Ian Ridpath
Die großen Sternbilder 88 Konstellationen und ihre Geschichten
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Ian Ridpath
Die großen Sternbilder 88 Konstellationen und ihre Geschichten
scanned by unknown corrected by ab Die großen Sternbilder - ihre Mythen und Sagen Sternbilder sind Erfindungen der Phantasie, sind Ausdruck des Wunsches, das scheinbare Chaos am Nachthimmel in eine sinnvolle Ordnung zu bringen. Der Autor beschreibt in alphabetischer Reihenfolge die 88 von der International Astronomical Union anerkannten Sternbilder (und einige weitere) und berichtet, wann sie aktenkundig wurden und welche (der meist griechischen) Sagen mit ihrer Entstehung verknüpft sind. ISBN: 3-491-69112-5 Original: Star Tales Aus dem Englischen übersetzt von Clemens Wilhelm Verlag: Patmos Erscheinungsjahr: 2004 Umschlaggestaltung: butenschoendesign
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
Buch Nacht für Nacht zieht ein großartiges Schauspiel der griechischen Mythologie an uns vorüber. Perseus eilt, Andromeda zu retten, Orion tritt dem Ansturm des schnaubenden Stiers entgegen, Bootes hütet die Bären am Pol, und die Argonauten segeln an ferne Gestade, um das Goldene Vlies zu erringen … Sternbilder sind Erfindungen der Phantasie, sind Ausdruck des Wunsches, das scheinbare Chaos am Nachthimmel in eine sinnvolle Ordnung zu bringen. Der Autor beschreibt in alphabetischer Reihenfolge die 88 von der International Astronomical Union anerkannten Sternbilder (und einige weitere) und berichtet, wann sie aktenkundig wurden und welche (der meist griechischen) Sagen mit ihrer Entstehung verknüpft sind. Eine Besonderheit des Buches sind die zahlreichen Abbildungen aus Himmelsatlanten des 17. und 18. Jahrhunderts. Ein unterhaltsames Buch mit einer Fülle von historischen Fakten, kurzweiligen Anekdoten und exakten Sachinformationen.
Autor Ian Ridpath ist ein in Großbritannien sehr bekannter Fachjournalist. Er hat in zahlreichen Fernseh- und Radiosendungen mitgewirkt und astronomische Themen – immer wieder auch für Kinder – populärwissenschaftlich behandelt. Von ihm sind mehr als 30 Bücher über Astronomie und Phänomene des Weltraums veröffentlicht. Seine Artikel sind in Zeitschriften und Zeitungen überall auf der Welt erschienen.
Inhalt Vorwort ................................................................................ 5 Erster Teil Sternsagen und Geschichtenerzähler.................. 8 Zweiter Teil Sternkarten..................................................... 29 Dritter Teil Die achtundachtzig Sternbilder ....................... 39 Vierter Teil Veraltete Konstellationen ............................. 217 Verzeichnis der Sternbilder .............................................. 239 Griechische und lateinische Götternamen........................ 242 Literatur- und Quellenangaben......................................... 243 Abbildungsnachweis ........................................................ 246
Vorwort Das Geschichtenerzählen ist eine der fesselndsten menschlichen Künste, und ich wüßte nichts, was die Phantasie eines Geschichtenerzählers mehr inspirieren könnte als der nächtliche Sternenhimmel. Den Anstoß zu diesem Buch gab eine Reihe von Sternführern, die ich zusammen mit dem hervorragenden niederländischen Himmelskartographen WILTIRION verfaßte. Bei der Beschreibung der einzelnen Sternbilder fragte ich mich, wie sie wohl entstanden sein mochten, und ich bewunderte den Genius der alten Völker, die sie in ihren großartigen Mythologien personifiziert hatten. In den Astronomiebüchern fand ich keine befriedigenden Antworten; entweder enthielten sie überhaupt keine mythologischen Hinweise, oder sie gaben Erzählungen wieder, die, wie ich später entdeckte, nicht mit den griechischen Originalen übereinstimmten. Ich beschloß daher, selbst ein Buch über die Mythologie der Sternbilder zu schreiben – ein wirklich faszinierendes Unterfangen, wie sich bald herausstellte. Mir ging es darum zu zeigen, wie die griechische und römische Literatur unsere heutige Wahrnehmung der Sternbilder geprägt hat, denn überraschenderweise sind die Konstellationen, wie sie die Wissenschaft unseres 20. Jahrhunderts benutzt, im wesentlichen noch dieselben wie schon im alten Griechenland – von einigen modernen Hinzufügungen abgesehen. Zu diesem Zweck habe ich, wo immer möglich, die griechischen und lateinischen Originalquellen herangezogen; Literaturhinweise finden sich am Ende dieses Buches. Ich habe zwar versucht, die Hauptvarianten eines jeden Mythos wiederzugeben und möglichst auch den jeweiligen Verfasser zu nennen, doch muß man sich darüber im klaren sein, daß es so etwas wie die «richtige» Version eines Mythos nicht gibt. Bei manchen 5
Geschichten gibt es fast ebenso viele Versionen wie Verfasser. Ich möchte auch deutlich sagen, was der Leser in diesem Buch nicht finden wird: Ich habe nicht versucht, die griechischen und römischen Sternbilder mit den Konstellationen zu vergleichen, die sich andere Kulturen wie etwa die Ägypter, die Inder oder Chinesen vorgestellt haben. Wie faszinierend diese Unterschiede auch sind, so hätte mich dies doch zu weit von meiner eigentlichen Aufgabe weggeführt. Außerdem habe ich es vermieden, mich auf das glatte Parkett der Spekulationen darüber zu begeben, wie die Sternbilder entstanden sein mögen, denn dies ist Aufgabe des Historikers; zudem werden wir wohl nie in der Lage sein, anhand der uns überlieferten bruchstückhaften Informationen überzeugende Antworten zu geben. Da für die alten Astronomen jedes Sternbild eine mythologische Gestalt oder ein Tier und nicht bloß ein Himmelsbereich war, wie ihn die heutigen Beobachtungsastronomen definieren, bot es sich an, jede Konstellation mit einer Darstellung aus einem alten Sternatlas zu illustrieren. Diese Sternkarten sind Kunstwerke eigenen Ranges und gehören zu den reizvollsten Schätzen, die uns die Astronomen der Vergangenheit hinterlassen haben. Die Sternbilder bringen uns auf sehr konkrete Art mit den ältesten Kulturen in Verbindung. Es ist ein Erbe, das wir uns jede Nacht in Erinnerung rufen können, wenn wir zum Sternenhimmel aufblicken. Ich bin vielen Menschen für ihre Hilfe bei der Abfassung dieses Buches zu Dank verpflichtet. Das Fachwissen von DAVID DEWHIRST von der University of Cambridge war bei der Klärung mancher unsicherer Hinweise in der Literatur von unschätzbarem Wert. Weiterhin kam mir bei meinen Recherchen das stets hilfsbereite Interesse von JANET DUDLEY und JOHN HUTCHINS von der Bibliothek des Royal Greenwich Observatory sowie von PETER HINGLEY an der Bibliothek der Royal Astronomical Society zugute. Besonderen Dank schulde ich DAVID CALVERT am Royal Greenwich 6
Observatory, der die Illustrationen zu den Sternbildern zur Verfügung stellte; es handelt sich um Photographien aus den Sternatlanten von BODE und FLAMSTEED, die in der Bibliothek des Observatoriums aufbewahrt werden. Dankbar anerkenne ich auch die Unterstützung von GEORGE und LENA BEKERMAN bei Übersetzungen aus dem Französischen. WILTIRION verdanke ich sehr wertvolle Informationen über die holländischen Sternbildschöpfer KEYSER und DE HOUTMAN. JOHN EBDON, der Direktor des Londoner Planetariums, der ein ebenso begeisterter Gräcophile wie Astronom ist, las freundlicherweise mein Manuskript und regte einige Verbesserungen an. Es ist mir auch ein Vergnügen, der griechischen Künstlerin LILIKA PAPANICOLAOU für die Erlaubnis zur Wiedergabe des Frontispizes meinen Dank auszusprechen.
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Erster Teil Sternsagen und Geschichtenerzähler Nacht für Nacht zieht ein großartiges Schauspiel der griechischen Mythologie an uns vorüber. Perseus eilt, Andromeda zu retten, Orion tritt dem Ansturm des schnaubenden Stiers entgegen, Bootes hütet die Bären am Pol, und das Schiff der Argonauten segelt an ferne Gestade, um das Goldene Vlies zu erringen. Diese Sagen sind neben vielen anderen in den Sternbildern dargestellt, die von den Astronomen als Konstellationen bezeichnet werden. Sternbilder sind ein Produkt der menschlichen Phantasie, nicht der Natur. Sie sind Ausdruck des menschlichen Wunsches, das scheinbare Chaos am Nachthimmel in eine sinnvolle Ordnung zu bringen. Für die Navigatoren auf hoher See oder für die Reisenden in der weglosen Wüste, die eine Orientierungshilfe brauchten, für die Bauern, die einen Kalender benötigten, und für Schäfer, die nachts die Stunden zählen wollten, hatte die Unterteilung des Himmels in erkennbare Sterngruppen einen ganz praktischen Zweck. Die früheste Motivation lag aber vielleicht darin, daß man der kalten, abweisenden Schwärze der Nacht ein menschliches Antlitz geben wollte. Astronomische Neulinge stellen vielleicht bald enttäuscht fest, daß die große Mehrheit der Sternbilder keine oder nur wenig Ähnlichkeit mit den Gestalten hat, deren Namen sie tragen; wer freilich eine solche Ähnlichkeit erwartet, mißversteht ihre wahre Bedeutung. Die Sternbilder sind nicht buchstäblich aufzufassen. Sie sind vielmehr Symbole, himmlische Allegorien. Der Nachthimmel war eine Leinwand, auf die die menschliche Phantasie die Taten und Personifikationen von Gottheiten, daneben auch 8
heilige Tiere und moralische Fabeln projizieren konnte – ein Bilderbuch in einer Zeit, in der es noch keine Schrift gab. Abend für Abend tauchen die Sterne wie Zaubergestalten auf, wenn sich die Sonne im Westen zur Nachtruhe begibt. Die Wissenschaft des 20. Jahrhunderts hat uns gelehrt, daß jene funkelnden Pünktchen, die zu Tausenden über den Nachthimmel verstreut sind, in Wirklichkeit glühende, unvorstellbar weit entfernte Gasbälle ähnlich unserer eigenen Sonne sind. Die Helligkeit eines Sterns am Nachthimmel wird durch zwei Faktoren bestimmt: seine Energieabgabe einerseits und seine Entfernung von uns andererseits. So fern sind uns die Sterne, daß das Licht auch der nächsten von ihnen Jahre braucht, um zu uns zu kommen. Das menschliche Auge, das das schwache Funkeln kosmischer Feuer wahrnimmt, blickt über eine unvorstellbare räumliche und zeitliche Kluft hinweg. Diese Fakten waren den alten Griechen und ihren Vorläufern, denen wir die Sternbilder in ihrer heutigen Gestalt verdanken, noch unbekannt. Sie wußten nichts davon, daß die Sterne einer Konstellation mit wenigen Ausnahmen nichts miteinander zu tun haben, sondern ganz unterschiedlich weit voneinander entfernt sind. Es ist reiner Zufall, daß wir so vertraute Formen wie das «W» der Kassiopeia, das Viereck des Pegasus, die Sichel des Löwen oder das Kreuz des Südens sehen. Das System der Konstellationen, das wir heute benutzen, ist aus einem Verzeichnis von 48 Sternbildern hervorgegangen, das der griechische Wissenschaftler PTOLEMÄUS um das Jahr 150 v. Chr. in seinem berühmten und einflußreichen Werk Almagest veröffentlichte. Seither haben verschiedene Astronomen weitere 40 Sternbilder hinzugefügt. Sie haben die Lücken zwischen den Figuren des PTOLEMÄUS ausgefüllt und das Gebiet um den südlichen Himmelspol bevölkert, das unterhalb des Horizonts der Griechen lag. Hieraus entstanden die insgesamt 88 Konstellationen, auf die sich die Astronomen heute in internationaler Übereinkunft 9
geeinigt haben. Die Geschichten dieser Sternbilder werden in diesem Buch erzählt; dazu kommen fast zwei Dutzend andere, die sich nicht behaupten konnten. PTOLEMÄUS ist aber nicht der Erfinder der von ihm aufgelisteten Sternbilder. Es gab sie schon lange vor seiner Zeit, wenn sich die Spur ihres genauen Ursprungs auch im Dunkel der Geschichte verliert. Die frühgriechischen Schriftsteller HOMER und HESIOD (etwa 700 v. Chr.) erwähnten nur einige wenige Sterngruppen wie zum Beispiel den Großen Bären, Orion und den Sternhaufen der Plejaden (die Plejaden galten damals als eigenes Sternbild und wurden nicht wie heute dem Stier zugeordnet). Die entscheidende Entwicklung fand nach neueren Erkenntnissen weiter östlich statt, im Bereich der Flüsse Euphrat und Tigris in der Gegend des heutigen Irak. Dort lebte das Volk der Babylonier, das zur Zeit HOMERS und HESIODS bereits über ein vollständiges System von Tierkreisbildern verfügten, Bildern, die jenem Himmelsstreifen zugeordnet sind, in dem die Bahnen der Sonne, des Mondes und der Planeten verlaufen. Dies können wir einer Keilschrifttafel aus der Zeit um 700 v. Chr. entnehmen, die ein Verzeichnis von Sternen enthält. Wissenschaftler bezeichnen diese Liste als die Mul-Apin-Serie, so benannt nach dem ersten auf der Tafel angegebenen Namen. Die babylonischen Konstellationen sind den uns heute geläufigen in vielem ähnlich, doch sind sie keineswegs identisch. Aus anderen Texten haben die Historiker ermittelt, daß die den Babyloniern bekannten Sternbilder noch viel älteren Ursprungs sind und daß sie auf ihre sumerischen Vorfahren vor 2000 v. Chr. zurückgehen. Falls den griechischen Zeitgenossen HOMERS und HESIODS der babylonische Tierkreis bekannt war, so schrieben sie jedenfalls nichts darüber. Der erste eindeutige Beweis für ein umfassendes System griechischer Sternbilder geht auf den Astronomen EUDOXOS zurück (etwa 390 bis etwa 340 v. Chr.). EUDOXOS wurde angeblich von ägyptischen Priestern mit den 10
Sternbildern bekannt gemacht und führte sie in Griechenland ein; darin liegt sein bedeutsamer Beitrag zur Astronomie. Er veröffentlichte seine Beschreibungen der Sternbilder in zwei Werken, dem Enoptron (Spiegel) und den Phainomena (Himmelserscheinungen). Beide Werke sind verloren, doch leben die Phainomena in einem gleichnamigen Lehrgedicht eines anderen Griechen, ARATOS (etwa 315 bis etwa 245 v. Chr.), fort. Die Phainomena des ARATOS sind ein vollständiger Führer zu den Sternbildern, die den alten Griechen bekannt waren; deshalb kommt diesem Autor bei unserer Betrachtung der Geschichte der Sternbilder besondere Bedeutung zu. ARATOS wurde in Soloi in Kilikien geboren, an der Südküste der heutigen Türkei. Er studierte in Athen, bevor er an den Hof des makedonischen Königs ANTIGONOS GONATAS in Nordgriechenland ging. Dort schuf er im Auftrag des Königs um das Jahr 275 v. Chr. seine poetische Bearbeitung der Phainomena des EUDOXOS. In diesem Lehrgedicht behandelt ARATOS 47 Sternbilder, darunter diejenigen des Wassers (das heute einen Teil des Wassermanns bildet) und der Plejaden. Weiterhin nennt ARATOS sechs Einzelsterne: Arktur, Capella (die er Aix nannte), Sirius, Prokyon (der als eigenes Sternbild galt), Spica (die bei ihm Stachys hieß) und Vindemiatrix (die er Protrygetes nannte). Die Nennung dieses letzteren Sterns überrascht, weil er viel schwächer ist als die anderen. Die Griechen benutzten ihn jedoch als Kalenderstern, weil sein Aufgang in der Morgendämmerung im August den Beginn der Traubenlese markierte. Freilich haben weder die Griechen noch die Ägypter die Sternbilder erfunden, die in den Phainomena beschrieben werden. Der Beweis für diese Behauptung findet sich nicht in schriftlichen Dokumenten, sondern am Himmel selbst. Es ist erstaunlicherweise nicht allzu schwer, ungefähr festzustellen, wo und wann die dem EUDOXOS und dem ARATOS bekannten Sternbilder erfunden wurden. Der Schlüssel hierfür 11
liegt darin, daß ARATOS keine Konstellationen in der Nähe des südlichen Himmelspols beschrieben hat, denn diese Himmelsregion lag für die Schöpfer der Sternbilder ständig unterhalb ihres Horizonts. Da das sternbildlose Gebiet einen Radius von etwa 36° hat, müssen die Schöpfer der Sternbilder auf einer nördlichen Breite von etwa 36° gelebt haben – also südlich von Griechenland, aber nördlich von Ägypten. Ein zweiter Schlüssel liegt in der Tatsache, daß die sternbildlose Zone zu Lebzeiten des ARATOS ihren Mittelpunkt nicht am südlichen Himmelspol hat, sondern dort, wo dieser ungefähr 1500 Jahre vor ARATOS’ Zeit lag, das heißt etwa 2000 v. Chr. (die Lage des Himmelspols ändert sich allmählich im Laufe der Zeit, weil die Erdachse aufgrund der sogenannten Präzession eine Kreisbewegung ausführt). Hieraus kann man schließen, daß die von ARATOS beschriebenen Sternbilder etwa um 2000 v. Chr. von Menschen erfunden wurden, die etwa auf 36° nördlicher Breite lebten. Die Griechen kommen hierfür nicht in Frage, denn der Zeitpunkt ist zu früh, die Breite zu weit südlich; die ägyptische Kultur wäre alt genug, doch ist die Breite wiederum zu weit nördlich. Ort und Zeit passen aber genau auf die Babylonier und ihre sumerischen Vorfahren, die, wie wir bereits gesehen haben, schon um 2000 v. Chr. über sehr gute astronomische Kenntnisse verfügten. Damit gibt es zwei voneinander unabhängige Nachweise dafür, daß die Babylonier und Sumerer die Urheber unserer Sternbilder sind. Warum aber waren die von EUDOXOS eingeführten Sternbilder von ihren Schöpfern nicht auf den neuesten Stand gebracht worden, um die veränderte Position des Himmelspols zu berücksichtigen? Wie wir gesehen haben, beziehen sich die von EUDOXOS eingeführten und von ARATOS in den Phainomena beschriebenen Sternbilder auf die Lage des Himmelspols 1500 Jahre davor. Zu ARATOS’ Zeiten hatte die Verschiebung des Himmelspols dazu geführt, daß einige der in den Phainomena 12
erwähnten Sterne auf einer nördlichen Breite von 36° jetzt ständig unterhalb des Horizonts lagen, während andere, die Aratos nicht erwähnt, sichtbar geworden waren. EUDOXOS selbst schienen diese Anomalien nicht zu stören, wenn er sie überhaupt wahrgenommen hat; der große griechische Astronom HIPPARCH (161-127 v. Chr.) bemerkte jedoch die Unterschiede und schrieb einen kritischen Kommentar. Eine neue Theorie bezüglich der Geschichte der Sternbilder hat Professor ARCHIE ROY von der Universität Glasgow aufgestellt. Er vertritt die These, daß die babylonischen Sternbilder Ägypten (und damit auch EUDOXOS) über eine andere Zivilisation erreicht haben müssen, wobei er an die kretischen Minoer denkt. Professor ROY weist auf die Tatsache hin, daß die Phainomena des ARATOS eine umfassende nautische Wetterkunde enthalten, deren Vorhersagen sich nach dem Erscheinen verschiedener Sterne richteten. Professor ROY interpretiert dies als Beweis dafür, daß die Sternbilder ursprünglich eine Navigationshilfe für Seefahrer waren. In der Tat war eine genaue Kenntnis des Himmels für die Seefahrer unerläßlich, die ihren Kurs nachts nach dem Aufgangsund Untergangspunkt verschiedener Sterne und Sternbilder ausrichteten. Diese Seefahrer müssen aber keineswegs die Schöpfer der Sternbilder gewesen sein. Professor ROY kommt zu dem Schluß, daß es die Minoer waren, die auf Kreta und den Inseln vor der Küste Griechenlands einschließlich Thera (Santorin) lebten. Kreta liegt zwischen 35° und 36° nördlicher Breite, und die Blütezeit des minoischen Reiches fiel in die Zeit zwischen 3000 und 2000 v. Chr.; beide Fakten stützen seine Hypothese. Hinzu kommt die Tatsache, daß die Minoer über Syrien schon in sehr früher Zeit Kontakt mit den Babyloniern hatten. Daher müssen sie auch mit den alten babylonischen Sternbildern vertraut gewesen sein, und es ist leicht vorstellbar, daß sie die babylonischen Konstellationen für ihre navigatorischen Zwecke heranzogen. 13
Die 48 Sternbilder des griechischen Astronomen PTOLEMÄUS nach zwei Einblattholzschnitten von ALBRECHT DÜRER aus dem Jahre 1515. Hier ist der nördliche, auf der folgenden Seite der südliche Sternhimmel wiedergegeben. Die Gestalten sind wie auf einem Himmelsglobus von hinten dargestellt.
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Man beachte den großen leeren Bereich am südlichen Sternhimmel, der unterhalb des Horizonts derjenigen Völker lag, die die Sternbilder erfanden. Die Größe dieses freien Gebiets ist ein Hinweis auf die geographische Breite, auf der die Sternbild-Erfinder lebten. The National Maritime Museum, London.
Die minoische Kultur wurde jedoch im Jahre 1450 v. Chr. durch die gewaltige Eruption eines Vulkans auf der Insel Thera etwa 120 km nördlich von Kreta ausgelöscht. Dies war eine der größten Naturkatastrophen in der Geschichte der Zivilisation, 15
die möglicherweise den Ursprung der Atlantissage bildet. Professor ROY nimmt an, daß minoische Flüchtlinge ihr Wissen von den Sternen nach der Katastrophe nach Ägypten brachten, wo es schließlich EUDOXOS über 1000 Jahre später unverändert vorfand. Während der Arbeit an diesem Buch besuchte ich Kreta. Die Sterne sind uns dort näher; man hat das Gefühl, als könnte man sie mit der Hand wie Trauben am Weinstock vom Himmel abstreifen. Die Milchstraße dehnt sich wie ein Strang phosphoreszierender Wolle über dem Kopf des Betrachters. Die Umdrehung der Erde läßt Sterne in der stillen See an dem einem Horizont untergehen, während andere Sterne am anderen Horizont aus den Tiefen des Meeres auftauchen. Professor ROYS These hat viel für sich, denn man kann sich sehr gut vorstellen, daß die Minoer das babylonische Sternsystem in der von ihm dargestellten Weise benutzten. Hinzu kommt, daß viele Sternsagen auf Kreta spielen. Vor dem Berg Dikte, der über der Lassithi-Hochebene aufragt, liegt die Höhle, in der angeblich der kleine Zeus, der König der griechischen Götter, aufgezogen wurde. Man muß allerdings auch einräumen, daß es keine direkten Beweise wie zum Beispiel Wandmalereien oder Sternverzeichnisse wie diejenigen der Babylonier gibt, die ein minoisches Interesse an der Astronomie belegen würden. Deshalb bleibt die Theorie, daß die Minoer die Übermittler unseres Systems von Sternbildern waren, vorläufig nur eine, wenn auch sehr reizvolle Spekulation. Die Phainomena des ARATOS waren ein ungemein populäres Gedicht, das später mehrmals in das Lateinische übersetzt wurde. Die für unsere Zwecke nützlichste Version ist eine lateinische Adaption des ARATOS, die dem CLAUDIUS CÄSAR GERMANICUS (15 v. Chr. bis 19 n. Chr.) zugeschrieben wird, da sie mehr Angaben zur Identifizierung bestimmter Sternbilder enthält als das Original des ARATOS. Dem Wissenschaftler 16
D. B. GAIN zufolge könnte diese lateinische Version der Phainomena entweder von GERMANICUS oder seinem Onkel (und Adoptivvater) TIBERIUS CAESAR stammen; in diesem Buch werde ich jedoch als Autor jeweils CAESAR GERMANICUS nennen. Nach ARATOS ist der nächste Meilenstein bei unserem Studium des griechischen Sternenwissens ERATOSTHENES (etwa 276 bis etwa 194 v. Chr.), dem die sogenannten Katasterismen zugeschrieben werden. ERATOSTHENES war ein griechischer Wissenschaftler und Schriftsteller, der in Alexandria im Nildelta arbeitete. Die Katasterismen enthalten die Mythologie von 42 Sternbildern (wobei der Sternhaufen der Plejaden gesondert behandelt wird) und nennen auch die Hauptsterne eines jeden Sternbildes. Die noch erhaltene Version der Katasterismen ist nur eine Zusammenfassung des Originals, die zu einem unbekannten Zeitpunkt entstanden ist, wobei nicht einmal sicher ist, daß das Original tatsächlich von ERATOSTHENES stammt; deshalb wird der Verfasser der Katasterismen meist als PSEUDO-ERATOSTHENES bezeichnet. Das hohe Alter seiner Quellen steht jedoch fest, da teilweise auf ein längst verlorenes astronomisches Werk von HESIOD (etwa 700 v. Chr.) Bezug genommen wird. Eine weitere wichtige Quelle der Sternmythologie ist die Poetica Astronomica eines römischen Autors namens HYGIN, die vermutlich im 2. Jahrhundert n. Chr. verfaßt wurde. Wir wissen nicht, wer HYGIN war, und wir kennen nicht einmal seinen vollen Namen. Fest steht nur, daß er nicht mit C. JULIUS HYGINUS identisch ist, einem römischen Schriftsteller aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Die Poetica Astronomica basiert auf den von ERATOSTHENES genannten Sternbildern (HYGIN unterscheidet sich nur insofern, als er die Plejaden dem Stier zuordnet), enthält jedoch viele zusätzliche Erzählungen. HYGIN verfaßte auch eine Anthologie allgemeiner Mythen, die Fabulae. 17
Im Mittelalter und in der Renaissance-Zeit erschienen viele bebilderte Versionen der Schriften HYGINS über die Astronomie. MARCUS MANILIUS, ein römischer Autor, über den man so gut wie nichts weiß, schrieb um das Jahr 15 n. Chr. ein Buch mit dem Titel Astronomica, das eindeutig von den Phainomena des ARATOS beeinflußt ist. MANILIUS’ Buch befaßt sich mehr mit Astrologie als mit Astronomie, doch enthält es aufschlußreiche Hinweise zu den Sternbildern, weshalb ich ihn mehrmals zitiert habe. Auf den folgenden Seiten finden sich des öfteren die Namen dreier weiterer Mythographen, die zwar keine Astronomen sind, aber in einer Geschichte der Sternbilder nicht unerwähnt bleiben dürfen. An erster Stelle ist hier zu nennen der römische Dichter OVID (43 v. Chr. bis 17 n. Chr.), der in seinen Metamorphosen, in denen es um Transformationen aller Arten geht, und den Fasten, einer Abhandlung über den römischen Kalender, viele berühmte Mythen wiedergibt. APOLLODOR war ein Grieche, der um die Zeitenwende eine fast enzyklopädische Zusammenfassung von Mythen erstellte. Schließlich ist noch der griechische Dichter APOLLONIOS RHODIOS (APOLLONIUS VON RHODOS) zu nennen, dessen im 3. Jahrhundert v. Chr. entstandenes Epos über die Fahrt Jasons und der Argonauten eine Fülle mythologischer Informationen enthält. Diese Autoren sind die Hauptquellen für die in diesem Buch wiedergegebenen Erzählungen. Die griechische Astronomie erreichte ihren Höhepunkt mit PTOLEMÄUS (etwa 100-178 v. Chr.), der im ägyptischen Alexandria wirkte. Etwa 150 v. Chr. schrieb PTOLEMÄUS eine Zusammenfassung des griechischen astronomischen Wissens, die hauptsächlich unter ihrem arabischen Titel als der Almagest bekannt ist. Kern des Werkes ist ein Katalog von 1022 Sternen, die zu 48 Sternbildern geordnet sind (siehe Tabelle), nebst ungefähren Angaben zu ihrer Helligkeit, die weitgehend auf den Beobachtungen des griechischen Astronomen HIPPARCH 300 18
Jahre davor beruhen. Die 48 Sternbilder nach dem Verzeichnis des griechischen Astronomen PTOLEMÄUS im 2. Jahrhundert v. Chr. Andromeda Aquarius Aquila Ara Argo Navis (heute unterteilt in Carina, Puppis, Pyxis und Vela) Aries Auriga Bootes Cancer Canis Maior Canis Minor Capricornus Cassiopeia Centaurus
Cepheus Cetus Corona Australis Corona Borealis Corvus Crater Cygnus Delphinus Draco Equuleus Eridanus Gemini Hercules Hydra Leo Lepus Libra
Lupus Lyra Ophiuchus Orion Pegasus Perseus Pisces Piscis Austrinus Sagitta Sagittarius Scorpius Serpens Taurus Triangulum Ursa Maior Ursa Minor Virgo
PTOLEMÄUS ordnete den Sternen in seinem Katalog keine griechischen Buchstaben zu, wie die Astronomen es heute tun, sondern beschrieb jeweils ihre Lage in den einzelnen Sternbildern. So meint PTOLEMÄUS zum Beispiel mit dem «rötlichen Stern am südlichen Auge» jenen Stern im Stier, den wir heute als Aldebaran kennen. Dieses Verfahren führte manchmal zu erheblichen sprachlichen Schwierigkeiten: «Der 19
nördlichere der beiden dicht beieinander stehenden Sterne über dem kleinen Schild im Heck» ist nach heutiger Ausdrucksweise einfach der Stern Xi Puppis in dem (nicht mehr bestehenden) Sternbild Schiff Argo. Die Tradition, Sterne anhand ihrer Position innerhalb eines Sternbildes zu beschreiben, geht bis auf ERATOSTHENES und HIPPARCH zurück. Offensichtlich betrachteten die Griechen die Sternbilder nicht nur als bloße Ansammlung von Sternen, sondern als wirkliche Bilder am Himmel. Die Identifizierung wäre einfacher gewesen, wenn sie den Sternen individuelle Namen gegeben hätten, doch fügte PTOLEMÄUS den Sternen, die ARATOS vier Jahrhunderte zuvor genannt hatte, nur vier weitere hinzu: Altair (den er Aetos nannte, das heißt Adler), Antares, Regulus (den er Basiliskos nannte) und Wega (die er nach dem Sternbild Lyra nannte). Der Einfluß des PTOLEMÄUS auf die Astronomie kann gar nicht überschätzt werden; das Sternbildersystem, das wir heute benutzen, ist, von kleineren Veränderungen und Erweiterungen abgesehen, letztlich dasjenige des PTOLEMÄUS. Kartographen in Europa und Arabien benutzten über 1500 Jahre lang seine Sternbilder, wie es auch der folgende Abschnitt aus dem Vorwort zum Atlas Coelestis des ersten königlichen Astronomen, JOHN FLAMSTEED, belegt, der 1729 erschien: Von Ptolemäus’ Zeiten bis zu den unsrigen haben sich die klugen und gelehrten Männer aller Nationen der von ihm genannten Namen bedient; die Araber benutzten immer seine Formen und Namen der Sternbilder; die alten lateinischen Kataloge der Fixsterne benutzen sie ebenso. Die Kataloge von Kopernikus und Tycho Brahe gebrauchen die nämlichen; dies gilt auch für die in der deutschen, italienischen, spanischen, portugiesischen, französischen und englischen Sprache veröffentlichten Kataloge. Alle Beobachtungen der alten und der heutigen 20
Menschen bedienen sich der Sternbildformen und Sternnamen des Ptolemäus, weshalb man sie beibehalten muß und weshalb wir die alten Beobachtungen nicht unverständlich machen dürfen, indem wir sie abändern oder von ihnen abweichen. Nach PTOLEMÄUS trat ein unaufhaltsamer Niedergang der griechischen Astronomie ein. Um das 8. Jahrhundert n. Chr. war das Zentrum der Astronomie von Alexandria nach Osten, nach Bagdad, gewandert, wo das Werk des PTOLEMÄUS ins Arabische übersetzt wurde und den Titel Almagest bekam. ALSUFI (903-986 n. Chr.), einer der größten arabischen Astronomen, schrieb seine eigene Version des Almagest unter dem Titel Buch der Fixsterne, in dem er viele Sternnamen einführte. PAUL KUNITZSCH zufolge, der deutschen Autorität auf dem Gebiet der arabischen Sternnomenklatur, hatten die arabischen Beduinen ihre eigenen Namen für verschiedene helle Sterne wie zum Beispiel den Aldebaran, und für sie stellten Einzelsterne Tiere oder Menschen dar. So betrachteten die Araber zum Beispiel die Sterne, die wir als Alpha und Beta Ophiuchi kennen, als einen Schäfer mit seinem Hund, während die umgebenden Sterne die Umrisse eines Feldes mit Schafen bildeten. Einige der arabischen Namen waren schon so alt, daß auch AL-SUFI und seine Zeitgenossen ihre Bedeutung nicht mehr kannten und auch wir sie heute nicht mehr festzustellen vermögen. Andere Sternnamen, die AL-SUFI und seine Landsleute benutzten, waren direkte Übersetzungen der Beschreibungen des PTOLEMÄUS. So bedeutet zum Beispiel der Name Fomalhaut im Arabischen «Maul des südlichen Fisches», wie PTOLEMÄUS diesen Stern auch in seinem Almagest beschrieb. Ab dem 10. Jahrhundert wurde das Werk des PTOLEMÄUS durch das Eindringen der islamischen Araber in Europa wieder bekannt, und die griechischen Bücher wurden aus dem 21
Arabischen ins Lateinische übersetzt, die Gelehrtensprache jener Zeit. Dies ist der Grund dafür, warum wir heute ein polyglottes System griechischer Sternbilder mit lateinischen Namen haben, in denen einzelne Sterne einen arabischen Namen tragen. Die Araber vermehrten zwar die Zahl der Sternnamen, doch fügten sie keine neuen Sternbilder hinzu. Die erste Erweiterung der 48 Konstellationen des PTOLEMÄUS fand sich im Jahre 1551 auf einem Himmelsglobus des großen flämischen Kartographen GERHARD MERCATOR, der Antinous und Coma Berenices als eigene Sternbilder darstellte; im Almagest hatte PTOLEMÄUS diese Gruppierungen als Teilbereiche des Adlers bzw. des Löwen erwähnt. In Nachfolge MERCATORS führte der große dänische Astronom TYCHO BRAHE Antinous und Coma Berenices in seinem einflußreichen Sternkatalog aus dem Jahre 1602 getrennt auf. Coma Berenices ist noch heute ein gültiges Sternbild, während Antinous aufgegeben wurde. Inzwischen war jedoch das Zeitalter der Forschungen angebrochen, und seefahrende Astronomen wandten ihre Aufmerksamkeit den bisher nicht kartographierten Gebieten der südlichen Hemisphäre zu, die für die alten Griechen noch unter dem Horizont lagen. Drei Namen aus dieser Epoche sind besonders hervorzuheben: PETRUS PLANCIUS (1552-1622), ein holländischer Theologe und Kartograph, sowie PIETER DIRKSZOON KEYSER (auch als PETRUS THEODORUS bekannt) und FREDERICK DE HOUTMAN, zwei holländische Seefahrer. Eigentümlicherweise sind diese drei trotz ihrer wichtigen Leistungen heute praktisch unbekannt. PLANCIUS bat KEYSER, Beobachtungen anzustellen, damit man die sternbildfreie Zone um den südlichen Himmelspol ausfüllen könne. KEYSER war Erster Steuermann auf der Hollandia und später der Mauritius, zwei von vier Schiffen, die im Jahre 1595 von den Niederlanden aus zur ersten holländischen Handelsexpedition nach Ostindien aufbrachen, wobei sie Kurs über Madagaskar nahmen. KEYSER war ein 22
fähiger Astronom und Mathematiker; der niederländische Autor A. J. M. WANDERS schreibt in seinem Buch In the Realm of the Sun And Stars, daß KEYSER vom Krähennest aus mit einem Instrument beobachtete, das ihm PLANCIUS übergeben hatte. KEYSER starb im September 1596, während die Flotte in Bantam (dem heutigen Banten in der Nähe des modernen Serang in Westjava) vor Anker lag. Sein Katalog von 135 Sternen, der in zwölf neugeschaffene Sternbilder aufgeteilt war, wurde PLANCIUS übergeben, als die Flotte im nächsten Jahr nach Holland zurückkehrte. Leider weiß man im übrigen sehr wenig über Leben und Leistungen KEYSERS, doch ist sein Wirken am Himmel verewigt. KEYSERS zwölf neue Sternbilder erschienen erstmals im Jahre 1598 auf einem von PLANCIUS verfertigten Globus, und zwei Jahre später erneut auf einem Globus des holländischen Kartographen JODOCUS HONDIUS. Einen festen Platz am Sternhimmel bekamen sie schließlich, als der deutsche Astronom JOHANN BAYER sie im Jahre 1603 in seine Uranometria aufnahm, die zum führenden Sternatlas jener Zeit wurde. KEYSERS Beobachtungen wurden schließlich auch von JOHANNES KEPLER in den Rudolfinischen Tafeln aus dem Jahre 1627 in Tabellenform veröffentlicht. Die holländische Flotte, mit der KEYSER segelte, stand unter dem Kommando des Forschers CORNELIS DE HOUTMAN; zur Besatzung gehörte auch dessen jüngerer Bruder FREDERICK DE HOUTMAN (1571-1627), der KEYSER offenbar bei seinen Beobachtungen unterstützte. Bei einer zweiten Expedition im Jahre 1598 kam CORNELIS ums Leben, während FREDERICK vom SULTAN VON ATJEH in Nordsumatra gefangengesetzt wurde. FREDERICK nutzte seine zweijährige Gefangenschaft gut, indem er die malayische Sprache erlernte und astronomische Beobachtungen anstellte. Im Jahre 1603 veröffentlichte FREDERICK DE HOUTMAN nach seiner Rückkehr nach Holland seine Beobachtungen in 23
einem Anhang zu einem malayischen und madegassischen Wörterbuch, das er zusammengestellt hatte – eine der ungewöhnlichsten astronomischen Veröffentlichungen der Geschichte. In der Einleitung schrieb er: «Hinzugefügt sind auch die Deklinationen vieler Fixsterne um den Südpol, die man bisher noch nie gesehen hat. Beobachtet und niedergeschrieben von FREDERICK DE HOUTMAN aus Gouda.» DE HOUTMAN vermehrte KEYSERS 135 Sternpositionen auf 303, wenn auch der englische Astronom E. B. KNOBEL bei einer Untersuchung des Katalogs feststellte, daß PTOLEMÄUS bereits 107 dieser Sterne gekannt hatte. Nirgendwo erwähnte DE HOUTMAN jedoch KEYSERS Priorität. DE HOUTMANS Katalog der südlichen Sterne, der in die zwölf Sternbilder KEYSERS unterteilt war, diente dem holländischen Kartographen WILLEM JANSZOON BLAEU ab 1603 als Grundlage für seine Himmelsgloben. KEYSER und DE HOUTMAN wird heute gemeinsam die Erfindung dieser zwölf südlichen Sternbilder zugesprochen, die noch heute Bestand haben (siehe nachfolgende Aufstellung). Zwölf Sternbilder, die zwischen 1596 und 1603 von PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN eingeführt wurden Apus Grus Chamaeleon Hydrus Dorado Indus
Musca Pavo Phoenix
Triangulum Australe Tucana Volans
Mit zunehmender Genauigkeit der astronomischen Beobachtungen und der Kartographierung immer schwächerer Sterne boten sich für Neuerer zunehmend Möglichkeiten, neue Sternbilder auch innerhalb desjenigen Himmelsbereichs einzuführen, der schon den alten Griechen bekannt war. PETRUS PLANCIUS kartographierte nicht nur die südlichen Sternbilder von KEYSER 24
und DE HOUTMAN, sondern erfand auch eigene Sternbilder, unter anderem Columba, die Taube, die er aus neun Sternen bildete, die PTOLEMÄUS in der Umgebung des Großen Hundes verzeichnet hatte; er erfand auch Monoceros, das Einhorn, und Camelopardalis, die Giraffe, für die er schwache, dem PTOLEMÄUS noch nicht bekannte Sterne zugrunde legte. Diese drei Sternbilder des PLANCIUS sind heute noch in der Astronomie gebräuchlich, während seine übrigen Erfindungen sich nicht behaupten konnten (siehe hierzu Teil 4). Elf weitere Sternbilder führte später im 17. Jahrhundert der polnische Astronom JOHANNES HEVELIUS ein (1608-1687), und er füllte damit die verbliebenen Lücken am nördlichen Sternhimmel aus. Sie sind in seinem Sternatlas Firmamentum Sobiescianum dargestellt, der posthum im Jahre 1690 erschien. Seltsamerweise hob HEVELIUS immer ausdrücklich hervor, daß er seine Beobachtungen mit bloßem Auge gemacht habe, obwohl es damals bereits Fernrohre gab; viele seiner Sternbilder waren betont schwach, wie wenn er sich seiner Sehkraft rühmen wollte. Von den Erfindungen des HEVELIUS sind heute noch sieben in der Astronomie gebräuchlich (siehe nachfolgende Liste). Nicht durchgesetzt haben sich Cerberus, Mons Maenalus, Musca und Triangulum Minor. Sieben Sternbilder, die JOHANNES HEVELIUS auf seiner posthum im Jahre 1690 erschienenen Sternkarte einführte Canes Venatici Leo Minor Scutum Vulpecula Lacerta Lynx Sextans Zwar waren die nördlichen Sternbilder jetzt vollständig, doch gab es noch Lücken am südlichen Himmel. Diese füllte 25
schließlich der französische Astronom NICOLAS Louis DE LACAILLE (1713-1762), der im Jahre 1750 nach Südafrika segelte und in Kapstadt ein kleines Observatorium unterhalb des berühmten Tafelbergs errichtete, der ihn so sehr beeindruckte, daß er später das Sternbild Mensa nach ihm benannte. In der Zeit von August 1751 bis Juli 1752 beobachtete LACAILLE die Positionen von fast 10000 Sternen, ein beeindruckendes Pensum in diesem relativ kurzen Zeitraum. Bei seiner Rückkehr nach Frankreich im Jahre 1754 legte LACAILLE der französischen königlichen Akademie der Wissenschaften eine Karte des südlichen Sternhimmels vor, die auch 14 neue, von ihm erfundene Sternbilder enthielt (siehe unten). Die Karte wurde im Jahre 1756 veröffentlicht, und LACAILLES neue Sternbilder wurden bald von anderen Astronomen übernommen. Während KEYSER und DE HOUTMAN ihre Sternbilder überwiegend nach exotischen Tieren benannt hatten, verewigte LACAILLE am südlichen Sternhimmel wissenschaftliche und künstlerische Instrumente, mit Ausnahme von Mensa, das er nach dem Tafelberg nannte, unter dem er seine Beobachtungen durchgeführt hatte. Sein gesamter Katalog sowie eine revidierte Karte erschienen im Jahre 1763 unter dem Titel Coelum Australe Stelliferum. In diesem Katalog teilte LACAILLE auch das unhandliche Sternbild Argo Navis in die Teile Carina, Puppis und Vela auf, die auch heute noch bei Astronomen als Einzelsternbilder in Gebrauch sind. LACAILLE schuf nicht nur 14 neue Sternbilder, sondern strich auch ein bisher vorhandenes, Robur Carolinum, die Karlseiche, die der Engländer EDMOND HALLEY im Jahre 1678 zu Ehren von König KARL II. eingeführt hatte.
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14 Sternbilder, die NICOLAS Louis DE LACAILLE im Jahre 1754 einführte Antlia Fornax Caelum Horologium Circinus Mensa
Microscopium Norma Octans
Pictor Pyxis Reticulum
Sculptor Telescopium
Alle diejenigen, die sich nach LACAILLE noch am Sternhimmel verewigen wollten, hatten keinen bleibenden Erfolg, doch gab es genügend Astronomen, die noch versuchten, sich einen Platz zu ergattern. Die Manie der Sternbildschöpfer erreichte ihren Höhepunkt im Jahre 1801, als der deutsche Astronom JOHANN ELERT BODE (1747-1826) seinen großen Sternatlas veröffentlichte, die Uranographia, in dem 100 Sternbilder verzeichnet waren; um diese Zeit erkannten jedoch die Astronomen, daß sie über das Ziel hinausgeschossen waren, und im darauffolgenden Jahrhundert schrumpfte diese Zahl durch einen natürlichen Ausleseprozeß. Im Jahre 1899 faßte der amerikanische Historiker R. H. ALLEN in seinem Buch Star Names and Their Meaning die bestehende Situation wie folgt zusammen: «Man kann sagen, daß heute etwa 80-90 Sternbilder mehr oder weniger anerkannt sind.» Die offiziellen Grenzen der Sternbilder wurden im Jahre 1930 von dem belgischen Astronomen EUGENE DELPORTE im Auftrag der Internationalen Astronomischen Union festgelegt. Ein Mangel war, daß es bis dahin noch keine allgemein anerkannten Grenzen der Sternbilder gab. Seit BODES Zeiten hatten Kartographen punktierte Linien zwischen die Sternbilder eingezeichnet, die jedoch willkürlich waren und in jedem Atlas anders verliefen. Die Angelegenheit wurde schließlich ein für alle Mal von dem führenden Verband der Astronomen geregelt, der Internationalen Astronomischen Union. Auf ihrer ersten Generalversammlung im Jahre 1922 legte die 27
IAU die Liste der 88 Konstellationen am gesamten Sternenhimmel, die heute gebräuchlich sind, offiziell fest. Im Auftrag der IAU definierte der belgische Astronom EUGENE DELPORTE (1882-1955) die Grenzen für diese 88 Sternbilder.
Hier seine Karte für einen Teil des nördlichen Sternhimmels, der auch Kassiopeia und Andromeda zeigt. Die Sternbildgrenzen verlaufen auf Rektaszensions- und Deklinationskreisen (d.h. Kreisen himmlischer Länge und Breite). Royal Astronomical Society Library.
DELPORTES Arbeit, die 1930 in Buchform unter dem Titel Délimitation Scientifique des Constellations erschien, ist letztlich nichts anderes als ein internationales Abkommen über die himmlischen Grenzen, das die Astronomen in der ganzen Welt seither als bindend betrachten. Sternbilder sind heute keine Himmelsgestalten mehr, sondern fest umrissene Himmelsbereiche ähnlich den politischen Grenzen der Länder auf der Erdkugel. Anders als die Landkarte der Erde wird sich die Himmelskarte wohl kaum mehr ändern. 28
Zweiter Teil Sternkarten Jedermann ist mit Landkarten vertraut, während für die meisten Menschen eine Himmelskarte ein Rätsel ist. Dennoch gibt es hier viele Ähnlichkeiten, denn der Himmelskartograph steht vor demselben Problem wie derjenige, der eine Karte der Erde zeichnen möchte: wie man nämlich eine gekrümmte Fläche auf einem ebenen Blatt Papier darstellt. Die frühesten Darstellungen des Himmels waren daher auch Globen, auf denen die Sternbilder aus einer Sicht jenseits der Sterne, gewissermaßen von einer gottähnlichen Position aus, dargestellt waren; dies hatte zur Folge, daß die Sternbilder nicht so gezeigt waren, wie wir sie von der Erde aus zu sehen gewohnt sind, sondern seltenverkehrt. Im Museo Nazionale in Neapel befindet sich eine Marmorstatue des Adas, der auf seiner Schulter eine Himmelskugel trägt, auf der die Sternbilder in dieser Weise dargestellt sind. Diese Skulptur ist der FarneseAtlas, der nach Kardinal ALESSANDRO FARNESE, dem späteren Papst PAUL III., benannt wurde; er erwarb die Statue zu Beginn des 16. Jahrhunderts und stellte sie im Farnese-Palast in Rom aus. Dies ist der älteste bekannte Himmelsglobus, denn nach Ansicht der Historiker entstand die Skulptur etwa um das 2. Jahrhundert n. Chr. in Rom. Man nimmt sogar an, daß es sich um eine Kopie eines griechischen Originals aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. handelt, also aus der Zeit, in der ARATOS seine Phainomena niederschrieb. Damit ist die Himmelskugel, die der Farnese-Atlas trägt, unser einziges Zeugnis aus erster Hand, das uns erkennen läßt, welche Sternbilder die Griechen am Himmel erblickten. 29
Die chinesischen Sternbilder unterscheiden sich erheblich von westlichen, insofern sie in der Regel kleiner waren und viele der schwächeren Sterne einbezogen. Hier ein Ausschnitt aus einer Karte des nördlichen Himmels, die etwa auf das Jahr 940 n. Chr. zurückgeht und im heutigen Tunhuang im nördlichen Zentralchina gefunden wurde. Von den dargestellten Sternbildern ist nur das vertraute Bild des Großen Wagens oder Großen Bären zu erkennen. Das Tunhuang-Manuskript ist die älteste noch erhaltene Sternkarte der Welt. Mit freundlicher Genehmigung der British Library (MS Stein 3326).
Eine Frühform einer ebenen Sternkarte war das Astrolabium, wie es bei den Arabern im Mittelalter beliebt war. Bei diesem meist aus Messing gefertigten Gerät handelte es sich um eine Scheibe, auf der die Positionen heller Sterne zu Navigationszwecken dargestellt waren; das Prinzip lebt fort in den sogenannten Planisphären, wie sie heute Amateurastronomen und Seeleute zum Auffinden von Sternen benutzen. Das älteste erhaltene Astrolabium stammt aus dem 9. Jahrhundert n. Chr., doch gibt es schriftliche Belege dafür, daß sie schon sehr viel 30
früher bekannt waren, möglicherweise schon etwa 150 n. Chr., zur Zeit des PTOLEMÄUS. Neben den Astrolabien ist die älteste ebene Himmelskarte eine chinesische Zeichnung etwa aus dem Jahr 940 n. Chr., die nach dem Fundort als das Tunhuang-Manuskript bezeichnet wird und sich heute im Britischen Museum befindet. Da die Tunhuang-Karte die chinesische Sternbildtradition zeigt, die von der europäischen und arabischen völlig unabhängig war, sind die meisten Sternbilder für uns nicht erkennbar. Die chinesischen Konstellationen waren kleiner als die westlichen und daher auch zahlreicher, wobei jedes Sternbild meist nur einige wenige Sterne umfaßte. Die Astronomie der Chinesen stand schon um 240 v. Chr. in hoher Blüte, als sie den Halleyschen Kometen beobachteten. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. hatten die chinesischen Astronomen ein System von 283 Sternbildern mit 1464 Sternen entwickelt. Diese Sternbilder stellten keine Mythen, sondern konkrete Erfahrungen aus dem chinesischen Leben dar, wie zum Beispiel TI-WANG, den Kaiser; SHANGSHU, die Sekretäre; und HUANG-CHE, die Hofeunuchen. Dieses System war noch in Gebrauch, als Jesuitenmissionare im 17. Jahrhundert in China die westlichen Sternbilder einführten.
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Eine arabische Darstellung des Perseus aus einer Ausgabe des Buchs der Sterne des arabischen Astronomen AL-SUFI. Das Manuskript, dem diese Darstellung entstammt, wurde etwa 1009 n. Chr. nach AL-SUFIS Tod verfaßt und illustriert. Die Handschrift enthält zwei Darstellungen eines jeden Sternbildes, einmal so, wie es am Himmel erscheint, und einmal seltenverkehrt, wie es auf einem Sternglobus aussehen würde; hier ist Perseus gezeigt, wie man ihn am Himmel vorfindet. Perseus trägt allerdings arabische Kleidung, und das Haupt der Gorgo Medusa ist offensichtlich der Kopf eines bärtigen Mannes. Das punktierte Objekt im Schwertarm des Perseus zeigt einen Zwillings-Sternhaufen. Mit freundlicher Genehmigung der Bodleian Library (MS Marsh 144, S. 111).
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ALBRECHT DÜRER schuf im Jahre 1515 die erste bedeutende Himmelskarte in Europa; es handelt sich um zwei Holzschnitte, von denen der eine den Tierkreis und alle nördlich davon liegenden Sternbilder zeigt, der andere alle bekannten Sternbilder südlich des Tierkreises. Als Grundlage dienten ihm die Sterne und Sternbilder, wie sie der griechische Astronom PTOLEMÄUS in seinem Almagest katalogisiert hatte. In den vier Ecken der nördlichen Karte befinden sich stilisierte Porträts der vier Autoritäten, die Dürer heranzog: ARATOS, PTOLEMÄUS, MANILIUS und AL-SUFI (AZOPHI). Auf der südlichen Karte ist deutlich die sternbildfreie Zone um den Südpol zu erkennen. DÜRER stellte die Sternbilder seitenverkehrt wie auf einem Himmelsglobus dar, eine Tradition, die die meisten frühen Karten beibehielten (siehe S. 13/14). Die Sternkarten wurden besser, als die Astronomen den Himmel sorgfältiger und mit größerer Genauigkeit erkundeten. Den ersten großen Sternatlas schuf im Jahre 1603 JOHANN BAYER, ein Rechtsanwalt aus Augsburg mit einer Passion für die Astronomie. In seiner Uranometria war jedem der 48 ptolemäischen Sternbilder eine große Karte gewidmet, wobei sowohl die Sternpositionen aus PTOLEMÄUS’ Katalog als auch diejenigen des großen dänischen Beobachters TYCHO BRAHE herangezogen wurden, von dem die genauesten Sternpositionen aus der Zeit vor der Erfindung der Fernrohre stammen. Der südliche Himmel, den der Katalog des PTOLEMÄUS noch nicht enthielt, war auf einer einzigen Karte dargestellt, die die zwölf neuen Sternbilder des holländischen Seefahrers PIETER DIRKSZOON KEYSER zeigte. Insgesamt sind hier über 2000 Sterne angegeben, doppelt so viele wie bei DÜRER. Die Uranometria war so populär, daß sie im 17. Jahrhundert mehrmals neu herausgegeben wurde; die mit großer Fertigkeit gestochenen Karten sind wahre Kunstwerke. BAYERS Atlas war auch noch aus einem anderen Grund bemerkenswert: In ihm waren erstmals die helleren Sterne mit 33
griechischen Buchstaben nach dem System bezeichnet, das die Astronomen noch heute benutzen. So heißt zum Beispiel der helle Stern Beteigeuze auch Alpha Orionis, das heißt der Stern Alpha des Sternbildes Orion (man benutzt immer den Genitiv des Sternbildnamens).
Der deutsche Astronom JOHANN BAYER brachte im Jahre 1603 einen berühmten Sternatlas heraus, die Uranometria. Das Werk enthielt 48 Karten für jedes der 48 griechischen Sternbilder sowie eine Darstellung der zwölf neuen südlichen Sternbilder, die KEYSER und DE HOUTMAN einführten. Die meisterhaften Stiche sind eine Arbeit von ALEXANDER MAIR. Hier sieht man Herkules mit einem Zweig des Baumes, dessen goldene Äpfel die Hesperiden bewachten. BAYERS Uranometria war wegen ihrer Ausführlichkeit, der künstlerischen Qualität und der Tatsache, daß hier erstmals die Sterne mit griechischen Buchstaben bezeichnet wurden, äußerst beliebt. Institute of Astronomy Library, University of Cambridge.
Da die Messung von Sternhelligkeiten in jener Zeit noch nicht 34
so hoch entwickelt war, entspricht die Reihenfolge der von BAYER vergebenen griechischen Buchstaben nur ungefähr der Reihenfolge der Sternhelligkeiten in jedem Sternbild. In einigen Fällen ist der als Alpha bezeichnete Stern nicht der hellste, wie zum Beispiel bei Orion, wo Beta Orionis (Rigel) der hellste Stern ist. Die Zwillinge sind ein weiteres Sternbild, in dem der Stern Beta heller ist als Alpha. BAYER ordnete den südlichen Sternbildern KEYSERS keine griechischen Buchstaben zu, vielleicht in der Einsicht, daß es hierfür noch zu früh sei. Erst 160 Jahre später dehnte der französische Astronom NICOLAS Louis DE LACAILLE auf seiner im Jahre 1763 erschienenen Karte des südlichen Himmels das Benennungssystem BAYERS auf die südlichsten Sternbilder aus. Sternbilder am nördlichen Himmel, die nach Bayers Zeit eingeführt wurden, erhielten ihre griechischen Buchstaben von dem englischen Astronomen FRANCIS BAILY im Sternkatalog der British Association aus dem Jahre 1845. Wenige Jahre nach dem Erscheinen von BAYERS Uranometria wurde die Astronomie durch die Erfindung des Fernrohrs revolutioniert, das nicht nur schwache Sterne erkennen ließ, die bisher unsichtbar waren, sondern auch die Genauigkeit, mit der Sternpositionen bestimmt werden konnten, erheblich steigerte. Einen Mann jedoch ließ dieser Fortschritt ungerührt: JOHANNES HEVELIUS, der in Danzig lebte. HEVELIUS maß sein ganzes Leben lang unerschütterlich Sternpositionen mit bloßem Auge, weil er fürchtete, daß Linsen die wahre Position verzerren könnten. HEVELIUS’ Katalog mit über 1500 Sternpositionen wurde posthum im Jahre 1690 veröffentlicht; dem Katalog beigefügt war ein Atlas, das Firmamentum Sobiescianum, den HEVELIUS selbst gestochen hatte. Für die südlichen Sterne zog HEVELIUS die Beobachtungen des englischen Astronomen EDMOND HALLEY von der Insel St. Helena heran, der damit die Pionierarbeit der Holländer PIETER DIRKSZOON KEYSER 35
und FREDERICK DE HOUTMAN verbesserte. Das Firmamentum Sobiescianum hat den Nachteil, daß die Sternbilder seitenverkehrt dargestellt sind, wie sie auf einem Himmelsglobus erscheinen würden; dies erschwert es dem Beobachter, die Sternbilder mit dem wirklichen Himmel in Einklang zu bringen. Dies ist der Grund, warum für die Illustrationen in diesem Buch nicht die Karten des HEVELIUS benutzt wurden.
Von JOHANNES HEVELIUS, einem polnischen Astronomen des 17.Jahrhunderts, stammt ein einflußreicher Sternatlas, das Firmamentum Sobiescianum, das posthum im Jahre 1690 erschien. HEVELIUS stach die Karten selbst. Er führte elf neue Sternbilder ein, von denen sieben heute noch gebräuchlich sind. Sein Atlas zeigt die Sternbilder von hinten, wie sie auf einem Himmelsglobus erscheinen würden. Auf diesem Stich hält Bootes die Leine der Jagdhunde. Institute of Astronomy Library, University of Cambridge. 36
Einen weiteren Meilenstein in der Himmelskartographie bildete im 18. Jahrhundert das Werk des ersten königlichen Astronomen JOHN FLAMSTEED, der am königlichen Observatorium in Greenwich fast 3000 Sterne mit bis dahin unerreichter Genauigkeit katalogisierte. FLAMSTEEDS Sternkatalog, die Historia Coelestis Britannica, wurde posthum im Jahre 1725 veröffentlicht; vier Jahre später folgte dann der Atlas Coelestis, eine Serie von 25 Karten, die ganz auf FLAMSTEEDS eigenen Beobachtungen basierten. Der Südhimmel unterhalb des Horizonts von Greenwich ist auf einer einzigen kleinen Karte dargestellt, die die zwölf Sternbilder von KEYSER und DE HOUTMAN sowie HALLEYS Robur Carolinum zeigt. FLAMSTEED verwandte besondere Sorgfalt darauf, die Sternbildgestalten genau so darzustellen, wie PTOLEMÄUS sie beschrieben hatte. Seine Einführung zum Atlas Coelestis enthält einige kritische Worte über die Art, wie BAYER die Sternbildgestalten in seiner Uranometria dargestellt hatte: Weil er alle seine Menschengestalten mit Ausnahme von Bootes, Andromeda und der Jungfrau mit dem Rücken zu uns dargestellt hat, fallen diejenigen Sterne, die alle vor ihm an die rechte Schulter, Seite, Hand, an den rechten Fuß oder das rechte Bein gesetzt haben, auf die linke Seite, und umgekehrt … wodurch er die ältesten Beobachtungen verfälscht oder unsinnig macht. Einer weitverbreiteten Auffassung zum Trotz geht das sogenannte Flamsteed-Numerierungssystem, das die Sterne in einem jeden Sternbild angibt, nicht auf FLAMSTEED zurück, vielmehr ist es eine Arbeit des Franzosen J. J. LALANDE aus dem Jahre 1783. In einer französischen Ausgabe von FLAMSTEEDS Katalog fügte LALANDE eine Spalte hinzu, in der er die Sterne eines jeden Sternbildes in der Reihenfolge durchnumerierte, in der sie FLAMSTEED aufgelistet hatte, und dieses System ist gemeint, wenn die Astronomen heute von Flamsteed-Nummern sprechen. 37
Sterne werden in der Regel nur dann mit ihrer Flamsteed-Nummer angegeben – zum Beispiel 6l Cygni oder 70 Ophiuchi –, wenn sie nicht durch einen griechischen Buchstaben bezeichnet sind. FLAMSTEEDS Katalog und Atlas haben in der Astronomie neue Maßstäbe gesetzt, und ich habe diesen Atlas als eine der Quellen für die Illustrationen in diesem Buch herangezogen. Die zweite Quelle ist die Uranographia, die der deutsche Astronom JOHANN ELERT BODE, Direktor des Berliner Observatoriums, im Jahre 1801 veröffentlichte. BODES Sternatlas war der erste, in dem praktisch alle mit bloßem Auge sichtbaren Sterne (das heißt bis zur 6. Größenklasse) sowie eine sinnvolle Auswahl von sechsmal schwächeren Sternen (also der 8. Größenklasse) angegeben sind. Es sind etwa 17000 Steine verzeichnet, und zwar auf der Grundlage der Beobachtungen verschiedener Astronomen wie FLAMSTEED, LACAILLE, LALANDE und BODE selbst. BODE wollte mit seiner Uranographia ein erschöpfendes Werk schaffen – und dies ist ihm zweifellos gelungen, denn er verzeichnete nicht nur eine größere Zahl von Sternen als jeder Kartograph vor ihm, sondern stellte auch mehr Sternbilder dar, nämlich über hundert. BODES Uranographia, der großartigste der Sternatlanten alten Stils, markierte das Ende einer Ära. Nach BODE wandten sich die Astronomen immer mehr von den phantasievollen (und physikalisch bedeutungslosen) Sternbildgestalten der Griechen ab und konzentrierten sich statt dessen auf die genaue Vermessung der Position, der Helligkeit und der physikalischen Eigenschaften der Sterne. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren schließlich 2000 Jahre griechischer Tradition den nackten Zahlen und Fakten der astronomischen Berechnungen und Statistiken gewichen. Wo sich die alten Griechen den Himmel noch von Göttern und Helden bevölkert dachten, entdeckten moderne Astronomen die Existenz eines nicht minder phantastischen Pantheons von Objekten, denen sie Namen wie Rote Riesen, Weiße Zwerge, Cepheiden-Veränderliche, Pulsare, Quasare und Schwarze Löcher gegeben haben. 38
Dritter Teil Die achtundachtzig Sternbilder
Andromeda Andromeda Der beständigste aller griechischen Mythen ist wohl die Geschichte von Perseus und Andromeda, die Urversion von Sankt Georg mit dem Drachen. Heldin ist die schöne Andromeda, die Tochter des schwachen Königs Kepheus von Äthiopien und der eitlen Königin Kassiopeia, deren Prahlsucht keine Grenzen kannte. Andromedas Unglück begann an dem Tag, als ihre Mutter sich rühmte, schöner zu sein als die Nereiden, eine besonders verführerische Schar von Meeresnymphen. Die beleidigten Nereiden fanden, daß Kassiopeia in ihrer Eitelkeit nun zu weit gegangen war, und baten Poseidon, den Meeresgott, ihr eine Lektion zu erteilen. Poseidon schickte daraufhin ein schreckliches Ungeheuer (nach anderen Autoren jedoch eine Springflut), das die Küste des Landes von König Kepheus verwüstete. Entsetzt über die Zerstörungen und von seinen Untertanen zum Handeln gedrängt, wandte sich Kepheus in seiner Not an das Orakel von Ammon um Hilfe. Er erhielt die Antwort, daß er seine jungfräuliche Tochter opfern müsse, um das Ungeheuer zu besänftigen. So wurde die tugendhafte Andromeda an einen Felsen gekettet, um für die Sünden ihrer Mutter zu büßen, die, von bitterer Reue gequält, vom Strand aus zusah. Schauplatz des 39
Geschehens soll die Mittelmeerküste in der Nähe von Jaffa gewesen sein, dem heutigen Tel Aviv. Als Andromeda so an dem von der Brandung gepeitschten Felsen stand, bleich vor Schrecken und ihr drohendes Schicksal bitter beweinend, kam der Held Perseus vorbei, der soeben von seinem Abenteuer zurückkehrte, bei dem er der Gorgo Medusa das Haupt abgeschlagen hatte. Der Anblick der zarten Schönheit, die sich auf dem Felsen in Kummer verzehrte, rührte sein Herz.
Die an einen Felsen gekettete Andromeda aus BODES Uranographia.
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Der römische Dichter OVID berichtet uns in seinen Metamorphosen, daß Perseus die Gestalt zunächst beinahe für eine Marmorstatue gehalten hätte. Nur der Wind, der ihr Haar zauste, und die heißen Tränen auf ihren Wangen ließen erkennen, daß sie ein menschliches Wesen war. Perseus fragte sie nach ihrem Namen und dem Grund, warum sie hier angekettet war. Die schüchterne Andromeda, ein ganz anderes Wesen als ihre eingebildete Mutter, gab zunächst keine Antwort; auch noch im Angesicht des schrecklichen Todes in den geifernden Kiefern des Ungeheuers hätte sie am liebsten ihr Antlitz züchtig in den Händen verborgen. Perseus aber begehrte Antwort. Weil Andromeda schließlich fürchtete, daß er ihr Schweigen als Schuldeingeständnis werten könnte, erzählte sie ihre Geschichte, doch unterbrach sie sich mit einem lauten Schrei, als sie sah, wie das Ungeheuer durch die Wellen auf sie zupflügte. Perseus nahm sich höflich noch die Zeit, bei den Eltern Andromedas um ihre Hand anzuhalten, bevor er hinabeilte, das Ungeheuer mit seinem Schwert tötete, die ohnmächtig niedersinkende Andromeda unter dem Beifall der Zuschauer loskettete und sie als seine Braut forderte. Andromeda gebar Perseus später sechs Kinder, darunter Perses, den Vorfahren der Perser, und Gorgophone, die Mutter des spartanischen Königs Tyndareos. Es heißt, daß die griechische Göttin Athene das Bildnis der Andromeda unter die Sterne versetzte, wo man sie zwischen Perseus und ihrer Mutter Kassiopeia findet. Nur das Sternbild der Fische trennt sie vom Walfisch, der eigentlich das Seeungeheuer Ketos ist. Auf Sternkarten ist Andromeda mit angeketteten Händen dargestellt. Ihren Kopf bildet Alpha Andromedae, ein Stern 2. Größe, der ursprünglich auch zum Sternbild Pegasus gehörte, wo er den Nabel des Flügelrosses bezeichnete. Er ist unter zwei Namen bekannt, nämlich Alpheratz und Sirrah. Diese Namen gehen zurück auf das arabische alfaras, was «Pferd» bedeutet, beziehungsweise surrat, «Nabel». Dieser Stern wird 41
heute ausschließlich Andromeda zugeordnet. Ihre Taille bezeichnet der Stern Beta Andromedae, auch Mirach genannt, ein aus dem arabischen al-mi’zar verstümmeltes Wort, das «Gürtel» oder «Lendentuch» bedeutet. Ihren Fuß bildet Gamma Andromedae, der Stern Alamak. Dieser Name geht auf das arabische al-’anaq zurück, das den Wüstenluchs oder Karakal bezeichnet, den die alten Araber an dieser Stelle erblickten. In kleinen Fernrohren schon zeigt sich hier ein schöner Doppelstern in den Farben Gelb und Blau. Das berühmteste Objekt dieses Sternbildes ist die große Spiralgalaxie M 31 an der rechten Hüfte Andromedas, wo man sie in klaren Nächten als verschwommenes Nebelfleckchen mit bloßem Auge wahrnehmen kann. M31 ist ein Strudel von Sternen ähnlich unserer eigenen Milchstraße. Mit einer Entfernung von zwei Millionen Lichtjahren ist dieser Nebel, der Andromeda-Nebel, das fernste mit bloßem Auge sichtbare Objekt.
Antlia Luftpumpe Dies ist eines der Sternbilder am südlichen Himmel, das NICOLAS Louis DE LACAILLE im Jahre 1756 einführte. Er nannte es auf seiner Karte aus dem Jahre 1763 Antlia Pneumatica und stellte es als eine Pumpe dar, wie sie der französische Physiker DENIS PAPIN erfunden hatte. Wie man sich denken kann, gibt es zu diesem Sternbild keine Sagen, und es enthält auch keine hellen Sterne oder sonstigen bemerkenswerten Objekte.
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Das Sternbild der Luftpumpe, wie JOHANN BODE es in seiner Uranographia zeigte. Allerdings wurde es von ihm dort als Antlia Pneumatica bezeichnet.
Apus Paradiesvogel Dies ist eines der südlichen Sternbilder, das die holländischen Seefahrer PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERIC DE HOUTMAN Ende des 16. Jahrhunderts einführten. Apus stellt einen farbenprächtigen Paradiesvogel dar, wie man ihn auf Neuguinea findet. Das Sternbild erschien im Jahre 1603 auf der Sternkarte des JOHANN BAYER unter der Bezeichnung Avis Indica. Die Sterne tragen keine Einzelnamen, und es gibt keine Sagen zu diesem Sternbild. 43
Der Paradiesvogel nach der Uranographia von JOHANN BODE, wo auch die zweite Bezeichnung Avis Indica angegeben ist, indischer Vogel.
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Aquarius Wassermann Auf Sternkarten erscheint der Wassermann als junger Mann, der Wasser aus einem Krug ausgießt. OVID sagt aber in seinen Fasten, daß es ein Gemisch aus Wasser und Nektar ist, dem Göttertrank. Das ausfließende Wasser ergießt sich in das Maul des südlichen Fisches, Piscis Austrinus. Wer aber ist der Wassermann? Die gängigste Version lautet, daß es sich um Ganymed handelt, der der schönste Knabe auf der Welt gewesen sein soll. Er war der Sohn des Königs Tros, der Troja seinen Namen gab. Als Ganymed eines Tages die Schafe seines Vaters hütete, verliebte sich Zeus in den Schäferknaben. Er schwebte in Gestalt eines Adlers auf die trojanische Ebene hernieder und entführte Ganymed auf den Olymp (oder schickte, nach einer anderen Version, einen Adler aus, der den Knaben holte). Dieser Adler ist im benachbarten Sternbild des Adlers verewigt. In einer anderen Version des Mythos wurde Ganymed zuerst von Eos weggetragen, der Göttin der Morgenröte, die eine Leidenschaft für junge Männer hatte, und Zeus stahl ihr schließlich den Knaben. Ganymed wurde zum Mundschenk der Götter, der Nektar aus seiner Schale ausgoß, sehr zum Ärger von Zeus’ Gattin Hera. ROBERT GRAVES berichtet, daß dieser Mythos im alten Griechenland und in Rom sehr beliebt war, weil er die göttliche Billigung der Knabenliebe beinhaltete. In latinisierter Form hieß Ganymed Catamitus. Wenn uns dieser Mythos etwas gehaltlos erscheint, liegt dies möglicherweise daran, daß die Griechen einem Sternbild, die sie von einer anderen Kultur übernommen hatten, ihre eigene Geschichte unterlegten. Das Sternbild des Wassermanns scheint ursprünglich den ägyptischen Gott des Nils dargestellt zu haben, doch waren die Griechen, wie ROBERT GRAVES sagt, am Nil nicht besonders interessiert. 45
Der Wassermann mit seinem Krug, wie ihn JOHN FLAMSTEED in seinem Atlas Coelestis darstellte.
CAESAR GERMANICUS identifizierte das Sternbild mit Deukalion, dem Sohn des Prometheus, einem der wenigen Menschen, die der großen Sintflut entgingen. «Deukalion gießt Wasser aus, jenes feindliche Element, dem er einst entfloh, und zieht dabei die Aufmerksamkeit auf seinen kleinen Schöpfkrug», schrieb GERMANICUS. HYGIN bietet als zusätzliche Variante die Identifikation des Sternbildes mit Kekrops an, einem frühen König Athens, der den Göttern Wasser opfert, denn er herrschte in der Zeit, in der es noch keinen Wein gab. Mehrere Sterne im Wassermann tragen Namen, die mit Sad beginnen. Im Arabischen bedeutet Sa’d «Glück». Alpha Aquarii 46
heißt Sadalmelik, aus sa’d al-malik, was meist als «die glücklichen Sterne des Königs» übersetzt wird. Beta Aquarii heißt Sadalsud aus sa’d al-su’ud, was möglicherweise «der Glücklichste der Glücklichen» bedeutet. Gamma Aquarii ist Sadalachbia, aus sa’d al-akhbiya, was möglicherweise «glückliche Sterne der Zelte» bedeutet. Die genaue Bedeutung dieser Namen ist auch den Arabern nicht mehr klar, wie PAUL KUNITZSCH sagt, der deutsche Spezialist für Sternnamen.
Aquila Adler Es gibt verschiedene Erklärungen für diesen Adler am Himmel. In der griechischen und römischen Mythologie war der Adler der Vogel des Zeus, der die Blitze trug (und wieder zurückbrachte), die der erzürnte Gott gegen seine Feinde schleuderte. Der Adler hatte jedoch ebenso mit Liebesangelegenheiten wie mit Kriegsdingen zu tun. Einer der Sagen zufolge handelt es sich bei diesem Sternbild um den Adler, der den schönen trojanischen Knaben Ganymed ergriff, den Sohn des Königs Tros, damit er Mundschenk der Götter würde. Autoritäten wie der römische Dichter OVID sagen, daß der Göttervater sich selbst in einen Adler verwandelte, während nach Ansicht anderer der Adler lediglich von Zeus gesandt wurde. Ganymed selbst ist im benachbarten Sternbild des Wassermanns dargestellt, und auf Sternkarten sieht man, wie sich der Adler auf den Wassermann stürzt. CAESAR GERMANICUS sagt, daß der Adler den Pfeil des Eros (das benachbarte Sternbild Sagitta) bewacht, der Zeus verliebt machte. 47
Der Adler auf dem Flug durch FLAMSTEEDS Atlas Coelestis. Altair, der hellste Stern, befindet sich am Hals und ist mit dem Buchstaben Alpha bezeichnet.
In einem Bericht des HYGIN spielen die Sternbilder des Adlers und des Schwans gemeinsam eine Rolle. Zeus hatte sich in die Göttin Nemesis verliebt, die jedoch sein Werben zurückwies. Daher verwandelte er sich in einen Schwan und ließ sich zum Schein von Aphrodite in Gestalt eines Adlers verfolgen. Nemesis gewährte dem fliehenden Schwan mitleidig Zuflucht – und fand sich prompt in den Armen des Zeus. Zum Andenken an diese gelungene List versetzte Zeus daraufhin die Bilder des Schwans und des Adlers an den Himmel. Der Name des hellsten Sterns des Adlers, Altair, kommt vom 48
arabischen alnasr al-ta’ir, was «Fliehender Adler» oder «Geier» bedeutet. PTOLEMÄUS nannte ihn wie das ganze Sternbild Aetos, den Adler. Der deutsche Gelehrte PAUL KUNITZSCH bemerkt, daß die Babylonier und Sumerer Altair als den Adlerstern bezeichneten. Dessen Nachbarsterne Beta und Gamma Aquilae bilden die ausgespannten Schwingen des Adlers. Diese beiden Sterne tragen die Namen Aishain und Tarazed, die auf eine persische Übersetzung eines alten arabischen Wortes zurückgehen, das «Waage» bedeutet. Altair bildet mit den Sternen Wega und Deneb in den Sternbildern Leier bzw. Schwan das sogenannte Sommerdreieck. Ein hübscher östlicher Mythos erblickt in den Sternen des Adlers und denjenigen der Leier zwei Liebende, die durch die Milchstraße voneinander getrennt sind und sich alljährlich nur an einem einzigen Tag treffen können, an dem Elstern eine Brücke über den himmlischen Fluß spannen. Im südlichen Teil des Adlers trennt PTOLEMÄUS das heute nicht mehr bestehende Sternbild Antinous ab, das der Adler auf manchen Karten in seinen Klauen hält (siehe Teil 4).
Ara Altar Altäre tauchen immer wieder in griechischen Sagen auf, denn die Helden opferten häufig den Göttern, so daß es nicht erstaunlich ist, auch unter den Sternen einen Altar zu finden. Dieser Altar ist freilich von besonderer Art, denn an ihm schworen, wie ERATOSTHENES und MANILIUS berichten, die Götter selbst einen Bündniseid vor ihrem Kampf gegen die Titanen. Dieser Kampf war eines der gewaltigsten Ereignisse in der griechischen Mythologie. Zu jener Zeit war Kronos der Herrscher des Universums, einer der zwölf Titanen. Kronos hatte seinen Vater Uranos gestürzt, 49
doch war ihm prophezeit worden, daß er selbst von einem seiner Söhne entmachtet werden würde. In einem verzweifelten Versuch, die Prophezeiung zu vereiteln, verschlang Kronos alle seine Kinder nach ihrer Geburt – Hestia, Demeter, Hera, Hades und Poseidon –, deren Bestimmung es war, Götter und Göttinnen zu werden. Schließlich konnte es seine Frau Rhea nicht mehr mit ansehen, wie alle ihre Kinder verschlungen wurden. Sie schmuggelte das nächste Kind, Zeus, in die Höhle des Berges Dikte auf Kreta. Kronos gab sie einen in Windeln gewickelten Stein zu schlucken und sagte ihm, es wäre der kleine Zeus. Zeus wuchs auf Kreta in Sicherheit auf. Als er ins Mannesalter kam, kehrte er in den Palast seines Vaters zurück und zwang Kronos, die verschluckten Kinder zu erbrechen, die als ausgewachsene Götter und Göttinnen wieder zum Vorschein kamen. Zeus errichtete dann mit seinen Brüdern einen Altar und schwor feierlich, die grausame Herrschaft des Kronos und der übrigen Titanen abzuschütteln. Der Kampf tobte zehn Jahre lang. An der Spitze der Titanen stand Atlas auf dem Berg Othrys, während die Götter von Zeus auf den Olymp geführt wurden. Um die Entscheidung herbeizuführen, riet Mutter Erde (Gaia) Zeus, die häßlichen Brüder der Titanen zu befreien, die Kronos in den sonnenlosen Höhlen des Tartaros eingekerkert hatte, der tiefsten Region der Unterwelt. Dies waren die Hekatoncheiren (hunderthändige Riesen) und die einäugigen Zyklopen, die Kronos gegenüber nach Rache dürsteten.
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Der Altar, dessen Rauch nach Süden aufsteigt. Aus der Uranographia von JOHANN BODE.
Zeus stahl sich in den Tartaros, ließ die Ungeheuer frei und bat sie, ihn bei dem oben tobenden Kampf zu unterstützen. Erfreut über ihre unerwartete Freiheit machten sich die Zyklopen ans Werk, um den Göttern zu helfen. Sie schufen für Hades einen Helm der Dunkelheit, für Poseidon einen Dreizack und vor allem Blitze für Zeus. Mit diesen neuen Waffen und ihren monströsen Verbündeten warfen die Götter die Titanen nieder. Nach ihrem Sieg losten die Götter über die Aufteilung der Welt. Poseidon wurde Herr des Meeres, Hades erhielt die Unterwelt, und Zeus wurde der Himmel zugeteilt. Dann versetzte Zeus den Altar der Götter zum ewigen Zeichen ihrer Dankbarkeit für den Sieg über die Titanen an den Himmel. Für die Griechen war der Altar das Zeichen für bevorstehende 51
Stürme auf dem Meer. ARATOS zufolge mußten die Seeleute mit südlichen Stürmen rechnen, wenn der Altar sichtbar und andere Sterne von Wolken verdeckt waren. Ursprünglich stellten sich die Griechen den Altar so vor, daß der Rauch in nordwestlicher Richtung zog; seit dem Atlas von JOHANN BAYER aus dem Jahre 1603 wird er jedoch mit der oberen Seite nach Süden dargestellt. Auf manchen Atlanten wird dieses Sternbild auch als der Altar gezeigt, auf dem der Centaur (Centaurus) den Wolf (Lupus) opfert.
Aries Widder
Der Widder mit dem Goldenen Vlies aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. 52
Es ist eigentlich nicht überraschend, einen Widder am Himmel zu finden, denn den Göttern wurden häufig Widder geopfert, und Zeus selbst wurde zu Zeiten mit einem Widder identifiziert. Die Mytographen sind sich freilich einig, daß dieses Sternbild ein besonderer Widder ist, nämlich derjenige, dessen Goldenes Vlies der Anlaß zur Argonautenfahrt war. Der Widder erschien auf der Erde, als König Athamas von Böotien soeben seinen Sohn Phrixos opfern wollte, um eine drohende Hungersnot abzuwenden. Die Ehe des Königs Athamas und seiner Frau Nephele war unglücklich, weshalb sich Athamas die Ino nahm, eine Tochter des Königs Kadmos aus dem benachbarten Theben. Ino war ihren Stiefkindern Phrixos und Helle feindlich gesinnt, und sie plante einen Anschlag, um sie aus der Welt zu schaffen. Sie dörrte zunächst das Getreide aus, so daß die nächste Ernte ausfiel. Als sich Athamas an das delphische Orakel um Hilfe wandte, bestach Ino die Boten, damit sie die falsche Antwort zurückbrächten, daß Phrixos geopfert werden müsse, um die Ernte zu retten. Athamas zögerte, nahm aber schließlich seinen Sohn auf den Gipfel des Berges Laphystios mit, der über seinem Palast in Orchomenos aufragte. Er wollte gerade Phrixos dem Zeus opfern, als Nephele eingriff, um ihren Sohn zu retten, indem sie vom Himmel einen geflügelten Widder mit einem Golden Vlies herabsandte. Phrixos kletterte auf den Rücken des Tieres, und seine Schwester Helle, die ebenfalls um ihr Leben fürchtete, nahm hinter ihm Platz. Sie flogen ostwärts nach Kolchis an der Ostküste des Schwarzen Meeres unterhalb des Kaukasus-Gebirges (wo heute die sowjetische Republik Georgien liegt). Unterwegs verlor Helle den Halt und stürzte in die Meerenge zwischen Europa und Asien, die Dardanellen, die die Griechen danach ihr zu 53
Ehren den Hellespont nannten. Nach der Ankunft auf Kolchis opferte Phrixos den Widder dankbar dem Zeus. Das Goldene Vlies schenkte er dem König Aiëtes von Kolchis, der Phrixos dafür die Hand seiner Tochter Chalkiope gab. Nachdem Phrixos gestorben war, kehrte sein Geist nach Griechenland zurück, wo er seinen Vetter Pelias heimsuchte, der den Thron der Stadt Iolkos in Thessalien an sich gerissen hatte. Rechtmäßiger Nachfolger auf dem Thron war Jason. Pelias versprach, den Thron an Jason zu übergeben, wenn er das Goldene Vlies aus Kolchis heimbrächte. Dies war die Aufgabe, die letztlich zu der langen Fahrt Jasons und der Argonauten führte. Nachdem Jason in Kolchis angelangt war, bat er zunächst König Aiëtes höflich um das Vlies, das an einer Eiche in einem heiligen Hain hing, von einer riesigen Schlange bewacht, die niemals schlief. König Aiëtes lehnte Jasons Begehren ab. Es fügte sich glücklich, daß sich Medea, die Tochter des Königs, in Jason verliebte und sich erbot, beim Raub des Vlieses zu helfen. Sie begaben sich nachts in den Hain, in dem das Vlies hing, leuchtend wie eine Wolke, die die aufgehende Sonne bescheint. Medea versenkte die Schlange durch einen Zauber in Schlaf, so daß Jason das Vlies an sich nehmen konnte. APOLLONIOS RHODIOS zufolge war das Vlies so groß wie die Haut eines Kalbes, und als es Jason um seine Schulter schlang, reichte es bis zu seinen Füßen. Der Boden leuchtete von der glänzend goldenen Wolle, als Jason und Medea mit dem Vlies davoneilten. Nachdem sie die von König Aiëtes gesandten Verfolger abgeschüttelt hatten, bedeckten sie mit dem Vlies ihr Hochzeitsbett. Der letzte Aufbewahrungsort des Vlieses war der Zeustempel in Orchomenos, wo es Jason nach seiner Rückkehr nach Griechenland aufhängte. Auf alten Sternkarten wird der Widder in liegender Haltung, jedoch ohne Flügel dargestellt, wobei er den Kopf dem Stier 54
zuwendet. Am Himmel ist das Sternbild nicht sehr auffällig. Am ehesten ist noch die gekrümmte Linie dreier Sterne zu finden, die seinen Kopf bilden. Einer dieser drei Sterne, Alpha Arietis, heißt Hamal, nach dem arabischen Wort für «Lamm»; Beta Arietis ist Sheratan, nach einem arabischen Wort, das «Zweifaches» bedeutet (möglicherweise zwei Zeichen oder zwei Hörner, denn es wurde ursprünglich sowohl auf diesen Stern als auch auf den benachbarten Stern Gamma Arietis angewandt); Gamma Arietis ist Mesarthim, eine eigentümlich entstellte Form von al-sharatan, die Bezeichnung, die dem Stern ursprünglich mit Beta Arietis gemeinsam war. In der Astronomie kommt dem Widder weitaus größere Bedeutung zu, als es seine Helligkeit vermuten ließe, denn in griechischer Zeit lag hier der bedeutsame Punkt der FrühlingsTagundnachtgleiche. Dies ist der Punkt, an dem die Sonne den Himmelsäquator von Süden nach Norden überquert. Dieser Frühlingspunkt ist aber wegen der langsamen Kreisbewegung der Erdachse, der sogenannten Präzession, nicht fest. Als der große griechische Astronom HIPPARCH die Position des Frühlingspunktes etwa 130 v. Chr. bestimmte, lag er südlich des Sterns Mesarthim (Gamma Arietis). Der Tierkreis wurde demgemäß von hier aus gezählt, weshalb der Frühlingspunkt als Widderpunkt bezeichnet wurde. Aufgrund der Präzession ist der Punkt der Frühlings-Tagundnachtgleiche seit der Zeit des HIPPARCH 39° weitergewandert und liegt heute im benachbarten Sternbild der Fische. Trotzdem nennt man den Punkt der Frühlings-Tagundnachtgleiche auch heute noch den Widderpunkt.
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Auriga Fuhrmann Dieses auffällige Sternbild wird in der Mythologie mit einer Reihe verschiedener Gestalten identifiziert. Die bekannteste Deutung ist die, daß es sich um Erichthonios handelt, einen legendären König von Athen. Er war der Sohn des Hephaistos, des Gottes des Feuers, der besser unter seinem römischen Namen Vulcanus bekannt ist, doch wurde er von der Göttin Athene aufgezogen, nach der Athen benannt ist. Ihr zu Ehren schuf Erichthonios ein Fest, die Panathenäen. Athene lehrte Erichthonios viele Fertigkeiten, unter anderem die Zähmung von Pferden. Er war der erste, der vier Pferde vor einen Wagen spannen konnte, womit er es dem Sonnengott mit seinem vierspännigen Wagen nachtat, eine Kühnheit, die ihm die Bewunderung des Zeus und einen Platz unter den Sternen eintrug. Dort wird Erichthonios mit den Zügeln in der Hand dargestellt, vielleicht als Teilnehmer an den Panathenäischen Spielen, bei denen der häufig seinen Wagen als Sieger ins Ziel steuerte. Nach einer anderen Zuordnung ist der Fuhrmann in Wirklichkeit Myrtilos, der Wagenlenker des Königs Oinomaos von Elis und Sohn des Hermes. Der König hatte eine schöne Tochter, Hippodameia, die er nicht weggeben wollte. Er forderte jeden ihrer Freier zu einem Wettrennen auf Leben und Tod heraus. Sie mußten auf ihrem Wagen mit Hippodameia davoneilen, doch wenn sie Oinomaos einholte, bevor sie Korinth erreichten, tötete er sie. Da er den schnellsten Wagen in Griechenland hatte, dessen geschickter Lenker Myrtilos war, hatte bisher noch niemand die Herausforderung überlebt. Etwa ein Dutzend Freier waren schon geköpft worden, als Pelops, der hübsche Sohn des Tantalos, um die Hand Hippodameias anhielt. Hippodameia, die sich auf den ersten 56
Blick in ihn verliebt hatte, bat Myrtilos, dafür zu sorgen, daß der König das Rennen verlieren würde. Myrtilos, der selbst im geheimen in Hippodameia verliebt war, lockerte die Keile, mit denen die Räder an Oinomaos’ Wagen befestigt waren. Auf der Verfolgungsjagd nach Pelops lösten sich die Räder vom Wagen des Königs, und Oinomaos stürzte zu Tode. Hippodameia blieb nun in Gesellschaft von Pelops und Myrtilos zurück. Pelops bereinigte die peinliche Situation, indem er Myrtilos ohne Umstände ins Meer warf, doch schleuderte der Ertrinkende einen Fluch auf das Haus des Pelops. Hermes versetzte das Bild seines Sohnes Myrtilos als das Sternbild Fuhrmann an den Himmel. CAESAR GERMANICUS tritt für diese Zuordnung ein, denn, wie er sagt, «man sieht, daß er keinen Wagen hat, daß seine Zügel zerrissen sind und er von Schmerz darüber erfüllt ist, daß ihm durch die Treulosigkeit des Pelops Hippodameia genommen wurde». Nach einer dritten Version ist der Fuhrmann Hippolytos, der Sohn des Theseus, in den sich seine Stiefmutter Phaidra verliebt hatte. Als Hippolytos sie zurückwies, erhängte sich die Verzweifelte, und Theseus verbannte Hippolytos aus Athen. Als er davonfuhr, brach sein Wagen auseinander, wobei er den Tod fand. Der Heiler Asklepios erweckte den unschuldigen Hippolytos jedoch wieder zum Leben, eine Tat, für die Zeus den Asklepios auf Verlangen von Hades, der nicht auf eine so wertvolle Seele verzichten wollte, mit einem Blitz niederstreckte. Der Fuhrmann enthält den sechsthellsten Stern am Himmel, Capella, dessen römischer Name «Ziege» bedeutet (der griechische Name war Aix). PTOLEMÄUS schreibt, daß sich dieser Stern an der linken Schulter des Fuhrmanns befindet. ARATOS zufolge ist dies die Ziege Amaltheia, die den kleinen Zeus auf der Insel Kreta säugte und zum Zeichen der Dankbarkeit mit den beiden Zicklein, die sie damals trug, an den Himmel versetzt wurde. Ihre Jungen, häufig mit ihren lateinischen Namen Haedi (griechisch Eriphi) bezeichnet, werden durch die 57
Nachbarsterne Eta und Zeta Aurigae dargestellt.
Der Fuhrmann mit Ziege und Zicklein in der Uranographia von JOHANN BODE. Der hellste Stern Capella befindet sich im Körper der Ziege.
Nach einer anderen Erzählung war Amaltheia die Nymphe, der die Ziege gehörte. ERATOSTHENES sagt, daß die Ziege so häßlich war, daß sie die Titanen, die die Erde zu jener Zeit 58
regierten, in Schrecken versetzte. Als Zeus heranwuchs und den Titanen die Macht streitig machte, fertigte er sich aus dem Ziegenfell, dessen Rückseite wie das Haupt der Gorgo aussah, einen Mantel. Dieses gräßlich aussehende Ziegenfell bildete den sogenannten Aigis des Zeus (das Wort Aigis bedeutet wörtlich «Ziegenfell»). Der Aigis schützte Zeus und jagte seinen Feinden einen Schrecken ein, was ihm bei seinem Kampf gegen die Titanen sehr zustatten kam. Einige frühe Autoren behandeln die Ziege mit ihren Zicklein als eigenes Sternbild, doch werden sie seit PTOLEMÄUS’ Zeiten eigenartigerweise zusammen mit dem Fuhrmann dargestellt, wobei die Ziege auf dessen Schulter ruht, während er die Zicklein auf dem Unterarm trägt. Es gibt keine Sage, die erklären würde, wie der Wagenlenker zu diesen Tieren kommt. Die griechischen Astronomen ordneten einen Stern sowohl dem Fuhrmann als auch dem Stier zu, und zwar den Stern, der den rechten Fuß des Wagenlenkers wie auch die Spitze des linken Horns des Stieres bildet, wie es auf alten Karten dargestellt ist. In der modernen Astronomie gehört dieser Stern jetzt ausschließlich zum Stier.
Bootes Bootes Dieses Sternbild hängt, mythologisch betrachtet, eng mit dem Großen Bären (Ursa Maior) zusammen, weil es sich direkt hinter dem Schwanz des Bären befindet. Der Ursprung des Namens Bootes ist unklar, doch geht er möglicherweise auf ein griechisches Wort zurück, das «laut» oder «lärmend» bedeutet, ein Hinweis auf die Rufe des Hirten, der seine Tiere antreibt. Eine andere Erklärung lautet, daß der Name von einem 59
altgriechischen Wort stammt, das «Ochsentreiber» bedeutet, denn Ursa Maior wurde manchmal als Ochsenkarren gesehen. Die Griechen kannten dieses Sternbild auch unter dem Namen Arktophylax, was soviel wie «Bärenhüter» oder auch «Bärenwächter» heißt.
Bootes auf dem Mons Maenalus, einem nicht mehr gebräuchlichen Teil des Sternbildes. Über seinem Kopf das ebenfalls veraltete Sternbild Quadrans Muralis. Aus der Uranographia von JOHANN BODE. 60
Nach einer anderen Erzählung, die auf ERATOSTHENES zurückgeht, stellt das Sternbild Arkas dar, den Sohn des Gottes Zeus und der Kallisto, der Tochter des Königs Lykaon von Arkadien. Eines Tages speiste Zeus mit seinem Schwiegervater Lykaon. Um zu prüfen, ob sein Gast wirklich der große Zeus war, zerstückelte Lykaon den Arkas und setzte ihn Zeus als Mahlzeit vor (manche sagen auch, daß diese Freveltat nicht von Lykaon selbst, sondern von seinen Söhnen begangen wurde). Zeus erkannte natürlich sofort das Fleisch seines Sohnes. In rasendem Zorn warf er den Tisch um, tötete die Söhne Lykaons mit einem Blitz und verwandelte Lykaon selbst in einen Wolf. Dann fügte Zeus die Teile des Arkas wieder zusammen und übergab seinen Sohn der Plejade Maia, die ihn aufzog. Mittlerweile war Kallisto in eine Bärin verwandelt worden, nach Ansicht mancher Mythographen von Zeus’ eifersüchtiger Gattin Hera, oder aber von Zeus selbst, um seine Geliebte vor der Rache Heras zu schützen, oder auch von Artemis, die Kallisto für die Preisgabe ihrer Jungfernschaft bestrafte. Als jedenfalls Arkas zu einem Jüngling herangewachsen war, begegnete er auf der Jagd in den Wäldern diesem Bären. Kallisto erkannte ihren Sohn und wollte ihn freundlich begrüßen, brachte aber nur ein Brummen hervor. Kein Wunder, daß Arkas diesen Ausdruck mütterlicher Liebe nicht verstand und Jagd auf den Bären zu machen begann. Von Arkas verfolgt, floh Kallisto in den Tempel des Zeus, einen verbotenen Ort, dessen Betreten mit dem Tode bestraft wurde. Zeus ergriff Arkas und seine Mutter und versetzte sie beide als die Sternbilder des Bären und des Bärenhüters an den Himmel. Der griechische Dichter ARATOS erblickte in Bootes einen Mann, der den Bären um den Pol hetzt. Spätere Astronomen haben Bootes zwei Hunde beigesellt, das benachbarte Sternbild Jagdhunde. Eine zweite Sage identifiziert Bootes mit Ikarios (nicht zu verwechseln mit Ikaros, dem Sohn des Daidalos). Nach dieser Sage, die HYGIN ausführlich in seiner Poetica Astronomica (II. 61
4) erzählt, lehrte Dionysos Ikarios die Kunst des Weinbaus und der Weinbereitung. Als Ikarios den Hirten etwas von seinem neuen Jahrgang anbot, wurden sie so betrunken, daß deren Freunde glaubten, jene wären vergiftet worden, und Ikarios aus Rache töteten. Dessen Hund Maira rannte heulend nach Hause und führte Ikarios’ Tochter Erigone an die Stelle, wo dessen Leichnam unter einem Baum lag. In ihrer Verzweiflung erhängte sich Erigone an dem Baum; sogar der Hund starb, entweder vor Kummer oder indem er sich ertränkte. Zeus versetzte Ikarios als Bootes an den Himmel; seine Tochter Erigone wurde zum Sternbild Jungfrau und der Hund – je nach Autor – zum Kleinen oder Großen Hund. Bootes enthält den vierthellsten Stern am Himmel, Arktur, den HOMER, HESIOD und PTOLEMÄUS erwähnen. Der Name bedeutet im Griechischen «Bärenwächter». CAESAR GERMANICUS sagt, daß Arktur «an der Stelle liegt, an dem sein Gewand mit einem Knoten befestigt ist», doch versetzte ihn PTOLEMÄUS zwischen die Oberschenkel, und an dieser Stelle haben ihn auch die Kartographen dargestellt. Die Astronomen haben festgestellt, daß Arktur ein Roter Riese von etwa der 24fachen Größe der Sonne und 36 Lichtjahre von uns entfernt ist.
Caelum Grabstichel Dieses kleinste und unscheinbarste Sternbild der südlichen Hemisphäre wurde im 18. Jahrhundert von dem französischen Astronomen NICOLAS Louis DE LACAILLE eingeführt. Er verzeichnete es auf seiner Karte der südlichen Sterne im Jahre 1756 unter dem französischen Namen les Burins. Auf einer Karte aus dem Jahre 1763 wird es in der lateinischen Form Caelum Scalptorium und seither nur mehr als Caelum 62
angegeben. Es wurde als ein Paar gekreuzter Gravierwerkzeuge dargestellt. Mit diesem Sternbild verbinden sich keine Sagen, und seine Sterne sind sehr lichtschwach.
Der Grabstichel wird hier, in der Uranographia von JOHANN BODE, als Caela Scalptoris dargestellt.
Camelopardalis Giraffe Eine Giraffe erwartet man wohl kaum am Sternhimmel. Aber sie wurde im Jahre 1613 von dem holländischen Theologen und Astronomen PETRUS PLANCIUS geschaffen und liegt in einem Bereich zwischen dem Kopf des Großen Bären und 63
Kassiopeia, den die Griechen nicht besetzten, weil er nur Sterne bis zur 4. Größenklasse enthält. Das Sternbild stellt vermutlich das Tier dar, auf dem Rebecca nach Kanaan ritt, um sich mit Isaac zu vermählen. Der deutsche Astronom JAKOB BARTSCH zeigte es auf seiner Karte aus dem Jahre 1624, und schrieb die Giraffe irrtümlich ISAAC HABRECHT aus Straßburg zu, der sie auf seinem Sternglobus aus dem Jahr 1621 dargestellt hatte. Der Name dieses Sternbildes wird manchmal fälschlich «Camelopardalus» geschrieben.
Der obere Teil des großen Sternbildes Giraffe nach der Uranographia von JOHANN BODE. Darüber zwei veraltete Sternbilder: Rangifer, das Rentier, und Custos Messium, der Hüter der Ernte (siehe Teil 4).
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Cancer Krebs Der Krebs spielt eine Nebenrolle bei einer der Arbeiten des Herakles (den die Römer Hercules nannten). Während Herakles im Sumpf bei Lerna mit dem vielköpfigen Ungeheuer Hydra kämpfte, tauchte der Krebs aus dem Morast auf und griff Herakles ebenfalls an, indem er ihn in den Fuß biß. Für diesen bescheidenen Beitrag zur Mythographie soll die Göttin Hera, die Intimfeindin des Herakles, den Krebs unter die Sterne des Tierkreises versetzt haben.
Das Sternbild Krebs nach der Uranographia von JOHANN BODE. In der Mitte befindet sich der Sternhaufen Praesepe, flankiert von den beiden Sternen Asellus Borealis und Asellus Australis. 65
Zu Recht ist der Krebs das unscheinbarste der Tierkreisbilder, denn seine hellsten Sterne erreichen nur die 4. Größenklasse. Der Stern Alpha Cancri trägt den Namen Acubens, nach dem arabischen Wort für «Schere». Für zwei Sterne des Sternbildes, Asellus Borealis und Asellus Australis, lateinisch für «Nördlicher Esel» und «Südlicher Esel», gibt es eigene Sagen. Nach ERATOSTHENES kamen während der Schlacht zwischen den Göttern und den Giganten, die nach dem Sturz der Titanen tobte, die Götter Dionysos, Hephaistos und einige Begleiter auf Eseln herbeigeritten, um sich ebenfalls in das Getümmel zu stürzen. Die Giganten hatten noch niemals das Geschrei von Eseln gehört und ergriffen die Flucht, weil sie glaubten, daß sie es mit einem furchtbaren Ungeheuer zu tun bekämen. Dionysos versetzte die Esel zu beiden Seiten einer Sterngruppe an den Himmel, die die Griechen Phatne nannten, die Krippe, an der die Esel fressen. PTOLEMÄUS beschrieb Phatne als «die neblige Masse in der Brust». Die Astronomen bezeichnen diesen Sternhaufen heute mit seinem lateinischen Namen Praesepe. Der Wendekreis des Krebses ist diejenige geographische Breite auf der Erde, auf der die Sonne am Tage der Sommersonnenwende, dem 21. Juni, im Zenit steht. Zur Zeit der Griechen stand die Sonne zu diesem Zeitpunkt unter den Sternen des Krebses, jedoch hat sich der Sommersonnwendpunkt aufgrund der Kreisbewegung der Erdachse, der sogenannten Präzession, inzwischen an die Grenze zwischen Zwillingen und Stier verlagert.
Canes Venatici Jagdhunde Der polnische Astronom JOHANNES HEVELIUS kombinierte dieses Sternbild im Jahre 1687 aus Sternen, die bis dahin als Teil des Großen Bären galten. Die Jagdhunde werden von 66
Bootes an einer Leine gehalten und schnappen nach den Hinterläufen des Großen Bären. Der südliche Hund wird von den beiden hellsten Sternen des Sternbildes gebildet, Alpha und Beta Canum Venaticorum.
Canes Venatici, die beiden Jagdhunde, die Bootes an einer Leine hält. Aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED.
Der Stern Alpha ist auch als Cor Caroli bekannt, Herz Karls, zu Ehren von König KARL I. von England. Er erhielt diesen Namen von Sir CHARLES SCARBOROUGH, dem Leibarzt von König KARL II. SCARBOROUGH sagte, daß der Stern in der Nacht des 29. Mai 1660 besonders hell leuchtete, als König KARL II. zur Wiedereinsetzung der Monarchie nach London zurückkehrte. Es gab daher erhebliche Uneinigkeit darüber, an 67
welchen König Karl der Stern erinnern soll, doch ist er eindeutig nach König KARL I. benannt. Er erschien erstmals im Jahre 1673 auf einer Sternkarte des englischen Kartographen FRANCIS LAMB unter dem Namen Cor Caroli Regis Martyris, ein Hinweis auf die Tatsache, daß König KARL I. enthauptet wurde. LAMB und andere wie zum Beispiel der Engländer EDWARD SHERBURNE im Jahre 1675 zeichneten ein Herz um den Stern, das eine Krone trug, wodurch sie den Stern in ein Mini-Sternbild verwandelten. Nach dem griechischen Wort für «Freude» trägt der Stern Beta den Namen Chara, den HEVELIUS dem südlichen Hund verlieh. Der nördliche Hund, der den Namen Asterion («sternreich») trägt, umfaßt nur einige zerstreute schwache Sterne. BODE schrieb die Namen der Hunde auf ihre Halsbänder. Die Jagdhunde enthalten den Kugelsternhaufen M 3 und die sehr schöne Spiralgalaxie M 51. M 51 war die erste Galaxie, bei der eine Spiralform festgestellt wurde, eine Entdeckung des irischen Astronomen Lord ROSSE aus dem Jahre 1845. Sie besteht aus einer großen Galaxie, die demnächst mit einer kleineren zusammenprallen wird.
Canis Maior Großer Hund Den Großen Hund beherrscht der Stern Sirius, der auch als der Hundsstern bezeichnet wird, der hellste Stern am ganzen Himmel; das Sternbild dürfte mit ziemlicher Gewißheit aufgrund dieses einzigen Sterns entstanden sein. ARATOS bezeichnet dieses Sternbild als den Wachhund Orions, der seinem Herrn auf den Fersen folgt und auf den Hinterbeinen steht, wobei er Sirius in seinem Maul trägt. MANILIUS nannte es «den Hund mit dem strahlend hellen Gesicht». Der Große Hund scheint den Himmel auf der Jagd nach dem Hasen zu 68
durchqueren, den das Sternbild Lepus zu Füßen Orions darstellt. Mythographen wie ERATOSTHENES und HYGIN sagen, daß dieses Sternbild Lailaps darstellt, einen Hund, der so schnell war, daß ihm keine Beute entging. Dieser Hund hat eine lange Liste von Besitzern, zu denen auch Prokris gehört, die Tochter des Königs Erechtheus von Athen und Gemahlin des Kephalos, doch gibt es unterschiedliche Berichte darüber, wie sie zu diesem Tier kam. Nach der einen Version erhielt sie den Hund von Artemis, der Göttin der Jagd; nach einem wahrscheinlicheren Bericht ist es jedoch der Hund, den Zeus Europa schenkte, deren Sohn Minos, König von Kreta, ihn an Prokris weitergab. Sie erhielt diesen Hund nebst einem unfehlbaren Speer zum Geschenk; dieser erwies sich als unheilvolles Geschenk, denn ihr Gatte Kephalos tötete sie damit versehentlich bei der Jagd. Kephalos erbte den Hund und nahm ihn mit nach Theben (nicht das ägyptische Theben, sondern eine Stadt in Böotien nördlich von Athen), wo ein raubgieriger Fuchs das Land verwüstete; er war so schnell, daß er niemals gefangen werden konnte, Lailaps aber war der Hund, der alles fing, was er jagte. Die Jagd ging los – der Hund, dem nichts entkam, hetzte den Fuchs, der nicht zu fangen war. Einmal schien der Hund den Fuchs fast in seinen Fängen zu haben, doch ehe er zupacken konnte, enteilte ihm der Fuchs wieder. Dieses Dilemma schien unlösbar, weshalb Zeus beide in Stein verwandelte und den Hund, ohne den Fuchs, als Canis Maior an den Himmel versetzte. Der Name des Fixsterns Sirius geht auf das griechische Wort seirios zurück, das «sengend» bedeutet und diesem hellsten Stern sehr angemessen ist. In griechischer Zeit markierte nämlich sein Aufgang in der Morgendämmerung – kurz vor dem der Sonne – den Beginn der größten Sommerhitze, der Zeit, die wir auch heute noch als die Hundstage bezeichnen. «Er speit Flammen aus und verdoppelt die sengende Hitze der Sonne», sagt MANILIUS, womit er die griechische und römische 69
Vorstellung zum Ausdruck bringt, daß der Stern erhitzende Wirkung habe. HESIOD schrieb über «Häupter und Glieder, die Sirius austrocknete», und VERGIL berichtet in seinen Georgica, daß der «dörrende Hundsstern den Ackerboden bersten läßt».
Der Große Hund, dessen Schnauze den Sirius markiert, nach der Uranographia von JOHANN BODE. 70
CAESAR GERMANICUS beschreibt genau die Wirkungen, die dem mit der Sonne aufgehenden Sirius zugeschrieben wurden. Gesunde Feldfrüchte kräftigt er, während er solche mit geschrumpften Blättern oder schwachen Wurzeln eingehen läßt. «Es gibt keinen Stern, den der Landmann mehr liebt oder mehr haßt», sagt GERMANICUS. «Er steht der Sonne kaum nach, doch ist sein Aufenthalt in großer Ferne», schreibt MANILIUS, womit er die moderne Erkenntnis schon vorwegnimmt, daß Sterne Himmelskörper wie die Sonne sind, nur in viel größerer Entfernung. Im Widerspruch zu der angeblich erhitzenden Wirkung des Sirius fährt MANILIUS jedoch fort: «Die Strahlen, die er von seinem himmelsblauen Antlitz aussendet, sind kalt.» Diese Beschreibung der Farbe des Sirius steht im Gegensatz zu PTOLEMÄUS, der den Stern überraschenderweise als rötlich bezeichnete, was zu verschiedenen Streitigkeiten führte. In der Tat hatte MANILIUS beinahe Recht, denn Sirius ist ein blau-weißer Stern, der größer und heller ist als die Sonne. Er ist nur 8,7 Lichtjahre entfernt und damit einer der nächsten Nachbarn der Sonne. Er hat einen kleinen Begleiter, einen Weißen Zwerg, der nur im Fernrohr sichtbar ist und Sirius in etwa 50 Jahren einmal umrundet.
Canis Minor Kleiner Hund Dieses kleine Sternbild bestand ursprünglich nur aus Prokyon («vor dem Hund»), seinem hellsten Stern, der früher aufgeht als der andere Himmelshund, Canis Maior. Prokyon selbst ist ein weißer, 11,3 Lichtjahre entfernter Stern, der achthellste Stern am Himmel. Der Kleine Hund gilt meist als einer der Hunde Orions. Nach 71
einer berühmten Sage aus Attika (dem Gebiet um Athen), die der Mythograph HYGIN wiedergibt, stellt das Sternbild Maira dar, den Hund des Ikarios, des Mannes, den der Gott Dionysos die Kunst der Weinbereitung lehrte. Als Ikarios Hirten von seinem Wein zu kosten gab, wurden sie davon sehr schnell betrunken. Weil sie glaubten, daß Ikarios sie vergiftet hatte, töteten sie ihn. Der Hund Maira rannte heulend zu Ikarios’ Tochter Erigone, faßte ihr Gewand mit seinen Zähnen und führte sie zur Leiche ihres Vaters. Erigone und der Hund begingen an der Stelle, an der Ikarios lag, Selbstmord. Zeus versetzte ihre Bilder zur Erinnerung an die unglückselige Geschichte unter die Sterne. Zur Sühne für seinen tragischen Irrtum beging das Volk von Athen jährlich ein Fest zu Ehren von Ikarios und Erigone. Nach dieser Geschichte entspricht Ikarios dem Sternbild Fuhrmann, Erigone der Jungfrau und Maira dem Kleinen Hund.
Der Kleine Hund mit dem hellen Stern Prokyon nach der Uranographia von JOHANN BODE. 72
Wie HYGIN weiter berichtet, flohen die Mörder des Ikarios auf die Insel Keos vor der attischen Küste, doch verfolgte sie ihre böse Tat. Die Insel wurde von Hungersnot und Krankheiten heimgesucht, was in der Sage der sengenden Wirkung des Hundssterns zugeschrieben wurde (hier scheint Prokyon mit dem größeren Hundsstern, Sirius im Großen Hund, verwechselt zu werden). König Aristaios von Keos, Sohn des Gottes Apollon, bat seinen Vater um Rat und erhielt die Auskunft, er solle zu Zeus beten. Daraufhin sandte Zeus die Etesischen Winde, die alljährlich nach dem Aufgang des Hundssterns vierzig Tage lang wehen und Griechenland und seinen Inseln in der Sommerhitze Kühlung bringen. Daraufhin begannen die Priester von Keos damit, alljährlich vor dem Aufgang des Hundssterns Opferfeiern abzuhalten. Prokyon ist astronomisch interessant, weil er einen kleinen, heißen Begleiter hat, einen sogenannten Weißen Zwerg, der ihn in 40 Jahren einmal umrundet. Zufälligerweise hat auch der andere Hundsstern, Sirius, einen dieser kleinen, massereichen Weißen Zwerge als Begleiter.
Capricornus Steinbock Der Steinbock ist ein bizarr aussehendes Geschöpf mit Kopf und Vorderbeinen einer Ziege und dem Schwanz eines Fisches. Das Sternbild geht offensichtlich auf die Sumerer und Babylonier zurück, die eine besondere Vorliebe für Amphibien hatten; die alten Sumerer nannten es Suhur-Mash-Ha, «Ziegenfisch», und die Griechen Aigokeros («ziegengehörnt»); für sie stellte es Pan dar, den Gott der Schafhirten, der Hörner und Beine einer Ziege hatte. Pan, ein verspieltes Geschöpf unklarer Abkunft, brachte seine Zeit weitgehend damit zu, hinter Frauen herzujagen, wenn er nicht gerade Siesta hielt, um sich von seinen 73
Ausschweifungen zu erholen. Er konnte die Menschen mit seinem lauten Schreien erschrecken; daher stammt das Wort «panisch». Pans Versuch, die Nymphe Syrinx zu verführen, scheiterte daran, daß sie sich in Schilfrohr verwandelte. Als er die Rohre faßte, blies der Wind durch sie hindurch, und es entstand ein wunderbarer Klang. Pan sammelte daraufhin Rohre unterschiedlicher Länge und fügte sie mit Wachs zu der berühmten Pan-Flöte zusammen.
Der Steinbock, wie ihn JOHANN BODE in seiner Uranographia dargestellt hat. Südlich davon das heute veraltete Sternbild Globus Aerostaticus (siehe Teil 4).
Pan kam den Göttern bei zwei verschiedenen Gelegenheiten zu Hilfe. Während der Schlacht zwischen den Göttern und den 74
Titanen stieß Pan in ein Muschelhorn, um die Feinde in die Flucht zu schlagen. Nach ERATOSTHENES ist auf diesen Zusammenhang mit der Trompetenmuschel seine Fischgestalt am Himmel zurückzuführen, während HYGIN die etwas absonderliche Erklärung anbietet, daß Pan Schalentiere gegen die Feinde schleuderte. Bei einer späteren Gelegenheit warnte Pan die Götter mit einem lauten Schrei, als sich das Ungeheuer Typhon näherte, das Mutter Erde (Gaia) gegen die Götter ausgesandt hatte. Auf Pans Anraten verwandelten sich die Götter in Tiere, um dem Ungeheuer zu entgehen. Pan selbst suchte in einem Fluß Zuflucht und verwandelte den unteren Teil seines Körpers in einen Fisch. Zeus rang mit Typhon, doch das Ungeheuer riß Zeus die Sehnen aus seinen Händen und Füßen, so daß der Gott verkrüppelt war. Hermes und Pan setzten die Sehnen wieder ein, und Zeus konnte die Verfolgung Typhons wieder aufnehmen. Zeus streckte das Monster mit Blitzen nieder und begrub es schließlich unter dem Ätna auf Sizilien, der auch heute noch den Atem des Ungeheuers in Feuerwolken ausstößt. Zum Dank für seine Dienste versetzte Zeus das Bildnis Pans als das Sternbild Steinbock an den Himmel. Der Stern Alpha Capricorni heißt Algedi (auch Gredi) nach dem arabischen aljady, was «Zicklein» bedeutet; so heißt dieses Sternbild bei den Arabern. Delta Capricorni heißt Deneb Algiedi nach dem arabischen Wort für «Ziegenschwanz». Der Wendekreis des Steinbocks ist de Breitengrad, über dem die Sonne zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende – um den 22. Dezember – im Zenit steht. In griechischer Zeit war die Sonne zu diesem Zeitpunkt im Steinbock, doch befindet sie sich heute aufgrund der Präzession am tiefsten Punkt ihrer Bahn im Schützen.
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Carina Schiffskiel Dies ist einer der Teile, in die der französische Astronom NICOLAS Louis DE LACAILLE das Schiff Argo in seinem 1763 veröffentlichten Katalog der südlichen Sterne aufgeteilt hat (die Geschichte der Argo wird ausführlich in Teil 4 behandelt). Carina ist der Kiel des Schiffs. Das Sternbild enthält den zweithellsten Stern des gesamten Himmels, Canopus, einen cremig-weißen Überriesen, der etwa 300 Lichtjahre entfernt ist und eines der beiden Steuerruder des Schiffs markiert. Canopus wird von ARATOS nicht erwähnt, weil der Stern im Griechenland seiner Zeit unterhalb des Horizonts blieb; der Name erscheint erstmals bei ERATOSTHENES, der im weiter südlich gelegenen Alexandria arbeitete und damit den Stern sehen konnte. Griechische Autoren wie STRABO und KONON berichten, daß Canopus nach dem Steuermann des griechischen Königs Menelaos benannt wurde. Als Menelaos mit Helena aus Troja zurückkehrte, wurde seine Flotte von einem Sturm abgetrieben und landete in Ägypten. Dort starb Kanopos an einem Schlangenbiß; Helena tötete die Schlange, und sie und Menelaos verbrannten Kanopos mit allen Ehren. An dieser Stelle entstand die Stadt Kanopos (das heutige Abu Qir) im Nildelta. Interessanterweise benutzen moderne Raumsonden Canopus heute als Leitstern für die automatische Navigation. ERATOSTHENES kannte diesen Stern auch unter dem Namen Perigeios, ein Hinweis darauf, daß der Stern nahe am Horizont blieb. Das Sternbild enthält einen ungewöhnlichen Stern, Eta Carinae, der im Jahre 1843 plötzlich heller aufleuchtete als Canopus, inzwischen aber nicht einmal mehr mit bloßem Auge sichtbar ist. Die Astronomen sind der Ansicht, daß es sich um einen jungen, massiven Stern handelt, der eines Tages als Supernova explodieren wird. 76
Cassiopeia Kassiopeia Kassiopeia war die eitle und prahlsüchtige Gattin des Königs Kepheus von Äthiopien, der neben ihr am Himmel verewigt ist; diese beiden sind das einzige Ehepaar unter den Sternbildern. Die klassischen Autoren schrieben ihren Namen «Cassiepeia», doch heute ist Cassiopeia die bei den Astronomen übliche Form. Als Kassiopeia eines Tages ihre langen Locken kämmte, verstieg sie sich zu der Behauptung, daß sie schöner sei als die Seenymphen, die Nereiden. Es gab fünfzig Nereiden, Töchter des Nereus, der als der «Alte Mann des Meeres» bezeichnet wurde. Eine der Nereiden, Amphitrite, war mit Poseidon verheiratet, dem Meeresgott. Die Nereiden wandten sich daraufhin an Poseidon, damit er Kassiopeia für ihre Eitelkeit bestrafe, und der Meeresgott schickte ein Ungeheuer, das die Küste des Landes von König Kepheus verwüstete. Dieses Ungeheuer ist im Sternbild Cetus (Walfisch) verewigt. Um das Ungeheuer zu besänftigen, ketteten Kepheus und Kassiopeia ihre Tochter Andromeda als unschuldiges Opfer an einen Felsen, doch wurde Andromeda von dem Helden Perseus in einer der berühmtesten Rettungstaten der Geschichte aus den Klauen des Ungeheuers gerettet. Als zusätzliche Strafe wurde Kassiopeia dazu verdammt, unaufhörlich um den Himmelspol zu kreisen, wobei sie manchmal in einer schmachvollen Stellung auf dem Rücken liegen mußte. Auf Himmelskarten ist Kassiopeia auf ihrem Thron dargestellt – noch immer mit ihrem Haar beschäftigt. Die fünf hellsten Sterne des Sternbildes Kassiopeia bilden ein deutliches «W», das Autoren wie ARATOS mit einem Schlüssel oder einer Falttür verglichen. Alpha Cassiopeiae heißt Schedir nach dem arabischen Wort für «Brust», deren Position er markiert. Beta Cassiopeiae heißt Caph nach dem arabischen Wort für «befleckte Hand», da er eine mit Henna beschmutzte 77
Hand darstellen soll. Delta Cassiopeiae trägt den Namen Ruchbah nach dem arabischen Wort für «Knie». Der zentrale Stern des «W», Gamma Cassiopeiae, ist ein unregelmäßiger Veränderlicher, dessen Helligkeit gelegentlich stark zunimmt.
Kassiopeia, die eitle Königin auf ihrem Thron. Aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED.
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Centaurus Centaur Kentauren waren mythische Tiere, halb Mensch, halb Pferd. Sie waren ein wildes und ungebärdiges Volk, insbesondere dann, wenn es Wein zu trinken gab. Einer von ihnen aber, Cheiron, war weise und gelehrt, und er ist es, den das Sternbild Centaurus darstellt. Cheiron hatte andere Eltern als die übrigen Kentauren, daher sein anderer Charakter. Sein Vater war Kronos, der König der Titanen, der eines Tages die Meeresnymphe Philyra fing und verführte. Weil er dabei von seiner Frau Rhea in flagranti ertappt wurde, verwandelte sich Kronos in ein Pferd und galoppierte davon, so daß Philyra einen Bastard gebären mußte. Cheiron wurde zu einem geschickten Lehrer in der Jagd, der Heilkunst und der Musik; seine Höhle am Berg Pelion wurde eine wahre Akademie für die jungen Fürsten, die eine gute Erziehung suchten. Cheiron genoß so großes Vertrauen bei den Göttern und Helden des alten Griechenlands, daß er zum Ziehvater von Jason und Achilles wurde; sein erfolgreichster Schüler aber war wohl Asklepios, der Sohn des Apollon, der zum größten aller Heiler wurde und im Sternbild Ophiuchus verewigt ist. Für ein Geschöpf, das in seinem Leben so viel Gutes gewirkt hatte, erlitt Cheiron einen tragischen Tod. Er ereilte ihn während eines Besuches, den Herakles dem Kentauren Pholos abstattete, der ihn zum Essen einlud und Wein aus dem gemeinsamen Krug der Kentauren anbot. Als die anderen Kentauren bemerkten, daß ihr Wein getrunken wurde, drangen sie erzürnt, mit Steinen und Bäumen bewaffnet, in die Höhle ein. Herakles trieb sie mit einem Pfeilhagel zurück. Einige der Kentauren flüchteten sich zu Cheiron, der mit dem Überfall nichts zu tun hatte, und ein Pfeil des Herakles traf Cheiron zufällig ins Knie. Herakles kümmerte sich sofort um den guten Kentauren und zog den Pfeil heraus, doch er wußte bereits, daß Cheiron nicht zu helfen war. 79
Auch Cheirons beste Arznei war gegen das giftige Blut der Hydra wirkungslos, in das Herakles seine Pfeile getaucht hatte. Von Schmerzen gepeinigt, ohne jedoch sterben zu können, weil er der unsterbliche Sohn des Kronos war, zog sich Cheiron in seine Höhle zurück. Um ihn nicht endlos leiden zu lassen, stimmte Zeus zu, daß Cheiron dem Prometheus seine Unsterblichkeit überließ. So konnte Cheiron schließlich sterben, und er wurde unter die Sterne versetzt. Nach einer anderen Version der Geschichte stattete Herakles Cheiron lediglich einen Besuch ab, und einer der Pfeile fiel versehentlich auf den Fuß des Kentauren, als die beiden Herakles’ Pfeile begutachteten. Auf Himmelskarten ist zu sehen, wie der Kentaur ein Tier (das Sternbild Wolf) auf dem Altar opfert. ERATOSTHENES sagt, daß dies ein Zeichen für Cheirons Tugend ist.
Der Centaur nach der Uranographia von JOHANN BODE. Der Centaur hält eine lange Stange, auf der der Wolf aufgespießt ist. Alpha Centauri, der unserer Sonne nächste Fixstern, markiert den Vorderfuß des Centauren. 80
Im Sternbild Centaur befindet sich der Stern Alpha Centauri, der 4,3 Lichtjahre von uns entfernt ist. Alpha Centauri heißt auch Rigil Kentaurus, arabisch für «Fuß des Kentauren». Er ist mit bloßem Auge als der dritthellste Stern am Himmel zu erkennen, doch zeigt schon ein kleines Fernrohr, daß es sich um einen Doppelstern handelt, der aus zwei gelben Sternen ähnlich der Sonne besteht. Ein dritter, erheblich schwächerer Begleiter trägt den Namen Proxima Centauri, weil er ein wenig näher ist als die beiden anderen Sterne. Beta Centauri trägt den Namen Hadar nach einem arabischen Wort, das ein Mitglied eines Sternpaares bezeichnet. Alpha und Beta Centauri bilden die Vorderbeine des Kentauren; sie sind Wegweiser zum Kreuz des Südens, das sich unter dem Hinterteil des Kentauren befindet. Das Sternbild Centaur enthält auch den größten und hellsten von der Erde aus sichtbaren Kugelsternhaufen, Omega Centauri.
Cepheus Kepheus Kepheus war der mythische König von Äthiopien. Er wurde für würdig erachtet, einen Platz am Himmel einzunehmen, weil er in vierter Generation von der Nymphe Io abstammte, einer der Geliebten des Zeus – und es erwies sich immer als Vorteil, mit Zeus verwandt zu sein, wenn es darum ging, als Sternbild verewigt zu werden. Das Reich des Kepheus lag nicht im heutigen Äthiopien, sondern erstreckte sich von der südöstlichen Küste des Mittelmeers nach Süden bis zum Roten Meer, in einem Gebiet, das sich heute Israel, Jordanien und Ägypten teilen. PTOLEMÄUS schrieb, daß Kepheus den tiara-ähnlichen Kopfschmuck eines persischen Königs trug. 81
Kepheus war mit Kassiopeia verheiratet, einer unerträglich eitlen Frau, deren Prahlsucht Poseidon dazu brachte, ihr Ketos, ein Meerungeheuer, zu schicken, das die Küsten von Kepheus’ Reich verwüstete. Kepheus wurde vom Orakel von Ammon angewiesen, seine Tochter Andromeda an einen Felsen zu ketten und sie dem Ungeheuer zu opfern. Andromeda wurde jedoch von dem Helden Perseus gerettet, der das Untier tötete und Andromeda als Gemahlin forderte.
Cepheus im Gewand eines persischen Königs, wie er im Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED dargestellt ist.
König Kepheus gab in seinem Palast ein üppiges Bankett, um die Vermählung seiner Tochter zu feiern. Doch das Schicksal hatte es gewollt, daß Andromeda bereits dem Phineus 82
versprochen war, einem Bruder des Kepheus. Als nun die Feierlichkeiten in vollem Gange waren, brachen Phineus und seine Getreuen herein und forderten Andromeda zurück, was Kepheus jedoch ablehnte. Den schrecklichen Kampf, der daraufhin entbrannte, beschreibt OVID ausführlich im fünften Buch seiner Metamorphosen. Kepheus verließ achselzuckend den Schauplatz mit der Bemerkung, daß er sein Bestes getan habe, und überließ es Perseus, sich selbst seiner Haut zu wehren. Perseus streckte viele seiner Angreifer nieder und verwandelte den Rest zu Stein, indem er ihnen das Haupt der Gorgo zeigte. Das Sternbild liegt in der Nähe des Himmelsnordpols, und sein berühmtester Stern ist Delta Cephei. Hierbei handelt es sich um einen pulsierenden Riesenstern, dessen Helligkeit mit einer Periode von 5,4 Tagen schwankt. Er ist der Prototyp der Cepheiden-Veränderlichen, die die Astronomen für die Berechnung von Entfernungen im Raum heranziehen.
Cetus Walfisch Als sich Kassiopeia, die Gemahlin des Königs Kepheus von Äthiopien, rühmte, daß sie schöner sei als die Meeresnymphen, die Nereiden, löste sie eine Kette von Ereignissen aus, deren Hauptakteure am Himmel verewigt sind. Als Vergeltung für die Beleidigung der Nereiden schickte der Meeresgott Poseidon ein Ungeheuer, das die Küste von Kepheus’ Land verwüstete. Dieses Ungeheuer ist im Sternbild Walfisch dargestellt. Um das Ungeheuer loszuwerden, folgte Kepheus dem Rat des Orakels von Ammon, seine Tochter Andromeda dem Ungeheuer zu opfern. Andromeda wurde an die Klippen von Jaffa gekettet, in der Nähe des heutigen Tel Aviv, und ihrem schrecklichen Schicksals überantwortet. 83
Das gräßliche Meerungeheuer Cetus, abgebildet im Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED.
Die Griechen stellten sich Ketos als ein Mischgeschöpf mit gewaltig aufgerissenen Kiefern und den Vorderfüßen eines Landtiers vor, dessen schuppiger Leib in vielen Windungen ähnlich dem Schwanz einer Seeschlange auslief. Deshalb wird der Walfisch auf Sternkarten als eine grotesk aussehende Kreatur dargestellt, eher komisch als furchterregend, und einem Walfisch durchaus unähnlich. Zitternd und bebend sah Andromeda, wie sich das gräßliche Untier, das die Wellen wie ein großes Schiff durchpflügte, ihr näherte. Zum Glück kam in diesem Augenblick der Held Perseus vorbei, der sofort erkannte, was im Gange war. Er stieß wie ein Adler auf den Rücken des Ungeheuers nieder und bohrte sein Schwert in die rechte Schulter des Geschöpfs. Das Monster 84
richtete sich auf seinem Schwanz auf und schnappte mit seinen furchtbaren Kiefern nach allen Seiten, um seinen Angreifer zu zermalmen. Wieder und wieder stieß Perseus sein Schwert in das Untier, zwischen dessen Rippen, in den mit Krebsen übersäten Rücken und in die Schwanzwurzel. Aus vielen Wunden blutend sank das Ungeheuer schließlich ins Meer zurück, wo es wie gestrandet liegenblieb. Die dankbaren Küstenbewohner schleiften es an Land, häuteten es ab und stellten seine Knochen zur Schau. Der Walfisch ist das viertgrößte Sternbild, wie es sich für ein Monster gehört, doch ist keiner seiner Sterne besonders hell. Alpha Ceti heißt Menkar nach dem arabischen Wort für «Nüstern», eine Fehlbenennung, weil dieser Stern auf der Kinnlade des Tiers liegt. Der berühmteste Stern des Walfischs ist Mira, der diesen lateinischen Namen («die Wunderbare») wegen seiner Helligkeitsschwankungen trägt. Gelegentlich ist er mit bloßem Auge gut zu erkennen, während er die meiste Zeit so schwach leuchtet, daß er ohne Feldstecher oder Fernrohr nicht zu finden ist. Mira ist ein Roter Riese, dessen Helligkeitsschwankungen durch Veränderungen der Größe zustande kommen. Der Stern wurde erstmals im Jahre 1596 von dem niederländischen Astronomen DAVID FABRICIUS verzeichnet, doch wurden seine periodischen Veränderungen erst im Jahre 1638 erkannt. Der Stern erhielt seinen Namen Mira im Jahre 1662 von dem polnischen Astronomen JOHANNES HEVELIUS; er war der erste entdeckte Veränderliche.
Chamaeleon Chamäleon Das himmlische Chamäleon ist eines der Sternbilder, die exotische Tiere darstellen und von den niederländischen Seefahrern PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN eingeführt wurden, als sie in den Jahren 1595 85
bis 1597 den südlichen Sternhimmel kartographierten. Diese neuen südlichen Sternbilder erschienen erstmals im Jahre 1598 auf einem Globus des Holländers PETRUS PLANCIUS und wurden bald von anderen Kartographen wie dem Deutschen JOHANN BAYER übernommen, da keine anderen Beobachtungen des südlichen Sternhimmels verfügbar waren. Das Sternbild Chamäleon liegt in der Nähe des Himmelssüdpols. Es gibt keine Sagen hierzu, und es enthält auch keine hellen Sterne.
Das Chamäleon, wie JOHANN BODE es in seiner Uranographia darstellte.
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Circinus Zirkel
Der Zirkel nach der Uranographia von JOHANN BODE.
Dies ist ein unscheinbares Sternbild, das einen Zirkel darstellt, wie ihn Zeichner und Seeleute benutzen. Der Zirkel wurde im Jahre 1756 von dem Franzosen NICOLAS Louis DE LACAILLE eingeführt, der die Lücken zwischen bestehenden Sternbildern am südlichen Himmel mit verschiedenen Objekten füllte. In diesem Fall war die «Lücke» allerdings überaus klein; der Zirkel ist in eingeklappter Stellung zwischen den Vorderfuß des Centauren und das Südliche Dreieck eingezeichnet.
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Columba Taube
Die Taube, dargestellt in der Uranographia von JOHANN BODE.
Ein von dem Holländer PETRUS PLANCIUS im Jahre 1592 erfundenes Sternbild, das einige Sterne zusammenfaßt, die PTOLEMÄUS in seinem Almagest als außerhalb des Großen Hundes liegend verzeichnet hatte. Die Taube liegt hinter dem Schiff Argo, das PLANCIUS in Arche Noah umbenannte. Das Sternbild stellt angeblich die Taube dar, die Noah aussandte, um trockenes Land zu finden. Wenn man allerdings die Geschichte des Schiffs Argo kennt (siehe Teil 4), ist man eher geneigt, sie für die Taube zu halten, die die Argonauten zwischen den 88
Symplegaden hindurchschickten, um ihre Durchfahrt sicherzustellen. Ein Stern 3. Größenklasse, Alpha Columbae, der hellste des Sternbilds, trägt den Namen Phact nach dem arabischen Wort für «Ringeltaube».
Coma Berenices Haar der Berenice
Das Haar der Berenice, die wallenden Locken einer ägyptischen Königin. Aus der Uranographia von JOHANN BODE.
Zwischen Bootes und dem Löwen liegt eine hübsche Sterngruppe, die den Griechen zwar bekannt war, die sie aber dem Löwen zurechneten. ERATOSTHENES bezeichnete jene bei der Nördlichen Krone als das Haar der Ariadne, während er die beim Sternbild Löwen das Haar der Königin Berenice von Ägypten nannte, wie wir sie heute kennen. PTOLEMÄUS bezeichnet diese Sterne in seinem Almagest aus dem Jahre 150 89
n. Chr. als «eine neblige Masse, die man die Locke nennt», während der holländische Kartograph GERHARD MERCATOR diese Gruppe im Jahr 1551 offiziell zu einem eigenen Sternbild machte; 1602 nahm es auch TYCHO BRAHE in seinen weitverbreiteten Sternkatalog auf. BERENICE war eine geschichtliche Figur; sie heiratete im 3. Jahrhundert v. Chr. ihren Bruder, PTOLEMAIOS III. EUERGETES, wie es in der ägyptischen Königsfamilie Tradition war. BERENICE war angeblich eine große Reiterin, die sich schon im Kampf ausgezeichnet hatte. HYGIN, der diese Sterngruppe in seiner Poetica Astronomica unter dem Stichwort Löwe behandelt, erzählt die folgende Geschichte. Einige Tage nach der Hochzeit soll PTOLEMAIOS gen Asien ins Feld gezogen sein. BERENICE gelobte, den Göttern zum Dank ihr Haar abzuschneiden, wenn er siegreich zurückkehren würde. Nach PTOLEMAIOS’ erfolgreicher Rückkehr erfüllte die erleichterte BERENICE ihr Versprechen und hinterlegte ihr Haar in dem ihrer Mutter ARSINOE (die nach ihrem Tod mit Aphrodite gleichgesetzt wurde) geweihten Tempel in Zephyrium in der Nähe des heutigen Assuan. Am nächsten Tag fehlten jedoch ihre Zöpfe. Was wirklich mit ihnen geschehen war, wird nicht berichtet, doch KONON VON SAMOS, ein Mathematiker und Astronom, der in Alexandria arbeitete, wies auf eine Gruppe von Sternen in der Nähe des Schwanzes des Löwen und sagte dem König, das Haar der BERENICE sei zu einem Sternbild geworden.
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Corona Australis Südliche Krone
Die Südliche Krone am Vorderfuß des Schützen. Aus der Uranographia von JOHANN BODE.
Die Griechen kannten die Südliche Krone nicht als Krone, sondern als Kranz, und so ist sie auch auf alten Sternkarten dargestellt. ARATOS erwähnte sie nicht als eigenes Sternbild, sondern beschrieb sie als kleinen Kreis von Sternen unterhalb des Vorderfußes des Schützen – vielleicht ist sie von dessen Kopf gerutscht. Keiner der Sterne ist heller als einer der 4. Größenklasse, und es scheint hierzu auch keine Sagen zu geben, sofern es nicht die Krone ist, die Dionysos an den Himmel versetzte, nachdem er seine tote Mutter aus der Unterwelt zurückgeholt hatte. HYGIN spricht von diesem Mythos im Zusammenhang mit der Nördlichen Krone (Corona Borealis), doch scheint er hier nicht recht zu passen; HYGIN hat wohl die beiden Sternbilder miteinander verwechselt. Wenn dies so ist, muß es sich um einen Myrtenkranz handeln, denn Dionysos ließ zum Dank Myrten im Hades zurück, und die Anhänger des Dionysos trugen ebenfalls Myrtenkränze.
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Corona Borealis Nördliche Krone Ein Halbkreis von Sternen zwischen Bootes und Herkules bezeichnet die goldene Krone, die Prinzessin Ariadne von Kreta trug, als sie den Gott Dionysos heiratete. Die Krone soll von Hephaistos, dem Gott des Feuers, angefertigt worden sein, und sie war mit Edelsteinen aus Indien besetzt. Ariadne, die schöne Tochter des Königs Minos von Kreta, ist in der Mythologie vor allem deshalb bekannt, weil sie Theseus geholfen hatte, den Minotauros zu töten, das schaurige Geschöpf mit dem Kopf eines Stiers auf einem menschlichen Körper. Ariadne war eine Halbschwester des Minotauros, denn ihre Mutter Pasiphae hatte das Geschöpf geboren, nachdem sie sich einem Stier hingegeben hatte, der dem König Minos gehörte. Um die Familienschande zu verbergen, sperrte Minos den Minotauros in ein Labyrinth, das der kunstfertige Daidalos entworfen hatte. Dieses Labyrinth war so verwirrend, daß weder der Minotauros noch ein anderer, der sich hineinwagte, jemals wieder herausfinden konnte. Eines Tages kam der Held Theseus, der Sohn des Königs Aigeus von Athen, nach Kreta. Theseus war ein starker Held von herkulischen Kräften und ein unübertroffener Ringer. Ariadne verliebte sich auf der Stelle in ihn. Als sich Theseus erbot, den Minotauros zu töten, bat sie Daidalos um Rat; dieser gab ihr ein Wollknäuel und den Hinweis, Theseus solle ein Ende des Fadens am Eingang des Labyrinths befestigen und das Knäuel auf seinem Weg ins Innere abwickeln. Gesagt, getan. Nachdem der Held den Minotauros mit bloßen Fäusten erschlagen hatte, gelangte er mit Hilfe des Fadens tatsächlich wieder zum Ausgang zurück.
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Diese Darstellung der mit Edelsteinen besetzten Nördlichen Krone stammt aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED.
Er segelte mit Ariadne fort, doch kaum hatten sie die Insel Naxos erreicht, als er sie auch schon wieder im Stich ließ. Als sie dort einsam saß und Theseus für seine Undankbarkeit verfluchte, erblickte sie Dionysos. Das Herz des Gottes schmolz beim Anblick des verlassenen Mädchens, und er heiratete sie auf der Stelle. Über die Herkunft der Krone Ariadnes gibt es mehrere unterschiedliche Berichte. Nach einer Erzählung soll sie die Krone von Aphrodite als Hochzeitsgeschenk erhalten haben. Andere sagen, daß Theseus sie von der Meeresnymphe Thetis bekam und daß ihr funkelndes Licht ihn den Weg aus dem 93
Labyrinth finden ließ. Wie dem auch sei, nach der Vermählung schleuderte Dionysos die Krone fröhlich an den Himmel, wo sich ihre Juwelen in Sterne verwandelten. Der hellste Stern trägt den Namen Gemma, lateinisch für «Edelstein», doch ist er auch nach der arabischen Bezeichnung für das Sternbild unter dem Namen Alphecca bekannt.
Corvus und Crater Rabe und Becher Diese beiden nebeneinander liegenden Sternbilder sind in einer Fabel miteinander verknüpft, die mindestens bis auf die Zeit des ERATOSTHENES zurückgeht. Wie OVID in seinen Fasten berichtet, wollte Apollon dem Zeus opfern und schickte den Raben zu einer Quelle, um Wasser zu holen. Der Rabe flog mit einer Schale in seinen Füßen fort, bis er zu einem mit unreifen Früchten beladenen Feigenbaum kam. Darüber vergaß er seinen Auftrag und wartete einige Tage, bis die Früchte reif geworden waren, so daß Apollon gezwungen war, sich selbst um Wasser zu kümmern. Nachdem der Rabe sich mit den köstlichen Früchten vollgefressen hatte, sah er sich nach einem Alibi um. Er packte eine Wasserschlange, kehrte mit ihr zu Apollon zurück und erzählte ihm, daß die Schlange die Quelle nicht freigegeben hätte. Apollon, der unter anderem auch die Gabe der Weissagung besaß, durchschaute die Lüge und verurteilte den Raben zu lebenslangem Durst – vielleicht eine Erklärung für das heisere Krächzen der Raben. Zur Erinnerung an dieses Ereignis versetzte Apollon den Raben, den Becher und die Wasserschlange zusammen an den Himmel.
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Rabe und Becher, zwei nebeneinanderliegende Sternbilder auf dem Rücken der Wasserschlange, wie sie JOHANN BODE in seiner Uranographia dargestellt hat.
Auf der Abbildung sieht man einen Raben, der an dem geringelten Schwanz der Wasserschlange pickt, wie wenn er sie vertreiben wollte, damit er an den Becher gelangen könne. Dieser Becher, der meist als prächtiger Kelch mit zwei Henkeln dargestellt wird, ist in Richtung des Raben geneigt, aber doch gerade außerhalb der Reichweite des durstigen Vogels. Die Wasserschlange ist das Sternbild Hydra, die einer anderen Sage zufolge das von Herakles erschlagene Ungeheuer ist. Der Rabe war der heilige Vogel Apollons, der sich selbst in einen Raben verwandelte, um dem Ungeheuer Typhon zu entfliehen, als dieses riesige Geschöpf die Götter bedrohte. Nach 95
einer anderen Erzählung, die OVID in seinen Metamorphosen wiedergibt, war die Krähe einst schneeweiß wie eine Taube, doch überbrachte der Vogel Apollon die Nachricht, daß seine Geliebte Coronis untreu gewesen war. In seinem Zorn verfluchte Apollon den Vogel und machte ihn für immer schwarz.
Crux Kreuz des Südens Dies ist das kleinste der 88 Sternbilder. Die alten Griechen kannten seine Sterne, betrachteten sie aber als Teil der Hinterbeine des Zentauren. Das Kreuz selbst dürfte erstmals im Jahre 1516 von dem italienischen Seefahrer ANDREAS CORSALI beschrieben worden sein; er nannte es «so schön und herrlich, daß es mit keinem anderen Himmelszeichen vergleichbar ist». Das Kreuz diente den Seefahrern als Wegweiser zum südlichen Himmelspol und gilt bei den Astronomen seit dem Ende des 16. Jahrhunderts als eigenes Sternbild. Das Kreuz des Südens dürfte in seiner heutigen Form erstmals auf den Himmelsgloben der holländischen Kartographen PETRUS PLANCIUS und JODOCUS HONDIUS in den Jahren 1598 bzw. 1600 erschienen sein; PLANCIUS hatte schon früher ein stilisiertes Kreuz des Südens in einem ganz anderen Himmelsbereich südlich von Eridanus dargestellt. Der hellste Stern des Sternbilds wird manchmal auch Acrux genannt, ein Name, den die Seefahrer von der wissenschaftlichen Bezeichnung Alpha Crucis herleiteten. Schon in kleinen Fernrohren läßt er sich in zwei funkelnde blauweiße Pünktchen auflösen.
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Das Kreuz des Südens befindet sich unter den Hinterbeinen des Centauren. Es enthält eine dunkle Wolke, die heutige Astronomen als den «Kohlensack» bezeichnen, während sie auf dieser Darstellung aus der Uranographia von JOHANN BODE den Namen Macula Magellanica trägt.
Cygnus Schwan Der Schwan wird manchmal auch als das Nördliche Kreuz bezeichnet, und in der Tat ist dieses Sternbild viel größer und auffälliger als das berühmte Kreuz des Südens. Als Kreuzform sahen die Griechen den langen Hals, die ausgespannten Schwingen und den Stummelschwanz eines Schwans, der die Milchstraße entlangfliegt, zu der er gehört. Die Mythographen berichten uns, daß der Schwan der verwandelte Zeus auf dem Weg zu einer seiner zahllosen Liebesaffären ist, doch herrscht hinsichtlich seines Ziels Uneinigkeit. In der Version der Geschichte, die auf ERATOSTHENES zurückgeht, heißt es, daß Zeus eines Tages ein Auge auf die Nymphe Nemesis geworfen hatte, die in Rhamnus lebte, nordöstlich von Athen. Um seinen unwillkommenen Nachstellungen zu entgehen, nahm sie die 97
Gestalt verschiedener Tiere an, sprang zuerst in einen Fluß, floh dann über das Land und flog schließlich als Gans davon. Zeus jedoch ließ sich nicht überlisten und verfolgte sie durch alle Verwandlungen, wobei er sich selbst jeweils in ein immer größeres und schnelleres Tier verwandelte, bis er schließlich ein Schwan geworden war, in welcher Gestalt er sie einholte und vergewaltigte. HYGIN erzählt eine ähnliche Geschichte, erwähnt jedoch nicht die Metamorphosen der Nemesis. Bei ihm heißt es, daß Zeus so tat, als würde er von einem Adler verfolgt, und Nemesis gewährte ihm Unterschlupf. Erst nachdem sie mit dem Schwan in ihrem Schoß eingeschlafen war, entdeckte sie ihren Irrtum. In beiden Versionen endet die Geschichte so, daß Nemesis ein Ei legte, das der Königin Leda von Sparta entweder von Hermes oder, wie es nach anderen Berichten heißt, von einem zufällig vorbeikommenden Hirten übergeben wurde, der das Ei in einem Wald gefunden hatte. Aus diesem Ei schlüpfte die schöne Helena, die zum Anlaß des Trojanischen Krieges werden sollte. In einer einfacheren Version heißt es, daß Zeus Leda selbst in Gestalt eines Schwans am Ufer des Flusses Eurotas verführte; an diese Geschichte dachte wohl CAESAR GERMANICUS, als er den Schwan als «geflügelten Ehebrecher» bezeichnete. Leda war die Gemahlin von König Tyndareos von Sparta, und die Angelegenheit wurde noch erheblich komplizierter, weil Leda in derselben Nacht auch noch mit ihrem Gemahl schlief. Nach einer Deutung soll sie ein einzelnes Ei geboren haben, aus dem die Zwillinge Kastor und Polydeukes sowie auch Helena ausschlüpften. Die Schale dieses Eis soll im Tempel von Sparta ausgestellt worden sein, wo sie an Bändern vom Dach herabhing. Ein anderer Bericht wiederum behauptet, daß Leda zwei Eier legte; aus dem einen sollen Kastor und Polydeukes, aus dem anderen Helena und ihre Schwester Klytämnestra hervorgekommen sein. Noch größer wird die Verwirrung durch die Erzählungen, nach denen Polydeukes und Helena die Kinder des 98
Zeus gewesen sein sollen, während Kastors und Klytämnestras Vater Tyndareos war. Kastor und Polydeukes sind im Sternbild Zwillinge verewigt, wobei Polydeukes den Astronomen besser unter seinem lateinischen Namen Pollux bekannt ist.
Der Schwan auf seinem Flug über die Milchstraße auf einer Karte aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. An der Schwanzwurzel liegt der helle Stern Deneb, der hier mit Alpha bezeichnet ist.
Deneb, der hellste Stern des Schwans, markiert die Schwanzspitze; sein Name geht auf dhanab, arabisch für «Schwanz», zurück; die Griechen hatten keinen Namen für diesen auffälligen Stern. Deneb ist ein sehr heller Überriese, fast 2000 Lichtjahre 99
entfernt und der fernste aller Sterne der 1. Größenklasse. Er bildet einen Eckpunkt des sogenannten Sommerdreiecks, dessen beide anderen Ecken Wega in der Leier und Altair im Adler sind. Den Schnabel des Schwans markiert der Stern Albireo, der sich schon in kleinen Fernrohren als sehr schöner Doppelstern mit einer grünen und einer orangen Komponente zeigt. Der Historiker PAUL KUNITZSCH hat die komplizierte Herkunft des Namens Albireo nachgezeichnet. Es begann mit einer arabischen Übersetzung des griechischen Wortes für «Vogel», Ornis, des Namens, unter dem sowohl ARATOS als auch PTOLEMÄUS das Sternbild kannten. Im Mittelalter wurde dieser arabische Name wieder fehlerhaft in das Lateinische rückübersetzt, so daß er ab ireo lautete; man glaubte, er leite sich von einer Heilpflanze her. Diesen Ausdruck hielt man irrtümlich für einen arabischen Namen und schrieb schließlich Albireo. Der Name Albireo, auch wenn er arabisch klingt, hat also überhaupt nichts zu bedeuten. Der Schwan liegt innerhalb der Milchstraße und enthält daher viele reizvolle Sterngruppen, die man mit dem Fernglas absuchen kann. Das berühmteste Objekt des Sternbilds ist freilich mit optischen Mitteln überhaupt nicht zu erkennen: das Schwarze Loch mit dem Namen Cygnus X-1, eine starke Röntgenquelle, die etwa in der Mitte des Schwanenhalses liegt.
Delphinus Delphin Delphine waren den griechischen Seefahrern ein vertrauter Anblick, so daß es nicht überrascht, einen dieser freundlichen und intelligenten Gesellen am Himmel wiederzufinden. Es gibt zwei Berichte, die das Auftreten des Himmelsdelphins erklären. ERATOSTHENES zufolge stellt dieser Delphin den Boten des Meeresgottes Poseidon dar. Nachdem Zeus, Poseidon und Hades ihren Vater Kronos 100
gestürzt hatten, teilten sie den Himmel, das Meer und die Unterwelt unter sich auf, Poseidon erbte das Meer. Er errichtete sich vor der Insel Euböa unter Wasser einen großartigen Palast.Doch trotz all seiner Pracht fehlte im Palast eine Frau, und deshalb ging Poseidon auf Brautschau. Er umwarb Amphitrite, eine der Nereiden, die jedoch seine plumpen Annäherungsversuche zurückwies und sich zu ihren Schwestern flüchtete. Poseidon sandte ihr Boten nach, unter anderem einen Delphin, der sie aufspürte und schließlich mit beruhigenden Gesten zum Meeresgott zurückbrachte, den sie dann auch heiratete. Aus Dankbarkeit versetzte Poseidon das Bild des Delphins unter die Sterne. Einer anderen Version zufolge, die HYGIN und OVID erzählen, handelt es sich um den Delphin, der das Leben ARIONS rettete, eines geschichtlichen Poeten und Musikers aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert; ARION stammte von der Insel Lesbos. Sein Ruhm verbreitete sich in ganz Griechenland, weil niemand die Leier so zu schlagen verstand wie er. Als ARION mit dem Schiff von einer Konzertreise auf Sizilien zurückkehrte, verschworen sich die Seeleute, ihn zu töten, um sich in den Besitz des kleinen Vermögens zu bringen, das er verdient hatte. Als ihn die Seeleute mit gezückten Schwertern umzingelt hatten, bat ARION darum, ein letztes Lied singen zu dürfen. Seine Musik lockte eine Schule von Delphinen an, die neben dem Schiff herschwammen und spielerisch über die Wellen sprangen. ARION setzte sein Vertrauen in die Götter und stürzte sich über Bord. Tatsächlich trug ihn einer der Delphine auf seinem Rücken nach Griechenland zurück, wo ARION später seine Angreifer stellte und zum Tod verurteilen ließ. Apollon, der Gott der Musik und Dichtkunst versetzte den Delphin nebst der Leier ARIONS unter die Sternbilder. Zwei Sterne im Delphin tragen die eigenartigen Namen Sualocin und Rotanev, die ihnen der italienische Astronom NICCOLO CACCIATORE, der Assistent und Nachfolger des großen GIUSEPPE PIAZZI am Observatorium von Palermo, im Jahre 1840 verlieh. Rückwärts 101
gelesen ergeben diese Namen Nicolaus Venator, die latinisierte Form von NICCOLO CACCIATORE. Er ist der einzige, der einen Stern nach sich selbst benannt hat und damit Erfolg hatte.
Der Delphin im Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED.
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Dorado Schwertfisch Dies ist ein kleines südliches Sternbild, das die holländischen Seefahrer PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN Ende des 16. Jahrhunderts einführten. Es wurde erstmals im Jahre 1598 von dem Holländer PETRUS PLANcius auf einem Sternglobus als Goldfisch dargestellt. Der Sternatlas von JOHANN BODE zeigt dieses Sternbild als Xiphias, den Schwertfisch. Der Schwertfisch ist vor allem deshalb bekannt, weil er einen großen Teil der Großen Magellanschen Wolke enthält, einer kleinen Nachbargalaxie unserer eigenen Milchstraße, die etwa 160000 Lichtjahre von uns entfernt ist.
Der Schwertfisch in der Uranographia von JOHANN BODE. Nubecula Maior bezeichnet die Große Magellansche Wolke. 103
Draco Drache Um den Himmelsnordpol windet sich der himmlische Drache (Draco). Nach der Sage ist dies der Drache, den Herakles bei einer seiner Arbeiten erschlug, und am Himmel sieht man, daß Herakles (in Gestalt des benachbarten Sternbildes Herkules) den Fuß auf seinen Kopf gesetzt hat. Es ist Ladon, der die goldenen Äpfel im Garten der Hesperiden bewacht hatte. Hera hatte den Baum mit den goldenen Äpfeln von Zeus als Hochzeitsgeschenk erhalten. Sie war hierüber so entzückt, daß sie ihn in ihren Garten an den Hängen des Atlasgebirges einpflanzte und die Hesperiden, die Töchter des Atlas, mit der Bewachung beauftragte. Den meisten Autoritäten zufolge gab es drei Hesperiden, während APOLLODOR vier erwähnt. Sie waren ungetreue Wächterinnen, denn sie pflückten die Äpfel. Es waren strengere Maßnahmen erforderlich, weshalb Hera den Drachen Ladon an den Baum setzte, um Diebe fernzuhalten. Nach APOLLODOR war Ladon ein Nachkomme des Ungeheuers Typhon und der Echidna, eines Geschöpfs, das halb Frau und halb Schlange war; angeblich hatte Ladon hundert Köpfe und konnte mit verschiedenen Stimmen sprechen. HESIOD wiederum erklärt, daß der Drache der Nachkomme der Meeresgötter Phorkys und Keto war, und er berichtet nichts von einer Vielzahl von Köpfen. Am Himmel ist der Drache mit nur einem Kopf dargestellt. Der große Held Herakles hatte die Aufgabe, einige Äpfel von diesem Baum zu stehlen. Dies gelang ihm, indem er den Drachen mit seinen Giftpfeilen erschoß. APOLLODOR zufolge fanden die Argonauten den Leichnam Ladons einen Tag, nachdem ihn Herkules getötet hatte. Der Drache lag unter dem Apfelbaum; sein Schwanz zuckte noch, während in seinem übrigen Körper kein Leben mehr war. Die Fliegen starben im Gift seiner Wunden, während die Hesperiden 104
in der Nähe den Tod des Drachen beweinten, wobei sie ihre goldenen Häupter mit ihren weißen Armen bedeckten. Hera versetzte das Bild des Drachen an den Himmel. Obwohl das achtgrößte Sternbild, ist der Drache nicht besonders auffällig. Der hellste Stern ist ein Stern der 2. Größenklasse, Eltanin, nach dem arabischen al-tinnin, was «Schlange» bedeutet. Alpha Draconis trägt den Namen Thuban nach einer stark entstellten Form des arabischen ra’s al-tinnin, «Kopf der Schlange». Beta Draconis wird Rastaban genannt, ebenfalls eine verstümmelte Form desselben arabischen Namens.
Der Drache, der sich hier in der Uranographia von JOHANN BODE um den nördlichen Himmelspol schlingt. Der lange Schwanz des Drachens trägt die Bezeichnung Cauda Draconis.
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Equuleus Füllen Dieses unbedeutende, zweitkleinste Sternbild am Himmel erschien erstmals in der Reihe der 48 Sternbilder, die der griechische Astronom PTOLEMÄUS im 2. Jahrhundert n. Chr. nannte. ARATOS kannte es 400 Jahre früher noch nicht. Der eigentliche Erfinder des Füllens ist unbekannt; es könnte PTOLEMÄUS selbst oder aber einer seiner Vorläufer – zum Beispiel HIPPARCH im 2. Jahrhundert v. Chr. – gewesen sein. Das Füllen besteht nur aus wenigen Sternen bis zur 4. Größenklasse, die neben dem Kopf des viel bekannteren Flügelrosses Pegasus den Kopf eines Pferdes bilden. Bei den frühen Mythographen wie ERATOSTHENES und HYGIN wird dieses Füllen nicht erwähnt, doch dachte PTOLEMÄUS vielleicht an die Geschichte von Hippe und ihrer Tochter Melanippe, die manchmal über Pegasus erzählt wird, aber dem Füllen angemessener zu sein scheint. Hippe, die Tochter des Kentauren Cheiron, wurde eines Tages von Aiolos verführt, dem Urenkel des Deukalion. Um das Geheimnis ihrer Schwangerschaft vor Cheiron zu verbergen, floh sie in die Berge, wo sie Melanippe gebar. Als ihr Vater nach ihr suchte, flehte Hippe zu den Göttern, die sie in eine Stute verwandelten. Artemis versetzte das Bildnis der Hippe unter die Sterne, wo sie sich noch heute vor Cheiron (dem Sternbild Centaur) verbirgt und nur ihren Kopf zeigt. Alpha Equulei, ein Stern 1. Größenklasse, heißt Kitalpha, was im Arabischen «der Abschnitt des Pferdes» bedeutet, ein Hinweis auf das ganze Sternbild (Abbildung bei Pegasus).
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Eridanus Eridanus Frühe griechische und römische Autoren scheinen Eridanus als einen mythischen Fluß betrachtet zu haben, der in den großen Ozean mündete, der die damals bekannte Welt umgab. VERGIL nannte ihn den «König der Flüsse», und ERATOSTHENES setzte ihn mit dem Nil gleich, dem «einzigen Fluß, der von Süden nach Norden fließt». HYGIN schließt sich dieser Zuordnung an und weist ergänzend darauf hin, daß der Stern Kanopus (der ein Steuerruder des Schiffs Argo bezeichnet) am Ende des himmlischen Flusses liegt, wie auch die Insel Kanopus in der Nilmündung liegt. HESIOD wiederum führt in seiner Theogonie den Nil und den Eridanus getrennt auf, das heißt, er betrachtete sie als zwei voneinander verschiedene Flüsse. Spätere griechische Autoren setzten Eridanus mit dem Po in Oberitalien gleich. In der Mythologie spielt Eridanus in der Geschichte des Phaethon eine Rolle, des Sohnes des Sonnengottes Helios, der seinen Vater darum bat, einmal den Sonnenwagen über den Himmel lenken zu dürfen. Zögernd gewährte ihm Helios diese Bitte, allerdings nicht ohne Phaethon auf die Gefahren hinzuweisen, denen er sich aussetzte. «Folge der Spur am Himmel, die meine Räder dort hinterlassen haben», schärfte er ihm ein. Als schließlich die Morgenröte ihre Pforten im Osten öffnete, sprang Phaeton voller Begeisterung auf den goldenen und mit funkelnden Juwelen besetzten Wagen des Sonnengottes, nicht ahnend, worauf er sich eingelassen hatte. Die vier Pferde bemerkten sofort, daß der Wagen mit dem anderen Lenker viel leichter war, und sie schossen abseits der vorgegebenen Spur nach oben, während der Wagen wild hinter ihnen herschlingerte. Selbst wenn Phaeton gewußt hätte, wo der richtige Weg lag, hätte er nicht das Geschick und die Kraft besessen, den Wagen zu steuern. 107
Der Fluß Eridanus windet sich hier über eine Karte aus JOHANN BODES Uranographia. Oben rechts die Vorderflossen des Walfisches, darunter der Apparatus Chemicus, wie BODE den heutigen Ofen (Fornax) bezeichnete.
Die Pferde rasten nach Norden, so daß den Sternen des Großen Wagens erstmals heiß wurde und dem Drachen, der dort kältestarr gelegen hatte, der Schweiß ausbrach und er wütend fauchte. Als Phaeton von der schwindelnden Höhe herab auf die Erde blickte, erbleichte er vor Schrecken, und seine Knie 108
begannen ihm zu wanken. Schließlich erblickte er das Sternbild des Skorpions, der seine riesigen Scheren erhob und seinen giftigen Stachel aufrichtete. Phaeton ließ die Zügel schießen, und die Pferde galoppierten nun vollends führerlos dahin. OVID gibt im zweiten Buch seiner Metamorphosen eine plastische Beschreibung von Phaetons tollkühner Fahrt. Der Wagen des Sonnengottes sank so weit hinunter, daß die Erde Feuer fing. In heißen Rauch gehüllt, wurde Phaeton von den Pferden mitgerissen und wußte am Ende nicht mehr, wo er war. Damals geschah es, so berichten die Mythographen, daß Libyen zu einer Wüste wurde, die Äthiopier ihre dunkle Hautfarbe bekamen und die Meere austrockneten. Um weitere Katastrophen zu verhindern, streckte Zeus Phaeton mit einem Blitz nieder. Mit brennendem Haar stürzte der Jüngling wie eine Sternschnuppe in den Eridanus. Als die Argonauten einige Zeit später den Fluß hinaufsegelten, fanden sie den noch schwelenden Körper, von dem Wolken übelriechenden Rauchs aufstiegen, so daß Vögel erstickten und tot zur Erde fielen. Eridanus ist das sechstgrößte Sternbild am Himmel, das sich vom Fuß des Orion weit in die südliche Hemisphäre hineinschlängelt und in der Nähe des Tukans endet. Der hellste Stern, Alpha Eridani, ist ein Stern 1. Größenklasse und heißt Achernar, was im Arabischen soviel wie «Ende des Flusses» bedeutet. In der Tat markiert er das südliche Ende des Eridanus.
Fornax Ofen Dies ist ein recht eigenartiges Sternbild, das der Franzose NICOLAS Louis DE LACAILLE nach seiner ersten Reise zum Kap der guten Hoffnung einführte, wo er von 1751 bis 1752 den südlichen Sternhimmel beobachtete. 109
Bei Fornax handelt es sich offenbar um ein chemisches Gerät, denn BODE stellte es auf seinem Atlas als Apparatus Chemicus dar. Der Ofen enthält nur Sterne bis zur 4. Größenklasse, die keine Namen haben (Abbildung bei Eridanus).
Gemini Zwillinge Die Zwillinge stellen Kastor und Polydeukes (in latinisierter Form Pollux) dar; die Griechen kannten sie als die Dioskuren, wörtlich die «Zeussöhne». Die Mythographen sind sich jedoch wegen der ungewöhnlichen Umstände ihrer Geburt nicht einig, ob sie wirklich Söhne des Zeus waren. Ihre Mutter war Leda, die Königin von Sparta, die Zeus eines Tages in Gestalt eines Schwans besuchte (der im Sternbild Schwan dargestellt ist). In derselben Nacht schlief sie auch mit ihrem Gemahl, König Tyndareos. Beide Vereinigungen waren fruchtbar, denn Leda gebar anschließend vier Kinder. Nach der bekanntesten Version galten Polydeukes und Helena (die später als die trojanische Helena Berühmtheit erlangen sollte) als Kinder des Zeus und damit als unsterblich, während Kastor und Klytämnestra Tyndareos zum Vater hatten und damit sterblich waren. Kastor und Polydeukes wuchsen in inniger Freundschaft heran; sie stritten niemals, und niemals handelte der eine ohne das Einverständnis des anderen. Es hieß, daß sie einander sehr ähnlich waren und sich gleich kleideten, wie es Zwillinge häufig tun. Kastor war ein berühmter Reiter und Krieger, der Herakles die Fechtkunst lehrte, während Polydeukes ein vorzüglicher Faustkämpfer war. Die unzertrennlichen Zwillinge schlossen sich Jason und den Argonauten an, die ausfuhren, das Goldene Vlies zu holen. Die Boxkünste des Polydeukes bewährten sich, als die Argonauten in einer Gegend Kleinasiens landeten, in der Amykos herrschte, 110
ein Sohn des Poseidon. Amykos nun, ein gefürchteter Raufbold, pflegte seine Gäste erst dann ziehen zu lassen, nachdem sie im Boxkampf gegen ihn angetreten waren, den er stets gewann. Amykos ging hinunter zum Strand, wo die Argo lag, und forderte die Besatzung auf, einen von ihnen gegen ihn heraufzuschicken. Polydeukes, den die Arroganz des Burschen ärgerte, nahm die Herausforderung sofort an, und die beiden streiften Lederhandschuhe über. Polydeukes wich den Schlägen seines Gegners elegant aus, indem er ihn wie ein Matador den Stier ins Leere laufen ließ, und streckte Amykos schließlich mit einem Kopftreffer nieder, der ihm den Schädel zerschmetterte. Auf der Heimreise der Argonauten mit dem Goldenen Vlies bewiesen Kastor und Polydeukes erneut, wie wertvoll sie für die Besatzung waren. APOLLONIOS RHODIOS erwähnt kurz, daß die Argonauten während der Fahrt von der Rhonemündung zu den Stoichaden (den heutigen Îles d’Hyères vor Toulon) Kastor und Polydeukes ihre Rettung verdankten. Vermutlich waren sie in einen Sturm geraten, doch wird nichts Näheres berichtet. «Seither», sagt APOLLONIOS, wobei er darauf hinweist, daß sie sich auch auf anderen Fahrten als Retter erwiesen, «sind die Zwillinge die Schutzpatrone der Seeleute.» HYGIN sagt, daß die Zwillinge ihre Fähigkeit, Seeleuten in Seenot zu helfen, von Poseidon bekommen hätten, dem Meeresgott, der ihnen auch die weißen Pferde schenkte, auf denen sie häufig ritten. Die Seeleute glaubten, daß sich bei Stürmen auf See die Zwillinge in Form einer elektrischen Erscheinung, dem sogenannten Elmsfeuer zeigten, wie es PLINIUS DER ÄLTERE im 1. Jahrhundert n. Chr. in seiner Historia naturalis beschreibt: Auf der Reise leuchten Sterne an den Rahen und anderen Teilen des Schiffes auf. Wenn es zwei sind, bedeuten sie Sicherheit und weisen auf ein gutes Gelingen der Reise hin. Deshalb nennt man sie 111
Kastor und Pollux, und die Menschen beten zu ihnen als Götter für die Errettung aus Seenot. Eine einzelne Feuererscheinung wurde «Helena» genannt und galt als Unglückszeichen.
Die unzertrennlichen Zwillinge Kastor und Polydeukes sind im Sternbild Zwillinge verewigt, hier nach einer Darstellung aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. Kastor trägt eine Leier und einen Pfeil, Polydeukes eine Keule. Die Sterne Castor und Pollux markieren die Köpfe der Zwillinge. (Die Attribute weisen allerdings eher auf ein anderes Zwillingspaar hin, nämlich Zethos und Amphion Anmerkung des Übersetzers.) 112
Kastor und Polydeukes gerieten wegen zwei schönen Frauen mit Idas und Lynkeus, einem anderen Zwillingspaar, das ebenfalls an der Argonautenfahrt teilnahm, in Streit. Obwohl die Frauen verlobt waren, wurden sie von Kastor und Polydeukes entführt. Idas und Lynkeus verfolgten sie, und die beiden Zwillingspaare stritten sich um die Beute. Kastor wurde vom Schwert des Lynkeus durchbohrt, woraufhin Polydeukes den Lynkeus tötete. Idas stürzte sich auf Polydeukes, wurde aber von einem Blitz des Göttervaters Zeus niedergestreckt. Nach einer anderen Erzählung konnten sich die beiden Zwillingspaare bezüglich der Frauen gütlich einigen, gerieten aber über die Aufteilung einer Viehherde aneinander, die sie gemeinsam gestohlen hatten. Was auch immer zu der tödlichen Auseinandersetzung geführt hatte – Polydeukes trauerte um seinen gefallenen Bruder und bat Zeus darum, ihnen beiden Unsterblichkeit zu verleihen. Zeus gewährte die Bitte und versetzte sie als das Sternbild Zwillinge an den Himmel, wo man sie in enger Umschlingung sieht, unzertrennlich für alle Ewigkeit. ARATOS nennt das Sternbild einfach Zwillinge, ohne ihnen einzeln Namen zu geben, während sie bei ERATOSTHENES Kastor und Polydeukes heißen. HYGIN wiederum berichtet, daß das Sternbild Apollon und Herakles darstellt, beides Söhne des Zeus, die aber keine Zwillinge sind. PTOLEMÄUS schloß sich dieser Auffassung an; die beiden Sterne, die wir als Castor und Pollux kennen, nannte er «den Stern des Apollo» und «den Stern des Herakles». Diese Zuordnung findet sich jedoch nicht in PTOLEMÄUS’ berühmtem Almagest, sondern in einer Abhandlung über Astrologie, dem Tetrabiblos. Auf verschiedenen Sternkarten sind die Zwillinge als Apollon und Herakles personifiziert; auf der in diesem Buch wiedergegebenen Abbildung hält einer der Zwillinge Leier und Pfeil, Attribute Apollons, der andere eine Keule, wie sie auch Herakles trug. Die beiden hellsten Sterne des Sternbildes tragen die Namen 113
Castor und Pollux und markieren den Kopf der Zwillinge. Die Astronomie hat entdeckt, daß Castor ein System von sechs Sternen ist, die einander umkreisen. Pollux ist ein Roter Riese. Anders als die Zwillinge, die sie repräsentieren, stehen Castor und Pollux in keiner Verbindung miteinander, denn sie sind nicht gleich weit von uns entfernt. Eta Gerninorum trägt den Namen Propus (griechisch «vorderer Fuß»), ein Name, der erstmals bei ERATOSTHENES erscheint.
Grus Kranich Dies ist eines der zwölf Sternbilder, die die holländischen Seefahrer PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN einführten, nachdem sie begonnen hatten, den südlichen Himmel zu kartographieren. Das Sternbild wurde erstmals von PETRUS PLANCIUS im Jahre 1598 auf einem Himmelsglobus dargestellt, doch gab ihm PLANCIUS auf einem späteren Globus den Namen Phoenicopterus, Flamingo. Der Kranich wurde aus Sternen unterhalb des Südlichen Fisches gebildet. Der hellste Stern des Sternbilds gehört der 2. Größenklasse an und trägt den Namen Alnair, eine Abkürzung eines arabischen Ausdrucks, der «der Helle aus dem Fischschwanz» bedeutet, denn die Araber hatten den Schwanz des Südlichen Fisches bis in diese Region verlängert. Mit dem Kranich sind keine Sagen verknüpft, doch war dieses Tier dem Hermes heilig.
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Der Kranich nach einer Darstellung aus der Uranographia von JOHANN BODE.
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Hercules Herkules Der Ursprung dieses Sternbilds ist so alt, daß seine wirkliche Identität auch den Griechen nicht mehr bekannt war; sie nannten die Gestalt einfach Engonasin, wörtlich «der Kniende». Der griechische Dichter ARATOS schreibt, daß dieser von schweren Strapazen erschöpft ist, daß er seine Hände erhoben, ein Knie gebeugt und einen Fuß auf den Kopf des Drachen gesetzt hat. «Niemand weiß seinen Namen, noch welchen Mühen er sich unterzogen hat», sagt ARATOS. ERATOSTHENES wiederum identifiziert die Gestalt ein Jahrhundert nach ARATOS als Herakles (die griechische Form von Herkules). Er triumphiert über den Drachen, der die goldenen Äpfel der Hesperiden bewachte. Der griechische Tragödiendichter AISCHYLOS, den wiederum HYGIN zitiert, gibt eine andere Erklärung. Er sagt, daß Herakles während seines Kampfes mit den Liguriern erschöpft und verwundet niederkniet. Herakles ist der gewaltigste der griechischen und römischen Helden, das Gegenstück des sumerischen Gilgamesch. Daher ist es überraschend, daß die Griechen ihm gewissermaßen erst nachträglich ein Sternbild zuordneten. Eine Erklärung hierfür könnte darin zu sehen sein, daß er gelegentlich schon als einer der himmlischen Zwillinge dargestellt worden war. Die gesamte Herakles-Sage ist lang und komplex, denn sie wurde immer weiter ausgeschmückt. Herakles war der uneheliche Sohn des Gottes Zeus und der Alkmene, der schönsten und klügsten der sterblichen Frauen, die Zeus in Gestalt ihres Gatten Amphitryon besuchte. Er erhielt den Namen Alkides, Alkaios oder auch Palaimon, wie es in den verschiedenen Quellen heißt; den Namen Herakles bekam er erst später. Zeus’ Gattin Hera war wütend über die Untreue ihres Gatten. Um das Maß voll zu machen, legte Zeus das Kind Herakles auch noch an Heras Brust, während sie schlief, 116
so daß es ihre Milch trank. Da Herakles nun die Milch einer Göttin getrunken hatte, wurde er unsterblich. Als Herakles heranwuchs, übertraf er alle Menschen an Größe, Körperkraft und Waffenfertigkeit, doch war er unaufhörlich den Verfolgungen der eifersüchtigen Hera ausgesetzt. Sie konnte ihn nicht töten, weil er unsterblich war, und gelobte sich deshalb, ihm wenigstens das Leben so schwer wie möglich zu machen. Unter Heras bösem Zauber tötete er seine eigenen Kinder in einem Anfall von Wahnsinn. Als er wieder bei Sinnen war, wandte er sich reuevoll an das delphische Orakel um Auskunft, wie er seine schreckliche Tat sühnen könne. Das Orakel befahl ihm, zwölf Jahre in die Dienste des Eurystheus zu treten, des Königs von Mykene. Zu diesem Zeitpunkt erhielt er von dem Orakel den Namen Herakles, der «Ruhm der Hera» bedeutet. Eurystheus stellte ihm nun zehn Aufgaben. Die erste bestand darin, einen Löwen zu töten, der das Land um die Stadt Nemea verwüstete. Dieser Löwe hatte ein Fell, durch das keine Waffen drangen, weshalb ihn Herakles erwürgte. Mit dessen eigenen Klauen zog er ihm dann das Fell ab. Seither trug er das Löwenfell als Mantel, mit dem aufgerissenen Rachen als Helm, was ihm ein noch beeindruckenderes Aussehen verlieh. Dieser nemeische Löwe ist in dem Sternbild des Löwen verewigt. Die zweite Aufgabe bestand darin, das vielköpfige Ungeheuer Hydra zu töten, das in einem Sumpf in der Nähe der Stadt Lerna hauste und unachtsame Vorbeikommende auffraß. Herakles kämpfte mit dem Untier, doch sobald er ihm einen seiner Köpfe abschlug, wuchsen zwei neue nach. Zu allem Überfluß kam auch noch ein riesiger Krebs aus dem Sumpf hervor und biß Herakles in die Ferse. Wütend zertrat er den Krebs und rief Iolaos zu Hilfe, seinen Wagenlenker, der die Halsstümpfe der Hydra ausbrannte, damit keine neuen Köpfe nachwachsen konnten. Herakles weidete die Hydra aus und tauchte seine Pfeile in ihr giftiges Blut – was schließlich sein eigenes Verderben sein sollte. Krebs und Hydra sind ebenfalls als Sternbilder verewigt. 117
Herkules, der Kniende, aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. Er trägt ein Löwenfell und eine Keule, seine Lieblingswaffe. Hier ist seine linke Hand leer, während er auf anderen Darstellungen entweder den dreiköpfigen Cerberus oder einen Apfelzweig hält.
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Die nächsten beiden Arbeiten des Herakles bestanden darin, zwei flinke Tiere zu fangen: eine Hirschkuh mit goldenen Hörnern und einen wilden Eber. Die berühmteste seiner Arbeiten ist wohl seine fünfte, das Ausmisten der Ställe des Königs Augeias von Elis. Herakles versprach dem König, die Ställe an einem einzigen Tag zu reinigen, doch forderte er dafür ein Zehntel der Viehherden des Königs. Herakles erfüllte die Aufgabe, indem er zwei Flüsse durch die Ställe leitete. Augeias behauptete jedoch danach, daß er getäuscht worden sei; er widerrief den Handel und verbannte Herakles aus Elis. Die nächste Aufgabe führte ihn in die Stadt Stymphalos, wo er eine Schar plündernder, Federn schießender Vögel vertrieb. Die Überlebenden flogen zum Schwarzen Meer, wo sie später Jason und die Argonauten angriffen. Als nächstes segelte Herakles nach Kreta, um einen feuerschnaubenden Stier zu fangen, der das Land verwüstete. Dieser Stier wird mitunter auch mit dem Sternbild Stier gleichgesetzt. Als seine achte und neunte Aufgabe brachte Herakles dem Eurystheus die fleischfressenden Stuten des Königs Diomedes von Thrakien und den Gürtel der Hippolyte, der Königin der Amazonen. Schließlich wurde Herakles ausgeschickt, das Vieh des Geryon zu stehlen, eines Ungeheuers mit drei Leibern, das über die Insel Erytheia im fernen Westen herrschte. Auf der Fahrt dorthin stellte Herakles zu beiden Seiten der Straße von Gibraltar die sogenannten Säulen des Herkules auf. Er tötete Geryon mit einem einzigen Pfeil, der alle drei Leiber von der Seite durchbohrte und trieb die Viehherde nach Griechenland. Auf seinem Weg durch Ligurien in Südfrankreich wurde er von einer örtlichen Streitmacht angegriffen, die ihm zahlenmäßig so sehr überlegen war, daß ihm die Pfeile ausgingen. Er sank auf die Knie und betete zu seinem Vater Zeus, der Felsen auf die Ebene 119
niederregnen ließ. Diese Felsen schleuderte Herakles auf seine Gegner und vernichtete sie damit. AISCHYLOS zufolge ist dies das Ereignis, das dem Sternbild Engonasin zugrunde liegt. Als Herakles von der letzten dieser Taten zurückkehrte, weigerte sich der feige und verräterische Eurystheus, ihn aus seinen Diensten zu entlassen, weil Herakles bei seinem Kampf gegen die Hydra Hilfe bekommen und zudem versucht hatte, für die Reinigung des Augias-Stalls Bezahlung zu erhalten. Deshalb stellte ihm Eurystheus zwei weitere Aufgaben, die schwieriger waren als alle, die er bisher bewältigt hatte. Die erste bestand darin, daß er die goldenen Äpfel vom Garten der Hera an den Hängen des Atlas stehlen sollte. Der Baum mit den goldenen Früchten war ein Hochzeitsgeschenk von Mutter Erde (Gaia) an Hera, als sie Zeus heiratete. Hera beauftragte die Hesperiden, die Töchter des Atlas, mit der Bewachung des Baumes, doch stahlen sie einige der goldenen Früchte. Deshalb lag jetzt der Drache Ladon um den Baum geringelt da, um weitere Diebstähle zu verhindern. Nach einer ruhmreichen Reise, während der er Prometheus von seinen Ketten befreite, erreichte Herakles den Garten, in dem die goldenen Äpfel wuchsen. In der Nähe stand Atlas, der den Himmel auf seinen Schultern trug. Herakles tötete Ladon mit einem gut gezielten Pfeil, und Hera versetzte den Drachen als das Sternbild Drache an den Himmel. Herakles hatte (von Prometheus, wie APOLLODOR sagt) den Rat erhalten, die Äpfel nicht selbst zu pflücken, weshalb er Atlas bat, sie für ihn zu holen, während er selbst vorübergehend den Himmel stützte. Herakles übergab Atlas schnell wieder die Himmelslast, bevor er sich mit dem goldenen Schatz davonmachte. Die zwölfte Arbeit, die entmutigendste von allen, führte ihn zum Tor der Unterwelt, aus der er den Kerberos herausholen sollte, den dreiköpfigen Wachhund. Kerberos hatte den Schwanz eines Drachen, und auf seinem Rücken ringelten sich Schlangen, Ein schrecklicheres Geschöpf konnte man sich wohl kaum 120
vorstellen, doch rang Herakles, vor dem Schwanz und den Schlangen durch das Fell des nemeischen Löwen geschützt, Kerberos mit bloßen Händen nieder und schleppte den geifernden Hund zu Eurystheus. Der verblüffte König hatte nicht erwartet, Herakles jemals lebendig wiederzusehen. Da nun alle Arbeiten erfüllt waren, blieb Eurystheus nichts anderes übrig, als Herakles zu entlassen. Der Tod des Herakles ist ein Stück echter griechischer Tragödie. Nach seinen Arbeiten heiratete Herakles Deianeira, die junge und schöne Tochter des Königs Oineos. Auf ihrer gemeinsamen Fahrt kamen Herakles und Deianeira an den angeschwollenen Fluß Euenos, an dem der Kentaur Nessos als Fährmann arbeitete. Herakles schwamm hinüber und ließ Deianeira von Nessos übersetzen. Der Kentaur, der von Deianeiras Schönheit entflammt war, versuchte sie zu vergewaltigen; Herakles erschoß ihn mit einem seiner Pfeile, die er in das Gift der Hydra getaucht hatte. Der sterbende Kentaur bot Deianeira heimtückisch etwas von seinem Blut an und sagte ihr, daß es als Liebeszauber wirken würde. Die unschuldige Deianeira nahm das Blut an und bewahrte es auf. Eines Tages hatte sie nun den Verdacht, daß Herakles sein Auge auf eine andere Frau geworfen hätte. In der Hoffnung, seine Zuneigung wiederzugewinnen, gab sie Herakles ein Hemd, das sie mit dem Blut des sterbenden Nessos bestrichen hatte. Herakles zog es an, und als das Blut sich erwärmte, begann das Gift der Hydra sein Fleisch bis auf die Knochen zu zerfressen. In Todespein raste Herakles über das Land, und er riß in seiner Qual Bäume aus. Weil er wußte, daß nichts ihn von den Schmerzen erlösen konnte, errichtete er selbst auf dem Gipfel des Berges Oita einen Scheiterhaufen, breitete sein Löwenfell darüber und legte sich darauf, nun endlich von Frieden erfüllt. Die Flammen verzehrten seine sterbliche Hülle, während der unsterbliche Teil zu den Göttern am Olymp aufstieg. Sein Vater 121
Zeus verwandelte ihn in ein Sternbild. Herakles ist am Himmel mit einer Keule, seiner Lieblingswaffe, dargestellt. Mitunter wird auch die Ansicht geäußert, daß seine zwölf Arbeiten in den zwölf Tierkreiszeichen dargestellt seien, doch ist es in einigen Fällen nicht leicht, den Zusammenhang zu sehen. Herkules ist das fünftgrößte Sternbild, jedoch nicht besonders auffällig. Alpha Herculis, ein Roter Riese, dessen Helligkeit zwischen der 3. und 4. Größenklasse schwankt, trägt den Namen Ras Algethi, was im Arabischen «der Kopf des Knienden» bedeutet. Das berühmteste Objekt ist der Kugelhaufen M 13, das schönste Exemplar dieser Art am nördlichen Sternhimmel.
Horologium Pendeluhr Dies ist eines der kleineren südlichen Sternbilder, die der Franzose NICOLAS Louis DE LACAILLE erfand, als er in den Jahren 1751 bis 1752 die südlichen Sterne kartographierte. Wie man sieht, hat die Uhr ein komplettes Zifferblatt und sogar einen Sekundenzeiger – ein recht komplexes Gerät für einen Himmelsbereich, in dem es nur wenige Sterne gibt, von denen die hellsten gerade die 4. Größenklasse erreichen.
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Die von NICOLAS Louis DE LACAILLE erfundene Pendeluhr nach einer Darstellung in der Uranographia von JOHANN BODE.
Hydra Wasserschlange Die Wasserschlange ist das größte der 88 Sternbilder. Sie schlängelt sich über ein Viertel des Himmels; ihr Kopf liegt südlich des Sternbildes Krebs, während ihre Schwanzspitze zwischen der Waage und dem Centauren liegt. Trotz ihrer Größe ist die Wasserschlange recht unauffällig. Der einzige bemerkenswerte Stern ist Alphard, ein Stern 2. Größenklasse; sein Name geht auf das arabische al-fard zurück, was recht passend «der 123
Einsame» bedeutet. Die Wasserschlange taucht in zwei Sagen auf. Nach der ersten und bekanntesten handelt es sich um das Geschöpf, mit dem Herakles kämpfte und das er bei der zweiten seiner berühmten Aufgaben tötete. Die Hydra war ein mehrköpfiges Monster, ein Nachkomme des Ungeheuers Typhon und der Echidna, die halb Frau und halb Schlange war. Damit war die Hydra mit dem Drachen verschwistert, der die goldenen Äpfel bewachte und der in dem Sternbild Drache verewigt ist. Die Hydra hatte angeblich neun Köpfe, deren mittlerer unsterblich war. (Am Himmel ist sie jedoch nur mit einem Kopf dargestellt, vermutlich dem unsterblichen.) Die Hydra lebte in einem Sumpf in der Nähe der Stadt Lerna, von dem aus sie Raubzüge in die umgebende Ebene unternahm, wobei sie das Vieh fraß und die Landschaft verwüstete. Ihr Atem und sogar der Geruch ihrer Fußspuren sollen so giftig gewesen sein, daß jeder, der etwas davon einatmete, sterben mußte. Herakles fuhr mit seinem Wagen an die Behausung der Hydra heran und schoß Feuerpfeile in den Sumpf, um das Untier ins Freie zu treiben und mit ihm kämpfen zu können. Die Hydra wand sich um eines seiner Beine; Herakles zerschmetterte ihre Köpfe mit seiner Keule, doch wuchsen an der Stelle eines abgeschlagenen Kopfes sofort zwei neue nach. Noch schwieriger wurde die Lage des Herakles dadurch, daß ein riesiger Krebs aus dem Sumpf hervorkroch und seinen anderen Fuß angriff; Herakles zertrat das Tier. Dieser Krebs ist in dem gleichnamigen Tierkreisbild verewigt. Herakles rief seinen Wagenlenker Iolaos zu Hilfe, der die Halsstümpfe der Hydra ausbrannte, sobald Herakles einen Kopf abgeschlagen hatte, damit keine neuen Köpfe nachwachsen konnten. Schließlich schnitt Herakles den unsterblichen Kopf der Hydra ab und begrub ihn unter einem schweren Felsen neben der Straße. Er schlitzte den Körper der Hydra auf und tauchte seine Pfeile in ihre giftige Galle. 124
Nach einer anderen Sage hängt die Wasserschlange mit den Sternbildern Rabe und Becher zusammen, die sich auf ihrem Rücken befinden. Nach dieser Erzählung wurde der Rabe von Apollon ausgesandt, um Wasser in einer Schale zu holen, doch ließ sich der Vogel in aller Ruhe die köstlichen Früchte eines Feigenbaums schmecken, bevor er zu Apollon zurückkehrte. Dann gab er der Wasserschlange die Schuld, weil sie angeblich den Zugang zur Quelle versperrt hatte. Apollon wußte aber, daß der Rabe log, und bestrafte ihn, indem er ihn an den Himmel versetzte, wo die Wasserschlange ihn für ewige Zeiten daran hindert, aus der Schale zu trinken.
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Die Wasserschlange windet sich über zwei Seiten des Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. Auf ihrem Rücken der Rabe und der Becher, die ebenfalls zum Mythos gehören.
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Hydrus Kleine Wasserschlange Hydrus, die Kleine Wasserschlange, ist das südliche Gegenstück der Großen Wasserschlange, der Hydra, mit der sie nicht verwechselt werden darf. Dies ist einer von mehreren Fällen, in denen sich Sternbilder am Himmel wiederholen; das trifft nämlich auch beim Großen und Kleinen Bären, dem Großen und Kleinen Hund, den beiden Löwen, den Pferden Pegasus und Equuleus, der Nördlichen und Südlichen Krone und dem Nördlichen und Südlichen Dreieck zu.
Die Kleine Wasserschlange, in einer Darstellung aus JOHANN BODES Uranographia. Nubecula Minor ist die Kleine Magellansche Wolke.
Die Kleine Wasserschlange gehört zu den zwölf Sternbildern, die von den beiden holländischen Seefahrern PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN 127
gegen Ende des 16. Jahrhunderts eingeführt wurden. Sie windet sich zwischen den beiden Magellanschen Wolken hindurch. Die hellsten Sterne dieses Sternbilds gehören der 3. Größenklasse an, doch hat keiner von ihnen einen Namen.
Indus Indianer
Der Indianer mit seinem Speer. Aus JOHANN BODES Uranographia.
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Dieses Sternbild gehört zu den zwölf Gestalten, die die holländischen Seefahrer PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN aus Sternen bildeten, die sie gegen Ende des 16. Jahrhunderts auf der südlichen Hemisphäre kartographierten. Der Indianer trägt die Speere, als wäre er auf der Jagd. Die hellsten Sterne dieses Sternbildes gehören der 3. Größenklasse an, doch trägt keiner von ihnen einen Namen.
Lacerta Eidechse
Die Eidechse aus der Uranographia von JOHANN BODE.
Dieses recht unscheinbare Sternbild, das zwischen dem Schwan und Andromeda liegt, führte der polnische Astronomen JOHANNES HEVELIUS im Jahre 1687 auf seinem Sternatlas Firmamentum Sobiescianum ein. HEVELIUS gab ihm auch den zweiten Namen Stellio, der Wassermolch, der aber bald außer Gebrauch kam. Die hellsten Sterne der Eidechse gehören der 4. Größenklasse an, sie tragen jedoch keine Namen; auch sind keinerlei Sagen 129
mit diesem Sternbild verknüpft.
Leo Löwe ERATOSTHENES und HYGIN behaupten, daß der Löwe deshalb an den Himmel versetzt wurde, weil er der König der Tiere ist. Mythologisch soll es sich um den Nemeischen Löwen handeln, den Herakles bei der ersten seiner zwölf Aufgaben erschlug. Nemea ist eine Stadt südwestlich von Korinth. Dort lebte der gefürchtete Löwe in einer Höhle mit zwei Ausgängen, und immer wieder verließ er seinen Unterschlupf, um einen der Bewohner der Gegend zu verschlingen. Der Löwe war eine unverwundbare Bestie von ungewisser Abkunft; er sollte entweder von dem Hund Orthos oder dem Ungeheuer Typhon abstammen oder gar ein Nachkömmling der Mondgöttin Selene sein. Sein Haut war gegen alle Waffen gefeit, wie Herakles feststellen mußte, als ein Pfeil, den er auf den Löwen abschoß, einfach abprallte. Herakles erhob seine Keule und verfolgte den Löwen, der sich aber in seine Höhle zurückzog. Herakles versperrte daraufhin einen der beiden Eingänge und ging durch den anderen hinein. Dann rang er mit dem Löwen, schlang seinen gewaltigen Arm um dessen Hals und würgte das Tier zu Tode. Triumphierend hob Herakles den Löwen auf seine Schultern und trug ihn fort. Dann zog er dem Tier mit dessen eigenen rasiermesserscharfen Klauen das Fell ab, das er fortan als Mantel benutzte. Der weit aufgerissene Rachen des Löwenhauptes, das sich Herakles auf den Kopf setzte, ließ ihn noch furchterregender erscheinen als je zuvor. Im Sternbild des Löwen kann man sehr gut die Gestalt eines kauernden Löwen erkennen, dessen Kopf von einer sichelförmigen Gruppe von Sternen gebildet wird. Das Herz des 130
Sternbildes Löwe (die Stelle jedenfalls, an die es PTOLEMÄUS setzte) ist dessen hellster Stern, Alpha Leonis, der den Namen Regulus trägt, lateinisch für «kleiner König»; der griechische Name Basiliskos bedeutet dasselbe. Den Schwanz markiert der Stern Beta Leonis mit dem Namen Denebola, nach dem arabischen Ausdruck für «Schwanz des Löwen». Gamma Leonis heißt Algieba nach dem arabischen Wort für «Stirn»; dies erscheint zunächst widersprüchlich, weil der Stern nach PTOLEMÄUS im Hals des Löwen liegt, doch erblickten die Araber hier einen sehr viel größeren Löwen als die Griechen.
Der sprungbereite Löwe aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. In der Brust des Löwen befindet sich der helle Stern Regulus mit der Bezeichnung Alpha. Er liegt fast genau auf der Bahn der Sonne um den Himmel, der Ekliptik, die hier als gestrichelte Linie dargestellt ist.
Gamma Leonis ist ein berühmter Doppelstern, der aus einem Paar Gelber Riesen besteht, die sich schon in kleinen Fernrohren 131
deutlich unterscheiden lassen. Delta Leonis heißt Zosma nach dem griechischen Wort für «Gürtel» oder «Hüfttuch», das während der Renaissance irrtümlich diesem Stern zugeordnet wurde.
Leo Minor Kleiner Löwe Dieses Löwenjunge, das der polnische Astronom JOHANNES HEVELIUS im Jahre 1687 einführte, befindet sich zwischen dem Löwen und dem Großen Wagen und wurde aus schwachen Sternen gebildet, die früher keinem Sternbild zugehörten. Die hellsten Sterne sind solche der 4. Größenklasse, und es gibt keine Sagen zu diesem Sternbild.
Der Kleine Löwe liegt direkt über dem Löwen. Aus der Uranographia von JOHANN BODE.
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Seltsamerweise hat der Kleine Löwe keinen Stern Alpha, während es einen Stern Beta Leo Minoris gibt. Dies scheint ein Versehen des englischen Astronomen FRANCIS BAILY zu sein, der im 19. Jahrhundert lebte. HEVELIUS hat die Sterne in den von ihm neu gebildeten Sternbildern nicht mit Bezeichnungen versehen, was BAILY 150 Jahre später für ihn nachholte. BAILY gab dem zweithellsten Stern im Kleinen Löwen zwar die Bezeichnung Beta, ließ jedoch irrtümlich den hellsten Stern unbezeichnet. Dem Historiker R. H. ALLEN zufolge gab HEVELIUS diesem Stern den Namen Praecipua, was soviel wie «Anführerin» bedeutet, doch setzte sich dieser Name nicht durch.
Lepus Hase Hermes versetzte den Hasen wegen seiner Schnelligkeit an den Himmel, wie uns ERATOSTHENES berichtet, und er wie auch HYGIN weisen auf die bemerkenswerte Fruchtbarkeit der Hasen hin. Dasselbe bestätigt ARISTOTELES in seiner Historia Animalium: «Hasen sind zu allen Jahreszeiten trächtig, können während der Schwangerschaft nochmals empfangen und werfen jeden Monat. Sie gebären ihre Jungen nicht auf einmal, sondern bringen sie in zeitlichen Abständen zur Welt.» Der Himmelshase bildet zusammen mit Orion und seinen Hunden eine interessante Gruppe. ARATOS schreibt, daß der Hund (Canis Maior) den Hasen in einem unendlichen Rennen verfolgt: «Dicht hinter ihm steigt er auf, und wenn er untergeht, sieht er den untergehenden Hasen.» Der Lage am Himmel nach zu urteilen, scheint sich der Hase jedoch eher unter dem Fuß des Jägers verstecken zu wollen.
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Lepus, der Hase, der sich zu Füßen des Jägers Orion befindet, stammt aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED.
HYGIN erzählt uns die folgende Fabel über den Hasen. Einst gab es auf der Insel Leros keine Hasen, bis jemand eine trächtige Häsin mitbrachte. Bald begann jedermann Hasen zu züchten, und innerhalb kürzester Zeit wimmelte es auf der Insel von Hasen. Sie machten sich über die Felder her und fraßen die Feldfrüchte, so daß unter der Bevölkerung eine Hungersnot ausbrach. In einer großen gemeinsamen Aktion vertrieben die Bewohner die Hasen von ihrer Insel. Sie versetzten das Bildnis des Hasen zur Erinnerung daran, daß man manchmal auch des Guten zuviel bekommen kann, unter die Sterne. Der hellste Stern des Sternbildes, Alpha Leporis, gehört der 3. Größenklasse an; er trägt den Namen Arneb nach dem arabischen al-arnab, «Hase».
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Libra Waage Der Himmelsteil, den wir heute als Waage bezeichnen, bildete einst die Klauen des Skorpions. Die Griechen nannten diesen Bereich Chelai, wörtlich «Klauen», eine Bezeichnung, die in den Namen der Einzelsterne der Waage fortlebt (siehe unten). Wie die Dinge heute liegen, ist die Waage ein etwas größeres Sternbild als der Skorpion, aber weniger auffällig. Die Benennung dieses Bereichs als Waage läßt sich im 1. Jahrhundert v. Chr. bei den Römern nachweisen, doch sind der genaue Zeitpunkt der Entstehung und der Urheber im Dunkel der Geschichte geblieben. Die Römer hatten ein besonderes Verhältnis zu diesem Sternbild, denn der Mond soll bei der Gründung Roms in diesem Tierkreiszeichen gestanden haben. «Italien gehört zur Waage, ihrem rechtmäßigen Zeichen. Unter ihm wurden Rom und seine Oberherrschaft über die Welt begründet», sagt der römische Schriftsteller MANILIUS. Er beschrieb die Waage als «das Zeichen, in dem die Jahreszeiten im Gleichgewicht sind und die Stunden der Nacht und des Tages einander die Waage halten». Dies ist ein Hinweis darauf, daß die Römer sich dieses Sternbild deshalb als Waage vorstellten, weil die Sonne dort zum Zeitpunkt der Herbst-Tagundnachtgleiche stand, wenn Tag und Nacht sich die Waage halten. Die Vorstellung einer Waage in diesem Bereich geht jedoch ursprünglich nicht auf die Römer zurück, denn dem Historiker GWYNETH heuter zufolge hieß dieser Bereich schon 2000 Jahre v. Chr. bei den Sumerern Zib-Ba Anna, die Waage des Himmels. Damit scheinen die Römer nur ein Sternbild wiederbelebt zu haben, das es schon vor der Zeit der Griechen gab. Libra ist das einzige Sternbild des Tierkreises, das ein unbelebtes Objekt darstellt; die übrigen elf Tierkreiszeichen 135
zeigen Tiere oder Menschen. Nachdem sich die Vorstellung einer Waage in diesem Himmelsbereich durchgesetzt hatte, war es nur natürlich, daß man sie vom Skorpion trennte und statt dessen in eine Beziehung mit dem benachbarten Sternbild Jungfrau setzte, die man ja mit Dike, der Göttin der Gerechtigkeit, identifizierte, und so wurde dieses Sternbild zur Waage der Gerechtigkeit, die die Göttin in der Hand hält.
Die Schalen der Waage, die einst zum Sternbild Skorpion gehörte, dargestellt im Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. 136
Der hellste Stern der Waage, Alpha Librae, gehört der 2. Größenklasse an und trägt den Namen Zuben Elgenubi, was im Arabischen «die südliche Klaue» bedeutet, ein Hinweis auf die griechische Vorstellung, daß es sich hier um die Klauen des Skorpions handelte. Beta Librae heißt Zuben Elschemali, «nördliche Klaue».
Lupus Wolf
Der Wolf, den der Centaur auf einer Stange aufgespießt hat. Eine Darstellung aus der Uranographia von JOHANN BODE.
Die Griechen nannten dieses Sternbild Therion, ein nicht näher bezeichnetes wildes Tier, das bei den Römern Bestia hieß. Man stellte es sich auf eine lange Stange aufgespießt vor, den Thyrsos, den der benachbarte Centaur hielt. Demgemäß empfand man die Sternbilder des Centauren und des Tiers meist als ein gemeinsames Sternbild. Der Historiker GEORGE MICHANOWSKY 137
schreibt in seinem Buch The Once and Future Star, daß die Babylonier dieses Sternbild unter dem Namen Ur-idim kannten, was «wilder Hund» bedeutet. ERATOSTHENES sagt, daß der Centaur das Tier in Richtung des Sternbildes Altar hält, als ob er es opfern wolle. HYGIN nennt das Tier einfach «ein Opfer», während CAESAR GERMANICUS sagt, daß der Centaur entweder Wild aus dem Wald herausträgt oder Geschenke zum Altar bringt. Die Benennung dieses Sternbilds als Wolf scheint in der Renaissance ihren Ursprung zu haben. Man ist freilich versucht, an die Geschichte des Lykaon zu denken, des Königs von Arkadien, der Zeus das Fleisch eines Sohnes des Gottes als Mahlzeit vorsetzte und zur Strafe in einen Wolf verwandelt wurde (siehe Bootes). Diese Geschichte steht jedoch in keinem Zusammenhang mit diesem Sternbild, das die Mythographen offenbar übersehen haben. Die Tatsache, daß es sich um ein fremdes Sternbild handelte, erklärt vielleicht, warum die Griechen keinen Mythos dafür hatten. Keiner der Sterne des Wolfs trägt einen Namen.
Lynx Luchs JOHANNES HEVELIUS, der polnische Astronom, der dieses Sternbild im Jahre 1787 einführte, schrieb, daß man sehr scharfe Augen haben müssen, eben Augen wie ein Luchs, um die Sterne erkennen zu können – ein Hinweis darauf, daß er die Sternpositionen immer noch mit dem bloßen Auge ermittelte, obwohl andere Astronomen bereits seit längerer Zeit mit Fernrohren arbeiteten. Der Luchs füllt eine Lücke zwischen dem Großen Bären und dem Fuhrmann, die erstaunlich groß ist – das Sternbild umfaßt einen größeren Himmelsbereich als zum Beispiel die Zwillinge. Bis auf einen einzigen Stern, der der 3. Größenklasse angehört, zählen alle anderen Sterne des Luchses 138
zur 4. Größenklasse.
Der Luchs, ein von JOHANNES HEVELIUS erfundenes Sternbild, in einer Darstellung aus der Uranographia von JOHANN BODE.
Es ist nicht bekannt, ob HEVELIUS an die mythologische Gestalt des Lynkeus dachte, der sich der schärfsten Augen der Welt erfreute und sogar Dinge unter der Erde sehen konnte. Lynkeus und sein Zwillingsbruder Idas segelten mit den Argonauten. Ein Streit, der sich zwischen diesen beiden und dem anderen berühmten mythischen Zwillingspaar Kastor und Polydeukes entzündete, endete für alle tödlich (siehe Zwillinge).
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Lyra Leier Ein kleines, aber auffälliges Sternbild, das von Wega geschmückt wird, dem fünfthellsten Stern am Himmel. Mythologisch war die Leier das Instrument des großen Musikers Orpheus, dessen Gang in die Unterwelt eine der berühmtesten griechischen Geschichten überhaupt ist. Dies ist die erste Leier, die jemals gefertigt wurde, eine Erfindung des Hermes, des Sohnes des Zeus und der Maia, einer der Plejaden. Hermes verfertigte die Leier aus dem Panzer einer Schildkröte, die vor seiner Höhle auf dem Berg Kyllene in Arkadien herumkroch. Hermes reinigte den Panzer, durchbohrte den Rand und zog sieben Schafsdärme hindurch, ebenso viele wie es Plejaden gab. Zugleich erfand er das Plektron, mit dem man das Instrument spielt. Diese Leier half Hermes nach einem Bubenstreich aus der Klemme, denn er hatte Vieh gestohlen, das dem Apollon gehörte. Apollon forderte erzürnt seine Rückgabe, doch als er den schönen Klang der Leier hörte, ließ er dem Hermes das Vieh und nahm im Tausch dafür die Leier. ERATOSTHENES sagt, daß Apollon später Orpheus die Leier übergab, der auf ihr seine Lieder begleitete. Orpheus war der größte Musiker der alten Zeit, der mit seinen Liedern sogar Felsen und Flüsse bezaubern konnte. Er soll mit dem Klang seiner Leier auch Reihen von Eichen an die Küste Thrakiens gelockt haben. Orpheus schloß sich der Expedition Jasons und der Argonauten an, die sich aufgemacht hatten, das Goldene Vlies zu holen. Als die Argonauten den verführerischen Gesang der Sirenen hörten – Meernymphen, die Generationen von Seeleuten ins Verderben gelockt hatten –, übertönte Orpheus ihren Gesang mit seinen eigenen Liedern. Später heiratete Orpheus die Nymphe Euridike. Eines Tages erblickte Aristaios, ein Sohn Apollons, Euridike, und er versuchte, sich ihr in einer leidenschaftlichen Aufwallung zu nähern. Im Bemühen, ihm zu entkommen, trat sie auf eine 140
Schlange, deren Biß sie tötete. Von Kummer verzehrt, beschloß Orpheus, in die Unterwelt zu gehen und seine junge Frau freizubitten. Dies war ein unerhörtes Unterfangen. Der Klang seiner Leier bezauberte aber sogar das Herz des Hades, des Gottes der Unterwelt, der schließlich bereit war, Euridike mit Orpheus in das Land der Lebenden zurückkehren zu lassen, wobei er jedoch eine Bedingung stellte: Orpheus durfte sich erst dann wieder nach Euridike umblicken, wenn sie wieder an das sichere Tageslicht gelangt wären. Orpheus willigte gerne ein und führte Euridike durch den dunklen Gang, der in die obere Welt zurückführte; um ihr den Weg zu weisen, schlug er die Leier. Es war ein kaum zu ertragendes Gefühl, einem Geist voranzugehen. Er konnte niemals ganz sicher sein, daß seine geliebte Frau ihm folgte; aber er wagte es nicht, sich umzublicken. Als sie beinahe oben angekommen waren, konnte er es nicht mehr ertragen und sah sich um, ob Euridike noch da war. In diesem Augenblick verschwand sie wieder in den Tiefen der Unterwelt, und er hatte sie für immer verloren. Orpheus war untröstlich. Er wanderte umher und spielte traurige Lieder. Viele Frauen hätten den großen Musiker gern zum Mann gehabt, doch er zog die Gesellschaft von Knaben vor. Es gibt zwei Berichte über den Tod des Orpheus. Nach einer Version, die OVID in seinen Metamorphosen erzählt, rotteten sich Frauen, beleidigt über ihre Zurückweisung, gegen Orpheus zusammen. Sie begannen, Steine und Speere gegen ihn zu schleudern. Zunächst bezauberte seine Musik die Waffen, so daß sie, ohne ihm Schaden zuzufügen, zu seinen Füßen niederfielen. Die Frauen veranstalteten jedoch einen solchen Lärm, daß sie schließlich die zauberhafte Musik übertönten und ihre Wurfgeschosse ihr Ziel fanden.
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Die Leier wurde vielfach auch als Adler oder als Geier dargestellt; beides ist hier auf dieser Abbildung aus der Uranographia von JOHANN BODE zu sehen. An der Spitze des Geierschnabels liegt der helle Stern Wega. Bode gibt auch den zweiten Namen Testa an, ein Hinweis auf den Panzer der Schildkröte, aus dem Hermes die Leier gefertigt haben soll.
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ERATOSTHENES wiederum sagt, daß Orpheus sich den Zorn des Gottes Dionysos zuzog, weil er ihm nicht opferte. Für Orpheus war Apollon, der Sonnengott, die höchste Gottheit, und er saß oft schon am frühen Morgen auf den Gipfeln des Pangaion-Gebirges, damit er als erster die Sonne mit seinen Liedern begrüßen könne. Zur Vergeltung für diese Brüskierung schickte Dionysos seine rasenden Anhänger, die Orpheus in Stücke rissen. Jedenfalls wurde Orpheus auf diese Weise wieder mit seiner geliebten Euridike in der Unterwelt vereint, während die Musen die Leier mit der Genehmigung ihres Vaters Zeus unter die Sterne versetzten. PTOLEMÄUS nennt den hellsten Stern des Sternbildes einfach Leier. Wega, der heute übliche Name für diesen Stern, stammt von dem Arabischen al-nasr alwaqi’, was entweder «der niederstoßende Adler» oder «Geier» bedeutet, denn die Araber erblickten hier einen Adler oder Geier. Das Sternbild wurde auf Sternkarten häufig als Vogel hinter einer Leier dargestellt, so auch auf der hier wiedergegebenen Abbildung aus JOHANN BODES Sternatlas. Die Araber scheinen sich Wega und die beiden benachbarten Sterne Epsilon und Zeta Lyrae als einen Adler mit angelegten Flügeln vorgestellt zu haben, der auf seine Beute niederstößt, während im Sternbild Adler der Stern Altair und dessen beide Nachbarsterne an einen kreisenden Adler mit ausgespannten Schwingen erinnern (siehe Aquila). Beta Lyrae trägt den Namen Sheliak, was im Arabischen «Harfe» bedeutet, ein Hinweis auf das Sternbild als Ganzes. Beta Lyrae ist ein berühmter Veränderlicher. Gamma Lyrae heißt Sulafat, arabisch für «Schildkröte», nach dem Tier, aus dessen Panzer Hermes die Leier verfertigte. Zwischen Beta und Gamma Lyrae liegt ein ringförmiger planetarischer Nebel, der oft in Astronomiebüchern dargestellt wird; es sind die Überreste einer Gaswolke, die ein sterbender Stern ausgestoßen hat.
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Mensa Tafelberg Ein kleines, schwaches Sternbild in der Nähe des südlichen Himmelspols, das ursprünglich Mons Mensae hieß – zur Erinnerung an den Tafelberg bei Kapstadt, von dem aus der französische Astronom NICOLAS Louis DE LACAILLE von 1751 bis 1752 den südlichen Sternhimmel kartographierte. Mensa enthält einen Teil der Großen Magellanschen Wolke, einer Nachbargalaxie unserer Milchstraße, weshalb über ihm wie über dem echten Tafelberg eine weiße Wolke zu liegen scheint. Die hellsten Sterne gehören der 5. Größenklasse an.
Der unter dem Namen Mons Mensae eingeführte Tafelberg, dargestellt in der Uranographia von JOHANN BODE. Nubecula Maior ist die Große Magellansche Wolke, die den Gipfel des Berges einhüllt. 144
Microscopium Mikroskop Eines jener südlichen Sternbilder, die wissenschaftliche Instrumente darstellen und die der französische Astronom NICOLAS Louis DE LACAILLE 1751 und 1752 erfand. Das Mikroskop liegt südlich des Tierkreiszeichens Steinbock in einem Himmelsbereich, in dem es lediglich Sterne der 5. Größenklasse gibt. Bemerkenswert an diesem Sternbild ist eigentlich nur die Tatsache, daß sich jemand hier überhaupt ein Sternbild vorstellen konnte.
Das Mikroskop in der Uranographia von JOHANN BODE.
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Monoceros Einhorn Das Einhorn wurde vermutlich erstmals im Jahre 1613 auf einem Globus dargestellt, der dem holländischen Theologen und Kartographen PETRUS PLANCIUS zugeschrieben wird. Er gab dem Sternbild diesen Namen, weil ein Einhorn mehrmals im Alten Testament vorkommt. Das Einhorn füllt einen großen Bereich zwischen dem Sternbild der Wasserschlange und dem des Orion; darüber hinaus ist es zwischen den beiden Hunden des Orion angesiedelt. Es ist nicht besonders auffällig, da seine hellsten Sterne nur der 4. Größenklasse angehören, doch liegt es in der Milchstraße und enthält eine ganze Reihe faszinierender Objekte. Das bekannteste von ihnen ist der Rosette-Nebel, ein kranzförmiger Gasnebel mit darin eingebetteten Sternen. Zum Sternbild Einhorn gibt es keine Sagen, und keiner seiner Sterne hat einen Namen.
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Das Einhorn, das zwischen den beiden himmlischen Hunden hindurchspringt. Aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED.
Musca Fliege Ein kleines Sternbild südlich des Kreuzes des Südens. Es wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts von den holländischen Seefahrern PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN ursprünglich unter dem Namen Apis, Biene, 147
eingeführt. Vorübergehend – als es auch eine Nördliche Fliege, Musca Borealis, am Sternhimmel gab – hieß es Musca Australis (siehe Teil 4).
Die Fliege, die hier mit ihrem früheren Namen Apis erscheint, in der Uranographia von JOHANN BODE.
Zu dem Sternbild Fliege gibt es keinerlei Sagen. Muscas hellster Stern gehört der 3. Größenklasse an, und keinem der Sterne wurde ein eigener Name gegeben.
Norma Winkelmaß Dies ist eines der Sternbilder, das der französische Astronom NICOLAS Louis DE LACAILLE einführte, nachdem er von 1751 bis 1752 den südlichen Himmel kartographiert hatte. Das 148
Sternbild trägt auf alten Karten die Bezeichnung Norma et Regula und zeigt Winkel und Lineal eines Zeichners neben dem Kompaß und dem Südlichen Dreieck.
Das Winkelmaß, hier in der Uranographia von JOHANN BODE als Norma et Regula bezeichnet.
Die hellsten Sterne des Winkelmaßes gehören der 4. Größenklasse an, und kein Stern trägt einen Namen. Das Winkelmaß hat heute keine Sterne mit der Bezeichnung Alpha oder Beta mehr; der Stern, den LACAILLE als Alpha Normae bezeichnete, gehört heute zum Skorpion. Dieses Schicksal teilt das Winkelmaß mit dem Hinterdeck des Schiffes und den Segeln, die keine Sterne mit der Bezeichnung Alpha oder Beta mehr haben, weil sie einst zu dem viel größeren Sternbild Schiff Argo gehörten; als LACAILLE die Argo in drei Teile gliederte, schlug er Alpha und Beta dem dritten Teil, dem Schiffskiel, zu.
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Octans Oktant Das Sternbild ist ein Navigationsgerät, das der Engländer JOHN HADLEY im Jahre 1731 erfand. Es war der Vorläufer des modernen Sextanten.
Der Oktant am südlichen Himmelspol, dargestellt in der Uranographia von JOHANN BODE, wo er den Namen Octans Nautica trägt.
Der Oktant gehört zu den 14 neuen Bildern, die NICOLAS Louis DE LACAILLE in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts erfand. Er liegt, sehr passend für ein Navigationsinstrument, am Südpol, doch enthält das Sternbild trotz dieser bevorzugten Lage nichts Auffälliges, und die hellsten Sterne gehören nur der 4. Größenklasse an. 150
Leider gibt es keine südliche Entsprechung des hellen Polarsterns am Nordpol. Der dem Südpol nächste, mit bloßem Auge erkennbare Stern ist Sigma Octantis, der 1° vom Pol entfernt liegt, doch ist er nur 5,5 Größenklassen hell.
Ophiuchus Schlangenträger Ophiuchus stellt einen Mann dar, um dessen Hüfte sich eine riesige Schlange windet. Er hält den Kopf der Schlange in seiner Linken, ihren Schwanz in der Rechten. Diese Schlange bildet das gleichnamige Sternbild. Die Griechen identifizierten Ophiuchus mit Asklepios, dem Gott der Heilkunst. Asklepios war der Sohn des Apollon und der Koronis, doch wird auch Arsinoë als seine Mutter genannt. Es wird erzählt, daß Koronis Apollon betrog, indem sie mit Ischys schlief, während sie von Apollon schwanger war. Eine Krähe hinterbrachte Apollon die unerfreuliche Nachricht; statt der erwarteten Belohnung verfluchte jedoch Apollon das Tier, das zuvor schneeweiß gewesen war, und es wurde schwarz. In rasender Eifersucht erschoß Apollon Koronis mit einem Pfeil. Um nicht auch das Ungeborene umkommen zu lassen, holte Apollon das Kind aus dem Schoß der Mutter, als diese bei der Bestattung schon die Flammen umzüngelten, und übergab es Cheiron, dem weisen Zentauren (der am Himmel als das Sternbild Centaur dargestellt ist). Cheiron erzog Asklepios wie seinen eigenen Sohn und lehrte ihn die Kunst des Heilens und der Jagd. Asklepios erwarb so große Fähigkeiten in der Heilkunde, daß er nicht nur Leben retten, sondern sogar Tote auferwecken konnte. Als Asklepios auf Kreta weilte, stürzte Glaukos, der junge Sohn des Königs Minos, beim Spielen in ein Honiggefäß und ertrank. Als Asklepios den Leichnam des Glaukos betrachtete, kroch eine 151
Schlange auf ihn zu. Er tötete die Schlange mit seinem Stab; da kam eine andere Schlange herbei, die ein Heilkraut in ihrem Maul trug, und legte es auf den Körper der toten Schlange, die durch Zauberkraft wieder lebendig wurde. Asklepios nahm dasselbe Kraut und legte es auf den Körper des Glaukos, und tatsächlich wiederholte sich der Zauber. (ROBERT GRAVES meint, daß es sich bei dem Heilkraut um die Mistel handelte, der die Alten große Heilwirkungen zuschrieben.) Wegen dieses Ereignisses, sagte HYGIN, wird Ophiuchus mit einer Schlange am Himmel dargestellt, die zum Symbol der Heilkunst wurde, weil sie sich jedes Jahr häutet und demnach scheinbar wiedergeboren wird.
Der Schlangenträger mit einer riesigen Schlange, Serpens, dargestellt im Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. Die Schlange ist das einzige Sternbild, das aus zwei Teilen besteht.
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Bei anderen wiederum heißt es, daß Asklepios von der Göttin Athene das Blut der Gorgo Medusa erhielt. Das Blut, das aus den Adern zur Linken strömte, war giftig, während das Blut aus den Adern zur Rechten Tote erwecken konnte. Ein anderer, den Asklepios von den Toten erweckt haben soll, war Hippolytos, der Sohn des Theseus, der beim Sturz aus seinem Wagen umkam (er wird von einigen Autoren mit dem Sternbild Fuhrmann identifiziert). Asklepios nahm seine Heilkräuter, berührte die Brust des Knaben dreimal, sprach heilende Worte aus, und Hippolytos hob wieder den Kopf. Hades, der Gott der Unterwelt, sah dies natürlich weniger gern, da er fürchtete, daß der Strom toter Seelen in sein Reich bald versiegen würde, wenn dieses Beispiel Schule machen würde. Er beklagte sich bei seinem göttlichen Bruder Zeus, der Asklepios mit einem Blitz niederstreckte. Apollon wiederum wollte diesen Umgang mit seinem Sohn nicht so einfach hinnehmen und rächte sich, indem er die drei Zyklopen tötete, die für Zeus die Blitze schmiedeten. Um Apollon wieder zu besänftigen, machte Zeus Asklepios unsterblich, weil er ihn nach Lage der Dinge doch auch nicht mehr zum Leben erwecken konnte, und versetzte ihn als das Sternbild Schlangenträger an den Himmel. Der hellste Stern im Schlangenträger ist Alpha Ophiuchi, ein Stern der 2. Größenklasse, der den Namen Ras Alhague trägt, was im Arabischen «der Kopf des Schlangensammlers» bedeutet. Beta Ophiuchi heißt Kelb Alrai, arabisch für «Hirtenhund»; die Araber erblickten hier einen Hirten (den Stern Alpha Ophiuchi) mit seinem Hund und einigen Schafen. Delta und Epsilon Ophiuchi heißen Yed Prior und Yed Posterior. Diese Namen setzen sich zusammen aus dem arabischen al-yad, was «Hand» bedeutet, und den lateinischen Worten Prior und Posterior, das heißt sie bezeichnen den «vorausgehenden» und «nachfolgenden» Teil der Hand.
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Orion Orion Orion ist das prächtigste aller Sternbilder, wie es sich für eine Gestalt gehört, die nach der Sage der größte und schönste aller Männer war. Die markantesten Sterne des Bildes sind Beteigeuze und Rigel, während drei in einer Linie liegende Sterne seinen Gürtel bilden. «Kein anderes Sternbild gibt genauer die Gestalt eines Menschen wieder», sagt CAESAR GERMANICUS. MANILIUS nennt es den «goldenen Orion» und «das gewaltigste der Sternbilder» und rühmt seine Helligkeit, indem er sagt, daß, wenn Orion aufgeht, «die Nacht die Helligkeit des Tages vortäuscht und ihre dunklen Schwingen faltet». MANILIUS schreibt, daß Orion «seine Arme über eine große Fläche des Himmels ausstreckt und sich mit einem nicht weniger riesigen Schritt zu den Sternen erhebt». In Wirklichkeit ist Orion keineswegs ein besonders großes Sternbild; es steht bezüglich seiner Fläche nur an 26. Stelle (und ist damit kleiner als etwa Perseus, jedenfalls nach den modernen Sternbildgrenzen), doch erscheint es wegen der Helligkeit seiner Sterne erheblich größer. Orion gehört zu den ältesten Sternbildern und zählt zu den wenigen Sterngruppen, die schon die frühesten griechischen Schriftsteller wie HOMER und HESIOD kannten. Auch im Raumzeitalter ist Orion eine der wenigen Konstellationen, die auch Nicht-Astronomen kennen. Am Himmel sieht sich Orion dem schnaubenden Angriff des benachbarten Stiers ausgesetzt, doch wird im Mythos des Orion kein solcher Kampf erwähnt. Allerdings geht das Sternbild auf die Sumerer zurück, die in ihm den großen Helden Gilgamesch erblickten, der mit dem Himmelsstier kämpft. Der sumerische Name für Orion lautete Um An-na, was Licht des Himmels bedeutet. 154
In dieser Abbildung aus der Uranographia von JOHANN BODE schwingt Orion seine Keule und sucht den wütenden Angriff des Stiers abzuwehren. Seine rechte Schulter markiert der helle Stern Beteigeuze, den linken Fuß Rigel. Drei in einer Reihe liegende Sterne bilden seinen Gürtel. 155
Der Stier hieß Gud An-na, Stier des Himmels. Gilgamesch ist das sumerische Gegenstück des Herakles, womit wir auf eine weitere Ungereimtheit stoßen. Herakles, der gewaltigste Held der griechischen Mythologie, hätte gewiß ein prächtiges Sternbild wie dieses verdient, doch muß er mit einem viel unbedeutenderen Himmelsstrich vorlieb nehmen. Ist also Orion in Wirklichkeit Herakles? Hierfür spricht einiges, denn eine der Arbeiten des Herakles bestand darin, den kretischen Stier zu fangen, was den Kampf zwischen Orion und dem Stier am Himmel erklären würde. PTOLEMÄUS beschrieb Orion mit Keule und Löwenfell, beides bekannte Attribute des Herakles, und in dieser Weise erscheint er auch auf alten Sternkarten. Trotz dieser Tatsachen deutet kein Mythologe einen Zusammenhang zwischen diesem Sternbild und Herakles an. Dem Mythos zufolge war Orion der Sohn des Meergottes Poseidon und der Euryale, der Tochter des kretischen Königs Minos. Poseidon verlieh Orion die Fähigkeit, über das Wasser zu gehen. In seiner Odyssee beschreibt HOMER Orion als einen riesigen Jäger, der mit einer unzerbrechlichen Keule aus massiver Bronze bewaffnet war. Am Himmel folgen dem Jäger zwei Hunde, die Sternbilder Kleiner und Großer Hund, die Jagd auf das Sternbild Hase machen. Auf der Insel Chios warb Orion um Merope, die Tochter des Königs Oinopion, offenbar ohne großen Erfolg, denn eines nachts, als ihm der Wein Mut gemacht hatte, versuchte er, sie zu vergewaltigen. Zur Strafe blendete Oinopion den Orion und verbannte ihn von der Insel. Orion eilte nach Norden zur Insel Lemnos, auf der Hephaistos seine Schmiede hatte. Hephaistos erbarmte sich des blinden Orion und gab ihm Kedalion, einen seiner Diener, als Führer. Orion hob den Knaben auf seine Schultern und eilte nach Osten in Richtung des Sonnenaufgangs, der ihm, wie ein Orakel ihm verkündet hatte, das Augenlicht wiedergeben würde. Und als die heilenden Strahlen der Sonne bei Anbruch des Tages auf seine blinden Augen fielen, konnte 156
Orion plötzlich wieder sehen. Im Sternenmythos besteht ein Zusammenhang zwischen Orion und dem Sternhaufen der Plejaden im Stier. Die Plejaden waren sieben Schwestern, Töchter des Atlas und der Pleione. Nach der bekannteren Version verliebte sich Orion in die Plejaden und stellte ihnen nach; HYGIN zufolge war er jedoch mehr an ihrer Mutter Pleione interessiert. Zeus ergriff die ganze Gruppe und versetzte sie unter die Sterne, wo sie Orion auch heute noch Nacht für Nacht am Himmel verfolgt. Über den Tod des Orion gibt es zahlreiche und einander widersprechende Berichte. Astronomische Mythographen wie ARATOS, ERATOSTHENES und HYGIN sind sich einig, daß dabei ein Skorpion eine Rolle spielte. In einer Version, wie sie ERATOSTHENES und HYGIN berichten, rühmte sich Orion, der größte aller Jäger zu sein. Er prahlte vor Artemis, der Göttin der Jagd, und Leto, ihrer Mutter, damit, daß er jedes Tier auf der Erde töten könne. Die Erde schüttelte sich unwillig, und aus einem Riß im Boden schlüpfte ein Skorpion, der den anmaßenden Jäger mit seinem Stachel tötete. ARATOS wiederum sagt, daß Orion versucht habe, die Jungfrau Artemis zu mißbrauchen, und daß sie es war, die die Erde aufspringen und den Skorpion zum Vorschein kommen ließ. OVID dagegen berichtet, daß Orion getötet wurde, als er versuchte, Leto vor dem Skorpion zu schützen. Auch bezüglich des Schauplatzes herrscht keine Einigkeit. ERATOSTHENES und HYGIN sagen, daß Orion der Tod auf Kreta ereilte, während ARATOS dieses Ereignis nach Chios verlegt. In beiden Versionen war die Folge, daß Orion und der Skorpion einander gegenüber an den Sternhimmel versetzt wurden, so daß Orion also unter den westlichen Horizont flieht, wenn der Skorpion im Osten aufsteigt. «Der arme Orion fürchtet immer noch, vom giftigen Stachel des Skorpions verwundet zu werden», bemerkt CAESAR GERMANICUS. 157
Nach einer ganz anderen Erzählung, die ebenfalls HYGIN wiedergibt, liebte Artemis Orion und zog ernsthaft in Erwägung, ihr Keuschheitsgelübde aufzugeben und ihn zu heiraten. Als der größte Jäger und die größte Jägerin hätten sie ein prächtiges Paar abgegeben. Apollon aber, der Zwillingsbruder der Artemis, war gegen eine solche Verbindung. Als Orion eines Tages im Meer schwamm, forderte Apollon Artemis auf, ihre Fähigkeiten im Bogenschießen unter Beweis zu stellen, indem sie einen kleinen schwarzen Gegenstand treffen sollte, der draußen auf den Wellen tanzte. Artemis durchbohrte ihn mit einem Schuß – und mußte entsetzt feststellen, daß sie Orion getötet hatte. Von Schmerz erfüllt, versetzte sie ihn an den Himmel. Über die Geburt des Orion wird eine seltsame Geschichte erzählt, die die Frühform seines Namens erklären könnte, Urion (die auch dem sumerischen Original Um An-na ähnlicher ist). Dieser Geschichte zufolge lebte in Theben ein alter Bauer namens Hyrieus. Eines Tages nahm er drei durchreisende Fremde gastfreundlich auf, bei denen es sich um die Götter Zeus, Poseidon und Hermes handelte. Nachdem sie gegessen hatten, fragten die Besucher Hyrieus, ob sie ihm einen Wunsch erfüllen könnten. Der alte Mann gestand, daß er gerne einen Sohn hätte, und die drei Götter versprachen, ihm diese Bitte zu gewähren. Sie stellten sich um die Haut des Ochsen, den sie soeben verzehrt hatten, urinierten darauf und sagten, daß Hyrieus sie vergraben sollte. Aus ihr wurde nach angemessener Zeit ein Knabe geboren, den Hyrieus nach der Art seiner Empfängnis Urion nannte. Orion ist eines der wenigen Sternbilder, bei denen der Stern Alpha nicht der hellste ist. Dies ist vielmehr Beta Orionis, der nach dem arabischen Wort rijl, «Fuß», Rigel heißt, denn PTOLEMÄUS sagt, daß er den linken Fuß des Orion bezeichnet. Rigel ist ein strahlend heller, blauweißer Überriese. Alpha Orionis trägt den Namen Beteigeuze, einen der berühmtesten und dennoch am wenigsten verstandenen 158
Sternnamen. Er geht zurück auf das arabische yad al-jauza, was häufig fälschlich als «Achsel des Mittleren» übersetzt wird. In Wirklichkeit bedeutet es «Hand von al-jauza». Wer (oder was) war al-jauza?Es ist der Name, den die Araber dem Sternbild gaben, das sie in diesem Bereich erblickten, anscheinend eine weibliche Gestalt, die die Sterne sowohl des Orion wie auch der Zwillinge umfaßte. Das Wort al-jauza kommt möglicherweise vom arabischen jwz, was Mitte bedeutet, weshalb moderne Kommentatoren die Übersetzung «die Frau an der Mitte» vorschlagen. Der Hinweis auf die «Mitte» kann damit zu tun haben, daß das Sternbild zu beiden Seiten des Himmelsäquators liegt. PTOLEMÄUS schreibt in seinem Almagest, daß Beteigeuze die rechte Schulter des Orion bildet. Die Griechen gaben weder Beteigeuze noch Rigel einen Namen, was bei der Helligkeit dieser Sterne erstaunlich ist. Beteigeuze ist ein roter Überriese mit einem Durchmesser, der mehrere hundert Male so groß ist wie derjenige der Sonne. Der Stern verändert regelmäßig seine Größe, was zu Helligkeitsschwankungen führt. Die linke Schulter Orions bildet Gamma Orionis mit dem Namen Bellatrix, lateinisch für «Kriegerin». Der Stern am rechten Knie des Jägers, Kappa Orionis, heißt Saiph. Dieser Name geht auf das arabische Wort für «Schwert» zurück und ist hier offensichtlich am falschen Platz. Die drei Gürtelsterne Zeta, Epsilon und Delta Orionis heißen Alnitak, Alnilam und Mintaka. Alnitak und Mintaka gehen beide auf arabische Wörter zurück, die «Gürtel» bedeuten. Alnilam heißt im Arabischen «Perlenkette», wiederum ein Hinweis auf den Gürtel des Orion. Unterhalb des Gürtels befindet sich ein Nebelfleckchen, das das Schwert des Riesen bezeichnet. Hier liegt der Orion-Nebel, eines der meistfotografierten Objekte am Sternhimmel, eine Gaswolke, in der junge Sterne geboren werden. Das Gas des Nebels wird durch die im Inneren bereits geborenen Sterne zum Leuchten angeregt; in klaren Nächten ist er schon mit bloßem Auge zu erkennen. 159
Pavo Pfau Dies ist eines der zwölf Sternbilder, die die holländischen Seefahrer PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN gegen Ende des 16. Jahrhunderts am südlichen Sternhimmel einführten. Es ist der exotische Pfau Indiens, wie man ihn heute freilich in Parks auf der ganzen Welt sieht. Der Pfau wurde erstmals im Jahre 1598 von PETRUS PLANCIUS auf einem Globus dargestellt.
Der Pfau in der Uranographia von JOHANN BODE.
In der Mythologie war der Pfau der heilige Vogel der Hera, die 160
auf einem von Pfauen gezogenen Wagen durch die Luft fuhr. Wie der Pfau zu den Augen auf seinem Schwanz kam, ist ebenfalls Gegenstand eines griechischen Mythos. Es begann damit, daß Zeus seine Geliebte Io in eine weiße Kuh verwandelte, um sie vor Hera zu verbergen, die sie beinahe zusammen ertappt hätte. Heras Argwohn war aber geweckt, und sie ließ die Färse von Argos bewachen, der sie an einen Ölbaum band.Argos war der ideale Wächter, denn er hatte hundert Augen, von denen jeweils nur zwei schliefen, während die übrigen wachten. Wo auch immer Argos stand, konnte er stets mit einigen seiner Augen Io beobachten. Zeus schickte seinen Sohn Hermes, um Io aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. Hermes flog zur Erde hinunter und verbrachte den Tag mit Argos, indem er ihm Geschichten erzählte und auf seiner Flöte spielte, bis die Augen des Argos eines nach dem anderen zufielen. Als Argos schließlich fest schlief, schlug ihm Hermes den Kopf ab und befreite die Färse. Hera versetzte daraufhin die Augen des Argos an den Schwanz des Pfaus. Alpha Pavonis, ein Stern 2. Größe und der hellste des Sternbildes, trägt den Namen Pfau.
Pegasus Pegasus Das Flügelroß Pegasos ist vor allem im Zusammenhang mit dem griechischen Helden Bellerophon bekannt. Die Art der Geburt des Pferdes war recht ungewöhnlich. Seine Mutter war Medusa, die Gorgo, die in ihrer Jugend wegen ihrer Schönheit berühmt war, insbesondere wegen ihres wallenden Haars. Viele Freier warben um sie, doch war es schließlich Poseidon, der Gott des Meeres wie auch der Pferde, der schließlich ihre Jungfräulichkeit raubte. Leider geschah die Verführung im Tempel der Athene. Erzürnt über die Schändung ihres Tempels verwandelte Athene die 161
Medusa in ein Ungeheuer mit Schlangenhaar, dessen Blick Menschen in Stein verwandelte. Als Perseus Medusa enthauptete, sprangen Pegasos und der Krieger Chrysaor aus ihrem Körper hervor. Der Name Pegasos geht auf das griechische Wort Pegai zurück, das «Quellen» oder «Gewässer» bedeutet. Chrysaors Name bedeutet «goldenes Schwert»; damit ist wohl die Klinge gemeint, die er bei seiner Geburt trug. Chrysaor spielt in der Geschichte des Pegasos keine weitere Rolle; er wurde später der Vater des Geryon, des Ungeheuers mit drei Körpern, das von Herakles erschlagen wurde.
Am Himmel ist nur die vordere Hälfte des Pegasus dargestellt, doch gerade so weit, daß auch noch die Flügel zu sehen sind. Den Körper bildet ein markantes Rechteck von Sternen. Vor dem Pegasos das Füllen, von dem nur der Kopf zu sehen ist. Darstellung aus der Uranographia von JOHANN BODE. 162
Pegasos breitete seine Schwingen aus und flog vom Leichnam seiner Mutter fort, bis er am Berg Helikon in Böotien anlangte, dem Sitz der Musen. Dort schlug er mit seinem Huf auf den Boden, woraufhin zur Freude der Musen eine Quelle aus dem Felsen entsprang, die den Namen Hippokrene bekam, «Pferdebrunnen». Die Göttin Athene fand sich später ein, um sich diese Quelle anzusehen. Pegasos wird manchmal auch als das Roß des Perseus dargestellt, doch ist dies falsch. Sein Reiter war in Wirklichkeit ein anderer Held, Bellerophon, der Sohn des Glaukos. König Iobates von Lykien schickte Bellerophon aus, die Chimaira zu töten, ein feuerspeiendes Ungeheuer, das Lykien verwüstete. Nach HESIOD war die Chimaira ein Nachkomme von Typhon und Echidna und hatte drei Köpfe, einer war der eines Löwen, einer der einer Ziege und ein dritter der eines Drachens. HOMER wiederum sagt in der Ilias, daß sie vorne ein Löwe, hinten eine Schlange und in der Mitte eine Ziege war, und dies ist die Beschreibung, die die meisten anderen Autoren in ihre Schilderungen übernommen haben. Bellerophon fand Pegasos, als das Pferd an der Quelle von Peirene in Korinth trank, und zähmte es mit einem goldenen Zaumzeug, das ihm Athene gegeben hatte. Bellerophon erhob sich auf dem göttlichen Pferd in die Lüfte, stieß auf die Chimaira nieder und tötete sie mit Pfeilen und einer Lanze. Nachdem Bellerophon weitere Aufgaben von König Iobates erfüllt hatte, schien ihm sein Ruhm zu Kopf gestiegen zu sein, denn er versuchte, auf Pegasos zu den olympischen Götter zu reiten. Bevor er jedoch den Olymp erreichte, stürzte er zur Erde zurück; Pegasos dagegen vollendete die Reise, und Zeus ließ das Pferd seine Blitze tragen, wie HESIOD berichtet. Später versetzte Zeus Pegasos unter die Sternbilder. ERATOSTHENES zieht diesen Bericht in Zweifel, denn er sagt, daß das Pferd am Himmel keine Flügel hat. In der Tat erwähnt ARATOS keine Flügel des himmlischen Pferdes, doch 163
nennt er das Sternbild zweifelsfrei Pegasos, während PTOLEMÄUS in seinem Almagest eindeutig von Flügeln spricht; ERATOSTHENES muß also wohl im Irrtum sein. CAESAR GERMANICUS ist sich ganz sicher: «Pegasos», schreibt er, «schlägt seine schnellen Flügel am obersten Kreis des Himmels und ist von Freude über seine Erhebung an den Himmel erfüllt.» ERATOSTHENES wiederholt die Behauptung des Schriftstellers EURIPIDES, daß dieses Sternbild Melanippe darstellt, die Tochter des Kentauren Cheiron (siehe Equuleus). Am Himmel ist nur die vordere Hälfte des Pferdes dargestellt, das dennoch das siebtgrößte Sternbild ist. Den Rumpf bildet das berühmte Sternviereck des Pegasos. In griechischer Zeit gehörte ein Stern gleichzeitig zu Andromeda, der sowohl den Nabel des Pferdes als auch den Scheitel der Andromeda bezeichnete. Heute ist dieser Stern ausschließlich Andromeda zugeordnet und trägt die Bezeichnung Alpha Andromedae. Die übrigen drei Sterne des Vierecks sind Alpha Pegasi, der nach dem arabischen Wort für «Schulter» Markab heißt, Beta Pegasi mit dem Namen Scheat nach dem arabischen Wort für «Schienbein», und Gamma Pegasi oder Algenib, was im Arabischen «Flanke» bedeutet. Ein Stern an den Nüstern des Pferdes, Epsilon Pegasi, heißt Enif nach dem arabischen Ausdruck für «Nase». CAESAR GERMANICUS sagt, daß er an der Stelle liegt, «an der das Tier mit schäumendem Maul auf den Zaum beißt».
Perseus Perseus Perseus ist einer der berühmtesten griechischen Helden, und die Gestalten, die in der Perseus-Sage vorkommen, sind in sechs Sternbildern dargestellt, die einen großen Teil des Himmels einnehmen. Das Sternbild, das Perseus zeigt, liegt in einem recht 164
auffälligen Teil der Milchstraße, weshalb ARATOS es wohl «staubbefleckt» nennt. Im Mythos war Perseus der Sohn der Danaë, der Tochter des Königs Akrisios von Argos. Akrisios hatte Danaë in einen schwerbewachten Kerker geworfen, nachdem ihm ein Orakel geweissagt hatte, daß er von seinem Enkel getötet werden würde. Zeus aber besuchte Danaë in Gestalt eines goldenen Regenschauers, der durch eine Dachöffnung des Kerkers in ihren Schoß fiel und sie schwängerte. Als Akrisios dies bemerkte, sperrte er Danaë und das Kind Perseus in einen hölzernen Kasten und setzte sie auf dem Meer aus. Danaë hielt in dem schaukelnden Kasten ihr Kind an sich gepreßt und flehte zu Zeus um Errettung aus dem Meer. Wenige Tage später wurde der Kasten an der Insel Seriphos an Land gespült, doch waren die Insassen halb verhungert und verdurstet. Ein Fischer mit Namen Diktys erbrach den Kasten und fand Mutter und Kind. Er zog Perseus wie seinen eigenen Sohn auf. Der Bruder des Diktys war König Polydektos, der Danaë zur Frau begehrte. Danaë aber zögerte, und Perseus, der inzwischen zum Mann herangewachsen war, verteidigte sie gegen die Begehrlichkeit des Königs. Daraufhin faßte König Polydektos einen anderen Plan, um Perseus loszuwerden. Er gab vor, sich mit Hippodameia, der Tochter des Königs Oinomaos von Elis, vermählen zu wollen. König Polydektos forderte seine Untertanen wie auch Perseus auf, Pferde als Hochzeitsgeschenke zu geben. Perseus besaß aber kein Pferd und auch kein Geld, um eines zu kaufen, weshalb ihn Polydektos ausschickte, ihm das Haupt der Gorgo Medusa zu bringen. Die Gorgonen waren drei grauenvoll häßliche Schwestern namens Euryale, Stheno und Medusa. Sie waren die Töchter des Phorkys, einer Meergottheit, und seiner Schwester Keto. Die Gorgonen hatten mit Drachenschuppen bedeckte Gesichter, Hauer wie Eber, Hände aus Messing und Flügel aus Gold. Ihr furchtbarer Blick verwandelte jeden in Stein, der sie ansah. Nur Euryale und Stheno waren unsterblich, Medusa 165
dagegen nicht. Sie war von den anderen durch ihr Schlangenhaar zu unterscheiden. In ihrer Jugend war Medusa vor allem wegen ihres Haars eine berühmte Schönheit, doch wurde sie von Athene, in deren Tempel sie von Poseidon vergewaltigt worden war, zu einem Leben in Häßlichkeit verdammt.
Der berühmte griechische Held Perseus, der Retter Andromedas, wird in der Uranographia von JOHANN BODE mit dem abgeschlagenen Haupt der Gorgo Medusa dargestellt. An der Stirn des Gorgonenhauptes befindet sich
der Stern Algol, ein berühmter Bedeckungsveränderlicher. Ein Gorgonenhaupt wäre für einen tyrannischen König ein 166
willkommenes Machtmittel gewesen, doch nahm Polydektos vermutlich eher an, daß Perseus seine Aufgabe nicht überleben würde. Der König hatte allerdings nicht mit Perseus’ verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Göttern gerechnet. Athene gab ihm einen Bronzeschild, den er am linken Arm trug, während er in seiner Rechten ein Diamantenschwert schwang, das Hephaistos geschmiedet hatte. Hermes gab ihm Flügelsandalen, und auf seinem Kopf trug er den Helm der Dunkelheit von Hades, der ihn unsichtbar machte. Unter der Führung der Athene flog Perseus zu den Hängen des Berges Atlas, wo die Schwestern der Gorgonen, die Graien, als Späherinnen saßen. Die Graien waren für diese Aufgabe allerdings schlecht gerüstet, denn sie mußten sich ein Auge miteinander teilen, das sie einander weiterreichten. Perseus aber entriß ihnen das Auge und warf es in den See Tritonis. Dann folgte er der Spur der Statuen von Menschen und Tieren, die der Blick der Gorgonen versteinert hatte. Ungesehen gelangte Perseus so zu den Gorgonen und wartete, bis es Nacht wurde und die Medusa und ihre Schlangen schliefen. Perseus beobachtete sie im Spiegel seines blankpolierten Schildes, schwang sein Schwert und schlug der Medusa mit einem einzigen Hieb das Haupt ab. Als Medusas Kopf auf den Boden rollte, sah Perseus erstaunt das Flügelroß Pegasos und den voll ausgewachsenen Krieger Chrysaor aus ihrem Körper hervorkommen, die Frucht ihrer einstigen Affäre mit Poseidon. (Pegasos ist in einem eigenen Sternbild verewigt.) Perseus nahm nun schnell das Medusenhaupt auf, steckte es in seinen Ranzen und flog davon, bevor die beiden anderen Gorgonen erwachten. Einige Blutstropfen aus dem Haupt fielen in den Sand Libyens und verwandelten sich in Schlangen. Ein starker Wind trieb Perseus wie eine Regenwolke über den Himmel, weshalb er im Königreich des Atlas Rast machte. Als Atlas ihm die Gastfreundschaft verweigerte, zog Perseus das Haupt der Gorgo hervor und verwandelte ihn in die Bergkette, die heute seinen Namen trägt. 167
Am nächsten Morgen flog Perseus weiter und kam in das Land des Königs Kepheus, dessen Tochter Andromeda einem Meerungeheuer geopfert werden sollte. Wie Perseus das Mädchen rettete – eine der berühmtesten griechischen Sagen –, wird ausführlich bei dem Sternbild Andromeda erzählt. Perseus kehrte mit Andromeda auf die Insel Seriphos zurück, wo seine Mutter und Diktys in einem Tempel vor der Tyrannei des Königs Polydektos Zuflucht gesucht hatten. Perseus stürmte sofort in den Palast des Königs, der ihm einen feindseligen Empfang bereitete, zog nun das Haupt der Medusa aus seinem Ranzen hervor und verwandelte Polydektos und seine Anhänger in Steine; dann ernannte er Diktys zum König von Seriphos. Athene nahm das Haupt der Medusa und setzte es in die Mitte ihres Schildes. Schließlich ging auch die Prophezeiung, die am Anfang all dieser Abenteuer gestanden hatte, daß nämlich Akrisios von seinem Enkel getötet werden würde, bei einem sportlichen Wettbewerb in Erfüllung, als ein von Perseus geschleuderter Diskus zufällig den zuschauenden Akrisios traf und tötete. Perseus und Andromeda hatten viele Kinder, unter anderem Perses, den sie von Kepheus aufziehen ließen. Dieser Perses soll der Stammvater der persischen Könige gewesen sein. Am Himmel liegt Perseus neben seiner geliebten Andromeda; in der Nähe sieht man deren Eltern Kepheus und Kassiopeia sowie das Meerungeheuer Ketos, dem sie geopfert werden sollte; das Flügelroß Pegasos vervollständigt das Bild. Perseus selbst wird mit dem Haupt der Gorgo in der Hand dargestellt. Der Stern, den PTOLEMÄUS den «hellen Stern im Haupt der Gorgo» nannte, ist Beta Persei, der nach dem arabischen ra’s al-ghul, «Dämonenhaupt», den Namen Algol trägt. Algol ist ein bekannter Bedeckungsveränderlicher; zwei dicht beisammen stehende Sterne umrunden sich in 2,9 Tagen einmal. Die Helligkeit Algols ändert sich, wenn die beiden Sterne aneinander vorüberziehen. Diese schwankende Helligkeit beobachtete der italienische Astronom GEMINIANO MONTANARI erstmals im Jahre 1669. Der 168
hellste Stern des Sternbilds, Alpha Persei, gehört der 2. Größenklasse an und hat zwei verschiedene Namen. Der eine lautet Mirfak, nach dem arabischen Wort für «Ellbogen», der andere Name ist Algenib, arabisch für «Seite», denn PTOLEMÄUS beschrieb ihn als an der Seite liegend. Auf den Darstellungen hält Perseus das Schwert in seiner Rechten hoch über sich. An dieser Hand befindet sich das Gebilde, das PTOLEMÄUS eine «neblige Masse» nannte: ein Zwillingssternhaufen.
Phoenix Phönix Ein Sternbild, das den mythischen Vogel zeigt, der aus seiner eigenen Asche auferstanden sein soll. Das Sternbild wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts von den holländischen Seefahrern PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN erfunden. OVID berichtet in seinen Metamorphosen, daß der Phönix 500 Jahre lang lebte und sich von Weihrauch und Balsam nährte. Am Ende seiner Lebensspanne baute sich der Vogel in den obersten Zweigen einer Palme ein Nest aus Zimtrinde und Weihrauch und beschloß seine Tage in diesem duftenden Heim. Aus dem Leichnam des Vaters wurde wiederum ein kleiner Phönix geboren. Das Nest war sowohl das Grab des alten wie auch die Wiege eines neuen Phönix. Als der junge Phönix alt genug war, hob er das Nest vom Baum und trug es zum Tempel Hyperions, des Titanen, der der Vater des Sonnengottes war.
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Der Phönix erhebt sich aus der Asche. Darstellung in der Uranographia von JOHANN BODE.
Pictor Maler
Die Staffelei, die JOHANN BODE in seiner Uranographia als Darstellung des Sternbildes Maler verwendete. BODE selbst nannte das Sternbild Pluteum Pictoris.
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Auf vielen Sternkarten ist bei diesem Sternbild eine Staffelei mit einer Palette zu sehen. Es gehört damit zu den Darstellungen technischer und künstlerischer Geräte, die der Franzose NICOLAS Louis DE LACAILLE nach seiner Beobachtungsreise zum Kap der Guten Hoffnung in der Zeit von 1751 bis 1752 am südlichen Sternhimmel einführte. Die ursprüngliche Bezeichnung LACAILLES für das Sternbild, die später verkürzt wurde, lautete Equuleus Pictoris. BODE nannte es Pluteum Pictoris.
Pisces Fische Die mythologischen Ereignisse, die zu diesem Sternbild gehören, spielen in der Gegend des Euphrat, die Griechen haben es also offenbar von den Babyloniern übernommen. Der Bericht geht auf eine frühe Epoche zurück, in der die Götter des Olymps die Titanen und die Giganten im Kampf um die Macht besiegt hatten. Mutter Erde, die bei den Griechen Gaia hieß, hielt freilich für die Götter noch eine unangenehme Überraschung bereit. Sie paarte sich mit Tartaros, der untersten Region der Unterwelt, in der Zeus die Titanen eingesperrt hatte, und aus dieser Verbindung ging Typhon hervor, das schrecklichste Ungeheuer, das die Welt je gesehen hatte. HESIOD zufolge hatte Typhon hundert Drachenköpfe, aus denen schwarze Zungen hervorschnellten. Feuer sprühte aus den Augen eines jeden dieser Köpfe, und sie ließen eine Kakophonie von Klängen ertönen: manchmal ätherische Stimmen, die die Götter verstehen konnten, ein andermal brüllte Typhon wie ein Löwe oder Stier, winselte wie ein junger Hund oder zischte wie ein Nest von Schlangen. Gaia hetzte dieses schreckliche Ungeheuer gegen die Götter. Pan sah es ankommen und warnte die übrigen Götter mit einem lauten Schrei; er selbst sprang in den Fluß und verwandelte sich 171
in einen Ziegenfisch, der im Sternbild Steinbock zu sehen ist, das ebenfalls auf die Babylonier zurückgeht. Aphrodite und ihr Sohn Eros suchten sich im Schilf am Ufer des Euphrat zu verbergen, aber als der Wind hindurchfuhr, wurde Aphrodite doch ängstlich. Mit Eros auf dem Schoß rief sie die Wassernymphen zu Hilfe und sprang in den Fluß. In einer Version der Geschichte schwammen zwei Fische herbei und brachten Aphrodite und Eros auf ihrem Rücken in Sicherheit, während nach einer anderen Version die beiden Flüchtlinge selbst in Fische verwandelt wurden. Die Mythographen sagen, daß die Syrer aufgrund dieser Geschichte keinen Fisch aßen. Nach einem anderen Bild, das HYGIN in seinen Fabeln wiedergibt, fiel ein Ei in den Euphrat und wurde von Fischen an das Ufer gerollt. Tauben bebrüteten dieses Ei, aus dem Aphrodite schlüpfte und die Fische zum Dank an den Himmel versetzte. ERATOSTHENES schreibt, daß die Fische dieses Sternbildes die Nachkommen eines anderen Fisches sind, der im Sternbild Südlicher Fisch dargestellt ist. Am Himmel schwimmen die beiden Fische des Tierkreiszeichens in entgegengesetzter Richtung, ihre Schwanzflossen sind durch ein Band miteinander verbunden. Die Griechen besaßen keine einleuchtende Erklärung für dieses Band; dem Historiker PAUL KUNITZSCH zufolge sahen schon die Babylonier in dieser Himmelsgegend zwei Fische, die mit einer Schnur miteinander verknüpft waren, und die Griechen müssen dieses Bild übernommen haben, ohne die Bedeutung der Schnur zu kennen. Die Fische sind ein enttäuschend schwaches Sternbild, dessen hellste Sterne zur 4. Größenklasse zählen. Alpha Piscium trägt den Namen Alrisha, nach dem arabischen Wort für «Schnur». Dieser Stern liegt an der Stelle, an der die die Fische verknüpfenden Bänder miteinander verknotet sind. Das Sternbild Fische ist insofern wichtig, als es den Punkt enthält, an dem die Sonne alljährlich den Himmelsäquator auf ihrem Weg nach Norden überquert. 172
Ein Band verbindet die beiden Fische. Aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED.
Dieser Punkt, der sogenannte Frühlingspunkt, lag ursprünglich im Widder, ist jedoch heute aufgrund der Taumelbewegung der Erdachse, der sogenannten Präzession, in das Sternbild Fische gewandert.
Piscis Austrinus Südlicher Fisch ERATOSTHENES nennt dieses Sternbild den Großen Fisch, und er sagt, daß dieser die Mutter der beiden kleineren Fische des Sternbilds Pisces sei. Wie bei den Fischen spielt die zugehörige Sage im Nahen Osten, was auf den babylonischen 173
Ursprung hinweist. Nach dem kurzen Bericht des ERATOSTHENES soll die syrische Fruchtbarkeitsgöttin Derceto (die bei den Griechen Atargatis hieß) bei Bambyce nahe dem Euphrat in Syrien in einen See gestürzt und von einem großen Fisch gerettet worden sein. HYGIN wiederholt hier seine bei den Fischen gemachte Bemerkung, daß dies der Grund dafür ist, daß die Syrier keinen Fisch essen und Fischbildnisse als Götter verehren. Alle Berichte über die Sagen zu diesem Sternbild sind enttäuschend knapp. Bambyce bekam später bei den Griechen den Namen Hieropolis («heilige Stadt»), heute heißt es Membij. Anderen klassischen Quellen ist zu entnehmen, daß es in den Atargatis-Tempeln Fischteiche gab. Die Göttin bestrafte angeblich diejenigen, die Fisch aßen, indem sie ihnen übel werden ließ, doch genossen ihre Priester bei einem täglichen Ritual auch Fisch.
Der Südliche Fisch, hier in der Uranographia von JOHANN BODE als Piscis Notius bezeichnet, trinkt Wasser aus der Schale des Wassermanns. In seinem Maul liegt der helle Stern Fomalhaut.
Dem griechischen Autor DIODOROS SIKULOS zufolge warf sich Derceto in selbstmörderischer Absicht in einen See bei Askalon in Palästina, weil sie die Schande einer Liebesaffäre mit dem jungen Syrer Kaistros nicht ertragen konnte, dem sie 174
eine Tochter gebar, Semiramis. Derceto tötete ihren Liebhaber und ließ ihr Kind im Stich, das von Tauben großgezogen wurde und später Königin von Babylon wurde. In dem See wurde Derceto in eine Meerjungfrau verwandelt, die halb Frau, halb Fisch war. Der Südliche Fisch ist am Himmel auffälliger als die Fische, weil er Fomalhaut enthält, einen Stern der 1. Größenklasse. Dieser Name bedeutet im Arabischen «Fischmaul», als welches ihn auch PTOLEMÄUS beschrieb. Am Himmel ist dargestellt, wie der Fisch das Wasser aus dem Krug des Wassermanns trinkt, ein freilich etwas seltsames Gebaren für einen Fisch.
Puppis Schiffsheck Dies ist der größte der drei Abschnitte, in die NICOLAS Louis DE LACAILLE 1763 das alte Sternbild Argo Navis, das Schiff der Argonauten, in seinem Katalog der südlichen Sterne teilte (siehe Argo Navis in Teil 4). In diesem Sternbild gibt es keine Sterne mit der Benennung Alpha oder Beta, weil bei der Aufteilung des Schiffes Argo durch LACAILLE die ursprünglichen griechischen Buchstabenbenennungen beibehalten wurden; Alpha und Beta kamen zu dem Sternbild Schiffskiel. Der hellste Stern dieses Sternbildes ist Zeta Puppis, ein Stern der 2. Größenklasse, der nach dem griechischen Wort für «Schiff» Naos heißt.
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Pyxis Kompaß Ein kleines südliches Sternbild, das der Franzose NICOLAS Louis DE lacaille während seiner Erforschung des südlichen Sternhimmels in den Jahren 1751 bis 1752 erfand. Das Sternbild zeigt einen Magnetkompaß, wie ihn die Seeleute benutzen, und befindet sich in der Nähe des Hecks des Schiffes Argo. Die hellsten Sterne gehören gerade der 4. Größenklasse an, und es gibt hierzu keine Sagen – die Griechen kannten den Magnetkompaß noch nicht. Im selben Gebiet führte der deutsche Astronom JOHANN BODE das Sternbild Lochium Funis ein, Log und Leine, das heute nicht mehr in Gebrauch ist.
Der Kompaß nach der Uranographia von JOHANN BODE. Daneben stellte BODE das heute veraltete Sternbild Lochium Funis, Log und Leine, dar. 176
Reticulum Netz Ein kleines südliches Sternbild, das der französische Astronom NICOLAS Louis DE LACAILLE einführte, um das Netz im Okular seines Fernrohrs zu verewigen, mit dem er in den Jahren 1751 bis 1752 vom Kap der guten Hoffnung aus die Sternpositionen vermaß. Es ersetzte ein früheres Sternbild mit dem Namen Rhombus, das der deutsche Astronom ISAAC HABRECHT 1621 eingeführt hatte. Der hellste Stern des Sternbildes, Alpha Reticuli, gehört der 3. Größenklasse an, hat aber keinen Namen.
Das Netz, das JOHANN BODE in seiner Uranographia Reticulus nennt.
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Sagitta Pfeil Dies ist das drittkleinste Sternbild am Himmel, dessen hellste Sterne gerade die 4. Größenklasse erreichen, doch war es den Griechen gut bekannt. ARATOS schreibt, daß es «allein, ohne einen Bogen» ist, weil nirgendwo ein Schütze zu sehen ist, der ihn abgeschossen haben könnte. Über den Pfeil gibt es mindestens drei unterschiedliche Berichte. ERATOSTHENES sagt, daß er die Waffe war, mit der Apollon die Zyklopen erschoß, weil sie die Blitze herstellten, mit denen Zeus Apollons Sohn Asklepios getötet hatte. Dieser Erzählung zufolge war Asklepios ein großer Heiler, der Tote erwecken konnte, doch tötete ihn Zeus, als sich Hades, der Gott der Unterwelt, über die Geschäftsschädigung beschwerte. Asklepios ist in dem Sternbild Schlangenträger verewigt. HYGIN berichtet, daß dieses Sternbild einer der Pfeile war, mit denen Herakles den Adler erschoß, der an der Leber des Prometheus fraß. Prometheus war derjenige, der aus Lehm Menschen nach dem Bildnis der Götter schuf und ihnen das Feuer gab, das er von Zeus gestohlen hatte. Prometheus trug das Feuer triumphierend in einem hohlen Rohr zu den Menschen, wie heute die Staffelläufer die olympische Fackel tragen. Zeus verhängte eine grausame Strafe für diesen Diebstahl, indem er Prometheus an den Kaukasus schmieden ließ, wo ein Adler täglich an seiner Leber fraß. Nachts wuchs die Leber wieder nach, damit der Adler am Morgen seine Mahlzeit fortsetzen konnte. Herakles befreite Prometheus schließlich von seiner Qual, indem er den Adler mit einem Pfeil erlegte.
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Der Pfeil fliegt am Fuß des Füchschens vorbei. Eine Darstellung aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED.
CAESAR GERMANICUS zufolge handelt es sich um den Pfeil des Eros, der in Zeus die Leidenschaft für den Hirtenknaben Ganymed entzündete, der im Sternbild Wassermann verewigt ist. Nun wird GERMANICUS zufolge der Pfeil am Himmel vom Adler des Zeus bewacht, und in der Tat liegt dieses Sternbild neben demjenigen des Adlers. Die Sterne des Pfeils haben keine Namen.
Sagittarius Schütze Der Schütze wird am Himmel als Kentaur mit dem Rumpf und den vier Beinen eines Pferdes und dem Oberkörper eines Mannes gezeigt. Er tragt einen Mantel und spannt einen Bogen, mit dem er in Richtung des benachbarten Skorpions zielt. ARATOS behandelt den Bogen und den Schützen als zwei getrennte Sternbilder. Der Schütze wird gelegentlich mit Cheiron identifiziert. Cheiron aber ist der andere Kentaur am Himmel, das Sternbild Centaur. Schütze ist ein Sternbild sumerischer Herkunft, das später die Griechen übernahmen, und dies erklärt die Verwirrung 179
hinsichtlich seiner Identität. ERATOSTHENES bezweifelte, daß es sich hierbei um einen Kentauren handelte, und begründete dies unter anderem damit, daß die Kentauren keine Bogen gebrauchten. Er beschrieb den Schützen vielmehr als zweibeiniges Geschöpf mit dem Schwanz eines Satyrn. Er behauptete, daß es sich bei dieser Gestalt um Krotos handle, den Sohn der Eupheme, der Amme der neun Musen. Dem römischen Mythographen HYGIN zufolge hatte Krotos Pan zum Vater, was die Auffassung des ERATOSTHENES bekräftigt, daß er als Satyr und nicht als Kentaur dargestellt werden sollte.
Der Schütze, ein Kentaur, der hier in der Uranographia von JOHANN BODE seinen Bogen spannt.
Krotos erfand die Kunst des Bogenschießens und ritt oft auf die Jagd. Er lebte am Berg Helikon unter den Musen, die seine 180
Gesellschaft liebten. Sie sangen für ihn, und er applaudierte laut. Die Musen verlangten, daß Zeus ihn an den Himmel versetze, damit er die Kunst des Bogenschießens vorführe. Bei seinen Vorderfüßen befindet sich ein Kreis von Sternen, bei denen es sich, wie HYGIN sagt, um einen Kranz handelt, den jemand im Spiel herabgeworfen habe. Dieser Sternkreis ist das Sternbild Südliche Krone. Alpha Sagittarii heißt Rukbat oder auch Airami, beides aus dem arabischen rukbat al-rami, «Knie des Schützen». Beta Sagittarii trägt den Namen Arkab, nach dem arabischen Ausdruck, der «Sehne des Schützen Achilleus» bedeutet. Gamma Sagittarii ist Alnasl nach dem arabischen Wort für «Spitze», womit die Spitze des Pfeils gemeint ist. Delta, Epsilon und Lambda Sagittarii tragen die Namen Kaus Media, Kaus Australis und Kaus Borealis. Das Wort Kaus geht auf das arabische al-quas zurück, «Bogen», und die lateinischen Zusätze bezeichnen den mittleren, den südlichen und den nördlichen Teil des Bogens. Zeta Sagittarii ist Ascella, was aus dem Lateinischen kommt und «Achsel» bedeutet. Alle diese Namen entsprechen sehr genau den Beschreibungen der Sternpositionen, wie sie PTOLEMÄUS in seinem Almagest gibt. Schließlich ist Sigma Sagittarii mit dem Namen Nunki zu erwähnen. Dieser Name wurde erst in neuerer Zeit von Seeleuten vergeben, doch ist er einem Verzeichnis babylonischer Sternnamen entnommen. Den Namen Nun-ki trug eine Gruppe von Sternen, die Eridu darstellten, die heilige Stadt der Babylonier am Euphrat. Dieser Name ist heute ausschließlich Sigma Sagittarii zugeordnet und soll einer der ältesten noch gebräuchlichen Sternnamen sein. Der Schütze umfaßt einen sehr interessanten Teil der Milchstraße, da er nahe dem Zentrum unserer Galaxie liegt. Die genaue Mitte der Milchstraße soll eine Radioquelle markieren, die die Astronomen Sagittarius A nennen. Im Schützen befinden sich viele bemerkenswerte Objekte, unter anderem der Lagunen- und der Trifid-Nebel, zwei Gaswolken, die durch Sterne in ihrem Inneren zum Leuchten angeregt werden. 181
Scorpius Skorpion «Es gibt eine bestimmte Stelle, an der der Skorpion sich mit seinem Schwanz und den gekrümmten Scheren über zwei Zeichen des Tierkreises breitet», sagt OVID in seinen Metamorphosen. Er bezieht sich damit auf die alte griechische Version des Skorpions, die erheblich größer war als unser heutiges Sternbild. Der griechische Skorpion bestand aus zwei Hälften: die eine umfaßte seinen Körper und seinen Stachel, während die vordere Hälfte die Scheren enthielt. Die Griechen nannten diese vordere Hälfte Chelai, was «Scheren» bedeutet. Im 1. Jahrhundert v. Chr. machten die Römer aus den Scheren ein eigenes Sternbild, die Waage. In der Mythologie ist dies der Skorpion, der Orion den Tod brachte, jedoch gibt es über die genaueren Umstände unterschiedliche Berichte. ERATOSTHENES bietet zwei Versionen an. Bei seiner Beschreibung des Skorpions sagt er, daß Orion versuchte, Artemis zu vergewaltigen, die Göttin der Jagd, und daß sie den Skorpion schickte, damit er ihn steche; und dieser Bericht wird auch von ARATOS bekräftigt. Über Orion sagt ERATOSTHENES jedoch, daß Mutter Erde den Skorpion geschickt hatte, nachdem Orion sich gerühmt hatte, daß er jedes wilde Tier töten könne. HYGIN erzählt ebenfalls beide Versionen. ARATOS sagt, daß Orion der Tod auf Chios ereilte, während ERATOSTHENES und HYGIN dieses Ereignis nach Kreta verlegen. In beiden Fällen ist die Moral der Geschichte, daß Orion seinen Hochmut büßen mußte. Dieser Mythos scheint einer der ältesten griechischen Mythen zu sein; sein Ursprung ist möglicherweise am Himmel selbst zu suchen, da die beiden Sternbilder einander gegenüberliegen, so daß Orion untergeht, wenn sein Widersacher, der Skorpion, aufgeht. Allerdings reicht 182
dieses Sternbild bis weit vor die griechische Zeit zurück, denn schon die Sumerer kannten es vor über 5000 Jahren als Gir-tab, den Skorpion.
Der Skorpion in der Uranographia von JOHANN BODE. Ein Teil des Körpers des Skorpions überschneidet sich mit dem Fuß des Schlangenträgers. In der Mitte des Körpers des Skorpions befindet sich der rote Stern Antares. Auf dieser Karte nennt ihn BODE auch Calbalacrab, arabisch für «Herz des Skorpions».
Das Sternbild Skorpion ähnelt eindeutig dem gleichnamigen Tier, insbesondere die gekrümmte Linie der Sterne, die seinen 183
aufgerichteten Schwanz mit dem Stachel bezeichnen. Auf alten Sternkarten ist ein Fuß des Schlangenträgers so dargestellt, daß er sich in gefährlicher Weise mit dem Körper des Skorpions überlappt. Der hellste Stern des Skorpions ist der strahlend helle Antares, ein Name, der im Griechischen «wie Mars» (auch zu übersetzen als «Rivale des Mars») bedeutet, was auf die ausgeprägt rotorange Farbe zurückzuführen ist, die der des Planeten Mars ähnelt. Antares ist ein bemerkenswerter Überriese, der die Sonne mehrere hundert Mal an Größe übertrifft. Beta Scorpii heißt Graffias, lateinisch für «Klauen»; dieser Stern trägt manchmal auch die Bezeichnung Acrab, nach dem arabischen Wort für «Skorpion». Delta Scorpii heißt Dschubba; dieser seltsame Name, eine Verstümmelung des arabischen Wortes für «Stirn», ist ein Hinweis auf seine Lage in der Mitte der Stirn des Skorpions. Am Ende des Skorpionschwanzes liegt Lambda Scorpii, der nach dem arabischen Wort für «Stachel» Shaula heißt.
Sculptor Bildhauer Dieses schwache Sternbild, südlich des Walfisches und des Wassermanns gelegen, wurde von dem französischen Astronomen NICOLAS Louis DE lacaille erfunden, als er in den Jahren 1751 und 1752 den südlichen Himmel kartographierte. Der ursprüngliche Name, der jedoch später verkürzt wurde, lautete Apparatus Sculptoris. Das Sternbild stellt das Atelier eines Bildhauers mit einem Marmorkopf auf einer Arbeitsplatte nebst Schlegel und Meißel dar. Die Sterne des Bildhauers sind nicht heller als 4. Größenklasse und tragen keine Namen.
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Apparatus Sculptoris lautete der Name, unter dem LACAILLE das heute als Bildhauer bekannte Sternbild einführte. Aus der Uranographia von JOHANN BODE.
Scutum Schild Das fünftkleinste Sternbild am Himmel, das der polnische Astronom JOHANNES HEVELIUS im Jahre 1684 unter der Bezeichnung Scutum Sobiescianum einführte, Schild des Sobieski, und zwar zu Ehren des Königs JOHANN III. (JAN SOBIESKI) von Polen. Dies ist das einzige Sternbild, das aus politischen Gründen eingeführt wurde und heute noch in Gebrauch ist. Der Schild liegt in einem hellen Bereich der Milchstraße und ist trotz seiner geringen Größe gut zu erkennen. Die hellsten Sterne des Schildes gehören nur der 4. Größenklasse an, und sie 185
tragen keine Namen, doch enthält das Sternbild zwei berühmte Sternhaufen, M 11 und M 26.
Der Schild nach der Uranographia von JOHANN BODE.
Serpens Schlange Dieses Sternbild ist insofern einmalig, als es aus zwei Teilen besteht, nämlich aus Serpens Caput, dem Kopf, und Serpens Cauda, dem Schwanz. Die Astronomen betrachten es jedoch als eine Einheit. Es stellt eine riesige Schlange dar, die vom Sternbild Schlangenträger gehalten wird. Mit seiner Linken faßt der Schlangenträger den Kopf der Schlange, die sich ihm zuwendet, während seine Rechte ihren Schwanz hält. ARATOS wie auch MANILIUS sind der Meinung, daß sich 186
die Schlange um den Leib des Schlangenträgers windet, jedoch schlängelt sie sich auf den meisten Sternatlanten einfach zwischen seinen Beinen hindurch (siehe Abbildung bei Ophiuchus). Mythologisch wird der Schlangenträger mit dem Heiler Asklepios identifiziert, dem Sohn des Apollon, wiewohl nicht näher erklärt wird, warum er mit der Schlange am Himmel ringt. Der Zusammenhang mit der Schlange ergibt sich aus dem Bericht, daß er einst eine Schlange tötete, die in wunderbarer Weise wieder zum Leben erwachte, nachdem eine andere Schlange ein Heilkraut auf sie gelegt hatte. Asklepios erweckte später nach demselben Verfahren Tote wieder zum Leben. Schlangen sind ein Symbol der Wiedergeburt, weil sie sich alljährlich häuten. Der Stern Alpha Serpentis trägt den Namen Unuk Elhaia, was im Arabischen «Hals der Schlange» bedeutet, und dort befindet er sich auch. Die Schwanzspitze der Schlange markiert Theta Serpentis mit dem Namen Alya, arabisch «Schafschwanz». Das bekannteste Objekt in der Schlange ist der Sternhaufen M 16, der in eine Gaswolke, den Adlernebel, eingebettet ist.
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Sextans Sextant
Der Sextant, dargestellt im Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED.
Ein unscheinbares Sternbild südlich des Löwen, das der polnische Astronom JOHANNES HEVELIUS im Jahre 1687 unter dem 188
Namen Sextans Uraniae einführte, um das Instrument zu verewigen, mit dem er Sternpositionen bestimmte. HEVELIUS machte sein ganzes Leben lang Beobachtungen mit unbewaffnetem Auge, obwohl es bereits Fernrohre gab; vielleicht wollte er die Schärfe seiner Augen unter Beweis stellen, als er den Sextanten aus so schwachen Sternen bildete. Ähnliches gilt auch für eine andere seiner Erfindungen, das Sternbild Luchs. Der hellste Stern im Sextanten ist nur 4,5 Größenklassen hell; keiner der Sterne trägt einen eigenen Namen.
Taurus Stier Der Stier ist mit dem Kopf, den eine v-förmigen Sterngruppe bezeichnet, und den Sternen an den Spitzen seiner Hörner ein besonders markantes Sternbild. Mit ihm sind zwei griechische Sagen verbunden. Er soll die Stiergestalt darstellen, die Zeus bei einem seiner Seitensprünge annahm, als er nämlich Europa entführte, die Tochter des Königs Agenor von Phönizien. Europa spielte gerne mit den anderen Mädchen von Tyros am Strand. Zeus wies seinen Sohn Hermes an, das Vieh des Königs von seinen Weiden an den Berghängen zum Strand zu treiben, wo die Mädchen spielten. Zeus nahm die Gestalt eines Stiers an und mischte sich unter die Herde, wo er auf eine Gelegenheit wartete, Europa zu entführen. Es gab keinen Zweifel daran, wer der schönste aller Stiere war. Sein Fell war weiß wie frischer Schnee, und seine Hörner glänzten wie poliertes Metall. Europa war entzückt über das schöne und friedliche Geschöpf. Sie schmückte seine Hörner mit Blumen und streichelte seine Flanken, bewunderte deren Hautfalten und die Muskeln seines Nackens. Der Stier küßte ihre Hände, während Zeus innerlich die Vorfreude auf die bevorstehende Eroberung kaum bezähmen konnte. Der Stier legte sich auf den goldenen Sand, und Europa 189
setzte sich kühn auf seinen Rücken. Zuerst empfand sie keine Furcht, als der Stier sich erhob und in das seichte Wasser zu waten begann. Um so größer war ihr Schrecken, als das Tier plötzlich mit kraftvollen Zügen auf das Meer hinauszuschwimmen begann. Europa blickte bestürzt auf die allmählich verschwindende Küstenlinie zurück und hielt sich an den Hörnern des Stiers fest, als die Wellen über seinen Rücken spülten. Zeus tauchte noch tiefer in die Wellen, damit sie sich noch fester an ihn klammern mußte. Europa war klar geworden, daß dies kein gewöhnlicher Stier war. Schließlich watete das Tier in Kreta an Land, wo Zeus seine wahre Identität offenbarte und Europa verführte. Er gab ihr Geschenke, unter anderem einen Hund, der später zu dem Sternbild Großer Hund wurde. Einer der Nachkommen des Zeus und der Europa war Minos, der König von Kreta, der in Knossos einen berühmten Palast errichtete, bei dem Stierspiele abgehalten wurden. Ein anderer Autor hält den Stier für Io, mit der Zeus ein außereheliches Verhältnis hatte und die er in eine Färse verwandelte, um sie vor seiner Gemahlin Hera zu verbergen. Hera aber schöpfte Verdacht und ließ die Färse von dem hundertäugigen Argos bewachen. Im Auftrag von Zeus tötete Hermes den Argos und befreite die Färse. Die erzürnte Hera sandte eine Bremse zur Verfolgung der Färse aus, die sich ins Meer stürzte und davonschwamm. Am Himmel ist nur die vordere Hälfte des Stiers zu sehen. Dies kann man mythologisch damit erklären, daß der restliche Körper untergetaucht ist. In Wirklichkeit ist natürlich für den ganzen Stier zu wenig Platz am Himmel, denn dort, wo die hintere Hälfte des Stiers liegen sollte, befinden sich der Walfisch und der Widder. Dieses unschöne Schicksal, am Himmel auseinandergeschnitten zu sein, teilt der Stier mit Pegasus. Auf manchen Sternkarten ist dargestellt, wie der Stier auf einem Bein einknickt, vielleicht um Europa auf seinen Rücken zu locken. MANILIUS beschrieb den Stier als lahm und leitete 190
hieraus eine Lehre ab: «Der Himmel lehrt uns, Niederlagen mit Stärke zu tragen, denn selbst Sternbilder haben verstümmelte Glieder», schrieb er.
Der Stier stürmt mit gesenktem Kopf auf Orion zu, dargestellt im Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. Am Himmel ist nur der vordere Teil des Stiers zu sehen. Das Auge des Stiers bildet der rötliche Stern Aldebaran; auf seinem Rücken liegt der Sternhaufen der Plejaden. Ein Horn endet am Fuß des Fuhrmanns.
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Das Gesicht des Stiers bildet eine V-förmige Sterngruppe, die Hyaden. OVID bekräftigt in seinen Fasten, daß der Name auf das alte griechische Wort hyein zurückgeht, was «regnen» bedeutet, weil der Aufgang der Hyaden zu einer bestimmten Zeit des Jahres ein Vorzeichen für Regen sein sollte. In der Mythologie waren die Hyaden die Töchter des Atlas und der Okeanide Aithra. Ihr ältester Bruder war Hyas, ein kühner Jäger, der eines Tages von einer Löwin getötet wurde. Die Schwestern weinten und waren untröstlich – HYGIN sagt, daß sie vor Kummer starben –, weshalb sie an den Himmel versetzt wurden. Daher spricht auch einiges dafür, daß ihr Name auf ihren Bruder Hyas zurückgeht. Nach einem anderen Bericht waren die Hyaden Nymphen, die den kleinen Dionysos in ihrer Höhle am Berg Nysa säugten und ihn mit Milch und Honig fütterten. Die Römer hatten einen anderen Namen für sie: sie nannten die Hyaden Suculae, «Schweinchen». Bei den Mythographen herrscht große Uneinigkeit bezüglich der Namen und sogar der Zahl der Hyaden. Es sollen fünf, aber auch sieben gewesen sein. Der griechische Astronom PTOLEMÄUS nennt in seinem Sternkatalog fünf Hyaden. HYGIN allein gibt fünf verschiedene Verzeichnisse ihrer Namen an, von denen wiederum keines vollständig mit der ursprünglich von HESIOD stammenden Liste übereinstimmt, wo die Namen Phaisyle, Korionis, Kleia, Phaio und Eudore genannt werden. Die Astronomen haben dieses Problem umgangen, indem sie keinem der Sterne der Hyaden einen Namen gaben. In Feldstechern und kleinen Fernrohren sind erheblich mehr Mitglieder der Hyaden zu sehen als mit bloßem Auge. Insgesamt gehören mehrere hundert Sterne zu diesem Sternhaufen, der 150 Lichtjahre entfernt ist. Berühmter noch als die Hyaden sind ein anderer Sternhaufen im Stier, die Plejaden. Man erkennt die Plejaden als verschwommenes Fleckchen, das sich wie ein Schwarm Fliegen über dem Rücken des Stiers erhebt. HYGIN zufolge nannten einige alte Astronomen sie den Schwanz des Stiers. Die Plejaden sind so 192
markant, daß die alten Griechen sie als eigenes Sternbild betrachteten und als Kalenderzeichen benutzten. HESIOD weist in seinem Lehrgedicht Werke und Tage die Bauern an, mit der Ernte zu beginnen, wenn die Plejaden in der Morgendämmerung aufgehen, was in der griechischen Zeit im Mai war, und zu pflügen, wenn sie in der Abenddämmerung untergingen, das heißt im November. PTOLEMÄUS nennt in seinem Almagest keine Einzelmitglieder der Plejaden und beschreibt nur die Größe des Sternhaufens. In der Mythologie waren die Plejaden die sieben Töchter des Atlas und der Okeanide Pleione, nach der sie benannt sind. Eine populäre Herleitung lautet, daß der Name auf das griechische Wort plein zurückgeht, «segeln», so daß Pleione die «segelnde Königin» und die Plejaden die «Segelnden» sind, denn in griechischer Zeit waren sie während der sommerlichen Schifffahrtssaison die ganze Nacht über zu sehen. Wenn die Plejaden vom Nachthimmel verschwanden, hielt man es für klüger, an Land zu bleiben. «Heftige Winde toben, wenn die Plejaden, vom wilden Orion verfolgt, in das umwölkte Meer tauchen», schrieb HESIOD. Eine andere und möglicherweise wahrscheinlichere Deutung lautet, daß der Name auf das altgriechische Wort pleos zurückgeht, «voll», das in der Mehrzahl «viele» bedeutet, eine passende Beschreibung des Sternhaufens. Andere Autoritäten wiederum behaupten, daß der Name auf das griechische Wort peleiades zurückgeht, was «Taubenschwarm» bedeutet. Im Gegensatz zu ihren Halbschwestern, den Hyaden, tragen alle sieben Plejaden Namen: Alkyone, Asterope (auch Sterope genannt), Kelaino, Elektra, Maia, Merope und Taygete. Zwei weitere Sterne sind nach ihren Eltern Atlas und Pleione benannt. Alkyone ist der hellste Stern des Sternhaufens. Nach dem Mythos wurden sowohl Alkyone als auch Kelaino von Poseidon verführt. Maia, die älteste und hübscheste der Schwestern, wurde von Zeus verführt und gebar Hermes; später wurde sie die Ziehmutter des Arkas, des Sohnes des Zeus und der Kallisto. Zeus verführte auch noch zwei weitere Plejaden: Elektra, die 193
den Dardanos gebar, den Gründer Trojas, und Taygete, die den Lakedaimon gebar, den Gründer von Sparta. Asterope wurde von Ares mißbraucht und wurde die Mutter des Oinomaos, des Königs von Pisa. Damit waren sechs Plejaden Geliebte der Götter. Nur Merope heiratete einen Sterblichen, Sisyphos, einen berüchtigten Betrüger, der später dazu verdammt wurde, ewig einen Stein auf einen Hügel hinaufzurollen. Zwar nennt man die Plejaden auch das Siebengestirn, doch sind mit bloßem Auge nur sechs Sterne ohne weiteres zu erkennen, während sich um die «fehlende» Plejade eine reichhaltige Mythologie rankt. ERATOSTHENES sagt, daß Merope die unscheinbare Plejade ist, weil sie die einzige war, die einen Sterblichen heiratete. HYGIN und OVID berichten ebenfalls, daß sich Merope aus Scham verbirgt, nennen aber auch Elektra, die den Untergang Trojas nicht verwinden konnte, das von ihrem Sohn Dardanos begründet wurde. HYGIN sagt, daß sie vor Kummer die Plejaden überhaupt verließ, während OVID meint, daß sie nur ihre Augen mit der Hand bedeckte. Die Astronomen wiederum haben sich bei der Benennung der Sterne an keine der Sagen gehalten, denn die schwächste der benannten Plejaden trägt den Namen Asterope. Im Feldstecher sind bereits Dutzende von Sternen in den Plejaden zu erkennen, insgesamt enthält der Sternhaufen mehrere hundert Sterne. Die Plejaden sind 400 Lichtjahre von uns entfernt, fast dreimal so weit wie die Hyaden. Sie sind nach astronomischen Begriffen relativ jung; die jüngste ist gerade einige Millionen Jahre alt. Langzeitaufnahmen zeigen, daß die Plejaden noch in Reste der Wolke eingehüllt sind, aus der sie entstanden sind. Ein bekannter Mythos stellt auch eine Verbindung zwischen den Plejaden und Orion her. HYGIN berichtet, daß Pleione eines Tages mit ihren Töchtern in Böotien spazieren ging, als Orion versuchte, sie zu mißbrauchen. Pleione konnte mit den Mädchen entkommen, doch verfolgte sie Orion sieben Jahre lang. Zeus ließ diese Verfolgungsjagd unsterblich werden, indem er die Plejaden an 194
den Himmel versetzte, wo Orion sie unaufhörlich verfolgt. Das funkelnde rote Auge des Stiers ist der Aldebaran, der hellste Stern dieses Sternbildes, dessen Name im Arabischen «der Nachfolgende» bedeutet, ein Hinweis darauf, daß er am Himmel den Plejaden folgt. Überraschenderweise hatten die griechischen Astronomen für diesen markanten Stern keinen Namen; immerhin nennt ihn PTOLEMÄUS in seinem Tetrabiblos, einem Buch über Astrologie, die Fackel. Aldebaran scheint in den Hyaden zu liegen, ist aber in Wirklichkeit ein Vordergrundobjekt, das etwa in der Mitte zwischen uns und dem Sternhaufen liegt. Aldebaran ist ein Roter Riese mit etwa dem vierzigfachen Durchmesser der Sonne. Das linke Horn des Stiers markiert der Stern Elnath, dessen Name im Arabischen «der Zustoßende» bedeutet. PTOLEMÄUS schreibt, daß dieser Stern gleichzeitig der rechte Fuß des Fuhrmanns ist, er gehört jedoch heute ausschließlich zum Stier. In der Nähe der Spitze des rechten Stierhorns, des Sterns Zeta Tauri, liegt der bekannte Crab-Nebel, der mit einem der berühmtesten Ereignisse der Geschichte der Astronomie verknüpft ist, einer Sternexplosion, die auf der Erde im Jahre 1054 beobachtet wurde und so hell war, daß sie drei Wochen lang sogar am Tage zu sehen war. Wir wissen heute, daß es sich dabei um eine Supernova handelte, den spektakulären Tod eines gewaltigen Sterns. Beim Crab-Nebel handelt es sich um die zerstreuten Reste des explodierten Sterns. Der Nebel bekam seinen Namen im Jahre 1844 von dem irischen Astronomen Lord ROSSE, der glaubte, in seinem Fernrohr eine krabbenähnliche Gestalt zu erkennen. Dieser Crab-Nebel ist 6000 Lichtjahre von uns entfernt und erscheint in mittleren Fernrohren als nebliges Fleckchen.
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Telescopium Teleskop Dies ist eines der schwachen und kaum zu erkennenden Sternbilder des südlichen Himmels, die der Franzose NICOLAS Louis DE LACAILLE nach seiner himmelskartographischen Arbeit am Kap der Guten Hoffnung in den Jahren 1751 bis 1752 einführte. Es zeigt einen jener langen, unhandlichen, an Stangen aufgehängten Refraktoren, wie sie J. D. CASSINI im Observatorium von Paris benutzte. LACAILLE stellte es ursprünglich so dar, daß es sich zwischen dem Schützen und dem Skorpion erstreckte, wie es auch auf der abgebildeten Sternkarte BODES gezeigt ist; die heutigen Astronomen haben jedoch den oberen Teil des Fernrohrs und die Aufhängung abgeschnitten, so daß es heute nur noch den Bereich südlich des Schützen und der Südlichen Krone einnimmt. Die hellsten Sterne des Teleskops erreichen nur die 4. Größenklasse.
Das Teleskop, das hier in der Uranographia von JOHANN BODE den Namen Tubus Astronomicus trägt.
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Triangulum Dreieck
Das Dreieck aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. Daneben ein kleineres Dreieck, einst unter dem Namen Triangulum Minor bekannt, heute jedoch außer Gebrauch.
Da aus drei beliebigen Punkten immer ein Dreieck gebildet werden kann, ist es kaum verwunderlich, daß ein Dreieck zu einem Sternbild gemacht wurde. Die Griechen kannten es unter dem Namen Deltoton, denn es erinnerte an den Großbuchstaben Delta. ARATOS beschrieb es als gleichschenkliges Dreieck mit zwei gleich langen und einer kürzeren dritten Seite. ERATOSTHENES sagt, es stelle das Nildelta dar. HYGIN zufolge betrachtete man es auch als die Insel Sizilien, die wegen ihrer Form auch Trinacria hieß. Trinacria war die Heimat der Ceres, der Göttin des Ackerbaus. Im Dreieck liegt M 33, eine Galaxie unserer lokalen Gruppe, die schon im Feldstecher sichtbar ist. 197
Ein kleineres Dreieck, Triangulum Minor, führte im Jahre 1687 der polnische Astronom JOHANNES HEVELIUS ein; es bestand aus drei Sternen neben dem Dreieck. Triangulum Minor ist auf einigen Karten erschienen, wie auch der hier abgebildeten, ist aber heute nicht mehr gebräuchlich.
Triangulum Australe Südliches Dreieck
Das Südliche Dreieck, das auch den Namen Libella trug, Wasserwaage, in der Uranographia von JOHANN BODE.
Das Südliche Dreieck ist eines jener Sternbilder, die die holländischen Seefahrer PIETER DIRKSZOON KEYSER und 198
FREDERICK DE HOUTHMAN Ende des 16. Jahrhunderts einführten. Ein Südliches Dreieck erscheint auch auf dem Globus des Holländers PETRUS PLANCIUS aus dem Jahre 1589, sowie auch ein Südliches Kreuz, doch handelt es sich nicht um die uns heute bekannten Sternbilder. Die drei Hauptsterne des Südlichen Dreiecks sind heller als diejenigen ihres nördlichen Gegenstücks. Seefahrer nannten den hellsten Stern Atria, eine Zusammenziehung seines wissenschaftlichen Namens Alpha Trianguli Australis.
Tucana Tukan Dieses südliche Sternbild, das auf die holländischen Seefahrer PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN zurückgeht, zeigt den in Südamerika heimischen Vogel mit seinem mächtigen Schnabel. Der Tukan wurde erstmals 1598 auf einem Globus des Holländers PETRUS PLANCIUS dargestellt. Der hellste Stern wird nur der 3. Größenklasse zugerechnet, doch gehört zu diesem Sternbild zum einen der Kugelhaufen 47 Tucanae, der als das zweitbeste Objekt seiner Art am ganzen Sternhimmel gilt, und zum anderen die Kleine Magellansche Wolke, die kleinere und schwächere der beiden Nachbargalaxien unserer Milchstraße. Keiner der Sterne des Tukans trägt einen Namen, und es gibt zu diesem Sternbild auch keine Legenden.
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Der Tukan, dargestellt in der Uranographia von JOHANN BODE. Hinter dem Schwanz die Kleine Magellansche Wolke, die heute zum Sternbild gehört.
Ursa Maior Großer Bär Das bekannteste Sternbild des ganzen Himmels sind zweifellos die sieben Sterne, die die volkstümlich auch «Großer Wagen» genannte Figur bilden, die wiederum ein Teil des Großen Bären ist. Die sieben Sterne bilden den Rumpf und den Schwanz des Bären. Den Rest des Tiers bilden schwächere Sterne. Dieses Sternbild ist das drittgrößte am Himmel. In der Mythologie wurde der Große Bär mit zwei Gestalten gleichgesetzt: Kallisto, einer Geliebten des Zeus, und Adrasteia, einer der Eschennymphen, die die Ammen des kleinen Zeus waren. Von beiden Erzählungen gibt es allerdings wieder verschiedene Versionen, insbesondere von derjenigen über Kallisto. Kallisto soll die Tochter des Lykaion gewesen sein, des Königs von Arkadien in der zentralen Peloponnes. Nach einer anderen Erzählung ist sie nicht Lykaions Tochter, sondern die 200
Tochter von Lykaions Sohn Keteus. Nach dieser Version zeigt das Sternbild Herkules den Keteus, der nach der Verwandlung seiner Tochter in eine Bärin die Hände flehend zum Himmel erhebt. Kallisto schloß sich dem Gefolge der Artemis an, der Königin der Jagd. Sie kleidete sich wie Artemis, band ihr Haar mit einem weißen Band zusammen und raffte ihre Tunika mit einer Spange, und sie wurde bald die Lieblingsjagdgefährtin der Artemis, der sie ein Keuschheitsgelübde ablegte. Als Kallisto eines Nachmittags ihren Bogen beiseite legte und in einem kühlen Hain rastete, erblickte sie Zeus und entbrannte in Leidenschaft zu ihr. Die weiteren Ereignisse beschreibt OVID ausführlich im zweiten Buch seiner Metamorphosen. Zeus nahm listig die Gestalt der Artemis an und betrat den Hain, wo ihn die arglose Kallisto herzlich begrüßte. Er legte sich zu ihr und umarmte sie. Bevor das überraschte Mädchen reagieren konnte, enthüllte Zeus seine wahre Identität und zwang sie, ihm zu Willen zu sein. Zeus kehrte zum Olymp zurück und ließ Kallisto, die Artemis und den übrigen Nymphen kaum mehr in die Augen zu blicken wagte, mit ihrer Schande allein. An einem heißen Nachmittag einige Monate später kam die Jagdgesellschaft an einen kühlen Fluß und beschloß, ein Bad zu nehmen. Artemis entkleidete sich und ging ins Wasser, während Kallisto zurückblieb. Als sie schließlich zögernd die Kleider ablegte, wurde allen ihre Schwangerschaft offenbar. Die empörte Artemis verbannte Kallisto daraufhin aus ihrer Nähe. Schlimmeres noch stieß ihr zu, als sie einen Sohn gebar, der den Namen Arkas bekam. Hera, die Gemahlin des Zeus, hatte die Untreue ihres Mannes längst bemerkt und war entschlossen, Rache an ihrer Nebenbuhlerin zu nehmen. Mit wütenden Schimpfworten packte sie Kallisto am Haar und schleuderte sie zu Boden. Als Kallisto auf allen Vieren am Boden lag, begannen dunkle Haare aus ihren Armen und Beinen zu sprießen, ihre Hände und Füße verwandelten sich in Tatzen, und ihr schöner Mund, den Zeus geküßt hatte, verwandelte sich in einen 201
gefährlichen Rachen, aus dem ein häßliches Brummen drang. Fünfzehn Jahre lang durchstreifte Kallisto in Gestalt eines Bären den Wald, doch hatte sie immer noch eine menschliche Seele. Einst selbst Jägerin, wurde sie jetzt von Jägern gehetzt. Eines Tages begegnete ihr Arkas, ihr Sohn. Kallisto erkannte ihn und versuchte, sich ihm zu nähern, doch wich er vor ihr zurück. Er hätte die Bärin mit seinem Speer getötet, weil er nicht wußte, daß es seine Mutter war, wenn nicht Zeus eingegriffen hätte. Er schickte einen Wirbelwind, der beide zum Himmel hinauftrug, wo Zeus Kallisto in den Großen Bären und Arkas in Bootes verwandelte. Hera war über diese Verherrlichung ihrer Nebenbuhlerin unter den Sternen noch mehr erzürnt und wandte sich an ihre Zieheltern Tethys und Okeanos, die Götter des Meeres. Sie überredete sie, daß sie den Bären niemals in das nördliche Wasser eintauchen lassen sollten. Daher gelangt der Bär niemals unter den Horizont, jedenfalls nicht aus der Sicht mittlerer nördlicher Breiten. Dies ist – dank der Erzählkunst OVIDS – die bekannteste Geschichte, doch gibt es noch andere Versionen, die teilweise älter sind als diejenige OVIDS. ERATOSTHENES zum Beispiel sagt, daß Kallisto nicht von Hera, sondern von Artemis zur Strafe dafür in eine Bärin verwandelt wurde, daß sie ihr Keuschheitsgelübde gebrochen hatte. Später wurden die Bärin Kallisto und ihr Sohn Arkas von Schäfern im Wald gefangen und König Lykaion als Geschenk überbracht. Kallisto und Arkas flüchteten sich in den Zeustempel, ohne zu wissen, daß das arkadische Gesetz dies mit der Todesstrafe bedrohte. (In wiederum einer anderen Variante heißt es, daß Arkas die Bärin auf der Jagd in den Tempel trieb – siehe Bootes.) Um sie zu retten, ergriff sie Zeus und versetzte sie an den Himmel. Der griechische Mythograph APOLLODOROS sagt, daß Kallisto von Zeus in eine Bärin verwandelt wurde, um sie vor seiner Gemahlin Hera zu verbergen. Hera aber durchschaute die 202
List und machte Artemis auf die Bärin aufmerksam; Artemis erlegte sie in der Annahme, sie sei ein wildes Tier. Der betrübte Zeus versetzte das Bild der Bärin an den Himmel. ARATOS wiederum erblickt eine ganz andere Gestalt im Großen Bären. Für ihn ist es eine der Nymphen, die Zeus in der dikteischen Höhle auf Kreta erzogen. Diese Höhle gibt es tatsächlich, und die Menschen dort verweisen mit Stolz auf den Geburtsort des Zeus. Dessen Mutter Rhea hatte ihn heimlich nach Kreta gebracht, um ihn vor seinem Vater Kronos in Sicherheit zu bringen. Kronos hatte alle seine bisherigen Kinder nach ihrer Geburt verschlungen, weil er fürchtete, daß sie ihn eines Tages stürzen würden, was Zeus schließlich auch tat. APOLLODOR nennt Adrasteia und Ida als Ammen des Zeus, doch nennen andere Quellen andere Namen. Ida ist im benachbarten Sternbild des Kleinen Bären dargestellt. Diese Nymphen kümmerten sich ein Jahr lang um Zeus, während bewaffnete kretische Krieger, die Kureten, die Höhle bewachten und mit ihren Speeren auf ihre Schilde schlugen, damit das Schreien des Babys nicht bis zu Kronos dränge. Adrasteia legte den kleinen Zeus in eine Wiege aus Gold und verfertigte für ihn einen goldenen Ball, der, wenn man ihn in die Luft warf, eine Feuerspur wie ein Komet hinter sich herzog. Zeus trank die Milch der Ziege Amaltheia mit seinem Milchbruder Pan. Später versetzte Zeus Amaltheia als den Stern Capella an den Himmel, während Adrasteia zum Großen Bären wurde, wenn auch nicht erklärt wird, warum Zeus sie in eine Bärin verwandelte. ARATOS nennt das Sternbild Helike, wörtlich «Schneckenhaus», vermutlich aufgrund der Kreisbewegung um den Pol, und er sagt, daß die Griechen ihre Schiffe nach diesem Sternbild steuerten, während die Phönizier den Kleinen Bären benutzten (siehe Ursa Minor). ARATOS sagt, daß die Bären auch Wagen oder Karren hießen, weil sie den Pol umlaufen. Im benachbarten Sternbild Bootes erblickte man entweder den Hüter des Bären 203
oder den Wagenlenker.
Der Große Bär, dargestellt in der Uranographia von JOHANN BODE. Das bekannte Sternbild, das auch als Großer Wagen bezeichnet wird, besteht aus sieben Sternen, die Rumpf und Schwanz des Bären bilden.
CAESAR GERMANICUS wiederum sagt, daß man die Bären auch Pflüge nennt, denn «die Form eines Pfluges kommt der wirklichen Form am nächsten, die diese Sterne bilden». Im Englischen heißt der Große Bär in der Tat auch heute noch volkstümlich «der Pflug». HYGIN zufolge nannten die Römer den Großen Bären Septentriones, die «sieben Dreschochsen», doch weist er auch darauf hin, daß in alten Zeiten nur zwei der Sterne als Ochsen betrachtet wurden, während die übrigen fünf einen Wagen 204
bildeten. Auf einer Sternkarte aus dem Jahr 1524 stellt der deutsche Astronom PETER APIAN den Großen Bären als Dreiergespann von Pferden dar, die einen vierrädrigen Wagen ziehen, den er Plaustrum nennt. Ein Rätsel, das die Mythologen niemals befriedigend erklären konnten, ist die Frage, warum die himmlischen Bären im Gegensatz zu wirklichen Bären lange Schwänze haben. THOMAS HOOD, ein englischer astronomischer Schriftsteller des ausgehenden 16. Jahrhunderts bietet, nicht ganz ernsthaft, die Erklärung an, daß die Schwänze eben langgezogen worden seien, als Zeus die Bären an den Himmel schleuderte. «Einen anderen Grund kenne ich nicht», fügt er entschuldigend hinzu. Die beiden Sterne Dubhe und Merak im Großen Bären werden gerne als Wegweiser benutzt, denn sie führen in der Verlängerung zum Polarstern, dem nördlichen Himmelspol. Dubhe kommt vom arabischen al-dubb, «der Bär», während Merak auf das arabische al-maraqq zurückgeht, was «Flanke» oder «Lende» bedeutet. An der Spitze des Bärenschwanzes liegt Eta Ursae Maioris, der zwei Namen trägt, nämlich Alkaid nach dem arabischen Wort für «Anführer», und Benetnasch, was im Arabischen «Töchter des Sargs» bedeutet, denn bei den Arabern war dieses Bild kein Bär, sondern ein Sarg. Der Schwanz des Bären waren für sie Trauernde, die dem Sarg vorangingen. Der zweite Stern des Schwanzes ist der weite Doppelstern Zeta Ursae Maioris. Die beiden Komponenten des Paars, die man mit guten Augen getrennt wahrnehmen kann, heißen Mizar und Alkor und sind auf der Sternkarte von PETER APIAN aus dem Jahre 1524 als Pferd und Reiter dargestellt. Der Name Mizar ist eine Verstümmelung des arabischen al-maraqq, daß heißt, er hat denselben Ursprung wie Merak. Der Begleitstern Alkor, das «Reiterlein», hat seinen Namen von einer Verstümmelung des arabischen al-jaun, was «schwarzes Pferd» oder «schwarzer Stier» bedeutet. Denselben Ursprung hat Alioth, der Name des darauffolgenden Sterns des Schwanzes, Epsilon Ursae Maioris. 205
Delta Ursae Maioris heißt Megrez nach dem arabischen Wort für «Schwanzwurzel». Gamma Ursae Maioris schließlich heißt Phekda, was im Arabischen «Hüfte» bedeutet. Neben den berühmten sieben Sternen des Großen Bären gibt es noch drei Sternpaare, die die Füße des Bären bilden. Für die Araber waren dies die Spuren einer springenden Gazelle. Das Paar Nü und Xi Ursae Maioris hat die Namen Alula Borealis und Alula Australis. Das Wort Alula bedeutet im Arabischen «erster Sprung»; die Zusätze «nördlicher» und «südlicher» wurden auf lateinisch hinzugefügt. Den «zweiten Sprung» bilden Lambda und Mü Ursae Maioris, die Tania Borealis und Tania Australis heißen, während der «dritte Sprung» von Iota und Kappa Ursae Maioris gebildet wird, wobei Iota alleine den Namen Talitha trägt.
Ursa Minor Kleiner Bär Die Griechen sagten, daß der Kleine Bär erstmals von dem Astronomen THALES VON MILET genannt worden sein soll, der von 625 bis 545 v. Chr. lebte. Der erste Hinweis dürfte wohl auf den Dichter KALLIMACHOS aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen, der schreibt, daß THALES «die kleinen Sterne des Wagens vermaß, nach dem die Phönizier segeln». Fest steht, daß HOMER zweihundert Jahre vor THALES nur über den Großen Bären schrieb und niemals den Kleinen Bären erwähnte. Man weiß jedoch nicht, ob THALES tatsächlich das Sternbild erfand oder es nur bei den Griechen einführte, denn THALES war angeblich phönizischer Abstammung, und die Phönizier segelten, wie KALLIMACHOS sagt, nach dem Kleinen und nicht nach dem Großen Bären. ARATOS weist darauf hin, daß der Kleine Bär zwar kleiner und schwächer ist als der Große Bär, aber näher am Pol liegt und daher die wahre 206
Nordrichtung zuverlässiger anzeigt. Von ERATOSTHENES wissen wir, daß die Griechen den Kleinen Bären auch den «Phönizier» nannten. Bei ARATOS hieß das Sternbild Kynosura, «Hundeschwanz». Dies ist der Ursprung des englischen Wortes Cynosure, was «Leitstern» bedeutet. Nach ARATOS stellt der Kleine Bär eine der beiden Nymphen dar, die dem Kleinen Zeus in der Höhle des Berges Dikte auf Kreta als Ammen dienten. APOLLODOR berichtet, daß die Ammen Adrasteia und Ida hießen. Im Kleinen Bären ist Ida verkörpert, im Großen Adrasteia, die ältere der beiden. Der Kleine Bär hat eine ähnliche Gestalt wie der Große Bär, weshalb er auch volkstümlich der Kleine Wagen genannt wird. Am Schwanzende des Kleinen Bären beziehungsweise am Ende der Deichsel des Kleinen Wagens liegt der Stern Alpha Ursae Minoris, der besser unter dem Namen Polarstern bekannt ist, weil er dicht am Himmelsnordpol liegt. Im Gegensatz zu einer verbreiteten Ansicht ist der Polarstern nicht besonders hell. Es ist ein Stern der 2. Größenklasse, der etwa ein Grad vom genauen Himmelspol entfernt liegt, weshalb er sich für Seeleute vorzüglich als Navigationshilfe eignet. Der zweite Stern im Schwanz des Kleinen Bären, Delta Ursae Minoris, heißt Yildun, eine fehlerhafte Schreibung des türkischen Wortes yildiz, was «Stern» bedeutet. Dem deutschen Sternnamenforscher PAUL KUNITZSCH zufolge hielt man dies in der Renaissance fälschlich für einen türkischen Namen für den Polarstern, und er wurde seither willkürlich dem nächsten Stern nach dem wirklichen Polarstern zugeordnet. Die beiden Sterne Beta und Gamma Ursae Minoris, werden manchmal als die Hüter des Pols bezeichnet. Ihre Namen lauten Kochab und Pherkad. PAUL KUNITZSCH konnte die Herkunft von Kochab nicht klären, hält aber einen Zusammenhang mit dem arabischen Wort kaukab für möglich, das «Stern» bedeutet. Pherkad geht auf ein arabisches Wort zurück, das «die beiden Waden» bedeutet, ein Bezug auf Beta und Gamma Ursae Minoris. 207
Der Kleine Bär aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. Der Polarstern bildet die Spitze seines langen Schwanzes.
Vela Segel Dies ist einer der drei Teile, in die der französische Astronom NICOLAS Louis DE LACAILLE im Jahre 1763 das griechische Sternbild Argo Navis, das Schiff Argo, aufteilte. Vela bildet die Segel des Schiffes; die beiden anderen Teile sind Carina, der Kiel, und Puppis, das Heck. Infolge der Zerlegung des Schiffs Argo gibt es im Sternbild Segel keinen Stern Alpha und Beta, da diese dem Kiel zugeordnet wurden. Der hellste Stern ist Gamma 208
Velorum, ein Doppelstern der 2. Größenklasse. (Den mythologischen Hintergrund und eine Darstellung siehe unter dem Stichwort Argo Navis in Teil 4.)
Virgo Jungfrau Die Jungfrau ist nach der sehr viel schwächeren Wasserschlange das zweitgrößte Sternbild am Himmel. Bei den Griechen hieß es Parthenos. Sie wird meist mit Dike gleichgesetzt, der Göttin der Gerechtigkeit, die eine Tochter des Zeus und der Themis war. Man hat in ihr aber auch Astraia gesehen, die Tochter des Astraios («Vater der Sterne») und der Eos, der Göttin der Morgenröte. Die Jungfrau ist mit Flügeln dargestellt, mit denen sie an einen Engel erinnert, und hält eine Weizenähre in der Hand. Dike tritt als unparteiische Beobachterin in einer Fabel auf, die den Niedergang der Menschheit darstellt. Dies war die Lieblingsgeschichte griechischer und römischer Mythographen, und ihr Thema ist auch heute noch aktuell. Dike soll im goldenen Zeitalter der Menschheit auf der Erde gelebt haben, als Kronos im Olymp herrschte. Es war eine Zeit des Friedens und des Glücks, das Zeitalter des ewigen Frühlings, in dem die Äcker von selbst Früchte trugen und die Menschen niemals alt wurden. Sie lebten wie die Götter, und Arbeit, Kummer, Verbrechen oder Krieg kannten sie nicht. Dike wandelte unter ihnen und spendete Weisheit und Gerechtigkeit. Als Zeus seinen Vater Kronos vom Olymp stürzte, begann das silberne Zeitalter. Zeus verkürzte den Frühling und führte den jährlichen Zyklus der Jahreszeiten ein. In diesem Zeitalter wurden die Menschen streitsüchtig und ehrten die Götter nicht mehr. Dike sehnte sich nach den idyllischen früheren Zeiten zurück. Sie rief die Menschen zusammen und richtete strenge 209
Worte an sie, weil sie die Ideale ihrer Vorfahren aufgegeben hatten. Sie warnte sie, daß schwerere Zeiten anbrechen würden. Dann breitete sie ihre Flügel aus und flüchtete sich in die Berge; sie wollte von den Menschen nichts mehr wissen. Schließlich kam das Bronzene und Eiserne Zeitalter, in dem die Menschen zu Gewalttaten, Diebstahl und Krieg herabsanken. Weil sie die Sünden der Menschheit nun nicht länger ertragen konnte, verließ Dike die Erde und flog in den Himmel, wo sie bis heute ihren Platz neben dem Sternbild der Waage hat, das manche für die Waagschalen der Gerechtigkeit halten. Aber auch andere Gottheiten können Anspruch auf dieses Sternbild erheben. Zu ihnen gehört Demeter, die Göttin des Getreides, die eine Tochter des Kronos und der Rhea war. Von ihrem Bruder hatte sie eine Tochter, Persephone, die auch den Namen Kore trägt, «Mädchen». Persephone wäre vielleicht für immer Jungfrau geblieben, wenn sie nicht ihr Onkel Hades geraubt hätte, der Gott der Unterwelt, als sie in der Nähe der Stadt Enna auf Sizilien auf den Feldern Blumen pflückte. Hades hob sie mit starkem Arm auf seinen Wagen, der von vier schwarzen Pferden gezogen wurde, und galoppierte mit ihr in sein unterirdisches Reich, wo sie widerwillig seine Königin wurde. Nachdem Demeter erfolglos die Erde auf der Suche nach ihrer Tochter durchstreift hatte, verfluchte sie die Felder Siziliens, so daß sie keine Frucht mehr trugen. Verzweifelt fragte sie den Großen Bären, ob er etwas gesehen hätte, weil er niemals untergeht; da aber die Entführung am Tage stattgefunden hatte, wandte sie sich an die Sonne, die ihr schließlich die Wahrheit berichtete. Demeter forderte erzürnt von Zeus, dem Vater der Persephone, daß er seinem Bruder Hades befehle, das Mädchen sofort zurückzugeben. Zeus erklärte sich dazu bereit, doch war es bereits zu spät, denn Persephone hatte in der Unterwelt inzwischen Granatapfelkerne gegessen, und wer dies getan hatte, konnte niemals mehr auf Dauer in das Land der Lebenden zurückkehren. Man einigte sich schließlich auf einen 210
Kompromiß, bei dem Persephone die Hälfte (nach anderen Quellen ein Drittel) des Jahres bei ihrem Gemahl in der Unterwelt und den Rest des Jahres oben auf der Erde bei ihrer Mutter verbringen sollte. Es handelt sich also eindeutig um eine Allegorie der wechselnden Jahreszeiten. ERATOSTHENES bietet zusätzlich die Variante an, daß die Jungfrau vielleicht Atargatis ist, die syrische Fruchtbarkeitsgottheit, die manchmal mit einer Kornähre in der Hand dargestellt wurde. Artargatis wird aber mit dem Sternbild Piscis Austrinus (siehe dort) gleichgesetzt. HYGIN identifiziert die Jungfrau mit Erigone, der Tochter des Ikarios, die sich nach dem Tod ihres Vaters erhängte. In dieser Geschichte wurde Ikarios zum Sternbild Bootes, das nördlich an die Jungfrau grenzt, und Ikarios’ Hund Maira zum Stern Prokyon (siehe Bootes und Kleiner Hund). ERATOSTHENES und HYGIN nennen auch Tyche, die Göttin des Zufalls, als Urbild der Jungfrau; Tyche wurde allerdings meist mit dem Füllhorn und nicht mit einer Kornähre dargestellt. Am Himmel wird die Kornähre von Spica repräsentiert, einem Stern der 1. Größenklasse, dessen Name im Lateinischen «Kornähre» bedeutet (das griechische Stachys hat dieselbe Bedeutung). Beta Virginis trägt den Namen Zavijah, was im Arabischen «Ecke» bedeutet. Gamma Virginis heißt Porrima nach einer römischen Göttin. Wie OVID in seinen Fasten erzählt, waren Porrima und ihre Schwester Postverta Schwestern oder Begleiterinnen der Prophetin Carmenta. Porrima sang von den Ereignissen der Vergangenheit, Postverta von den künftigen. Der Stern Epsilon Virginis trägt den Namen Vindemiatrix, nach dem lateinischen Wort für «Weinleserin» oder «Winzerin», denn sein Aufgang vor der Sonne im August markierte den Beginn der Lesezeit.
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Die Jungfrau nach dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED. In ihrer Rechten trägt sie einen Palmzweig, in ihrer Linken eine Weizenähre, die der helle Stern Spica markiert.
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OVID berichtet in seinen Fasten, daß dieser Stern an einen Knaben namens Ampelos erinnert (griechisch für «Rebe»), den Dionysos liebte, der Gott des Weins. Als Ampelos Trauben von einer Rebe pflückte, die sich an einer Ulme hinaufrankte, stürzte Ampelos von einem Ast zu Tode; Dionysos versetzte ihn unter die Sterne. Der griechische Name dieses Sterns, Protrygetes, bedeutet ebenfalls «Traubenleser». Daß dieser Stern als Wetterzeichen bedeutsam war, zeigt die Tatsache, daß er einer der wenigen ist, die ARATOS mit Namen nennt, obwohl er nur ein Stern der 3. Größenklasse und erheblich lichtschwächer als die übrigen ist. Vindemiatrix bildet die Spitze des rechten Flügels der Jungfrau.
Volans Fliegender Fisch Dies ist eines der zwölf neuen Sternbilder, die die holländischen Seefahrer PIETER DIRKSZOON KEYSER und FREDERICK DE HOUTMAN Ende des 16. Jahrhunderts einführten. Das Sternbild zeigt einen in tropischen Gewässern vorkommenden Fisch, der aus dem Wasser springt und auf flügelähnlichen Flossen durch die Luft segelt. Das Sternbild wurde erstmals 1598 von dem Holländer PETRUS PLANCIUS auf einem Globus dargestellt. Der ursprüngliche Name lautete Piscis Volans. Kein Stern ist heller als 4. Größenklasse, keiner trägt einen Namen, und es gibt auch keine Sagen zu diesem Sternbild.
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Der Fliegende Fisch, dargestellt als Piscis Volans in der Uranographia von JOHANN BODE.
Vulpecula Füchschen Ein im Jahre 1687 von dem polnischen Astronomen JOHANNES HEVELIUS eingeführtes Sternbild, der es als Doppelbild darstellte, wobei ein junger Fuchs (Vulpecula) eine Gans (Anser) im Maul trägt. Seither ist die Gans fortgeflogen (oder vom Fuchs gefressen worden).
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Das Füchschen, das ursprünglich Fuchs und Gans hieß, Vulpecula et Anser, wie diese Darstellung aus dem Atlas Coelestis von JOHN FLAMSTEED belegt.
HEVELIUS soll den Fuchs in die Nähe zweier anderer Raubtiere versetzt haben, des Adlers und des Geiers (eine andere Bezeichnung für die Leier). Die Sterne des Füchschens haben keine Namen, und es verknüpfen sich keine Sagen mit ihm. Die hellsten Sterne gehören nur der 4. Größenklasse an, doch ist ein bekanntes Objekt der Hantel-Nebel, der wohl zu den markantesten der sogenannten planetarischen Nebel gehört. Der HantelNebel besteht aus Gas, das ein sterbender Stern ausgestoßen hat. Er hat seinen Namen von der charakteristischen Gestalt, die auf Langzeitaufnahmen erkennbar ist.
Via Lactea Milchstraße Die Milchstraße ist natürlich kein Sternbild, sondern ein schwach leuchtendes Sternenband, das sich über den gesamten Himmel hinzieht; der römische Schriftsteller MANILIUS verglich es mit dem schimmernden Kielwasser eines Schiffes. 215
OVID beschreibt es in seinen Metamorphosen als eine Straße, die zu beiden Seiten von den Häusern erhabener Götter gesäumt wird – «die Pfalz des hohen Himmels», wie er es nannte. Längs dieser Straße sollen die Götter zum Palast des Zeus gereist sein. ERATOSTHENES berichtet, daß die Milchstraße wegen eines Täuschungsmanövers des Zeus entstand, der seine Frau durch eine List dazu bringen wollte, seinen unehelichen Sohn Herakles zu säugen und ihn dadurch unsterblich zu machen. Hermes legte den kleinen Herakles an die Brust der schlafenden Hera; als sie jedoch erwachte und bemerkte, wer das Baby war – vielleicht wegen der Kraft, mit der er saugte – stieß sie ihn von sich, und aus der herausspritzenden Milch entstand die Milchstraße. Bei MANILIUS finden sich verschiedene Erklärungen für die Milchstraße, wissenschaftliche und mythische, die zu seiner Zeit gängig waren. So heißt es zum Beispiel, daß sie der Saum sei, an dem die beiden Hälften des Himmels zusammengefügt sind, oder gerade umgekehrt der Bereich, an dem sie auseinanderklaffen und ein wenig jenseitiges Licht hereinlassen. Es könnte aber auch, wie MANILIUS sagt, eine frühere Bahn der Sonne sein, die jetzt mit Asche bedeckt ist, weil der Himmel versengt wurde. Nach Ansicht anderer Autoren könnte es sich auch um den Weg handeln, den Phaethon einschlug, als er im Wagen des Sonnengottes Helios über den Himmel raste und ihn in Brand setzte (siehe Eridanus). Es gab aber auch schon die Ansicht, daß es sich um eine große Zahl sehr schwacher Sterne handeln könnte; der griechische Philosoph DEMOKRIT im 5. Jahrhundert v. Chr. vertrat sie, und sie ist, wie wir heute wissen, die richtige. Schließlich nennt MANILIUS auch noch die Möglichkeit, daß die Milchstraße die Wohnstatt der Seelen der Helden sein könne, die in den Himmel aufgefahren sind.
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Vierter Teil Veraltete Konstellationen Für Nichtastronomen mag es eine seltsame Vorstellung sein, daß Sternbilder veralten – entweder es gibt ein Sternbild, oder es gibt es nicht. Nun sind aber die Gestalten, die wir am Himmel erblicken, Produkte menschlicher Phantasie, und deshalb kann der Mensch die Bilder nach Belieben ändern; eben dies haben die Astronomen in der hohen Zeit der Himmelskartographie im 17. und 18. Jahrhundert getan. Die in diesem Kapitel beschriebenen Sternbilder sind eine Auswahl aus Konstellationen, die aus dem einen oder anderen Grund von den Astronomen nicht mehr benutzt werden, die aber auf alten Karten angegeben sind. Ich habe mich auf diejenigen Sternbilder beschränkt, die wenigstens einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt haben, denn jeder Astronom könnte nach Belieben Sternbilder einführen, entweder um sich einen Namen zu machen oder um seinen Gönnern zu schmeicheln, und niemand sonst arbeitet mit diesen Bildern. Im Jahre 1754 erfand beispielsweise der englische Naturforscher JOHN HILL dreizehn neue Sternbilder, die er in die Lücken einfügte, die er zwischen bestehenden Sternbildern ausmachte. Bei diesen neuen Erfindungen handelte es sich um verschiedene wenig appetitliche Tiere; zu ihnen zählten zum Beispiel eine Schildkröte (Bufo), ein Blutegel (Hirudo), eine Spinne (Aranea), ein Regenwurm (Lumbricus) und eine Schnecke (Limax). JOHN HILL war für seinen etwas eigenwilligen Humor bekannt, und es ging ihm möglicherweise nur darum, sich einen Spaß zu machen, den freilich kaum jemand zur Kenntnis nahm. Einige Sternbilder wurden lediglich um des schnöden Geldes 217
willen von Astronomen eingeführt, die ihren König oder ihre Regierung unsterblich machen wollten, meist in der Hoffnung, dadurch etwas für ihr berufliches Fortkommen zu tun – nicht selten mit Erfolg. Der Augsburger Astronomon JULIUS SCHILLER versuchte, den ganzen Himmel mit biblischen Gestalten zu bevölkern. So verwandelte er die bekannten Tierkreiszeichen in die zwölf Apostel. Alle diese Versuche, den Himmel zu politisieren und zu christianisieren, fanden bei anderen Astronomen jedoch keinen Anklang.
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Antinous Antinous
Antinous in den Klauen des Adlers. Aus der Uranographia von JOHANN BODE.
ANTINOUS war der Geliebte des römischen Kaisers HADRIAN und damit eine historische, keine mythologische Gestalt, wiewohl die Geschichte phantastisch genug klingt. ANTINOUS wurde im Jahre 110 n. Chr. in Bythinium in der Nähe des heutigen Bolu im Nordwesten der Türkei geboren. Zu jener Zeit war diese Gegend eine römische Provinz, weshalb es 219
zu der Begegnung mit dem Kaiser kam. Bei einer Fahrt nilaufwärts mit HADRIAN im Jahre 130 n. Chr. ertrank ANTINOUS in der Nähe des heutigen ägyptischen Mallawi. Ein Orakel soll geweissagt haben, daß der Kaiser durch das Opfer desjenigen, das er am meisten liebte, aus einer Gefahr gerettet werden würde, und ANTINOUS erkannte, daß sich dies auf ihn bezog. Selbstmord oder Unfall – der Tod des Knaben brach jedenfalls HADRIAN das Herz. Er gründete in der Nähe des Ortes, an dem der Knabe ums Leben gekommen war, eine Stadt namens Antinopolis und verewigte ihn südlich des Adlers in einem Bereich am Sternhimmel, in dem es bisher kein Sternbild gab. PTOLEMÄUS erwähnt Antinous in seinem Almagest (der etwa 20 Jahre nach dem Tod des Knaben entstand) als Teil des Adlers, und GERHARD MERCATOR zeigte ihn 1551 erstmals auf einem Sternglobus dar. TYCHO BRAHE verzeichnet Antinous 1602 als eigenes Sternbild. Antinous wurde in den Fängen des Adlers dargestellt; aus diesem Grund verwechselte man ihn vielfach auch mit Ganymed, einem anderen himmlischen Buhlknaben, den ein Adler zu Zeus trug.
Argo Navis Schiff Argo Argo ist ein Sternbild, das eigentlich nicht außer Gebrauch gekommen ist, aber zerlegt wurde. Es war eines der 48 Sternbilder, die den griechischen Astronomen bekannt waren und die PTOLEMÄUS aufzählt, doch fanden es die Astronomen des 18. Jahrhunderts zu groß und unhandlich, weshalb sie es in drei Teile aufteilten, den Kiel (Carina), das Heck (Puppis) und die Segel (Vela). Das Schiff Argo ist die mit fünfzig Riemen versehene Galeere, in der Jason und die Argonauten ausführen, um das Goldene Vlies aus Kolchis am Schwarzen Meer zu holen. Jason 220
beauftragte Argos mit dem Bau des Schiffes, das nach ihm benannt wurde. Argos baute das Schiff nach den Anweisungen der Göttin Athene im Hafen von Pagasai aus Baumstämmen vom nahegelegenen Berg Pelion. Athene selbst setzte in dem Bug einen Eichenbalken vom Orakel des Zeus in Dodona im nordwestlichen Griechenland ein. Dieses Gebiet war wie die benachbarte Insel Korfu einst wegen seiner Eichenwälder berühmt, bevor diese von Schiffsbauern abgeholzt wurden. Da dieser Balken von einem Orakel stammte, konnte er sprechen, und er gab Anweisungen, sobald das Schiff den Hafen verlassen hatte. Jason nahm fünfzig der größten griechischen Helden mit, unter anderem die Zwillinge Kastor und Polydeukes, den Musiker Orpheus und Argos, den Erbauer des Schiffes. Sogar Herakles unterbrach seine Arbeiten, um an der Fahrt teilzunehmen.
Das Schiff Argo in der Uranographia von JOHANN BODE. Am Himmel ist nur das Heck des Schiffes zu sehen. Auf dem Blatt eines der Steuerruder liegt der helle Stern Canopus.
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APOLLONIOS RHODIOS, der die lange Geschichte der Fahrt nach Kolchis und zurück schilderte, beschrieb die Argo als das beste Schiff, das jemals den Wellen trotzte. Auch in der stürmischsten See hielten die Zapfen der Argo die Planken sicher an ihrem Ort, und sie glitt ebenso sanft unter den Ruderschlägen der Mannschaft dahin wie unter windgeblähten Segeln. ISAAC NEWTON war der Meinung, daß die Reise der Argo in den zwölf Tierkreiszeichen verewigt sei, wiewohl die Zusammenhänge nicht leicht zu erkennen sind. Eine der größten Gefahren, der die Argonauten unterwegs begegneten, waren die Symplegaden, zwei Felsen, die den Eingang zum Schwarzen Meer bewachten. Sie zermalmten jedes Schiff, das hindurchfahren wollte, indem sie mit ungeheurer Wucht gegeneinander prallten. Als die Argonauten den Bosporos entlangruderten,hörten sie schon von ferne das schreckliche Krachen der Felsen und das Donnern der Brandung. Die Argonauten ließen eine Taube aufsteigen und beobachteten, wie sie vor ihnen herflog. Die Felsen rasten auf die Taube zu und rissen ihr einige Schwanzfedern aus, doch gelang es dem Tier hindurchzukommen. Als die Felsen wieder auseinandergingen, begannen die Argonauten mit aller Kraft zu rudern. Ein Stoß zur rechten Zeit von der göttlichen Athene brachte das Schiff durch die Felsen, die unmittelbar hinter ihm zusammenschlugen und nur das Maskottchen am Heck der Argo zertrümmerten. Damit war die Argo das erste Schiff, das heil hinter die Symplegaden gelangt war, und seither blieben sie fest an ihrem Ort. Als Jason und die Argonauten nun das Schwarze Meer erreicht hatten, nahmen sie Kurs auf Kolchis. Dort raubten sie König Aiëtes das Goldene Vlies und nahmen es auf einem Umweg mit zurück nach Griechenland. Nach ihrer Rückkehr ließ Jason die Argo am Strand von Korinth aufstellen, wo er sie dem Meeresgott Poseidon weihte. ERATOSTHENOS sagt, daß das Sternbild das erste 222
hochseetüchtige Schiff überhaupt darstellt, worin ihm der römische Autor MANILIUS beipflichtet. Das erste Schiff wurde indes schon von Danaos gebaut, dem Vater der fünfzig Danaiden, ebenfalls mit Hilfe der Athene, und mit diesem Schiff fuhr er mit seinen Töchtern von Libyen nach Argos. Am Himmel ist nur das Heck der Argo dargestellt. Die Kartographen ließen daher entweder den Bug in einer Nebelbank verschwinden, wie es ARATOS beschrieb, oder das Schiff gerade in die Symplegaden einfahren. Bei ROBERT GRAVES findet sich die Erläuterung, daß Jason in hohem Alter nach Korinth zurückkehrte, wo er unter dem verfallenden Wrack der Argo saß und über die früheren Heldentaten nachsann. In diesem Augenblick stürzten die morschen Balken des Bugs herab und erschlugen ihn. Poseidon versetzte dann den Rest des Schiffes an den Himmel. HYGIN wiederum sagt, daß Athene die Argo vom Steuerruder bis zu den Segeln an den Himmel versetzte, berichtet aber nichts darüber, was mit dem Bug geschah. Die Argo wurde von dem Astronomen NICOLAS Louis DE LACAILLE in seinem 1763 erschienenen Katalog der südlichen Sterne in drei Teile gegliedert; seither finden sich nur noch die Wrackteile des Schiffes am Himmel.
Cerberus Zerberus Dieses Sternbild zeigt das schreckliche dreiköpfige Ungeheuer, das den Eingang zum Hades bewachte. Es befindet sich in der ausgestreckten Hand des Herkules, der bei einer seiner Aufgaben den Höllenhund bändigte. Das Sternbild wurde von JOHANNES HEVELIUS im Jahre 1687 auf seiner Sternkarte eingeführt; der polnische Astronom ersetzte damit den Zweig vom Baum der goldenen Äpfel, der bisher in der Hand des Herkules dargestellt worden war. Obwohl Zerberus den 223
mythologischen Berichten zufolge ohne Zweifel ein Hund war, stellten ihn HEVELIUS und alle späteren Kartographen als dreiköpfige Schlange dar.
Cerberus et Ramus in der Uranographia von JOHANN BODE.
Der englische Graveur JOHN SENEX, der mit dem Astronomen EDMOND HALLEY befreundet war, verband im Jahre 1721 den Zerberus mit dem Zweig vom Apfelbaum (Ramus) und schuf damit das Sternbild Cerberus et Ramus, bei dem sich die Schlangenköpfe um den Zweig winden.
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Custos Messium Der Hüter der Ernte Dieses Sternbild führte der Franzose JOSEPH-JEROME DE LALANDE im Jahre 1779 auf seinem Sternglobus ein. Der Name Custos Messium ist ein Wortspiel mit dem Namen seines Landsmannes CHARLES MESSIER, weshalb das Sternbild häufig auch als Messier bezeichnet wurde. Es befand sich zwischen Kassiopeia und dem nördlichen Himmelspol neben einem anderen obsoleten Sternbild, Rangifer, dem Rentier. Eine Darstellung siehe bei Camelopardalis.
Felis Katze
Eine etwas mürrisch dreinblickende Katze in der Uranographia von JOHANN BODE. 225
Dieses Sternbild wurde Ende des 18. Jahrhunderts von dem französischen Astronomen JOSEPH-JEROME DE LALANDE erfunden, der ein großer Katzenliebhaber war. Es bestand aus Sternen, die zwischen der Luftpumpe und der Wasserschlange angesiedelt sind. LALANDE selbst hat dieses Sternbild niemals auf einem Globus oder einer Karte dargestellt; es findet sich erstmals in BODES Atlas aus dem Jahre 1801.
Gallus Hahn PETRUS PLANCIUS, ein holländischer Theologe, bildete dieses Sternbild im Jahre 1613. Es zeigt den Hahn, der zum zweiten Mal krähte, nachdem Petrus den Herrn dreimal verleugnet hatte. Es befand sich in der Milchstraße nördlich des heutigen Schiffshecks. Zwar haben eine Reihe von Astronomen den Hahn übernommen, doch erscheint er nicht auf den einflußreichen Karten des JOHANN BODE.
Globus Aerostaticus Ballon Dieses Sternbild erschien erstmals im Jahre 1801 auf dem Himmelsatlas von JOHANN ELERT BODE, ging aber auf einen Vorschlag von JOSEPH-JEROME DE LALANDE zurück, der damit die Pioniere der Ballonfahrt ehren wollte, die Gebrüder MONTGOLFIER. Es befand sich südlich von Wassermann und Steinbock. Eine Darstellung siehe bei Capricornus.
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Harpa Georgii Georgsharfe MAXIMILIAN HELL, ein österreichischer Jesuit und Astronom, setzte dieses Sternbild im Jahre 1789 aus Sternen zusammen, die unterhalb der Füße des Stiers liegen. Er gab ihm den Namen Psalterium Georgianum, Georgsharfe. Es sollte an König GEORG III. von England erinnern, der ein Förderer von WILLIAM HERSCHEL, dem Entdecker des Uranus, war. Wie HERSCHEL war auch der König deutscher Abstammung.
Das von MAXIMILIAN HELL als Psalterium Georgianum bezeichnete Sternbild nannte JOHANN BODE in seiner Uranographia Georgsharfe.
JOHANN BODE änderte auf seinem Atlas von 1801 den Namen des Sternbilds in Harpa Georgii. 227
Honores Friderici Friedrichs Ehre JOHANN BODE wollte mit diesem Sternbild im Jahre 1787 König FRIEDRICH DEM GROSSEN von Preußen ein bleibendes Denkmal setzen; der König war im Jahr zuvor gestorben. BODE verzeichnete es denn auch zunächst unter dem deutschen Namen des Königs, den er jedoch später auf seinem Atlas aus dem Jahre 1801 latinisierte. Das Sternbild wurde in den Raum neben der Eidechse gezwängt. In diesen Bereich hatte bereits 1679 der Franzose AUGUSTIN ROYER seine eigene Erfindung eingefügt, Sceptrum, die das französische Szepter und die Hand der Gerechtigkeit im Gedächtnis an LUDWIG XIV. darstellt.
Jordanus Jordan Dieses Sternbild zeigt den Fluß Jordan und wurde von PETRUS PLANCIUS auf seinem Himmelsglobus aus dem Jahre 1613 eingeführt. Der Jordan entsprang beim Schwanz des Großen Bären im heutigen Sternbild Jagdhunde, floß unter den Füßen des Bären hindurch und endete an dessen Kopf in der Giraffe, einer anderen Erfindung von PLANCIUS. BODE bildete den Jordan nicht ab.
Lochium Funis Log und Leine Diese Hinzufügung zum Sternbild Schiff Argo, die BODE in seinem Atlas aus dem Jahre 1801 einführte, zeigt ein Schiffslog 228
mit Leine, das auf See zur Messung des zurückgelegten Weges benutzt wurde. Es befand sich neben dem Kompaß. Eine Darstellung siehe unter Pyxis.
Machina Electrica Elektrische Maschine
Die elektrische Maschine aus JOHANN BODES Uranographia.
Das Sternbild Machina Electrica, das BODE auf seinem Atlas aus dem Jahre 1801 einführte, zeigt eines der mechanischen Wunder jener Zeit, einen Statikgenerator. Es befand sich auf der südlichen Halbkugel zwischen den heutigen Sternbildern Ofen und Bildhauer.
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Mons Maenalus Berg Mainalos Ein Berg in Arkadien in der zentralen Peloponnes, den JOHANNES HEVELIUS auf seinem Sternatlas aus dem Jahre 1687 einführte, wo er ihn als den Berg darstellte, auf dem Bootes steht. Er erschien auf vielen späteren Sternkarten immer als Teil des Bootes, war aber niemals ein unabhängiges Sternbild. Eine Darstellung siehe unter Bootes.
Musca Borealis Nördliche Fliege
Die Nördliche Fliege krabbelt über eine Karte aus der Uranographia von JOHANN BODE. Zeitweise wurde sie auch Biene oder Wespe genannt.
Das Sternbild Musca Borealis hat eine komplizierte Geschichte. Es erschien erstmals auf einem Globus aus dem Jahre 1613, der dem Holländer PETRUS PLANCIUS zugeschrieben wird. Er nannte das nördlich des Widders gelegene Sternbild Apis, die 230
Biene. Diesen Namen änderte der deutsche Astronom JACOB BARTSCH auf seiner Karte aus dem Jahre 1624 in Vespa, die Wespe. JOHANNES HEVELIUS wiederum gab diesem Sternbild auf seinem Atlas aus dem Jahre 1687 den Namen Musca. Weil aber bereits ein solches Insekt am südlichen Sternhimmel existierte, ließ man die Nördliche Fliege schließlich wegfallen. Der Franzose IGNACE-GASTON PARDIES schließlich bildete aus denselben Sternen im Jahre 1674 das Sternbild Lilium, die französische Lilie.
Officina Typographica Druckerei Der deutsche Astronom JOHANN BODE führte das Sternbild Officina Typographica im Jahre 1801 zur Erinnerung an die 350. Wiederkehr der Erfindung der Buchdruckerkunst durch JOHANNES GUTENBERG ein.
Die Druckerei, zur Erinnerung an JOHANNES GUTENBERG von JOHANN BODE erfunden und in seiner Uranographia dargestellt. 231
Die Druckerei lag im nördlichen Bereich des heutigen Sternbildes Puppis, dem Heck des Schiffes Argo.
Quadrans Muralis Der Wandquadrant Dies ist eines der bekanntesten aufgegebenen Sternbilder, weil sein Name in demjenigen eines Meteorschauers fortlebt, den im Januar erscheinenden Quadrantiden, deren Radiationspunkt hier liegt. Das Sternbild war eine Erfindung von JOSEPH-JEROME DE LALANDE, der damit das an der Wand befestigte Instrument verewigen wollte, mit dem er Sternpositionen bestimmte. Es wurde erstmals im Jahre 1795 auf dem Atlas des Franzosen J. FORTIN dargestellt. Der Wandquadrant lag im nördlichen Teil des heutigen Bootes in der Nähe der Deichsel des Großen Wagens. Eine Darstellung siehe unter Bootes.
Rangifer Rentier Dieses Sternbild führte der Franzose PIERRE-CHARLES LE MONNIER auf seinem Sternatlas aus dem Jahre 1743 unter dem Namen Le Renne ein. Es fand seinen passenden Platz in der Nähe des himmlischen Nordpols. LE MONNIER erfand das Sternbild nach einer Reise nach Lappland; er wollte im hohen Norden einen Breitengrad bestimmen. Das Sternbild trug auch den Namen Tarandus. Eine Darstellung siehe unter Camelopardalis.
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Robur Carolinum Karlseiche Robur Carolinum ist ein Sternbild, das EDMOND HALLEY im Jahre 1678 als patriotische Geste gegenüber König KARL II. erfand. Es stellt die Eiche dar, in der sich der König nach der Schlacht von Worcester vor OLIVER CROMWELLS Truppen verbarg. Die Karlseiche besteht aus Sternen, die zuvor zum Schiff Argo gehört hatten. HALLEY schuf sie nach seiner Rückkehr von St. Helena, wo er den südlichen Himmel kartographiert hatte. Der französische Astronom NICOLAS Louis DE LACAILLE kartographierte 75 Jahre nach HALLEY den südlichen Himmel; das Sternbild Robur Carolinum ließ er dabei jedoch weg. Erst auf JOHANN BODES Atlas aus dem Jahre 1801 ist es als Robur Caroli II. verzeichnet.
Die Karlseiche, dargestellt in der Uranographia von JOHANN BODE.
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Sceptrum Brandenburgicum Brandenburgisches Szepter Der deutsche Astronom GOTTFRIED KIRCH schuf dieses Sternbild im Jahre 1688 zu Ehren der preußischen Provinz Brandenburg, in der er lebte. Die Sterne gehören heute zum Fluß Eridanus.
Das brandenburgische Szepter aus der Uranographia von JOHANN BODE.
Taurus Poniatovii Poniatowskis Stier Dieses Sternbild wurde im Jahre 1777 von MARTIN POCZOBUT, dem Direktor des königlichen Observatoriums in Wilna, zu Ehren des Königs STANISLAUS II. von Polen geschaffen.
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Das von MARTIN POCZOBUT erfundene Sternbild Poniatowskis Stier, dargestellt in der Uranographia von JOHANN BODE.
Erstmals stellte der französische Astronom JOSEPH-JEROME DE LALANDE das «polnische» Sternbild Poniatowskis Stier auf seinem Himmelsglobus aus dem Jahre 1779 dar. Es bestand aus einer v-förmigen Gruppe von Sternen, die PTOLEMÄUS in seinem Almagest als außerhalb von Ophiuchus liegend beschrieben hatte. MARTIN POCZOBUT meinte, daß diese Gruppe den Hyaden ähnlich sehe, die im Tierkreis das Gesicht des Stiers bilden. Heute werden diese Sterne dem Sternbild Ophiuchus zugerechnet.
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Telescopium Herschelii Herschels Teleskop Es gab ursprünglich zwei solcher Sternbilder, die der Wiener MAXIMILIAN HELL im Jahre 1789 erfand, um WILLIAM HERSCHELS Entdeckung des Planeten Uranus zu verewigen. Beide flankierten den Bereich, in dem der neue Planet gefunden wurde. Tubus Herschelii Maior, wie MAXIMILIAN HELL das Sternbild nannte, stellte HERSCHELS sechs Meter langes Fernrohr dar und lag zwischen den Zwillingen und dem Fuhrmann.
Herschels Teleskop, ein sechs Meter langes Spiegelteleskop, dargestellt in der Uranographia von JOHANN BODE. 236
Tubus Herschelii Minor, das zwischen Orion und dem Stier eingeklemmt ist, zeigte HERSCHELS Zwei-Meter-Reflektor. BODE faßte die beiden Sternbilder zu einem zusammen und stellte da, wo HELL den Tubus Herschelii Maior angeordnet hatte, das Zwei-Meter-Fernrohr dar, mit dem HERSCHEL tatsächlich den Uranus entdeckt hatte.
Tigris Tigris Dieses Sternbild zeigte den Fluß Tigris. Es wurde im Jahre 1613 von dem Holländer PETRUS PLANCIUS auf demselben Globus dargestellt, auf dem auch erstmals der Jordan erschien. Er begann beim Schlangenträger und verlief dann zwischen dem Schwan und dem Adler hindurch zum Pegasus. Das Sternbild wurde von JOHANN BODE nicht aufgenommen.
Triangulum Minor Kleines Dreieck Eines der schlichtesten Sternbilder, eine Erfindung von JOHANNES HEVELIUS aus dem Jahre 1687. Es wurde aus drei Sternen neben dem vorhandenen Dreieck gebildet. Es fand unter den Astronomen erstaunlich weite Verbreitung, geriet aber schließlich in Vergessenheit, als man die Fülle der Sternbilder zu straffen begann. Eine Darstellung siehe unter Triangulum.
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Turdus Solitarius Solitär Dieses seltsame Sternbild führte der französische Astronom PIERRE-CHARLES LE MONNIER im Jahre 1776 unter dem Namen Solitaire ein. Es stellte wohl einen mit der Dronte verwandten flügellosen Vogel dar, der früher auf der MaskarenenInsel Rodriguez im Indischen Ozean vorkam. Der Solitär auf LE MONNIERS Karte zeigte dagegen die Felsdrossel (Genus Turdus), die als der Solitär der Philippinen bekannt ist.
Der Solitär. Aus der Uranographia von JOHANN BODE.
Der britische Wissenschaftler THOMAS YOUNG schließlich nannte das Sternbild auf seiner Karte aus dem Jahre 1806 Spottdrossel, und auf wieder anderen Karten erschien es als Noctua, die Nachteule. Bevor das Sternbild ebenso ausstarb wie der Vogel, den es ursprünglich darstellte, nahm es einen Bereich am Schwanzende der Wasserschlange ein. 238
Verzeichnis der Sternbilder
Deutscher Name Adler Altar Andromeda Becher Bildhauer Bootes Cassiopeia Centaur Cepheus Chamäleon Delphin Drache Dreieck Eidechse Einhorn Eridanus Fische Fliege Fliegender Fisch Fuhrmann Füchschen Füllen Giraffe Grabstichel Großer Bär Großer Hund Haar der Berenice
Lateinischer Name Aquila Ara Andromeda Crater Sculptor Bootes Cassiopeia Centaurus Cepheus Chamaeleon Delphinus Draco Triangulum Lacerta Monoceros Eridanus Pisces Musca Volans Auriga Vulpecula Equuleus Camelopardalis Caelum Ursa Maior Canis Maior Coma Berenices 239
Genitiv Aquilae Arae Andromedae Crateris Sculptoris Bootis Cassiopeiae Centauri Cephei Chamaeleontis Delphini Draconis Trianguli Lacertae Monocerotis Eridani Piscium Muscae Volantis Aurigae Vulpeculae Equulei Camelopardalis Caeli Ursa Maioris Canis Maioris Coma Berenices
Abkürzung Aql Ara And Crt Scl Boo Cas Cen Cep Cha Del Dra Tri Lac Mon Eri Psc Mus Vol Aur Vul Equ Cam Cae UMa CMa Com
Hase Herkules Indianer Jagdhunde Jungfrau Kleine Wasserschlange Kleiner Bär Kleiner Hund Kleiner Löwe Kompaß Kranich Krebs Kreuz des Südens Leier Löwe Luchs Luftpumpe Maler Mikroskop Netz Nördliche Krone Ofen Oktant Orion Paradiesvogel Pegasus Pendeluhr Perseus Pfau Pfeil Phönix Rabe
Lepus Hercules Indus Canes Venatici Virgo Hydrus
Leporis Herculis Indi Canum Venaticorum Virginis Hydri
Lep Her Ind CVn Vir Hyi
Ursa Minor Canis Minor Leo Minor Pyxis Grus Cancer Crux Lyra Leo Lynx Antlia Pictor Microscopium Reticulum Corona Borealis Fornax Octans Orion Apus Pegasus Horologium Perseus Pavo Sagitta Phoenix Corvus
Ursae Minoris Canis Minoris Leonis Minoris Pyxidis Gruis Cancri Crucis Lyrae Leonis Lyncis Antliae Pictoris Microscopii Reticuli Coronae Borealis Fornacis Octantis Orionis Apodis Pegasi Horologii Persei Pavonis Sagittae Phoenicis Corvi
UMi CMi LMi Pyx Gru Cnc Cru Lyr Leo Lyn Ant Pic Mic Ret CrB For Oct Ori Aps Peg Hor Per Pav Sge Phe Crv
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Schiffsheck Schiffskiel Schild Schlangenkopf Schlangenschwan z Schlangenträger Schütze Schwan Schwertfisch Segel Sextant Skorpion Steinbock Stier Südliche Krone Südlicher Fisch Südliches Dreieck Tafelberg Taube Teleskop Tukan Waage Walfisch Wassermann Wasserschlange Widder Winkelmaß Wolf Zirkel Zwillinge
Puppis Carina Scutum Serpens (Caput) Serpens (Cauda)
Puppis Carinae Scuti Serpentis Serpentis
Pup Car Sct Ser Ser
Ophiuchus Sagittarius Cygnus Dorado Vela Sextans Scorpius Capricornus Taurus Corona Australis Piscis Austrinus Triangulum Australe Mensa Columba Telescopium Tucana Libra Cetus Aquarius Hydra Aries Norma Lupus Circinus Gemini
Ophiuchi Sagittarii Cygni Doradi Velorum Sextantis Scorpii Capricorni Tauri Coronae Australis Pisci Austrini Trianguli Australi Mensae Columbae Telescopii Tucanae Librae Ceti Aquarii Hydrae Arietis Normae Lupi Circini Geminorum
Oph Sgr Cyg Dor Vel Ses Sco Cap Tau CrA PsA TrA Men Col Tel Tuc Lib Cet Aqr Hya Ari Nor Lup Cir Gern
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Griechische und lateinische Götternamen Die Griechen und Römer kannten ähnliche Götter und mythologische Gestalten, die sie aber mit unterschiedlichen Namen bezeichneten. So sind zum Beispiel Zeus und Jupiter dieselbe Gestalt. In der nachfolgenden Liste sind die lateinischen Entsprechungen der wichtigsten in diesem Buch vorkommenden griechischen Gestalten angegeben. Griechisch Aphrodite Ares Artemis Asklepios Athene Demeter Dionysos Eros Hades Hephaistos Hera Herakles Hermes Kronos Persephone Polydeukes Poseidon Zeus
Lateinisch Venus Mars Diana Aesculapius Minerva Ceres Bacchus Cupido Pluto Vulcanus Juno Hercules Mercurius Saturn Proserpina Pollux Neptunus Jupiter 242
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Abbildungsnachweis Autor und Verlag danken den hier genannten Stellen für die freundliche Erlaubnis zur Wiedergabe der folgenden Abbildungen aus ihren Sammlungen (die Ziffern geben die Seitenzahlen im vorliegenden Buch an): ALBRECHT DÜRER, The National Maritime Museum, London:13, 14. Délimitation Scientifique des Constellations, EUGENE DELPORTE, Royal Astronomical Society Library, London: 23. Tunhuang Mss(MS Stein 3326) Mit freundlicher Genehmigung der British Library: 26. Book of the Fixed Stars (MS Marsh 144, S. 111) Mit freundlicher Genehmigung der Bodleian Library: 27. Uranometria, JOHANN BAYER, Institute of Astronomy Library, University of Cambridge: 29. Firmamentum Sobiescanum, JOHANNES HEVELIUS, Institute of Astronomy Library, University of Cambridge: 30. Uranographia, JOHANN BODE, The Royal Observatory: 34, 36, 37, 42, 47, 49, 51, 52, 53, 57, 59, 60, 65, 70, 71, 72, 73, 76, 78, 83, 85, 87, 93, 99, 102, 103, 106, 110, 111, 113, 115, 116, 118, 119, 123, 127, 129, 132, 135, 138, 140, 14l, 143, 145, 147, 246
148, 155, 157, 16l, 169, 173, 175, 177, 178, 180, 181, 182, 183, 185, 186, 187, 189. Atlas Coelestis, JOHN FLAMSTEED, The Royal Observatory: 38, 40, 43, 55, 63, 67, 68, 75, 79, 82, 90, 95, 101, 105, 107, 109, 117, 121, 137, 142, 149, 151, 156, 164, 167, 169.
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