Wagen hinauf. Walt Erskin kam hinten zum Vorschein und sprang vor den Männern zu Boden. »Sie ist weg!« stellte er fest. »Hat sie einer weggehen sehen?« fragte Mark. »Lieutenant, glauben Sie wirklich, daß sie weggegangen ist? fragte Corporal Garth. »Von selbst und freiwillig?« »Wer hat zuletzt Wache gestanden?« fragte Mark, bei dem sich inzwischen ein ungutes Gefühl eingestellt hatte. »Ich!« meldeten sich Rawlins mit Murdock und Clarents. »Doch wer hat vor uns Wache gehabt? Wir haben jedenfalls aufgepaßt und nichts bemerkt, Sir. Ich bin oft genug hinter dem Wagen entlanggegangen.« »Gut«, erwiderte Mark. »Callahan soll Kaffee austeilen! Eßt ein paar Bissen! Ich glaube, es wird eine verfluchte Jagd werden.« »Chavez, dieser Bastard?« fragte Roul Harding. »Sind Sie sicher, Lieutenant?« »Mit wem sonst hatten wir es die ganze Zeit zu tun?« polterte Mark gereizt. »Frühstückt und sattelt die Pferde!« »Was haben Sie vor, Lieutenant?« fragte Corporal Garth beunruhigt. »Wenn Miß Bellmond von Chavez entführt worden ist, so gefährdet jede unüberlegte Handlung von uns ihr Leben. Ist Ihnen das klar, Sir?« Mark sah ihn aus schmalen Augen an. »Freilich ist mir das klar, Corporal. Und wer sagt Ihnen, daß wir unüberlegt handeln werden?« »Sie wollen ihn verfolgen«, gab Garth zu bedenken. »Das könnte unüberlegt sein. Warten wir hier. Eine weiße Frau, gut. Aber Geld, Gewehre und Pferde bedeuten ihm letzten Endes mehr. Das allein ist Miß Bellmonds Chance, am Leben zu bleiben.«
»Ich habe das Kommando«, erwiderte Mark schroff und wandte sich ab. »Frühstückt und sattelt dann!« Aber Garth ließ nicht locker. »Sir, ich halte es nicht für klug...« Mark blieb stehen und drehte sich langsam um. »Ich gebe hier die Befehle, Corporal Garth!« schnarrte er. »Aber nicht nur das. Ich trage auch die Verantwortung. Sie sollten das eigentlich wissen.« Er ließ Garth stehen und lief zum Feuer, wo Callahan die Becher mit Kaffee füllte. Mark hatte seinen Kaffee gerade ausgetrunken, als er Clarents rufen hörte: »Reiter! Dort kommen Reiter!« Die Männer rotteten sich zusammen, die Sattelkarabiner in den Fäusten, und blickten auf die beiden Reiter, die im Westen aufgetaucht waren und direkt auf das Biwak zugaloppierten. »Das sind Weiße! Amerikaner!« sagte Walt Erskin voll Hoffnung. »Vielleicht haben die etwas gesehen.« »Warten wir ab!« sagte Mark mit dumpfklingender Stimme. Schweigend warteten sie die Ankunft der beiden Männer ab, die in einem wiegenden Galopp durch den Sand geritten kamen. Sie führten ihre Pferde bis an die Feuerstelle und hielten. »Sind Sie Lieutenant Conroy?« wandte sich einer an Mark, nachdem er die Uniformen der Männer gemustert hatte. Mark nickte lächelnd und hob kurz die Hand an den Hut. »Ja, der bin ich. Doch woher kennen Sie meinen Namen, Mister?« »Ich kenne Ihren Namen von Marian Bellmond, die wir heute Nacht aus dem Wagen geholt haben«, antwortete der Mann. Mark schloß die Augen zu schmalen Schlitzen. Spannung machte sich breit. Ein kurzes Raunen lief durch die Reihe der Soldaten. Dann flogen die Karabiner hoch. Mark streckte den Arm hinter und winkte ab. Langsam trat
er an das Pferd des Mannes. »Arbeiten Sie etwa für Chavez?« »Chavez? Wer ist das?« fragte der Mann. »Sagen Sie schon, was Sie wollen, verdammt, und machen Sie es kurz!« verlangte Mark grob. »Nur langsam!« warnte der Mann. »Sie wollen die Frau doch wiedersehen, nicht wahr? Ich meine, Sie besonders.« Mark starrte zu ihm hinauf. »Für dreißigtausend Dollar, wie?« rasselte seine Stimme. »Sie haben auch noch Gewehre und Pferde!« Mark kannte sich mit Männern aus. Er hatte schon mit Banditen gekämpft, mit Revolvermännern, denen die Lust zum Töten aus den Augen blickte. Er hatte in Apachenaugen gestarrt und mordgierigen Bandoleros in die Gesichter gesehen. Er wußte also ganz genau, welche Sorte er vor sich hatte. Deshalb griff er blitzschnell zu und warf den Burschen aus dem Sattel in den Sand und versetzte ihm in seinem Zorn noch einen Tritt, daß er sich überschlug. Den zweiten Mann hielten die anderen mit ihren Gewehren in Schach. Der Mann richtete sich auf die Ellenbogen und sah Mark wütend an. »Wir werden das Mädchen umbringen, oder ihr das Gesicht zerschneiden, wenn Sie nicht tun, was wir verlangen.« Mark ging zu ihm, bückte sich blitzschnell, ließ das Gewehr fallen, packte ihn bei den Schultern und riß ihn hoch. »Ich glaube, ihr wißt nicht ganz genau, mit wem ihr euch angelegt habt!« fauchte er ihm ins Gesicht. Dann schob er ihn zurück und streckte ihn mit einem fürchterlichen Haken nieder, daß er sich abermals überschlug, diesmal aber bewußtlos liegenblieb. Mark fegte auf dem linken Absatz herum und riß den ArmyColt aus der Halfter. »Nun Sie, Freund! Herunter vom Pferd, oder ich treibe Sie mit Blei aus dem Sattel.« »Sie sind verdammt leichtsinnig«, sagte der Mann und hob langsam die Arme. »Was hier geschieht, wird genau beobachtet. Ihre Braut wird das vielleicht schon in einer halben Stunde zu bereuen haben. Denken Sie auch daran, was Ihnen
der General erzählt, wenn Sie ihm seine Tochter nicht gesund nach Camp San Carlos bringen.« Mark feuerte zweimal und schoß ihm den Hut vom Kopf. Da stieg er ab, unsicher und auf einmal bleich im Gesicht. Mark ging zu ihm und rammte ihm die Waffe in den Bauch. »Und nun reden Sie, Mann, oder ich schlage Ihnen jedes Wort aus dem Leib. Wo finden wir das Mädchen?« »Bringen Sie mich um!« sagte der Mann schweratmend. »Wenn ich rede, erledigen mich später andere.« »Für dich wird es kein später geben.« »Sie schaden dem Mädchen, Lieutenant!« Corporal Garth stieß Sayer und Callahan zur Seite und stapfte wütend zu Mark, packte ihn an der Schulter und riß ihn herum. »Hören Sie ihm denn überhaupt nicht zu, Lieutenant?« schrie er Mark ins Gesicht. »Wie sprechen Sie denn mit mir, Corporal!« donnerte Mark. »Soll ich Sie vielleicht auch erst zu Boden schicken, damit ich hier auf meine Weise die Sache bereinigen kann? Treten Sie zurück!« Garth starrte Mark einen Moment wütend in die Augen. Dann machte er kehrt und lief zu den anderen zurück. »Der Lieutenant ist jetzt nicht mehr aufzuhalten!«« sagte Munroe leise. »Der läßt sich weder die Pferde noch das Geld und die Gewehre, noch seinen Stolz und seine Ehre vom Balg trampeln. Der erreicht sein Ziel mit Pferden und Wagen, und wenn er damit allein ankommt. Das ist ihm anscheinend gar nicht so wichtig. Wenn er nur hinkommt und sein Ziel erreicht, wenn er nur schafft, was er sich vorgenommen hat.« Mark und der Mann vor ihm hatten zugehört und ihn auch verstanden. »Dieser Mann kennt mich«, sagte Mark scharf und verstärkte den Druck mit der Waffe. »Er kennt mich sogar sehr genau. – Also reden Sie schon!«
»Es ist alles...« »Ja! Was?« knurrte Mark. »Reiten Sie durch den Canyon«, sagte der Mann krächzend. »Biegen Sie am Ende nach Süden ab. Nach drei Meilen kommen Sie in einen kleinen Kessel, in dem eine verlassene Ranch steht. Wenn Sie sich beeilen, Lieutenant... Aber ich sagte Ihnen ja, daß einer von uns zugesehen hat.« Mark schaute sich spähend um. »Dort drüben!« krächzte der Mann und streckte den Arm aus. »Wenn Sie schnell sind. Er muß vor ihnen durch den Canyon reiten, um nach Süden zu kommen.« »Und dort finde ich das Mädchen?« Der Mann nickte. »Es sei denn, er ist vor Ihnen dort.« Er schluckte. »Sie lassen uns doch laufen?« »Ja!« bellte Mark. »Packt euch. Bringen Sie Ihren Kumpanen zu sich und dann schert euch zum Teufel. Wenn ihr in drei Minuten noch da seid, lasse ich euch aufhängen.« Er wandte sich ab, bückte sich nachdem Gewehr und lief zu den Pferden hinüber. »Sergeant Erskin! Reiter Munroe! Reiter Sayer! Rasch! Corporal Garth, Sie übernehmen das Kommando. Treiben Sie langsam weiter, und wenn Sie angegriffen werden, igeln Sie sich am Wagen ein.« Walt Erskin, Munroe und Sayer stürzten zu ihren Sätteln und rannten zu den Pferden. Sekunden später stoben die vier Reiter Seite an Seite davon. Die anderen sahen ihnen nach, bis sie zwischen den Felsschultern verschwunden waren. »Ich wünsche ihm Glück, diesem Rauhbein«, sagte Garth. »Aber nur wegen des Mädchens.« »Ich habe gedacht, er hätte sie gern«, murmelte Harding und schüttelte den Kopf. »Was wißt ihr denn schon von Lieutenant Conroy!« sagte Callahan da wütend und spuckte in den Sand. »Keinen Streit!« reif Garth. »Wir haben zu tun.«
Sie gingen jedoch nicht auseinander. Keine zwanzig Schritte von ihnen entfernt half der Bandit seinem angeschlagenen Kumpan auf die Beine und stapfte mit ihm zu den Pferden. »Warum lassen wir die eigentlich laufen?« meinte Callahan zu Garth. »Wenn der Lieutenant Pech hat oder wir angegriffen werden, sind sie eine glatte Lebensversicherung. Schließlich sind das keine Bandoleros, die sich gegenseitig rücksichtslos über die Klinge springen lassen. – Nehmen wir sie doch mit!« Roul Harding bewegte sich sofort vorwärts, den Karabiner in der Faust. »Halt!« sagte er zu den Männern, nachdem Garth zustimmend genickt hatte. Die beiden blieben stehen und sahen ihn argwöhnisch an. »Ihr bleibt bei uns!« sagte Harding. »Tom, übernimm sie!« wandte er sich an Rawlins. Rawlins ging hin und entwaffnete sie. »Los, zum Wagen! Da könnt ihr euch nützlich machen. Ich binde euch beide auf dem Bock fest.« Er grinste. »Die Hände lasse ich euch frei. Aber die Arme, die binde ich euch an den Sitz, verbunden mit einer Schlinge um den Hals, die sich zuzieht, sobald ihr meint, ihr müßt freikommen. Geht schon!« *** Jim Ferguson stand auf und sah dem Reiter entgegen, der im schnellen Ritt näherkam. Die Männer hinter ihm erhoben sich ebenfalls. »Daß Phil allein kommt, ist ein verdammt schlechtes Zeichen«, sagte einer von ihnen. Jim Ferguson hatte auf einem Streichholz gekaut. Er spie es aus und setzte sich den Hut gerade, den Blick unverwandt auf Phil gerichtet. Eine Minute später könnt er an Phils Gesichtsausdruck erkennen, daß die Sache nicht so ausgefallen war, wie sie alle
gehofft hatten. Phil hielt und ließ sich aus dem Sattel gleiten. »Nun rede schon!« verlangte Jim Ferguson ungehalten. »Die Blaujacken haben sauer reagiert, Jim«, sagte Phil. Er war von dem schnellen Ritt noch völlig außer Atem und japste und keuchte. »Um einen Kampf werden wir nicht herumkommen. Sie haben Greg und Jeff überwältigt. Jeff muß ihnen die Geschichte von der Ranch überzeugend aufgetischt haben. Jedenfalls sind jetzt vier Mann von ihnen dorthin auf dem Weg. Die anderen fünf Blaujacken sind bei den Pferden und dem Wagen geblieben. Ich glaube, sie werden weiterziehen.« Jim Ferguson schöpfte tief Atem und starrte brütend an Phil vorbei. »Die scheinen einfach nicht zu glauben, daß wir Marian etwas antun«, sagte Phil. »Quatsch!« donnerte Jim Ferguson. »Wenn Jeff sie zur Ranch geschickt hat, bilden sie sich einfach ein, schneller zu sein als wir. Aber das werden wir ihnen gründlich verderben.« »Sollten wir nicht lieber die anderen angreifen?« fragte einer der Männer hinter ihm. »Wir sind sechs Mann.« »Was würde uns das nützen?« fragte Jim Ferguson. »Die anderen vier hätten wir ziemlich früh auf dem Hals. Nein, wir reiten zur Ranch. Bis die Kerle dort sind, vergehen drei Stunden. Die kennen die Gegend nicht und werden den Weg wählen, den ihnen Jeff beschrieben hat.« »Wenn nicht drei Mann von uns Marian bewachen müßten, waren wir stark genug, um Pferde und Wagen zu erbeuten und uns die vier vom Hals zu halten«, sagte ein anderer. Jim Ferguson warf ihm einen wütenden Blick zu. »Wir reiten zur Ranch, erledigen die vier und holen uns dann die Pferde und den Wagen. Es ist nichts verloren. Gar nichts. Wir haben vorher jede Möglichkeit in Erwägung gezogen. Daran halten wir uns jetzt auch. Auf die Pferde! Wir reiten zur Ranch.
– Du hast noch das Zeug von Marian im Packen, Tony?« Tony nickte. »Ja, Wäsche und ihren Anzug.« »Kommt zu den Pferden!« befahl Jim Ferguson. Wenig später jagten sie im gestreckten Galopp los. *** Mark sah sich spähend um. Zweifel plagten ihn jetzt zusätzlich zu seiner Sorge um Marian. Der Black Rock Canyon lag hinter ihnen. Doch sie waren nun schon zwei Stunden unterwegs, ohne von dieser verdammten Ranch etwas zu sehen. Auch jener Reiter, der irgendwo in der Nahe ihres Biwaks auf der Lauer gelegen haben sollte, war ihnen nicht begegnet. »Die Pferde, das Geld und die Gewehre soll der Teufel holen«, sagte da Walt Erskin neben ihm. »Ich mache mir allein Sorgen um Miß Bellmond. Wenn wir sie nicht rechtzeitig genug finden und befreien...« »Dort vorn steht ein halbzerfallener Zaun«, sagte Mark. »Hier muß eine Ranch in der Nähe sein.« »Wir hätten diesen Bastard mitnehmen sollen«, meinte Munroe. »Wozu?« brummte Mark. »Ich sehe, wann ein Mann Angst hat und wann nicht.« »Wer Angst hat, muß nicht unbedingt die Wahrheit sagen, Sir!« rief Sayer von der anderen Seite herüber. »Seid endlich still, verdammt!« fauchte Mark. »Mich plagen selbst Zweifel genug, und ich weiß, was ich Marian Bellmond gegenüber auf mich genommen habe. Euer verdammtes Genörgle geht mir auf die Nerven!« Er hielt sein Pferd an. Die anderen blieben neben ihm stehen. »Wollen wir nicht besser umkehren, Sir?« fragte Walt Erskin. »Wieso besser, Sergeant? Können Sie mir das erklären, wo
Sie genau so wenig wissen wie jeder von uns!« fuhr ihn Mark gereizt an. »Wollen wir nicht umkehren, Sir?« wiederholte Erskin seine Frage. »Nein!« versetzte Mark. »Dort ist ein alter ausgefahrener Weg. Es wächst viel Gras drauf und auch Kakteen wachsen zwischen den Spurrillen, so lange ist er nicht mehr benutzt worden. Und dieser Mann hat von einer zerfallenen oder längst verlassenen Ranch gesprochen, nicht wahr?« Die drei Männer blickten in die gewiesene Richtung und folgten schweigend Mark, der sein Pferd auf den Pfad trieb. Sie setzten ihren Ritt fort und folgten dem alten Fahrweg, den sie – außer Mark – zuvor gar nicht gesehen hatten. Sie waren dann fast drei Stunden unterwegs, als sie in einen engen Kessel kamen. Sie entdeckten auch sofort ein schwarzblinkendes Dach, und sie sahen Rauch aufsteigen, dünn wie ein Wollfaden. Sie ritten noch ein Stück, verließen den Fahrweg und hielten hinter einer Gruppe Krüppelkiefern an. »Das sieht mir alles friedlich und ruhig aus, wenn nicht gar ahnungslos«, sagte Mark und grinste zufrieden. »Die Pferde bleiben hier. Wir gehen zu Fuß weiter.« Die Sattelkarabiner in den Fäusten, gingen sie kurz darauf weiter. Sie liefen geduckt und nutzten jede Bodenwelle und jeden dürren Baum aus, bis sie das Gebäude vor sich hatten. Es war ein altes verwahrlostes Anwesen. Stallungen und Scheunen waren zerfallen. Auch das Ranchhaus selbst war nur noch eine alte Bruchbude. Aber der Schornstein rauchte, und unter dem Vordach hing Frauenwäsche und die Hose und Bluse, die Marian getragen hatte! »Ich denke, wir sind hier richtig«, raunte Mark und lud den Karabiner so langsam durch, daß nicht einmal ein leises Knacken zu hören war.
»Ich weiß nicht, Sir!« flüsterte Walt Erskin. »Nirgends ein Posten.« »Hinter dem Haus stehen Pferde«, raunte Sayer. »Sehen Sie nach, wie viele!« zischte Mark leise. Sayer verschwand. Es dauerte nicht lange, da kam er schon wieder zum Vorschein. Er hob die Linke und reckte vier Finger hoch. »All right!« brummte Mark. »Ein Pferd ist bestimmt für Marian Bellmond. Folglich haben wir es mit drei Männern zu tun.« »Aber wie gehen wir jetzt vor, ohne daß dem Mädchen noch viel geschehen kann?« fragte Walt Erskin heiser und gespannt. »Wenn auch nur ein Schuß fällt, ist sie sofort in größter Gefahr.« »Könnt ihr etwas durch die Fenster erkennen?« fragte Mark verhalten. Sayer schüttelte den Kopf. »Die sind so dreckig, daß sich nicht einmal der Himmel darin spiegeln könnte.« »Der Tränktrog und die Mesquitebüsche geben bis dicht ans Haus Deckung«, raunte Mark. »Ich schleiche zuerst hinüber. Sobald ich neben dem Haus auftauche, kommen Sie mir nach, Sergeant. Ihr anderen bleibt hier und achtet auf die Umgebung.« Die Männer nickten. Mark sah sich noch einmal um, dann lief er geduckt los. Er nutzte die spärliche Deckung aus und landete mit einem letzten Sprung am Haus, wo er sich aufrichtete und Walt Erskin winkte. Erskin nahm den gleichen Weg und kam ebenfalls ungesehen bis an das Gebäude. Mark nahm den Revolver noch in die Hand. »Wir müssen hinein, Sergeant. Anders geht es nicht«, flüsterte er. Er schaute auf die Wäsche von Marian, die vor seiner Nase im Wind hing und seufzte. »Also vorwärts!« Er glitt zur Tür, klemmte sich den Karabiner unter den Arm
und legte die Hand auf den Holzriegel. Dann schob er ihn aus der Halterung. Langsam und vorsichtig! Sergeant Erskin stand dicht hinter ihm und schaute sich fortgesetzt um. Ihm war die Sache nicht geheuer, da nicht ein Laut aus dem Haus drang. Mark ließ dann den Riegel los, packte die Tür und nickte Erskin zu. Er warf die Tür mit einem wilden Ruck herum, sprang in das Haus, warf sich drinnen zu Boden und rollte sich blitzschnell zur Seite, Gewehr und Revolver schußbereit in den vorgereckten Fäusten. Auch Walt Erskin warf sich in dieser Weise vorwärts. Morsche Dielenbretter krachten unter ihnen weg, und es donnerte und staubte, als die beiden schweren Männer so vehement über den Fußboden des zerfallenen Ranchhauses rollten. Doch in dem Haus befand sich kein Mensch. Der Sergeant sprang sofort auf und stürzte in den zweiten Raum hinein. Das Gebäude war leer. »Eine Falle, Lieutenant!« rief Erskin. »Rasch hinaus!« Da krachte es draußen schon. Mark und der Sergeant rannten zur Tür. Sie konnten nur Munroe und Sayer sehen, die sich schießend auf das Haus zubewegten. Erskin rannte zu einem der Fenster, schlug die Scheibe in Stücke und brachte das Gewehr in Anschlag. Da sah er auch schon ihre Feinde kommen. Sie trieben Sayer und Munroe vor sich her zum Haus. »Kommt!« brüllte Mark, »rein in die Bude!« Der Sergeant begann zu feuern. Auch Mark schoß, um Sayer und Munroe Feuerschutz zu geben. Naß vom Schweiß und vollkommen außer Atem stolperten sie hintereinander ins Haus. Mark warf die Tür zu und legte den Riegel vor. »Wieviele sind es, Sayer?« fragte er. »Haben Sie das feststellen können?« »Fünf oder sechs.«
»Wir müssen hinaus und wenigstens feinen erwischen!« sagte Mark mit krächzender Stimme. Die Sorge um Marian raubte ihm fast den Verstand. »Ich glaube, wir haben schon Glück, wenn wir zu unseren Pferden kommen«, meinte Munroe. »Munroe, gehen Sie zu Sergeant Erskin ans Fenster!« befahl Mark. »Schießt, was die Rohre hergeben, sobald ich hinausspringe. Sayer, Sie nehmen dann hier meinen Platz ein. Sobald ihr mein Gewehr hört, kann der nächste kommen. Wir kämpfen uns nach links vom Haus weg. – Jetzt, Erskin! Munroe! Schießt!« Der Sergeant und Munroe feuerten auf die Gestalten, die, von einer Deckung zur anderen springend, sich dem Haus näherten. Mark holte Luft, warf den Riegel zurück, trat die Tür auf und sprang hinaus. Er feuerte mit dem Gewehr und rannte sofort nach links. An der Hausecke prallte er aber mit einem Mann zusammen, der zumindest genau so überrascht war und erschrak wie er. Sie verloren das Gleichgewicht und stürzten ineinander verkrallt zu Boden. Marks Gegner war ein breiter und schwerer Mann, der diesen Vorteil sofort einzusetzen versuchte. Er schlug und trat wie rasend, traf Mark in den Magen und an den Kopf, rang ihm erst das Gewehr aus der Faust und versuchte dann auch seinen Revolver in die Hand zu bekommen. Dabei drückte er Mark mit dem Ellenbogen die Kehle zu. Mark lief dunkel an, rang verzweifelt nach Atem und warf dann seine Geschicklichkeit und Erfahrung in die Waagschale. Er ließ den Mann nach einem Treffer los und streckte sich, schnellte dann aber vor, als sein Gegner glaubte, ihn erledigt zu haben, packte ihn an den Schultern, ließ sich wieder fallen, half mit den Beinen nach und schleuderte den Mann über sich hinweg Der Mann flog durch die Luft, krachte gegen die Hauswand
und blieb reglos liegen. Mark ergriff den Karabiner und drückte sich eng an die Hauswand, dabei preßte er seinem Gegner ein Knie in den Rücken. Dann krachte auch schon sein Gewehr. Sayer kam wie ein wütender Stier mit feuerspeiendem Revolver aus dem Haus gerannt, schwenkte ein und warf sich neben Mark zu Boden. »Passen Sie hinten auf, Sayer!« rief Mark. »Vielleicht kommt noch so ein Bastard hintenherum.« Als nächster brach Munroe aus dem Haus aus. Der Sergeant folgte ihm dichtauf. Auch Munroe ließ sich in Marks Nähe zu Boden fallen. Der Sergeant jedoch blieb vor dem Haus stehen und schoß. Plötzlich lief er zur anderen Seite weg. Einen Augenblick später sahen ihn die Männer zur Scheune rennen. »Narr!« bellte Mark und sprang auf. »Geben Sie auf den Burschen acht, Sayer! Kommen Sie, Munroe!« Munroe war schon auf den Beinen und stürzte vor Mark in Richtung der Scheune. Mark rannte dem kleinen untersetzten Kavalleristen nach, fiel hinter dem Tränktrog fast über einen Mann, den Munroe getroffen haben mußte, und ging dann, außer Atem, vor der Scheune in Deckung, während der Sergeant und Munroe darin verschwanden. Ihre Revolver krachten dort drinnen. Dann war es auf einmal seltsam still. Mark biß sich auf die Lippe, richtete sich auf und nahm das inzwischen nachgeladene Gewehr an die Hüfte. Da prasselte Hufschlag auf. Hinter der Scheune! Wieder krachten Revolver. Mark rannte los, lief an der Scheune entlang und stieß dort hinten auf den Sergeant und Munroe, die über die niedergebrochene Bretterwand ins Freie stiegen. – Der Hufschlag verhallte in der Ferne. Der Sergeant machte sofort kehrt, ohne ein Wort zu
verlieren. Munroe und Mark folgten ihm. In der Scheune stürzte sich Walt Erskin auf einen Mann, der auf dem Boden gelegen hatte und gerade davonrennen wollte. Der Sergeant schlug links und rechts zu und neigte sich dann vor. »Wo ist das Mädchen? Antworte! Wo habt ihr sie hingebracht?« »Aber was wollen Sie denn von mir?« rief der Mann winselnd. »Keiner tut ihr etwas. Es ist doch alles nur Bluff. Sie gehört doch...« Da krachte in der Scheune ein Revolver und der Mann brach tot zusammen. Munroe sprang zur Seite und schoß auf einen Mann an der Wand, den er längst tot geglaubt hatte, weil er schon dort lag, als sie hereinkamen. »Das hätten Sie nicht tun sollen«, sagte Mark schroff. »Er hätte die Geschichte vielleicht fortgesetzt. Wenn auch nicht gleich.« »Was kann er nur gemeint haben, Sir?« fragte Erskin verständnislos. »Wieso soll das alles nur ein Bluff sein?« »Ich verstehe es auch nicht, Sergeant«, erwiderte Mark. In diesem Augenblick kam Sayer in die Scheune. Sie wandten sich zu ihm um. »Wo ist der Gefangene?« fragte Mark. »Der liegt noch da draußen. Wozu soll ich einen toten Mann bewachen? Geht es nun weiter, oder wie sehe ich das?« »Wir müssen auf dem schnellsten Weg zur Herde!« befahl Mark. »Los!« Sie verließen die zerfallene Ranch und kehrten zu ihren Pferden zurück. Alle vier gingen sehr schnell, weil sie befürchteten, daß die Banditen auf dem Weg zu ihren Kameraden bei der Herde waren. Bald darauf jagten sie Bügel an Bügel zurück. ***
»Ja, die Blaujacken sind aus hartem Holz«, sagte Jim Ferguson gereizt. »Aber das macht nichts. Wir sind noch viel härter.« Sein Blick streifte Marian, die gefesselt auf einem umgekippten Futterkübel saß. »Wir werden diesen Bastard von Offizier schon zwiebeln. Und ich weiß auch schon wie.« Er sah die Männer an. »Kommt mal mit raus«, sagte er, stampfte los und verließ die Blockhütte, die den Herdenwächtern der verlassenen Ranch als Unterkunft gedient haben mußte. Sie lag gute zwei Meilen von den Ranchgebäuden entfernt am Rande eines grünen Kessels. Die Männer folgten ihm. Greg Dayan zwinkerte Marian verstohlen zu. Jim Fergusons Blick wanderte wieder. »Wir schneiden ihr die Haare ab und schicken sie dem Kerl.« »Mit der Post?« grinste Greg Dayan. Jim Ferguson starrte ihn an. »Ein großer Mund sitzt niemals an einem gescheiten Kopf.« »Wieviel Männer willst du denn noch verlieren?« fragte Greg Dayan kühl. »Der Anblick ihres Haares wird den Kerl schon kirre machen«, sagte Jim Ferguson mit rasselnder Stimme. Wieder glitt sein Blick von einem zum anderen. »Außerdem hat er einen General im Nacken!« Greg Dayan verzog sein Gesicht. »Dahinter ist der Bastard doch längst gekommen.« »Woher willst du das wissen?« schnarrte Jim Ferguson. Greg Dayan zuckte mit den Schultern. »Sonst wäre er kaum zur Ranch geritten. Damit hat er das Leben der Generalstochter doch glatt aufs Spiel gesetzt, oder? Der Lieutenant hat längst herausgefunden, daß Marian keine Generalstochter ist, und daß sie zu uns gehört, wird er sich zusammenreimen können. Auch wenn er sich in sie verknallt hat und sie in ihn, kann er darauf setzen, daß sich Marian bei uns nicht in Gefahr befindet.« »Und wo ist der Pferdefuß?« fragte Jim Ferguson gereizt.
»Welcher Pferdefuß?« »Warum du mir das alles gesagt hast, will ich wissen, du Siebenmal-Gescheiter!« donnerte Jim Ferguson. Greg Dayan zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. »Ich dachte, das weiß jeder! Die Kiste ist doch zertreten. Kampflos bekommen wir die Beute nicht mehr. Marian kannst du getrost laufen lassen. Sie ist ein Trumpf, der nicht mehr zieht. Probiere das doch selbst aus. Schneide ihr das Haar ab und reite damit zu den Kavalleristen. Dann besitzt der Lieutenant drei Gefangene. Aber vielleicht tauscht er euch gegen Marian aus. Frage ihn!« Jim Ferguson starrte ihn an. Sein Gesicht färbte sich dabei dunkel. »Das werde ich auch tun!« zischte er. »Ich werde Marians Haar nehmen und es ihm um die Ohren schlagen. Mal sehen, ob er das Leid seiner Puppe ertragen kann.« »Seine Karriere wird ihm Marian nicht wert sein!« versetzte Greg Dayan. »Und wenn das mit den Haaren nicht zieht, so schickt ihr Marian zu ihm ins Biwak. Auf einem Pferd. Tot!« bellte Jim Ferguson. »Ich weiß schon, daß du ein zu allem entschlossener Mann bist, Jim«, erwiderte Greg Dayan gleichgültig. »Dann ist Marian tot, aber du, Jeff und Tony ebenfalls; denn der Lieutenant wird euch gewiß alle drei sofort aufknüpfen. Und wir, wir haben die Beute noch immer nicht.« Jim Ferguson ballte die Hände zu harten Fäusten. »Oder bildet ihr euch ein, daß der Lieutenant anders reagiert?« wandte sich Greg Dayan an die Männer. »Ich habe da eine viel bessere Idee!« warf der Alte ein, der Joster hieß. »Du läßt ihr die Haare, Jim, nimmst sie und reitest ins Biwak. Dabei hältst du ihr den Revolver an den Kopf, und wenn der Kerl nicht tut, was du verlangst, schießt du ihr eine Kugel in den Kopf. Vor seinen Augen. Und danach legst du ihn um, und wir kommen von hinten.«
Jim Ferguson musterte ihn wild, lächelte aber plötzlich. »Alter Schlaumeier! Aber die Idee ist wirklich gut. Endlich mal ein vernünftiger Vorschlag, statt dummes Gerede.« Sein Blick wanderte wieder von einem zum anderen. Zuletzt sah er den Alten an. »Ich werde nur in der Reihenfolge anders vorgehen. Ich werde den Offizier zuerst erschießen, und Marian werde ich als Schild vor meinen Körper halten, so daß mir gar nichts passieren kann. Und dann kommt ihr von hinten.« Die Männer grienten. Auch Greg Dayan. »Hole du sie raus!« befahl Jim Ferguson und streifte Greg Dayan mit einem flüchtigen Blick. »Wir satteln!« Während er mit den Männern zu den Pferden ging, betrat Greg Dayan die Blockhütte und griff nach dem Messer. »Wie lange bist du mit diesem Burschen eigentlich schon zusammen?« fragte er wütend. »Meinst du Jim damit?« »Wen denn sonst?« knurrte er und zerschnitt den Strick. »Warum fragst du?»« wollte sie wissen. »Weil dieser Hundesohn glatt entschlossen ist, dich über die Klinge springen zu lassen.«. Während sie sich die Handgelenke massierte, schaute sie ihn verständnislos an. »Er wird jetzt mir dir zu den Kavalleristen reiten, um den Lieutenant zu erschießen. Dich will er als Schutzschild vor sich halten. Wenn die Soldaten also auf ihn schießen, treffen sie erst einmal dich.« »Das glaubst du doch selbst nicht!« »Du hast zwei Möglichkeiten«, erwiderte er. »Entweder du wirst das erleben, oder du türmst mit mir.« »Was? Bist du verrückt geworden? Ein Wort davon zu Jim und du bist erledigt. Was hast du dir denn jetzt schon wieder ausgedacht?« »Der Lieutenant kriecht nicht zu Kreuze. Er hat dich zu
befreien versucht.« Sprachlos sah sie ihn an. Greg Dayan nickte. »Ja, er hat dein Leben riskiert, wenn er dich für General Bellmonds Tochter hält. Also wird er Bescheid wissen. Er weiß, daß du zu uns gehörst und nur Lockvogel bist. Er wird auch Jim Ferguson nicht glauben, daß er dir etwas antut, so ernst dieser Hundesohn es auch meint.« »Greg! Bring sie raus!« tönte vor der Blockhütte Jim Fergusons Stimme. Greg Dayan lächelte gereizt. »Begreifst du nun, wem du dich da die ganze Zeit an den Hals geschmissen hast? Himmel, was hättest du für Männer haben können! Damit meine ich nicht einmal mich. Ausgerechnet auf den bist du hereingefallen.« Er ergriff sie am Arm und führte sie ins Freie. »Du willst es ja so.« Die Männer standen bei den Pferden, die sie inzwischen gesattelt hatten. Marian stieß Greg Dayan zurück und ging zu Jim Ferguson. »Was hast du vor, Jim?« »Habe ich mich von dir getrennt, oder du dich von mir?« fragte Jim Ferguson gelassen. »Beantworte meine Frage!« verlangte sie. Er schüttelte den Kopf. »Du gehörst nicht mehr zu uns, also mußt du auch nicht mehr alles wissen.« »Ich bitte dich, gib auf, Jim! Der Lieutenant hat von Anfang an geahnt, daß ich nicht General Bellmonds Tochter bin.« »Das ist jetzt auch nicht mehr wichtig. Der kann glauben, was er will.« Er ergriff sie und schob sie zu einem Pferd. »Steig auf! Du siehst deinen Herzallerliebsten gleich wieder.« Marian stieg in den Sattel und schaute auf Greg Dayan, der hinter Jim Ferguson stand, die Hand am Colt. Aber da drehte sich Jim Ferguson schon nach ihm um, stieß ihn zur Seite und ging zu seinem Pferd. Alle saßen auf und dicht gedrängt ritten sie los. Marian in
der Mitte. Nach zehn Minuten hielten sie schon wieder an. Drei Reiter kamen ihnen entgegen. Mexikaner! Bandoleros! »Achtung!« zischte Jim Ferguson sofort und schaute sich schnell um. »Diese Halunken sind nicht allein.« Flugs griffen die Männer zu den Gewehren. Jim Ferguson griente, als er den Kerl in der Mitte erkannte. Er stützte die Fäuste aufs Sattelhorn und zog die Schulterblätter hoch. »Wartet noch mit dem Blei! Das ist mein alter Freund Chavez. Aber seid um Himmels willen auf der Hut.« Gelassen wartete er, bis die Mexikaner vor ihnen hielten. »Hoho! Altes Freund, Jim!« lachte der Bandolero-Jefe. »Viele Sommer nicht mehr gesehen. Que tal – wie geht es?« Jim Ferguson betrachtete den Verband, den der Mexikaner um den rechten Oberarm trug. »Federn gelassen? Warum denn?« »So etwas bringt Chavez nicht um.« Er lachte. »Schöne Frau hast du, Amigo-mio!« Jim Ferguson nickte. »Möchtest du wohl haben, was?« »Ist nicht deine Frau, Freund Jim!« »Du ackerst hier auf fremdem Boden, Chavez.« »Oh!« gab sich der Mexikaner überrascht. »Grasen Chavez auf deiner Weide?« »Allerdings!« Chavez streckte den linken Zeigefinger vor und zählte Jim Fergusons Crew. »Um die Frau zu behalten, hast du zu wenig Männer«, sagte er danach und lächelte freundlich. »Wenn Chavez pfeifen, der Kampf beginnt.« »Bluffe nicht! Du hast noch weniger Männer.« »Gib Chavez diese Frau!« »Gleich lache ich mich dämlich.« »Hinter uns!« raunte der alte Joster. »Wir sind umstellt, Jim.« »Halt’s Maul! Ich bin ja nicht blind«, raunte Jim Ferguson, und lächelte den Bandolero-Jefe an. »Vielleicht können wir
miteinander ins Geschäft kommen. Ich habe dich vor Jahren mal kräftig unterstützt. Jetzt kannst du dich revanchieren. Dafür würde ich dir die Frau schenken.« »Chavez pfeifen und Frau gehört ihm.« »Von deinen Leuten würden aber auch ein paar draufgehen. Du sicherlich mit. Was haben wir beide denn jetzt schon in der Hölle zu suchen? Wäre das nicht ein bißchen früh für uns?« »Olala! Amigo-mio! Die Soldaten haben Pferde, Geld und Gewehre. Das willst du alles für dich? Und ich soll mich mit der Frau zufrieden geben. Mama-mio! Sie würde weinen und Chavez als dummen Sohn bezeichnen.« Er lachte meckernd. »Für dich die Gewehre!« »Soldaten wollen nach Camp San Carlos. Ist nicht mehr weit. Wir hier lange feilschen, alles vorbei.« Er fuhr sich unter der Nase entlang. »Was schlägst du vor?« wollte Jim Ferguson wissen. »Wir teilen! Halbe halbe!« »Das könnte gehen!« Jim Ferguson nickte. »Aber da ist noch die Frau, die du gern haben möchtest.« Der Mexikaner lächelte gerissen. »Du wolltest sie mir schenken, Amigo-mio.« Jim Ferguson nickte abermals. »Sie gehört dir, Amigo!« Der Mexikaner steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus. Die Männer schauten sich um. Zehn Bandoleros kamen ringsum zum Vorschein. » »Ein Dutzend dieser Bastardos nur!« raunte der alte Joster krächzend. »Jim, warum hast du dich auf diesen Handel eingelassen? Diese Burschen putzen wir doch weg wie nichts.« »Nun mal die Ruhe!« erwiderte Jim Ferguson flüsternd. »Abgerechnet wird zum Schluß. Und mit diesen Hundesöhnen rechnen wir ab! Zum Schluß. Dann, wenn wir alles haben. Und da werden die Mexikaner noch ein paar weniger sein. Die
Blaujacken wehren sich doch, oder?« Der alte Joster grinste. »Ein hervorragender Rechner bist du schon immer gewesen.« Die Mexikaner ritten an. Jim Ferguson brachte seinen Braunen in Gang und streifte dabei Greg Dayan mit gereiztem Blick. »Daß ich ein guter Rechner bin, scheint einer fortgesetzt zu vergessen!« raunte er dem Alten zu. *** Corporal Garth trabte heran. »Wir werden verfolgt, Lieutenant!« meldete er vom Pferd herunter. Mark ging zu ihm und nahm das Pferd an der Kinnkette. »Wieviele und wie weit sind sie hinter uns?« »Eine Meile, Sir!« Der Corporal sprang ab und nahm Haltung an. »Ich habe Bandoleros und Amerikaner gesehen. Ungefähr zwanzig Mann.« Mark übergab ihm das Pferd. »Erskin! Aufbruch!« rief er mit scharfer Stimme. Der altgediente Sergeant sprang auf und gab die entsprechenden Befehle sofort weiter. Gewissermaßen im Handumdrehen stand das Kommando abmarschbereit. Der Lieutenant rief den Sergeanten zu sich, der sich vor ihm aufbaute und knapp salutierte. »Sir!« Mark winkte auch den Corporal heran, der sich an Erskins Seite stellte und ebenfalls salutierte. Die Männer hoben die Köpfe und sahen gespannt herüber. Mark sah die beiden an. »Garth, Sie übernehmen die Pferde und treiben sie im Eilmarsch nach Camp San Carlos. Diese Hundesöhne, die uns da im Nacken sitzen, haben dann keine Chance mehr, Sie einzuholen. Erskin, Sie klemmen sich auf den Wagen und fahren, was das Zeug hält, nach Westen. Verkrümeln Sie sich im Gelände, aber hinterlassen Sie mir ein paar Zeichen, damit ich in der Nacht zu Ihnen aufschließen
kann. Garth, melden Sie dem General unsere Schwierigkeiten. Er soll uns eine Schwadron entgegenschicken.« Die beiden Männer starrten ihn an. »Sir, was soll ich dem General melden oder berichten, wenn er nach seiner Tochter fragt?« »Danach wird er Sie nicht fragen, Corporal, denn er hat nie eine Tochter gehabt«, erwiderte Mark, hob die Hand an den Feldhut und trat zurück. »Aufsitzen und abrücken!« Erskin und Garth rissen die Sporen aneinander, machten zackig kehrt und Mark trat an sein Pferd. Er wartete, bis Erskin anfuhr und Garth mit dem Kommando die Pferde in Gang gebracht hatte. Dann saß er auf und ritt zurück. Rasch verhallte der Hufschlag im Norden, und die Staubfahne, die der Wagen aufwarf, verzog sich ebenso schnell im Westen. Als der Staubschleier nicht mehr zu sehen war, verließ Mark an einer unübersichtlichen Stelle die Fährte seiner Einheit. Er ritt zwischen hohen Felsschultern ein Stück nach Osten, saß ab und wartete. Keine Stunde verging, da sah er die Verfolger kommen. Banditen und Bandoleros. Deutlich war zu erkennen, daß sie Marian als Gefangene mitführten. Sie ritten schnell. Aber es bestand keine Chance mehr, daß sie an diesem Tag das Kommando noch einholen würden. Die Sonne sank schon weg, und hinzu kam, daß sie ihre Pferde zu scharf getrieben hatten. Damit ging Marks Rechnung auf. Sie lagerten auch schon weit vor der Stelle, an der sich der Wagen von der Pferdeherde getrennt hatte. Das würde am Morgen ein böses Erwachen geben! Er ließ sein Pferd zwischen den Felsschultern zurück, und nur den Revolver in der Faust, schlich er sich nach Einbruch der Dunkelheit dicht an das Camp der Banditen und Bandoleros. Posten hatten sie nicht ausgestellt. Wen hatte dieses Pack schon zu fürchten! Mit den Apachen kamen die
mexikanischen Bandoleros gut aus, weil sie eben nur Jäger waren, die dieses Gebiet durchstreiften und niemals bleiben wollten wie die Weißen. Alle saßen um ein großes Feuer. Er erkannte dort auch Marian. Daß sie an Händen und Füßen gefesselt war, sah er erst, als sich der Bandolero-Jefe zu ihr setzte, sie immer wieder in die Arme nahm, und sie nicht einmal wegrücken konnte. Die Mexikaner besaßen viel Wein. Die Banditen tranken zunächst nur mäßig, da sie an Whisky und Brandy gewöhnt waren. Doch später gingen die Krüge unablässig von Hand zu Hand. Es ging schon auf Mitternacht zu, als sich die ersten Männer zum Schlafen niederlegten. Mark befand sich inzwischen bei den Pferden, die an ein zwischen Pflöcken gespanntes Seil geleint waren. Er ließ Marian nicht aus den Augen. Der Bandolero-Jefe legte ihr eine Decke um die Schultern und wollte ihr zu trinken geben. Doch sie wandte sich ab. Das Gelächter der Männer gellte Mark in den Ohren. Wut ergriff ihn. Doch er beherrschte sich. Seine Stunde rückte ja heran. Unaufhaltsam. Marian legte sich am Feuer zum Schlafen nieder. Der Mexikaner deckte sie zu, und später legte er sich neben sie. Allmählich fiel das Feuer zusammen. Es rauchte stärker und stärker, und der Wind trieb den Qualm tief am Boden über die Schläfer hinweg. Bis ein Mann aufstand und den Wasserkessel über der Glut entleerte. Zischend stieg eine Wolke von weißem Dampf in die Dunkelheit, die der Wind durch die Nacht trieb. Stockdunkel war es. Mark kroch auf allen vieren vorwärts. Langsam und vorsichtig robbte er zwischen den Schläfern zur Feuerstelle. Chavez lag dicht neben Marian. Mark ging kein Risiko ein. Er schlug den schlafenden Bandolero-Jefe den Colt auf den Kopf. Gespannt verharrte er und schaute sich spähend um, ob dieser Hieb gehört worden war. Doch nichts rührte sich in dem
weiten Rund. Behutsam legte er Marian die Hand auf den Mund. »Still!« raunte er. »Ich bin es.« Es war so dunkel, daß er in Marians Augen gerade die Feuchtigkeit schimmern sehen konnte. Rasch schnitt er die Fesseln auf. Dann kroch er mit ihr zurück. Er kroch rückwärts, das Gesicht ihr zugewandt, da die Männer so dicht beieinander lagen, daß er es nicht wagte, sich zu drehen. Neben den Pferden erhob er sich und zog Marian auf die Füße. Da trat plötzlich ein Mann hinter den Pferden hervor. Es war Greg Dayan. Er hatte die gleiche Absicht wie Mark, und da Mark und Marian weit genug auseinander standen und die Silhouetten deutlich genug erkennen ließen, wer der Offizier war, schoß er auch sofort. Doch damit hatte Mark gerechnet. Auch sein Colt krachte. Haarscharf zischte Greg Dayans Geschoß an ihm vorbei. Seine Kugel aber traf. Greg Dayan schlug zu Boden und war damit von einem Augenblick zum anderen aus Marks und Marians Blickfeld verschwunden. An der Feuerstelle sprangen alle Männer auf die Beine. Rufe und Geschrei erklangen. Mark bückte sich und kappte das Seil, an dem die Pferde gebunden waren. Schnell lief er an den Tieren entlang und zog Marian mit. Zwei Schüsse und die Pferde rasten davon! Die Männer fluchten und schrien. Schüsse krachten. Dann rannten sie alle hinter den Pferden her, die wie wild nach Westen galoppierten. Mark nahm Marian an die Hand und lief mit ihr zu den Felsschultern zurück. Dort half er ihr aufs Pferd und schwang sich hinter sie. Niemand verfolgte sie. Mark ritt einen Bogen um das Camp, um Erskin zu suchen. Bislang hatte weder Mark noch Marian ein Wort verloren. Als sie nun spürte, daß sie außer Gefahr waren, wandte sie sich
ihm zu, umarmte und küßte ihn. *** Der Morgen graute, als Erskin den Hufschlag hörte. Er schreckte hoch und nahm den Sattelkarabiner in die Fäuste. Ein Reiter war das nicht nur. Der alte Sergeant fluchte und schaute sich spähend um. Er hatte den Wagen an der Felswand stehen. Die Reiter kamen die Schlucht heraufgeritten. Sobald sie sich auf der Ebene befanden, mußten sie den Wagen sehen. Er prüfte die Ladung. Da krachte ein Schuß. Erskin lief vom Wagen weg, um die Schlucht einsehen zu können. Drei Reiter waren das. Besser gesagt vier. Denn auf dem ersten Pferd saßen zwei Personen. Marian und der Lieutenant! Sie wurden von zwei Mexikanern verfolgt. Erskin riß den Sattelkarabiner an die Schulter und feuerte. Schuß auf Schuß jagte er an Marian und dem Lieutenant vorbei. Getroffen fiel einer der Verfolger seinem Pferd in die Zügel und schwenkte zur Felswand ab. Im nächsten Augenblick verlor der andere den Sombrero. Auch er blieb zurück. Erskin nahm den Karabiner in die Linke, rannte zum Wagen und wies dem Lieutenant die Richtung. Dabei entdeckte er tief unten in der Schlucht weitere Reiter. Als er auf den Wagen kletterte, hielt der Lieutenant neben ihm. »Fahren Sie zu, Sergeant!« rief er mit krächzender Stimme. »Fahren Sie direkt nach Norden. Ich halte die Bande auf.« Er half Marian vom Pferd auf den Wagen. Erskin griff mit zu. Mark wendete das Pferd und zog den Karabiner unter der Satteltasche hervor. »Was das Zeug hält, Erskin!« rief er. Die Peitsche knallte. Die Pferde zogen an. Von einem Augenblick zum anderen befand sich das Gespann im Galopp.
Die Wagenräder krachten über Steine und Felsleisten. Marian neigte sich aus dem Wagen und hob die Hand. »Mark! Doch nicht allein...« Er verstand nichts weiter, weil das Gefährt zuviel Lärm verursachte. Mark hob kurz die Hand, stieg von dem schweißnassen Pferd und kehrte zu Fuß zum Eingang der Schlucht zurück. Knapp hundert Yards standen die Felskegel am Eingang auseinander. Mark suchte sich eine Stellung. Wenn es ihm gelang, die Banditen zwei Stunden lang aufzuhalten, mußte Erskin die Zeit reichen, um in den Schutzbereich von Camp San Carlos zu gelangen. Wind wehte aus der Schlucht. Mark zog den Windriemen herunter und schob ihn sich unter das Kinn. Aus schmalen Augen blickte er in die Schlucht hinab. Die beiden Mexikaner, die ihn und Marian entdeckt und verfolgt hatten, ritten Seite an Seite abwärts. Der eine hing vornüber geneigt im Sattel, der andere hielt ihn an der Jacke fest. Vierzehn Reiter zählte Mark. Im dichten Pulk kamen sie die Schlucht herauf geritten. Als sie den beiden begegneten, gab es nur einen kurzen Aufenthalt. Breitgefächert, die Gewehre schußbereit in den Fäusten, ritten sie weiter. Mark nahm den Karabiner an die Schulter, korrigierte die Visiereinstellung auf dreihundert Yards, zielte kurz und setzte die Waffe wieder ab. Der Hufschlag der vielen Reiter hämmerte in der Schlucht. Rasch stieg das Geräusch höher und höher. Mark zielte wieder. Deutlich erkannte er den BandoleroJefe, dem er in der Nacht den Colt auf den Kopf geschlagen hatte. Sein unrasiertes Gesicht schimmerte feucht. Ihm hatte er Marian weggenommen, und er konnte spüren, daß der Mexikaner alles daransetzen wollte, um die Schande zu tilgen, die er in der Nacht erlitten hatte. Als sie Reiter nahe genug heran waren, richtete sich Mark
auf und jagte einen Schuß in die Luft. Die Reiter stoppten sofort. »Kehrt um!« rief Mark. »Wir liegen hier mit vier Mann, und wir schießen auf Mann und Pferd.« Sie berieten sich. Mark kannte nun alle Männer. Marian hatte ihm vieles erklärt und ihm die Männer beschrieben. Der massige Mann neben dem Mexikaner war Jim Ferguson. Er und Chavez waren sich einig. Beide jagten geschlossen los und die anderen folgten. Schreiend peitschten sie die Pferde vorwärts und schossen. Mark duckte sich und nahm den Sattelkarabiner an die Schulter. Schnell hintereinander jagte er die Kugeln hinaus. Nachdem er sich verschossen hatte, griff er zum Revolver. Aber da drehten die Angreifer schon ab. Drei Sättel waren leer. Zwei Männer blieben liegen. Der dritte kroch am Rand der Felswand zurück. Gerade hundert Fuß waren die Felswände hoch. Keine Viertelmeile entfernt hielten die Reiter an, saßen ab und erklommen die Felswände links und rechts der Schlucht. Mark verzog das Gesicht, hob den Karabiner, zielte sorgfältig und schoß. Er traf nicht! Die Männer fanden hinter Schroffen, Felsleisten und Vorsprüngen genügend Deckung. Er wußte, was das für ihn bedeutete: Den Rückzug. Es sei denn, er wäre bereit gewesen, sich in die Zange nehmen und zusammenschießen zu lassen, denn auf dem Plateau gab es am Ausgang der Schlucht keine Deckungsmöglichkeit. Er stand auf und schaute sich um. In der Ferne konnte er den Wagen noch über die sandige Ebene ziehen sehen. Deutlich hing der Staubschleier am Horizont. In einer halben Stunde konnten die Banditen dort sein. Er nagte auf der Unterlippe und blickte in die Schlucht. Vier
Männer waren bei den Pferden geblieben. Alle anderen hatten die Felswände erklommen. Mark ging dicht an der Felswand entlang in die Schlucht hinein, Revolver und Karabiner in den Fäusten. Von der Witterung abgesprengtes Gestein lag zweihundert Yards weit vom Eingang entfernt an der Felswand. Mannshoch waren einige der Quader. Dort ging er in Stellung, als er von oben her beschossen wurde. Die vier Männer, die bei den Pferden geblieben waren, hatten ihn gesehen. Das Schießen brach schnell wieder ab, da ihn keiner zu treffen vermochte. Als er die Männer über sich zum Schluchteingang rennen holte, sprang auch er auf und rannte an der Felswand entlang die Schlucht hinab. Die vier Pferdewächter kamen ihm entgegen, da sie seine Absicht erkannten. Sie schossen in die Luft und brüllten wie die Teufel, um ihre Gefährten auf den Offizier aufmerksam zu machen. Bald aber flogen Mark die Geschosse der vier um die Ohren. Er rannte bis zu einem Kamin, der ihm etwas Deckung bot, ging dort auf die Knie und trieb die vier Männer mit gezielten Schüssen auseinander. Zwei rannten zur anderen Seite hinüber. Einen davon traf Mark, bevor er Deckung fand. Mit dem nächsten Schuß erwischte er den zweiten Mann. Er schaute zurück. Noch war dort oben niemand zu sehen. Er rannte geduckt weiter. Aus der Hüfte feuerte er auf die beiden Männer, die ihn ebenfalls unter Beschuß nahmen. Einer zog sich zurück. Der andere schoß wie wild mit dem Revolver. Mark traf auch ihn. Nun krachte es auch hinter ihm. Die Geschosse klatschten vor und hinter ihm in den Fels. Splitter und Steinstaub spritzten ihm ins Gesicht. Der vierte Mann flüchtete hinter die Pferde, und als Mark heran war, sprang er zur Seite und riß den Colt hoch, um ihn mit einem gezielten Schuß zu erledigen. Doch Mark war schneller. Seine Kugel stieß den Mann zurück. Er bewegte sich in langen
Stolperschritten rückwärts, bis er die Balance verlor und zu Boden krachte. Mark schrie und schoß in die Luft. Die Pferde setzten sich sofort in Bewegung. Flink schwang er sich auf einen Braunen und stieß einen lauten Pumaschrei aus. Die Pferde rasten davon. Im gestreckten Galopp jagten die Tiere dichtgedrängt die Schlucht hinab. Und Mark galoppierte hinterher. Schüsse krachten. Auf der gegenüberliegenden Felswand waren Banditen zurückgelaufen. Mark vernahm deutlich, wie der Braune getroffen wurde, und zog die Füße aus den Bügeln. Im nächsten Augenblick wurde er schon empor geschleudert. Auf der Stelle war der Braune zusammengebrochen. Mark überschlug sich ein paarmal in der Luft. Mal sah er den Himmel über sich und mal hatte er den Boden vor den Augen. Bis er aufschlug. Benommen blieb er liegen. Die Banditen kamen die Schlucht herunter gerannt. Kein Schuß fiel. Jetzt wollten sie ihn lebend haben, um es ihm heimzahlen zu können. Mark wälzte sich herum und kroch zur Felswand. Quader lagen dort zuhauf. Sofort eröffneten die Männer das Feuer, um ihn nicht in Deckung gelangen zu lassen. Haarscharf pfiffen die Geschosse über ihn hinweg. Einschläge säumten seinen Weg. Eine Kugel riß ihm den rechten Arm der Feldjacke auf, als er sich mit einem letzten Sprung in Sicherheit brachte. Den Karabiner an der Schulter, feuerte er. Die Männer rannten in Deckung. Überall gab es Nischen, Vorsprünge und Felskanten, hinter denen ein Mann Deckung finden konnte. Mark stellte das Feuer ein, als er kein Ziel mehr sah. Er schaute die Felswand empor. Erskin hatte seinen Vorsprung. Aber für ihn gab es kein Entkommen. »He!« rief Jim Ferguson nach einer Weile. »Ergib dich! Wie willst du hier noch wegkommen?« Nein! Umbringen lassen wollte er sich von diesen Halunken
nicht. Da wollte er lieber im Kampf sterben. Stille herrschte in der Schlucht. Keiner der Männer war zu sehen. Ein friedliches Bild war das, doch höllisch trügerisch. Plötzlich richtete sich der Bandolero-Jefe auf. »Amigo-mio! Hier sein Chavez. Ich verkaufen dir Seele. Deine Seele! Wir halten dich hier fest, bis du von allein krepierst. Wir haben alles. Wasser, zu essen und Wein. Amigomio, wir haben Wein. Du komm und trinken mit Chavez.« Mark antwortete nicht. Er nahm den Feldhut ab, wischte das Schweißband trocken und setzte ihn wieder auf. Die Sonne brannte. »He, du solltest auf ihn hören!« rief Jim Ferguson. »Wir lassen dich ziehen, wenn du die Waffen über die Deckung wirfst. Das ist ein ehrliches Wort. »Schenk dir die Worte!« rief Mark. »Du wirst sterben und nicht wissen, wofür!« rief der Bandolero-Jefe. »Du sein dumm, Commandante! Du lieber trinken Wein mit mir.« Mark schluckte. Sie wollten nur ihre Pferde. Daß sie Erskin nicht mehr einholen konnten, hatten sie gewiß begriffen. Aber wenn sie zu ihren Pferden wollten, mußten sie an ihm vorbei. Doch das war ein Trugschluß! »Geht einzeln drüben an der Felswand entlang an mir vorbei!« rief Mark. »Aufrecht! Wer die Waffe hebt, dem verpasse ich eine Kugel.« Dieses Angebot nahmen sie nicht an. Sie hatten die Beute nicht bekommen können. Nun wollten sie sich an demjenigen rächen, der ihnen die Partie verdorben hatte. »Wir sind zuviele, um aufzugeben!« rief Chavez. »Rette dein Leben, Amigo! Schnell! Du sonst gleich tot. Mausetot.« »Das wird noch dauern! Von euch beißen auch noch etliche in Gras!« rief Mark zurück. Chavez und Jim Ferguson berieten sich, Chavez drehte sieh um. Nein, er war nicht leichtsinnig. Dieser Bastard wußte
genau, daß es einem Offizier der US Grenzkavallerie der Ehrenkodex verbot, einen Gegner in den Rücken zu schießen. »Du nicht kommen, wir dich holen!« rief Chavez nach einer Weile. »Kommt!« rief Mark. Chavez verschwand. Eine Minute später griffen sie an. Die Hälfte der Männer blieb in Deckung und schoß wie wild, die andere Hälfte arbeitete sich stückweise vor. Mark hatte keine Wahl. Er mußte hoch und sein Blei verschießen, wenn er sich diese Halunken vom Hals halten wollte. Das gelang ihm auch. Nach zehn Minuten herrschte wieder Stille, und von den Banditen lag wieder jeder an seinem Platz. Mark hatte einen der Männer getroffen. Nun besaß er für den Karabiner keine Munition mehr. Den Colt vermochte er noch zweimal zu laden. Und darauf war es den Kerlen angekommen. »Du zählen jetzt Munition, Amigo!« höhnte Chavez. »Genau zählen! Du zählen ganz genau, Amigo.« Mark fluchte unterdrückt. »Nun Amigo!« tönte die Stimme des Mexikaners kurz darauf wieder. »Du gezählt. Nicht mehr genug, was? Zu wenig Patronen. Chavez besitzen noch viel Blei. Chavez können hundert Mann noch erschießen.« Mark schaute zur Sonne empor. Nein, die Dunkelheit würde ihn nicht retten. Die Sonne stand noch nicht einmal im Zenit. Zuviele Stunden würde es noch hell sein. Wieder spähte er die Felswand hinauf. Doch an dieser Stelle war die Wand zu glatt und zu steil. »Du kämpfen mit Chavez, Amigo!« rief der Mexikaner. »Mit dir allein?« fragte Mark. »Ja! Nur du und ich, Amigo mio! Chavez viel Spaß an Kampf mit Offizier großes! Du sein Held Commandante.« Mark richtete sich auf.
Der Mexikaner lachte. »Du kämpfen mit Chavez, du sterben Amigo! Komm her und trinken Wein mit Chavez, du leben Amigo!« Scharf war sein Blick, lauernd. Aber Mark wußte ohnehin, daß er diesem Halunken nicht trauen konnte Doch er wollte gewinnen oder den Tod im Kampf finden. Wie grausam die Bandoleros sein konnten, war in ganz Süd-Arizona bekannt. Plötzlich trat Jim Ferguson aus der Deckung. Auf der anderen Seite von Chavez tauchte noch ein Mann auf. Er trug einen Verband um den Kopf. Greg Dayan! Einen Atemzug später krachte und knallte es schon. Die drei rissen die Waffen hoch und schossen. Aber auch links und rechts von ihnen feuerten die Männer aus sicherer Deckung. Mark schoß ebenfalls, und er war schnell, schneller als die Revolvermänner da drüben. Er traf Chavez, tötete Dayan und streckte auch Jim Ferguson nieder, ehe er selbst getroffen wurde. Mark spürte den Schmerz im ganzen Körper, ohne zu erkennen, wo er getroffen worden war. Er ging in die Knie und lud den Revolver mit zitternden Händen nach. Schweiß tropfte ihm vom Kinn auf die Waffe. Drei, vier Männer kamen auf ihn zugerannt. Er schnellte hoch und schoß. Noch eine Kugel traf ihn und warf ihn gegen die Felswand. Dort sank er langsam zusammen. Zwei Männer kamen zu ihm. Einer zog ihm den Hut herunter und schaute ihm ins Gesicht. Als Mark die Augen wieder öffnen konnte, waren sie beide verschwunden. Er sah die gegenüberliegende Felswand wie durch einen Schleier. Es dauerte eine ganze Weile, bis er feststellte, daß die Dämmerung angebrochen war Er wälzte sich auf die Knie und zog sich an der Felswand hoch. Niemand war mehr zu sehen. Sie hatten auch die Toten mitgenommen. In der Schlucht war der Boden zu hart.
Langsam lief er an der Felswand entlang. Plötzlich standen Reiter vor dem Eingang der Schlucht. Mark blieb stehen. Er wankte und keuchte vor Anstrengung. Die Reiter setzten sich in Bewegung und kamen in die Schlucht geritten. Das letzte Stück trabten sie. Es waren Kavalleristen von Camp San Carlos. Sie saßen ab und kamen auf ihn zu. Im letzten Augenblick. Er verlor die Besinnung und fiel ihnen in die Arme. Als er zu sich kam, kniete der Feldscher neben ihm. Er hatte ihn schon verbunden. Seltsam rot sah das Gesicht des Mannes aus. Nebenan brannte ein Feuer. »Da sind Sie ja, Lieutenant!« sagte der Feldscher und lächelte. »Wie fühlen Sie sich?« »Mies!« erwiderte Mark. »Wann reiten wir zum Camp San Carlos.« »Morgen früh, Sir! Unsere Pferde sind am Ende. Wir haben den ganzen Tag nach Ihnen gesucht.« »Die Pferde sind in Camp San Carlos eingetroffen?« Der Feldscher nickte. »Auch der Wagen! Schlafen Sie jetzt! Vielleicht werden Sie reiten können. Sonst warten wir auf den Bagagewagen, den der Captain angefordert hat.« *** Am nächsten Morgen fühlte sich Mark besser. Der Chef der Schwadron ein altgedienter Captain, kam zu ihm. »Wie fühlen Sie sich, Conroy? Wir wollen abrücken«, sagte er. »Können Sie reiten?« »Ich will es auf jeden Fall versuchen, Sir!« krächzte Mark. Der Captain winkte zwei Reitern, die hinzutraten und Mark auf die Beine halfen. Er schob sie dann zurück und stapfte langsam zu seinem Pferd. Die Schwadron stand schon
marschbereit. Die Reiter folgten ihm und stützten ihn, als er sich in den Sattel zog. Der Captain sah ihn fragend an und Mark nickte ihm zu. Der Captain ging zu seinem Pferd. »Aufgesessen!« schnarrte er. Die Schwadron verließ die Schlucht. Mark fühlte sich anfangs hundeelend. Er war in die linke Schulter getroffen worden und die zweite Kugel hatte die Hüfte gestreift. Doch mit jeder Meile fühlte er sich kräftiger. Aber das glaubte er nur. Der Captain ließ gegen mittag halten und wartete die Ankunft des Bagagewagens ab. Vier Männer trugen Mark auf einer Bahre zum Wagen. Es war dann schon wieder morgen, als der Wagen das Militärcamp erreichte. Mark ließ sich vom Wagen helfen und trat dann allein auf den General zu. Seine Meldung wollte er im Stehen abgeben. Der General hörte zu, nickte und gab ihm schließlich die Hand. »Wo und unter welchen Umständen ist diese junge Frau zu ihrem Kommando gestoßen?« wollte er wissen. »Keiner Ihrer Leute wußte das genau.« »Wir haben sie gefunden. Nicht weit von einem überfallenen Treck entfernt.« »Und wo gehört die Lady hin?« »Ich werde mich persönlich um alles kümmern, Sir!« Der General salutierte. »Tun Sie das, Lieutenant!« sagte er und entfernte sich. Mark schaute ihm nach. Dabei fiel sein Blick auf seine Männer. Und dort stand auch Marian. Langsam ging er auf sie zu. Zwei Schritt nur, dann kam sie ihm entgegen und nahm ihn in die Arme. »Oh Mark!« Sie lächelte glücklich und küßte ihn. Dabei füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Ich habe schon befürchtet,
ich werde dich niemals wiedersehen.« Erskin und der Corporal traten heran. Mark und Marian wandten sich ihnen zu. »Der Rückmarsch ist uns schon befohlen, Sir!« meldete Erskin. Mark sah Marian an. »Wohin soll ich dich bringen?« In ihren Augen stand eine einzige Frage. Mark nickte, hakte sich bei ihr ein und ging mit ihr zum Lazarett. »Ich bin in Camp Lowell stationiert«, sagte er und sah sie an. »Wenn wir dort wohnen wollen?« Sie nickte und schmiegte sich glücklich an ihn. »Ich bin zwar keine Generalstochter, Mark, aber vielleicht werde ich noch Generalsgattin...?« ENDE