Diplomarbeit
Pascal Gries
Der deutsche Mobilfunkmarkt Guter Service und zufriedene Kunden als ökonomisch sinnvolle Alternative zur Umgehung des Preiswettbewerbs
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Pascal Gries Der deutsche Mobilfunkmarkt Guter Service und zufriedene Kunden als ökonomisch sinnvolle Alternative zur Umgehung des Preiswettbewerbs ISBN: 978-3-8366-1981-3 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008 Zugl. FOM - Fachhochschule für Oekonomie und Management Essen, Essen, Deutschland, Diplomarbeit, 2008
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I
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis............................................................................................. IV Tabellenverzeichnis................................................................................................. VI Abkürzungsverzeichnis........................................................................................... VII 1
2
EINLEITUNG ....................................................................................................1 1.1
Problemstellung .....................................................................................1
1.2
Zielsetzung und Vorgehensweise..........................................................2
WETTBEWERB AUF DEM DEUTSCHEN MOBILFUNKMARKT ...................3 2.1
2.2
2.3 3
Entstehung und Entwicklung des Marktes .......................................... 3 2.1.1
Problematik der Konzessionierung..........................................5
2.1.2
Charakteristika.........................................................................6
2.1.3
Marktteilnehmer .......................................................................7
2.1.4
Preispolitik ...............................................................................8
Wettbewerb und Strategien ...................................................................8 2.2.1
Wettbewerbssituation ..............................................................9
2.2.2
Strategien zur Differenzierung...............................................10
2.2.3
Rahmenbedingungen ............................................................11
2.2.4
Preiswettbewerb ....................................................................11
2.2.5
Konsumentenverhalten..........................................................13
Zusammenfassung ..............................................................................14
KUNDENZUFRIEDENHEIT DURCH SERVICE .............................................15 3.1
Ausgangslage Dienstleistungsgesellschaft ....................................... 15 3.1.1
Entwicklung............................................................................15
3.1.2
Dienstleistungen ....................................................................16
3.1.3
Einordnung von Mobilfunk als Dienstleistung........................17
3.1.4
Service in der Dienstleistungsgesellschaft ............................17 3.1.4.1
Abgrenzung von Service und Dienstleistung........17
3.1.4.2
Anwendung von Service in der Praxis..................19
II
3.1.4.3 3.1.5
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6 4
Chance zur Differenzierung durch Service...........20
Servicequalität .......................................................................21 3.1.5.1
Von Servicequalität zu Kundenzufriedenheit........22
3.1.5.2
Servicequalität auf dem Mobilfunkmarkt...............24
Zufriedene Kunden im Rahmen der Wertschöpfungskette..................25 3.2.1
Determinanten des Kunden für die Anbieterauswahl ............25
3.2.2
Zufriedene Kunden als Voraussetzung für Kundenbindung..26
3.2.3
Steigende Kundenerwartungen .............................................27
3.2.4
Problematik bei der Umsetzung von Kundenzufriedenheit ...28
3.2.5
Begeisterungsfaktoren im Mobilfunk .....................................29
3.2.6
Auswirkungen von Kundenzufriedenheit ...............................29
Bildung von Kundenloyalität als Wettbewerbsfaktor............................30 3.3.1
Notwendigkeit von Kundenloyalität........................................31
3.3.2
Mehrwert durch loyale Kunden..............................................32
3.3.3
Vertrauen und Image der Anbieter ........................................34
3.3.4
Kundenbindung......................................................................34
Verbundene Kunden statt Neukunden.................................................36 3.4.1
Kosten für Neukunden ...........................................................36
3.4.2
Kosten durch unzufriedene Kunden ......................................38
3.4.3
Servicedenken auf dem deutschen Mobilfunkmarkt..............39
Empfehlungsmarketing ........................................................................40 3.5.1
Mund-zu-Mund-Propaganda..................................................41
3.5.2
Neue Formen der Mund-zu-Mund-Propaganda ....................42
3.5.3
Net Promoter Score ...............................................................43
3.5.4
Messung des Net Promoter Scores.......................................44
Zusammenfassung ..............................................................................45
INSTRUMENTE FÜR EIN POSITIVES SEVICEERLEBNIS ..........................46 4.1
4.2
Kundenorientierung als Basis des unternehmerischen Handelns .......46 4.1.1
Unternehmensphilosophie Kundenorientierung ....................46
4.1.2
Aktuelle Problematik der Umsetzung ....................................47
Umsetzung von Kundenorientierung mit Relationship-Marketing........48 4.2.1
Vom Transaktions- zum Relationship-Marketing...................48
4.2.2
Customer-Relationship-Management....................................49
III
4.3
4.4
4.2.3
Kundensegmentierung auf Grundlage der Kundenwerte ......49
4.2.4
Defensive Marktstrategie .......................................................50
Determinanten für zufriedene Kunden.................................................51 4.3.1
Qualitätsmanagement............................................................51
4.3.2
Einfluss der Mitarbeiter auf die Kundenzufriedenheit............52
4.4.2
5
Bedeutung des Mitarbeiterverhaltens...................52
4.3.2.2
Kundenorientierte Mitarbeiter ...............................53
Customer Care.....................................................................................54 4.4.1
4.5
4.3.2.1
Beschwerdemanagement......................................................55 4.4.1.1
Ziel des Beschwerdemanagements .....................56
4.4.1.2
Notwendigkeit zur Beschwerdestimulierung.........56
4.4.1.3
Beschwerdeannahme und -reaktion.....................57
Call Center.............................................................................58 4.4.2.1
Messung der Qualität im Call Center....................60
4.4.2.2
Contact Center......................................................61
4.4.2.3
Problematik der Kapazitätsauslastung .................62
4.4.2.4
Problematik der Mitarbeiterqualifikation ...............63
4.4.2.5
Outsourcing von Call Center Leistungen..............64
4.4.3
Service am Point of Sale .......................................................65
4.4.4
Electronic Customer Care .....................................................66 4.4.4.1
Informationsgesellschaft .......................................66
4.4.4.2
Customer Selfservice............................................68
4.4.4.3
Nutzung und Trends von Selfservice....................69
4.4.4.4
Chancen und Nutzen von Selfservice ..................70
4.4.4.5
Gefahr und Grenzen von Selfservice ...................72
4.4.4.6
Kundenanforderungen an Selfservice ..................72
Zusammenfassung ..............................................................................73
SCHLUSSBETRACHTUNG ...........................................................................74
Anhang ..................................................................................................................745 Literaturverzeichnis .................................................................................................78
IV
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Teilnehmerentwicklung auf dem deutschen Mobilfunkmarkt ...........5 Abbildung 2: Marktanteile der Netzbetreiber.........................................................7 Abbildung 3: Gründe für gestiegene Serviceansprüche .....................................14 Abbildung 4: Anteil des Dienstleistungssektors an der Bruttowertschöpfung .....16 Abbildung 5: Service-Verständnis der Unternehmen..........................................19 Abbildung 6: Wesentliche Kernfunktionen des Service. .....................................21 Abbildung 7: Dimensionen von Kundenzufriedenheit in der Wirkungskette .......23 Abbildung 8: Faktoren, die Kundenzufriedenheit beeinflussen...........................24 Abbildung 9: Ergebnis der Studie „Servicequalität von Mobilfunkanbietern“ ......25 Abbildung 10: Darstellung des C / D Paradigmas: Wirkungsbeziehungen bei der Entstehung von Kundenzufriedenheit ............................................27 Abbildung 11: Darstellung des Mehr-Faktoren-Modells der Kundenzufriedenheit ..................................................................28 Abbildung 12: Auswirkung der Kundenzufriedenheit auf die Zahlungsbereitschaft......................................................................30 Abbildung 13: Faktoren für Treue und Abwanderung außer der Kerndienstleistung..........................................................................31 Abbildung 14: Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung ..............................................................................32 Abbildung 15: Zunehmender Profit in den Jahren der Kundenbeziehung ............33 Abbildung 16: Maßnahmen- und verhaltensorientierte Sichtweise der Kundenbindung ..............................................................................35 Abbildung 17: Bisheriges (Beobachtbares) Verhalten und Verhaltensabsicht......35 Abbildung 18: Wirkungskette: Vom Erstkontakt zum ökonomischen Erfolg..........36 Abbildung 19: Auswirkungen von Kundenzufriedenheit in einer Geschäftsbeziehung ......................................................................39 Abbildung 20: Abwanderungsgründe bei verschiedenen Dienstleistungsunternehmen..........................................................40 Abbildung 21: Was löst eine positive Empfehlung aus?........................................42 Abbildung 22: Kundenzufriedenheit und Wechselbereitschaft bei den Netzbetreibern ........................................................................... 43 Abbildung 23: Net Promoter Score der Netzanbieter, Erhebung 2006 .................44 Abbildung 24: Berechnung des Net Promoter Scores...........................................45
V
Abbildung 25: Kundenorientierung aus Unternehmens- und Kundensicht. ..........48 Abbildung 26: Offensive und defensive Marktstrategie .........................................50 Abbildung 27: Ursache von Kundenverlusten .......................................................53 Abbildung 28: Darstellung des integrierten Mitarbeiter-KundenzufriedenheitsModells ...........................................................................................53 Abbildung 29: Übersicht strategischer und operativer Instrumente zur Serviceerbringung ..........................................................................55 Abbildung 30: Aufgaben des Beschwerdemanagements......................................56 Abbildung 31: Einsatzmöglichkeiten des Inbound im Call Center .........................58 Abbildung 32: Gründe für Unzufriedenheit mit der Hotline....................................60 Abbildung 33: Genutzte Kanäle zur Kontaktaufnahme mit einem Unternehmen..61 Abbildung 34: Konstellation zwischen Kunden, Anbieter und Call Center Dienstleister ...................................................................................65 Abbildung 35: Einfluss von Kundenbewertungen..................................................68 Abbildung 36: Darstellung des Customer-Buying-Cyles .......................................68 Abbildung 37: Beispiel eines Avatars ....................................................................75 Abbildung 38: Vodafone Homepage, Adressänderung online ..............................75 Abbildung 39: FAQ`s auf der T-Mobile Homepage ...............................................76 Abbildung 40: Beispielblog ....................................................................................76 Abbildung 41: Handyvergleich im Preisportal billiger.de .......................................77
VI
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Kundentypen ..........................................................................................13 Tabelle 2: Quantitative und qualitative Faktoren im Call Center ............................60 Tabelle 3: KPI´s (Key Performance Indicators) im Call Center ..............................63 Tabelle 4: Kosten pro Anfrage und Zufriedenheit mit den Kontaktkanälen ............71
VII
Abkürzungsverzeichnis [A]
Aufl.
Auflage
Abb.
Abbildung
ACD
Automatic Call Distribution
AHT
Average Handling Time (mittlere Gesprächszeit)
ARPU
Average Revenue per User (Umsatz pro Kunde)
CBM
Customer Buying Cycle
C/D
Confirmation / Discornfirmation
CDI
Customer Delight Index (Kundenzufriedenheitsindex)
CEO
Chief Executive Officer
CLV
Customer Lifetime Value
CRM
Customer-Relationship-Management
[D]
DSL
Digital Subscriber Line
[E]
ebd.
ebenda
ECC
Electronic Customer Care
et al.
et alii (und weitere)
f.
folgende
ff.
fortfolgende
FCR
First Contact Resolution (Lösung im ersten Kontakt)
[G]
GSM
Global System for Mobile Communication
[H]
Hrsg.
Herausgeber
[I]
IP
Internet Protocol
IRMP
Influencer Relationship Management Program
IVR
Interactive Voice Response
[K]
KPI
Key Performance Indicator (kritische Erfolgsfaktoren)
[M]
Mio.
Million
Mrd.
Milliarde
NPS
Net Promoter Score
o.J.
ohne Jahresangabe
o.S.
ohne Seitenangabe
o.V.
ohne Verfasser
[P]
POS
Point of Sale (Ort des Verkaufs)
[R]
RM
Relationship-Marketing
[U]
UMTS
Universal Mobile Telecommunication System
[C]
[F]
[N] [O]
VIII
USP
Unique Selling Proposition (Alleinstellungsmerkmal)
[V]
Vgl.
Vergleiche
[W]
WWW
WorldWideWeb
1
1
Einleitung
1.1
Problemstellung
Der Mobilfunkmarkt hat sich im Laufe der Zeit zu einem Markt mit zunehmender Wettbewerbsintensität entwickelt. Die Anzahl der Anbieter steigt stetig weiter, wobei die angebotenen Leistungen zunehmend homogener werden. Auf der Suche nach Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber den Konkurrenten, ist der Preis zu einem beliebten Unterscheidungskriterium geworden. Der daraus resultierende Preiswettbewerb führte zu Preiseinbrüchen, besonders bei den Gesprächskosten. Dies wiederum ließ die Umsätze der Mobilfunkanbieter in den vergangenen Jahren kontinuierlich sinken, was den Vertriebsdruck erhöht. Mit Lockangeboten, wie einem Mobiltelefon für 0 € oder einem Startbonus von 100 €, machen sie Jagd auf neue Kunden, während die eigenen nicht selten zu schlechteren Konditionen abgeschöpft werden. Bei einem Anteil von über 100 % Marktdurchdringung und einer somit einsetzenden Sättigung, sind die eigenen Umsatzziele anscheinend nur durch eine teuere Abwerbung vom Wettbewerb und den Verkauf von Zweit-Handys sowie weiteren Zusatzprodukten an die eigenen Kunden zu realisieren. Diese Strategie vernachlässigt allerdings die Bedürfnisse der Bestandskunden. Aggressive Verkaufsinstrumente und hohe Akquirierungskosten zulasten der Serviceinvestitionen, lassen die Kundeninteressen dabei außen vor. Bei genauerer Betrachtung dieser sehen sich die Anbieter mit erhöhten Qualitätsansprüchen und Serviceerwartungen konfrontiert. Dank der rasanten Entwicklung des Internets sind Kunden besser informiert als es früher der Fall war und nur einen Mausklick vom nächsten Konkurrenten entfernt. Dabei sind es die eigenen Kunden, die bei richtiger Behandlung den besten Verkäufer darstellen. Schaffen es Unternehmen diese nachhaltig von den eigenen Leistungen zu überzeugen und sie darüber hinaus zu begeistern, so belohnen Kunden dies mit einer positiven Mund-zu-Mund-Propaganda und empfehlen ihren Anbieter weiter. Analog dazu geschieht dies bei Enttäuschung des eigenen Anbieters im umgekehrten Falle, wobei sich hier negative Äußerungen durch das Internet schnell in der gesamten Online-Gemeinde verbreiten.
2
Bei Betrachtung der Preissenkungen scheint die Untergrenze mittlerweile erreicht. Die daraus resultierende Notwendigkeit sich auf verbesserte Serviceleistungen für die eigenen Kunden zu fokussieren schafft Neukunden auf der Basis von Weiterempfehlungen, erhöht die Kaufbereitschaft und schützt vor Lockangeboten. Für die Umsetzung sind eine konsequente Kundenorientierung und eine dementsprechende Marketingstrategie erforderlich. Das bisherige Mitarbeiterverhalten und interne Prozesse sind allerdings in vielen Fällen noch weit von einer Fokussierung auf die Kunden entfernt. 1.2
Zielsetzung und Vorgehensweise
Das Ziel dieser Arbeit ist es hervorzuheben, warum die Konzentration auf Neukunden über das Wettbewerbsinstrument des Preises, eine ökonomisch ungünstige Marktstrategie ist. Statt an den eigenen Serviceleistungen zu sparen, sollten diese, gerade bei dem bestehendem Konsumentenverhalten, erhöht werden. Letztlich zeigt sich warum diese Strategie nicht nur Kosten einspart, sondern auch Neukunden gewinnt und eine sinnvolle Alternative, im Vergleich zu einem geführten Preiswettbewerb, ist. Im zweiten Kapitel folgt zunächst eine chronologische Übersicht über den deutschen Mobilfunkmarkt und dessen Entwicklung. Besonderes Augenmerk wird hier auf die Wettbewerbssituation der Mobilfunkanbieter, unter Berücksichtigung der gewandelten Marktbedingungen und des veränderten Kundenverhaltens, gelegt. Dabei spielt der Preis als Wettbewerbsinstrument eine übergeordnete Rolle. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Servicebegriff und dessen Zusammenhang mit dem ökonomischen Erfolg eines Unternehmens. Hierbei werden die theoretischen Konstrukte Kundenzufriedenheit, -loyalität und -bindung in ihrem Zusammenhang erläutert. Das geschieht auf Grundlage einer allgemeinen Betrachtung der Dienstleistungsgesellschaft, mit stetigem Bezug zum Mobilfunkmarkt. Letztlich wird in diesem Kapitel herausgestellt, warum die Erbringung von Service von hoher Bedeutung ist. Im vierten Kapitel werden jene Instrumente erläutert, durch die eine positive Serviceerfahrung beim Kunden erzeugt werden kann. Dabei werden zum Einen die strategischen und operativen Mittel allgemein betrachtet, zum Andern deren Chancen und Probleme. Besonders Augenmerk gilt der Rolle des Mitarbeiters
3
2
Wettbewerb auf dem deutschen Mobilfunkmarkt
Der deutsche Mobilfunkmarkt hat sich besonders nach der Liberalisierung 1998 zu einem Markt, geprägt von einer hohen Kundenanzahl und starker Wettbewerbsintensität, entwickelt. Der folgende Abschnitt zeigt seine Entstehung und erläutert die Markt- und Wettbewerbssituation, in der sich die Marktteilnehmer befinden. 2.1
Entstehung und Entwicklung des Marktes
Der Tätigkeit eines Anbieters auf dem Mobilfunkmarkt, geht die Erlangung der notwendigen Mobilfunklizenz voraus, welche einen Vertrag zwischen der Bundesnetzagentur und einem Unternehmen darstellt. Die Lizenzen obliegen der staatlichen Obhut und werden in den meisten Ländern an Firmen verliehen. Grund für diese Vorgehensweise ist der Mangel an weltweiten Mobilfunkfrequenzen.1 Im Rahmen der Lizenzerlangung fallen neben Lizenzkosten auch weitere Verpflichtungen an. Diese äußern sich in der Einhaltung des technischen Standards und der Erreichung eines Versorgungsgrades zu einem bestimmten Termin.2 Die Deutsche Bundespost stellte zu Beginn den einzigen Markteilnehmer dar und bildete ein Monopol, dass durch das Ministerium für Post- und Telekommunikation kontrolliert wurde. Mangelnder Wettbewerb und fehlende Kunden- oder Marktorientierung waren die Folge.3 Den Startschuss für die Mobilfunknetze gab 1958 das A-Netz, gefolgt durch die Bund C-Netze. Bis dato basierten diese auf analoger Technologie und eigneten sich nicht für den Massenmarkt, was sich 1991 in nur 0,53 Mio. Nutzern zeigte. Ursachen waren technischen Unzulänglichkeiten und hohe Preise.4 Im weiteren Verlauf wurde das digitale Mobilfunknetz, GSM, erfunden und die erste Lizenz 1990 an den privaten Anbieter Mannesmann Mobilfunk verliehen (seit 2000 Vodafone), der 1992 als Erster auf dem deutschen Markt startete. Im selben Jahr folgte DeTeMobil (heute T-Mobile), Tochtergesellschaft der Deutschen Bundespost. Daraufhin entstand neben einer, für den Massenmarkt geeigneten GSMTechnik, ein Dyopol, welches einen Markt mit zwei Anbietern bezeichnet und somit eine Form des Wettbewerbs mit anschließenden Preissenkungen.5 1
Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 8; Gerpott, T.J. (2006), S. 499 Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 21 3 Vgl. ebd., S. 7 4 Vgl. Gerpott, T. J. (2006), S. 499 5 Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 8; Krys, C. (2004), S. 78; Elektronikkompendium (2008), o.S. 2
4
1993 erhielt E-Plus ebenfalls eine GSM-Lizenz und startete 1994 mit der Vermarktung. Während DeTeMobil und Mannesmann GSM-Frequenzen im 900-Mhz- Bereich erhielten, musste E-Plus mit 1800-Mhz vorlieb nehmen.6 Der Nachteil der 1800 Mhz Lizenzen äußert sich in der Notwendigkeit, ein dichteres Netz aufbauen zu müssen. Diese Frequenzen werden auch als E-Netz bezeichnet, während TMobile und Vodafone das D-Netz nutzen.7 1997 folgte der vierte und letzte Betreiber VIAG Interkom (seit 2001 O2). Auch VIAG erhielt eine E-Netz Lizenz und begann 1998 seine Vermarktung.8 Neben den vier Netzbetreibern, starteten mit der Liberalisierung des deutschen Telekommunikationsmarktes 1998 auch Service Provider. Dies sind Anbieter, die keine eigene Netzinfrastruktur besitzen und Mobilfunkleistungen bei Netzbetreibern einkaufen, die sie unter eigenem Namen vertreiben. Zu den größten Providern zählen Debitel und Freenet.9 Mit Beginn des Jahres 1997 ließ sich ein enormer Schub von Neukunden beobachten, welcher durch ein neues Kontraktgebilde verursacht wurde. Neben dem bisherigen Postpaid Verfahren, in der 24-Monatsverträge verkauft werden, wurden Prepaid-Tarife eingeführt, bei denen ein Maximalumfang einer Mobilfunkleistung im Voraus eingekauft wird. Der Anteil der Prepaid Kunden betrug 2007 55%.10 2000 folgte mit der UMTS-Technologie der Mobilfunk der dritten Generation (3G). Die Vergabe der Lizenzen fand auf Basis einer Versteigerung statt, in der die Kosten pro Lizenz ca. 8,5 Mrd. € betrugen. Die Erlangung einer Mobilfunklizenz und der Aufbau einer Infrastruktur sind folglich mit hohen Kosten verbunden.11 Die UMTS-Technologie ermöglichte erstmals die breitbandige Übertragung von Daten und setzt mobile Datendienste als neuen Wachstumsfaktor, neben der klassischen Telefonie, in den Vordergrund. Die Dienste gehen von der Internetnutzung via Handy bis hin zum Surfen mit DSL-Geschwindigkeit.12 Eine zunehmende Anzahl von Service-Providern, sinkende Preise, die Akzeptanz der Mobilfunkleistung und eine aggressive Markterschließung, waren ausschlaggebend für das rasante Wachstum der Branche (Abb. 1).13
6
Vgl. Krys, C. (2004), S. 78 Vgl. Teltarif (2008), o.S. 8 Vgl. Krys, C. (2004), S. 78; Gerpott, T. J. (2006), S. 499 9 Vgl. Kruse, J. et al. (2004), S. 206 10 Vgl. Bundesnetzagentur (2007), S. 293 11 Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 17 12 Vgl. Gerpott, T. J. (2006), S. 502 13 Vgl. Knauer, M. (2002), S. 675 7
5
120000
Teilnehmer in Tsd.
100000 80000 60000 40000 20000 0 1988
1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
In Anlehnung an Bundesnetzagentur (2008), o.S. Abbildung 1: Teilnehmerentwicklung auf dem deutschen Mobilfunkmarkt
2.1.1
Problematik der Konzessionierung
Die GSM-Lizenzierung der Anbieter erfolgte zeitlich versetzt, was als schrittweise Konzessionierung bezeichnet wird. Das Ziel war es, bereits zu Beginn der Marktentwicklung, mögliche Wettbewerbsrisiken auszuräumen. Dabei stand die Reduzierung des Risikos vor Unternehmens-Konkursen durch einen schwach gehaltenen Wettbewerb im Vordergrund. Infolgedessen entwickelte sich eine Asymmetrie zwischen den früh lizenzierten Anbietern T-Mobile und Vodafone und den später lizenzierten E-Plus und O2.14 Verursacht durch den früheren Start, weisen T-Mobile und Vodafone folglich nicht nur mehr, sondern auch profitablere Kunden auf. Die Ursache dafür ist das typische Marktverhalten neuer Anbieter, die erst Kunden mit hoher Zahlungsbereitschaft akquirieren, um maximale Deckungsbeiträge zu erreichen. Die Absicht dahinter ist eine schnelle Amortisation der Kosten für Lizenzen und Entwicklung.15 Demzufolge ergeben sich, für die Anbieter der „zweiten Welle“ Nachteile, da attraktive Kunden, mit hoher Zahlungsbereitschaft bereits unter Vertrag sind und nur solche mit geringerem Umsatzpotenzial zu gewinnen sind.16 Die Akquisition stellt allerdings nicht den einzigen Nachteil dar. Durch die GSM1800-Mhz-Frequenzen entstehen den Newcomern höhere Kosten beim Netzaufbau, als es bei 900-Mhz der Fall ist.17 Verursacht durch unterschiedliche Voraussetzungen der Anbieter ergeben sich differierende Strategien. Dabei sind Newco-
14
Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 9 f. Vgl. Gerpott, T. J. (2006), S. 500; Kruse, J. et al. (2004), S. 81 16 Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 10 17 Vgl. Teltarif (2008), o.S. 15
6
mer darauf angewiesen durch niedrige Preise auf ihre Produkte aufmerksam zu machen, was die Wettbewerbsintensität erhöht.18 Zusammengefasst bietet die Konzession den Anbietern nicht die gleiche Marktchance, dafür den Kunden einen intensiveren Wettbewerb mit sinkenden Preisen.19 2.1.2
Charakteristika
Der deutsche Mobilfunkmarkt lässt sich, nicht zuletzt durch die Konzessionierung, von anderen Branchen abgrenzen. Besonders die Wettbewerbsintensität, verursacht durch mehrere Wettbewerber und ein abschwächendes Wachstum, machen ihn zu einem umkämpften Markt.20 Durch hohe Lizenzkosten und Investition in die Infrastruktur, zeichnet er sich durch hohe Eintrittsbarrieren für Netzbetreiber aus. Gleichzeitig bilden diese den Grund für hohe Austrittsbarrieren, da durch irreversible Kosten für Lizenzen und Infrastruktur, ein Marktaustritt selbst bei sinkenden Umsätzen unwirtschaftlich ist.21 Dies hat zur Folge, dass der, in vielen Branchen zu findende Verdrängungswettbewerb, welcher durch aggressives Marktverhalten, Teilnehmer aus dem Markt zu drängen versucht, unter den Netzbetreibern kaum zielführend ist.22 Für die Mobilfunk-Provider gelten diese Barrieren nicht. Dieser Markt ist aktuell durch eine Konsolidierungswelle geprägt, was sich nicht zuletzt durch die Übernahme des Providers Debitel durch Freenet zeigt.23 Aufgrund der Anbieterzahl, lässt sich der Mobilfunkmarkt als Oligopol charakterisieren, welches sich per se in hoher Wettbewerbsintensität äußert.24 Dies ist zum Einen durch die Asymmetrie unter den Anbietern zu erklären, zum Andern durch die Homogenität der Produkte und Leistungen. Da alle den gleichen Technikstandard (GSM, UMTS) besitzen und weitestgehend die gleichen Lieferanten genutzt werden (Nokia, Samsung etc.), fällt eine Differenzierung über Produktmerkmale schwer. Die daraus resultierenden Substitutionsmöglichkeiten, erhöhen die Nachfrageelastizität und erschweren die Kundengewinnung.25 Bei dem Versuch ein Alleinstellungsmerkmal, auch USP genannt, zu erlangen, dauert es nicht lange, bis 18
Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 10 Vgl. ebd., S.10; Kruse, J. et al. (2004), S. 81 20 Vgl. Porter, M. E. (2008), S. 24 21 Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 11 f. 22 Vgl. Kruse, J. et al. (2004a), S. 78 23 Vgl. Heise (2008), o.S. 24 Vgl. Gerpott, T. J. (2006), S. 502 25 Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 13 f. 19
7
Marktteilnehmer nachziehen. Hier spricht man von Pionieren und Me-Too Anbietern. 1999 führte VIAG Interkom die „Homezone“ ein, die es ermöglichte, per Handy unter einer Festnetznummer erreichbar zu sein. 2005 folgten T-Mobile mit „TMobile@home“ und Vodafone mit „VodafoneZuhause“.26 2.1.3
Marktteilnehmer
Insgesamt lassen sich auf dem Mobilfunkmarkt drei Anbietertypen unterscheiden: 27 •
Mobilfunk-Ausrüster, deren Produkte für die Mobilfunknutzung erforderlich sind und über die Mobilfunkanbieter verkauft werden (Nokia, Motorola etc.).
•
Mobilfunk-Systembetreiber sind Netzbetreiber oder auch Carrier, die ein eigenes Mobilfunknetz betreiben (Vodafone, T-Mobile, E-Plus, O2).
•
Mobilfunk-Dienstehändler, auch Reseller oder Provider genannt, die Leistungen der Carrier selber und auf eigene Rechnung vermarkten (Debitel, Freenet).
Im ersten Quartal 2008 umfasste der deutsche Mobilfunkmarkt eine Teilnehmerzahl von 99 Mio. Kunden. Das entspricht einer Penetrationsrate von 121,5%, die den Anteil der Versorgung an der Gesamtbevölkerung aufzeigt. 28 Das vorliegende Diagramm betrachtet die Marktanteile der Netzbetreiber, zu denen auch die Provider-Kunden gezählt werden. Würde man diese separat darstellen, so erreichten die Provider 2007 einen Anteil von 24%.29 100%
6,6
6,5
7,7
8,6
10,4
12,3
12,8
12,8
13
13,7
13,3
12,4
12,7
13,3
13,6
14,8
15,2
15,4
38,1
37,8
36,8
35,7
34,9
34,4
Marktanteil
80% 60%
40
39,1
38,3
E-Plus Vodafone
40%
T-Mobile 20% 0%
39,7
41,1
41,6
40,6
38,5
37,3
36,7
Abbildung 2: Marktanteile der Netzbetreiber Vgl. PC Welt (2006), o.S. ; PC Welt (2006a), o.S. Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 597 f. 28 Vgl. Bundesnetzagentur (2008), o.S.; Kruse, J. et al. (2004), S. 46 29 Vgl. Bundesnetzagentur (2007), S. 293 27
37
37,1
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 1Q2008
In Anlehnung an Bundesnetzagentur (2008a), o.S.
26
O2
8
Aktuell lässt sich ein Boom neuer Billig-Provider, auch Discount-Anbieter genannt, erkennen, die günstige Prepaid-Tarife anbieten und Ende 2007 einen Marktanteil von 8% erreichten.30 2.1.4
Preispolitik
Einher mit hoher Wettbewerbsintensität geht ein hoher Preiswettbewerb auf dem Mobilfunkmarkt. Während sich Vodafone und T-Mobile nur mäßig daran beteiligen, führen die kleinen Netzbetreiber und Provider den Verkauf über günstige Preise.31 Die Einnahmequellen und gleichzeitig Stellschrauben für die Preise bilden die monatliche Grundgebühr, Kosten für das Endgerät und den Anschluss, ausgehende Gespräche, Datenverbindungen und Terminierungsentgelte32.33 Der Bildung dieser liegt den Ramsey Preisen zugrunde, welche eine Differenzierung in preissensible und weniger preissensible Leistungen voraussetzen. Preise mit höherer Sensibilität zeichnen sich durch eine hohe Nachfrageelastizität aus und werden günstiger angeboten, als jene mit einer niedrigeren. Erstere weisen in der Regel Fixkostencharakter auf, wie Anschluss- und Endgerätpreise. Dies führt zu geringen Anschlussgebühren und hohen Subventionen der Endgeräte. Durch die Vergünstigungen entsteht ein negativer Deckungsbeitrag, der über die Bepreisung der weniger preisempfindlichen Leistungen, wie Gesprächskosten, gedeckt wird. Die Finanzierung der Subventionen erfolgt also durch Gesprächskosten und wird als Subvention „von hinten nach vorn“ bezeichnet.34 Um die hohen Kosten, speziell für die UMTS-Lizenzen zu amortisieren, zeichnet sich der Mobilfunkmarkt durch eine Push-Politik aus. Die teure UMTS-Infrastruktur muss aus Unternehmenssicht genutzt werden. Infolgedessen werden neue Dienste in den Markt „gepusht“, ohne die Bedürfnisse der Kunden zu berücksichtigen.35 2.2
Wettbewerb und Strategien
Durch die unterschiedlichen Voraussetzungen der Marktteilnehmer, ergeben sich im Rahmen des Wettbewerbs differierende Strategien. Dabei stehen die Fragen 30
Vgl. Bundesnetzagentur (2007), S. 25 Vgl. Kruse, J. et al. (2004a), S. 32 32 Gebühren der Netzbetreiber, die Sie von anderen Anbietern verlangen, um Gespräche in ihr Netz zu stellen (vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 81) 33 Vgl. Kruse, J., Haucap, J. (2004), S. 22 34 Vgl. ebd. S. 32 f. 35 Vgl. Seiwert, M. (2006), S. 8 31
9
nach dem Fokus sowohl auf Preis oder Qualität, als auch auf Kundenakquise oder Bestandskundenpflege, als kritische Faktoren im Vordergrund, während über allem der allgegenwärtige Verkaufsdruck schwebt, der sich in aggressiven Vertriebsmethoden gegenüber den eigenen Kunden und Interessenten äußert.36 2.2.1
Wettbewerbssituation
Der Begriff Wettbewerb bezeichnet eine eingebürgerte Bedeutung für Konkurrenz, in der jeder Konkurrent dasselbe Ziel verfolgt. Die Gleichheit der Ziele führt zwangsweise zur Bildung eines Wettbewerbes unter den Teilnehmern.37 Bei dessen Betrachtung seit den 90er Jahren, lässt sich ein Wandel von einem moderaten Wettbewerb, bedingt durch Mobilfunk als Luxusgut, zu einem Massenmarkt mit vielen Teilnehmern und einer Penetrationsrate über 100% erkennen. Dabei dient diese als Indikator für die Höhe der Wettbewerbsintensität. Bereits jetzt wird Marktwachstum hauptsächlich durch den Trend zum Zweit- oder Dritt-Handy erzielt, was deutliche Sättigungserscheinungen suggeriert.38 Das Fehlen jeglicher Alleinstellungsmerkmale, die daraus resultierende Homogenität der Leistungen und eine hohe Markttransparenz durch die zunehmende Bedeutung des Internets, verschärfen den Wettbewerb.39 Aufgrund der Sättigungserscheinungen versuchen Anbieter neben einer Kundenabwerbung von der Konkurrenz, ihr Produktportfolio um Produkte zu erweitern, die nicht zum Kerngeschäft gehören, was sich besonders bei Betrachtung des DSLMarktes zeigt.40 Während T-Mobile unter dem Dach der Deutschen Telekom das Breitband-Internet bereits seit 1999 vertreibt, haben sich auch die Mobilfunkanbieter Vodafone und O2 dazu entschlossen. Beide haben das Ziel, vom wachsenden DSL-Markt zu profitieren und somit den stagnierenden Mobilfunk zu kompensieren. Diese Diversifizierung dient auch als Schutz vor dem Preisdruck im Bereich der Kernprodukte.41 Die bereits erwähnten Discount-Anbieter, zu denen Simyo, AldiTalk, smobil oder fonic zählen, erhöhen zusätzlich den Grad der Wettbewerbsintensität.42
36
Vgl. Hermes, V. (2008), S.25 f. Vgl. Baumbach; Hefermehl (1987), S. 29 38 Vgl. Kruse, J. et al. (2004a), S. 15 39 Vgl. Bosshart (2004), S. 119 40 Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 15 41 Vgl. Anand, B. N. (2008), S. 51 42 Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 15 37
10
2.2.2
Strategien zur Differenzierung
Aufgrund einer hohen Penetrationsrate und der Marktsättigung ist es fragwürdig, inwieweit die Akquirierung von Neukunden durch günstige Angebote für Mobilfunkanbieter weiter im Fokus stehen sollte. Obgleich das Umsatzpotenzial neuer Kunden vorab nicht ersichtlich ist, werden die Budgets für Akquisition stetig erhöht, was das Risiko sinkender Margen mit sich führt.43 Bei der Suche nach Wettbewerbsstrategien finden auch im Mobilfunk Porters Kosten- und Qualitätsführerschaft Anwendung. Erstere äußert sich in Form einer Bündelung von unternehmerischen Aktivitäten, um einen Kostenvorsprung gegenüber dem Wettbewerb zu erlangen. Dieser wird in vielen Fällen durch Abstriche beim Service realisiert und führt zu geringen Preisen. Infolgedessen wird hier auch von Preisführerschaft gesprochen. Die Qualitätsführerschaft hingegen zielt auf einzigartige Leistungen eines Anbieters mit einem Besonderheitscharakter ab, der sich beim Wettbewerb nicht finden lässt. Dies ist mit zusätzlichen Investitionen verbunden und spiegelt sich in erhöhten Preisen wieder.44 Da es sich bei beiden Strategien um theoretische Faktoren handelt, sind sie nicht bis ins letzte Detail anwendbar. Der Grund dafür ist unter anderm die, in einem Oligopol häufig vorherrschende Kollusion zwischen den Anbietern. Dabei wird durch die begrenzte Anzahl von Wettbewerbern, ein Verhalten der Anbieter untereinander möglich, was zu Vorteilen für alle führt. Da offiziell keine solche Absprache erlaubt ist, wird der Begriff der impliziten Kollusion genutzt. Hierbei sind sich die Anbieter der Reaktion ihrer Wettbewerber bewusst und führen keine kurzfristigen Marketingaktionen durch, sondern setzen auf eine langfristige gewinnbringendere Strategie, sodass die Beteiligten der Kollusion profitieren.45 Allerdings erhöhte sich durch die zunehmende Anbieterzahl auch die Anzahl differierender Zielsetzungen, sowie die Risikofreudigkeit, was ihr Verhalten unberechenbar macht und eine implizite Kollusion erschwert. Diese Entwicklung lässt sich durch die zunehmende Anbieterzahl auf dem Mobilfunkmarkt erkennen.46 Bei der Beantwortung der Frage, ob Anbieter in Folge einer Preisstrategie auf bedingungslose Akquise setzten oder sich auf die Bestandskunden fokussieren sollen, ist zu berücksichtigen, dass diese Strategie auf wettbewerbsintensiven Märk43
Vgl. o.V. (2005), S. 46 f. Vgl. Corsten, H., Gössinger, R. (2005), S. 391 45 Vgl. Kruse, J. et al. (2004a), S. 60 46 Vgl. ebd., S.74 44
11
ten mit schwachem Wachstum, ein kritisches Element darstellt. Bei der Hinterfragung der Strategie sind die gewandelten Rahmenbedingungen, sowohl auf Kunden, als auch auf Wettbewerbsseite akribisch zu beachten.47 Durch veränderte Wertvorstellungen der Kunden akzeptieren diese eine unzureichende Qualität der Leistungen nicht mehr, was deren Bedeutung belegt. Wird in diesem Zusammenhang eine Akquisitionsstrategie fokussiert, so fällt die Qualität den Akquisitionskosten zum Opfer.48 Die Konzentration auf Neukunden und die Vernachlässigung der eigenen Kunden ist somit nicht mehr zielführend.49 2.2.3
Rahmenbedingungen
Bei Betrachtung der aktuellen Situation auf dem Mobilfunkmarkt zeigen sich eine einsetzende Marktsättigung, austauschbare Produkte und kurze Lebenszyklen der Leistungen, was zu einem hohen Kosten- und Wettbewerbsdruck führt.50 Gründe sind technologischer Fortschritt, der Wandel zur Informationsgesellschaft, eine steigende Markttransparenz und ein verändertes Käuferverhalten.51 Vergleichbare Produktqualitäten, geringe Differenzierungsmöglichkeiten und der Wandel der Unternehmen von der Produkt- hin zur Kundenorientierung machen zusätzlichen Service unumgänglich. Der Wunsch nach Service und Qualität auf Kundenseite gewinnt zunehmend an Bedeutung im Hinblick auf die Bindung der eigenen Kunden. Dies zeigt sich besonders darin, dass in 70 % aller Fälle mangelnder Service den Grund für die Abwanderung zur Konkurrenz darstellt.52 Eine Differenzierung über “harte“ Faktoren, wie den Preis, wird nicht zuletzt durch das Ende des Preisverfalles schwieriger. “Weiche“ Faktoren im Rahmen eines professionellen Kundenbeziehungsmanagement werden zunehmend wichtiger.53 2.2.4
Preiswettbewerb
Die Jagd auf Neukunden wird häufig über einen Preiswettbewerb geführt, der sich in einer aggressiven Abwerbungsstrategie der Konkurrenz äußert.54 47
Vgl. Rapp, R. (1995), S. 46 Vgl. Mann, A., (1998), S. 5 49 Vgl. Kindermann, H.(2006), S.1 50 Vgl. Woehe, J. M., Lang, M. (2003), S. 11 51 Vgl. Kindermann, H.(2006), S.11 52 Vgl. ebd. S. 296; o.V. (2007): Servicefrust, S. 37 53 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 13 54 Vgl. Porter, M. E. (2008), S. 24 48
12
Um günstige Preise und Lockangebote realisieren zu können, ist die konsequente Anwendung der Kostenführerschaft notwendig. Betrachtet man dies genauer, so werden die Kostenstrukturen angepasst, um niedrige Preise zu kompensieren. Sinkende Preise setzen somit eine Spirale in Gang, die über Einsparungen kompensiert werden muss, wobei oftmals an Serviceleistungen gespart wird.55 Im Rahmen dieses Marktverhaltens ist zu berücksichtigen, dass sich ein Preiswettbewerb zum Preiskrieg entwickeln kann. Darunter versteht man das gegenseitige preisliche Unterbieten und die Inkaufnahme von Verlusten. Die raschen Preissenkungen als Reaktion der Wettbewerber führen dazu, dass Auswirkungen auf die Nachfrage durch Preissenkungen schwer nachvollzogen werden können.56 E-Plus zeichnet sich als Anbieter aus, der mit billigen Tarifen und Slogans wie „Billigster Tarif“ wirbt. Das E-Plus dadurch seinen hohen Akquisitionskosten Tribut zollen muss, zeigen die Servicekürzungen, z. B. in einer kostenpflichtigen Hotline.57 Bei weiterer Marktbetrachtung zeigt sich ein stetiger Ansturm der neuer BilligAnbieter, die eine No-Frill Strategie verfolgen. Kern dieser Strategie ist: „[...] die Reduktion der Leistung auf das Kernprodukt [...]“58. So bieten Anwender dieser Strategie billiges Telefonieren und ein Mindestmaß an Service. Die Discounter bieten eine hohe Qualität in der Kernleistung, hohe Transparenz und geringe Preise. Dabei wird die Zielgruppe mit einer starken Preisfokussierung angesprochen, die allerdings nicht zur attraktiven, profitablen Zielgruppe gehört.59 Beispiele sind die Submarken Base von E-Plus, Congstar von T-Mobile oder smobil von Vodafone.60 Obgleich die Discount-Marken neue Kunden anlocken, so stellt sich die Frage, ob diese mit Hinblick auf die Umsatzeinbußen der Hauptmarke und besonders den Kannibalisierungseffekten, die richtige Strategie sind.61 Aus Sicht der Marktführer T-Mobile und Vodafone erhöht sich durch die günstigen Preise der Billiganbieter, der Druck auf die eigenen Preise. Die Reaktion eines der beiden auf die Marktentwicklung führt zeitversetzt zu einer weiteren des zweiten Anbieters. Startete T-Mobile auf Druck der netzinternen Telefonflatrate von Base am 04.10.2006 mit seiner Flatrate „Max“, so führte Vodafone am 16.10.2006 den Tarif „SuperFlat“ zu gleichen Konditionen ein.62 55
Vgl. Bosshart (2004), S. 10 Vgl. Laker, M., Zinöcker, R. (2006), S. 45 57 Vgl. E-Plus (2008), o.S. 58 o.V. (2005) , S. 46 f. 59 Vgl. Kindermann, H. (2006), S. 305 60 Vgl. Teltarif (o.J.), o.S. 61 Vgl. o.V. (2005) , S. 46 f. 62 Vgl. Vodafone Presseservice (2006), o.S; Pressebox (2006), o.S. 56
13
Wenngleich der Preisverfall und der dadurch abnehmende ARPU (Average Revenue per User), sprich der Umsatz pro Kunde, die Bilanzen der Anbieter drücken, ist der Preiswettbewerb ein populäres Marktinstrument. Aus Anbietersicht kann dieser allerdings nicht gewonnen werden, da einer von ihnen letztlich die größeren finanziellen Reserven hat. Somit bietet Preiswettbewerb langfristig keine Vorteile und wird als Allheilmittel, zulasten der Kundenwünsche, überschätzt .63 Bei einer aktuellen Betrachtung der Preise lässt sich ein Ende des Verfalls erkennen. Speziell die Discount-Anbieter besitzen durch ständige Preissenkungen die gleichen Konditionen, sodass das USP “Billig“ verschwindet. Folglich verliert das Preisargument seine Bedeutung und der Fokus verlagert sich zur Servicequalität der angebotenen Leistung. Darüber hinaus senkt ein Wettbewerb über andere Faktoren als den Preis, die Profitabilität weniger stark.64 2.2.5
Konsumentenverhalten
Die Kundentypen werden durch den Wunsch nach ausgeprägtem Service, exzellenter Leistung, einfachen Produkten und leichter Bedienung geprägt.65 Economizing Customer Sucht nach dem besten PreisLeistungsVerhältnis.
Ethical Customer Kauf nach moralischen Wertvorstellungen.
Personalizing Convenience Customer Customer Bevorzugt persön- Einfachheit und Beliche und spezielle quemlichkeit stehen beim Kauf und der Behandlung. Nutzung im Fokus.
Quelle: Fitzsimmons, James A., Fitzsimmons, Mora J. (2004), S. 106 Tabelle 1: Kundentypen
In Verbindung mit dem Wunsch nach Service gehen Erwartungen an dessen Qualität. Der erhöhte Anspruch ist bedingt durch die Transparenz der Leistungen, verursacht durch die rasante Entwicklung des Internets und dem damit erhöhtem Informationsstand der Kunden. Das Wissen des Konsumenten lässt ihn schwerer zufriedenstellen, seine Ansprüche nach optimaler Betreuung stärker äußern und ihn bei Enttäuschung schneller zur Konkurrenz abwandern.66 Die Abwanderungsbereitschaft wird durch eine Studie belegt, in der nur 41 % der Mobilfunkkunden ihren Anbieter wiederwählen würden.67 63
Vgl. Horowitz, J. (1992), S. 57; Buser, T. et al. (2003), S. 19 Vgl. o.V. (2005) , S. 46 f.; Servicerating GmbH (10.12.2007), o.S; Porter, M. E. (2008), S. 24 65 Vgl. Zimmermann, D. (2005), S. 20 66 Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S.17; Buser, T. et al. (2003), S. 15; Horowitz, J. (1992), S. 55 67 Vgl. Kundenmonitor Deutschland (2007), S. 1 64
14
Die Ursache der Abwanderungsbereitschaft, ist zurückzuführen auf die Entwicklung des „homo oeconomics“ hin zum „emotionalen Entscheider“. Dies zeigt sich in einem wirtschaftlich unvernünftigen, nicht rationalen Verhalten, in dem scheinbar für den Kunden nicht der maximale Nutzen im Mittelpunkt steht.68 Seine Handlungsweisen und Erwartungen werden somit zunehmend heterogen, was als „Hybridisierung des Konsumentenverhaltens“ bezeichnet wird.69 Der Großteil allerdings möchte, bei allem was er tut, im Rahmen seiner Ansprüche, Wertschätzung erfahren. Dabei wählt er aus einer Vielzahl von Angeboten das aus, was die Befriedigung seiner Bedürfnisse erfüllt.70 Dadurch müssen die Anbieter die neuen Ansprüche und Voraussetzungen an den eigenen Service anpassen (Abb. 3). 20% Gestiegene Erwartungen 20% Größerer Informationsstand
50%
Kritischere Kunden 0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40%
45%
50%
In Anlehnung an Zimmermann, D. (2005), S .9 Abbildung 3: Gründe für gestiegene Serviceansprüche
2.3
Zusammenfassung
Der deutsche Mobilfunkmarkt ist geprägt von einer Homogenität der Leistungen, einer hohen Wettbewerbsintensität und schwachem Wachstum aufgrund einer einsetzenden Marktsättigung. Mit Hinblick auf erhöhte Kundenansprüche und Erwartungen, speziell bezogen auf den Service, stehen die Marktteilnehmer an dem Punkt ihre eigenen Marktstrategien zu hinterfragen. Waren diese bisher geprägt durch Lockangebote und sinkende Preise auf der Jagd nach Neukunden, so stehen die Anbieter nun vor der Aufgabe ihren Service zu verbessern und sich auf die eigenen Kunden zu konzentrieren, um somit deren Anfälligkeit vor Lockangeboten zu senken. 68
Vgl. Kindermann, H.(2006), S. 4; Zimmermann, D. (2005), S. 30 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 21 70 Vgl. ebd., S. 15 69
15
3
Kundenzufriedenheit durch Service
Im Rahmen der Fragestellung warum Service einen kritischen Erfolgsfaktor darstellt, zeigt der folgende Abschnitt inwieweit dieser und seine Qualität Kundenzufriedenheit und infolgedessen den unternehmerischen Erfolg beeinflussen. 3.1
Ausgangslage Dienstleistungsgesellschaft
Die Erzielung von Kundenzufriedenheit durch eine positive Serviceerfahrung ist eine der Kernthesen, die aktuell nicht nur die deutsche Wirtschaft beschäftigt. Kunden ein erstklassiges Serviceerlebnis zu bieten, bleibt allerdings oft nur ein Lippenbekenntnis. Grund dafür ist unter anderm die, für eine effiziente Anwendung von Serviceleistungen, fehlende Trennung der Begriffe Dienstleistung und Service. 3.1.1
Entwicklung
Bei Betrachtung der Nachfrage nach Dienstleistungen zeigte sich in den vergangenen Jahren ein Trend zur Dienstleistungsgesellschaft. Gründe für das neue Nachfrageverhalten sind demografische Änderungen, die Entwicklung der Märkte und der technologische Fortschritt, welcher durch komplexe Produkte, sowohl mehr Dienstleistungen erfordert, als auch neue Möglichkeiten bietet. Ursache für die Auswirkung der demografischen Entwicklung auf den Dienstleistungssektor ist eine gestiegene Lebenserwartung, die sich darin äußert, dass mehr ältere Menschen für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen ihr Geld ausgeben. Doch auch andere Konsumenten sehen sich einem gestiegenem Einkommen und einer erhöhten Nachfrage nach höherwertigen Konsumgütern und Dienstleistungen gegenüber.71 Analog zum erhöhten Nachfrageverhalten zeigt auch die Angebotsseite Veränderungen, in Form der Beschäftigungsentwicklung hin zum Dienstleistungssektor. Resultierend aus einer erhöhten Arbeitsproduktivitätszunahme im Industrie-Sektor, werden die hier freigesetzten Arbeitskräfte umgeschichtet.72 Zusammengefasst zeigt eine Betrachtung der Sektoren Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistung eine deutliche Entwicklung zum Letzteren. 2000 machte dieser bereits 70% der Bruttowertschöpfung aus (Abb. 4).
71 72
Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2006), S.6 f.; Corsten, H., Gössinger, R. (2005), S. 3 Vgl. Corsten, H., Gössinger, R. (2005), S. 3
16
80 70 60 50
USA Deutschland Japan
40 30 20 10 0
1980
1994
2000
In Anlehnung an Meffert, H., Bruhn, M. (2006), S. 14 Abbildung 4: Anteil des Dienstleistungssektors an der Bruttowertschöpfung
3.1.2
Dienstleistungen
„Dienstleistungen sind selbstständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung [...] und / oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten [...] verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne [...] und externe [...] Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorkombinationen des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren (z. B. Auto des Kunden) nutzenstiftende Wirkungen [...] zu erzielen (Ergebnisorientierung)“73. Ihre Besonderheiten im Gegensatz zu Sachgütern zeigen sich in der Integration des externen Faktors und der Immaterialität des Leistungsergebnisses74. Die Abgrenzung von Dienstleistungen zu den Erzeugnissen des Agrar- und Industriesektors wird wie folgt vorgenommen:75
•
Negative Abgrenzung. Sie besagt, dass alle Produkte, die weder agrarisch noch industriell sind, zu den Dienstleistungen zählen. Die Kritik besteht in der fehlenden Berücksichtigung, dass Dienstleistungen Teile der anderen Sektoren, also mit Agrar und Industrie verbundene Leistungen sind. Agrar- und der Industrie-Sektor enthalten somit auch Anteile von Dienstleistungen.
•
Enumerative Abgrenzung. Sie beinhaltet eine Beispielaufzählung aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen, in denen Dienstleistungen produziert werden. Hier werden einzelwirtschaftliche Bereiche fest- und zusammengelegt, wobei die Te-
73
Meffert, H., Bruhn, M. (2006), S. 33 Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2006), S. 63 75 Vgl. Pepels, W. (2005), S. 18 f. 74
17
lekommunikation, die den Mobilfunk umfasst, einer davon ist. Die Kritik ist die Instabilität der Liste aufgrund der stetigen Marktentwicklung. 3.1.3
Einordnung von Mobilfunk als Dienstleistung
Die Mobiltelefonie ist, genau wie jedes andere Gut oder jede andere Dienstleistung, ein Produkttyp, der sich aus verschiedenen Merkmalen zusammensetzt. Sie wird als konsumtive Dienstleistung bezeichnet. Bei genauerer Betrachtung entspricht die Primär- oder Kernleistung im Mobilfunk, in dem zur Verfügung stellen von Netzkapazitäten. Gleichzeitig ist sie verantwortlich für die homogene Leistung der Mobilfunkanbieter, da jeder diese gleichermaßen bereitstellt. Die Inanspruchnahme der Leistung erfolgt dabei auf Grundlage eines kündbaren Vertragsverhältnisses, das gleichzeitig Ursache für die typisch hohe Anzahl von Bestandskunden ist.76 3.1.4
Service in der Dienstleistungsgesellschaft
Grund für die oft synonyme Verwendung der Begriffe Dienstleistung und Service ist die Bedeutung von Service im Angloamerikanischen. Hier existieren keine unterschiedlichen Bezeichnungen für Dienstleistungen und Service.77 3.1.4.1 Abgrenzung von Service und Dienstleistung Bei der Diskussion über Service in Deutschland fällt häufig der Satz „Servicewüste Deutschland“. Tatsächlich liegt es im Vergleich zu Ländern wie den USA in Sachen Kundenservice zurück. Grund ist die hier vorherrschende Mentalität, die Service entehrend in der Ausführung und beschämend bei der Inanspruchnahme empfindet. Dies verursacht, dass Deutsche bisher ungern Service für andere erbringen, im Gegensatz zu Nordamerika oder Skandinavien.78 Bei dem Versuch die Begriffe zu trennen, lässt sich Service als Sekundär- oder Zusatzdienstleistung bezeichnen. Diese ist als unselbstständige, produktverbundene Leistungen definiert, während Primärleistungen selbstständige, produktunabhängige Leistungen, also Dienstleistungen sind.79 76
Vgl. Kindermann, H. (2006), S. 3 Vgl. Rapp, R. (1995), S. 29 78 Vgl. Pepels, W. (2005), S. 17 79 Vgl. Corsten, H., Gössinger, R. (2005), S. 33; Pepels, W. (2005), S. 69 77
18
Bei Inanspruchnahme der Kernleistung nehmen Kunden Service, also Sekundärdienstleistungen, in Anspruch, die eine erweiterte Leistung umfassen. Somit wird die Primärleistung auch als Verteilungsfunktion für Service bezeichnet.80 Die Wahrnehmung von Primär- und Sekundärleistung erfolgt aus Nachfragersicht als Leistungsbündel, das sich in einer Güter- / Dienstleistungskombination mit z. B. einem Handy und der Mobilfunkleistung als Kernleistung erweitert um Services, wie z. B. eine Hotline darstellt.81 Nur für den Fall, dass der Kunde über alle Kundenkontaktpunkte hinweg, egal ob durch Mitarbeiter, Prozesse oder Technologien, eine positive Serviceerfahrung erhält, kann er zufriedengestellt werden.82 Die im Leistungsbündel enthaltenen Services werden als „Kann“ und „Muss“ Services unterscheiden.83 Der „Muss“- Service bildet eine Standardleistung, die das Unternehmen erbringen muss, um die Kundenerwartungen zu erfüllen. Zu den „Muss“- Services zählen z. B. eine Hotline oder ein Online-Shop, die in der Regel jeder Anbieter besitzt. „Kann“- Services hingegen sind Faktoren, die im Rahmen einer nicht erwarteten Leistung, eine Abgrenzung vom Wettbewerb ermöglichen.84 Auf Kundenseite lässt sich eine Verschiebung der Erwartungen vom reinen Produkt oder einer Dienstleistung, hin zu zusätzlichem Service erkennen. Dabei erwarten sie Wertschätzung, Zuwendung und Anteilnahme, wofür eine Kernleistung nicht ausreicht. Anbieter müssen sich somit auf Tugenden wie Zuverlässigkeit, Flexibilität und Offenheit gegenüber dem Kunden fokussieren.85 Somit lässt sich Service folgendermaßen definieren: „Service umfasst alle Bestandteile, Aktionen und Informationen, die es Kunden ermöglichen, einen über das erwartete Produkt hinausgehenden Wert der Unternehmensleistung zu realisieren“86. Dadurch ist es nicht verwunderlich, dass 88,3 % der Unternehmen Service für den wichtigsten Faktor zum Erzielen von Kundenzufriedenheit halten und seine Anwendung ein kritischer Erfolgsfaktor des Unternehmenserfolges darstellt.87 Allerdings ist eine ständige Leistungskontrolle und Weiterentwicklung notwendig, da sich mit Hinblick auf die steigenden Ansprüche der Kunden häufig eine Wandlung der Ansprüche finden lässt. Früher nicht selbstverständliche Leistungen, ent80
Vgl. Rapp, R. (1995), S. 27 f.; Mann, A. (1998), S. 43; Lusch, R. F., Vargo, S. L. (2006), S. 307 Vgl. Mann, A. (1998), S. 42 82 Vgl. Rapp, R. (1995), S. 26; Mann, A, (1998), S. 4; Horowitz, J. (1992), S. 38 83 Vgl. Pepels, W. (2005), S. 69 84 Vgl. Mann, A. (1998), S. 318; Rapp, R. (1995), S. 29 85 Vgl. Zimmermann, D. (2005), S. 37, 46; Horowitz, J. (1992), S. 9 86 Rapp, R. (1995), S. 29 87 Vgl. Mann, A. (1998), S. 232, 595 81
19
wickeln sich zur Selbstverständlichkeit, was aus „Kann“- Services somit „Muss“Services macht.88 3.1.4.2 Anwendung von Service in der Praxis Bei der Betrachtung der Wirtschaft lässt sich ein unterschiedliches Verständnis von Service erkennen. Die kundenorientierte Sicht, die ein hohes Maß von „Kann“- und „Muss“- Services erfordert, wird als „Dienst am Kunden“ verstanden. Leider ist diese Sicht noch zu selten bei Unternehmen aktuell. In der Praxis wird Service noch zu häufig als reine Dienstleistung und zwingende Pflichterfüllung verstanden, anstatt einer Chance Wettbewerbsvorteile zu erzielen (Abb. 5). Service sollte im Rahmen des „Dienst am Kunden“ alle Aktionen eines Unternehmens umfassen, die Kunden durch „Muss“- Services zufriedenzustellen und darüber hinaus mit nicht erwarteten „Kann“-Services begeistern.89
50% 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%
50%
30%
Dienst am Kunden
30%
Dienstleistung
Zusatzleistung
In Anlehnung an Matzler, K. et al. (2006), S. 8 Abbildung 5: Service-Verständnis der Unternehmen
Anwendung finden Serviceleistungen allen Phasen der Kundenbeziehung, also vor (Pre-Sales), während (Sales) und nach dem Kauf (After-Sales). Vor dem Kauf benötigt der Kunde Service in Form von Beratungsleistungen durch eine telefonische Auskunft oder den Besuch einer Filiale. Während des Kaufes steht eine optimale Lieferung und Abwicklung der Zahlungsmodalitäten im Vordergrund, während den entscheidenden Aspekt die After-SalesPhase bildet, die Reklamationen und Kundenwünsche beinhaltet.90 88
Vgl. Zimmermann, D. (2005), S. 18 Vgl. ebd., S. 7, 12, 42 90 Vgl. Fritz (2007), S. 60 f. 89
20
3.1.4.3 Chance zur Differenzierung durch Service Die zunehmende Wettbewerbsintensität, eine Homogenität der Leistungen und hohe Kundenansprüche schmälern die Unterschiede zwischen den Mobilfunkanbietern. Auf der Suche nach Abgrenzungsmerkmalen gewinnt der Kundenservice zunehmend an Bedeutung und wird als Wettbewerbsinstrument immer populärer.91 Im Leistungsbündels spielt die Dienstleistung zwar eine wichtige Rolle, die Serviceleistung bildet im Zusammenhang allerdings den wichtigeren Beitrag und folgt dem Grundsatz: „Performance leads, but service wins“92. Die subjektive Serviceerfahrung bildet in der Vor-Kauf-Phase eines der Hauptkriterien für die Kaufentscheidung und ist Voraussetzung für Kundenbindung. Demzufolge verwundert es nicht, dass 83 % der Unternehmen Service als wichtigen Faktor für die Kundenbindung sehen. Nur die Unternehmen, denen es gelingt ihren Kunden ein exzellentes Serviceerlebnis zu bieten, schaffen eine Differenzierung und bilden ein schwerer zu imitierendes Alleinstellungsmerkmal, als das aktuell eingesetzte Instrument des Preises. Dies soll letztlich dazu führen, dass Bedürfnisse besser befriedigt werden können, als vom Wettbewerb und über Zufriedenheit hinausgehende Begeisterung beim Kunden erzeugt wird.93 Grund für die Chance ein hohes Maß von Kundenbindung zu erreichen, ist der in den meisten Fällen persönlich stattfindende Service und somit eine hohe Interaktivität der Beziehung. Die Interaktion mit dem Kunden bildet die Grundlage für die Anwendung von Serviceleistungen, welcher zum großen Teil in der After-SalesPhase benötigt werden. Aufgrund der Kontakte erhalten Anbieter, neben der Chance durch Service zu überzeugen, auch Information über und durch den Kunden. Dieses Wissen schafft ein einheitliches Bild vom Nachfrager über alle Kundenkontaktpunkte hinweg und kann darüber hinaus auf Missstände in den eigenen Abläufen hinweisen.94 Allerdings ist das durch die hohe Interaktivität bestehende Risiko einer negativen Servicebewertung nicht zu vernachlässigen, da diese in hohem Maße von der erbrachten Leistung der Mitarbeiter abhängig ist.95 Zusammengefasst erfüllt Service eine Kundenbindungs-, eine Differenzierungsund eine Informationsfunktion (Abb. 6). 91
Vgl. Mann, A. (1998), S. V, 88, 318; Woehe, J. M. et al. (2003), S. 12; Presseportal (2008a), o.S. Teboul, J. (2006), S. 22 93 Vgl. Rapp, R. (1995), S. 29; Woehe, J.M., Lang, M. (2003), S. 15; Mann, A, (1998), S. 4, 232 94 Vgl. Pepels, W. (2005), S. 59; Mann, A, (1998), S. 62; Ebner, M. et al. (2007), S. 8 95 Vgl. Woehe, J.M., Lang, M. (2003), S. 15 92
21
Information - Informationsweitergabe und Kommunikationsunterstützung - Informationssammlung Differenzierung - Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen und Präferenzen
Schaffung von Marktund Kundennähe
Kundenbindung - Schaffung von Kundenzufriedenheit - Aufbau von Wechselbarrieren
In Anlehnung an Mann, A. (1998), S. 72 Abbildung 6: Wesentliche Kernfunktionen des Service
3.1.5
Servicequalität
Die erhöhten Ansprüche äußern sich nicht nur im Servicewunsch, sondern auch nach dessen Qualität, die häufig der Grund für Kundenabwanderungen ist.96 Eine Studie von Buzzell und Gale, kam 1987 zu dem Schluss, dass: „der langfristig wichtigste Faktor für den Erfolg einer Geschäftseinheit die Qualität seiner Produkte und Dienstleistungen im Vergleich zu der Qualität der Wettbewerber ist“97. Da die Studie Dienstleistungen und Service nicht voneinander trennt, umfasst hier die Dienstleistungsqualität sowohl Primär- als auch Sekundärleistungen. Servicequalität per se bezeichnet „[...] die Erfüllung aller unfühlbaren Servicebestandteile, die durch Mitarbeiter des Unternehmens und / oder Servicesysteme am Kunden verrichtet werden und es diesem ermöglichen einen über das erwartete Produkt hinausgehenden Wert der Unternehmensleistung zu realisieren“98. Während sich die Kernleistung im Mobilfunk nur über Netzqualität von Wettbewerbern abgrenzen lässt, unterscheidet die Servicequalität vier Dimensionen:99 •
Zuverlässigkeit: Inwieweit ein versprochener Service erfüllt wird.
•
Reaktionsbereitschaft: Wille und Schnelligkeit bei der Lösung des Anliegens.
96
•
Sicherheit und Kompetenz: Verlässlichkeit und Höflichkeit.
•
Einfühlungsvermögen
Vgl. Buser, T. et al. (2003), S. 17; o.V. (2007b), S. 36 Ballantyne, D. et al. (1999), S. 113 98 Rapp, R. (1995), S.64 99 Vgl. ebd. S. 55 97
22
Anhand dieser Dimensionen lässt sich erkennen, dass die Servicequalität in hohem Maße abhängig vom Verhalten der Mitarbeiter ist (Kapitel 4.3.2).100 3.1.5.1 Von Servicequalität zu Kundenzufriedenheit Der Grad von Servicequalität hat direkte Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit. Einen Ansatz zur Erklärung bietet hier die PROSAT Studie (Profit through Satisfaction) von Rapp. Er geht davon aus, dass Zufriedenheit den Vergleich einer wahrgenommenen Qualität der Gesamtleistung, mit der erwarteten Unternehmensleistung darstellt. Dabei setzt sich die Qualität der Gesamtleistung aus folgenden Dimensionen zusammen:101 •
technische Produktqualität
•
Servicequalität
•
Reputationsqualität
•
Beziehungsqualität
•
Preiswahrnehmung
Die wahrgenommene Qualität hat somit einen psychologischen Effekt in Form der Auswirkung auf die Kundenzufriedenheit und das Verhalten. Eine schlecht empfundene Servicequalität schlägt sich demzufolge unmittelbar auf Treue und Kaufentscheidung der Kunden und auf das Image des Unternehmen nieder.102 Die Bewertung der Servicequalität ist abhängig von der Wahrnehmung des Kunden, die durch eigene Erfahrungen oder die der Freunde und Bekannten beeinflusst werden kann. Dies führt zu differierenden Erwartungen an denen sie Qualität messen und erschwert die Festlegung von Servicestandards seitens der Unternehmen.103 Letztlich sind es die Kunden, die durch ihre persönlichen Bedürfnisse und Erfahrungen das Niveau der Qualität diktieren.104 Dabei gilt der Grundsatz: „Quality is what the customer says it is”105. Im Rahmen der Dimensionen trägt die Servicequalität großen Anteil an der Kundenzufriedenheit, die sich im weiteren Verlauf auf die Loyalität, das Kaufverhalten und Weiterempfehlungen auswirkt. Unter der Prämisse, das Kundenzufriedenheit 100
Vgl. Rapp, R. (1995), S. 26, 151, Mann, A, (1998), S. 5 Vgl. ebd. S. 5 ff. 102 Vgl. Bruhn, M. (2006), S. 56; Prudent, C. et al. (2005), S. 22; Woehe, J.M. et al. (2003), S. 11 103 Vgl. Bestmann, K., Leyer, B. (2007), S. 13; Storbacka, K. et al (1999), S. 74 104 Vgl. Horowitz, J. (1992), S. 9 105 Woehe, J. M., Lang, M. (2003), S. 74 101
23
die Profitabilität erhöht, bildet die Verbesserung der Qualität nicht nur den Hebel für höhere Zufriedenheit, sondern auch für die Profitabilität (Abb. 7).106 Produktleistung Produktzuverlässigkeit Design
Technische Produktqualität
Zuverlässigkeit Reaktionsbereitschaft Sicherheit Einfühlungsvermögen
Servicequalität Wiederkauf
Wettbewerbsfähigkeit Kompetenz Image
Reputationsfähigkeit
Kundenzufriedenheit
Verkaufskompetenz Konfliktverhalten Beziehungsatmosphäre
Persönliche Beziehungsqualität
Preis Zahlungsmodalitäten Preisänderungen
Preiswahrnehmung
Kundenloyalität
Beziehungsweiterführung Weiterempfehlung
In Anlehnung an Rapp, R. (1995), S. 7 Abbildung 7: Dimensionen von Kundenzufriedenheit in der Wirkungskette
Trotz der Schwierigkeit unterschiedlicher Bewertungsgrundlagen von Qualität hat diese großen Einfluss auf das zukünftige Kaufverhalten, da letztlich diese und der Service die Faktoren bilden, die maßgeblich zur Zufriedenheit mit einem Anbieter oder einem Produkt beitragen. Zu diesem Schluss kam auch eine Umfrage, in der Service und Qualität die Faktoren sind, die einen höheren Grad der Beeinflussung auf die Kundenzufriedenheit aufweisen, als es bei der Kommunikation und dem Preis der Fall ist (Abb. 8).107 Preisargumente haben in diesem Zusammenhang einen eher schwachen Einfluss, während die Bearbeitung von Kundenanliegen und der Umgang mit Beschwerden ich im Rahmen der Serviceerfahrung positiv auf den Kunden auswirken. Dabei bieten besonders Beschwerden und deren schnelle, korrekte Abwicklung die Chance ein Alleinstellungsmerkmal am Markt zu erzielen.108 Bei aktueller Betrachtung allerdings zeigt sich noch eine Diskrepanz zwischen dem durch ein Unternehmen definierten Anspruchsniveau und dem Erreichten.109
106
Vgl. Storbacka, K. et al. (1999), S. 69 ff., Rapp, R. (1995), S. 150 Vgl. Lusch, R. F., Vargo, S.L. (2006), S. 361; Prudent, C., Selbach, D. (2005), S. 22 108 Vgl. Presseportal (2008), o.S. 109 Vgl. Horowitz, J. (1992), S. 9 107
24
40%
36%
36%
35% 30% 25% 20%
15%
15%
13%
10% 5% 0%
Qualität
Service
Kommunikation
Preis
In Anlehnung an Prudent, C., Selbach, D. (2005), S. 22 Abbildung 8: Faktoren, die Kundenzufriedenheit beeinflussen
3.1.5.2 Servicequalität auf dem Mobilfunkmarkt Im Bezug auf den deutschen Mobilfunkmarkt zeigt sich durch den in den letzen Jahren häufig eingesetzten Preis als Wettbewerbsinstrument eine Vernachlässigung der Servicequalität. Zukünftig gilt es zu beachten, dass „günstige Tarife [..] nicht mit schlechter Servicequalität bezahlt werden müssen. Langfristig werden nur die Anbieter überleben, die gleichermaßen die Zuverlässigkeit ihrer Dienstleistung sicherstellen, eine überzeugende Beratungsqualität liefern und mit Zusatzleistungen die Einzigartigkeit ihres Angebots unterstreichen"110. Beim Test der Servicerating GmbH zum Thema „Servicequalität von Mobilfunkanbietern“, bei der 1400 Kunden der Netzbetreiber Vodafone, T-Mobile, O2, E-Plus sowie der Provider Debitel, Freenet, Base, Talkline und The Phone House befragt wurden, lässt sich dies nur ansatzweise erkennen (Abb. 9). Zu den getesteten Merkmalen zählen Zuverlässigkeit, Fehlerfreiheit, Beratungsqualität und Zusatzleistungen. Bei der Bewertung der Ergebnisse zeigt sich zum einen O2 als Testsieger und zum andern ein Vorsprung der Netzbetreiber gegenüber den Providern. Verwunderlich dagegen ist das schlechte Abschneiden von T-Mobile. Einen möglichen Erklärungsansatz bietet das Leader-Syndrom, welches besagt, dass ein Marktführer schnell als dominant und arrogant wahrgenommen wird, was hier zu einer besonderen Anstrengung im Kundenservice führt.111
110 111
Servicerating GmbH (2007), o.S. Vgl. Horowitz, J. (1992), S. 34; Fritz, S. (2007), S. 77
25
79
O2
74
Vodafone
72
E-Plus
68
Base
66
Debitel
65
Mobilcom
63
T-Mobile
59
Freenet
53
Talkline
49
The Phone House 0
10
20
30
40
50
60
70
80
In Anlehnung an Servicerating GmbH (2007), o.S. Abbildung 9: Ergebnis der Studie „Servicequalität von Mobilfunkanbietern“
Die Gesamtzufriedenheit auf dem deutschen Mobilfunkmarkt liegt mit 681 Punkten von maximal 1000 erreichbaren, ebenfalls im eher befriedigenden Bereich. Hier besitzen die Unternehmen noch Potenzial, die eigenen Kunden zu begeistern.112 3.2
Zufriedene Kunden im Rahmen der Wertschöpfungskette
Hohe Servicequalität bildet die Basis zur Schaffung von Kundenzufriedenheit. Wie diese im weiteren Verlauf konkret entsteht und warum sie entscheidend für den Unternehmenserfolg ist, folgt im nächsten Abschnitt. 3.2.1
Determinanten des Kunden für die Anbieterauswahl
Im Rahmen der Voraussetzung Kundenzufriedenheit zu schaffen, wird der Frage, was das Handeln des Kunden bestimmt, eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Die entscheidende Determinante für die Anbieterwahl ist die Erwartung an die Leistung, auf deren Basis Kunden diese bewerten. Der Kern der Erwartung lässt sich in interpersonelle und intrapersonelle Determinanten unterteilen.113 Erstere entsprechen Anreizen aus der Umwelt, wozu in hohem Maße die Erfahrungen anderer Kunden und die Unternehmenskommunikation zählen. 112 113
Vgl. Presseportal (2008), o.S. Vgl. Rapp, R. (1995), S. 31; Horowitz, J. (1992), S. 27
26
Intrapersonelle Determinanten hingegen beinhalten die inneren Beweggründe, also die eigenen Bedürfnisse, wozu die aktivierenden und die kognitiven Persönlichkeitsdeterminanten zählen. Diese unterscheiden sich hinsichtlich Ihrer Beeinflussbarkeit durch einen Anbieter. Während die zu den aktivierenden Determinanten zählenden Emotionen, Motive und die Einstellung eher schwer zu beeinflussen sind, erweist sich dies aufseiten der kognitiven leichter. Die dazugehörige Wahrnehmung wird zwar von der Einstellung bestimmt, kann aber durch ein positives Serviceerlebnis beeinflusst werden. Ist dies der Fall, so vermag sich die Einstellung des Kunden gegenüber einem Anbieter zu ändern. Je stärker dabei die positive Einstellung ist, desto höher ist auch die Kaufwahrscheinlichkeit. Zu den Faktoren, die Wahrnehmung positiv beeinflussen, zählen das Mitarbeiterverhalten oder der Umgang mit Reklamationen.114 Da die Erwartung von vielen Aspekten abhängt und oft die eigene Erfahrung fehlt, ergibt sich für den Kunden bei der Anbieterwahl ein „wahrgenommenes Risiko“. „Unter wahrgenommenem Risiko [...] werden als nachteilig empfundene Folgen des Verhaltens verstanden, die vom Konsumenten nicht vorhersehbar sind“115. Hier spricht man auch von subjektiver Unsicherheit der Kaufentscheidung.116 Mit Bezug auf den Mobilfunkbereich ist diese Unsicherheit, aufgrund der intangiblen Leistung, besonders hoch. Schafft es ein Anbieter, eine positive Mund-zuMund-Propaganda der eigenen Kunden zu erzeugen und ein attraktives Image aufzubauen, so erwartet der Kunde eine hohe Qualität und senkt das subjektive Risiko, was sich positiv auf seine Kaufentscheidung auswirkt.117 3.2.2
Zufriedene Kunden als Voraussetzung für Kundenbindung
Um durch Kunden langfristig hohen Profit zu erlangen, ist es notwendig diese vom Unternehmen zu überzeugen und daran zu binden. Im Rahmen der Wertschöpfungskette stellt Kundenzufriedenheit hierfür die notwendige Bedingung dar. Bei konkreter Betrachtung des Konstruktes Kundenzufriedenheit lässt sich diese als das Ergebnis eines Vergleichsprozesses zwischen Erwartungen und wahrgenommener Leistung bezeichnen. Um dies zu verbildlichen, wird das C / D Paradigma herangezogen. Im Rahmen von drei Stufen zeigt es die Entwicklung von der ab-
114
Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2006), S. 126; Horowitz, J. (1992), S. 27; Foscht, T. (2002), S. 116 Meffert, H., Bruhn, M. (2006), S. 32 116 Vgl. Knauer, M. (2002), S. 676 117 Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2006), S. 121 115
27
sorbierten Leistung bis zur resultierenden (Un-) Zufriedenheit. Zunächst findet ein Vergleichsprozess zwischen der Soll- und Ist-Leistung statt. Dabei entspricht Erstere dem Vergleichsstandard und setzt sich aus Erfahrungen, Erwartungen und Idealen zusammen. Die Ist-Leistung entspricht dem wahrgenommenen Leistungsniveau. Auf Basis des Vergleichsprozesses bildet die zweite Ebene die Differenz von Sollund Ist-Leistung. Entspricht die wahrgenommene Leistung dem Vergleichsstandard, so liegt Konfirmation, also eine Bestätigung vor. Übertrifft die wahrgenommene Leistung die Erwartung, so spricht man von positiver Diskonfirmation. Bleibt sie hingegen darunter, besteht negative Diskonfirmation. Im Rahmen der dritten Ebene zeigt sich ein Kunde unzufrieden, im Falle negativer Diskonfirmation, zufrieden bei Konfirmation, und begeistert bei positiver Diskonfirmation. Kundenzufriedenheit ist somit Resultat eines kognitiven Vergleichs.118 Vergleichsstandard (Soll-Leistung)
Wahrgenommene Leistung (Ist-Leistung)
Vergleichsprozess
Negative Diskonfirmation (Ist<Soll)
Konfirmation (Ist=Soll)
Positive Diskonfirmation (Ist>Soll)
Zufriedenheit unter Konfirmationsniveau (Unzufriedenheit)
Zufriedenheit auf Konfirmationsnuveau (Zufriedenheit)
Zufriedenheit über Konfirmationsniveau (hohe Zufriedenheit)
In Anlehnung an Homburg, C., Stock-Homburg, R. (2006), S. 21 Abbildung 10: Darstellung des C / D Paradigmas: Wirkungsbeziehungen bei der Entstehung von Kundenzufriedenheit
3.2.3
Steigende Kundenerwartungen
Bei der Betrachtung von Kundenzufriedenheit über einen längeren Zeitraum lassen sich steigende Erwartungen der Kunden erkennen. Ursache hierfür ist deren Eigenschaft die Leistungen, welche sie mehr als zufrieden stellen, mit der Zeit als normal vorauszusetzen. Somit schrumpfen bis dato Differenzierungspotenziale zu gewöhnlichen, vorausgesetzten Serviceleistungen. Daraus ergibt sich die Erforderlichkeit Kunden in jeder Phase des Kontaktes optimal zu bedienen, da durch ein 118
Vgl. Homburg, C, Stock- Homburg, R. (2006), S. 20
28
gestiegenes Erwartungsniveau bei gleicher Leistung, im schlimmsten Fall aus Zufriedenheit Unzufriedenheit entstehen kann.119 Unter diesem Aspekt ist es demzufolge notwendig aus Standardleistungen Begeisterungsfaktoren zu entwickeln. Für die genaue Betrachtung der Auswirkung der unterschiedlichen Servicefaktoren auf das Zufriedenheitsniveau soll das Mehr-Faktoren-Modell dienen, das Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren differenziert (Abb. 11).120 Basisfaktoren sind gleichzusetzen mit „Muss“- Faktoren, bei denen Nichterfüllung zu einer negativen Wahrnehmung führt. Um Erwartungen zu erfüllen sind Leistungsfaktoren, auch „Soll“-Faktoren genannt, notwendig. Kundenwahrnehmung und Erfüllung verlaufen hier proportional, sodass bei 100 % Erfüllung der Leistungsfaktoren Kunden zufriedengestellt werden. Nur Begeisterungsfaktoren sind diejenigen, die eine überproportionale Wahrnehmung beim Kunden generieren können und somit das Potenzial haben Nachfrager über die Bestätigung hinaus zu begeistern.121 Zufriedenheit
Begeisterungsfaktoren
Leistungsfaktoren
Konfirmationsniveau Basisfaktoren
Erwartungsniveau bezogen auf Leistungsfaktoren
Leistungsniveau
In Anlehnung an Oliver, R. L. (1997), S. 152 Abbildung 11: Darstellung des Mehr-Faktoren-Modells der Kundenzufriedenheit
3.2.4
Problematik bei der Umsetzung von Kundenzufriedenheit
Obwohl Service in vielen Branchen bereits propagiert wird und auch seine Bedeutung als Wettbewerbsfaktor klar geworden scheint, ergeben sich in der Umsetzung noch häufig Defizite.122 Trotz der Feststellung, dass für das Erreichen einer positiven Serviceerfahrung die Bedürfnisse des Kunden eruiert werden müssen, besteht nicht selten eine falsche 119
Vgl. Zimmermann, D. (2005), S. 47 Buser,T. et al. (2003), S. 49 Vgl. Pepels, W. (2005), S. 230 121 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 84; Bruhn, M. (2006), S. 44 ff.; Homburg, C. et al. (2006), S. 32 f. 122 Vgl. Pepels, W .(2005), S. 231 ff. 120
29
Vorstellung von dem was Kunden möchten. Dies führt letztlich zu einer Umsetzung dessen, was Unternehmen für ihre Kunden wichtig zu wissen glauben. Des Weiteren mangelt es im Rahmen der Umsetzung oft am hochwertigen Einsatz der Servicestandards. Dazu zählen qualitativ nicht hochwertig umgesetzte Kundenkontakte, was in einer Diskrepanz von Erwartung und Leistung auf Kundenseite resultiert. Trotz der mangelnden Umsetzung von Qualität propagieren Unternehmen ihre Serviceversprechen und wecken oft falsche Erwartungen, was in einer Diskrepanz zwischen kommunizierter und tatsächlicher Leistung resultiert.123 3.2.5
Begeisterungsfaktoren im Mobilfunk
Um die Zufriedenheitsdimensionen im Mobilfunk zu betrachten, empfiehlt sich nochmals die differenzierte Betrachtung von Dienst- und Serviceleistung. Erstere lässt sich bei allen Mobilfunkanbietern finden, wobei sich hier die D-Netze gegenüber den E-Netzen, aufgrund der besseren Frequenzen im Vorteil sehen. Im Rahmen des Mehr-Faktoren-Modells lassen sich zu den Begeisterungsfaktoren Ergänzungsleistungen zählen, welche unter anderm eine optimale und transparente Rechnungserstellung und den Umgang mit Kundenanfragen umfasst. Die zentrale Bedeutung in diesem Zusammenhang spielt die Hotline der Anbieter, die sich durch einen leichten Zugang, Kompetenz und Schnelligkeit auszeichnen muss. Zwar bildet sie einen „Muss“-Service, deren Qualität bildet wiederum einen Begeisterungsfaktor, der von Preis, Wartezeit, Schnelligkeit, Freundlichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter im Dialog bestimmt wird. Während die Kernleistung ihre Differenzierung über hohe Qualität der Netzleistung erlangt, sind es speziell die ergänzenden Leistungsaspekte, die im Rahmen von Service Kunden begeistern können.124 3.2.6
Auswirkungen von Kundenzufriedenheit
Die Bedeutung Kundenerwartungen zu erfüllen und Zufriedenheit zu erzielen resultiert aus dem Einfluss des Konsumentenverhaltens.125 Schafft es ein Anbieter Erwartungen zu übertreffen und Kunden über Zufriedenheit hinaus zu begeistern, so erreicht er den nächsten Schritt in der Wertschöpfungsket123
Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 89 ff. Vgl. Gerpott, T. J. (2006), S. 507 ff. 125 Vgl. Homburg, C., Krohmer, H. (2006), S. 45 124
30
te: Loyalität. Kundenzufriedenheit ist somit das Konstrukt, dem eine große Bedeutung für die Loyalität zugeschrieben und durch Studien bestätigt wird. Hier wirkt sich Kundenzufriedenheit auf dem Mobilfunkmarkt positiv auf die Bildung von Loyalität und Kundenbindung aus.126 Das in Abb. 12 dargestellte Modell setzt einen Zusammenhang zwischen steigender Kundenzufriedenheit und Zahlungsbereitschaft voraus. Während der mittlere Teil der Grafik den Indifferenzbereich darstellt, bestehend aus zufriedenen Kunden, lässt sich durch die Weiterentwicklung zur Kundenbegeisterung auch eine Erhöhung der Zahlungsbereitschaft erkennen. Im Rahmen der Unterstellung, dass loyale Kunden eine hohe Zahlungsbereitschaft besitzen, zeigt sich die Notwendigkeit einer Entwicklung über den zufriedenen Kunden aus dem Indifferenzbereich hinaus.127 Durch die wissenschaftliche Bestätigung, dass Kundenzufriedenheit die Loyalität erhöht, zeigt sich ein direkter Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und wirtschaftlichen Erfolg.128 Zahlungsbereitschaft
Sattelförmiger Zusammenhang
Indifferenzbereich
Kundenzufriedenheit
In Anlehnung an Homburg, C., Krohmer, H. (2006), S. 46 Abbildung 12: Auswirkung der Kundenzufriedenheit auf die Zahlungsbereitschaft
3.3
Bildung von Kundenloyalität als Wettbewerbsfaktor
Bei der Betrachtung des Zieles möglichst hohe Umsätze mit dem Kunden zu erwirtschaften und einen effektiven Schutz gegen Lockangebote der Konkurrenz zu schaffen, zeigen sich „nur“ zufriedene Kunden, als nicht mehr ausreichend. Somit besteht die Notwendigkeit diese über ein normales Maß an Zufriedenheit hinaus zu begeistern, resultierend aus der Erkenntnis, dass Begeisterung loyales Verhalten bei Konsumenten gegenüber ihrem Anbieter erzeugt.129 126
Vgl. Gerpott, T. J. (2006), S. 503 Vgl. Koschate, N. (2006), S. 104 128 Vgl. Homburg, C., Bucerius, M. (2006), S. 65 ff. 129 Vgl. Mönch, B., Goller, M. (2007), S. 236 127
31
3.3.1
Notwendigkeit von Kundenloyalität
Trotz ihrer Zufriedenheit kommt es nicht selten vor, dass Kunden anscheinend ohne Grund den Anbieter wechseln. Einen Erklärungsansatz bietet das Variety- Seeking. Den Kern dieses Phänomens bildet die These, dass das Verhalten der Kunden durch den Wunsch nach Abwechslung bestimmt wird und sie somit anfällig für Lockangebote der Wettbewerber sind, was auch zufriedene Kunden aufhorchen lässt. Somit erhöht sich mit zunehmender Attraktivität der Angebote die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung, was durch die Tatsache, dass Neukunden meist einen günstigeren Endgerätpreis erhalten als solche, die ihren Vertrag verlängern, verstärkt wird. Folglich verwundert es kaum, dass laut einer Studie 48 % der befragten Mobilfunkkunden aufgrund eines guten Konkurrenzangebotes wechseln würden.130 Vertreter dieser Strategie der Lockangebote sind häufig Mobilfunk-Provider, die Mobiltelefone stark subventioniert anbieten, was den Druck auf die Netzbetreiber durch die ständige Suche der Kunden nach neuen Mobiltelefonen erhöht.131 Gelingt es einem Unternehmen nicht Loyalität unter seinen Kunden zu schaffen und Vertrauen in die eigene Marke aufzubauen, so lässt sich deren Abgang schwer verhindern. Einen Ansatz dieses Ziel zu erreichen, bilden die Abwanderungsgründe, durch deren Ausmerzung Anbieter ihre Kunden über die Zufriedenheit mit der Kernleistung hinaus begeistern können und resistent gegen Lockangebote machen (Abb. 13). 44%
Leistungsmängel 34%
Erlebnisse mit dem Personal
30%
Preise 21% Wartezeiten 17%
Reaktion auf Servicemängel
10%
Wettbewerberattraktivität 0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40%
In Anlehnung an Meffert, H., Bruhn, M.(2006), S. 125f. Abbildung 13: Faktoren für Treue und Abwanderung außer der Kerndienstleistung 130 131
Vgl. dpm-team (2005), o.S. Vgl. Knauer, M. (2002), S. 679
45%
32
Die mangelnde Wirkung “nur“ zufriedengestellter Kunden wird in einer Studie bestätigt, nach der nur 37 % zufriedener Kunden ihrem Anbieter erneut das Vertrauen geben, überzeugte hingegen in 70 % der Fälle (Abb. 14).132 Studien von Bain & Company kamen darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass 60-80% der befragten Kunden abgewandert sind, obwohl sie vorher zufrieden waren.133 Kundenzufriedenheit stellt folglich die notwendige Bedingung, aber nicht hinreichende für die Wiederwahl eines Anbieters dar. Hier ist die Erzeugung von Kundenloyalität von Nöten, die sich somit definieren lässt als: „eine zu Bindung führende psychische Hinwendung eines Kunden zu einem Anbieter“134. Die aktuellen Strategien des Mobilfunkmarktes resultieren in einer Kündigungsquote von 15-30 %, was unter Berücksichtigung negativer wirtschaftlicher Auswirkungen durch Kundenabgänge, Nachholbedarf der Kundenbindung aufzeigt.135
Überzeugte Kunden
Zufriedengestellte Kunden
70%
37%
24% "Sichere" Wiederwahl des Anbieters
40%
"Eher ja" WiederWahll des Anbieters
Entäuschte Kunden 0%
17% 20%
27% 40%
60%
80%
100%
In Anlehnung an Ebner, M. et al. (2007), S. 23 Abbildung 14: Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
3.3.2
Mehrwert durch loyale Kunden
Das Konstrukt Kundenloyalität äußert sich in einer loyalen Verhaltensabsicht des Kunden dem Anbieter gegenüber, was die Dimensionen Wieder- und Zusatzkauf, sowie das Weiterempfehlungsverhalten umfasst. Analog dazu führen unzufriedene Kunden zu Abwanderung und einer negativen Mund-zu-Mund-Propaganda.136 Demzufolge sichern loyale Kunden nicht nur die Beziehung, sie erhöhen auch den Profit. In diesem Rahmen beeinflusst Kundenloyalität das preisbezogene Verhalten 132
Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 23 Vgl. Reichheld, D., Seidensticker, F-J. (2006), S. 82; Ebner, M. et al. (2007), S. 23 134 Werani, T. (2004), S. 138 135 Vgl. Knauer, M. (2002), S. 676 136 Vgl. Homburg, C., Bucerius, M. (2006), S. 56; Bruhn, M. (2006), S. 7 133
33
des Kunden, sprich die Preissensibilität über einen längeren Zeitraum. Aufgrund dieser Tatsache, zeigt sich das Cross-Selling vereinfacht, welches besonders bei Betrachtung des erweiterten Produktportfolios der Mobilfunkanbieter einen hohen Stellenwert einnimmt. Der hohe Anteil von Bestandskunden bietet hier großes Potenzial zum Verkauf neuer Leistungen wie DSL oder Datendiensten.137 Kundenloyalität äußert sich neben den monetären Auswirkungen auch nichtmonetär. So löst eine abnehmende Leistungsqualität nicht zwingend eine Abwanderung aus, vielmehr wird der Anbieter auf das Problem hingewiesen und auf die Behebung des Missstandes gewartet. Das Problem führt nur zu temporärer Unzufriedenheit und wird vom loyalen Verhalten ausgeglichen.138 Gleiches zeigt sich auch für den Fall, dass die eigenen Preise höher als bei der Konkurrenz sind. Nur Kunden, die sich dem Unternehmen verbunden fühlen und sich loyal verhalten, sind somit für Lockangebote der Konkurrenz weniger anfällig.139 Typische Äußerungen loyaler Kunden sind: „Eine leichte Tariferhöhung würde ich akzeptieren.“ „Ich toleriere kurze aufkommende technische Störungen“140. Im Laufe der Geschäftsbeziehung erbringt das loyale Verhalten deutliche Profitsteigerungen und senkt dadurch die Priorität von Neukunden (Abb. 15).141 Zusammengefasst bringt eine auf Loyalität begründete Kundenbindung einem Unternehmen eine langjährige Geschäftsbeziehung und konstante Umsätze. Darüber hinaus erhöht sich durch Cross-Selling und Weiterempfehlungen der Umsatz, während die Kosten durch weniger Beratungskosten sinken.142
Akquisitionskosten Preiserhöhungen Empfehlungen Reduzierte Kosten Gesteigertes Volumen Basisprofit 0
1
2
3
4
5
6
7
In Anlehnung an Reichheld, Frederick F. (1999), S. 57 Abbildung 15: Zunehmender Profit in den Jahren der Kundenbeziehung 137
Vgl. Homburg, C., Bucerius, M. (2006), S. 63; Werani,T. (2004), S. 138 Vgl. Werani,T. (2004), S. 138 139 Vgl. Kindermann, H.(2006), S. 37; Bestmann, K., Leyer, B. (2007), S. 142 140 Kindermann, H. (2006), S. 158 141 Vgl. Reichheld, Frederick F. (1999), S. 56 142 Vgl Foscht, T. (2002), S. 4; Zimmermann, D. (2005),S. 48 138
34
3.3.3
Vertrauen und Image der Anbieter
Die Voraussetzung für die Erschaffung von Kundenloyalität, bildet das Erzeugen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Anbieter und Kunde. Dabei wird Vertrauen als: „[...] Bereitschaft des Kunden, sich auf das Unternehmen im Hinblick auf dessen zukünftiges Verhalten ohne weitere Prüfung zu verlassen“143, definiert. Bei der Wahl eines Anbieters sorgen insbesondere ein positives Image und eine vertrauensvolle Marke für eine Senkung des wahrgenommenen Risikos und erleichtern die Kaufentscheidung. Im kausalen Zusammenhang gesehen, kann das Image wiederum nur durch eine hohe Servicequalität und positiv erfahrenen Service entstehen, da nur hier Kunden eine positive Mund-zu-Mund-Propaganda praktizieren.144 Diese bildet die Grundlage für Image-prägende Erfahrungsberichte.145 Das Vertrauen in die Marke und das Image des Unternehmens sind somit maßgebliche Größen für den ökonomischen Erfolg, da Kunden sich am Image und an der Meinung anderer Kunden orientieren können. Durch eine Marke, deren Service über die Branche hinweg einen guten Ruf hat, wird ein Vorteil im Hinblick auf die homogene Mobilfunkleistung geschaffen, was Neukunden generiert und Bestandskunden in ihrer Anbieterwahl bestätigt.146 Bei Betrachtung der aktuellen Situation auf dem Mobilfunkmarkt hingegen, zeigen sich Kosteneinsparung und eine verbesserte Netzabdeckung im Vordergrund. 3.3.4
Kundenbindung
Kundenbindung stellt die höchste Stufe in einer Geschäftsbeziehung dar. Definieren lässt sie sich wie folgt: „Kundenbindung umfasst sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens, die darauf abzielen, sowohl die bisherigen Verhaltensweisen als auch die zukünftigen Verhaltensabsichten eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen positiv zu gestalten, um die Beziehung zu diesen Kunden für die Zukunft zu stabilisieren, bzw. auszuweiten“147. Bei genauer Betrachtung der Definition zeigt sich eine anbieter- und eine nachfrageorientierte Sicht (Abb. 16).148 143
Müller, H. D. (2004), S. 131 Vgl. Prudent, C., Selbach, D. (2005), S. 22; Woehe, J. M., Lang, M. (2003), S. 11 145 Vgl. Kindermann, H. (2006), S. 158 146 Vgl. Schüller, A. (2005), S. 34, Knauer, M. (2002), S. 678 147 Homburg, C.; Bruhn, M. (2002), S. 8 148 Vgl. Homburg, C.; Bruhn, M. (2002), S. 9 144
35
Begriff der Kundenbindung
Maßnahmenorientierte Sichtweise
Verhaltensorientierte Sichtweise
Beeinflußt
Beabsichtigtes Kaufverhalten
Beobachtbares Kaufverhalten
In Anlehnung an Kindermann, H. (2006), S. 9 Abbildung 16: Maßnahmen- und verhaltensorientierte Sichtweise der Kundenbindung
Die anbieterbezogene Seite wird auch als maßnahmenorientierte Sichtweise bezeichnet. Diese umfasst ein Bündel von Aktivitäten die, „auf die Herstellung oder Intensivierung der Bindung aktueller Kunden gerichtet ist“149. Dazu zählen Serviceleistungen von hoher Qualität, die das Verhalten oder die Verhaltensabsichten von Kunden positiv beeinflussen sollen.150 Die nachfragebezogene Sichtweise kann als verhaltensorientierte Sichtweise verstanden werden. Hier stehen nicht die Unternehmensaktivitäten, sondern das Kaufverhalten im Vordergrund, was demzufolge das Ergebnis der Aktivitäten darstellt. Dabei wird zwischen dem tatsächlichen, also dem beobachtbaren Verhalten und der Kaufabsicht des Kunden unterschieden. Solche Kunden, die beabsichtigen die Beziehung mit ihrem Anbieter fortzuführen, werden als loyal bezeichnet und haben ihm gegenüber eine vertraute Einstellung (Abb. 17).151 Kundenbindung
Bisheriges Verhalten
Kaufverhalten
Weiterempfehlung
Verhaltensabsichten
Wiederkaufabsicht
Zusatzkaufabsicht
Weiterempfehlungsabsicht
In Anlehnung an Kindermann, H. (2006), S. 99 Abbildung 17: Bisheriges (Beobachtbares) Verhalten und Verhaltensabsicht
Im Rahmen der Kundenbindung können Kunden auf verschiedene Weise an ihrem Anbieter gebunden sein. Hier wird zwischen faktischen und emotionalen Bindungsursachen unterschieden. 149
Giering, A. (2000), S. 18 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 113 151 Vgl. Homburg, C.; Bruhn, M. (2002), S. 8 f. ; Foscht, T. (2002), S. 42 150
36
Eine faktische Bindung stellt eine durch ökonomische Wechselbarrieren gezwungene Gebundenheit dar. Im Mobilfunk ist dies eine Vertragslaufzeit von 24 Monaten, bei der Kunden nur die Möglichkeit haben dem Anbieter „treu“ zu bleiben. Eine emotionale Bindung hingegen bezeichnet eine freiwillige Verbundenheit, durch emotionale Wechselbarrieren, wie Vertrauen oder Image.152 Anhand dieser Ausführungen und dem engen Bezug zur Kundenloyalität zeigt sich ein kausaler Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und -bindung. Bei weiterer Betrachtung der Wertschöpfungskette wird mit einer steigenden Kundenbindung auch ein positiver ökonomischer Erfolg verknüpft (Abb. 18).153 Erstkontakt Kauf Nutzung der Leistung
Kundenzufriedenheit Bewertung des Soll-Ist Vergleichs
Kundenloyalität
Kundenbindung
Akzeptanz Vertrauen Positive Einstellung
Wiederkauf Cross-Buying Weiterempfehlung
Ökonomischer Erfolg Umsatz Gewinn Kostensenkung
In Anlehnung an Bruhn (2001), S. 58 Abbildung 18: Wirkungskette: Vom Erstkontakt zum ökonomischen Erfolg
3.4
Verbundene Kunden statt Neukunden
Um die Schaffung loyaler Kunden für die Service ein entscheidendes Instrument zur Erzielung der notwendigen Begeisterung darstellt, in den Fokus der Unternehmensaktivitäten zu rücken, ist eine Abkehr von der Akquirierungsstrategie notwendig. Warum eine weitere Verfolgung dieser Strategie zu wirtschaftlichen Verlusten führt, erklärt der folgende Abschnitt.154 3.4.1 Kosten für Neukunden Im Rahmen einer offensiven Neukundenstrategie wird ein enormes Budget benötigt, wobei bereits die Kosten für den hohen Werbeaufwand nicht die Erlöse durch Neukunden rechtfertigen.155 Weitere Kostenpunkte sind hohe subventionierte Mobiltelefonpreise, wegfallende Anschlussgebühren, mehrere Monate Grundgebührenbefreiung und Startguthaben.
152
Vgl. Homburg, C., Bruhn, M. (2002), S. 11; Bruhn, M. (2007), S. 127 f. Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 116; Schmidt, M. (2007), S. 12 154 Vgl. Fink, K.-J. (2003), S. 33 155 Vgl. Horowitz, J. (1992), S. 49 153
37
Die Erlöse hingegen, die sich aus dem Abschluss eines 24-Monatsvertrages vor diesem Hintergrund ergeben, decken häufig nicht die getätigten Aufwendungen. Erst, wenn es gelingt, den Neukunden zu Cross- oder Up-Selling zu entwickeln, wird er rentabel. Allerdings fehlen oft die Gelder um ihn durch Serviceleistungen dazu zu bringen, da das Budget für die Akquise benötigt wird.156 Akquisitionskosten konsumieren somit für eine längere Zeit den Gewinn eines Kunden, wobei die Gefahr groß ist diesen genau dann zu verlieren, wenn er rentabel wird, was in der Regel nach zwei Jahren der Fall ist.157 Ein Beispiel für die Investition in eine unsichere Kundenbasis bietet der österreichische Mobilfunkmarkt. Hier belohnte ein Mobilfunkanbieter Neukunden mit bis zu 150 € für den Neuabschluss einer Prepaid-Karte. Erst nach 24 Monaten wäre die Gewinnschwelle des Kunden überschritten, welche aufgrund der geringen Wechselhemmnisse im Falle mangelnder Loyalität, selten erreicht wird.158 Die damit einhergehende aggressive Verkaufsweise bei Neu- und Bestandskunden generiert eine geringe Haltbarkeit der Kunden, was zu der Notwendigkeit führt, ständig neue Kunden teuer „nach“ zu gewinnen. Der in diesem Zusammenhang vorherrschende Verkaufsdruck scheint über alle Kanäle hinweg das Ziel zu verfolgen, möglichst viel in die Konsumenten zu „puschen“ wobei das Kundeninteresse dabei in den Hintergrund rückt.159 Resultierend aus allgemeinen Studien, die belegen, dass es bis zu fünfmal teurer ist Neukunden zu gewinnen als seine bestehenden zu binden, sollten Anbieter beginnen ihre Bestandskunden zu pflegen. Eine Erhöhung der Kundenbindungskosten um nur 5 %, könnte zu einer Gewinnerhöhung von bis zu 100 % führen.160 Aller Kenntnisse zum Trotz wird auf dem Mobilfunkmarkt immer noch ein hoher Aufwand bei der Akquisition betrieben. So schenkte der Netzbetreiber T-Mobile im April 2008 den ersten 25.000 neuen Vertragskunden 100 € in bar. Unter Berücksichtigung, dass T-Mobile durchschnittlich 91 € für Neukunden investiert, ergibt sich eine Summe von 191 € pro Neukunde, was bei 25.000 Kunden Kosten von 4.775.000 € mit sich führt.161 Bereits 2006 bewarb T-Mobile eine Aktion, in der Online-Kunden ein Bonus von 120 € bei Vertragsabschluss ausgezahlt wurde.162
156
Vgl. Bruhn, M. (2001), S. 28 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 26 158 Vgl. Mann, A, (1998), S. 5; Günter, B., Helm, S. (2006), S. 187 159 Vgl. Hermes, V. (2008), S. 25 f. 160 Vgl. Müller, H. D. (2004), S. 246 161 Vgl. Teltarif (2008a), o.S.; o.V. (2007), S. 23 162 Vgl. o.V. (2006), o.S. 157
38
3.4.2
Kosten durch unzufriedene Kunden
Bietet die Kundenbindung einem Unternehmen sichere Umsätze, so führt der Verlust von Kunden unweigerlich zu ökonomischen Verlusten. Der Indikator hierfür ist ein geringes Maß an Zufriedenheit mit der Anbieterleistung, die ein Kunde meist im Falle einer mangelnder Loyalität mit seinem Weggang sanktioniert. Neben dem Anbieterwechsel bieten sich ihm noch weitere Möglichkeiten auf negativ wahrgenommenen Service zu reagieren. Dazu zählen das Äußern einer Beschwerde, eine negative Mund-zu-Mund-Propaganda oder eine Beschwerde an eine Drittinstitution wie den Verbraucherschutz (Abb. 19). Dabei strapazieren die Kunden häufig die Mitarbeiter im hohem Maße und erhöhen somit die Servicekosten.163 Das folgende Szenario skizziert, inwieweit ein ökonomischer Verlust durch Abwanderung entsteht: Bei einem Bestand von 20 Mio. Kunden und einer Kündigungsquote von 20 % p.a., wandern vier Millionen Kunden im Jahr ab. Um den Marktanteil zu halten, ist es notwendig mindestens ebenso viele zu akquirieren. Rechnet man mit Kosten von 200 € pro Neukunde, so entstehen dem Unternehmen Kosten in Höhe von 800 Mio. €. Schafft es der Mobilfunkanbieter dagegen die Kündigungsquote um nur 5 % zu reduzieren, so sinken diese um 200 Mio. €.164 Doch nicht nur die monetären Verluste sind das Ergebnis unzufriedener Kunden, die nicht monetären Auswirkungen können noch fataler sein. Bei der Annahme, dass ein unzufriedener Kunde dies elf Personen erzählt, kann eine Unzufriedenheitsrate von nur 1 % zu einem Kundenverlust von 11 % führen.165 Eine genauere Betrachtung dieser Mund-zu-Mund-Propaganda ergibt im Informationszeitalter allerdings noch weitaus größere Konsequenzen. Dies ist insbesondere den Blogs zu verdanken. Diese verstehen sich als Foren im Internet, die nach Themen gegliedert sind. Hier können Kunden ihre Meinungen und Erfahrungen zu Produkten, Dienstleistungen oder Services von Anbietern abgeben. Bieten positive Meinungen eine gute Werbung, so haben negative dagegen ein kritisches Potenzial. Hier kann selbst die kleinste Unzufriedenheit, wie einige Minuten Wartezeit bei der Hotline, weitreichende negative Auswirkungen haben. Resultierend durch die Anonymität des Internets neigen die Blogger darüber hinaus zu Übertreibungen und Unwahrheiten, welche häufig nicht hinterfragt werden, da ein Großteil der Blog-Leser laut 163
Vgl. Bieberstein, I. (2006), S. 264; Reichheld, F. F. (2003), S. 52 Vgl. Knauer, M. (2002), S. 676 165 Vgl. Horowitz, J. (1992), S. 48 164
39
einer Studie deren Inhalte nicht in Frage stellt. Nutzt ein potenzieller Kunde Blogs als Unterstützung für seine Kaufentscheidung kann es passieren, dass dadurch andere Anbieter bevorzugt werden.166 Unter Berücksichtigung des Vertriebsdrucks, sowohl auf Neukunden, als auch auf das „Ausquetschen“ von Bestandskunden, darf die kurzfristige Zielerreichung demzufolge nicht über dem langfristigen Wohlbefinden der eigenen Kunden stehen.167 Geschäftsbeziehung
Unzufriedenheit
Zufriedenheit
Reaktion Nicht öffentliche Reaktion Loyales Verhalten
Positive / negative Weiterempfehlung
Abwanderung
Keine Reaktion Öffentliche Reaktion
Beschwerde
Einleiten rechtlicher Schritte
Beschwerde bei einer Institution
In Anlehnung an Foscht, T. (2002), S. 94 Abbildung 19: Auswirkungen von Kundenzufriedenheit in einer Geschäftsbeziehung
3.4.3
Servicedenken auf dem deutschen Mobilfunkmarkt
Der Preis und hohe Subventionen auf die Endgeräte verlieren als Wettbewerbsfaktoren in Hinblick auf die gestiegenen Ansprüche ihre Bedeutung. Wertschätzung und individueller Service werden nunmehr wichtiger als der Preis eingestuft. Somit erscheint es nicht verwunderlich, dass eine aktuelle Studie zu dem Schluss kam, dass die deutschen Mobilfunkkunden vehement mehr Service fordern.168 Diese Erkenntnisse scheinen langsam bei den Mobilfunkanbietern anzukommen. So stellte Friedrich Joussen, CEO von Vodafone D2, die neue Wachstumsstrategie des Unternehmens vor, bei der sich eine deutliche Fokussierung auf die eigenen Kunden zeigt: „Wir wollen alle Vodafone Kunden zu Fans machen [...]“169. Echte Fans, sprich besonders loyale, sind letztlich auch die profitabelsten Kunden.170 Joussen erklärt weiter, dass Weiterempfehlungen die Grundlage des Wachstums sind und nennt dies „[...] [den] Gradmesser für den Erfolg [...]“.171 166
Vgl. Zacharias, T. (2008), S. 21; Moss, C. (2008), S. 32 Vgl. Hermes, V. (2008), S. 25 ff. 168 Vgl. Servicerating GmbH (2007), o.S.; Zimmermann, D. (2005), S. 57 169 Joussen, F. (2008), S. 1 170 Vgl. Reinartz, W., Kumar, V. (2003), S. 27 171 Joussen, F. (2008), S. 1 167
40
Auch O2 hat sich das Ziel gesetzt Kunden zu Fans zu machen, was der Anbieter mit Kundenorientierung und einen bestmöglichen Kundenservice erreichen will.172 Um Kunden zu Fans zu machen, sind ein außergewöhnlicher Service und eine hohe Kundennähe nötig, um diese zu begeistern. So entdecken ebenfalls auch weitere Marktteilnehmer die Kundennähe für sich. Neben Vodafone gaben auch E-Plus und T-Mobile bekannt ihr Filialsystem zu vergrößern.173 Damit einher geht die Aussage des CEO`s der Deutschen Telekom: „Die Telekom soll das best angesehenste Serviceunternehmen in Deutschland werden“.174 Kundenwünschen kommt im Rahmen dieses Sinneswandels anscheinend wieder eine wichtigere Rolle zu, was mit Hinblick auf mangelnden Service als Hauptabwanderungsgrund (Abb. 20) unausweichlich erscheint.175 Allerdings ist die Tatsache Kunden als Fans zu bezeichnen auch mit einem gewissen Risiko behaftet. So wird mit „Fan sein“ häufig Fußball und auch seine Schattenseiten assoziiert. Es stellt sich die Frage inwieweit „grölende“ oder randalierende Fans sich in die Unternehmensstrategie integrieren lassen.176 1% 3%
5%
9% 10%
68%
Andere Umzug Durch Bekannt beeinflusst Abgeworben durch die Konkurrenz Unzufrieden mit Produkt Mangelnder Kundenservice
In Anlehnung an Meier, R. (2001), S. 14 Abbildung 20: Abwanderungsgründe bei verschiedenen Dienstleistungsunternehmen
3.5
Empfehlungsmarketing
Einher mit hohen Kosten für Vertriebsmaßnahmen und dem aggressiven Verkauf, geht eine deutliche Reizüberflutung. Online-Werbung, Mailings, Flyer, Vertreter, Telefonmarketing und die direkte Ansprache am POS (Point of Sale), treffen auf
172
Vgl. O2 Germany GmbH & Co. OHG (2006), S. 16 Vgl. dpd (2008), o.S. 174 Vgl. Jünger, Alexander (2008), S. 18 175 Vgl. Buser, T. et al. (2003), S. 17; Eberspächer, J., Speidel,J.(2007), S. 84 176 Vgl. Dahm, G. (2008), o.S. 173
41
eine zunehmende Abstumpfung und Genervtheit der Kunden.177 Dabei lässt sich bei genauerer Betrachtung eine effizientere Verkaufsmaßnahme finden: der Kunde selbst. Der beste Verkäufer eines Unternehmens ist der Empfehler, da er außer einer eventuellen Werbeprämie nichts kostet und aufgrund seines Vertrauensbonusses den größten Verkaufserfolg aufweisen kann.178 3.5.1
Mund-zu-Mund-Propaganda
Die Bedeutung der Mund-zu-Mund-Propaganda zeigt sich darin, dass Unternehmen, die von eigenen Kunden weiterempfohlen werden, statistisch erfolgreicher sind als solche bei denen dies nicht der Fall ist. Ihre größte Bedeutung entsteht in der Vor-Kauf-Phase, da ein potenzieller Kunde hier vor einer großen Auswahl von Angeboten steht und vorab informiert sein will. Dabei sieht er sich aufgrund der zunehmenden Angebotskomplexität mit der Angst vor einer Fehlentscheidung bei der Wahl des Anbieters konfrontiert.179 Um diese zu senken, steht Kunden im Rahmen der eigenen Meinungs- und Erwartungsbildung das Internet mit Foren und Blogs, die Unternehmenswerbung, das Unternehmensimage und die Meinung von Freunden oder Kollegen, zur Verfügung.180 Daraus resultierende positive Schilderungen und Bewertungen von Kunden, die bereits Erfahrung mit dem Anbieter hatten, wirken dabei durch die persönliche Beschreibung der Erlebnisse glaubwürdiger als die Werbung. Grund ist die Tatsache, dass Menschen aufgrund des Vertrauensbonusses eher auf ihre Mitmenschen hören.181 Die beiden entscheidenden Faktoren zur Senkung des wahrgenommenen Risikos bei der Anbieterwahl sind ein positives Unternehmensimage und eine positive Mund-zu-Mund-Propaganda. Laut Studien lassen sich 84 % der Kunden durch die Meinung von Freunden oder Internet-Foren beeinflussen. Speziell bei der attraktiven Zielgruppe der Jugendlichen hat dies eine noch größere Bedeutung, da durch die soziale Vernetzung des Internets der Freundeskreis größer ausfällt.182 Grundlage einer positiven Propaganda ist es die eigenen Kunden mit Begeisterung zu „infi-
177
Vgl. Fink, K.-J. (2003), S. 20 Vgl. Schüller, A. (2005), S. 9 179 Vgl. Horowitz, J. (1992), S. 79; Homburg, C. et al. (2006), S. 14; Schüller, A. (2005), S. 12 f. 180 Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2006), S. 121; o.V. (2007a), S. 23 181 Vgl. Schüller, A. (2005), S.11; Strauss, B., Seidel, W. (2007), S. 593 182 Vgl. Horowitz, J. (1992), S. 79; o.V. (2007a), S. 23 178
42
zieren“. Gelingt dies, empfiehlt der Kunde nicht nur weiter, sondern er verteidigt seinen Anbieter gegenüber negativen Äußerungen.183 Die kritischen Faktoren, die über eine positive oder eine negative Propaganda entscheiden, sind nicht “harte“ Faktoren wie der Preis, sondern “weiche“, wie Freundlichkeit und Zusatznutzen, die Bestandteil eines guten Service sind (Abb. 21). 66,7% Freundlichkeit 60,0% Zusatznutzen 52,3% Preissenkung 50,0% Zeitersparnis 26,7% Geldprämie 0,0%
10,0%
20,0%
30,0%
40,0%
50,0%
60,0%
70,0%
In Anlehnung an Schüller, A. (2005), S. 17 Abbildung 21: Was löst eine positive Empfehlung aus?
Negative Propaganda ist dagegen häufig die Konsequenz einer aggressiven Akquirierungsstrategie und Hard-Selling. Durch schlechte Beratung, kläglichen Service und versuchtes „über den Tisch ziehen“ ergibt sich enormer Schaden für das Unternehmen. Das Ziel des Vertriebes, Abschlüsse zu erzielen, zeigt zwar einen Sofort-Erfolg, doch erscheinen die Folgen durch negative Propaganda viel weitreichender. Sobald Kunden sich „übers Ohr gehauen“ fühlen, wenden sie sich nach Ende des Vertrages ab und verbreiten ihre negativen Erlebnisse. Letztlich ist es notwendig Kunden fair zu behandeln, kompetent zu bedienen und ihnen das zu bieten, was sie wirklich benötigen, um eine Empfehlung zu generieren.184 Den Nutzen einer Empfehlung via Internet, haben die Unternehmen bereits für sich entdeckt und wenden ihn für eigene Zwecke an. In Form des Viral-Marketing machen sie sich Foren, Blogs und Chats zunutze und verbreiten Informationen: „Viral Marketing beschreibt das gezielte Auslösen von Mundpropaganda zum Zwecke der Vermarktung von Unternehmen und deren Leistungen“.185 3.5.2
183
Neue Formen der Mund-zu-Mund-Propaganda
Vgl. Schüller, A. (2005), S.15 Vgl. ebd. S. 15 ff. 185 Langner, Sascha (2007), S. 27 184
43
Die Bedeutung der Mund-zu-Mund-Propaganda lässt sich auch im Hinblick auf Innovationen in diesem Bereich erkennen. In den USA sind nicht mehr nur der Goodwill, sondern organisierte Formen wie das Influencer Relationschip Management Program (IRMP) oder Buzzer auf dem Vormarsch. Beim IRMP werden durch Agenturen Meinungsmacher einzelner Branchen identifiziert und Programme entwickelt, um ein Produkt bei öffentlichen Auftritten zu empfehlen. Buzzer funktionieren auf eine ähnliche Weise, nur in kleinerem Stil. Dies sind Agenten, die sich in den Datenbanken von Agenturen befinden und gezielt Produkte im Umfeld ansprechen und von Unternehmen zu diesem Zwecke gebucht werden.186 3.5.3
Net Promoter Score
Aufgrund der hohen Wechselbereitschaft der eigenen Kunden trotz Zufriedenheit, bietet sich eine Kundenzufriedenheitsmessung, wie der CDI (Customer Delight Index), nicht mehr als aussagekräftiger Indikator an. Bei der Betrachtung der Zufriedenheit zeigt sich zwar, dass mit ihrer Zunahme die Wechselabsicht sinkt, allerdings nicht inwiefern sich das faktische Verhalten ableiten lässt. Über Weiterempfehlung, und das Abschöpfungspotenzial fehlt jegliche Erkenntnis (Abb. 22).187 Des Weiteren zeigt sich bei genauerer Analyse der Kundenzufriedenheit, dass trotz Werten von 80-90 % oftmals kein wirtschaftlicher Vorteil entsteht.188 84,2%
90,0% 80,0% 70,0%
70,9%
70,2% 64,3%
60,0% 50,0% 40,0%
29,2%
Zufriedenheit Wechselbereitschaft
28,9% 21,1%
30,0%
13,0%
20,0% 10,0% 0,0%
T-Mobile
E-Plus
Vodafone
O2
In Anlehnung an dpm- team (2005), o.S. Abbildung 22: Kundenzufriedenheit und Wechselbereitschaft bei den Netzbetreibern
Basis einer für das Unternehmen entscheidender Erfolgsgröße kann somit nicht die Kundenzufriedenheit, sondern Kundenloyalität sein. Der NPS (Net Promoter Score) 186
Vgl. Schüller, A. (2005), S . 87 Vgl. Kundenmonitor Deutschland 2007 (2007), S. 33; Reichheld, F. F. (2003), S. 34; Bain & Company (2006), o.S. 188 Vgl. Reichheld, D., Seidensticker, F-J. (2006), S. 82 187
44
bezeichnet eine Kennzahl, die es ermöglicht eine Übersicht über den Loyalitätsgrad der eigenen Kunden zu erlangen. Dabei misst er die Weiterempfehlungsbereitschaft eines Kunden mit der Frage: „Wie wahrscheinlich ist es, dass sie das Unternehmen XY einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden?“ Die Grundlage dieser Messung basiert auf dem Ansatz, dass die Weiterempfehlungsbereitschaft in Zusammenhang mit der Kundenloyalität steht.189 Demzufolge geben Kunden mit hohem NPS-Wert statistisch gesehen mehr Geld für Mobiltelefonie aus und sind für Lockangebote weniger anfällig. Dies belegt die Korrelation von Weiterempfehlungsbereitschaft und Loyalität bis hin zum Unternehmenserfolg, was eine Studie von 30 Firmen mehrerer Branchen zeigte.190 Durch die NPS Frage zeigt sich die Durchführung deutlich weniger zeitintensiv, als bei Zufriedenheitsbefragungen, in denen häufig durch die Art der Fragestellung die Aussagekraft verloren geht.191 Reichheld konstatiert: „[...] es reicht, Kunden eine einzige Frage zu stellen; diese Frage steht in einem so engen Zusammenhang mit ihrem Verhalten, dass ihre Antwort zuverlässig anzeigt, was sie tun werden. [...] Aus den Antworten der Kunden auf diese Frage ergibt sich eine einfache, direkte Messgröße, über die Mitarbeiter dafür verantwortlich gemacht werden können, die Kunden richtig zu behandeln. [...] Von dieser Frage hängt die Zukunft Ihres Unternehmens ab192.“ 5
2
0 -5 -11
-10
-14
-15 -20
-20 O2
T-Mobile
Vodafone
E-Plus
In Anlehnung an Bain & Company (2006), o.S. Abbildung 23: Net Promoter Score der Netzanbieter, Erhebung 2006
3.5.4
189
Messung des Net Promoter Scores
Vgl. Fösken, S. (2008), S. 56 Vgl. Bain&Company (28.06.2006), o.S; o.V. (2007a), S. 23 191 Vgl. Schüller, A. (2005), S. 70 192 Reichheld, D., Seidensticker, F-J. (2006), S. 18 190
45
Auf die Frage bzgl. der Weiterempfehlungswahrscheinlichkeit hat der Kunde die Antwortmöglichkeiten von 0 (unwahrscheinlich) bis 10 (äußerst wahrscheinlich). Der NPS misst dabei das Verhältnis von Promotoren und Kritikern.193 Kunden, die den Bereich 9-10 angeben, gelten als Promotoren und sind solche, die mit hoher Wahrscheinlichkeit das Unternehmen weiterempfehlen und somit einen hohen Grad an Loyalität aufweisen. Antwortmöglichkeiten von 7-8 geben passiv zufriedenen Kunden ab, die zwar zufrieden, aber offen für Lockangebote sind. Kunden, die 0-6 angeben, sind Kritiker, die häufig verärgert und enttäuscht sind und das Unternehmen nach Ablauf der Vertragslaufzeit wechseln werden. Der NPS berechnet die Differenz der Promotoren und Kritiker und kann Ergebnisse von -100 bis +100 ergeben.194 Promotoren (%) – Kritiker (%) = NPS „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Unternehmen X einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“
Unwahrscheinlich
Äußerst wahrscheinlich 10
9
8
7
6
5
4
3
Promotoren
Passiv Zufriedene
Kritiker
Bsp. : 45%
Bsp.: 25 %
Bsp.: 30 %
2
1
0
45 – 30 = 15
In Anlehnung an Bauer, F. et al. (2007), S. 1 Abbildung 24: Berechnung des Net Promoter Scores
3.6
Zusammenfassung
Aufgrund der abnehmenden Unterschiede in der Kernleistung der Wettbewerber, verlagert sich die Priorität Richtung Kundenservice und dessen Qualität. Dabei bildet der Preis nicht das Zentrum der Bedürfnisse und verliert in der komplexen Produktlandschaft und hohen Erwartungen seine Bedeutung. Kundenservice setzt die Grundlage Nachfrager zufriedenzustellen. Allerdings muss er dafür über die Standardleistung hinaus gehen und Begeisterung erzeugen. Nur Zufriedenheit reicht aufgrund des unberechenbaren Kundenverhaltens nicht aus. Eine Fokussierung auf die eigene Kundenbasis spart Akquisitionsinvestitionen, welche dem Kundenservice zugeführt werden können. Eine Abkehr von der Akqui193 194
Vgl. Reichheld, F. F. (2003), S. 35 Vgl. Reichheld, D., Seidensticker, F-J. (2006), S. 19
46
rierungsstrategie bedeutet nicht, dass die Kundenbasis stagniert. Wird der Service so verbessert, dass die eigenen Kunden sich loyal verhalten, so erbringen sie nicht nur erhöhte Umsätze, sondern empfehlen das Unternehmen auch weiter. Letztlich verringern sich Akquisitions- und Betreuungskosten, sowie die Kündigungsquote und die Anzahl der Preisrutsche, bei zunehmenden Neukunden. 4
Instrumente für ein positives Serviceerlebnis
Um seinen Kunden eine positive Serviceerfahrung bieten zu können, ist die Anwendung diverser Instrumente notwendig. Zu den strategischen zählen das Beziehungsmarketing und eine konsequente Kundenorientierung. Auf operativer Seite ist der Customer Care mit Call Centern, dem POS, einem Beschwerdemanagement und deren Mitarbeiter, sowie Selfservice verantwortlich. 4.1
Kundenorientierung als Basis des unternehmerischen Handelns
Kundenorientierung bildet die Grundlage einer kundenorientierten Servicestrategie und Mitarbeitern, sowie nachfrageoptimierten Systeme. Nur eine Orientierung der Serviceleistungen an Kundenbedürfnisse kann die Kundenerwartungen übertreffen und somit das Ziel eines loyalen Kundenstammes erreichen.195 Mit Hinblick auf die homogenen Leistungen und die Problematik der Differenzierung über die Kernleistung ist es nicht verwunderlich, dass Kundenorientierung als Grundlage der Wettbewerbsdifferenzierung zunimmt.196 4.1.1
Unternehmensphilosophie Kundenorientierung
„Kundenorientierung ist die umfassende, kontinuierliche Ermittlung und Analyse der individuellen Kundenerwartungen, sowie deren interne und externe Umsetzung in unternehmerische Leistungen, sowie Interaktion im Rahmen eines RelationshipMarketing- Konzeptes mit dem Ziel, langfristig stabile und ökonomisch vorteilhafte Kundenbeziehungen zu etablieren“ 197. Dabei zeigen sich drei Betrachtungsweisen der Kundenorientierung:198
195
Vgl. Förster, A., Kreuz, P (2002), S. 25; Ebner, M. et al. (2007), S. 8 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 8 197 Bruhn, M. (2007), S.17 198 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 1 ff., 16 f. 196
47
•
Informationsorientiert
•
Kultur- und philosophieorientiert
•
Leistungs- und interaktionsorientiert
Die informationsorientierte Betrachtung analysiert gegenwärtige und potenzielle Kunden und wertet die gewonnenen Daten aus, sodass sich individuelle Kundenerwartungen erkennen lassen. Die kultur- und philosophieorientierte Sichtweise bezeichnet die interne Integration einer kundenorientierten Philosophie in die Unternehmenskultur. Die leistungs- und interaktionsorientierte Sichtweise findet im direkten Kundenkontakt ihre Anwendung. Sie bezeichnet die Interaktion zwischen Anbieter und Kunden und die daraus resultierenden Servicestandards. Gründe für kundenorientiertes Verhalten sind die gewandelten Wettbewerbsbedingungen und erhöhte Kundenerwartungen. Guter Service lässt sich nur durch Kundenorientierung erbringen, wobei es das Ziel ist, sich in jedem Kundenkontakt nach den Belangen des Kunden zu richten. Dies erfordert eine Verankerung der Aktivitäten in das Marketing, was sich in Form des Relationship-Marketings finden lässt (Kap. 4.2.1).199 4.1.2
Aktuelle Problematik der Umsetzung
Bei Betrachtung der aktuellen Marktsituation bezeichnen sich viele Unternehmen als kundenorientiert, setzen diese Philosophie allerdings nicht konsequent um. Die Hauptproblematik umfasst ein mangelndes Informationsmanagement, in dem zwar durch Kundenkontakte Informationen gesammelt, allerdings nicht allen Kundenschnittstellen zur Verfügung gestellt werden, was ein “One-Face-to-the-Customer“, also ein einheitliches Kundenbild an allen Schnittstellen, erschwert.200 Das zweite Problemfeld beinhaltet die Diskrepanz der eigenbewerteten Leistung und der Kundenbeurteilung. Nicht selten schätzen Unternehmen ihre Leistung besser ein, als sie tatsächlich vom Kunden wahrgenommen wird. Die Konsequenz ist das fehlende Verständnis die eigene Leistung zu verbessern (Abb. 25).201
199
Vgl. ebd., S. 1 ff., 16 f. Vgl. ebd., S. 2 201 Vgl. ebd., S. 21 200
48
Dienstleistungsqualität
79% 63%
Qualität der Beratung durch Verkäufer
47%
Offenheit im Informationsverhalten gegenüber Kunden
72% 82%
Unternehmenseinschätzung Kundenbeurteilung
53% 0%
20%
40%
60%
80%
100%
In Anlehnung an: Bruhn, M. (2007), S. 20 Abbildung 25: Kundenorientierung aus Unternehmens- und Kundensicht.
4.2
Umsetzung von Kundenorientierung mit Relationship-Marketing
Die Anpassung an die in Kapitel 3 erläuterten Rahmenbedingungen in Bezug auf den Wettbewerb und die Kunden, finden sich in der Umsetzung einer kundenorientierten Marketingstrategie. Diese wird durch einen Paradigmenwechseln vom Transaktions- zum Relationship-Marketing begleitet. 4.2.1
Vom Transaktions- zum Relationship-Marketing
Die traditionelle Form des Marketings wird seit den 80er Jahren durch das Transaktionsmarketing beherrscht. Es bezeichnet eine produktbezogene Marketingstrategie, in welcher der Fokus auf einzelnen Transaktionen liegt und mithilfe der Preis-, Produkt-, Distributions- und Kommunikationspolitik umgesetzt wird. Im Rahmen dieser Strategie wird die Kundenbeziehung vernachlässigt, was dazu führt Kunden als selbstverständlich anzusehen.202 Somit entstand eine neue Zielsetzung des Marketings, die Grönroos wie folgt formuliert: „Ziel von Marketing ist es profitable Beziehungen mit Kunden und anderen Partner aufzubauen, zu behalten und auszubauen, sodass die Zielsetzungen aller beteiligten Parteien erreicht werden [...]“203. Im Vordergrund steht hier die Beziehung des Kunden mit der Absicht einer langfristigen profitablen Bindung. Dieses Ziel bildet das Kernelement des RM (Relationship-Marketing) und findet im Gegen-
202 203
Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S.15; Payne, A., Rapp, R. (1999), S. 7 Grönroos, C. (1990), o.S.
49
satz zum Transaktionsmarketing über den gesamten Kundenlebenszyklus seine Anwendung.204 Mit Bezug auf die Wertschöpfungskette von Kundenzufriedenheit bis hin zum ökonomischen Erfolg umfasst RM die Servicequalität und Kundenorientierung als wichtige Hebel für den ökonomischen Erfolg.205 4.2.2
Customer-Relationship-Management
CRM (Customer-Relationship-Marketing) wird vorwiegend als informationstechnisches Konzept genutzt, welches hilft RM mit Hilfe von Software und Datenbanken umzusetzen.206 In diesem Zusammenhang unterstützt es bei der Professionalisierung des Informationsmanagements und bei der Umsetzung des Konzeptes „OneFace-to-the-Customer“. Den Schwerpunkt des Informationsmanagements bildet das operative CRM, welches Kundenschnittstellen wie POS oder Hotline steuert und synchronisierst.207 Alle auf den Kunden gerichteten Prozesse aus Marketing, Vertrieb und Service werden somit auf Grundlage einer Datenbank konsolidiert und koordiniert. Die Aufbereitung der erfassten Daten und die Analyse des Kundenverhaltens, werden durch das kollaborative und analytische CRM realisiert, die eine zielgenaue Ansprache, Segmentierung und Ausschöpfung von Kundenpotenzialen realisieren.208 4.2.3
Kundensegmentierung auf Grundlage der Kundenwerte
Mit Hinblick auf die Tatsache, dass häufig mit 20 % der Kunden 80 % des Umsatzes generiert wird, zeigt sich die Bedeutung einer Kundensegmentierung.209 Diese erfolgt oft anhand des durch den CLV (Customer Lifetime Value) bestimmten Kundenwertes. Dieser prognostiziert alle dem Kunden zurechenbaren Ein- und Auszahlungen in der Kundenbeziehung und diskontiert sie auf einen Gegenwartswert. Anhand der Kundenwerte lassen sich folglich profitable und unprofitable Kunden erkennen, was sich in einer differenzierten Betreuung äußert, da es vornehmlich
204
Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 7 ff. Vgl. ebd. S. 9 ff. 206 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 7 207 Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 14 208 Vgl. Hippner, H., Wilde, K. (2007), S. 48; Fritz, S. (2007), S. 53 ff.; Bruhn, M. (2007), S. 8 209 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 25 205
50
Kunden mit hohem Kundenwert zu binden gilt.210 Eine Erhöhung des Kundenwertes, resultiert demzufolge aus der positiven Veränderung der Kundengewinne im Laufe der Geschäftsbeziehung.211 Neben der Einteilung nach Umsatz, lässt sich häufig eine Aufteilung von Geschäfts- und Privatkunden finden. Darüber hinaus differenzieren die Mobilfunkanbieter ihre Post- und Prepaid-Kunden. Grund ist die unterschiedliche Profitabilität der Kundengruppen, was in einer differenzierten Betreuung resultiert.212 4.2.4
Defensive Marktstrategie
Im Rahmen der Konzentration auf Kundenbeziehungen der eigenen Kundenbasis, ist neben einer entsprechenden Marketing- auch eine Marktstrategie von Nöten. Hier wird die offensive und die defensive Marktstrategie unterschieden.213 Während sich erstere auf Akquisition und erhöhende Kaufhandlungen mit dem Ziel Kundenzahl und Marktanteile zu steigern konzentriert, so soll die defensive Kundenfluktuationen minimieren und langfristige Geschäftsbeziehungen schaffen. Genauer betrachtet soll diese Unzufriedenheit reduzieren, indem emotionale Wechselbarrieren aufgebaut werden, um nicht ausschließlich die vertragliche Situation als Grundlage der Kundenbindung zu sehen (Abb. 26). Die Konzentration auf die eigenen Kunden und die daraus erwartete Zufriedenheit senkt Betreuungs- und spart Akquisitionskosten, was zeigt, dass sich Wettbewerb auf gesättigten Märkten einzig um zufriedene oder unzufriedene Kunden dreht.214 Martstrategie
Offensiv
Martkterweiterung
Defensiv
Empfehlungen
Marktanteile
Steigerung der Zufriedenheit
Aufbau von Wechselbarrieren
Ausgleich von Unzufriedenheit
In Anlehnung an: Rapp, R. (1995), S. 48 Abbildung 26: Offensive und defensive Marktstrategie
210
Vgl. Müller, H.D. (2004), S. 25 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 253; Müller, H.D. (2004), S. 20 212 Vgl. Buser, T. et al. (2003), S.14; Gerpott, T.J. (2006), S. 504 f. 213 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 253 214 Vgl. Storbacka, K. et al. (1999), S. 71 211
51
4.3
Determinanten für zufriedene Kunden
Für die Interaktion mit dem Kunden an den Kundenkontaktstellen spielt das Verhalten der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle. Letztlich sind sie es, die über fachliche und soziale Kompetenz dem Kunden ein Gefühl von gutem Service vermitteln. Die Servicequalität sollte dabei über ein Qualitätsmanagement gesteuert werden. 4.3.1
Qualitätsmanagement
Aktuell sehen laut einer Umfrage 87% der Unternehmen diverser Branchen Qualitätsmanagement als wichtiges Instrument zur Erhöhung der Kundenbindung an.215 Im Bezug auf die Auswirkungen von Servicequalität auf die Wertschöpfungskette bietet es demzufolge, durch die Qualität der angebotenen Dienst- und Serviceleistungen einen Hebel zur Steigerung des Gewinns.216 Durch die „Gesamtheit der qualitätsbezogenen Tätigkeiten und Zielsetzungen“217 nimmt das Qualitätsmanagement Einfluss auf die Servicequalität und bestimmt gleichzeitig die wahrgenommene Qualität und folglich die Kundenzufriedenheit.218 Der Begriff der Qualität lässt sich als die: „Die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Dienstleistung, die dazu geeignet sind die Erfordernisse zu erfüllen“219 beschreiben. Der definierte produktbezogene Qualitätsbegriff, der die Summe oder das Niveau einzelner Merkmale betrachtet, vernachlässigt die im Rahmen der Kundenorientierung wichtige kundenbezogene Sicht. Dabei wird die subjektive Wahrnehmung der Leistungseigenschaften betrachtet, die sich im Vergleich zur Leistungserwartung und der tatsächlichen Erfahrung äußert. Diese Sicht ist erforderlich, um Qualität so zu gestalten, dass Kundenerwartungen besser als vom Wettbewerb erfüllt werden können.220 Zusammengefasst beinhaltet das Qualitätsmanagement alle Maßnahmen die getroffen werden, um den größtmöglichen Qualitätsstandard zu erreichen. Den Kern bilden Abläufe, Aufbauorganisation und weitere Mittel zur Verwendung, die Standards festlegen und die Qualität determinieren.221
215
Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 151 Vgl. ebd. S. 29 217 Bruhn, M. (2006), S. 75 218 Vgl. Corsten, H., Gössinger, R. (2005), S. 292 f. 219 Bieberstein, I. (2006), S. 198 220 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 30 ff.; Corsten, H., Gössinger, R. (2005), S. 281 f. 221 Vgl. Bruhn, M. (2006), S. 75 216
52
4.3.2
Einfluss der Mitarbeiter auf die Kundenzufriedenheit
Den konstanten Faktor in Bereichen der Kundeninteraktion bildet der Mitarbeiter. Mit ihm steht und fällt das Ziel Kunden eine optimale Serviceerfahrung zu bieten. 4.3.2.1 Bedeutung des Mitarbeiterverhaltens In dem Moment des Kontaktes mit einem Mitarbeiter bewertet der Kunde diesen und dessen Einstellung in Sekunden. Erlebt er dabei keinen engagierten und informierten Mitarbeiter, nimmt er die Qualität der Kernleistung nur sekundär war und bewertet die Servicequalität als schlecht.222 Im Rahmen der Kundenerwartungen stehen bei der Mitarbeiterqualifikation neben den Hard-Skills, wie Fachwissen, vor allem Soft-Skills wie soziale Kompetenz im Zentrum. Unter dem Begriff „Emotionale Intelligenz“, bilden diese die Grundlage für eine positive Serviceerfahrung.223 Mithilfe dieser Skills gelingt es, einen Mitarbeiter sympathisch erscheinen zu lassen und dem Kunden das Gefühl zu geben, dass dieser seine Arbeit gerne ausführt.224 Die Realität sieht allerdings häufig anders aus und äußert sich in mangelndem Fachwissen, fehlender Hilfsbereitschaft und nur rudimentär vorhandenem Einfühlungsvermögen. Dies wird in vielen Fällen durch einen hohen Verkaufsdruck am POS verursacht, welcher das Verhalten der Mitarbeiter so beeinflusst, dass Freundlichkeit und Empathie aufgesetzt wirken.225 Dabei könnte echte Freundlichkeit Verkaufsabschlüsse sogar erleichtern, besonders unter Berücksichtigung, dass die Kaufentscheidung oft erst am POS fällt.226 Auf das Mitarbeiterverhalten der telefonischen Kundenbetreuung, wird in Kapitel 4.4.2.2 detailliert eingegangen. Folglich ergeben sich zwei grundsätzliche Anforderungen zur Erlangung von Kundenvertrauen: Mitarbeiter müssen durch Engagement zeigen, dass sie zum Einen dem Kunden helfen möchten und zum Andern auch die Kompetenz besitzen dies tun zu können.227 Bei der Betrachtung der globalen Ursachen für Kundenverluste wird die Bedeutung des Mitarbeiters besonders deutlich (Abb. 27). 222
Vgl. Rapp, R. (1995), S. 151; Bestmann, K., Leyer, B. (2007), S. 83, 160 Vgl. Schüller, A. (2005), S. 53 224 Vgl. Horowitz, J. (1992), S. 109 225 Vgl. Woehe, J. M., Lang, M. (2003), S. 5; Bruhn, M. (2007), S. 106 226 Vgl. Knauer, M. (2002), S. 675 227 Vgl. Peppers, D. (2008), S. 24 223
53
9%
9%
14%
Sonstiges Angebotsqualität Zu hohe Preise Verhalten des Personals
68% In Anlehnung an Bieberstein, I. (2006), S. 151 Abbildung 27: Ursache von Kundenverlusten
4.3.2.2 Kundenorientierte Mitarbeiter Bei der Aufgabe, kundenorientierte Mitarbeiter mit emotionaler Intelligenz zu formen, sind drei maßgebliche Faktoren zu beachten:228 •
Verantwortung für Qualifizierung und Serviceorientierung Top-Down Ansatz
•
Mitarbeiter benötigen Verantwortung, um Handlungsspielräume zu erhalten
•
Mitarbeiter durch zusätzliche Anreize motivieren
Die Philosophie der Kunden- oder Serviceorientierung kann nicht ohne zusätzliche Unterstützung vom Mitarbeiter gefordert werden. Erst durch die Verankerung in die Unternehmenskultur und das konsequente Vorleben durch Vorgesetzte kann die Philosophie auf den Kunden transferiert werden. Vorgesetzte müssen somit ihre Untergebenen genauso behandeln, wie sie ihre Kunden behandelt wissen wollen, denn nur zufriedene Mitarbeiter können zufriedene Kunden schaffen (Abb. 28).229 M erkm ale der - M itarbeiter - Kunden M itarbeiterzufriedenheit
Direkter Effekt
Kundenzufriedenheit
M arkterfolg
W irtschaftlicher Erfolg
Indirekter Effekt
Q ualität des Angebots und des Interaktionsverhaltens
In Anlehnung an Stock-Homburg, R. (2006), S. 334 Abbildung 28: Darstellung des integrierten Mitarbeiter-Kundenzufriedenheits-Modells 228 229
Vgl. Woehe, J.M., Lang, M. (2003), S. 5; Bruhn, M. (2007), S. 106 Vgl. Bestmann, K., Leyer, B. (2007), S. 167, Horowitz, J. (1992), S. 85
54
Im Rahmen der Betreuung eines Kunden ist es notwendig, dass Mitarbeiter Maßnahmen vornehmen können, die es ihnen erlauben in der entsprechenden Situation innerhalb eines eigenen Verantwortungsbereichs Entscheidungen zu treffen. Dieser Handlungsspielraum wird als Empowerment bezeichnet, in dessen Rahmen Kundenbetreuer die Anliegen schneller bearbeiten können, da sie bei Entscheidungen seltener Rücksprache halten müssen, was wiederum eine schnellere Wiederherstellung von Kundenzufriedenheit mit sich führt.230 Neben nicht monetären Einreizen, wie Incentives oder Belobigungen, ist die Integration eines Anreizsystems in Form von Prämien hilfreich um die Motivation der Belegschaft zu steigern. Neben der oft praktizierten variablen Vergütung im Vertrieb, die durch Neuverträge bestimmt wird, fehlt der Anreiz für die Erbringung von Serviceleistung. Einen Ansatz bietet die an Kundenzufriedenheit oder NPS-Wert gekoppelte Prämie, welche sich letztlich motivationssteigernd auf die Serviceerbringung der Mitarbeiter auswirkt.231 Werden diese Schritte beachtet, so sollte ein Mitarbeiter sich voll und ganz mit den Werten, Visionen und Zielen seines Unternehmens identifizieren können und stolz auf seine Tätigkeit sein, was sich positiv auf sein engagiertes Verhalten auswirkt.232 4.4
Customer Care
Während das RM sämtliche Maßnahmen zum Aufbau, zur Erhaltung oder zur Beendigung von Kundenbeziehungen umfasst, bildet Customer Care als operatives Konstrukt den Umgang mit kundeninitiierten Anliegen (Abb. 29).233 Dabei ist es definiert als: „[...] planvoller Umgang mit allen Anliegen, die von einem aktuellen, potenziellen und verlorenen Kunden im Zusammenhang mit der Nutzung der Kernleistung an das Unternehmen gerichtet werden“ 234. Da sich durch die Zufriedenheit mit dem Customer Care auch das Vertrauen ins Unternehmen erhöht, ist es als Instrument zur Erzeugung von Kundenloyalität zu sehen. Dabei ist der bevorzugte Zeitpunkt der Inanspruchnahme, in der AfterSales-Phase, welche durch ein Problem mit der Dienstleistung ausgelöst wird. Somit ist der Umgang mit diesen Kundenanliegen sensibel zu behandeln.235 230
Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 325; Strauss, B., Seidel, W. (2007), S. 513 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 106 232 Vgl. Schüller, A. (2005), S. 39 233 Vgl. Strauss, B., Seidel, W. (2007), S. 30 234 Schmidt, M. (2007), S. 9 235 Vgl. ebd., S. 53 231
55
Zu den organisatorischen Einheiten des Customer Care zählen neben dem POS und einem zentralen Beschwerdemanagement, das Customer Care- oder Customer Interaction Center, in denen schriftliche und telefonische Kundenanliegen eingehen. Meist handelt es sich hier um Erweiterungen auf der Basis von Call Centern.236 Im Rahmen der Entwicklung lässt sich eine deutliche Umschichtung zum ECC (Electronic Customer Care) erkennen (Kapitel 4.4.1).237 Zusammengefasst bildet Customer Care einen zentralen Bestandteil des Kundenbindungsmanagements, welches als maßnahmenorientierte Betrachtung der Kundenbindung das Ziel verfolgt Kundenverhalten positiv zu beeinflussen.238 Abb. 29 zeigt eine Übersicht der Customer Care Einheiten, sowie der bereits erläuterten strategischen Instrumente. Strategische Instrumente
Kundenorientierung Relationship Marketing Defensive Strategie
Philosophie Marketingstrategie Marktstrategie
Customer Care (operative Instrumente)
Beschwerdemanagement Electronic Customer Care
Customer Care Center
Point of Sale
Abbildung 29: Übersicht strategischer und operativer Instrumente zur Serviceerbringung
4.4.1
Beschwerdemanagement
Im Rahmen des Customer Care bildet das Beschwerdemanagement den zentralen Bestandteil und umfasst über alle Kontaktstellen hinweg die Möglichkeit Beschwerden zu äußern, die im Anschluss bearbeitet werden. Es umfasst die Beschwerdestimulierung, -annahme, -bearbeitung und -reaktion (Abb. 30). Als Beschwerde sind diverse Unzufriedenheitsäußerungen des Kunden zu bezeichnen.239 In diesem Zusammenhang lässt sich in den letzen Jahren eine deutliche Senkung der Beschwerdezufriedenheit erkennen.240
236
Vgl. Strauss, B., Seidel, W. (2007), S. 538 Vgl. Fritz, S. (2007), S. 75 238 Vgl. Schmidt, M. (2007), S. 10 239 Vgl. Bruhn, M. (2007), S.175 240 Vgl. Bieberstein, I. (2006), S. 265 237
56
Unzufriedene Beschwerdestimulierung Kunden
Beschwerdeannahme
Beschwerdebearbeitung und -reaktion
Zufriedene Kunden
In Anlehnung an: Bruhn, M. (2007), S. 183 Abbildung 30: Aufgaben des Beschwerdemanagements.
4.4.1.1 Ziel des Beschwerdemanagements Ziel des Beschwerdemanagements ist es, einen unzufriedenen Kunden, der eine Beschwerde geäußert hat, durch eine positive Beschwerdereaktion wieder zufrieden zu stellen. Grundlage dieser Sichtweise ist der empirische Beleg, dass ein gutes Beschwerdemanagement die Kundenzufriedenheit erhöht.241 Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass unzufriedene Kunden, die eine Beschwerde geäußert haben, nach einer positiv bearbeiteten zufriedener sind als zufriedene Kunden ohne Beschwerden. Hier spricht man vom BeschwerdeParadoxon.242 Ist ein Kunde mit der Beschwerdebearbeitung hingegen unzufrieden, so wendet er sich in 50 % der Fälle vom Unternehmen ab.243 Die Art des Umgangs mit seiner Beschwerde, beeinflusst somit die Erfahrungen des Kunden mit dem Unternehmen und kann seine Einstellung positiv ändern, was neben dem Aufdecken mögliche Schwachstellen, in den eigenen Abläufen der Unternehmen die Chance gibt Zufriedenheit wiederherzustellen.244 4.4.1.2 Notwendigkeit zur Beschwerdestimulierung Diese Möglichkeit erhalten allerdings nicht alle Unternehmen, denn nach einer Umfrage äußern nur 55 % der unzufriedenen Kunden ihre Beschwerde. Der Großteil verbreitet seine Unzufriedenheit durch negative Mund-zu-Mund-Propaganda und wendet sich bei nächster Gelegenheit von seinem Anbieter ab, was als „stilles Abwandern“ bezeichnet wird. Demzufolge sind negative Beschwerdereaktionen gleichzusetzen mit nicht geäußerten Beschwerden unzufriedener Kunden.245 Der Grund für dieses Verhalten, ist in der psychologischen Betrachtung zu finden. Nicht selten lautet die Begründung für eine nicht geäußerte Beschwerde: „Bringt 241
Vgl. Bestmann, K., Leyer, B. (2007), S. 84; Kindermann, H. (2006), S. 311 Vgl. Kindermann, H. (2006), S. 327; Bruhn, M. (2007), S. 177 243 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 182 244 Vgl. Strauss, B., Seidel, W. (2007), S. 49 245 Vgl. ebd., S. 67; Bestmann, K., Leyer, B. (2007), S. 83 f. 242
57
doch eh nichts“. Bei genauerer Betrachtung sind solche Aussagen meist nur ein Vorwand, da Menschen andere Personen nicht belasten wollen, was im Falle einer Beschwerdeäußerung der Fall wäre.246 Folglich ist es entscheidend, unzufriedene Kunden zur Äußerung einer Beschwerde zu stimulieren.247 4.4.1.3 Beschwerdeannahme und -reaktion Bei Betrachtung einer Beschwerdeannahme und der anschließenden Reaktion stehen sowohl kundenorientierte Prozesse, als auch der Mitarbeiter im Mittelpunkt. Sein Verhalten bewerten Kunden anhand folgender Qualitätsdimensionen:248 •
Zugänglichkeit: Wie leicht wird ein Ansprechpartner gefunden
•
Interaktionsqualität: Die gefühlte Reaktion des Unternehmens und vor allem des Mitarbeiters wird durch folgende Qualitätsmerkmale determiniert: o Freundlichkeit / Höflichkeit der Mitarbeiter o Einfühlungsvermögen / Verständnis o Bemühtheit / Hilfsbereitschaft o Aktivität / Initiative – Inwieweit such das Unternehmen Kontakt zum Kunden und informiert ihn über den Lösungsstatus o Verlässlichkeit – In welchem Maß werden Zusagen eingehalten
•
Reaktionsschnelligkeit
•
Angemessenheit/ Fairness
Aufgrund des Umstandes, dass Beschwerden häufig in Verbindung mit einer hoher Emotionalität seitens des Kunden geäußert werden, erscheinen sie für Mitarbeiter unangenehm und lästig. Aus seiner Sicht kosten diese nur Zeit und hindern ihn daran seine Ziele, wie Vertragsabschlüsse am POS oder die Einhaltung der maximalen Gesprächslänge im Call Center zu erreichen. Somit folgen schnell Abweisung, Vertröstung oder gar Schuldzuweisung an den Kunden.249 Daher ist es entscheidend beim Mitarbeiter Verständnis für deren Wichtigkeit zu wecken, denn die kundenorientierte Bearbeitung von Beschwerden spiegelt sich in
246
Vgl. Horowitz, J. (1992), S. 41 Vgl. Strauss, B., Seidel, W. (2007), S. 49 248 Vgl. Stauss, B. (2006), S. 325 249 Vgl. Strauss, B., Seidel, W. (2007), S. 49, 218 247
58
einer positiven Servicebewertung und dient als Merkmal der Wettbewerbsdifferenzierung.250 4.4.2
Call Center
Der klassische Kanal zur Kontaktaufnahme mit einem Unternehmen ist die telefonische Kundenbetreuung, also die Hotline eines Call Centers. Der Begriff stammt aus dem Amerikanischen und ist wie folgt definiert: „Ein CallCenter ist die organisatorische Zusammenfassung von Telefonarbeitsplätzen mit dem Ziel der Erhöhung des Servicegrades [...] und der Optimierung der wirtschaftlichen Bedingungen“251. Die Art der Telefonate unterschiedet sich zwischen ankommenden (Inbound) und ausgehenden (Outbound) Gesprächen, welche bei Mobilfunkanbietern gleichermaßen zu finden sind. Während Outbound für telefonischen Verkauf, Zufriedenheitsbefragungen oder Rückrufe genutzt wird, umfasst Inbound die Kundenbetreuung, die den Großteil der Kapazitäten im Call Center einnimmt (Abb. 31).252 11% 45%
21%
Kundenservice Vertriebsoptimierung Neukundengewinnung Kostensenkung
23% In Anlehnung an: Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 35 Abbildung 31: Einsatzmöglichkeiten des Inbound im Call Center
In der telefonischen Kundenbetreuung werden durch Call Center Agenten telefonische Anfragen der Kunden, wie Stammdatenänderung, Rechnungsklärung oder Reklamationen, bearbeitet.253 Die eingehenden Anrufe leitet eine ACD (Automatic Call Distribution) Anlage an jeweils freie, möglicherweise regional getrennte Mitarbeiter, durch Prüfung freier Kapazitäten weiter. Dabei erfolgt die Verteilung auf Grundlage einer Priorisierung,
250
Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 21 Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 5 252 Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 9f.; Ebner, M. et al. (2007), S. 27 253 Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 25 251
59
die vom Kundenwert abhängt. Je höher sein Wert eingestuft ist, desto geringer die Wartezeit.254 Zwischen Anruf und Klärung können dabei bis zu vier Stufen durchlaufen werden: •
IVR (Interactive Voice Response) – Die IVR stellt dem Anrufer ein automatisiertes Sprachdialogsystems zur Verfügung. Durch Tasten- oder Spracheingaben steuern. können Anliegen bereits vorab durch automatische Auskünfte erledigt oder direkt an den richtigen Ansprechpartner geleitet werden.255
•
1st Level – Bildet den ersten direkten Kontakt mit einem Call Center Agenten. Hier können 60-90% der Anrufe abschließend bearbeitet werden.256
•
2nd Level – Findet aufgrund eines speziellen Problems keine Lösung im 1st Level statt, wird der Kunde an den 2nd Level verwiesen, der auf bestimmte Themen fokussierte Spezialisten beinhaltet.
•
3rd Level – Folgt auch im 2nd Level keine Lösung, so wird das Anliegen an die jeweilige Fachabteilung, also dem Backoffice weitergegeben und endet mit einer Rückrufzusicherung.257
Ausgelöst durch den direkten Kundenkontakt, hat der Call Center Agent große Bedeutung für die Außenwirkung, da ihn der Kunde als Stimme des Unternehmens sieht. Dies wird unter dem Aspekt, dass Kunden beim Anruf der Hotline in vielen Fällen eine Reklamation oder eine Beschwerde haben, deutlich.258 In diesem Zusammenhang ist die Herausforderung für die Mitarbeiter hier größer als am POS. Um Missverständnisse zu vermeiden, müssen die telefonischen Kundenbetreuer aufgrund fehlender Mimik besonders aufmerksam sein. Der Agent ist darauf angewiesen mit dem Kunden eine Bedarfsanalyse durchzuführen, um sein Anliegen zu erfragen. Dies gelingt ihm mit Hilfe einer speziellen Fragetechnik.259 Allerdings führt dies zu einer längeren Gesprächszeit, was in einer erhöhten Wartezeit für andere Kunden resultiert und in Konflikt mit dem Ziel einer kurzen Wartezeit steht. Eine lange Wartezeit ist der Hauptgrund für eine schlecht bewertete Hotline, gefolgt von mangelnder Beratung und Kosten (Abb. 32).260
254
Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 6 Vgl. Helber, S., Stolletz, R. (2004), S. 95 ff. 256 Vgl. ebd. S. 30 257 Vgl. Strauss, B., Seidel, W. (2007), S. 501 258 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 37 259 Vgl. Bestmann, K., Leyer, B. (2007), S. 75 260 Vgl. o.V. (2008), S.10 255
60
68,3%
Zu lange Wartezeiten 50,9%
Mangelnde Beratung
49,2% Zu hohe Kosten 0,0%
10,0%
20,0%
30,0%
40,0%
50,0%
60,0%
70,0%
In Anlehnung an o.V. (2008), S. 10 Abbildung 32: Gründe für Unzufriedenheit mit der Hotline
Die Wichtigkeit dieser für die Kundenbindung zeigt sich in einer Umfrage von 1000 Passanten, in der sich 70 % gut vorstellen können eine Geschäftsbeziehung zu beenden, falls die Hotline nicht ihren Erwartungen entspricht.261 4.4.2.1 Messung der Qualität im Call Center Die wichtigsten Erfolgsfaktoren für einen positiv wahrgenommenen Customer Care bieten Kundenorientierung, Erreichbarkeit, Kompetenz und Verbindlichkeit. All diese Punkte finden Anwendung im Call Center. Folglich hat dieses ein großes Potenzial für einen Begeisterungsfaktor, da die hier gebotene Qualität ausschlaggebend für das Bestehen im Wettbewerb ist. Um eine hohe Qualität zu erreichen ist es vorab notwendig Qualitätskriterien festzulegen, anhand derer die Servicequalität gemessen werden kann. Bei diesen Kriterien wird zwischen quantitativen und qualitativen Faktoren unterschieden (Tab. 2).262 Quantitative Faktoren Wartezeit Getätigte Anrufe (Handled Calls) Mittlere Gesprächszeit - AHT (Average Handling Time)
Qualitative Faktoren Freundlichkeit Einfühlungsvermögen Fachwissen Klärung im ersten Kontakt - FCR (First Contact Resolution)
In Anlehnung an Bruhn, M. (2007), S. 39 Tabelle 2: Quantitative und qualitative Faktoren im Call Center
261 262
Vgl. o.V. (2008), S. 10 Vgl. Bruhn, M. (2007), S. 39
61
Bei der Betrachtung dieser beiden lässt sich ein Zielkonflikt erkennen. Nimmt sich ein Agent Zeit für eine optimale Betreuung des Kunden, so erzielt er zwar einen guten Wert bei der Qualität, riskiert aber ein schlechteres Abschneiden auf der quantitativen Seite, wie bei der Wartezeit.263 Die Bewertung der Faktoren gestaltet sich unterschiedlich schwierig. Während die quantitativen leicht aus den Kennzahlen der ACD-Anlage ausgelesen werden können, so gestaltet sich die Bewertung der qualitativen Faktoren dagegen erschwert. Hier werden häufig „Mystery-Calls“ durch externe Dienstleister durchgeführt, die einen echten Kunden simulieren und im Anschluss das Verhalten der Mitarbeiter bewerten. Letztlich sind es beide Faktoren, die auf die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung Einfluss nehmen.264 4.4.2.2 Contact Center Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Call Center weiter zu einem Contact Center. Längst wird nicht mehr nur der telefonische Kanal genutzt, sondern diverse Kanäle wie E-Mail, Briefe, Telefax und SMS werden gebündelt.265 Eine weiterführende Definition des Call Centers lautet somit: „a collection of People and technologies whose role is to service customer“266, also eine Mixtur von Kundenkontaktkanälen mit dem Ziel einer bestmöglichen Betreuung (Abb. 33). Insgesamt werden vier Hauptkanäle des Kundenkontaktes unterschieden: Face- toFace-Kontakt, für den persönlichen Kontakt beim Kunden oder am POS, telefonisch durch Call Center, der schriftliche und der elektronische Kontakt.267
8%
7%
4%
3%
29%
22% 27%
Telefonische Beratung Persönliche Kundengespräche E-Mail Brief Internet Telefax SMS
In Anlehnung an Samuelsen, P. (2008), S. 17 Abbildung 33: Genutzte Kanäle zur Kontaktaufnahme mit einem Unternehmen 263
Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 35 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 33 265 Vgl. Bestmann, K., Leyer, B. (2007), S. 158 266 Dawson, K. (1999), S. 5 267 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 37 264
62
Anhand des Diagramms lässt sich erkennen, dass die telefonische Betreuung den größten Anteil im Kundenkontakt einnimmt, elektronische Kanäle, wie E-Mail und Internet, aber zunehmen. Einher mit dieser Verlagerung geht eine Umschichtung von Routineaufgaben, in der Kundenanliegen, wie die Änderung einer Adresse, mittlerweile bei vielen Anbietern über das Internet vorgenommen werden.268 Im Rahmen der Verlagerung hin zu elektronischen Medien darf beim Kunden nicht der Eindruck entstehen, dass ein Anbieter den Kontakt vermeiden möchte. Kunden bevorzugen eher das persönliche Gespräch mit einem freundlichen Mitarbeiter, der ihn wertschätzt, als eine unpersönliche Online-Nutzung. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das Anliegen nicht immer im Vordergrund steht, vielmehr möchten Kunden Hin und Wieder nur in Kontakt mit ihrem Anbieter treten.269 4.4.2.3 Problematik der Kapazitätsauslastung Die Besetzung des Call Centers mit Kapazitäten erfolgt auf Basis einer Schätzung über die eingehenden Anrufe, dem Forecast. Unter der Prämisse, dass jeder Mitarbeiter eine gewisse Anzahl von Anrufen in einer bestimmten Zeit annehmen muss, werden die benötigten Kapazitäten bestimmt.270 Die richtige Schätzung hat Einfluss auf die Wartezeit und die Erreichbarkeit, da hier kleine Abweichungen, große Auswirkungen haben können. Ist die Anzahl eingehender Kundenanrufe höher als im Forecast, so erhöht sich die Wartezeit, da nicht genügend Kapazitäten vorhanden sind. Folglich geschieht es häufig, dass in die Warteschlange gezwungene Kunden nicht die Geduld zu warten haben und auflegen. Dies senkt die Erreichbarkeit eines Call Centers, da die prozentuale Wahrscheinlichkeit einen Agenten erfolgreich zu erreichen, im Durschnitt sinkt. Werden mehr Agenten eingesetzt, so erhöht sich zwar die Erreichbarkeit und die Wartezeit sinkt, allerdings nimmt auch die Mitarbeiterauslastung ab, was speziell im Hinblick auf die Mitarbeiterkosten im Call Center unwirtschaftlich ist.271
268
Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 91 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 37 270 Vgl. ebd. S. 38 271 Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 32 f., 43 269
63
KPI`s für Mitarbeiter
KPI´s für die Kundenwahrnehmung
Produktivität
Erreichbarkeit
Anrufe pro Mitarbeiter
Wartezeit
Mittlere Gesprächszeit In Anlehnung an Helber, S. Stolletz, R(2004), S. 23, 43 f. Tabelle 3: KPI´s (Key Performance Indicators) im Call Center
Bei der Berechnung des Forecast kommen beeinflussende Faktoren wie Kampagnen oder neue Produkte erschwerend hinzu, die nicht selten die Anzahl der Kundenanrufe erhöhen und dadurch mitberücksichtigt werden müssen.272 4.4.2.4 Problematik der Mitarbeiterqualifikation Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt sind das Aushängeschild des Unternehmens. Mit ihrem Verhalten entscheiden sie über ein mögliches Vertrauensverhältnis oder eine Antipathie der Kunden gegenüber dem Unternehmen. Die Arbeit als Call Center Agent zeichnet sich allerdings aufgrund eine hohe Stressbelastung, aufgrund des schnellen Wechsels zwischen Routineaufgaben und komplexen Problemfällen unter Beeinflussung der Emotionalität der Kunden, aus.273 Insbesondere die Beachtung des Spannungsfeldes der quantitativen und der qualitativen Faktoren, stellt sie vor große Herausforderungen. Trotz dieser Anforderungen ist es notwendig, dass Faktoren wie Freundlichkeit und Empathie beherrscht werden um Kunden das Gefühl einer echten Freundlichkeit zu geben.274 Neben den bereits schon hohen Ansprüchen führen folgende Treiber zu einer weiteren Intensivierung: •
Erhöhte Serviceerwartungen der Kunden
•
Kunden sind besser informiert als früher
•
Neue komplexe Technologien erhöhen den Beratungsaufwand
Durch die gestiegenen Kundenerwartungen und deren erhöhten Informationsstand wird ein ständig aktuelles Prozess- und Fachwissen benötigt. Speziell in der Mobilfunkbranche sind Kundenbetreuer darauf angewiesen, sich immer neues techni272
Vgl. Fritz, S. (2007), S. 80 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 41 274 Vgl. Bestmann, K., Leyer, B. (2007), S. 76 273
64
sches Wissen anzueignen, verursacht durch neue Produkte wie DSL oder IPTelefonie. Wissen über Produkte und Prozesse entwickelt sich demzufolge immer mehr zu einem Wettbewerbsfaktor.275 Um sich Fachwissen anzueignen, ist Zeit für Schulungen, Trainings oder Seminare notwendig, welche in der Regel durch das Qualitätsmanagement gesteuert werden. Dies senkt die Produktivität der Hotline und steht im Kontrast zu den quantitativen Faktoren. Obwohl die Qualität nicht unter der Quantität leiden sollte, wird aus Kostengründen weniger in die Weiterbildung der Mitarbeiter investiert.276 Seitens der Priorität von Ausbildungsmaßnahmen gilt es zu berücksichtigen, dass nicht Fachwissen den Kern eines erfolgreichen Gesprächs bildet, sondern eher die “weichen“ Faktoren. Eine wertschätzende Grundhaltung und eine angenehme Sprache gegenüber dem Kunden können kleine Fehler im Fachwissen häufig ausmerzen.277 4.4.2.5 Outsourcing von Call Center Leistungen Die Personalkosten bilden besonders in unternehmensinternen Call Centern den größten Kostenanteil. Um diese zu senken, entscheiden sich viele Unternehmen dazu, ihre telefonische Kundenbetreuung an Dienstleister auszulagern. Diese sind spezialisiert auf Call Center Leistungen und übernehmen häufig den Service von mehreren Firmen gleichzeitig (Abb. 34). Aktuell existieren drei Möglichkeiten die eigene Hotline abzubilden:278 •
Inhouse Lösung
•
Tochtergesellschaft
•
Teilweise oder vollständige Auslagerung
Die Inhouse Lösung bezeichnet eine integrierte Lösung aller Kundenkontaktkanäle im eigenen Unternehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Anbieter die Kompetenz besitzen ein Call Center abzubilden, wobei hier folglich die Auslagerung ein sinnvoller Entschluss wäre. Resultierend aus der Auslagerung zeigen sich zwar Kosteneinsparungen, allerdings geht der direkte Kontakt zum Kunden verlo275
Bungard, W. et al. (2003), S. 38 Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 118; Ditzel, B. et al. (2007), S. 35; Samuelsen, P. (2008), S. 19 277 Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 80 278 Vgl. Böse, B., Flieger, E. (1999), S. 31 276
65
ren.279 Die Entscheidung, seine Kundenbetreuung auszulagern, ist ein umfangreicher Entscheidungsprozess, der viele Faktoren umfasst. Dabei stellt sich die Frage, ob es der Dienstleister schafft Servicequalität so zu erbringen, wie es intern der Fall ist und ob Reaktionswege bei Kundenanfragen weiterhin effektiv bleiben. Die Tochtergesellschaft bildet eine Zwischenlösung, in der durch eigene Tarifverträge Gehälter gedrückt werden können, während der Kontakt zur Kundenbasis nicht verloren geht. Ein Beispiel für diese Art der Lösung bietet die Deutsche Telekom AG, die ihre Service-Sparte inklusive Kundenbetreuung mit über 10.000 Mitarbeitern vor kurzem auslagerte.280 Beauftragung
Unternehmen Dienstleister
Kernleistung Leistung
Kunden Anliegen In Anlehnung an Schmidt, M. (2007), S. 60 Abbildung 34: Konstellation zwischen Kunden, Anbieter und Call Center Dienstleister
4.4.3
Service am Point of Sale
Der POS nimmt bei vielen Mobilfunkanbietern hauptsächlich eine Verkaufsfunktion ein und zeigt sich in einem Umfeld mit hohem Verkaufsdruck.281 Die damit einhergehenden Umsatz- und Zielerwartungen senken die Motivation der POS Mitarbeiter einen guten Service zu bieten. Das Aufsuchen einer Filiale mit dem Ziel eine Vertragsverlängerung durchzuführen, mutiert nicht selten zu Verkaufsgesprächen, in denen der Kunde Verträge abschließt, die er nicht benötigt. „Da kann es sogar passieren, dass ein Mobilfunkanbieter dem Bestandskunden eine Flatrate für 25€ anbietet, obwohl dieser Nutzer im Schnitt nur für rund sieben Euro im Monat telefoniert“282. Diesen aggressiven Vertriebsinstrumenten sehen sich sowohl Neu- als auch Bestandskunden ausgesetzt, in denen Verkaufsabschlüsse vor dem Kundeninteresse
279
Vgl. Schmidt, M. (2007), S. 58 Vgl. Ebner, M. et al. (2007), S. 32; Schmidt, M. (2007), S. 57 281 Vgl. Hermes, V. (2008), S. 25 282 Hermes, V. (2008), S. 25 280
66
stehen, was letztlich negative Auswirkungen auf die eigene Marke hat.283 Im Hinblick auf die Serviceerwartungen des Kunden müssen sich Verkäufer zu Problemberatern wandeln, bei denen der Kunde die Begeisterung des Verkäufers spürt, ihm genau das verkaufen zu wollen, was er auch tatsächlich benötigt.284 Verkäufer sollten nicht zu häufig Hard-Selling praktizieren, da das Wecken zu hoher Erwartungen und unrealistischer Aussagen negative Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit haben kann und zu einer Anbieter-Untreue führt.285 4.4.4
Electronic Customer Care
Beim ECC (Electronic Customer Care) handelt es sich um eine Erweiterung des Customer Care für alle Phasen der Kundenbeziehung286 und bezeichnet: „[…] den Einsatz der Informationstechnik in die Anbieter Kundenbeziehung“287. Neue Informationstechnologien eröffnen ein Spektrum von Möglichkeiten zur Verbesserung der Kundenbeziehung, sowie Unterstützung der Kundenakquise und bindung. Eine schnelle aber auch kostengünstige Bearbeitung von Kundenanliegen sind im Optimalfall das Resultat und leisten einen wichtigen Beitrag zur Differenzierung auf der Basis von Zusatzleistungen.288 Dabei orientiert sich ECC an den gestiegenen Kundenanforderungen in Form einer 24-Stunden Betreuung, Selbstbedienung und individuellem Service.289 4.4.4.1 Informationsgesellschaft Auf Grundlage der rasanten Entwicklung des Internets entwickeln sich die Industrienationen zu einer vernetzten Informationsgesellschaft. Es basiert auf Grundlage des 1969 durch das US-Verteidigungsministerium entwickelte Arpanets, das zum Ziel hatte Universitäten und Forschungseinrichtungen zu vernetzen.290 Im Anschluss an die Kommerzialisierung stand 1987, das zu diesem Zeitpunkt größte Netzwerk weltweit, auch Privatpersonen zur Verfügung.
283
Vgl. Hermes, V. (2008), S. 26 Vgl. Jünger, A. (2008), S. 17 285 Vgl. Gerpott, T. J. (2006), S. 507 286 Vgl. Fritz, S. (2007), S. 143 287 Muther, A. (2001), S. 2 288 Vgl. Bruhn, M. (2006), S. 4 ff.; Muther, A. (2001), S. 12 289 Vgl. Muther, A. (2001), S. 51 290 Vgl. Kollmann, T. (2007), S. 22 284
67
Nach Einführung des WWW (WorldWideWeb) 1993 wurde dem Internet eine größere Aufmerksamkeit sowohl in der Wirtschaft als auch in der Gesellschaft zuteil. Das WWW gestaltete die Nutzung des Internets durch eine grafische Schnittstelle benutzerfreundlich. Bekannte Programme für das WWW sind der Microsoft Internet Explorer und der Mozilla Firefox.291 Durch die rasante Entwicklung nutzten im Dezember 2007, mit ca. 41 Mio. Menschen, 64 % der Deutschen ab 14 Jahren das Internet.292 Bei genauerer Betrachtung bietet es den Anbietern und den Nachfragern gleichermaßen Vorteile:293 •
Interaktivität – Dialog zwischen Kunden und Unternehmen
•
Multimedialität – Visualisierung von Produkten, z. B. durch Videos
•
Multifunktionalität – Nutzung als Vertriebskanal, z. B. als Online-Shop
•
Informationsübermittlung – Markttransparenz durch großen Datenzugriff
•
Grenzenlosigkeit – Inhalte theoretisch 24h von fast überall auf der Welt erreichbar
•
Schnelligkeit – Hohe Geschwindigkeit bei der Kommunikation
Neben den Vorteilen müssen allerdings auch Grenzen beachtet werden:294 •
Datenschutz – Sicherheitsbedenken, was den Schutz der Daten betrifft.
•
Schwellenängste – Vorbehalte gegenüber neuen Technologien.
•
Markttransparenz – Schneller Vergleich von Angeboten und Preisen.
•
Machtverschiebung – Aufgrund der Ubiquität von Informationen im Netz, steigt der Informationsstand der Kunden und stärkt die Nachfragerseite.
Die Gefahr durch Markttransparenz wird forciert durch Preisagenturen und virtuelle Agenten, in denen Produkte, Preise und Kundenerfahrungen verglichen werden. Insgesamt informieren sich 97,8% aller Internetnutzer über Preise und Produkte, was großen Einfluss auf ihre Kaufentscheidung hat (Abb. 35).295
291
Vgl. Rapp. R, Giehler, M (1999), S. 278 Vgl. o.V. (2008), S. 83 293 Vgl. Rapp. R, Giehler, M (1999), S. 279; Krause, J. (2000), S. 339 294 Vgl. Chaffey, D. et al. (2001), S. 476f.; Conrady, R. et al. (2002), S. 63, 76 295 Vgl. o.V. (2008a), S. 83 292
68
43,5% Verzicht auf Kauf bei Negativbewertung 42,7% Überdenken der Entscheidung 28,5%
Kauf bei positiver Bewertung 0,0%
5,0%
10,0% 15,0% 20,0% 25,0% 30,0% 35,0% 40,0% 45,0%
In Anlehnung an Strauss, B., Seidel, W. (2007), S. 608 Abbildung 35: Einfluss von Kundenbewertungen
4.4.4.2 Customer Selfservice Selfservice zählt zum ECC und umfasst den elektronischen Kundenservice mit dem Ziel einer Vermeidung kostenintensiver Kontakte.296 Der Begriff Customer Selfservice setzt sich aus den englischen Begriffen für Kunden und Selbstbedienung zusammen und bedeutet: „der Kunde kümmert sich selbst“. Leistungsnehmer werden hier stärker in die Leistung einbezogen, als es bei klassischen Kundenkontakten der Fall ist. Daraus resultieren Einsparungspotenziale bei der Bearbeitung von Kundenanliegen durch günstige Internetservices, die unter Beibehaltung einer hohen Qualität in allen Phasen des Customer-BuyingCylces (Abb. 36) Routineservices abbilden.297 After Sales
Anregung
CBM Kauf
Evaluation
In Anlehnung an Buser, T. et al. (2003), S. 43 Abbildung 36: Darstellung des Customer-Buying-Cyles
In der Anregungsphase kann das Unternehmen die eigenen Produkte im „elektronischen Schaufenster“, also der eigenen Homepage, darstellen. Dies hat zum Ziel, Bedürfnisse des Kunden zu wecken und die Kaufwahrscheinlichkeit zu erhöhen. 296 297
Vgl. Fritz, S. (2007), S. 143 Vgl. ebd., S. 14; Buser, T. et al. (2003), S. 43
69
Bereits hier werden die ersten Informationen über den Kunden, basierend auf seinem Nutzungsverhalten auf der Homepage, gesammelt. Diese fließen in sein Profil ein und geben Aufschluss über seine Betreuung.298 In der zweiten Phase, der Evaluation, konkretisiert der Kunde seine Bedürfnisse und holt Angebote ein. Unterstützt durch ECC kann er sich online Produktinformationen beschaffen und seine Leistung individuell zusammenstellen.299 Die Kaufphase kann komplett in elektronischer Form abgewickelt werden. Neben der Bezahlung kann sich der Kunde online über den Stand der Bestellung informieren. Entscheidend in dieser Phase ist es, wie komfortabel der Bestell- und Zahlungsvorgang abläuft, da dies die ersten Erfahrungen mit dem Anbieter sind.300 In der letzten Phase wird dem Kunden über eine Serviceplattform ein After-SalesService geboten, der Service vom Nutzungsbeginn bis zum -ende umfasst. Besonders hier bieten sich Einsparpotenziale und Chancen zur Differenzierung.301 4.4.4.3 Nutzung und Trends von Selfservice Laut einer Studie betrachten 85 % der Unternehmen Selfservice als eine geeignete Maßnahme zur Kundenbindung und gar 88 % zur Steigerung der Zufriedenheit.302 Diese Zahlen zeigen den aktuellen und auch zukünftigen Stellenwert, was sich im Hinblick auf die Serviceanforderungen auch nicht vermeiden lässt.303 Aktuell lassen sich im Mobilfunk einige Selfservices finden. Dazu zählen:304 •
Online Shop – Abschluss von Verträgen und Vertragsverlängerungen
•
Stammdatenänderung – Änderung von Bankdaten, Adressen etc.
•
Tarifänderungen – Anpassung des eigenen Tarifes
•
Onlinerechnung – Rechnung ohne Papier online einsehen
•
Suchfunktion – Durchsuchen der Datenbank durch Eingabe eines Begriffs
•
FAQs – Die wichtigsten Fragen und Antworten in der Übersicht
Trends zeigen eine Entwicklung in Richtung erhöhtem Informationsgehalt und einer vereinfachten Suche mit dem Ziel, Kunden besser und leichter zu informieren:305 298
Vgl. Fritz, S. (2007), S. 60 Vgl. Muther, A. (2001), S. 68 300 Vgl. Fritz, S. (2007), S. 61 301 Vgl. Muther, A. (2001), S. 68; Fritz, S. (2007), S. 61 302 Vgl. Aschoff, M.(2007), S. 6 f. 303 Vgl. Fritz, S. (2007), S. 82 304 Vgl. Bamberger, R., König, A. (2003), S. 264; Fritz (2007), S.147 ff. 299
70
•
Verbesserte Suchfunktion – Eingabe ganzer Fragen
•
Avatar – Virtueller Assistent
•
Wissens Blogs – Mitarbeiter können Wissen intern speichern, somit aktuelle Probleme und evtl. Lösungen, sofort zur Verfügung stellen
•
Service Blogs – Durch Kundeninitiierung werden Blogs geöffnet und es entsteht ein Dialog mit Mitarbeitern
Spezielles Augenmerk gilt dabei den Service Blogs, die sowohl Mitarbeitern als auch Kunden Vorteile bieten. Kunden erhalten aus erster Hand Informationen, während die Mitarbeiter vom Kunden direkt Probleme erfahren. Diese Blogs sind speziell im Call Center Bereich eine große Hilfe, da aktuelle Probleme und gleichzeitig Lösungen allen Agenten zeitnah zur Verfügung gestellt werden können.306 Der Avatar verfolgt das Ziel durch die Verkörperung eines virtuellen Assistenten die nüchterne Gestaltung der Homepage mit Persönlichkeit zu versehen. In Form einer dreidimensionalen Figur können per Tastatur Fragen gestellt werden, die im Rahmen einer Suchfunktion die Datenbank nach Antworten durchsucht.307 Im Bezug auf Call Center lässt sich eine Verzahnung mit Selfservice, ausgelöst durch die Tatsache, dass beide Bereiche oft von unterschiedlichen Stellen geleitet werden, erkennen. Dies zeigt sich besonders sinnvoll unter dem Aspekt, dass die Kanäle zwar unterschiedlich, die Anfragen aber ähnlich sind, was zu verbesserter Synchronisierung der Informationen unter den Kontaktpunkten führt.308 4.4.4.4 Chancen und Nutzen von Selfservice Bei konsequenter Anwendung führt Selfservice zu einer Win-Win-Situation für Anbieter und Nachfrager. Dabei ist der Nutzen auf Seiten des Anbieters:309
305
•
Kostensenkung durch gesunkene Betreuungskosten
•
Verringerter Personalaufwand durch Auslagerung von Routinetätigkeiten
•
Erlangen zusätzlicher Kundeninfos
Vgl. Fritz, S. (2007), S. 119; Vgl. Moss, C. (2008), S. 30 Vgl. Strauss, B., Seidel, W. (2007), S. 613 f. 307 Vgl. Fritz, S. (2007), S. 119 308 Vgl. Aschoff, M. (2007), S. 9 309 Vgl. Muther, A. (2001), S. 81 306
71
Nutzen auf Seiten des Nachfragers:310 •
Erhöhte Transparenz der Leistungen durch Internetauftritt
•
Schnellere Reaktionszeiten durch kürzere Wege im Internet
•
Mögliche Preissenkungen durch eingesparte Betreuungskosten
Die Hauptziele des Selfservice im Rahmen von ECC sind die Differenzierung durch innovative Zusatzleistungen und Kosteneinsparungen.311 Dabei sind die verringerten Betreuungskosten auf die Einsparung teuerer telefonischer oder persönlicher Kontakte zurückzuführen. Während ein Anruf durschnittlich 6 € pro Anfrage kostet, können Internetanfragen mit gerade mal 0,10 € realisiert werden. Dies macht besonders unter dem Aspekt Sinn, dass 80 % aller Anfragen Standardanfragen sind und mit 20 % der Lösungen bearbeitet werden können, die sich im Internet abbilden lassen.312 Aktuelle Studien besagen, dass 23 % aller Call Center Anrufe in den nächsten zwei Jahren auf Selfservice umgeleitet werden können.313 Kosten pro Anfrage
Zufriedenheit in Noten
15,00 €
1,5
Brief
8,00 €
2,4
Telefonische Betreuung
6,00 €
1,9
Telefax
6,00 €
2,6
E-Mail
5,00 €
2,1
SMS
1,00 €
3,1
Internet
0,10 €
2,5
Persönliche Kundengespräche
In Anlehnung an Samuelsen, P. (2008), S. 18 Tabelle 4: Kosten pro Anfrage und Zufriedenheit mit den Kontaktkanälen
Des Weiteren hat die Verlagerung der Routineaufgaben neben Kosteneinsparungen durch verringerte Anrufe, auch eine erhöhte Attraktivität der Aufgaben im Call Center zu Folge. Der daraus resultierende relative Anstieg anspruchsvoller Anfragen kann zur Erhöhung der Mitarbeitermotivation führen.314 Bei der Betrachtung des Marketings zeigen sich Vorteile in Form des transparenten Nutzungsverhalten, welches durch die Erfassung registrierter Nutzer auf der Home310
Vgl. Muther, A. (2001), S. 81 Vgl. ebd., S. 98; Fritz, S. (2007), S. 102 312 Vgl. Samuelsen, P. (2008), S. 18; Fritz, S. (2007), S. 80 313 Vgl. Fritz, S. (2007), S. 81 314 Vgl. ebd., S. 15 311
72
page entsteht und somit in der Analyse seines dortigen Verhaltens resultiert.315 Aus Kundensicht ergeben sich indirekte Vorteile durch die Nutzung von Selfservice, da dessen vermehrte Nutzung zu einer Verringerung des Anrufvolumens in den Call Centern führt und somit die dortige Wartezeit senkt. Der 24h Service am Tag, 7 Tage in der Woche, minimiert dabei die Abhängigkeit von Servicezeiten.316 4.4.4.5 Gefahr und Grenzen von Selfservice Die Problematik von Selfservice, liegt im fehlenden persönlichen Kundenkontakt. Dadurch fehlt es zum Einen an dem Erfahrungswissen echter Mitarbeiter, die individuell und flexibel auf Kundenbedürfnisse eingehen, was die Dialogfähigkeit zwischen Kunde und Mitarbeiter senkt.317 Zum Andern entsteht die Gefahr das Gefühl auszulösen, Mitarbeiter einsparen zu wollen und somit keinen persönlichen Kundenkontakt zu wünschen. Das führt zu fehlender Wertschätzung, was die Kundenzufriedenheit senkt und sich in der, im Vergleich zu anderen Kanälen, eher schlechten Bewertung äußert (Abb. 37).318 Die Grundlage für die Selfservice Nutzung bildet die notwendige Internetkompetenz auf Kundenseite, welche ihn in die Lage versetzt, die Services zu bedienen. Weitere Faktoren sind Akzeptanz des Internets und Vertrauen in den Datenschutz.319 4.4.4.6 Kundenanforderungen an Selfservice Das Ziel, die dauerhafte Nutzung von Selfservice stellt aktuell die größte Herausforderung dar. Noch zu häufig empfinden Kunden die Online-Nutzung als kompliziert und wählen die Kanäle des Call Centers oder der E-Mail. Die zentrale Rolle spielt dabei die Useability, also die Möglichkeit der einfachen Nutzung.320 Dies beginnt bereits in der Vor-Kauf-Phase. Erscheint die Firmenhomepage dem Kunden beim ersten Besuch nicht ansprechend gestaltet und die Bedienung nicht intuitiv, kann es dazu führen, dass der Kunde nicht mehr wiederkehrt und im schlimmsten Fall bei einem anderen Anbieter landet. Folglich muss gewährleistet sein, dass Be-
315
Vgl. Fritz, S. (2007), S. 134 Vgl. Swartz, T. A.(2000), S. 104 317 Vgl. Fritz, S. (2007), S. 138 318 Vgl. Samuelsen, P. (2008), S. 18 319 Vgl. Fritz, S. (2007), S. 23 320 Vgl. Hildebrand, V. (2000), S. 111; Aschoff, M. (2007), S. 10 316
73
sucher der Homepage schnellstmöglich genau die Informationen finden, die benötigt werden, bei einer ansprechenden Gestaltung.321 Das dies aktuell noch nicht optimal verläuft, zeigt eine Studie von Forrester Research. Danach erfolgen 80% der Erstkontakte auf digitalem Wege, meist durch den Besuch auf der Unternehmenshomepage. Mit Beginn der Sales-Phase nutzen nur noch 20 % Selfservice für den Kauf oder die Abwicklung. Das zeigt gleichermaßen erhöhten Handlungsbedarf, aber auch Potenziale auf.322 Die größte Bedeutung kommt dem Selfservice im After-Sales-Bereich zu. Die Schwierigkeit zeigt sich in den hohen Anforderungen an die Problemlösung, da die Inanspruchnahme des After-Sales-Service meist ausgelöst durch Fragen zum Produkt oder einer Dienstleistung wird. Kann der Selfservice diesem Anspruch nicht gerecht werden, so wird der Kunde den persönlichen oder telefonischen Kontakt suchen. Zusammengefasst ergeben sich folgende Hauptanforderungen:323
4.5
•
Benutzerfreundlichkeit und intuitive Bedienbarkeit
•
Ansprechendes Design
•
Kundenorientierte Aufbereitung Zusammenfassung
Im Rahmen der Darbietung einer positiven Serviceerfahrung für den Kunden ist es notwendig, sowohl die strategischen Instrumente, als auch die operativen zu perfektionieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verständnis zur Erbringung von Service über alle Stellen hinweg verankert sein muss. Besonders dem Mitarbeiter kommt hier eine besondere Rolle zu, da er mit Unterstützung kundenorientierter Prozesse derjenige mit der größten Auswirkung auf die Servicewahrnehmung ist. Der in allen Bereichen herrschende Verkaufsdruck, Kosteneinsparungen und die Fokussierung quantitativer Ziele dürfen nicht negative Auswirkung auf die Servicebereitschaft der Mitarbeiter haben. Im Hinblick auf sinkende Budgets in vielen Customer Care Bereichen, zeigt sich die Notwendigkeit des Umdenkens.
321
Vgl. Fritz, S. (2007), S. 124 Vgl. Viljakainen, Pekka (2007), S. 22 323 Vgl. Fritz, S. (2007), S. 124 f. 322
74
5
Schlussbetrachtung
Die zunehmende Wettbewerbsintensität auf dem Mobilfunkmarkt wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Der daraus resultierende Preiswettbewerb wird sich allerdings aufgrund des beginnenden Endes des Preisverfalles, nicht mehr lange führen lassen. Somit ist es erforderlich, sowohl einen Wandel von der Preis- hin zur Serviceorientierung vorzunehmen, als auch die kundenorientierte Philosophie strikt zu verfolgen. Nur diese bilden eine Möglichkeit zur Wettbewerbsdifferenzierung. Das zeigt sich besonders bei Betrachtung der weiter steigenden Kundenerwartungen, für die das Erreichen von „nur“ Zufriedenheit, nicht mehr ausreicht. Da die Erhöhung von Serviceleistungen zu erhöhten Kosten führt, muss eine Abkehr von der teuren offensiven Akquisitionsstrategie, hin zur defensiven Bestandskundenstrategie erfolgen. Denn nur mithilfe einer Erhöhung der Serviceinvestition kann Begeisterung und Loyalität der eigenen Kunden erzeugt werden. Mobilfunkanbieter, die ihre Marktstrategie durch eine Orientierung auf die eigenen Kunden anpassen, sparen nicht nur Akquisitionskosten, sondern wachsen darüber hinaus auch. Grund ist die Tatsache, dass die aus dem verbesserten Service entstehenden loyalen Kunden, nicht nur eine sichere Basis für weitere Umsätze bilden, sondern darüber hinaus ihren Anbieter weiterempfehlen. Die Empfehlungen bieten die Grundlage für ein erfolgreiches Verhalten in gesättigten Märkten. In diesem Zusammenhang muss der NPS in das Zentrum des unternehmerischen Handelns rücken, denn nur dieser kann die Loyalität der eigenen Kunden messen. Trotz der Ankündigung mehrerer Mobilfunkanbieter eine kundenorientierte Strategie zu verfolgen stellt sich die Frage, inwieweit diese umgesetzt wird und nicht nur ein Versprechen bleibt. Dabei gilt es die eigenen Mitarbeiter von der Kundenphilosophie zu überzeugen und diese in die Unternehmensziele zu integrieren. Der Fokus darf nicht mehr auf „harten“ KPI´s wie Umsatzzahlen liegen, damit die Betreuung von Bestandskunden nicht weiter dem Verkaufsdruck zum Opfer fällt. Denn diese bilden die Basis für eine erfolgreiche Zukunft ohne einen ruinösen Preiswettbewerb.
75
Anhang
Quelle: http://www.yellostrom.de/ (01.07.08, 22:01) Abbildung 37: Beispiel eines Avatars
Quelle: https://www.vodafone.de/proxy42/portal/navigation.po?path=0.0.2.0.0&open =true&layout=popup (02.07.08, 19:11) Abbildung 38: Vodafone Homepage, Adressänderung online
76
Quelle: http://www.t-mobile.de/hilfeundfaq/0,8383,12008-_,00.html (01.07.08, 22:01) Abbildung 39: FAQ`s auf der T-Mobile Homepage
Quelle: http://www.gprs-tarife-blog.de/2007/04/03/neue-internet-datentarife-von-o2/ (01.07.08, 21:59) Abbildung 40: Beispielblog
77
Quelle: http://www.billiger.de/suche.html?searchstring=nokia+n83&search=1&stat=1&im plicit=1 (01.07.08, 21:55) Abbildung 41: Handyvergleich im Preisportal billiger.de
78
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