Romantic Mysteries Nummer 1 „Der Schrecken von Walbury Hill“ von Linda Warren
Sharon Ellsworth war überglücklich an di...
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Romantic Mysteries Nummer 1 „Der Schrecken von Walbury Hill“ von Linda Warren
Sharon Ellsworth war überglücklich an diesem Frühlingstag, der der letzte in ihrem jungen Leben sein sollte. Der Fluss rauschte. Auf dem Walbury Hill, einem sanft aus der Landschaft von Berkshire ansteigenden Hügel, erhob sich düster die Ruine des vor vielen Jahrzehnten abgebrannten Herrenhauses. Im Landgasthof „Walbury Hill“ feierte eine ausgelassene Gesellschaft von jungen Leuten, zu denen Sharon und ihr Freund gehörten. Das etwas pummlige Mädel im bunten Kleid, eine blaue Schleife im Haar, lief kichernd vor ihrem Freund weg, mit dem sie sich von den andern entfernt hatte. „Ich kriege dich!“ rief der junge Mann. „Dann will ich einen Kuss von dir haben. Und noch einen... und noch einen...“ Die Siebzehnjährige aus dem nahen Dorf kicherte. Sie lief an der Hecke entlang zu dem alten Ziehbrunnen, der auf halbem Weg zwischen dem Landgasthof und dem Fluss gegraben war. Im Gebüsch bei dem Brunnen wollte sich Sharon verstecken. Ihr Freund war eine ganze Strecke zurück. Sharon freute sich ungeheuer auf die Küsse und Zärtlichkeiten, die sie sich zunächst scheinbar widerwillig von ihm rauben lassen wollte. Ihr Herz pochte rasch. Plötzlich hörte sie eine Stimme aus dem Brunnenschacht mit der gemauerten Umrandung. „Hallo! Ich bin hier!“ Dumpf klang es. Das Mädchen war zu erstaunt, um sich zu fürchten. Was war das? Sollte jemand in den Brunnen gefallen sein? Oder handelte es sich um einen Schabernack, von dem Sharon allerdings nicht wusste, wie er bewerkstelligt wurde. Ihr Freund war zu weit entfernt, als dass er der Verursacher hätte sein können. Oder hatte er ihr etwa den Weg abgeschnitten, versteckte sich und rief in den Brunnen, dass es nach oben schallte? „Huhu! Sharon!“ erklang es wieder. „Ich
will einen Kuss von dir.“ Kuss - Kuss - Kuss hallte ein Echo. Also war es doch der Freund. Sharon pirschte sich vor und schaute umher. Wie brachte Francis den Trick nur fertig? Sollte er etwa gar in den Brunnen gestiegen sein und sich mit den Händen am Rand festhalten? Manchmal hatte Francis verrückte Ideen, besonders, wenn er ein paar Glas Ale intus hatte. Doch hätte er im Brunnen gehangen, hätte Sharon seine Hände am Rand sehen müssen. Das war nicht der Fall. Sharon hatte Angst. Nicht um sich, sondern um ihren allzu leichtsinnigen Freund. Womöglich stürzte er noch, wenn er einen solchen Unsinn vollführte, in den tiefen und dunklen Brunnenschacht. Das konnte sein Tod sein. „Francis, das finde ich aber wirklich nicht spaßig“, schimpfte Sharon. „Wenn du mir einen Schreck einjagen willst, ist es dir gelungen. - Steig aus dem Brunnen. Das ist lebensgefährlich.“ Der Brunnenrand war bröcklig. Die Zugvorrichtung war längst entfernt worden. Nur die Krampen, die sie gehalten hatten, waren noch in die Mauer geschlagen. Dunkel und kühl gähnte der Brunnenschacht, tief, ach so tief. Ein rundes Loch von zweieinhalb Meter Durchmesser mit einem ein Meter hohen Rand. „Liebling“, scholl es aus dem Schacht. „Ich warte auf deinen Kuss.“ „Die Ohren werde ich dir lang ziehen, du Verrückter, dich so zu benehmen“, fauchte Sharon wütend. „Willst du wohl da herauskommen?“ Sie beugte sich über den Brunnenrand, überzeugt, ihr tollkühner Freund würde sich in dem Schacht in den Mauerfugen festkrallen. Doch da war niemand. Kühle, modrig riechende Luft drang Sharon in die Nase. Sie blinzelte. „Francis?“ 2
„Hier bin ich. Hier unten“, hörte sie dumpf aus der Tiefe, deren Grund, die Wasseroberfläche, sie nicht erkennen konnte. Kein Sonnenstrahl drang da hinunter, klaftertief. Von Panik ergriffen, außer sich vor Sorge, streckte Sharon den Kopf weiter vor. Plötzlich verlor sie das Gleichgewicht. Ihr Freund Francis trat in dem Moment dreißig Meter hinter ihr unter den Bäumen hervor. Er sah, wie Sharon sich aus einem ihm unerfindlichen Grund in den Brunnen lehnte - und wie von einer starken Hand gerissen hinunterstürzte. Ein schrecklicher Schrei gellte, hallte schaurig und verzerrt aus der Tiefe. Dem folgte ein lautes Klatschen. Dann war Totenstille. Sharons Namen rufend rannte ihr Freund zu dem Brunnen. Er schaute hinein in die dunkle Röhre, schrie ihren Namen. „Liebste, mein Gott, so antworte doch!“ Kein Laut drang mehr aus der Tiefe. Francis rannte zum Landgasthof, wo seine Kameraden mit ihren Mädels im Biergarten saßen und sich des Lebens freuten. Er alarmierte den Wirt und die Gäste des „Walbury Hill“. In aller Eile lief man mit Stangen und Seilen, Haken und sogar einer Leiter zu dem Brunnen. Die Feuerwehr von Hungerford, dem nächsten Dorf, wurde alarmiert. Doch nichts nutzte mehr. Sharon Ellsworth konnte nur noch tot aus dem tiefen Brunnen geborgen werden. Starke Männer mussten ihren Freund festhalten, der außer sich war. Sonst hätte auch er sich in den Brunnen gestürzt. Tränen strömten dem jungen Mann übers Gesicht. „Wie konnte das nur geschehen? Was ist in sie gefahren, was wollte sie bloß bei dem Brunnen? Als ob sie hinabgerissen worden wäre...“ Die frohe Stimmung der Gesellschaft von jungen Leuten war verflogen. Selbst der Frühlingstag schien sich verdüstert zu haben. Schwarz, wie ein Mahnmal, ragten die Ruinen auf dem Walbury Hill gen Himmel. Vorm Feuerwehrauto, auf einer Bahre, lag ein junges Mädel und war tot. Aus der Blüte ihres Lebens gerissen.
Ich weiß noch wie heute, was damals geschah. Nie werde ich diesen Tag vergessen, und wenn ich hundert Jahre alt werde. Es war November. Nebel kroch von der Themse durch London und legte sich wie ein Leichentuch über die Stadt. Dumpf schlug die Turmuhr von Big Ben die Stunden. Im Hyde Park sammelten die städtischen Angestellten das gefallene Laub ein. Matt taumelten die welken Blätter von den Bäumen. Ich saß in unserem Hotel „Clarendon“ am Trafalgar Square über der Abrechnung und konnte mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken kreisten um Roger, meinen geliebten Mann. Vor fünf Monaten hatte er mit seinem Bentley einen schweren Unfall erlitten. Auf regenglatter Fahrbahn war er ins Schleudern gekommen und gegen einen Brückenpfeiler geknallt. Ein Rettungstrupp schweißte ihn aus dem Wrack. Zunächst sah es gut für ihn aus mein Mann hatte keine schweren Verletzungen erlitten. Doch er erwachte nicht aus der Ohnmacht. In der Unfallklinik, in die man ihn sofort brachte, standen die Ärzte vor einem Rätsel. Roger, 28, durchtrainiert, in erstklassiger Kondition, blieb im Koma. Die Computertomographie ergab schließlich, dass er eine Gehirnprellung erlitten hatte, die nicht gleich diagnostiziert worden war. Schwerer verletzt wäre er besser daran gewesen, so widersinnig das klang. Ein Schädelbruch, einfach oder doppelt, wäre den Ärzten nicht entgangen. So wurde Roger zunächst falsch behandelt. Ich wich die ersten vier Wochen nicht von seinem Krankenbett. Erst der Schock wegen Rogers Unfall, dann das trügerische Aufatmen bei der Nachricht, es sei nicht so schlimm mit ihm. Dann die sich mehr und mehr steigernde Sorge, weil Roger ohnmächtig blieb, die Ungewissheit, das Bangen, und immer wieder die aufkeimende Hoffnung, er würde es doch noch schaffen. Ich litt. Ich betete. Ich kämpfte. Ich hielt die Hand meines Mannes, blieb dabei, wenn eine neue Infusionsflasche an den Dauertropf angeschlossen oder andere medizinische Maßnahmen ausgeführt wurden. Ich sprach mit Roger, der weit, weit weg war, und versuchte mit aller Kraft, mental zu ihm vorzudringen. „Seine Seele, sein Unterbewusstsein hört
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mich“, erklärte ich dem Chefarzt der Neurochirurgie. „Ich rufe ihn von den Ufern des Todes. Er spürt, dass ich bei ihm bin. Ich bin das Band, das ihn an das Leben kettet.“ Der weißhaarige Arzt betrachtete mich mitleidig. Ich muss totenblass gewesen sein, was die Schminke nur notdürftig verdeckte, abgemagert und keineswegs mehr die bildschöne, glückstrahlende junge Frau, als die mich die Londoner Gazetten beschrieben hatten. „Sie müssen an sich und an ihr Kind denken, Mrs. Ashborne.“ Der Chefarzt legte mir väterlich die Hand auf die Schulter. „Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um Ihren Gatten aus dem Koma zu erwecken.“ Das taten sie wirklich. Elektroschocks, Medikamente, zwei Eingriffe, zu denen ich meine Einwilligung geben musste, was ich nach langem Überlegen tat. Manchmal zeigte Roger eine Reaktion. Sein Zustand schien sich zu bessern. Ich war überglücklich, wenn die Zackenlinie des Enzephalographen eine verstärkte Tätigkeit der Gehirnströme anzeigte. Oder wenn Rogers Lider flatterten, er sich ein wenig bewegte. Leider handelte es sich dabei immer nur um ein kurzes Aufflackern. Danach sank mein Mann wieder ins Koma zurück. Ich gab es dann auf, ständig bei ihm sein zu wollen. Robert, unser damals vierjähriger Sohn, brauchte seine Mutter. Unser Glück war vollkommen gewesen, als er geboren wurde. Neunzehn Jahre alt war ich damals, und obwohl das Kind unterwegs war, war es eine Liebesheirat gewesen. Mit achtzehn Jahren, frisch von der Hotelfachschule, hatte ich, Mary, in Rogers Hotelbetrieb angefangen. Obwohl ich vom ersten Tag an glühend in den reichen Hotelerben verliebt war, hielt ich mich zurück und ihn auf Distanz. Denn ich traute Roger Ashborne nicht, der alles in sich vereinte, was einen Mann attraktiv machte. Ich wollte keine flüchtige Affäre für ihn sein. Endlich überzeugte er mich von seiner Liebe. Von da an war es ein glühender Rausch und ein wunderschöner Traum. Reicher Hotelerbe heiratet Waise aus Wales, hatte eine Gesellschaftskolumnistin bei unserer Trauung geschrieben. Und: Ein Traum wird wahr.
Allein meine Schönheit, auf die ich mir niemals viel einbildete, konnte es nicht gewesen sein, was Roger bezauberte. Dazu gehörten mehr wie blaue Augen, blondes Haar und eine attraktive Figur bei etwas mehr als mittlerer Größe. Nach Rogers schwerem Unfall führte ich das Hotel „Clarendon“, was dringend notwendig war. So oft ich konnte, fuhr ich zu meinem Mann in die Klinik. Unseren Sohn nahm ich selten mit. Für den Vierjährigen war es jedes Mal ein Schock, wenn er seinen vergötterten Vater, den er als kraftstrotzenden Riesen im Gedächtnis hatte, hilflos und ohne Bewusstsein an den medizinischen Apparaten hängen sah. Oft hätte er das nicht verkraften können. Robert betete jeden Abend: „Lieber Gott, mach meinen Daddy gesund, damit er wieder zu uns kommt und mit mir spielen kann. Ich will auch ganz artig sein.“ Es griff mir jedes Mal ans Herz, wenn ich das hörte und die Augen des Kindes sah. Auch für mich war es schrecklich, Roger in seinem Zustand zu sehen. Er war so stark und so lebensbejahend gewesen. Er gehörte zu den wenigen Menschen, die keine Feinde hatte - jedenfalls hatte ich nie welche kennen gelernt. Als Liebhaber war er fantastisch. Mit jeder Faser von meinem Herzen hing ich an ihm, und einen Mann wie ihn, davon war ich fest überzeugt, würde es niemals mehr geben. Die Leitung des Hotels, meine häufigen Fahrten in die Klinik und die viele Zeit, die ich am Krankenbett meines Gatten verbrachte, mich um mein Kind zu kümmern, all das beanspruchte meine letzte Kraft. Das Hotel lief schlecht seit dem Unfall, was kein Wunder war. Roger war auch als Hoteldirektor erstklassig gewesen. Bei ihm klappte alles wie am Schnürchen. Was alles nicht klappen konnte, merkte ich erst, seit er ausfiel. Bei seinen drei Geschwistern fand ich leider keine Unterstützung. An diesem Spätnachmittag im November ackerte ich mit unserem Buchhalter die Belege durch. „Hören Sie, was ich sage, Mrs. Ashborne?“ fragte er. „Wir setzen ständig zu. Das Clarendon steckt tief in den roten Zahlen.“ „Ja, ja.“ Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren. Ich nestelte an der Brosche an meinem modischen Kostüm. 4
Meine Gedanken waren bei meinem Mann. Das Kaminfeuer flackerte. Dennoch fröstelte ich. „Ist Ihnen nicht gut, Mrs. Ashborne?“ Ich schüttelte den Kopf. Der Buchhalter fuhr fort: „Die Übernachtungen sind um dreiundzwanzig Prozent zurückgegangen. Der Essensumsatz ist rückläufig. Die Tagungsräume...“ Was er sagte, rauschte an mir vorbei. Jemand - etwas - war da. Ich kann es nicht erklären, nur schildern, was mir geschah. Es klopfte ans Fenster - ein Vogel müsse dagegengeflogen sein, meinten Skeptiker später. Ich schaute hin. Und sah einen Wirbel, wie aufsteigende, sich erwärmende Luft. Kalt rührte es an mein Herz. Ein Hauch wie von kühlen Lippen streifte mein Gesicht, strich mir über die Lippen. „Adieu, Liebste.“ Dachte ich das, oder hörte ich es? Dann - ich schwöre, es war so, der Buchhalter kann es bestätigen - blieb mit einmal die antike Standuhr in unserm Büro stehen. Das Pendel bewegte sich nicht mehr. Ich schaute den Buchhalter an, der kein Wort mehr sagte, wurde totenbleich und sprach: „Roger ist eben gestorben.“ „Wie können Sie das wissen, Mrs. Ashborne?“ „Ich weiß es. Ich bin mir ganz sicher.“ Tränen strömten mir übers Gesicht. Mein Herz schmerzte, als ob es zerspringen würde. Aufschluchzend brach ich zusammen. Der Arzt musste mir eine Beruhigungsspritze geben.
rotgeweint. In meinem Innern spürte ich eine Starre, unter der böse der Schmerz lauerte. Ein rasender, alles verzehrender Kummer, der über mich herfallen wollte wie ein wildes Tier. Wie ich damit weiterleben, wie ich den Kummer und die Trauer bewältigen sollte, wusste ich nicht. Im Moment war mein sehnlichster Wunsch, im Grab bei meinem Mann zu liegen und wie er tot zu sein. Rob drückte sich weinend an mich. „Mom“, sagte er zu mir, während die Brüder meines Mannes nacheinander ans Grab traten, „Ist Daddy jetzt im Himmel?“ „Ja, Kind.“ Rob deutete hinauf zum dunstigen grauen Novemberhimmel. „Sieht er uns von dort zu?“ fragte er. Ich nickte. Ein Kloß steckte mir im Hals. Doch ich konnte mich nicht meiner Trauer hingeben. Rob brauchte meinen Zuspruch und eine Stütze. Sonst erlitt seine kindliche Seele einen nicht wiedergutzumachenden Schaden. Ich musste stark sein, so schwer es auch fiel - für mein Kind, Rogers Sohn. Sei tapfer, Liebes, hätte er zu mir gesagt. Kopf hoch. Solange Rob Roy - das war sein Kosename für seinen Sohn gewesen dich braucht, musst du für ihn da sein. Die nächste Zeit war dann sehr schwer für mich. Ohne Tante Liz, die Schwester von Rogers verstorbener Mutter, hätte ich es niemals geschafft. Rogers Eltern lebten nicht mehr. Meine waren weit weg in Wales und konnten mich nicht unterstützen. Mein Vater hatte eine kleine Werkstatt, in der er Tag und Nacht ackerte. Vom Hotelbetrieb hatte er keine Ahnung. Mit dem „Clarendon“ ging es weiter abwärts. Vielleicht verstand ich zu wenig vom Hotelbetrieb, vielleicht hatte ich auch einfach keine Energie mehr, um das Management zu bewältigen. Meine Kräfte waren aufgebraucht von den letzten furchtbaren Wochen, allem Hin und Her und der seelischen Qual. Ich war innerlich ausgebrannt, leer und tot. Als hätte ich Asche statt eines Herzens in meiner Brust. Wenn Tante mir nicht das Essen hingestellt und mich ermahnt hätte, hätte ich es glatt vergessen vor lauter Appetitlosigkeit. Um Rob kümmerte ich mich - mich vernachlässigte ich. Es war, als ob ich mit Roger gestorben sei. Ich hatte ihn über
* Ein Anruf in der Klinik, von Tante Liz vorgenommen, brachte Gewissheit. In eben jenem Moment, als das Uhrpendel stillstand, hauchte mein Mann im St. Mary's Hospital sein Leben aus. Die unbestechlichen medizinischen Geräte bewiesen es. Die Zackenlinie des Enzephalographen, flach geworden, ließ die Uhrzeit feststellen. Drei Tage später wurde Roger auf dem St. Johns Cemetery begraben. Als die Erdschollen dumpf auf den Sarg fielen war mir, als läge mein Herz mit darin. Im schwarzen Kleid stand ich da. Meine Augen hinter dem dunklen Schleier waren 5
alles geliebt. Mir erschien alles so sinnlos, das Leben völlig leer. Ich hatte keine Perspektive, und wenn Rob nicht gewesen wäre, wer weiß, was ich getan hätte. Ich glaubte an nichts mehr nach diesem furchtbaren Schicksalsschlag. Bisher hatte ich die Worte von einem gebrochenen Herzen immer für eine Redensart gehalten. Jetzt spürte ich es am eigenen Leib, dass es sich anders verhielt. Mein Herz war gebrochen; es hatte eine tiefe, blutende Wunde erhalten. Manchmal träumte ich, Roger wäre noch am Leben. Dass er mich in die Arme nehmen würde, an schöne Dinge, die wir zusammen erlebt hatten. Wenn ich dann aufwachte, wusste ich im ersten Moment nicht, was Traum und was Wahrheit war. Das Erwachen war dann jedes Mal furchtbar. Mir war der Hotelbetrieb im Grund gleichgültig. Fremd stand ich neben mir, einer blassen, leidenden jungen Frau, und beobachtete mich. Der innere Antrieb war weg seit Rogers Tod. Wozu denn das alles, wenn er doch nicht mehr lebte, fragte ich mich unterschwellig? Ich neidete anderen Frauen ihr Glück. Da waren welche, strohdumm oder Megären, die an ihren Männern nur herumnörgelten. Es gab sogar welche, die ihren Gatten lieber heute als morgen los gewesen wären. Deren Männer lebten, meiner nicht. Ich haderte mit Gott und Welt und betrachtete das Schicksal, das mir diesen Schlag versetzt hatte, als ungerecht. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich grau in grau, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich das jemals wieder ändern würde. Dass ich einmal wieder lachte oder gar einen Mann anschaute. Mit Tante Liz führte ich lange Gespräche. „Schau nach vorn, Mary, nicht zurück“, ermahnte sie mich. Das konnte ich nicht. Tante Liz war Ende Fünfzig, grauhaarig, kräftig und eine echte Landlady mit wettergegerbtem Gesicht. Sie kannte sich im Hotelfach genauso gut wie in der Landwirtschaft. Sie konnte einem Kalb auf die Welt helfen und war eine Expertin in Buchführung. Sie äußerte sich meist unverblümt und hatte ihre Eigenheiten. Im Hotel ging es nicht, doch am liebsten wäre sie den ganzen Tag im Tweedrock und Reitstiefeln herumgelaufen. Pferde waren ihre ganz große Liebe, und sie ritt leidenschaftlich gern.
Geheiratet hatte sie nie. „Wenn ich zwischen einem Mann und einem Pferd wählen müsste, würde ich mich allemal für den Gaul entscheiden“, sagte sie. „Damit hat man weniger Ärger, und verträglicher und treuer ist das Pferd allemal. Es frisst seinen Hafer und will nicht kommandieren. Man stellt es in den Stall oder bringt's auf die Koppel, wenn man es nicht braucht, und hat seine Ruhe davor. Außerdem sind Pferde stark und charaktervoll. Die Männer sind allesamt Memmen. Wenn sie die Kinder zur Welt bringen sollten, wären nur halb so viele Menschen da.“ Das waren so ihre Sprüche. In dem Hotel in der Bayswater Road, wo sie schon während Rogers schwerem Leiden eingezogen war, das letztendlich zu seinem Tod führte, regierte sie wie ein guter Geist. Ohne sie wäre ich völlig zusammengebrochen. Tante Liz war ständig hinter mir her, dass ich essen und trinken sollte. Sie verfolgte mich regelrecht mit Roastbeefs und Suppen, Plumpuddings und Applepies. Auch achtete sie darauf, dass ich jeden Abend ein Glas Rotwein trank - zur Blutbildung, wie sie sagte. Sie selbst hielt sich lieber an Gin, wovon ihre rote Nase kündete. Liz Ashborne behauptete, die Röte käme von einer Sonnenallergie. Eines Tages, das Neue Jahr hatte schon trist und freudlos für mich begonnen, kam Rob zu mir. „Tante Liz ist eine sehr fromme Frau“, sagte mein vierjähriger Sohn in unserer Wohnung neben dem Hotel zu mir. „Soll ich dir ein Geheimnis verraten, Mom?“ „Ja.“ „Sie trinkt Weihwasser.“ „Wie bitte?“ Als sich Rob erklärte, musste ich schallend lachen. Tante Liz hatte ihm allen Ernstes erzählt, die klare Flüssigkeit, von der sie gerne mal nippte, wäre Weihwasser. Rob imponierte diese Frömmigkeit ungeheuer. „Immer, wenn ich Tante Liz einen Kuss gebe, schnuppere ich“, sagte der Kleine. „Sie riecht jedes Mal nach Weihwasser. Bestimmt kommt sie in den Himmel zu Dad. Hat er auch Weihwasser getrunken?“ „Ganz selten.“ Was sollte ich als Mutter in so einem Fall sagen? Erst später fiel mir ein, dass ich gelacht 6
hatte, zum ersten Mal wieder seit wer weiß nicht wie langer Zeit. In meinem Innern schien sich etwas gelockert zu haben. Die Trauer füllte mich nicht mehr aus. Für den nächsten Tag hatten sich Rogers Geschwister zu einem Besuch angesagt, dem ich mit Grauen entgegenschaute. Die Geschwister - das waren meine Schwäger Bertram und Andrew sowie Schwägerin Helen. Das Sprichwort von der buckligen Verwandtschaft war wie auf sie gemünzt. Ständig lagen sie mir in den Ohren, ich sollte aus dem Familienbetrieb ausscheiden, ihnen das „Clarendon“ überschreiben und so fort. An dem Abend, bevor sie kamen, unterhielt ich mich mit Tante Liz, nachdem ich Rob zu Bett gebracht hatte. Seit einiger Zeit war es jedes Mal ein Kampf, und ich war heilfroh, wenn er endlich schlief. Vorher fiel ihm alles Mögliche ein, um das Schlafengehen und Einschlafen hinauszuzögern. Mal hatte Durst, dann musste er noch mal zur Toilette. Dann wieder hatte sein Teddybär Bauchweh, sagte er, oder es raschelte seltsam in seinem Schlafzimmer, und er meinte, es sei eine Maus. Auch Feen wollte er schon in seinem Zimmer gesehen haben. Und die Dielen knackten im Altbau, und er konnte nicht einschlafen und wollte noch eine Geschichte hören, und und und... Ich atmete jedes Mal auf, wenn er selig schlief, seinen Teddy im Arm. Tante Liz saß am Kamin und strickte. Ich wollte noch mal ins Hotel hinübergehen und nach dem Rechten sehen. Tante Liz hielt mich zurück - sie war schon dort gewesen. „Alles in bester Ordnung, Mary.“ Der Nachtportier und ein männlicher und ein weiblicher Hotelangestellter versahen den Dienst. Wir unterhielten uns. Das Kaminfeuer knackte und prasselte. Tante Liz mit ihrer menschlichen Wärme und ihrem Verständnis verhinderte, dass ich einsam war. Allmählich kamen mir die Worte, über Rogers Siechtum und Tod zu berichten. Vielleicht war es, weil ich an dem Tag gelacht hatte. Das hatte eine seelische Lockerung verursacht. Oder die Zeit war reif dafür. Tante Liz hörte mir aufmerksam zu. Ich spürte ihr Mitgefühl und wusste, dass sie Verständnis für mich hatte. Roger war ihr
Lieblingsneffe gewesen. Dann kam ich zum Zeitpunkt von Rogers Ableben und erzählte der Tante von dem kalten Hauch, den ich gespürt hatte, Rogers flüsternder Stimme und dem Stillstehen des Pendels der Standuhr. Tante Liz lachte nicht, im Gegenteil. „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, wie unsere Schulweisheit sich träumen lässt“, sagte sie. „Erlebnisse, wie du eines hattest, sind keineswegs selten. Man kann den Tod eines nahe stehenden Menschen spüren, auch wenn man viele, viele Kilometer entfernt ist. Das habe ich selbst erfahren. Es gab einen Mann in meinem Leben, den ich mehr als alles andere liebte, mehr als mich selbst und mehr als den Rest der Welt. Als er in Indien ums Leben kam, habe ich es in Stratford upon Avon, wo ich mich damals aufhielt, gespürt. Ich verlor die Besinnung, und als ich wieder zu mir kam, wusste ich, Harry ist tot.“ Liz Ashborne erzählte mir, dass sie während ihrer Bewusstlosigkeit eine Vision gehabt hatte. Ihr geliebter Harry war ihr erschienen und hatte sie bei der Hand genommen. Ein warmes, unglaublich helles und zugleich sanftes Licht hatte sie umstrahlt, und sie waren durch leuchtende Spiralen, vielfarbige Striche und sich auftuende Sonne, von Sphärenklängen begleitet, auf ein leuchtendes Tor zugeflogen, das Diesseits hinter sich lassend. Dann aber, als sie es schon fast durchschritten, hatte eine Stimme Liz zugerufen: „Du nicht.“ Und sie hatte zurück gemusst. Liz flüsterte. Ihre Stricknadeln hielt sie schon lange ruhig. Wehmut zeichnete ihr Gesicht, und es standen Tränen in ihren Augen. „Ich umklammerte Harrys Hand“, sagte sie, „und flehte ihn an, mich mitzunehmen ins Jenseits. Doch er sagte: Deine Zeit ist noch nicht erfüllt. Später einmal, wenn du gestorben bist, sehen wir uns wieder. - Und ich rief: Ich kann nicht von dir lassen. Ich will und kann mich nicht von dir trennen. Ich bringe mich um, damit ich dir folgen und für immer mit dir zusammensein kann. - Harry sagte: Das darfst und das wirst du nicht tun, Liz. Ich bin bei dir, auch denn du mich nicht siehst. Manchmal wirst du meine Nähe in deinem späteren Leben spüren.“ Tante Liz fuhr fort: „Und so ist es. Es 7
gibt Augenblicke, da weiß ich, Harry ist da. Manchmal unterhalte ich mich sogar mit ihm, bei Seancen. Wenn du willst, können wir einmal gemeinsam eine veranstalten.“ „Mit Gläserrücken und so?“ fragte ich. „Ich habe eine Kristallkugel dafür“, antwortete Tante Liz ganz ernst. „In einem verdunkelten Raum und bei Vollmond klappt es am besten. - Harry kann dir von Roger berichten. Vielleicht können wir sogar mit Roger selbst sprechen.“ Ein Scheit zersprang im Kaminfeuer. Die Funken stoben. Ich erschrak, obwohl ich sonst keine ängstliche Natur war. Doch meine Nerven hatten gelitten. „Nein, danke“, sagte ich. „Das ist nicht mein Fall.“ Roger war tot. Ich hatte mich innerlich damit abgefunden. Den Kontakt mit dem Verstorbenen durch Seancen aufrechterhalten zu wollen, widerstrebte mir. Daraus konnte nichts Gutes erwachsen. Tante Liz hatte zweifellos einen Spleen, wie wir in England sagten. Doch weil sie liebenswert und bei allen Marotten eine tüchtige, mit beiden Beinen fest im Leben stehende Frau war, sah ich ihr das nach. Später sollte ich noch feststellen, dass Liz Ashborne den Okkultismus und die spiritistischen Sitzungen als seelischen Ausgleich und Lebenshilfe brauchte. Ohne dieses Pendant wäre sie den Härten des Daseins nicht gewachsen gewesen. Sie fand Trost in ihren übersinnlichen Neigungen, und sie waren eine Kraftquelle für sie, deren sich allerdings nicht jeder Mensch bedienen konnte. Bei alledem war Elizabeth Ashborne eine tiefgläubige Frau.
Herrenreiter mit schnarrender, abgehackter Redeweise, hatte Reitstiefel an und die Reitpeitsche dabei. Helen Webberley-Ashborne, die Schwester, meine Schwägerin, klagte und jammerte ständig. Diesem Clan saß ich allein gegenüber, denn Tante Liz hatte anderweitig einen wichtigen Termin und konnte erst später kommen. Bertram hatte die Bücher geprüft und bewies mir wieder einmal unwiderlegbar, dass ich eine Niete und zur Führung des „Clarendon“ absolut ungeeignet sei. Helen schniefte: „Du wirst das Clarendon noch komplett ruinieren. Sieh endlich ein, dass du hier fehl am Platz bist. Es war mal ein so schönes, florierendes Hotel. - Ach, wenn das unsere seligen Eltern wüssten. Im Grab würden sie sich umdrehen. - Ach Gott, ach Gott.“ „Das geht so nicht weiter“, schnarrte Andrew, der mehrere Reiterhöfe und Hotels leitete. „Es muss was geschehen. Ackergaul kann kein Rennen laufen, klar?“ „Wie schön, dass du mich mit einem Ackerpferd vergleichst, Andrew“, sagte ich gallig. „Da weiß ich doch gleich, wie ich bei euch angesehen bin. - Leg bitte in meinem Büro dein Kavallerierequisit weg, mein Lieber. Wenn du Attacken reiten willst, dann außerhalb dieses Hauses, klar?“ Die vier schauten mich an, als ob ich zwei Köpfe hätte. Bisher, vom Kummer um Roger gebrochen, hatte ich ihnen noch nie richtig Paroli geboten. Jetzt holte ich nach, was ich versäumt hatte. „Ihr arbeitet gegen mich“, klagte ich das Quartett an. „Würdet ihr mich unterstützen, würde das Clarendon besser laufen. Doch ihr werbt hier die Gäste ab, und dann kommt ihr her und behauptet, der Verlust ginge auf mein Konto. - Das alles nur, weil ihr mich nie akzeptiertet und immer gegen Rogers Ehe mit mir wart. Jetzt wollt ihr mich aus dem Familiengeschäft herausdrängen.“ Bertrams Gattin zog ein Gesicht, dass selbst der Brandy in der Zimmerbar gerinnen konnte, nicht nur Milch. Ihr maßgeschneidertes Kostüm konnte über ihre knochige Figur nicht wegtäuschen. „Jetzt sollen wir schuld sein an deinen geschäftlichen Verlusten“, sagte sie. „Was das andere angeht, ich war seit je der Meinung, dass du Roger einfingst, mit welchen Mitteln, darüber will ich mich
* Am nächsten Tag erschien die „bucklige Verwandtschaft“, die sich bereits angekündigt hatte. Längst störte es mich, in die Geschäfte der Familie Ashborne verwickelt zu sein. Wir trafen uns im Arbeitszimmer meines verstorbenen Mannes, in dem ich jetzt als Chefin saß. Bertram Ashborne, promovierter Jurist, ein absolut humorloser Mensch, hatte seine Gattin mitgebracht, deren Gesicht und Redeweise jede Milch sauer werden lassen konnten. Dann Andrew, der jüngste Bruder, ein 8
lieber nicht auslassen.“ „Das ist auch besser so“, erwiderte ich heftiger, als es sonst meine Art war. „Du hast sie bestimmt nicht und verstehst nichts davon.“ „Ich bin eine ehrbare Frau!“ keifte Bertrams Lady. „Ich habe zwei Kinder geboren und singe im Kirchenchor.“ „Die armen Kinder! Der arme Chor!“ „Bertram“, erscholl der Lady Diskant, „lässt du es zu, dass ich derart beleidigt werde? - Bertram, weis diese Person zurecht! Dreiundzwanzig Jahre alt, maßt sie sich an, ein alteingesessenes Hotel wie unser Clarendon zu leiten und spricht so mit mir.“ „Ach, wie sind die Sitten verkommen!“ jammerte Helen Webberley-Ashborne. „Solche Töne hat es früher in unserer Familie nicht gegeben.“ „Dann wurde es höchste Zeit“, mischte Tante Liz sich ein, die gerade zurückgekehrt war und den letzten Teil der Unterredung mitgehört hatte. „Was fällt euch ein, so über die arme Mary herzufallen? Das ist bodenlos.“ „Wir wollen uns alle zusammennehmen“, erklärte Bertram Ashborne. Er war meinem verstorbenen Mann von der Figur her ähnlich, also groß und schlank. Doch er hatte im Gegensatz zu Rogers dichter dunkler Mähne schütteres Haar und engstehende, kalt blickende Augen sowie einen verkniffenen Mund, aus dem selten ein fröhliches Wort kam. „Es geht so nicht weiter. Selbstverständlich erkennen wir Mary als unsere Schwägerin und als Familienmitglied voll an.“ „Das wollte ich euch auch geraten haben“, sprach Tante Liz. „Ich habe nämlich in der Familie auch noch etwas zu melden. Es gibt da gewisse Aktien, für die ich eine Sperrminorität habe. Solltet ihr Mary ausbooten wollen, kriegt ihr es mit mir zu tun.“ „Aber liebe Tante Liz...“, fing Andrew an. „Ich bin nicht lieb, und das weißt du genau!“ fuhr die resolute Dame im Schneiderkostüm ihn an. „Du hast nicht mehr Verstand wie ein Pferd, was bekannt ist. Deshalb kannst du es auch so gut mit den Pferden, weil sie in dir ihresgleichen sehen.“ Meine beiden Schwägerinnen schnappten nach Luft. „Wenn Bertram dir nicht die Bücher führte und dich geschäftlich beriete, wärst
du erledigt“, sprach Tante Liz weiter. „Du hast es nötig, über Mary herzufallen.“ Für die beiden Schwägerinnen hatte sie auch noch ein warmes Wort. „Wie redest du denn mit mir?“ baute Bertrams Gattin sich auf. „Ich entstamme einer hochadeligen Familie. Mein Vater ist der zweite Sohn von Lord Hitchley.“ „Oder von seinem Stallburschen, wie Skandalchronik berichtet“, sagte ihr Tante Liz ins Gesicht. Der alte Familienskandal brachte die Lady so in Rage, dass sie Tante Liz mit einer Klage wegen übler Nachrede drohte. „Haha“, sagte Liz Ashborne. „Das würde ich gern erleben, dass du mit dieser Geschichte vor ein Gericht ziehst und die alten Skandalgeschichten erst recht aufwärmst. Aber vielleicht war es ja auch nicht der Stallbursche, sondern der Jagdaufseher, wie bei Lady Chatterleys Lover.“ Wortlos rauschte die Lady hinaus. Helen Webberley-Ashborne folgte ihr sympathiehalber. „Du hast wirklich ein Schandmaul, Liz“, sagte Bertram. „Das wird mich drei Wochen eisiger Atmosphäre, eine Menge Beredsamkeit und einen Pelzmantel kosten, um meinen häuslichen Frieden wieder herzustellen.“ „Daran bist du selbst schuld“, erwiderte Tante Liz und zündete sich ungerührt ein Zigarillo an. „Wo waren wir stehen geblieben? - Es ging ums Clarendon und Marys Geschäftsführung.“ „Ich kann für mich selbst einstehen, Tante Liz“, sagte ich. „Du brauchst nicht aller Zorn auf dich zu ziehen, um von mir abzulenken. Ich weiß selbst, dass es mit dem Clarendon in der letzten Zeit nicht zum Besten steht. Ich hatte viele Belastungen und hoffe, dass sich die Geschäftslage demnächst bessert.“ „Bist du davon überzeugt?“ fragte Bertram. „Und auch, dass du Roger bei der Geschäftsführung dieses Hotels ersetzen kannst?“ Jetzt hatte er mich. Das war ich nämlich nicht. „Du hast in der Hotelbranche gelernt“, fuhr Bertram einschmeichelnd fort. „Deine Fähigkeiten bestreitet hier niemand. Nur glauben wir alle, mit Verlaub gesagt, dass als Direktorin des Clarendon am falschen Platz bist.“ Ich nahm die Herausforderung an. „Wo, meinst du, dass ich richtig bin, 9
lieber Schwager?“ fragte ich. Bertram öffnete die mitgebrachte Aktenmappe und legte Fotos und Pläne auf den Tisch. Die Aufnahmen zeigten ein hübsches Landhaus mit efeuumrankten Mauern. Es musste in der viktorianischen Zeit erbaut sein und hatte hohe Giebel, Türmchen und Erker. Es gab Nebengebäude und eine Pferdekoppel. In der Nähe strömte ein Fluss dahin. Im Hintergrund erkannte ich gerade noch wahrnehmbar einen Hügel mit einem alten Gemäuer. Die Architektenpläne und -skizzen, die ich überflog, zeigten, dass es eine Menge Platz gab. „Was ist das?“ fragte ich mit Interesse, obwohl ich eigentlich vorgehabt hatte, Bertrams Vorschläge rundum abzulehnen und mir, falls ich das „Clarendon“ aufgeben musste, selbst etwas anderes zu suchen. „Walbury Hill“, sagte Bertram. Seine sonst immer nüchterne, sachliche Stimme nahm einen schwärmerischen Klang an. „Ein wunderschöner Landgasthof, ein früheres Landgut, fünfzig Kilometer vor den Toren von London. Wir haben es billig gekauft, lassen es renovieren und suchen jemand, möglichst aus der Familie, um ein Ausflugshotel mit Reitgelegenheit und Golfplatz daraus zu machen.“ „Und das soll ich sein?“ fragte ich. Bertram und Andrew nickten. Ich konnte es kaum fassen. Meine Frage, weshalb denn nicht Andrew mit der Leitung des „Walbury Hill“ beauftragt werden sollte, wurde damit beantwortet, erstens sei es kein reines Reiterhotel, und zweitens wäre er überlastet. „Vor den Toren von London“, sagte Andrew, „in einer wunderschönen Gegend. Ein Juwel von einem Anwesen. Dort kannst du dich bewähren und wieder zu dir selbst finden, Schwägerin Mary. - Das ist die Aufgabe für dich.“ Es gab eigentlich nichts, was dagegen sprach. Ich kam vom Land, und ich war nie ein Kind der Großstadt geworden. Für Rob würde es gut sein, auf dem Land zu wohnen, wo die Luft besser war und er die Natur kennen und lieben lernen konnte, wie ich als Kind. Zudem bargen das Hotel „Clarendon“ und die Wohnung im Haus nebenan bittere Erinnerungen an meine Zeit mit Roger und unser Glück. Außerhalb Londons konnte ich Abstand gewinnen und würde den furchtbaren
Schlag besser verwinden, dachte ich. Zudem stimmte, dass ich das „Clarendon“ in eine Krise gewirtschaftet hatte. Bisher hatte ich geglaubt, diese meistern und das Hotel wieder hochbringen zu müssen. Jetzt, wo mir Rogers Familie eine goldene Brücke baute, sah es anders. Die Aufgabe mit dem „Walbury Hill“ reizte mich mehr und entsprach, wie ich mir sagte, mehr meinen Fähigkeiten. Spontan sagte ich: „Bertram, ich fürchte, ich habe dich falsch eingeschätzt. Du meinst es gut mit mir, obwohl ich immer dachte, du bist gegen mich.“ „Aber liebe Mary, ich weiß doch, was wir an dir haben. Du bist Rogers Witwe und die Mutter meines Neffen Rob. Da muss ich doch für dich eintreten. Mir hat es ins Herz geschnitten, wie du dich mit dem Clarendon abplagtest und wie tapfer du warst. Als ich auf den Walbury Hill stieß, dachte ich gleich an dich.“ „Danke, Bertram.“ Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Andrew sagte: „Wir sind doch keine Unmenschen. Wollen dein Bestes, Schwägerin. - Punktum. Wirst prächtiges Ausflugshotel aufziehen, weg von quälender Atmosphäre hier.“ Ich sagte: „Wir sind uns einig.“ Tante Liz schüttelte warnend den Kopf. „Mary, ich weiß nicht. Ich finde, du solltest dir das noch überlegen. Wie ich meine Neffen kenne, hat das Angebot irgendwo einen Haken. Kennst du nicht das alte Sprichwort: Wirf ihm einen Strick zu und sieh zu, wie er sich daran aufhängt.“ Beide Männer protestierten und warfen Tante Liz ein völlig ungerechtfertigtes Misstrauen und Schwarzseherei vor. Am Abend lag mir Liz mit allerlei Unkenrufen in den Ohren, wie „Das wirst du schon noch merken“, und „Ich hätte es nicht getan.“ Endlich wurde es mir zu bunt. „Kannst du denn nie an das Gute im Menschen glauben, Tante Liz?“ „Freilich, wenn er Goldzähne hat oder Diamanten verschluckt.“ „Tante Liz! Du bist unverbesserlich. Was hast du gegen den Walbury Hill?“ Das elektrische Licht flackerte einen Augenblick. Die grauhaarige Lady mit der praktischen Kurzhaarfrisur deutete auf die Fotografien und Pläne von „Walbury Hill“ auf dem Tisch zwischen uns. 10
„Dieses Haus hat eine ungute Atmosphäre“, flüsterte sie. „Ein Fluch liegt darauf.“ „Spürst du das?“ fragte ich. „Nein“, erwiderte Liz Ashborne todernst. „Ich habe es in den Teeblättern gelesen. Das Orakel trügt nie.“ „Lies lieber noch mal im Kaffeesatz nach“, sagte ich. Form und Farbe von Teeblättern, wenn man sie nach dem Ziehen auf einen Untersatz schüttete, die Figuren, die sie bildeten, sollten über alles mögliche Aufschluss geben. „Das kann nicht dein Ernst sein, dass du mich damit von meinen Plänen abbringen willst. Für's Clarendon bin ich vermutlich wirklich nicht die geeignete Direktorin.“ „Dann such dir etwas anderes. Aber bleib Walbury Hill fern. Die Teeblätter waren blass, obwohl sie vom schwarzen CeylonTee stammten.“ „Das muss am Wasser liegen. Vermutlich war es zu kalkhaltig.“ „Wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen. Ich werde Harry bei der Seance befragen.“ Dazu fragte ich Tante Liz zwei Tage später. Sie antwortete: „Harry schweigt. Das kann Übles bedeuten. Seine Stimme wird unterdrückt. Finstere Mächte stören die Verbindung zwischen uns.“ Ich verkniff mir die Bemerkung, dass Harry auch zu Lebzeiten nie viel bei der resoluten Liz zu melden gehabt hatte. Tante Liz warnte mich noch einmal und berief sich auf Teeorakel, magisches Pendel, Kristallkugel und Harry. „Ich warne dich dringend, Walbury Hill aufzusuchen. Es ist ein Ort des Bösen.“ Da wurde es mir zu bunt. „Du brauchst nicht hinzugehen, Tante Liz. Ich schaffe das schon.“ Die Haltung der Lady straffte sich. „Denkst du, dass ich dich im Stich und mit Rob ins Unglück rennen lasse? Nein, wir gehen zusammen nach Walbury Hill. Ohne meine esoterische Unterstützung hättest du überhaupt keine Chance, glaub mir das.“ „Das walte Harry“, entfuhr es mir, was nicht schön war. „Was soll denn so unheimlich sein an Walbury Hill?“ „Was es ist, weiß ich nicht. Aber dort geht das Böse um. Das Grauen wohnt in diesen Mauern, glaube mir das, meine Liebe.“
* Drei Wochen später trafen wir in „Walbury Hill“ ein. Die bewaldeten Hügel von Berkshire, die fruchtbaren Felder, der idyllisch dahinströmende Fluss und die Wiesen atmeten eine himmlische Ruhe und einen Frieden, die ich im hektischen London vermisst hatte. Wie sehr, merkte ich erst jetzt, als ich es erlebte. Vom Maihimmel strahlte die Sonne. Alles grünte und blühte. Mir war, als ob ich mit London auch die Trauer um meinen Gatten zurückgelassen hätte. Ein neuer Lebensabschnitt hatte für mich begonnen. Die blühenden Bäume sah ich als gutes Omen an, und Tante Liz' Gebrummele und ihre ständige Unkerei störten mich nicht. Den Schmerz um Roger hatte ich in meinem Herzen verschlossen. Zwar war er immer noch da, doch nicht mehr auf die wütende, zerstörerische Art, die sich nur manchmal noch zeigte. Die Wunde schloss sich - sie schmerzte noch; die Narbe würde mir lebenslänglich bleiben. Rob gefiel Walbury Hill, wie die Gegend nach dem Hügel hieß und auch der Gasthof benannt war, ganz ausgezeichnet. Er plapperte in einem fort, als wir aus unserem Bentley stiegen, der mit Gepäck vollgepfropft war. Weiteres würde folgen. Ich hatte meinen Hausstand in London aufgelöst und fast alles verkauft, was ich mit Roger gemeinsam besessen hatte. Es war besser so. Wir standen zu dritt vor der Tür des geräumigen großen Hauses. Keine lebende Seele zeigte sich im Haus und den Nebengebäuden. Selbst die Hundehütte war leer. „Dort sind Kaninchen!“ rief Rob und zerrte an meinem Kleid. „Ma, sieh nur, wie herrlich!“ Er sah in einem fort etwas anderes, das ihn faszinierte. Liz ging ums Haus herum. Die Fensterläden waren teils geschlossen, teils halb oder ganz offen. Es sah aus, als wären die Bewohner des Gasthofs eilig und ohne Sorgfalt aufgebrochen, ja, geflohen. Von der linken Seite des Hauptgebäudes, beim Biergarten mit den alten Bäumen und einer Laube, ertönte ein schriller Schrei. Ich lief hin und fand Tante Liz ganz verstört vor. „Da war jemand!“ stammelte sie. „Ein 11
Geist!“ „Wie sah er denn aus? Was tat er?“ wollte ich wissen. „Er starrte da aus dem Fenster der Gaststube und zeigte mir eine schreckliche Fratze. Er ist rothaarig und hat die Zähne gefletscht.“ Mich überlief es kalt. Doch Rob, der zurückgeblieben war, kam hinzu. Deshalb zeigte ich Haltung. „Du hast eine Spiegelung in der Fensterscheibe gesehen, Tante Liz“, sagte ich, klopfte ans Fenster und rief: „Ist da jemand?“ Ich erhielt keine Antwort. Nur ein im Wind hin und her schwingender Fensterladen quietschte in den ungeölten Angeln. „Was soll sich denn gespiegelt haben?“ fragte Liz. „Was in aller Welt?“ Sie wiederholte die Beschreibung dessen, was sie mir geschildert hatte, nicht. Rob sollte nicht erschrecken. Der Vierjährige, mit Jeans und einer festen Jacke bekleidet, spitzte bereits die Ohren. „Vielleicht die Wolken“, sagte ich. „Mit roten Haaren und... du weißt schon?“ hakte Liz nach. „Das glaubst du doch selber nicht.“ Wir gingen ums Haus herum. Weil die Türen alle abgeschlossen waren, konnten wir nicht hinein. Das war seltsam. Bertram Ashborne hatte mir gesagt, der Landgasthof würde über ein fünfköpfiges Personal verfügen. In mir keimte der Verdacht auf, dass Bertram mich hereingelegt und dass ich zu voreilig positiv über ihn gedacht hatte. Das „Clarendon“ hatte ich aufgegeben. Wenn ich mit dem Walbury Hill-Projekt scheiterte, war ich pleite und flog aus dem Familiengeschäft der Ashbornes hinaus. Dann blieb mir von Rogers Erbe für mich und mein Kind zwar noch eine Pension, doch geschäftlich hatte ich nichts mehr zu melden und konnte die Kreise der Ashbornes nicht länger stören. Dann hätten sie mich als einen unerwünschten Eindringling elegant entfernt gehabt. Die Frage war, wie sie mich übertölpeln wollten. Es gab nämlich schriftliche Verträge, dass „Walbury Hill“ tatsächlich renoviert und ausgebaut werden musste, wobei mein Kostenanteil sich in Grenzen hielt. Auf mündliche Zusagen hatte ich mich nicht verlassen, sondern mir alles Schwarz auf Weiß geben lassen. Von einem mir
günstig gesonnenen Rechtsanwalt und Notar beraten, den mir Tante Liz empfahl, obwohl Bertram Ashborne, der selbst Jurist war, mir vorgeworfen hatte, das sei hinausgeworfenes Geld. Für mich war es das nicht. Bei dem Rundgang stellte ich fest, dass die Gebäude soweit gut in Schuss waren. Mir gefiel es noch immer hier. Zwar war die Gegend hier anders, doch ländlich wie in Wales war es hier auch. Tante Liz spürte Unbehagen. „Wir sind hier nicht allein“, flüsterte sie. „Wir werden beobachtet.“ „Beunruhige mir nicht den Jungen“, mahnte ich. Rob rief laut: „Natürlich werden wir beobachtet, nämlich vom Lieben Gott. Er sieht und hört alles. Doch da Tante Liz Weihwasser trinkt, mag er uns.“ Ich lächelte und strich Rob mit der Hand über den Blondschopf, den er vor mir geerbt hatte. Tante Liz deutete zum Hügel. „Siehst du die Ruine, Mary? Wie düster, wie unheimlich sie ist. Raben nisten darin.“ Dazu sagte ich nichts. Liz kam gleich auf den Brunnen zu sprechen, der sechzig Meter vom leeren Biergarten entfernt zwischen dem Anwesen und dem Fluss zu sehen war. „Was ist das denn? Wie seltsam.“ Wir gingen hin. Der Wind trug Hundegebell zu uns her. Es musste aus Hungerford kommen, dem kleinen Dorf am Fluss Kennet, oder von einer nahen Farm. Der Brunnen hatte einen Durchmesser von zweieinhalb Metern. Eine einen Meter hohe, gemauerte Umrandung schloss den Schacht nach oben hin ab. Ursprünglich hatte es sich um einen Ziehbrunnen gehandelt. Der Aufbau und die Zugvorrichtung waren jedoch schon vor längerer Zeit entfernt worden. Hundert, hundertfünfzig Jahre musste der Brunnen bestimmt schon alt sein, wenn nicht mehr. Ich schaute hinab in die Brunnenröhre. Der Schacht war so tief, dass ich den Grund nicht erkennen konnte. Kühle, feuchte Luft schlug mir entgegen. Ich ließ einen Stein hinunterfallen. Es hallte, als er ins Wasser fiel. „Sind Sie lebensmüde?“ fragte eine Männerstimme hinter mir. „Wissen Sie nicht, was es mit diesem Brunnen auf sich hat?“ Ich erschrak fürchterlich. Als ich mich 12
umdrehte, stand ein Mann in ländlicher, derber Kleidung vor uns. Er war um die Fünfzig, kräftig und groß. Sein Gesicht hatte eine gesunde rötliche Farbe. Er trug eine Flinte und eine Jagdtasche über der Schulter und eine karierte Mütze auf dem Kopf. Er musste von seitlich aus dem Feld oder vom Hügel hergekommen sein, wo Büsche und Bäume wuchsen. „Nein“, antwortete ich auf seine Frage. „Aber Sie werden es mir hoffentlich gleich erklären. Wer sind Sie eigentlich?“ „Thomas Erin, Esquire, Ihr ergebenster Nachbar. Ich habe am Hügel Kaninchen gejagt. Sie sind eine Plage, die immer mehr überhand nimmt. - Sie müssen die junge Frau aus London sein, die den Walbury Hill-Gasthof übernimmt und für diese verrückten Städter die Kastanien aus dem Feuer holen will. - Ist das Ihr Kind?“ „Ja.“ Ich stellte Tante Liz, Rob und mich vor. Auf meine Frage, wieso er Bescheid wisse, antwortete Erin, das sei in der Gegend ein offenes Geheimnis. Er schaute auf Rob. „Halten Sie Ihr Kind auf jeden Fall von dem Brunnen fern, Mrs. Ashborne“, warnte er mich. „Das werde ich sicher. Wieso ist dieser Brunnen nicht abgedeckt? Es ist sträflicher Leichtsinn, ihn offen zu lassen. Da kann Werweißwas passieren.“ „Man kann ihn nicht abdecken“, murmelte Erin. „Und warum nicht?“ „Weil die Abdeckung immer wieder verschwindet oder zerstört wird. Das ist aber nicht alles.“ Er schaute auf Rob. „Kann ich Sie einen Moment allein sprechen, Mrs. Ashborne?“ „Meinen Sie mich oder meine Tante?“ „Wie Sie wollen.“ Ich ließ Rob bei Tante Liz. Sie kannte schon genug Schauergeschichten und brauchte keine weiteren. Thomas Erin führte mich ein Stück zur Seite bis an die Ackerfurche. „Das Anwesen ist verwunschen. Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, reisen Sie gleich wieder ab. Es spukt in Walbury Hill. Besonders der Brunnen hat es in sich. Vor einem Jahr ist eine Siebzehnjährige aus Hungerford hineingestürzt. Sie konnte nur noch tot geborgen werden. Aus dem Brunnen ertönen mitunter Stimmen. Im Haus auch. Man hat schon unheimliche
Leuchterscheinungen aus dem Brunnenschacht gesehen.“ „Vermutlich reiten auch Hexen auf ihren Besen heraus“, sagte ich skeptisch. „Am Ende wird noch der Teufel persönlich darin wohnen.“ „Spotten Sie nur.“ Erin schaute mich an, wie ich da stand im modischen apricotfarbenen Sommerkleid und mit halblanger schicker Jacke, die Haare mit Stufenschnitt. „Junge Frau, das sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. - Es ist nicht geheuer am Walbury Hill.“ „Was Sie nicht hindert, hier Kaninchen zu jagen“, sagte ich. Der Landlord grinste mir ins Gesicht. An der Art, wie er mich anschaute, merkte ich, dass ich ihm gefiel. Der hungrige Ausdruck, den ich bei Männern gut kannte, stand in seinen Augen. „Das ist etwas anderes“, sagte Erin. „Ich brauche den Spuk nicht zu fürchten. Mir hat er sich noch nie gezeigt oder mir etwas getan.“ „Einmal ist immer das erste Mal. Warum sollte der Spuk, wenn es ihn gibt, gerade Sie verschonen?“ „Das weiß ich nicht. Aber es ist so.“ Die eigenartige Logik vermochte ich nicht nachzuvollziehen. Tante Liz fauchte den Landlord an: „Schämen Sie sich nicht, ein großer und starker Mann, dazu noch bewaffnet, unschuldige kleine Tiere umzubringen? Sie haben Ihnen nichts getan.“ „Sie meinen die Kaninchen?“ fragte Erin. „Sie fressen die Saat und die jungen Triebe. So schädigen sie den Pflanzenwuchs. Wenn man ihre Zahl nicht begrenzt, wachsen sie sich noch mehr zu einer Landplage aus, als sie es ohnehin schon sind, und schädigen den Pflanzenwuchs.“ „Papperlapapp!“ Tante Liz ließ sich nicht beirren. „Das habe ich noch nie gehört, dass Kaninchen irgendwann ganze Landstriche kahlgefressen und in eine Wüste verwandelt hätten. Sie bringen sie nur um, weil Sie Spaß daran haben. Für mich ist ein Tiermörder nicht besser wie einer, der Menschen umbringt.“ „Erlauben Sie mal, ich bin ein Jäger.“ Rob mischte sich ein. Mein Sohn wollte nicht, dass die armen kleinen Kaninchen totgeschossen wurden. Deshalb verbot ich Erin klipp und klar ein für allemal die Kaninchenjagd auf unserem Grund und Boden. 13
Der Landlord zog ein langes Gesicht. „Sie täten gut daran, sich an meine Anordnung zu halten“, erklärte ich ihm. „Anderswo können Sie Ihrer Jagdleidenschaft frönen, soviel wie Sie wollen. Aber nicht hier. - Essen Sie die Kaninchen, die Sie abschießen, wenigstens?“ „Hin und wieder esse ich eins. Den Rest... Der Rest wird entsorgt.“ „An die Hunde verfüttert? Oder vergraben?“ „Die Viecher sind schädlich. Ich schaffe Sie weg. Sie sollten mir dafür dankbar und nicht so verd... übertrieben zartbesaitet sein, Lady. In der Natur herrscht ein ständiger Existenzkampf. Der Stärkere frisst den Schwächeren. So ist es nun einmal.“ „Er frisst ihn, ja. Aber das tun Sie ja nicht einmal.“ Erin kriegte einen noch röteren Kopf, wie er ohnehin schon hatte. Er schaute mich an. „Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ein wahres Schandmaul haben, Mrs. Ashborne?“ Ich zuckte die Schultern. „Nichtsdestotrotz auf eine gute Nachbarschaft.“ Immerhin schien Erin nicht nachtragend und auch nicht empfindlich zu sein. Ich schlug in seine schwielige, harte Rechte ein. Er plauderte über die Gegend und über den Landgasthof „Walbury Hill“. Über den Spuk wollte er mir im Beisein meines vierjährigen Sohnes nicht näher informieren. „Wenn Sie tatsächlich hier bleiben wollen, wovon ich Ihnen dringend abrate, komme ich abends mal vorbei und erzähle Ihnen alles. Wenn Sie auf mich hören, reisen Sie allerdings schleunigst wieder ab. Das letzte Personal ist geflohen. Sie werden in dieser Gegend niemanden finden, der in dem verfluchten Walbury Hill arbeitet oder gar wohnt. - Da Sie Ashborne heißen, sind Sie sicher mit dem zweibeinigen Paragraphen verwandt, der den Spukgasthof den letzten Besitzern, einem Gastwirtsehepaar, abkaufte und der zwei Leute hineinsetzte, die ihn mit Personal zusammen instand setzen und führen sollten. Das ist gründlich misslungen.“ „Warum?“ „Die beiden Leute, ein Ehepaar aus Reading, ist geflohen, weil der Spuk es heimsuchte.“
Rob schnitt ein ängstliches Gesicht. „Mammy, ich habe Angst. Hier gibt es Gespenster.“ Ich beruhigte den Jungen und erklärte ihm, dass es keine Gespenster gäbe, außer in Geschichten und Märchen. Dann bat ich Erin, Rob nicht weiter zu verschrecken. Der Landlord entschuldigte sich. Er warnte uns nochmals vor dem Brunnen, tippte sich grüßend an die Mütze und ging mit weitausgreifenden Schritten den Pfad durch die Felder am Fluss entlang davon. Er verschwand hinter den Pappeln am Fluss. „Ein komischer Kauz“, sagte Tante Liz kopfschüttelnd. „Wenn sie hier in der Gegend alle so sind, dann Gnade uns Gott. Doch in einem hatte er Recht, und mein Gefühl und meine Vorahnungen haben mich nicht getrogen. Es ist hier nicht geheuer. - Wir sollten verschwinden.“ „Nein“, sagte ich stur. Ich fragte mich, ob mein Schwager Bertram von dem Spuk wusste. Da ihm normalerweise nichts entging, er seine spitze Nase in alles steckte und sogar das Gras wachsen hörte, musste er eigentlich gewarnt worden sein. Ein böser Verdacht keimte in mir auf. Hatte Bertram „Walbury Hill“ spottbillig eingekauft und mich hergeschickt, damit ich an dem Spuk scheiterte? Ich weigerte mich, das zu glauben. So skrupellos und gemein konnte mein Schwager nicht sein, sagte ich mir. Doch der Verdacht blieb und sollte wiederkehren. Thomas Erin hatte von zwei Personen gesprochen, die ständig im Gasthof wohnten. Bertram hatte fünf erwähnt. Erin hatte keinen Grund, mich anzulügen. Schreckte Bertram tatsächlich nicht davor zurück, meine durch Rogers Tod strapazierte Nerven an dem Spuk zu erproben und setzte er meine Gesundheit, die meines Kindes und auch die von Tante Liz aufs Spiel? Und wie verhielt es sich mit der übrigen Familie Ashborne, Tante Liz ausgenommen? Steckten sie mit Bertram unter einer Decke und billigten seinen Plan? Wenn es so war, handelte es sich um die übelsten Subjekte, die ich jemals kennen gelernt hatte. Ein Abgrund von Verworfenheit und Gemeinheit tat sich vor mir auf, und mir schauderte und es widerte mich an, da hineinzusehen. Ich rief mich zur Ordnung, ich wollte mich in nichts hineinsteigern. 14
Schweigend gingen wir zum Haus aus der Viktorianischen Zeit zurück. Tante Liz schaute sorgenvoll drein. „Du willst tatsächlich hier bleiben, Mary?“ „Ich bin fest entschlossen.“ „Und Rob? Denk an dein Kind.“ „Ich bleibe“, sagte ich ganz entschieden. „Vor etwas, was du angeblich in einem der Fenster des Hauses sahst, dummem Geschwätz, Träumen von dir und deinem Teeblattorakel laufe ich nicht davon. - Wo käme ich denn da hin? Es ist nichts Greifbares da, was mich schrecken würde.“ „Wenn es erst auftaucht, wird es zu spät sein“, sagte Tante Liz. „Doch ich verlasse dich nicht. Meine Seancen und Harrys Warnungen aus dem Jenseits, mein Teeblattorakel und mein magisches Pendel sind vielleicht die einzige Chance, die wir haben.“ Mir lag auf der Zunge zu sagen: „Das will ich nicht hoffen.“ Doch ich schwieg, um die herzensgute Seele Tante Liz nicht zu ärgern. Ich presste die Lippen zusammen. Etwas in mir, das ich selbst nicht definieren konnte, weigerte sich nachzugeben. Andere hatten mir verschiedentlich schon versichert, ich sei sehr couragiert. Auch Roger, mein verstorbener Mann, hatte bei ein paar Gelegenheiten meinen Mut bewundert. Ich hatte mich nie für besonders mutig gehalten oder mir etwas darauf eingebildet. Doch schon in meiner Kinderzeit in Wales war ich die Mutige Mary genannt worden. Einmal hatten zwei wilde Hunde meinen Bruder und mich auf dem Schulweg angegriffen. Während mein zwei Jahre älterer Bruder auf einen Baum kletterte, hatte ich einen am Wegrand liegenden Stock ergriffen und auf die Köter losgeprügelt, dass sie die Flucht ergriffen. Wo ich damals den Mut hergenommen hatte, wusste ich nicht. Auch bei anderen Gelegenheiten hatte ich ihn aufgebracht. Eine alte Frau hatte mir einmal prophezeit, mein übertriebener Mut würde mich irgendwann in ein großes Unglück stürzen und mein Leben kosten. Tante Liz erzählte ich nichts davon. Sie hätte sicher behauptet, jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen.
Wir schlugen ein Fenster ein, weil sich kein Schlüssel auftreiben ließ. Ich stieg durch das Fenster, hinter dem Tante Liz vorher angeblich die zähnefletschende rothaarige Fratze gesehen hatte, in die Gaststube ein. Drinnen roch es nach kaltem Rauch. Das Ehepaar, das „Walbury Hill“ im Stich gelassen hatte, hatte wenigstens aufgeräumt. Im Schlüsselkasten neben dem Sicherungskasten entdeckte ich etliche Schlüssel. Zwei an verschiedenen Bünden passten für die Haustüre. Jetzt ließ ich Tante Liz und meinen Sohn herein. Meine angeheiratete Tante schaute sich ängstlich um. Wir gingen durchs Haus, kontrollierten alles und schauten uns auch die Nebengebäude an, Garage, Schuppen und eine Remise. In der letzteren glühten uns zwei grüne Augen im Halbdunkel über dem Stapel mit Kaminholz an. „Astaroth, fahre aus!“ schrie Tante Liz grell, zeichnete mit der Rechten ein Kreuz in die Luft und hob mit der Linken das Kreuz an der Silberkette, das sie über der Kostümjacke trug. Astaroths Lichter funkelten uns weiter an. „Wir sind Kinder des Himmels und stehen im Licht“, intonierte die Tante Liz. „Mächte der Finsternis, weicht. Ihr habt keinen Anteil an uns. In den Abgrund, was dem Abgrund gehört. Wir gehören dem Herrn.“ Ich betete nicht, sondern ergriff ein Holzscheit und warf es. „Astaroth“ fauchte und floh mit hocherhobenem Schwanz. „Astaroth“ war nämlich ein schwarzer Kater. Ich tröstete Tante Liz. „Da läuft dein Astaroth. Es ist leider nicht der Teufel.“ „Spotte nicht, Mary. Immerhin handelt es sich um eine schwarze Katze. Das bedeutet Unglück.“ „Bitte, verschon mich mit deinem Aberglauben. Das einzige, was ich akzeptiere, ist, dass es Unglück bringt, wenn man aus dem dreizehnten Stock springt.“ Die gute Tante murmelte etwas, ich sei ein bemerkenswert unsensibler Mensch oder so ähnlich. Wir luden unser Gepäck aus und zogen ins Haus ein. Damit Tante Liz nicht weiter unkte, empfahl ich ihr, etwas „Weihwasser“ zu trinken. Es standen genug Flaschen im Regal über dem Tresen mit den handgeschnitzten schönen Säulen.
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„Aber nimm nicht zuviel. Sonst siehst du 'Astaroth' doppelt.“ „Dir wird dein Spott schon noch vergehen. Spürst du nicht die unheimliche Atmosphäre dieses Orts? Über diesem Haus liegt ein düsteres Geheimnis. Es ist riesig und unübersichtlich, birgt Alkoven, dunkle Ecken und viele Zimmer und Kellergewölbe. - Glaube mir, Mary, das Grauen wohnt in diesen Mauern.“ Rob spielte vorm Kamin der Gaststube mit seinen Spielzeugautos. Er hörte nicht mit. „Was ich vorhin hier gesehen habe, war keine schwarze Katze“, fuhr Tante Liz fort. Plötzlich klopfte es dreimal hart an die Haustür. Dumpf hallten die Schläge. Tante Liz zuckte zusammen. Rob schaute auf. Ohne zu zögern legte ich die Schürze ab, die ich zum Saubermachen angezogen hatte, und ging an die Tür. Zwei ältere Männer und ein jüngerer Mann standen vor der Tür. Neugierig schauten sie mich an. „Ist das Gasthaus wieder geöffnet?“ fragte einer der beiden Älteren. „Wenn Sie so wollen, ja. Treten Sie ein. Ich nehme an, Sie sind hier aus der Gegend. Herzlich willkommen. - Ich bin Mary Ashborne, die neue Besitzerin.“ „Gott schütze Sie, junge Frau“, sagte der andere ältere Mann. „Sie wissen nicht, worauf Sie sich eingelassen haben.“ Er schaute in die Gaststube. „Und ein Kind haben Sie auch dabei.“ Es war Abend geworden. Wir hatten das Licht angeknipst. Ich gab den drei Männern einen Drink. Dann brachte ich Rob zu Bett, auf den Tante Liz anschließend aufpassen musste. Weil ihm die Umgebung fremd war, mochte Rob nicht allein bleiben. Er würde im gleichen Zimmer im obersten Stock in der Gastwirtswohnung schlafen wie ich. Ich hatte ihm eine Gutenachtgeschichte erzählt. In der Gaststube fand ich neun weitere Männer vor, alle aus Hungerford, dem nahen Dorf. Sie schauten mich neugierig an. Sie nannten mir alle ihre Namen, und ich gab mir Mühe, sie mir zu merken. Einer, flotter als die anderen, wohl der Dorfcasanova, meinte, ich sei eine hübsche junge Wirtin. „Hier soll ein Ausflugshotel mit Reitgelegenheit und Golfplatz eingerichtet werden“, sagte ich. „Unter meiner Regie. Mit dem Umbau wird nach der Saison begonnen. Während dieser führe ich das
Hotel und den Pub wie gehabt.“ „Ob das dem Roten O'Brian gefällt?“ fragte ein flackernden Kamin sitzender Mann mit schlohweißem Haar. Er hatte sich mir als der Bürgermeister von Hungerford vorgestellt. Ich fragte ihn, wer O'Brian sei. „Ian O'Brian, der Gatten- und Selbstmörder“, murmelte der Bürgermeister. Beschwörend hob er die Hand, und sein tiefgefurchtes Gesicht zeigte Angst und Sorge. „Dieses Haus ist verflucht, glauben Sie mir, junge Frau. Am besten wäre, Sie würden sofort wieder abreisen.“ „Ich stamme aus Wales, wo man wahrhaftig genug Gespenstergeschichten kennt“, erwiderte ich. „Doch was ich hier erlebe, schlägt alles. - Wer ist Ian O'Brian?“ „Ihm hat dieser Gasthof einmal gehört.“ Knarrend setzte das Schlagwerk der Uhr auf dem Sims an der Wand ein. Zwölf Mal schlug sie, als ob es Mitternacht sei. Das wunderte mich. Es war nämlich erst zehn, und beim ersten Betreten der Gaststube, als ich auf die Uhr gesehen hatte, hatte sie noch die richtige Zeit angezeigt. Doch schließlich gab es Uhren, die falsch gingen. Das regte mich nicht auf. Hingegen sehr, dass ein dumpfes, hohles Gelächter aus dem Kamin erklang, als das Schlagen der Uhr verstummte. Man hörte schlurfende Schritte und ein Poltern, wie wenn ob ein Stuhl umfallen würde, über unseren Köpfen, obwohl in dem Zimmer oben niemand hätte sein dürfen. Dann rief eine heisere Männerstimme mit deutlichem irischen Akzent: „Brenda, du Schlampe, schäkerst du wieder mit anderen?“ Ein wüster Fluch folgte. „Beim heiligen Patrick, wenn du mich betrügst, bringe ich dich um!“ Die Männer wurden allesamt totenbleich. Einem, der vor mir am Tresen saß, sträubten sich buchstäblich die Haare. Der Dorfcasanova, ein Mann um die Dreißig, salopp gekleidet, den ich für einen Kleingewerbetreibenden hielt, sagte: „Das ist O'Brian!“ Er knallte mir eine Fünf Pfund-Note auf den Tresen, wartete nicht mal auf das Wechselgeld und wollte schleunigst den Pub verlassen. Andere Gäste standen auf. Es sah nach einem fluchtartigen Aufbruch aus. „Einen Moment, Gentlemen“, sagte ich. „Bevor ihr geht, will ich zuerst einmal in 16
dem Zimmer über der Gaststube nach dem Rechten sehen.“ Der Dorfcasanova bekreuzigte sich, als ich die große Stabtaschenlampe vom Regal nahm und hinterm Tresen hervorkam. „Gütiger Himmel, Sie wollen tatsächlich hinauf in das verfluchte Zimmer und dem Roten O'Brian die Stirn bieten?“ „Das ist mein Gasthaus, und ob einer rot oder blau ist, interessiert mich nicht. Er hat sich ordentlich zu benehmen. Das gilt auch für Geister, falls welche vorhanden sind.“ Die Männer und staunten und gafften mich an, als ob ich zwei Köpfe hätte. Seelenruhig verließ ich die Gaststube und stieg die Treppe hinauf. Hinter mir hörte ich den Bürgermeister sagen: „Ihr dürft sie nicht allein gehen lassen. Auf, Männer von Hungerford, steht der Lady bei.“ „Steh du ihr doch bei, Bürgermeister“, erhielt er zur Antwort. „Glaubst du, wir lassen uns von dir vorschicken?“ „Aber ich habe die Gicht und kann mich nicht mehr so schnell bewegen.“ „Wir haben auch alle was. - Nein, du bist der Bürgermeister, also geh du voran!“ Ich wartete nicht ab, bis sich die Helden von Hungerford über die Reihenfolge einigten, wie sie mir folgen wollten. Stattdessen schritt ich den muffig riechenden Korridor entlang. Die Tür des Zimmers, aus dem der Lärm und die Stimme ertönt war, fand ich verschlossen. Kräftig rüttelte ich an der Klinke. „Um Gotteswillen!“ rief der beleibte, grauhaarige Bürgermeister. „Mrs. Ashborne, reizen Sie bloß den Geist nicht! Der Rote O'Brian ist unberechenbar.“ Ich klopfte. „Ist da jemand?“ Keine Antwort. Hinter mir im Korridor und auch auf der Treppe standen die Männer aus Hungerford mit bangen Mienen. Wenn in dem Geisterzimmer, wie sie es nannten, jemand gehustet hätte, wären sie schnurstracks davongelaufen. Pah, dachte ich, woher rührt bloß die Redensart „Sei ein Mann“ oder „männlich“ und „mannhaft“. Das sollte Tugenden und Mut darstellen, während „Zaghaft wie ein Weib“ oder „wie ein altes Weib“ auf Angst hindeuten sollte. Nach meiner Erfahrung, was ich schon lange wusste, waren die meisten Männer Memmen und Feiglinge. Sie hatten große Münder und erfanden sich ihre Redensarten, um sich daran aufzubauen
und sich mutig zu fühlen. Ich lief hinunter, holte den Schlüsselbund und sperrte das „Geisterzimmer“ auf. Der Bürgermeister von Hungerford und seine heldenhaften Mitbürger lugten mir über die Schulter, als ich mit der Taschenlampe in den Raum hineinleuchtete. Das Licht funktionierte nämlich nicht. Der Lichtkegel erhellte ein Schlafzimmer, in dessen Mitte ein umgestürzter Stuhl lag. Von einem Deckenbalken, in den ein Haken eingedreht war, baumelte höchst theatralisch ein Seil mit einer Schlinge. Der Bürgermeister zuckte zurück. Dabei baumelte nicht mal ein Erhängter am Seil, sondern gar nichts und niemand. Als ich eintreten wollte, hielt mich ein Hungerforder am Arm fest. „Wissen Sie, was Sie tun, Mrs. Ashborne?“ „Natürlich. Oder wollten Sie in das Zimmer?“ „Nnnnein. Bbbitte nnach Ihnen.“ Ich schwöre, ich hörte, wie seine Zähne klapperten. Im Zimmer überprüfte ich alles. Dann zog ich die schweren Vorhänge zurück. Ein Fensterflügel war nur angelehnt. Als ich hinausschaute, sah ich niemand. Wilder Wein und Efeu hatten die Fassade teils überrankt. Doch ein erwachsener Mann konnte daran nicht klettern, dafür war das Gesträuch nicht stabil genug. Ich schaute hinunter. Silbrig lag das Mondlicht auf dem Anwesen und der Umgebung. Es war eine schöne Nacht. Licht fiel aus einigen Fenstern des Gasthofs „Walbury Hill“ hinaus. Ich sah niemanden und nichts Verdächtiges. Also schloss ich das Fenster wieder, stellte den Stuhl hin, stieg darauf und löste die Schlinge vom Haken. Die Tür war abgeschlossen gewesen. Es hatte kein Schlüssel im Schloss gesteckt. Ich fragte mich, wie das zusammenhing. Demnächst wollte ich mit den Constablern in Reading, der Kreisstadt, ein Wort reden, damit sie das Haus und die gesamte Umgebung genau untersuchen sollten. „Sie sind die mutigste Frau, die mir jemals begegnet ist, Mrs. Ashborne“, sagte der Bürgermeister von Hungerford bewundernd, als ich wieder vom Stuhl herunterstieg und das Zimmer verließ. Der Dorfcasanova und seine Mitbürger hinter ihm nickten zustimmend. Es fehlte nur noch, dass sie mir Beifall geklatscht 17
hätten. Ich winkte ab. „Ich habe nichts Besonderes getan“, sagte ich. Nachdem wir wieder in die Gaststube hinuntergegangen waren, verabschiedeten sich die Gäste bis auf den Bürgermeister Charles Downs, den sie Sundown Sonnenuntergang nannten, den Dorfcasanova, allgemein als der Schöne Simon bekannt, und einen weiteren Mann. Rasch leerte sich der Pub. Die Männer versprachen jedoch alle, wiederzukommen. Der Bürgermeister und beiden anderen fühlten sich sichtlich nicht wohl in ihrer Haut, obwohl keine weiteren Geräusche und Stimmen ertönten. Sie wollten sich jedoch keine Blöße geben und weglaufen, obwohl ich, eine Frau, soviel Mut gezeigt hatte. Wenigstens erschien Tante Liz nicht. Sie hatte die Laute in dem Zimmer im dritten Stock nicht gehört, was ein Trost war. Ich hatte mich für die Arbeit hinterm Tresen zuvor umgezogen und stand in einem ausgeschnittenen Kleid da. Eine hübsche Wirtin lockte die Gäste, besonders männliche, immer an. An sich war ich Hotelierin, doch die Gastronomie gehörte mit zum Geschäft. Bis ich Personal hatte, musste ich selber die Gastwirtin spielen. Ich wollte und brauchte Kontakt mit den Einheimischen, und auf die Weise, indem ich den Pub öffnete, konnte ich ihn erhalten. Der Bürgermeister erzählte mir von Ian O'Brian und seiner Frau Brenda. O'Brian, ein derber, rothaariger Ire, und seine schöne junge Frau hatten den Landgasthof am Fluss Kennet um 1870 herum besessen. Damals war das Haus erst wenige Art alt gewesen. Weshalb es die Erbauer so rasch verkauften, wusste heute niemand mehr. O'Brian war krankhaft eifersüchtig gewesen. Weil seine Frau für seinen Geschmack zuviel mit den Gästen flirtete. „Auch damals gab es schon welche wie den Schönen Simon“, sagte der Bürgermeister anzüglich. Der Dritte im Bund der Gäste, fast schon ein Greis und sehr wortkarg, zog an seiner Pfeife und murmelte: „Wohl, wohl.“ Eine Nachts hatte der Rote O'Brian seine unglückliche Frau in dem Brunnen ertränkt, an dem wir am Nachmittag gestanden hatten. Ob die Arme betäubt
gewesen war, als sie in den tiefen Brunnen geworfen wurde, entzog sich der Kenntnis des Bürgermeisters. Jedenfalls war sie in dem Brunnen ertrunken. „Der Gattenmörder O'Brian erhängte sich dann in dem Zimmer direkt über der Gaststube, aus dem wir vorhin die Geräusche und Worte hörten und wo Sie den umgestürzten Stuhl und die Schlinge fanden“, schilderte der Bürgermeister. „Der Rote Ian, auch der Rote Ire genannt, hängte sich an jenem Deckenbalken auf, von dem die Schlinge herunterbaumelte.“ Der Schöne Simon vollführte mit Gesten anschaulich, wie jemand sich einen Strick um den Hals legte und aufhängte. Er verdrehte die Augen, öffnete den Mund und zeigte die Zungenspitze. Ich fand das nicht lustig und sagte es ihm. „Der siebenjährige Sohn der O'Brians verschwand damals spurlos“, erzählte der Bürgermeister weiter. „Man hat nie wieder etwas von ihm gehört. - Seitdem ist es im Walbury Hill nicht mehr geheuer. Der Gasthof wechselte mehrfach den Besitzer, seit jene Tragödie geschah. Jahrelang stand er leer. Doch wegen der günstigen Lage und weil es an sich ein schönes Anwesen ist, fand sich immer wieder jemand, der ihn betreiben wollte. - Es spukt in Walbury Hill. Die Geister der ums Leben Gekommenen gehen um. Einmal im Jahr wiederholt sich das grausige Geschehen. Jeder, der hier wohnt, ist verflucht. - Es hat zahlreiche Unglücke und unnatürliche Todesfälle in Walbury Hill gegeben, auch Fälle von Wahnsinn und Nervenzusammenbrüche. Der letzte Todesfall geschah im Frühjahr vergangenen Jahres.“ Der Bürgermeister erzählte mir von der Siebzehnjährigen aus Hungerford, die in den Brunnen gestürzt war. Hineingerissen, hatte ihr Freund gesagt, der die Szene hatte mit ansehen müssen. Mit Stangen und einem Seil mit Haken hatte man die Unglückliche aus dem Brunnen geholt. Für sie war jede Hilfe zu spät gekommen. „Ist sie im Brunnen ertrunken?“ fragte ich den Bürgermeister. „Nein. Laut Obduktionsbericht starb sie an Herzversagen. Ihr Gesicht war grässlich verzerrt. Ein Schock hat sie umgebracht. Sie muss etwas so Schreckliches gesehen haben, dass ihr Herz stehen blieb.“ Ich fragte, ob schon einmal ein von dem Deckenbalken im „Geisterzimmer“ 18
herabbaumelnder Strick entdeckt worden sei. „Einmal?“ fragte der Schöne Simon. „Hundertmal ist das schon der Fall gewesen. Keiner weiß, wie es zugeht. Mit der Abdeckung des Brunnens ist es auch so eine Sache. Nach ein paar Tagen oder Nächten ist sie jeweils verschwunden, selbst wenn sie mit Eisenkrampen befestigt wird.“ Er wollte mir weitere Gruselgeschichten erzählen. Ich verbot es ihm. „Erzählen Sie das Ihrer Großmutter. Trinkt aus, Leute. Ich möchte schließen.“ Der Bürgermeister und der Schöne Simon warnten mich, in dem Spukhaus zu bleiben. Schließlich hätte ich das Gelächter und die Geräusche gehört und die Schlinge gesehen. Dass diese tatsächlich schon hundert Mal dort gehangen hätte, bezweifelte ich. Der Dorfcasanova übertrieb ganz gewaltig, wie ich ihn einschätzte. Die Männer bezahlten und verabschiedeten sich. „Die Frau hat keine Nerven“, hörte ich den Bürgermeister sagen, als er zu seinem Auto am Parkplatz ging. „Wohl, wohl“, sagte der Alte, den sie Fisch nannten. Ob er wirklich so hieß oder ob es ein Spitzname war, weil er meist stumm wie ein Fisch war, wusste ich nicht. Es klopfte an der Tür, die ich abgeschlossen hatte, als ich in der Gaststube aufräumte. Als ich das Fenster öffnete und hinausschaute, sah ich den Schönen Simon. „Soll ich über Nacht hier bleiben und Sie beschützen, Mrs. Ashborne?“ fragte er, und seine Augen glänzten. „Muten Sie sich da nicht zuviel zu? Fürchten Sie nicht den Roten O'Brian?“ „Für Sie nehme ich es mit ihm auf.“ „Sie wollen sich bloß in meinem Bett verkriechen“, sagte ich. „Das können Sie sich jedoch aus dem Kopf schlagen. Ich kann auf mich selbst aufpassen. Außerdem sind meine Tante Liz und mein Sohn noch im Haus.“ „Ich meinte ja bloß. Es war nur ein gut gemeintes Angebot. Wenn Sie es sich überlegen, sagen Sie es. Ich komme öfter und bis immer für Sie da. - Sie sind eine schöne Frau.“ Ich trug keine Witwentracht, also durfte er flirten. An Anzüglichkeiten hatte ich mich im Hotelgewerbe und in der Gastronomie längst gewöhnt. Es gab
Schlimmere wie den Schönen Simon, der vermutlich zum Bürgermeister und dem Alten gesagt hatte, er hätte etwas im Gasthof vergessen. „Gute Nacht.“ Damit schloss ich das Fenster. Der Dorfcasanova rannte zu seinem Auto, dass er fast die Schuhe verlor. Er fürchtete sich vor dem Spuk. Die beiden Autos fuhren weg. Ich atmete auf. Einen Moment erwog ich, mir einen Gin zu genehmigen. Doch ich unterließ es - es genügte, wenn Tante Liz „Weihwasser“ trank. Ein Tee würde es auch tun. Ich war im „Walbury Hill“ eingezogen und hatte die ersten Eindrücke erhalten. Wie es weitergehen sollte, wusste ich noch nicht. Doch ich wollte nicht aufgeben. * Am nächsten Morgen beim Frühstück schenkte ich Tante Liz reinen Wein ein. Sie stieß einen Schrei aus, als sie hörte, was sich am Vorabend abgespielt hatte. „Und du hast dich tatsächlich in das Geisterzimmer gewagt? Ich wäre vor Angst gestorben.“ „Wie du siehst, lebe ich noch.“ Während der Nacht war nichts mehr geschehen. Tante Liz schüttelte nur immer wieder den Kopf bei dem bloßen Gedanken an den Roten O'Brian und seinen Spuk. Rob plapperte fröhlich. Der Junge war keineswegs bedrückt. Mit vier Jahren hatte er noch keine Angst vor Gespenstern, wenn man ihm keine einimpfte. Wir räumten auf und putzten, doch ohne Personal würde es nicht möglich sein, den Gasthof zu führen. Dafür war ich auch nicht hergekommen. Tante Liz hatte ihren Neffen Bertram angerufen und teilte mir mit, er würde am Nachmittag aus London herkommen. „Den werde ich was erzählen“, drohte die resolute Frau im derben Rock. „Die Ohren sollen ihm klingen, dem Schuft. Uns in ein Spukhaus zu schicken!“ Sie brummelte vor sich hin, als sie die Diele schrubbte. Im Lauf des Tages erschienen einige Einwohner von Hungerford, Männer und Frauen, um sich anzusehen, wer im „Walbury Hill“ eingezogen war. An den Blicken, die sie mir zuwarfen, erkannte ich, dass sich mein Verhalten vom Vorabend 19
herumgesprochen hatte. Für die Hungerforder war ich die Frau ohne Nerven und die Furchlose Mary, die dem Spuk trotzen wollte. Trotzdem, auch das merkte ich, gaben die Hungerforder mir keine Chance. Im Dorf, wie Tante Liz, die immer alles erfuhr, mir erzählte, wurden schon Wetten abgeschlossen, wie lange wir aushalten würden. Ganz Abgebrühte meinten, ich würde bald in dem Brunnen landen, in dem Brenda O'Brian und das unglückliche Mädel im vergangenen Jahr ihr Ende gefunden hatten. Wie Tante Liz in Erfahrung gebracht hatte, sollten das Spukhaus und der Mordbrunnen noch drei weitere Opfer gefordert haben. „Ammenmärchen“, sagte ich und blies mir eine Haarsträhne aus der Stirn. In Jeans und Hemd hatte ich kräftig geputzt und geschrubbt und war tüchtig verschwitzt. „Du hast selbst mitgekriegt, was es mit den so genannten Ammenmärchen auf sich hat“, belehrte mich Tante Liz. „Du hast den gestrigen Spuk erlebt. Ich verstehe nicht, wie du so gelassen und kaltblütig darauf reagieren kannst.“ „Was soll ich denn sonst machen? Weg kann ich nicht, dafür steht zuviel auf dem Spiel. Wenn ich mich aufrege, schade ich nicht nur mir. Wir müssen die Nerven behalten. Ob das ein Spuk ist, steht für mich noch nicht fest.“ „Was soll denn dann ein Spuk sein, wenn das keiner ist?“ Tante Liz regte sich auf. „Muss dich der Rote O'Brian erst in den Brunnen werfen, um dich davon zu überzeugen?“ „Warum sollte er mich in den Brunnen werfen wollen?“ fragte ich. „Ich habe ihm nichts getan. Bisher besteht kein Anlass, das anzunehmen. Wenn es ein Spuk ist, ich betone das Wenn, muss man ihn entweder bannen, oder, wenn das nicht möglich ist, sich damit arrangieren.“ „Wie? Wann? Wo?“ „Woher soll ich das jetzt schon wissen? In Schottland gibt es zahlreiche Gespensterschlösser, deren Bewohner mit ihren Geistern in trauter Eintracht leben. Ab und zu spukt der Ahn, fällt das Henkersbeil um, mit dem ein Vorfahr enthauptet wurde, geht ein kettenrasselnder Geist durch die Gänge oder schwebt die Ahnin zu mitternächtlicher Stunde durch den Saal. Daran kann man sich gewöhnen. Es gibt Schlossbesitzer, denen es etwas
fehlen würde, wenn es ihre Schlossgeister plötzlich nicht mehr gäbe.“ Tante Liz rief: „Hör auf, hör bloß auf! Das kann ich nicht anhören, wie du über diese Dinge sprichst. Mir läuft es schon bei Tageslicht eiskalt über den Rücken, wenn ich nur an den Spuk von Walbury Hill denke. - Was würdest du tun, wenn dir der Rote O'Brian erschiene und dich bedrohen würde?“ „Ich würde versuchen, vernünftig mit ihm zu reden“, sagte ich im Hof, wo wir gerade standen, zu Tante Liz. „Warum er sich so verhält und so böse ist. Vielleicht kann man ihm helfen. Ich denke, es ist kein Spaß für ihn, seit über hundert Jahren keine Ruhe im Grab zu finden und spuken zu müssen. Er wird seinen Frieden wollen, und ich würde versuchen, ihn ihm zu verschaffen.“ Tante Liz kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. „Also, mit einem Spuk geht man anders um, denke ich. Man muss Angst davor haben.“ „Warum?“ fragte ich. „Geister sind auch nur Menschen oder waren mal welche. Jeder Mensch reagiert auf eine klare und freundliche Ansprache. Warum sollte ein Geist das nicht? Natürlich, wenn einer schreit, kreischt und panisch reagiert, stört das den Geist, der durch die Dimensionen irrt und vielleicht gar nicht recht weiß, was mit ihm vorgeht. Vielleicht werden Geister durch Panik erst recht provoziert. Denk nur an Hunde, bei denen der Jagdtrieb erwacht, wenn man vor ihnen davonrennt.“ Tante Liz bekreuzigte sich. „Allmächtiger!“ stöhnte sie. „Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Das muss ich mit Harry bereden.“ „Ja, frag ihn, was Sache ist. Ob es sich um einen echten Spuk handelt oder nicht. Wenn ja, soll er mit dem Roten Ian sprechen, von Gespenst zu Gespenst...“ „Mein Harry ist kein Gespenst. Er ist ein Verstorbener, mit dem ich Kontakt habe. Harry würde nie spuken. So einer ist er nicht.“ „Dann soll er den Roten Iren zu seiner Einstellung bekehren. Von Geist zu Geist, wenn du das lieber hörst. Er soll ihn fragen, was das denn soll, jedes Jahr die Eifersuchtstragödie mit seiner Brenda nachzuvollziehen, was für beide kein Spaß sein kann. Einmal umgebracht und sich aufgehängt reicht schließlich. So schön, dass man es jährlich begehen muss wie 20
seinen Geburtstag oder wie Weihnachten, ist es nicht.“ Jemand räusperte sich. Wir schauten uns um und sahen einen stattlichen jungen Mann vor dem Zugang zum Biergarten stehen. Er war hochgewachsen und blond, Mitte bis Ende Zwanzig und sportlich leger gekleidet. „So etwas Kaltblütiges ist mir noch nie begegnet“, sagte er bewundernd. „Meine Hochachtung, Mrs. Ashborne. - Mrs. Ashborne.“ Damit meinte er Tante Liz, vor der er sich knapp verbeugte. „Ich bin Peter Carter, der hiesige Arzt.“ Er hatte, wie er auf Nachfrage erklärte, in Hungerford seine Praxis. Dr. Carter war mit dem Auto hergekommen, das er an der Rückseite des Gebäudes abgestellt hatte. Wir hatten ihn nicht gehört, was gegen unsere Aufmerksamkeit sprach. Rob, mein Sohn, kam aus der Laube des Biergartens. Er musste mal zur Toilette, was er bei großen Geschäften allein noch nicht konnte. Tante Liz führte ihn zu dem stillen Ort. „Sind Sie tatsächlich schon ein richtiger Arzt, Dr. Carter?“ platzte ich heraus. „Ja. Ich bin 28, habe fertig studiert, was Assistenzarzt im St. Luke's Hospital in London und habe zum Beginn dieses Jahres die Praxis meines Vaters übernommen, der an einem Herzinfarkt starb.“ Der Trauerfall war noch frisch. Ich sprach Dr. Carter mein Beileid aus und erwähnte, dass ich im vergangenen Jahr meinen Gatten tragisch verloren hatte. Dr. Carter erwiderte den Beileidsspruch. „Meine Verlobte, die ich heiraten wollte, kündigte mir die Verlobung auf, als ich ihr meinen Entschluss mitteilte, die väterliche Praxis zu übernehmen“, berichtete Dr. Carter. Obwohl er verzerrt grinste, oder gerade deswegen, merkte ich, wie sehr ihn das getroffen hatte. „Hazel ist ein Stadtmensch“, sagte er. „Sie wolle sich nicht auf dem Land vergraben, teilte sie mir mit. Die Landpraxis oder ich, vor die Alternative stellte sie mich. Ich wählte die Praxis und dachte, sie würde einlenken. Aber sie meinte es ernst.“ Bitterkeit sprach aus den Worten des jungen Arztes. „Dann war Hazel nicht die richtige Frau für Sie“, sagte ich. „Eins ist mir nicht klar. Hatten Sie nie mit ihr darüber gesprochen, dass Sie einmal die Praxis Ihres Vaters weiterführen wollten?“
„Doch, schon. Doch Dad ist erst Anfang Fünfzig gewesen, ein Mann wie ein Baum, nie einen Tag krank. Wir dachten, er würde hundert werden und könnte noch lange tätig sein. Hazel meinte wohl, er würde seine Praxis noch zwanzig Jahre führen, und bis dahin wären wir zu einer Lösung gekommen. Als die Übernahme urplötzlich anstand, zeigte sie mir ihr wahres Gesicht. - Doch reden wir über ein anderes Thema. - Was fällt Ihnen ein, mit Ihrer alten Tante und einem Kind in das Walbury Hill-Haus einzuziehen? Was sind Sie bloß für eine Mutter, den kleinen Jungen solch einer Gefahr auszusetzen?“ „Was geht Sie denn das an?“ fragte ich. „Habe ich Sie vielleicht um einen Rat gefragt?“ „Ich bin Arzt.“ „Dann kümmern Sie sich gefälligst um Ihre Patienten und lassen Sie mich in Ruhe. Hier ist niemand krank. Wenn Sie als Gast herkommen wollen, sind Sie mir willkommen. Doch dann halten Sie sich aus meinen Privatangelegenheiten heraus.“ „Es ist unverantwortlich, was Sie da treiben. Erst im letzten Jahr hat es hier einen unerklärlichen Todesfall gegeben. So viele Häuser sind in England vorhanden, und ausgerechnet das suchen Sie sich aus.“ „Glauben Sie etwa an Gespenster? Ich denke, Sie sind Arzt und ein vernünftiger, wissenschaftlich denkender Mann?“ „Ich weiß nicht, was hier vorgeht“, antwortete der junge Arzt, „doch dass etwas vorgeht und dass Lebensgefahr besteht ist mal klar. Treiben Sie es nicht auf die Spitze.“ Obwohl er so grob mit mir sprach, gefiel mir Dr. Carter nicht schlecht. Er meinte es gut. Seine direkte Art störte mich nicht, denn er sprach nur das aus, was viele anderen dachten, aber nicht sagten. Er war der erste Mann, für den ich seit sehr langer Zeit wieder Interesse empfand. Solange Roger gelebt hatte, hatte ich keinen anderen angesehen. Nach seinem Tod waren sämtliche Gefühle in mir erstorben, was Männer und Liebe betraf, und ich hatte mich schon damit abgefunden, das würde immer so bleiben. Jetzt verbot ich mir meine Gedanken und schämte mich dafür. Unfreundlich fauchte ich Dr. Carter deshalb an: „Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe und kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten. Sonst brauchen 21
Sie nicht wiederzukommen.“ Dr. Carter wurde tatsächlich rot, was auf seinen hellen Teint zurückzuführen wahr. Er klappte die Hacken zusammen. Das hatte er wohl beim Militär so gelernt. „Wie Sie meinen. Empfehle mich. Wenn Sie mich brauchen, als Arzt meine ich, bin ich für Sie da. Und kommen Sie hinterher nicht zu mir und beklagen sich. Ich habe Sie vorher gewarnt. Aber Frauen wissen ja immer alles besser, sind launenhaft und stoßen einen vor den Kopf. Am besten, man lässt sich erst gar nicht mit ihnen ein.“ Mit diesen wütenden und ungerechten Worten ließ Dr. Carter mich stehen. Er verschwand um die Hausecke. Ich schnappte nach Luft und regte mich auf. „Also, das ist doch...“ „Der Gipfel, wolltest du sagen, meine Liebe“, sprach Tante Liz, die gerade mit Rob zurückkehrte und die letzten Sätze gehört hatte. „Du bist diesem netten, sympathischen Jungakademiker geradezu ins Gesicht gesprungen. Kratzbürstiger konntest du gar nicht sein. Da brauchst du dich hinterher nicht zu wundern, wenn er so reagiert.“ „Dein sympathischer Jungakademiker kann mir gestohlen bleiben.“ Damit verschwand ich im Haus, wo ich allerhand zu tun hatte.
„Diese Ammenmärchen haben erst im letzten Jahr einem Mädchen das Leben gekostet“, ereiferte sich Tante Liz. „Die Arme ist in den Brunnen gestürzt und war tot.“ „Sie hätte besser aufpassen sollen. Tragisch, aber was kann denn ich dazu? Mädels, seht zu, dass ihr das Geschäft in Gang bringt. Dann bauen wir um, haben bei der idealen Lage und den Bedingungen die reine Goldgrube, und alles ist in bester Ordnung. Ihr solltet das mit den Spukgeschichten nicht zu dramatisch sehen.“ Die Vorwürfe seiner Tante verpufften bei dem agilen Bertram. Er blieb gelassen und freundlich und wollte von nichts Bösem wissen. Er ließ sich nicht festnageln. Nach einer halben Stunde verabschiedete er sich wieder. „Ich wäre zu gern noch eine Weile geblieben. Doch leider rufen mich dringende, unaufschiebbare Termine. Ich wünsche weiterhin viel Erfolg. - Haltet mich auf dem Laufenden.“ Damit gab er Rob einen Kuss auf die Stirn, bevor ich es verhindern konnte. Bertram stieg in den Fond des Rolls Royce mit Chauffeur. Der schwere Wagen fuhr fast so lautlos wie ein Uhrwerk an. Bertram arbeitete während der Fahrt im Auto, wo er über ein komplett eingerichtetes Büro mit Telefon und Fax verfügte. Der Mann war ein Roboter, kannte nur seine Interessen und war bar jeder Moral und aller Gefühle, wenn es um seinen Profit ging. Roger, mein verstorbener Mann, war anders gewesen. Es war schon seltsam, wie unterschiedlich Brüder sein konnten. Ich war froh, als er wieder weg war. Von ihm konnten wir keine Gnade und keine Unterstützung erwarten. Entweder ich funktionierte und baute „Walbury Hill“ auf, wie er es wollte. Dann profitierte er. Oder ich scheiterte, und dann waren Bertram und die übrigen Ashbornes mich los. Abgesehen von Tante Liz wollten sie das. Wie man es drehte und wendete, der smarte Bertram gewann so oder so. „Denen werde ich was erzählen!“ Die grauhaarige Lady regte sich auf. „Ich schäme mich für meine Familie.“ „Beruhige dich, Tante Liz.“ Ich wischte Rob mit dem Papiertaschentuch über die Stirn, wo ihm Bertram den Judaskuss aufgedrückt hatte. „Wir werden es schon
* Am Nachmittag erschien Bertram Ashborne mit einer Miene, als ob er noch nie ein Wässerchen getrübt hätte, aus London. Er stieg aus seinem dunkelblauen Rolls Royce, börsianermäßig angezogen, eine Nelke im Knopfloch, betrat die Gaststube und fragte scheinheilig, wo denn das von ihm angeworbene Personal sei. „Sie sind weggelaufen und haben alles im Stich gelassen!“ fuhr Tante Liz, die am Putzen war, ihren Neffen gleich an. „Hier spukt es nämlich, und du hast es gewusst.“ Bertram Ashborne, mit Schirm, ohne Charme und Melone, im tadellosen Zweireiher wiegelte ab. „Nun, nun, ein Hausgeist hat dem Geschäft noch nie geschadet. Schließlich sind wir in Merry Old England, wo Spuk und Hausgeister sozusagen zum guten Ton gehören. So schlimm wird es nicht sein. Abergläubisches Geschwätz, man kennt das ja. Ammenmärchen.“ 22
schaffen.“ Ich wünschte, ich wäre so sicher gewesen, wie ich mich gab. Abgesehen von Tante Liz, der treuen Seele, war ich von allen verlassen.
Wein hoch. Im zweiten Stock öffnete sie ein angelehntes Fenster und verschwand im Haus. Die hochgewachsene Person bei der Scheune schaute zu. Sie murmelte mit irischem Akzent Flüche und Verwünschungen vor sich hin. „Brenda, du Flittchen, das wirst du bereuen! Noch einmal betrügst du mich nicht. Der Rote Ian lässt nicht mit sich spaßen. - Du willst zu deinem Liebhaber? Am Grund des Ziehbrunnens sollst du ihn finden.“ Ein irres Gekichere folgte. Dann murmelte die Person mit dem Schlapphut: „Brenda, bring den Ale und den Whiskey in die Gaststube! - Beeil dich, du Schlampe. Hast wieder im Biergarten bei deinem Verehrer auf dem Schoß gesessen. - Doch das will ich dir austreiben. - Brenda, wo bleiben das Bier und der Braten?“ Die kleine Gestalt schlich durchs Haus. Manchmal lief sie aufrecht, dann wieder auf allen Vieren. Sie schien im Dunkeln sehen zu können wie eine Katze, oder sie kannte jeden Fußbreit Boden im Haus. Lautlos bewegte sie sich. Nur manchmal knarrten die Dielen kaum wahrnehmbar, wenn sie darüber hinwegging. Die unheimliche Erscheinung witterte vor den Türen, als ob sie dadurch wahrnehmen könnte, was sich dahinter befand. Zuerst öffnete sie Robs Schlafzimmer. Der Junge schlief tief und fest. Die Gestalt schlich an sein Bett, beugte sich über das Kind, das im Schlaf leise wimmerte und unruhig wurde, als ob sein Unterbewusstsein es warnte. Das Wesen fletschte breit grinsend die Zähne. Es bewegte eine klauenartige Hand über dem Gesicht des schlafenden Kindes. Dann huschte es wieder hinaus. Die nächste Tür, die die Erscheinung aufdrückte, war die des Schlafzimmers von Liz Ashborne. Alle drei Privatzimmer befanden sich im dritten und obersten Stock. Die gute Tante Liz ahnte nicht, was sich ihrem Bett näherte. Sie wälzte sich unruhig im Schlaf. „Harry“, seufzte sie, „pass auf mich auf.“ Das Wesen verzerrte sein Gesicht abermals. Es schnüffelte und witterte. Dann verließ es lautlos, wie es gekommen war, wieder den Raum und wandte sich zu dem nächsten Schlafzimmer.
* Lange nach Mitternacht war es, als eine dunkle Gestalt vom Hügel mit der Ruine des alten Herrenhauses herunter zum Gasthof schlich. Dort brannte kein Licht mehr. Der Vollmond trat zwischen den Wolken hervor und goss sein bleiches Licht über das Land. Aufragende Gegenstände warfen lange schwarze Schatten. In der Ferne heulte unheimlich ein Hund den Vollmond an. Die dunkle Gestalt lief die Allee entlang, hielt sich im Schatten und blieb beim Brunnen stehen. Sie stand davor, wandte den Kopf nach allen Seiten und war dann in dem finsteren Brunnenschacht verschwunden, als ob er sie verschluckt hätte. Gedämpfte Geräusche drangen heraus. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Wesen wieder erschien, katzenhaft gewandt hervorstieg, sich schüttelte, die Zähne fletschte und sich dann zu dem Gasthof wandte. Auf allen Vieren lief die Erscheinung, dann wieder aufrecht. Sie erreichte die Hecke, spähte und witterte und sah sich nach allen Seiten um. Unter einer Kapuze war ein bleiches, verzerrtes Gesicht zu sehen, über dem ein wirrer Schopf roter Haare aufragte. Das Wesen gab gutturale Laute von sich. Es wollte zum Haus laufen. Doch da stutzte es, hielt lauschend inne, wobei die gesamte Haltung ein gespanntes Lauschen ausdrückte, und wandte sich zur Scheune. Hinter der Scheune wartete jemand, hochgewachsen und klotzig. Ein breitkrempiger Hut beschattete das Gesicht darunter. Das kleinere Wesen, die dunkle Gestalt, die zuerst erschienen war, duckte sich vor der Gestalt. Diese deutete auf das Haus. Der Dunkle mit der Kapuze nickte eifrig und lief hin. Dabei nutzte er jede Deckung aus. Ein zufälliger Beobachter hätte ihn kaum sehen können. Katzenhaft gewandt stieg die Erscheinung an dem Efeu und wilden 23
Dort ruhte Mary Ashborne. Bei ihr verharrte die Erscheinung am längsten. Sie starrte die schlafende junge Frau an. Mary hatte den Fensterladen nicht geschlossen. Sie war zu müde gewesen, völlig erschlagen von der vielen Arbeit und all ihren Sorgen. Ein breiter Streifen Mondlicht fiel ins Zimmer und beleuchtete ihr schönes, im Schlaf entspanntes Gesicht. Mary merkte nichts von dem ungebetenen Besuch. Die Erscheinung hockte sich auf einen Stuhl, zwergenhaft klein und verkrümmt, und legte die affenartig langen Arme um die Knie. Lange saß das Wesen da, und es war, als ob es vor sich hin träumte. Der Morgen dämmerte schon grau in das Zimmer, als draußen ein Pfiff ertönte. Das Wesen hob den Kopf, fuhr sich mit der krallenartigen Hand mit den langen Fingernägeln durch die zottigen Haare und lauschte. Abermals wurde gepfiffen, als ob jemand einen Hund herbeipfeifen wollte. Das Wesen schaute noch einmal zu der schlummernden jungen Frau. Seine Miene verzerrte sich und zuckte krampfhaft. Dann huschte es auf allen Vieren hinaus, schloss lautlos die Tür und erreichte wieder den Raum, in den es zuerst eingestiegen war. Im Dorf Hungerford krähten die Hähne schon, als die Erscheinung am Efeu und wilden Wein hinunterkletterte und zur Scheune lief. Der hochgewachsene, klotzige Mann mit dem Schlapphut wartete. Er hielt eine Hundepeitsche in der Hand. Damit versetzte er dem aufwinselnden kleinen Wesen zwei klatschende Hiebe. „Wo hast du solange gesteckt, Taugenichts? Die Sonne geht auf. Wir müssen verschwinden. - Los, zur Ruine des Herrenhauses. Die Sonne soll uns nicht sehen.“ Beide liefen zum Hügel, wo düster die Ruine ins Morgenlicht ragte. Selbst die Vögel schienen dort leiser zu zwitschern. Zwei Raben flogen krächzend von der Ruine auf. Feuchter Dunst stieg aus dem verrufenen Brunnen, der zum Landgasthaus „Walbury Hill“ gehörte. Die große und die kleine Erscheinung verschwanden in den teils mit Efeu überrankten und bemoosten Ruinen am Hügel.
* Tante Liz' lautes Gezeter weckte mich auf. „Bei mir ist jemand im Zimmer gewesen! Wir werden noch allesamt nachts umgebracht werden.“ Ich stand auf - gern hätte ich noch eine Weile geschlafen - und ging zur Tante hinüber. Sie saß aufrecht im Bett, in einem langen, baumwollenen Nachthemd, wie es längst außer Mode war, und deutete auf den Boden. Zunächst konnte ich nichts erkennen. Das sagte ich auch. „Ich habe Fäden gespannt“, klärte Tante Liz mich auf. „Jetzt sind sie zerrissen.“ Das war tatsächlich der Fall. Mich regten die paar zerrissenen Zwirnsfäden nicht sonderlich auf. „Vielleicht ist es eine Katze gewesen.“ „Unmöglich. Was redest du, Mary? Erstens zerreißt eine Katze solche Fäden nicht. Zweitens war die Tür geschlossen. Die Katze musst du mir zeigen, die eine Tür lautlos öffnet und schließt. - Nächstens werde ich Mehl auf den Boden streuen. Dann kann ich die Spuren genau erkennen. Das hätte ich gleich tun sollen.“ „Vielleicht bist du schlafgewandelt.“ „Das wäre das erste Mal in meinem ganzen Leben.“ Ich überlegte. Tante Liz hatte ein halbes Dutzend schwarzer Zwirnsfäden akribisch kreuz und quer durchs Zimmer gespannt. Drei davon waren zerrissen. „Mir ist neu, dass Gespenster Fäden zerreißen“, sagte ich, gähnte und raffte den seidenen Hausmantel zusammen. „Soviel ich weiß, können Geister durch Wände gehen und sind keine stofflichen Wesen. Aber was hat dann die Fäden zerrissen?“ „Das wüsste ich auch zu gern“, meinte die Tante Liz. „Mary, ich sage dir, wir sind hier nicht allein. - Ich werde die Teeblätter befragen und eine Seance abhalten. - Wenn Harry sich doch nur endlich meldete. Zweimal habe ich schon vergeblich mit ihm Kontakt aufzunehmen. Böse Kräfte stellen sich dem entgegen und verhindern es. - Es liegt ein Fluch auf diesen Mauern.“ Tante Liz seufzte. Dann fuhr sie fort: „Harry wird traurig sein, wenn ich mich nicht an ihn wende. Am Ende glaubt er noch, ich hätte ihn vergessen.“ „Oder du wärst ihm untreu geworden und hättest jetzt einen anderen Geist.“ 24
Das hätte ich besser nicht gesagt. Tante Liz schimpfte mich eine Ungläubige und eine Blasphemikerin. „Harry ist der einzige Geist, mit dem ich verkehre - ich meine, Kontakt habe“, sagte sie. „Zwischen uns gibt es ein starkes Band, über den Tod hinweg.“ Ihr Gesicht verklärte sich, anders konnte ich es nicht nennen. Jeglicher Spott verging mir. „Damals wollte ich sterben, als Harry tot war. Deshalb kann ich auch gut verstehen, was du mir von deinem Erlebnis zum Zeitpunkt von Rogers Tod erzähltest. Der Mensch ist mehr, als nur die Materie. Diejenigen, die wir lieben, sind immer ein Teil von uns, und auch die, die wir hassen. Der Tod ist nur der Übergang in eine andere Daseinsebene. - Als ich damals sterben wollte, sprach Harry zu mir. Ich hörte seine Stimme, und ich sah ihn, wie ich dich jetzt vor mir sehe. Deine Zeit ist noch nicht erfüllt, Elizabeth, sprach er. Sei nicht traurig - bald werden wir wieder vereint sein. Wenn du dein Leben gelebt und deine irdischen Aufgaben erfüllt hast, und nur dann, werden wir wieder vereint. Ich bin immer bei dir. - Eines Tages wirst du dahin gehen, wo ich jetzt bin. Zu dir zurückgehen kann ich nie.“ „Und was ist mit eurem Kontakt bei den Seancen?“ fragte ich. „Das ist etwas anderes, keine Rückkehr aus dem Totenreich.“ Tante Liz sah aus wie ein junges, verliebtes Mädchen. Sie liebte jenen Harry noch immer, und sie war ihm treu. Als ob sie meine Gedanken erraten würde, sagte sie: „Ich bin ein besonderer Fall. Bei dir sieht es anders aus. Du kannst dein Leben nicht dem Andenken an einen Toten weihen. Irgendwann wirst du dich in einen anderen Mann verlieben. Das Leben gehört den Lebenden.“ Das musste sie mir gerade sagen. Da ich ohnehin wach war, begann ich den Tag, duschte, zog mich an, machte meine Morgengymnastik und frisierte und schminkte mich. Inzwischen war Rob aufgewacht. Tante Liz hatte schon das Frühstück bereitet. Sie verband das Praktische mit dem Okkulten, indem sie, weil sie sowieso aus den Teeblättern lesen wollte, gleich den Morgentee kochte. Zu dritt saßen wir dann beim Frühstück. Es war ein Maitag, wie er schöner nicht sein konnte. Trotzdem hing wie eine düstere Wolke die Drohung des Spuks
jenes Roten O'Brian über uns allen. Obwohl ich mich zuversichtlich gab, setzte sie mir schwer zu. Ich wünschte, Roger wäre nicht verstorben. Dann wäre ich nie in die Lage gekommen, in der ich mich jetzt befand. Rob plapperte munter. Tante Liz zog mich dann zur Seite, ins andere Zimmer. „In den Teeblättern habe ich Unheil gelesen“, verkündete sie mir mit theatralischer Stimme. „Wehe, wehe, dreimal wehe. Wir sind hier unseres Lebens nicht sicher.“ „Ja“, sagte ich seufzend. „Das ist man nie. Wer jedes Risiko vermeiden will, darf auch nicht mehr atmen. Denn es gibt Bakterien in der Luft, von denen manche tödlich sind.“ Tante Liz meinte, ich sei unbelehrbar, und kündigte an, eine Geisteraustreibung in dem Haus vornehmen zu wollen. Das sah so aus, dass sie am Nachmittag alles mit Weihrauch ausräuchern und dazu Beschwörungsformeln rezitieren wollte. Das verbat ich mir, solange Rob im Haus war. Er sollte nicht in Furcht und Schrecken versetzt werden. Tante Liz führte ihren Zinnober auf, während ich mit meinem vierjährigen Sohn einen Spaziergang am Fluss entlang unternahm. Als wir zurückkehrten, war Tante Liz noch immer zugange. Sie sang ein altes Kirchenlied und bat dann die guten Geister, die bösen doch zu vertreiben. Das ganze große Haus war von Weihrauch geschwängert. Ich riss alle Türen und Fenster auf, um frische Luft hereinzulassen. Tante Liz erklärte, leider sei ihr bei der Seance der Kontakt mit dem Geist ihres vor über drei Jahrzehnten tödlich verunglückten Bräutigams wieder misslungen. „Harry fehlt mir so sehr“, klagte sie. Dazu fiel mir nichts an. Später kam Dr. Carter. Er war am Vortag verstimmt weggefahren. Jetzt entschuldigte er sich bei mir, dass er zu unfreundlich mit mir gesprochen hatte. Ich sagte, er solle es vergessen - ich hatte mich genauso im Ton vergriffen. Der gutaussehende junge Arzt ließ mein Herz höher schlagen und brachte mich in Verlegenheit, was ich überspielte. Er trank ein Glas Ale in dem Gasthof, den wir am frühen Nachmittag jeweils öffneten. „Ich werde versuchen, in Hungerford Personal für Sie zu finden, Mrs. Ashborne“, versprach er mir. „Sollte das 25
nicht gelingen, empfehle ich Ihnen, es in Reading zu versuchen. In der Kreisstadt sind die Leute weniger abergläubisch wie in dem Dorf Hungerford.“ „Sind Sie nicht mehr der Meinung, dass ich hier fehl am Platz bin?“ fragte ich und freute mich, dass ich mich schick und adrett gekleidet hatte. „Wenn Sie mich so fragen, doch. Nach wie vor meine ich, dass Sie einen schweren Fehler begehe, wenn Sie versuchen, den Gasthof zu führen, Mrs. Ashborne. Doch ich kann nicht zusehen, wie Sie ins Unglück rennen, und dabei keinen Finger rühren. - Also helfe ich Ihnen.“ „Gegen Ihre Überzeugung?“ fragte ich lächelnd. „Vielleicht geschieht es wegen Ihres Sohnes. Ich bin kinderlieb.“ Das glaubte ich ihm nicht. Dr. Peter Carters Augen glänzten, wenn er mich anschaute. Ob er es wahrhaben wollte oder nicht, ich erweckte in ihm Gefühle, die er sich noch nicht eingestand. Auch er war mir nicht gleichgültig, doch ich wollte abwarten und mein Herz prüfen. Noch war der Schmerz um Rogers Tod zu frisch und zu stark bei mir, als dass ich mich einem anderen Mann hätte zuwenden können. Und der erste Kontakt mit Dr. Carter war unerfreulich verlaufen. Er verabschiedete sich wieder. Sein Geländewagen fuhr davon und verschwand hinterm Hügel. Kurz danach trabte ein Reiter an Thomas Erin, der Landlord, unser Nachbar. Er sagte, er hätte von dem Spuk gehört, der in der ersten Nacht aufgetreten war, die wir in „Walbury Hill“ verbracht hatten. „Reicht Ihnen das nicht? Wollen Sie abwarten, bis Ihnen der Rote O'Brian den Garaus macht? Mit ihm ist nicht zu spaßen.“ „Mit mir auch nicht“, erwiderte ich. „Das ist mein Besitz, und ich trete ihn auch an Tod und Teufel nicht ab.“ „Das werden Sie noch bereuen“, brummte der Landlord. „Doch jeder ist seines Glückes Schmied.“ „Besonders, wenn er sich auf den Daumen haut“, sagte ich. Thomas Erin starrte mich an. Im ausgeschnittenen Sommerkleid, es war ein warmer Tag, stand ich vor ihm. „Sie sind wirklich kaltblütig“, sagte er. „Wenn Sie ein Mann wären, könnten Sie es bei dem Cold Stream Guards, der
Elitetruppe Ihrer Majestät, zu der ich während meiner Militärzeit gehört, weit bringen.“ „Danke. Ich bleibe lieber eine Frau.“ Erin saß ab und setzte sich in den Biergarten. Tante Liz brachte ihm eine Portion Roastbeef - unsere Speisekarte war noch nicht sehr umfangreich - und er aß mit gutem Appetit. Wegen des Spuks sagte er nichts mehr. Gegen Abend erschienen weitere Gäste, ein paar Ausflügler und Einwohner von Hungerford. Der Schöne Simon, der Dorfcasanova, war mit dabei. Er verschlang mich beinahe mit den Augen und warf regelmäßig mit dem Dartpfeil an der Scheibe vorbei, wenn ich in der Nähe war. „Du hast hier einigen Männern den Kopf verdreht“, sagte Tante Liz, die in der Küche am Herd stand und auch sonst wacker mit zupackte. „Wenn du so weitermachst, liegt dir bald ganz Hungerford zu Füßen.“ „Darauf kann ich verzichten“, erwiderte ich. „Lieber wäre es mir, wenn wir endlich Personal fänden. Charlie Downs, der Bürgermeister, hat mir ausrichten lassen, aus Hungerford wäre niemand bereit.“ „Oh je.“ Tante Liz seufzte abgrundtief. Gegen 22 Uhr ging es dann wieder los. Ein schauriges Gelächter gellte durch den Kamin. Es schepperte und klapperte im ganzen Haus, als ob der Teufel unterwegs sei. Und ein dumpfer Schrei gellte schaurig vom Brunnen her. Dann polterte es wieder über unseren Köpfen. „Brenda!“ rief laut eine dröhnende Stimme. „Du hast mich betrogen. Jetzt ist es genug. - Hinab in den Brunnen mit dir! Stirb! Stirb! Stirb!“ Die Gäste stoben davon wie eine Hühnerschar, auf die der Habicht herunterstieß. Im Nu waren wir zwei Frauen, Tante Liz und ich, allein in der Gaststube. Die Ausflügler waren schon früher gegangen. Die Einwohner von Hungerford, diese Helden, ließen uns zwei im Stich. Rob schrie im dritten Stock gellend. Er war aufgewacht. Ich rannte die Treppe hoch und presste mein Kind an mich. „Was ist das für ein Lärm, Mama?“ fragte der Vierjährige. Er zitterte an allen Gliedern. „Ich fürchte mich.“ 26
Ich kam mir wie eine sehr schlechte Mutter vor, dass ich Rob diesem Terror aussetzte. Das Leben und die Gesundheit meines Kindes durfte ich nichts aufs Spiel setzen. Eher musste ich mein Vorhaben aufgeben, mich in „Walbury Hill“ zu behaupten. Tante Liz erschien. Ich ließ Rob in ihrer Obhut zurück und betrat wieder das Geisterzimmer direkt über der Gaststube. Mitten im Zimmer lag ein umgestürzter Stuhl. Und die Schlinge, genauso anzusehen wie jene, mit der sich damals der Rote O'Brian erhängt hatte, baumelte von dem Deckenbalken. Mich streifte ein kalter Hauch. „Flieh, solange noch Zeit ist!“ rief eine Stimme, die aus der Wand zu dringen schien. „Oder du landest im Brunnen.“ BrunnenBrunnenBrunnen. Das Echo gellte schaurig durchs Haus wie durch einen riesigen Tonkörper. Das Fenster stand offen. Der Vorhang flatterte. Ich zwang mich, zum Fenster zu gehen und hinauszuschauen. Den Mut wie zuvor hatte ich nicht mehr. Was hier geschah, setzte mir zu. Wie magisch angezogen schweifte mein Blick zu dem Brunnen, siebzig Meter vom Haus entfernt. Ein unheimliches, grünliches Leuchten drang aus dem Brunnenschacht. Und vor der Brunnenumrandung stand eine dunkle Gestalt, die ich nur schattenhaft sehen konnte. Sie winkte mir zu und war mit einem Sprung in dem Brunnen verschwunden. Mir grauste es. Ich zitterte, und der kalte Schweiß brach mir aus. Was sollte hier noch geschehen? Tante Liz' Geisterbeschwörung samt Ausräuchern des Hauses mit Weihrauch hatte nichts genutzt. Im Gegenteil, wie sie mir kurz darauf sagte, sie hatte höchstens geschadet und den Spuk noch gereizt. „Die Teeblätter haben nicht gelogen“, sagte Tante Liz, als Rob dann endlich wieder schlief, in meinem Bett, denn nach dem Schrecken konnte ich ihn nicht allein ins seinem Zimmer lassen. „Wir sind in der größten Gefahr.“ Sollte ich aufgeben, kapitulieren und „Walbury Hill“ verlassen? Sollte ich meinem Schwager Bertram und die restliche Ashborne-Sippe, abgesehen von Tante Liz, triumphieren lassen? In jener Nacht war ich fast soweit.
* Es gab keinen weiteren Spuk mehr in dieser Nacht. Dafür erschien Dr. Carter, der in Hungerford von dem Spuk gehört hatte. Die Sorge um uns hatte ihn hergetrieben. In seiner Begleitung, mit einer Stabtaschenlampe ausgerüstet, ging ich zum Brunnen, aus dem kein Leuchten mehr drang. Wir leuchteten in den Schacht. Kein Laut war zu hören. Doch dann sah ich, dass in dem trüben Wasser ein kopfloser menschlicher Torso schwamm. Ich leuchtete in dem sechs Meter tiefen, gemauerten Brunnenschacht umher. Da war eine Nische, und in dieser Nische befand sich ein Kopf. Er war am Hals aufgestellt. Die Augen starrten zu uns herauf. Aus dem linken Mundwinkel sickerte Blut. Es war der Kopf einer rothaarigen Frau. „Das ist Brenda O'Brian!“ rief ich, und mir schwanden die Sinne. Es war zuviel, was ich in den letzten Tagen erlebt hatte. Die Zeit davor, der schwere Unfall meines geliebten Mannes, sein Siechtum, das letztendlich dann doch mit dem Tod endete, die Querelen mit seinen Verwandten, die finanziellen Verluste, das alles hatte an meinen Nerven gezehrt. Als ich wieder zu mir kam, lag ich im taufeuchten Gras, Dr. Carters Jacke unter dem Kopf. Er und Tante Liz bemühten sich um mich. Rob stand dabei, nur mit einem dünnen Schlafanzug bekleidet, und schluchzte bitterlich. „Mama, bitte, wach auf! Meine Mama ist tot.“ Peter Carter zog gerade eine Spritze auf, als ich wieder zu mir kam. Ich drückte seine Hand mit der Spritze weg. „Das brauche ich nicht. Ich bin wieder ok. - Also wirklich, wie könnt ihr den Jungen so dünn angezogen hier draußen lassen?“ Dr. Carter und Tante Liz schauten schuldbewusst drein. Ich setzte mich auf. Am Nachthimmel funkelten die Sterne. Ich schämte mich, weil ich ohnmächtig geworden war, zum ersten Mal in meinem Leben übrigens. Dr. Carter bot mir die Hand, als ich aufstand. Fest und sicher stand ich auf den 27
Beinen. Der Schwächeanfall war vorbei. Als erstes schickte ich Tante Liz mit meinem Sohn ins Haus. Dann leuchteten Dr. Carter und ich nochmals in den Brunnen. So sehr wir auch leuchteten und wo wir auch hinschauten, es waren kein Torso und auch kein abgetrennter Kopf mehr zu sehen. Der dunkelblonde, hochgewachsene Arzt fasste es nicht. „Das gibt es nicht“, sagte er mehrmals. „Ich habe es doch mit meinen eigenen Augen gesehen. Jetzt fange ich auch an zu glauben, dass es hier spukt und der Rote O'Brian sein Unwesen treibt. Das hätte ich niemals für möglich gehalten. Dafür habe ich neun Semester Medizin an der Universität von Birmingham studiert, um mich jetzt hier mit einem Spuk herumzuschlagen.“ Ich schüttelte nur immer wieder den Kopf. Ich war fertig mit Gott und der Welt, wie man so sagte. Im Haus drinnen genehmigte ich mir erst mal einen doppelten Kognak. Meine Hände zitterten nämlich. Dr. Carter mahnte mich, es mit dem Kognak nicht zu übertreiben. „Nicht, dass Sie noch zu einer Säuferin werden, Mary.“ Ich regte mich auf. Fast hätte ich den Dorfarzt wieder barsch angefahren, er solle gefälligst aufhören, mich wie ein unmündiges Kind zu behandeln. Doc ich beherrschte mich - immerhin war Dr. Carter extra aus Hungerford hergefahren, als er hörte, dass es im Landgasthof wieder spukte und wir zwei Frauen mit dem vierjährigen Rob in Not waren. Der Arzt mochte mich, obwohl er sich bärbeißig gab. Das sah ich an seinen Blicken und spürte ich. Wir durchsuchten die Räume des Landgasthofs gründlich und suchten nach Spuren, die auf eine natürliche Ursache für den Spuk hätten schließen lassen. Doch wir fanden nichts. Der Morgen graute. Doch die aufgehende Sonne vertrieb unsere Sorgen nicht. „Der Rote O'Brian geht um“, murmelte Tante Liz dumpf. „Gott schütze uns.“ „God save the Queen“, sagte ich. „Gott schütze die Königin. Ich bin leider keine. Wir müssen uns selber helfen.“ Dr. Carter murmelte sorgenvoll, ich solle, wenn ich schon nicht nachgab, wenigstens Rob wegbringen.
„Haben Sie keine Verwandten, die Ihren Sohn aufnehmen können, Mary?“ „Und die ihn dann gleich behalten und adoptieren, wenn der Spuk von Walbury Hill mir den Hals umgedreht hat?“ fragte ich. „Das wollen wir doch nicht hoffen“, erwiderte Dr. Carter entsetzt. Ich zermarterte mir den Kopf, um einen Ausweg aus der Misere zu finden. Doch mir fiel keine Möglichkeit ein, den Spuk zu beenden. Für alle möglichen und unmöglichen Probleme gab es Spezialisten. Doch Geisterjäger und Exorzisten waren selten, und ich wusste nicht, wie ich an einen solchen herankommen sollte. Sich an den Pfarrer von Hungerford zu wenden, fiel weg. Er hatte bereits bei früheren Gelegenheiten im Landgasthof Weihwasser versprengt und einen Segen gesprochen. Das war völlig nutzlos gewesen. Tante Liz hatte einen ihrer berühmten Geistesblitze. „Ich habe in Büchern gelesen, dass man Vampire mit Kreuzen und Knoblauch abschrecken kann. Vielleicht nutzt das auch beim Roten O'Brian.“ „Er ist aber kein Vampir, liebe Tante“, sagte ich in der Gaststube zu ihr. „Einen Versuch wäre es doch wert“, gab Tante Liz zu bedenken. „Sollen wir vielleicht alle auf Verdacht pfundweise Knoblauch essen und wie die Pest riechen?“ fragte ich. „Das würde mit Sicherheit noch die letzten Gäste vergraulen. Wir müssten den Walbury Hill in The Garlic - Die Knoblauchzwiebel umbenennen.“ Die sonst so resolute Frau mit dem kurz geschnittenen grauen Haar und den wettergegerbten Gesichtszügen zeigte sich tief verstört. Sie hatte seit sie im „Walbury Hill“ war keinen Seancenkontakt mit ihrem vor langer Zeit verstorbenen Bräutigam Harry mehr. Das setzte ihr zu. Dazu kam noch der Spuk. Das Telefon in der Gaststube klingelte. Schwager Andrew, der zackige ehemalige Kavallerieoffizier und Betreiber von Reiterhotels war am Apparat. „Na, wie läuft es denn so? Habt ihr den Walbury Hill schon auf Vordermann gebracht?“ „Einen Moment!“ Wortlos winkte ich Tante Liz her. Sie 28
ergriff den Hörer, und als sie die scheinheilige Frage ihres Neffen hörte, lief sie trotz ihres angegriffenen Zustands zur Hochform auf. „Hat dein sauberer Bruder Bertram dich zum Spionieren angestiftet, du missratener Herrenreiter und Gentlemanverschnitt?“ fuhr sie ihn an. „Ihr solltet euch alle schämen, uns hier im Spukgasthof zu verheizen. Das habt ihr vorher gewusst.“ Während Tante Liz Luft holte, sagte Andrew etwas. Die erboste Tante schnitt ihm das Wort ab. „Das kannst du deiner toten Großmutter erzählen. Und wenn es stimmen sollte, ist es noch schlimmer. Wie kann man sich nur ein Spukhaus andrehen lassen? Diesem zweibeinigen Paragraphen Bertram hat es komplett den Verstand verhagelt. Eine Schande ist es, was ihr euch da mit uns geleistet habt. Aber das wird Folgen innerhalb der Familie Ashborne haben, darauf könnt ihr euch verlassen.“ Sie schrie noch lauter: „Ich bin nicht mehr deine liebe Tante Liz! Du sollst mich noch kennen lernen. Die andern genauso. Dein Bruder Roger, Marys verstorbener Mann, würde dich ohrfeigen, dass dir die Hamsterbacken wegfliegen, und Bertram genauso. Er soll sich hier nur nicht blicken lassen, sonst landet er in dem Geisterbrunnen, aber nicht durch den Spuk, sondern durch mich höchstpersönlich. Wie, einen Geisterbeschwörer, der den Spuk bannen könnte, kennst du nicht? Wen kennst du denn überhaupt, du krummbeiniger Rosstäuscher und Popanz? - Beleidigung? Dich zu beleidigen, reicht mein Wortschatz nicht aus.“ Die aufgebrachte Tante wendete sich an mich und fragte im Ernst: „Er hat einfach aufgelegt? Wieso eigentlich, was sind das für Manieren?“ „Vielleicht hat ihm dein Ton nicht gefallen.“ „Dann soll er im Opera House anrufen und die Sopranistin verlangen. Sie hat andere Töne. Mir reicht es. Man muss sich schämen, Ashborne zu heißen und aus einer solchen Familie zu stammen. Soweit es mich angeht, werden sie alle enterbt. Punktum und basta. Wenn das mein seliger Harry wüsste. Leider kann ich es ihm nicht mitteilen, die die Verbindung mit ihm durch die Seancen nicht mehr möglich ist.“ Dr. Carter, der in der Gaststube, die sehr heimelig war und die wir gern benutzten,
sein Frühstück verzehrte, staunte. Er wendete ein: „Im Jenseits müsste Harry doch bestens Bescheid wissen. Schließlich ist er auch ein Geist.“ „Da kennen Sie Harry schlecht“, sagte Tante Liz. „Ich musste ihm schon auf die Sprünge helfen, als er noch lebte. Seit er in den höheren Sphären schwebt, ist es noch schlimmer mit ihm geworden. - Jedes Mal, wenn ich etwas Okkultes wissen will, muss ich ihn erst mit der Nase darauf stoßen, damit er sich erkundigt. Dann allerdings weiß er rasch bestens Bescheid.“ „Wie geht das denn vor sich?“ erkundigte sich der Arzt. „Wie erfährt er, was er wissen will?“ „Behemoth sagt es ihm. Er hört vieles von Luzifer. Auch Satana und Vampira sind gute Informationsquellen.“ „Donnerwetter, wo ist Ihr Harry denn da gelandet? Mir scheint, ihn hat der Teufel geholt.“ „Nein, nein. Harry kannte schon immer Gott und die Welt. Im Jenseits hat er zur Hölle Kontakt, doch dort gelandet ist er nicht. Er spielt mit Behemoth Kricket, sagt er. Und was soll ich Ihnen erzählen, dieser Satansbraten mogelt beim Kricket tatsächlich, indem er seinen Huf statt des Schlägers benutzt. - Ist das Fairplay?“ „Von einem Teufel kann man nicht erwarten, dass er sich an die Regeln hält und vor allem anständig ist.“ „Well, Harry sagt, dass er trotzdem gewinnt, auch wenn der Huf eingesetzt wird. Im Kricket ist Harry unschlagbar. Das ist auch ein Grund, weshalb er mit den Teufeln verkehrt. Im Himmel findet er keinen Gegner mehr.“ Wie Tante Liz das ganz ernst erzählte, wurde Dr. Carters Miene immer erstaunter. Er enthielt sich jedoch aller Kritik, was ich ihm hoch anrechnete. Dr. Carter war lernfähig. * Am frühen Vormittag erschien der Landlord Thomas Erin hoch zu Ross im „Walbury Hall“. Besorgt erkundigte er sich nach unserem Befinden. Auch er hatte vom Spuk gehört. „Sie sollten verkaufen“, schlug er mir vor, „und zwar an mich. Ich könnte Walbury Hall samt dem dazugehörigen Grund und Boden zur Abrundung meines Besitzes gebrauchen. Ich biete Ihnen einen 29
guten Preis, Mrs. Mary Ashborne.“ „Fürchten Sie sich nicht vor dem Spuk?“ „Ach was. Ich würde den Landgasthof leerstehen und verfallen lassen, wie die Ruinen des Herrenhauses auf dem Hügel dort. In den Ruinen kann der Rote Ire spuken, soviel er will. Den Geisterbrunnen würde ich zuschütten lassen. Damit wären dem Spuk dort und weiteren Unfällen ein Riegel vorgeschoben.“ Thomas Erin bot mir einen Preis, den man als günstig betrachten konnte - für ihn. „Danke, nein. Wir würden einen Verkauf in Erwägung ziehen, aber kein Verschenken. So notwendig muss Walbury Hall nicht losgeschlagen werden.“ Der Landlord zuckte die Schultern. „Wie Sie meinen. Dann müssen Sie sich eben weiter mit dem Spuk herumschlagen.“ Er blieb eine Weile da. Dr. Carter und er mochten sich offensichtlich nicht. Sie schauten sich schief an. Der Dorfarzt verabschiedete sich bald. Er fuhr mit seinem Geländewagen nach Hungerford, wo er seine Sprechstunde abhalten musste. Am Abend wollte er wiederkommen und uns Beistand leisten. Dr. Carter war ein mutiger Mann. Von den übrigen Helden aus Hungerford traute sich nach Einbruch der Dunkelheit keiner mehr her. Gerüchte, die mir zu Ohren kamen, besagten, der Rote O'Brian habe den Gästen des „Walbury Hill“ den Kampf angesagt. Wer sich hier blicken lasse, würde im Brunnen landen oder auf andere Weise furchtbar bestraft werden. Da der Spuk noch nie vor neun Uhr abends aufgetreten war, getrauten sich tagsüber immerhin noch einige Dorfbewohner her. An dem Tag war das Geschäft flau. Ein paar Ausflügler kamen, und die paar Dorfbewohner. Der Schöne Simon, der Dorfcasanova, ließ sich nicht mehr blicken. Einmal fürchtete er sich vor dem Spuk, und zum anderen wusste er, dass er bei mir nicht landen konnte. Beides verdross ihn gleichermaßen. Der Bürgermeister, Sundown genannt, und der schweigsame Alte, den sie Fish nannten, bewunderten meinen Mut. Der Bürgermeister redete, und der Alte nickte jeweils oder schüttelte mit dem Kopf. Thomas Erin war am Vormittag wieder weggeritten. Am Nachmittag gab er uns schon wieder die Ehre. Er fragte, ob ich mir sein Kaufangebot überlegt hätte.
„Da gibt es nichts zu überlegen.“ Ich hatte gerade in der Küche zu tun und kochte. Erin drängte sich ungebeten herein. Er roch nach Pferd und Tabak. „Wir könnten uns auch auf andere Weise einigen, Mary“, sagte der Landlord, der wie ein Turm vor mir aufragte. „Ich hörte, Sie hätten auf tragische Weise Ihren Gatten verloren. - Mein herzliches Beileid im Nachhinein. Eine so hübsche und vor allem junge Frau wie Sie sollte nicht allein bleiben. Auch braucht Ihr Sohn einen Vater. - Es gibt einen reifen, in besten, geordneten Verhältnissen lebenden Mann hier, dem Sie vom ersten Moment an gefallen haben. Bei ihm wären Sie aller Sorgen ledig.“ „Bisher bin ich an einer neuen Beziehung oder gar Ehe keinesfalls interessiert, Esquire. Der Tod meines Gatten ist noch viel zu frisch, als dass ich auch nur daran dächte.“ „Mary...“ Erin verdrehte die Augen und schaute mich schwärmerisch an. Ich überlegte, wie ich ihn loswerden konnte. Dazu fiel mir nur ein, Zwiebeln zu schneiden. Bald gingen ihm die Augen über, und er floh vor dem beißenden Dunst. Auch mir tränten die Augen. Doch ich war den altbackenen Verehrer los, auf den ich keinerlei Wert legte. Erin war mehr als doppelt so alt wie ich. Er kam als Liebhaber für mich absolut nicht in Frage. Er war älter wie mein Vater in Wales. Es gab Frauen, die sich in viel ältere Männer verliebten und die mit ihnen lebten. Doch ich gehörte nun mal nicht dazu, woran sich auch nichts ändern würde. Als ich in der Gasthausküche fertig war, stand Erin bei Tante Liz, die hinterm Tresen zugange war. Rob spielte draußen im Hof. Auf mich wirkte der Junge scheu und bedrückt. Lange konnte ich ihn nicht mehr in dem Spukhaus lassen - da konnte wer weiß was passieren. Schon der bloße Gedanke daran, mein Sohn würde im Geisterbrunnen ertrinken, ließ es mir eiskalt über den Rücken laufen. Streng hatte ich Rob verboten, sich dem Brunnen auch nur zu nähern. Er hatte es mir fest versprochen. Erin redete mit Tante Liz. Täuschte ich, oder sah ich Interesse an ihm in den Blicken der Lady? Erin war ein stattlicher Mann und etwas jünger wie Tante Liz. Doch ob er sie nun mochte oder nicht, bis 30
zum Einbuch der Dunkelheit wollte er nicht im Gasthof bleiben. „Ich muss nach Haus und da nach dem Rechten sehen“, sagte er zu mir, als er sich verabschiedete. „Ich wünsche euch alles Gute. - Seid auf der Hut vor dem Roten Iren.“ „Ich heiße nicht Brenda“, erwiderte ich. Erin trabte davon. Tante Liz ging vors Haus und schaute ihm nach, die Hand auf ihr Herz gepresst. „Was für ein feiner und nobler Mensch“, sagte sie. „Zuerst hatte ich ihn verkannt. Stell dir vor, er ist sehr belesen.“ „Ja. Wahrscheinlich kennt der die Zeitschrift Jagd und Hund auswendig.“ Tante Liz verwahrte sich, ich hätte ein Schandmaul. Ich sagte, das könnte schon sein. Wir hatten dann andere Sorgen, wie uns über den Landlord zu unterhalten.
Wenn man hineinschaute, ins Licht, sah man diese, geometrische Figuren und Darstellungen. Dieses Kaleidoskop schien Rob ein besonders Interessantes zu sein. Aber noch zögerte er. „Wer sind denn dein Vater und deine Mutter?“ fragte er den Jungen, den er noch nicht gesehen hatte. „Sie heißen Ian und Brenda. - Kommst du jetzt? Oder bist du zu feige?“ Das wollte Rob nicht auf sich sitzen lassen. Obwohl ihm nicht wohl in seiner Haut war, ging er zum Scheunentor. Dabei spähte er über die Schulter. Im Fall einer Gefahr wollte er nach seiner Mutter rufen, die gerade im Biergarten ein paar Ausflüglern servierte. Rob öffnete das Scheunentor. In der Scheune herrschte gegenüber dem Sonnenlicht draußen ein Halbdunkel. Ein altertümlicher Leiterwagen stand da. Es gab einen Heuboden, zu dem eine Leiter hochführte. Landwirtschaftliche Geräte standen umher oder hingen an den Wänden. Rob sah den Jungen nicht, der ihn zuvor gerufen hatte. Doch das Kaleidoskop blitzte in einem Sonnenstrahl, der durch eine Ritze im Scheunentor hereinfiel. Es war wunderschön. „Komm her zu mir, Rob“, sagte die Kinderstimme unterm Leiterwagen hervor. Gebannt von der Stimme und von dem Anblick des Spielzeugs vergaß Rob sämtliche Warnungen seiner Mutter. Er ging vor, um sich das Kaleidoskop zu holen. Dann sah er den Sprecher.
* Der vierjährige Rob spielte an dem sonnigen Maitag neben der Scheune. Er hatte seine Spielzeugautos aufgebaut und hob mit seiner Spielzeugschaufel Gräben aus, um Hindernisrennen mit seinen Autos zu fahren. Da hörte er eine Stimme aus der Scheune, deren Tür in dem großen Scheunentor nur angelehnt war. „Robbie. Hier bin ich. Haha. Huhuhaha.“ Rob schaute sich um, konnte jedoch niemand sehen. „In der Scheune.“ Der Vierjährige zögerte. Seine Mutter hatte ihm eingeschärft, nicht mit Fremden zu gehen. „Ich bin Bill“, sagte die Stimme wieder, die einwandfrei eine Kinderstimme war. „Ich bin sieben Jahre alt, und ich wohne hier.“ „Hier? Außer uns wohnt niemand hier.“ Ein helles Lachen ertönte. „Das meint ihr. Doch es verhält sich anders. - Willst du mal was Schönes sehen?“ Die Tür in dem Scheunentor, das sich zur Gänze öffnen ließ, wurde einen Spalt aufgezogen. Rob sah ein buntes Kaleidoskop. Er kannte solche optischen Geräte, die außer als Spielzeug keinen praktischen Sinn hatten. Durch mehrfache Spiegelung farbiger Glasstücke erzeugten sie wechselnde, farbige, regelmäßig Ornamente.
* In den nächsten Tagen und Nächten wiederholte sich der Spuk gelegentlich. Es sprach sich herum, dass es im „Walbury Hill“ nicht geheuer war. Selbst die Ausflügler blieben aus. Aus Hungerford wagte sich keiner mehr her, seit Charlie Downs, der Bürgermeister, auf dem Nachhauseweg von einer schattendunklen Gestalt angefallen und fast zu Tode gewürgt und geprügelt worden war. „Eiskalt sind seine Hände gewesen, ich schwöre es“, berichtete „Sundown“ in seinem Krankenbett. „Er hatte einen 31
Totenkopf, den eine brandrote Haarmähne umgab. - Als er davonging, schwebte er über dem Boden. Ich habe es ganz genau gesehen. In den Brunnen mir dir, Halunke! zischte er mir ins Ohr. Seine Reibeisenstimme werde ich nie vergessen. Nein, keine zehn Pferde bringen mich mehr zum Walbury Hill. Lieber rühre ich für den Rest meines Lebens kein Ale mehr an.“ Die Geschichte sprach für sich. Bertram, mein Schwager, erschien aus London. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Wie mir Tante Liz mitteilte, deren Verbindungen zur Familie Ashborne älter und besser wie meine waren, setzten seine Geschwister Andrew und Helen Webberley-Ashborne Bertram zu, weil er das Spukgasthaus am Fluss Kennet gekauft hatte. Und uns, besonders mich, dann dort hinbeorderte. Die anderen waren ahnungslos gewesen. Selbst Bertrams Frau, die geborene Lady Hitchley, distanzierte sich davon, besonders, weil Rob und auch Tante Liz mit mir in Gefahr gebracht wurden. Bertram, im grauen Anzug, hochgewachsen, schlank und mit schütterem Haar, stieg aus seinem Rolls Royce, die Aktenmappe unterm Arm. Was ihm Tante Liz alles an den Kopf, will ich lieber verschweigen. Auch Dr. Peter Carter war zugegen und erzählte Bertram einiges. „Sie sollten sich schämen, eine junge Witwe und ihr kleines Kind in eine solche Falle zu locken, Sir. Jemand wie Sie wäre in früheren Zeiten in kein Haus der gehobenen Gesellschaft mehr eingeladen worden. - Was Sie sich da leisteten, ist infam.“ Bertram wollte abwiegeln. „Aber wer glaubt denn heutzutage noch an Geister und Spuk. Ich dachte, das sind Hirngespinste.“ „Lügen Sie nicht auch noch. Ich weiß genau, dass Sie sich gründlich erkundigt haben, bevor Sie den Gasthof von dem alten Simon Shy kauften. Sie haben den Preis, der ohnehin nicht hoch war, wegen des Spuks noch gedrückt. Sie wussten genau, dass der Spuk im letzten Jahr ganz erheblich verstärkt auftrat, nachdem sich viele Jahre lang so gut wie nichts regte.“ Bertram wand sie wie ein Aal. Schließlich ermannte er sich. „Sir, das lasse ich nicht auf mir sitzen, dass ich ein solcher Schuft und zudem
noch ein Feigling bin, der Frauen und Kinder vorschickt. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass an dem Spuk nicht viel dran ist. Um das zu beweisen, werde ich die kommende Nacht in dem Spukzimmer über der Gaststube verbringen. - Mein Entschluss steht fest.“ Dr. Carter musterte ihn kühl. „Da bin ich gespannt. Schon seit vielen Jahren hat niemand mehr in diesem Zimmer geschlafen.“ Bertram schnarrte: „Ich bin promovierter Jurist, Harvard“ - er nannte den Jahrgang „wenn Ihnen das etwas sagt. Kein Träumer. - Sir.“ Am Abend ließ Thomas Erin sich blicken. Er setzte sich mit Bertram in der Gaststube in eine Nische. Sie steckten die Köpfe zusammen. Mein Schwager schüttelte den Kopf. Ich beobachtete ihn vom Tresen aus und merkte, wie verärgert er war. Erin zahlte seine Zeche und ging. Bertram kam vor zum Tresen. „Der Mann hat mir einen Spottpreis für Walbury Hill angeboten, wirklich einen Spottpreis. Bevor ich den Gasthof dafür hergebe, lasse ich ihn lieber leerstehen oder brenne ihn bis auf die Grundmauern nieder.“ Bertram gähnte. „Ich bin müde und will bald zu Bett gehen. - Ihr entschuldigt mich.“ Das galt Tante Liz und mir. Rob lag schon im Bett. In der letzten Zeit erschien mir das Benehmen meines Sohnes mitunter eigenartig. Hätte ich nicht so viele andere Sorgen gehabt, würde ich mich gleich verstärkt darum gekümmert haben. Bertram suchte sein Zimmer auf. Wenige Minuten später klopfte es an der Tür des Gasthauses. Tante Liz und ich erschraken. Doch eine vertraute Stimme meldete sich: „Ich bin es, Peter Erin. Ich wollte noch mal nach dem Rechten sehen.“ Wir hatten bereits abgeschlossen. Jetzt öffnete ich. Dr. Erin trat ein. Ein heftiger Regen prasselte gerade nieder. Der Arzt war auf den paar Metern Weg vom Parkplatz zur Gasthaustür nass geworden und streifte sich die Regentropfen vom Jackett. Tante Liz schenkte ihm einen Whisky ein. „Wie geht's Harry?“ fragte der hochgewachsene Arzt. „Wieder mal was von ihm gehört?“ „Sie wissen doch, dass mir keine Seance mehr gelingt, seit ich hier wohne“, 32
antwortete die grauhaarige Lady niedergeschlagen. „Harry wird sich schon melden. Irgendwann lässt jeder entlaufene Ehemann oder feste Verehrer von sich hören.“ „Sir, wollen Sie mich etwa auf den Arm nehmen?“ Tante Liz hatte noch nicht richtig ausgesprochen, als wir über uns ein Scharren und Poltern hörten. Wir lauschten. Schadenfrohes Gelächter ertönte. „Hohohaha! Der Rote Ian O'Brian lässt sich nicht spotten! - Brenda, mit dem da treibst du es nicht mehr, du Flittchen! Ab in den Brunnen... Brunnen... Brunnen...“ Das Echo wiederholte sich. Die Stimme drang durch die Wände. Ein Windstoß fauchte mit solcher Gewalt durch den Kamin, dass die Flammen herausschlugen, Funken stoben und Asche in die Gaststube geblasen wurde und sich überall niederschlug. Im selben Moment erlosch überall im Haus das Licht. Die Eingangstür flog auf. Regen und Sturm fauchten herein. „Brenda, bring Ale!“ jammerte eine klagende Stimme. „Brenda, hol Rum!“ Eiskalt überlief es mich. Meinen gesamten Mut zusammennehmend, nahm ich die Stabtaschenlampe vom Bord und leuchtete. Ich kam hinter dem Tresen vor und holte den schweren Schürhaken vom Kamin in der Gaststube. Rob regte sich nicht, was mich wunderte. Dr. Carter und Tante Liz folgten mir. Zu dritt stiegen wir die Treppe hinauf. Regen fegte ins Haus. Der Sturm, ganz untypisch für die Jahreszeit, fauchte und heulte, als ob er das Haus niederreißen oder davonblasen wollte. Es war, als ob er an den Grundfesten von „Walbury Hill“ rüttelte. Das Geisterzimmer war von innen abgeschlossen. Wir klopften und riefen. Bertram Ashborne antwortete nicht. „Jetzt gilt es!“ rief Dr. Carter. Er rannte mit aller Kraft gegen die Tür. Der Arzt war kräftiger, als ich ihm zugetraut hatte. Beim dritten Ansturm mit der Schulter flog die massive Tür krachend auf. Das Schloss war herausgebrochen. Im Lichtkegel der Taschenlampe sah ich Bertram Ashborne in der Schlinge am Balken baumeln. Ein Stuhl lag umgestürzt
zu seinen Füßen. Der Lichtschein huschte über den Alkoven. Auf einem Tischchen stand noch der Tee, den er zuletzt zu sich genommen hatte. Die Einzelheiten prägten sich mir ein, dass ich sie bis ans Lebensende niemals vergessen würde. Dr. Carter sprang vor, stellte sich auf den Stuhl und schnitt mit seinem Taschenmesser den Strick durch. Er hielt Bertram fest, doch der war zu schwer für ihn. Dr. Carter ließ los. Mit schlaffen Gliedern, wie eine Marionette, stürzte Bertram zu Boden. Tante Liz schrie erst jetzt gellend, wie mit Verspätung. „Bertram! Bertram! Bertram!“ Sie hörte erst auf, als ich sie schüttelte. Der Arzt löste die Schlinge von Bertrams Hals. Mein Schwager war blaurot angelaufen. Dr. Carter befühlte Bertrams Genick, seinen Puls, riss ihm das Hemd auf und legte das Ohr an die Brust. „Das Genick ist nicht gebrochen. Das Herz schlägt sehr schwach.“ Bertram war schon mehr tot als lebendig. Mit Herzmassage und künstlicher Beatmung und indem er ihm den Hals streckte und massierte holte Dr. Carter ihn ins Leben zurück. Ich lief aus dem Zimmer. „Mary!“ rief Tante Liz. „Wo willst du denn hin? Wir haben kein Licht.“ „Zündet ein Feuerzeug an. Ich muss zu meinem Jungen.“ Ich flog förmlich die Treppe hoch. Als ich vor der Tür meines Schlafzimmers stand, in dem auch Rob schlief, hörte ich seine Stimme. „Es ist gut, Patrick. Ich habe keine Angst, wenn du bei mir bist, auch wenn es dunkel ist.“ Jemand antwortete halblaut. Den Wortlaut konnte ich nicht verstehen. Ich riss die Tür auf und leuchtete hinein. Da war eine Bewegung - doch ich konnte, als ich umherleuchtete, niemand mehr sehen. Nur Rob saß im Schlafanzug in seinem Bett. „Mama? Es ist alles Ordnung. Mir geht es gut.“ Ich presste meinen Sohn an mich. Erst jetzt merkte ich, dass ich den schmiedeeisernen Schürhaken noch immer mit mir herumschleppte. Den hatte ich nicht gebraucht.
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Mein Schwager Bertram hatte einen heilsamen Schock erlitten. Er war seit dem Erlebnis in der vergangenen Nacht wie ausgewechselt. Tausendmal entschuldigte er sich bei mir, mich in eine solche Gefahr gebracht zu haben. „Mary, ich dachte wirklich nicht... Mir war nicht klar... Ich wusste nicht... Ich bin untröstlich...“ „Beruhige dich, Bertram. Wir sind alle Menschen, begehen Fehler und tun Unrecht. - Wir leben ja alle noch.“ „Ja, aber wenn ihr nicht eingegriffen hättet. Es ist unfassbar. Der Geist hat mich aufgehängt. Entsetzlich.“ Bertram trug jetzt noch das Mal der Henkersschlinge an seinem Hals. Er verhandelte mit Thomas Erin ernsthaft über den Verkauf des Gasthofs. Ich griff ein. „Walbury Hill wird nicht verkauft. Nicht für den Preis, und auch für keinen anderen. Spuk oder nicht Spuk, das ist unser Besitz. Er gehört den Ashbornes, und wir behalten ihn auch.“ Der Landlord und der Anwalt - Bertram schauten mich an. Ich sagte: „Ich werde diese Nacht in dem Spukzimmer schlafen. Ich will mir den Roten O'Brian genau ansehen. Schön war es nicht von ihm, dass er die gesamte Gaststube mit seinem Aschenregen beschmutzte. Er soll Ruhe geben.“ „Sie ist bildschön“, sagte Bertram, „blond, zierlich und blauäugig und modisch gekleidet. Aber diese Frau hat den Mut eines Löwen. Ich habe sie schwer unterschätzt.“ Thomas Erin schluckte. „Sind Sie sich dessen sicher, dass Sie das Wagnis tatsächlich auf sich nehmen wollen, Mrs. Ashborne? Wissen Sie, was Sie tun?“ „Ja. Ganz genau. Wenn ich, eine junge Frau, dem Roten O'Brian die Stirn biete, verliert der Spuk seinen Schrecken.“ Der Landlord sagte: „Sie werden die Nacht im Spukzimmer nicht überleben. Sie werden im Brunnen landen und elend ertrinken. Oder der Rote O'Brian erhängt auch Sie.“ Ich sagte: „Das werden wir sehen.“
* Rob behauptete, er wäre allein im Zimmer gewesen. Ich brachte ihn hinunter ins Geisterzimmer, wo Bertram inzwischen, aschfahl im Gesicht und sich den Hals haltend, im Sessel saß. Er wirkte benommen und hatte glasige Augen. Seine Bewegungen waren unsicher, was ich auf die Nachwirkungen des Aufhängens und auf seinen erlittenen Schock zurückführte. Mit Tante Liz, die vor Angst tausend Tode starb, ging ich zum Sicherungskasten im Keller. Die Hauptsicherung war entweder herausgeflogen, oder abgeschaltet worden. Als ich den Schalter umlegte, leuchtete überall im Haus wieder das Licht. Das Unwetter ließ nach. Bertram verließ mit wackligen Knien das Geisterzimmer. Er schloss den Rest der Nacht kein Auge mehr. Es trat kein weiterer Spuk auf. Dr. Carter blieb bei uns, und ich muss gestehen, dass wir uns im Morgengrauen küssten und ich mich an seine Schulter lehnte. Es tat gut, eine Schulter zum Anlehen zu haben. „Gib diesen Gasthof auf, Mary“, sagte Peter Carter leise. „Ich habe ein großes Haus und eine gut gehende Praxis. - Was willst du hier?“ „Ich bleibe.“ Ich bin eine gebürtige Waliserin, und Waliser sind stur wie die Maulesel. Bertram erzählte, dass er vorm Zubettgehen seinen Tee getrunken habe und plötzlich furchtbar müde geworden sei. „Dann weiß ich von nichts mehr.“ Die Tür war von innen verschlossen gewesen, das Fenster des Geisterzimmers nur angelehnt. Der Tee, von dem Bertram getrunken hatte, war verschwunden, als wir ihn holen und untersuchen wollten. Tasse und Kanne waren gespült. Ich hatte das nicht getan, Peter auch nicht. Tante Liz beteuerte, es ebenfalls nicht gewesen zu sein. Vielleicht war sie aber so geschockt und zerstreut gewesen, dass sie sich irrte. Am Nachmittag gab uns Thomas Erin die Ehre. Bertram war noch immer da. Er hatte seinen Chauffeur schon am Vorabend nach London zurückgeschickt, vermutlich weil er zu geizig war, um auch für ihn die Übernachtung und die längere Dienstzeit zu bezahlen.
* Ich war allein in dem Spukzimmer. Die Standuhr nebenan schlug die Mitternacht. 34
Immer stickiger wurde die Luft in dem Zimmer. Es roch intensiv nach fauligen alten Lilien. Ich konnte kaum noch atmen. Noch hatte sich kein Spuk gezeigt. Plötzlich kam mir der Boden entgegen. Mit meinem benebelten Verstand begriff ich erst noch einer Weile, dass ich niedergesunken war und mit meinem schulterfreien roten Kleid auf dem Teppich lag. Mühsam erhob ich mich, wankte zum Fenster und öffnete es. Hinter mir bewegte sich eine schemenhafte kleine Gestalt, die ich nur aus dem Augenwinkel sah. Peter Carter klopfte von draußen an die Tür. „Ist alles in Ordnung, Mary?“ Die kleine Gestalt antwortete, indem sie meine Stimme exakt nachahmte: „Ja, Peter.“ Die frische Nachtluft belebte mich. Doch dann, neuer Schrecken, packte eine schwarze Hand meine Kehle. Der Rote O'Brian war da. Auf dem Sims an der Mauer stand eine furchterregende schwarze Gestalt mit einem Totenschädel, den eine krause rote Haarmähne umgab. Sie wollte mich aus dem Fenster zerren. „In den Brunnen mit dir, Brenda.“ Da packte die kleine Gestalt hinter mir zu und hielt mich fest. „Nicht. Sie ist Robs Mutter. Lasst sie in Ruhe, du darfst ihr nichts tun!“ „In - den - Brunnen!“ fauchte der Schreckliche. Im Haus brach ein Höllenspektakel los: Gepolter im Kamin, die dumpfe Geisterstimme des Roten O'Brian, Gefauch und Gekreisch. Ich rang mit dem Schrecklichen vorm Fenster, packte mit den Fingernägeln in sein Totenkopfgesicht - und hielt es in der Hand. Thomas Erins Gesicht kam darunter zum Vorschein. In der Hand hatte ich die Totenkopfmaske aus Latex, die er darübergezogen hatte. Woher ich die Kraft nahm, wusste ich selber nicht. Doch ich versetzte Erin einen derartigen Stoß vor die Brust, dass er das Gleichgewicht verlor und vom Sims stürzte. Er fiel unglücklich, obwohl es nur vom ersten Stock war, und schrie gellend auf. Ich rief gellend um Hilfe und schlug Alarm. Dann rannten auch schon Bertram Ashborne und sein herbeorderter Chauffeur herbei, von deren Anwesenheit
ich keine Ahnung gehabt hatte, und packten den Landlord, der davonhumpeln wollte. „Hier geblieben, du Schurke! Jetzt hast du ausgespukt, und es geht dir an den Kragen.“ Krachend flog die Tür auf. Peter Carter hatte sie, die ohnehin nur notdürftig repariert war, abermals eingerannt. Er packte die kleine Gestalt hinter mir, die zappelte, strampelte und eine rote Perücke verlor. „Wen haben wir denn da?“ fragte Peter. Es war ein Liliputaner, Erins Helfer und Mitinitiator des Spuks. Rob, mein Sohn, der über dem Lärm aufgewacht war, nannte uns seinen Namen: Patrick. Er hatte mit Patrick Freundschaft geschlossen. In der Scheune des Anwesens hatte er den kleinen Mann, der ihm bei der Gelegenheit ein Kind zu sein vorgespielt hatte, erstmals persönlich kennen gelernt. Patrick war in der vergangenen Nacht bei Rob in meinem Schlafzimmer gewesen, damit Rob keine Angst haben sollte. Der Liliputaner brachte es letztendlich nicht über sich, zuzusehen, wie Erin mich aus dem Fenster stürzte und in den Brunnen beförderte, was er vorgehabt hatte. Dass er das nicht geschafft hätte, weil Bertram Ashborne und sein Chauffeur, bewaffnet sogar, auf der Lauer lagen, stand auf einem anderen Blatt. Tante Liz maß den Landlord, als er in die Gaststube gebracht worden war und Peter sein gebrochenes Bein versorgte, mit eisigem Blick. „Sie sind der größte Halunke, der mir jemals begegnet ist, Sir. Was ist mit dem unglücklichen Mädchen, das Sie im vergangenen Jahr im Brunnen ertränkten?“ „Das war nicht beabsichtigt“, murmelte Erin, wachsbleich im Gesicht. „Patrick hockte im Brunnen. Er wollte ihr nur einen Schreck einjagen und wieder mal Spuk spielen. - Das Mädel hat sich zu weit vorgebeugt und einen Herzschlag erlitten, als es ins Wasser stürzte. Dazu können wir nichts.“ „Das können Sie mal dem Richter erzählen.“ Erin und sein Helfer Patrick, den er gezwungen hatte, würden ins Gefängnis kommen. Der Liliputaner war sehr einsam gewesen. Deswegen hatte er auch mit meinem Rob Freundschaft geschlossen. Patrick entkam übrigens noch vor der Gerichtsverhandlung. 35
Man hat nie wieder etwas von ihm gehört.
hatte der Liliputaner sich im Alkoven im Spukzimmer verborgen und Bertram ein Betäubungsmittel in den Tee gegeben. Erin stieg an einer Strickleiter ins Zimmer, die Patrick herunterließ. Er hängte Bertram auf, warf den Stuhl um und sprach als der Rote O'Brian. Nachdem alles aufgeklärt war, sah „Walbury Hill“ einer aussichtsreichen Zukunft als Landgasthaus und Hotel entgegen. Ich würde mich vor Gästen bald nicht mehr retten können und würde nun leicht Personal finden. Peter Carter beglückwünschte mich. „Jetzt wirst du wohl kaum noch Zeit für mich finden, Mary?“ Ich lehnte mich wieder an seine Schulter und sah ihm tief in die Augen. Wir lächelten beide. Unsere Blicke sagten mehr als tausend Worte. Es würde eine glückliche, gemeinsame Zukunft geben, wenn das Trauerjahr für Roger vorbei war. Vergessen würde ich meinen ersten Mann nie. Doch ich konnte nicht immer nur im Andenken an den Toten leben, wie Tante Liz es tat. Sie freute sich übrigens mächtig, dass seit Erins und Patricks Festnahme ihre Seancen seltsamerweise wieder gelangen. „Harry hat mich beglückwünscht“, erzählte sie mir. „Er meinte, jetzt wäre alles gut.“ „Wenn Harry das meint, muss es ja wohl stimmen.“
* Erin, der „Walbury Hill“ spottbillig an sich wollte, hatte den Spuk initiiert. Der Liliputaner Patrick war ein geübter Fassadenkletterer und Einbrecher. Er konnte sich quasi überall Zutritt verschaffen und auch dort eindringen und verbergen, wo ein normal großer Erwachsener es nicht schaffte. Patrick konnte ohne Hilfsmittel in den Brunnenschacht klettern. Er fand Halt in den Mauerfugen. In jener Nacht hatte er eine Schaufensterpuppe im Wasser schwimmen lassen und ihren Kopf in die Nische gestellt. Ich leuchtete hinein. Dr. Carter und ich sahen die kopflose Gestalt und den Kopf in der Nische. Patrick verdeckte und versteckte dann alles wieder. Er konnte sich in der ausgebrochenen Nische im Brunnenschacht verbergen. Die Stimmen, Geräusche und auch die Windstöße durch den Kamin hatten von Erin raffiniert ausgetüftelte und eingesetzte technische Geräte bewirkt. Den Bürgermeister von Hungerford hatte der Landlord angefallen, maskiert wie bei mir. Wegen seiner schwarzen Kleidung, die mit der Dunkelheit verschmolz, hatte es ausgesehen, als ob er davonschweben würde. Das und noch vieles andere wurde aufgeklärt, da Erin und Patrick gestanden. Beim Erhängen von Bertram Ashborne
ENDE
Im Juni erscheint Romantic Mysteries Nummer 2: „Niemand hörte ihre Schreie“ von Larissa Jordan
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Romantic Mysteries erscheint bei vph Verlag & Vertrieb Peter Hopf, Goethestr. 7, D-32469 Petershagen. © Copyright aller Beiträge 2003 bei vph und den jeweiligen Autoren. Nachdruck, auch auszugsweise, nur nach schriftlicher Genehmigung durch den Verlag gestattet. Cover: Thomas Knip Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.
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