Sebastian M. Durst Strategische Lieferantenentwicklung
GABLER RESEARCH Schriften zum europäischen Management Herausge...
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Sebastian M. Durst Strategische Lieferantenentwicklung
GABLER RESEARCH Schriften zum europäischen Management Herausgegeben von Roland Berger Strategy Consultants – Academic Network
Herausgeberrat: Prof. Dr. Thomas Bieger, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Rolf Caspers (†), European Business School, Oestrich-Winkel; Prof. Dr. Guido Eilenberger, Universität Rostock; Prof. Dr. Dr. Werner Gocht (†), RWTH Aachen; Prof. Dr. Karl-Werner Hansmann, Universität Hamburg; Prof. Dr. Alfred Kötzle, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder; Prof. Dr. Kurt Reding, Universität Kassel; Prof. Dr. Dr. Karl-Ulrich Rudolph, Universität Witten-Herdecke; Prof. Dr. Klaus Spremann, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß, Technische Universität Berlin; Prof. Dr. Burkhard Schwenker, Roland Berger Strategy Consultants
Die Reihe wendet sich an Studenten sowie Praktiker und leistet wissenschaftliche Beiträge zur ökonomischen Forschung im europäischen Kontext.
Sebastian M. Durst
Strategische Lieferantenentwicklung Rahmenbedingungen, Optionen und Auswirkungen auf Abnehmer und Lieferant Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Eric Sucky
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2010
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Sabine Schöller Gabler Verlag st eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2767-5
V
Geleitwort Die Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen und die damit einhergehende Reduzierung der Fertigungstiefe führen dazu, dass in vielen Branchen der Anteil der Wertschöpfung, welcher auf die Lieferanten entfällt, einer Größenordnung von 50% oder mehr entspricht. Herausragend ist die Automobilindustrie: So beträgt der Wertschöpfungsanteil der Zulieferer bezogen auf die gesamte Wertschöpfung eines Fahrzeuges im Schnitt 78%. Lieferanten leisten somit einen entscheidenden Beitrag zu wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen, zur Innovationsfähigkeit und der Leistung im operativen Tagesgeschäft (Lieferzeit und Lieferzuverlässigkeit, Produktqualität etc.) eines Unternehmens. Der Prozess von der Identifikation potenzieller Lieferanten, über die Lieferantenanalyse, -bewertung und -auswahl, bis hin zur Kontrolle und Steuerung der Lieferanten-AbnehmerBeziehung obliegt dem Lieferantenmanagement. Die Aufgabe des Lieferantenmanagements besteht somit in der Gestaltung aller Lieferantenbeziehungen des Unternehmens mit dem Ziel, durch eine verbesserte Zusammenarbeit mit Lieferanten Produkte besser, schneller und zu niedrigeren Kosten zu entwickeln, herzustellen und zu beschaffen. Lieferantenmanagement umfasst damit die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der Lieferantenbasis und der Lieferantenbeziehungen eines Unternehmens. Drei wesentliche Aktivitäten des Lieferantenmanagements lassen sich unterscheiden: 1. Management der Lieferantenbasis, 2. Lieferantenentwicklung und 3. Lieferantenintegration. Herr Sebastian M. Durst fokussiert auf die Lieferantenentwicklung, d. h. auf die Aktivitäten, die über die routinemäßige Zusammenarbeit mit Lieferanten hinausgehen, mit dem Ziel, das Kosten- und Leistungsniveau von Lieferanten zu verbessern. Die Lieferantenentwicklung als ein wesentlicher Baustein eines systematischen Lieferantenmanagements gewinnt in der unternehmerischen Praxis zunehmend an Bedeutung. Aber auch das wissenschaftliche Interesse an Lieferantenentwicklung hat in den vergangenen 20 Jahren sukzessive zugenommen. So ist die Anzahl der jährlich erschienenen, empirischen Arbeiten zur Lieferantenentwicklung seit Ende der 1980er Jahre kontinuierlich gestiegen. Herr Durst verfolgt im Rahmen seiner Arbeit mehrere sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus praktischer Perspektive relevante Forschungsfragen: Als Basis seiner Analyse untersucht Herr Durst zunächst, welche Rahmenbedingungen für strategische Lieferantenentwicklung besonders relevant sind. Darauf aufbauend erfolgt eine empirische Fundierung der Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, Optionen der strategischen Lieferantenentwicklung sowie deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers. Des Weiteren werden aus der Sicht der Lieferanten die Auswirkungen strategischer Lieferantenentwicklung beurteilt. Schließlich leitet Herr Durst konkrete Handlungsempfehlungen aus seinen ermittelten Ergebnissen ab, d. h. es wird der Frage nachgegangen, welche Optionen strategischer Lie-
VI ferantenentwicklung unter bestimmten Rahmenbedingungen in Abhängigkeit bestimmter Ziele durch ein Unternehmen genutzt werden sollen. Die vorliegende Arbeit von Herrn Durst greift einen äußerst praxisrelevanten und theoretisch bedeutsamen Bereich des Lieferantenmanagements heraus: die strategische Lieferantenentwicklung. Herrn Durst gelingt eine eindrucksvolle, theoretisch und empirisch fundierte Analyse und Ermittlung der Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, Optionen der strategischen Lieferantenentwicklung sowie deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers. Die vorliegende Arbeit spiegelt dabei eindrucksvoll die hervorragende Fachund Methodenkompetenz von Herrn Durst wider. Insgesamt leistet die Arbeit von Herrn Durst einen bedeutsamen und nachhaltigen Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt. Darüber hinaus weist sie einen hohen Anwendungsbezug für die betriebswirtschaftliche Praxis auf.
Eric Sucky
VII
Vorwort Die vorliegende Dissertationsschrift ist während meiner Zeit als externer Doktorand am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktion und Logistik, der Otto-FriedrichUniversität Bamberg entstanden. Ich durfte sie in einem fördernden und stimulierenden Umfeld schreiben. Den zahlreichen Menschen, die durch ihre Unterstützung zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben, möchte ich an dieser Stelle danken. Mein besonderer und tiefempfundener Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Eric Sucky für die in jeder Hinsicht exzellente Betreuung. Es war genau die richtige Mischung aus dem Setzen von Leitplanken zur Orientierung, prompter und konstruktiver Kritik sowie immer auch motivierenden Worten. Ganz herzlich danke ich Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß für die Übernahme des Zweitgutachtens und seine fundierte Bewertung meiner Arbeit. Meinem Arbeitgeber Roland Berger Strategy Consultants und vor allem dem Management Team des Competence Centers Operations Strategy danke ich für die ideelle und finanzielle Unterstützung im Rahmen des Roland Berger Promotionsprogramms. Mein besonderer Dank gilt meinem Mentor Thomas Rinn für die "massive" Unterstützung vor, während und nach der Promotion. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Dr. Christian Krys, der das Roland Berger Promotionsprogramm so phantastisch mit Leben füllt. Mein Dank gilt auch den zahlreichen Freunden, Bekannten und Kollegen, die meine Promotion durch Anregungen, Hinweise, Feedback oder Kontakte zu Interviewpartnern unterstützt haben. Stellvertretend hervorheben möchte ich Dr. Michael Zollenkop und Dr. Robert Gietl. Mein Dank gilt zudem den 20 Interviewpartnern, die mir im Rahmen von persönlichen Interviews zur Verfügung standen sowie den 238 Teilnehmern der Telefonumfrage. Meiner Freundin danke ich für ihr liebevolles Verständnis und ihre Bereitschaft, auf viel gemeinsame Zeit zu verzichten, für die Entlastung bei unzähligen anderen Aufgaben und dafür, dass sie immer für mich, meine Ideen und Sorgen da war. Meinen Eltern ist diese Dissertationsschrift gewidmet. Für manche Dinge sind Worte nicht genug.
Sebastian M. Durst
IX
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... XIII Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ XV Fallbeispielverzeichnis .................................................................................................... XVII Abkürzungsverzeichnis...................................................................................................... XIX 1 Einführung ........................................................................................................................... 1 1.1
Relevanz von Lieferantenentwicklung und Forschungslücken ................................... 2
1.2
Ziele der Arbeit und Forschungsfragen ....................................................................... 5
1.3
Aufbau der Arbeit ........................................................................................................ 7
2 Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis ....................................................... 9 2.1
Einordnung, Definition und Perspektiven ................................................................. 10
2.1.1
Lieferantenentwicklung als Teil des Lieferantenmanagements ......................... 10
2.1.2
Terminus und Perspektiven der Lieferantenentwicklung ................................... 17
2.1.3
Methodik und Grundlagen des Literaturreviews ................................................ 20
2.2
Stand der empirischen Forschung .............................................................................. 25
2.2.1
Aktivitäten, Verbreitung und Erfolgswirkungen von Lieferantenentwicklung .. 25
2.2.2
Erfolgsfaktoren, Rahmenbedingungen und Ergebnisverteilung......................... 36
2.2.3
Theoretische Fundierung und eingesetzte Methoden ......................................... 41
2.3
Lücken in der empirischen Forschung und Beitrag dieser Arbeit ............................. 44
2.4
Zwischenfazit ............................................................................................................. 46
3 Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung ... 47 3.1
Methodische Vorbemerkungen und Theorienwahl.................................................... 48
3.1.1
Forschungsdesign ............................................................................................... 48
3.1.2
Auswahl geeigneter wissenschaftlicher Theorien .............................................. 49
3.2
Transaktionskostentheorie ......................................................................................... 53
3.2.1
Zentrale Begrifflichkeiten und Leitgedanke ....................................................... 53
3.2.2
Kritische Würdigung im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung ..... 56
3.2.3
Interpretation im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung ................. 58
3.3
Ressourcenbasierter Ansatz ....................................................................................... 62
3.3.1
Zentrale Begrifflichkeiten und Leitgedanke ....................................................... 62
3.3.2
Kritische Würdigung im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung ..... 67
3.3.3
Interpretation im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung ................. 69
X 3.4
Zwischenfazit ............................................................................................................. 72
4 Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung........................ 73 4.1
Wahl des Analyseverfahrens ..................................................................................... 74
4.1.1
Wahl eines geeigneten multivariaten Analyseverfahrens ................................... 74
4.1.2
Wahl eines geeigneten Ansatzes zur Strukturgleichungsmodellierung .............. 77
4.2
Entwicklung des Strukturmodells .............................................................................. 83
4.2.1
Vorgehen ............................................................................................................ 83
4.2.2
Konzeptualisierung der Konstrukte .................................................................... 85
4.2.3
Ableitung und Begründung der Hypothesen ...................................................... 97
4.3
Entwicklung der Messmodelle ................................................................................ 107
4.3.1
Reflektive versus formative Operationalisierung ............................................. 107
4.3.2
Operationalisierung der Konstrukte ................................................................. 111
4.3.3
Skalierung der Konstrukte ................................................................................ 118
4.4
Zwischenfazit ........................................................................................................... 122
5 Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung ........... 123 5.1
Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage ...................................................... 124
5.1.1
Datenerhebung, Antwortrate und Fallzahl ....................................................... 124
5.1.2
Charakteristika der Unternehmen, Ansprechpartner und Dyaden .................... 131
5.1.3
Prüfung auf mögliche Verzerrungen ................................................................ 138
5.2
Gütebeurteilung der Messmodelle ........................................................................... 143
5.2.1
Parametereinstellungen in SmartPLS ............................................................... 143
5.2.2
Reflektive Messmodelle ................................................................................... 146
5.2.3
Formative Messmodelle ................................................................................... 155
5.3
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen .................................. 161
5.3.1
Wirkungszusammenhänge im Strukturmodell ................................................. 161
5.3.2
Modifikationen des Strukturmodells ................................................................ 169
5.3.3
Auswertung der Dyaden ................................................................................... 174
5.4
Zwischenfazit ........................................................................................................... 179
6 Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen ........... 181 6.1
Beschreibung und erste Analyse der Studienergebnisse.......................................... 182
6.2
Modellinterpretation: Einfluss der Rahmenbedingungen ........................................ 188
6.2.1
Einfluss der Rahmenbedingungen auf Option I ............................................... 188
6.2.2
Einfluss der Rahmenbedingungen auf Option II .............................................. 190
XI 6.2.3 6.3
Einfluss der Rahmenbedingungen auf Option III ............................................. 195
Modellinterpretation: Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung ......... 196
6.3.1
Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers......................... 196
6.3.2
Indirekte Effekte auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers ..................... 201
6.3.3
Auswirkungen auf den Lieferanten .................................................................. 202
6.4
Handlungsempfehlungen für Unternehmen ............................................................. 206
7 Beitrag dieser Arbeit und Ausblick................................................................................ 213 7.1
Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung .............................................................. 214
7.2
Beitrag zur unternehmerischen Praxis ..................................................................... 216
7.3
Limitationen dieser Arbeit und Vorschläge für die weitere Forschung ................... 217
Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 221 Anhang I: Messmodelle........................................................................................................ 243 Anhang II: Fragebogen ........................................................................................................ 253
XIII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Aufbau der Arbeit ................................................................................................ 7 Abbildung 2: Konzept integriertes Lieferantenmanagement ................................................... 12 Abbildung 3: Prozessschritte des Lieferantenmanagements .................................................... 14 Abbildung 4: Umfragebasierte Publikationen nach Publikationsdatum .................................. 22 Abbildung 5: Bezugsrahmen für das Literaturreview .............................................................. 24 Abbildung 6: Illustratives Pfaddiagramm eines Strukturgleichungsmodells ........................... 75 Abbildung 7: Illustrierung von Mediation und Moderation ..................................................... 80 Abbildung 8: Vorgehen zur Entwicklung des Strukturmodells ............................................... 83 Abbildung 9: Konstrukte des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung................... 85 Abbildung 10: Visualisierung des Hypothesengerüsts ............................................................. 97 Abbildung 11: Messmodelle reflektiver und formative Konstrukte....................................... 108 Abbildung 12: Vorgehen zur Operationalisierung der Messmodelle ..................................... 112 Abbildung 13: Grundgesamtheit, Antwortrate und Fallzahl Abnehmerinterviews ................ 128 Abbildung 14: Grundgesamtheit, Antwortrate und Fallzahl Lieferanteninterviews .............. 130 Abbildung 15: Im Rahmen von Vor-Ort-Experteninterviews befragte Unternehmen ........... 131 Abbildung 16: Länder-, Branchen- und Umsatzverteilung der Abnehmerunternehmen ....... 132 Abbildung 17: Umsatzverteilung der Abnehmerunternehmen nach Branchen ...................... 132 Abbildung 18: Funktion und Erfahrung der Interviewpartner, Abnehmerinterviews ............ 133 Abbildung 19: Zulieferbranche und Umsatzverteilung der Lieferantenunternehmen............ 134 Abbildung 20: Funktion und Erfahrung der Interviewpartner, Lieferanteninterviews .......... 135 Abbildung 21: Wichtigkeit und Erreichung der Ziele der Lieferantenentwicklung ............... 136 Abbildung 22: Dauer der Beziehung und jährliches Einkaufsvolumen ................................. 137 Abbildung 23: Pfadmodell inklusive Ausmaß und Signifikanz der Pfadkoeffizienten.......... 165 Abbildung 24: Modellmodifikation I – Pfadmodell ............................................................... 170 Abbildung 25: Modellmodifikation II – Pfadmodell.............................................................. 173 Abbildung 26: Selbst- und Fremdwahrnehmung in Bezug auf Methodenkompetenz ........... 184 Abbildung 27: Verbreitung strategischer Lieferantenentwicklung ........................................ 186 Abbildung 28: Wirkungszusammenhänge des Strukturmodells, Fokus Option I .................. 188 Abbildung 29: Wirkungszusammenhänge des Strukturmodells, Fokus Option II ................. 191 Abbildung 30: Existenz und Dimensionierung von Lieferantenentwicklungsabteilungen .... 194 Abbildung 31: Wirkungszusammenhänge des Strukturmodells, Fokus Option III................ 195
XIV Abbildung 32: Relevanz von Zielen im Rahmen strategischer Lieferantenentwicklung ....... 197 Abbildung 33: Wirkungszusammenhänge des Strukturmodells, Fokus Erfolgswirkungen ... 198 Abbildung 34: Visualisierung indirekter Effekte im Strukturmodell ..................................... 201 Abbildung 35: Aufteilung von Aufwand und Ergebnissen .................................................... 203 Abbildung 36: Zufriedenheit der Lieferanten mit der Entwicklung durch den Abnehmer .... 205 Abbildung 37: Vorgehen und Leitfragen ............................................................................... 209
XV
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Ausgewertete umfragebasierte Publikationen zur Lieferantenentwicklung ............ 23 Tabelle 2: Operationalisierung des Terminus Lieferantenentwicklung in Fragebögen ........... 26 Tabelle 3: Befunde zur Segmentierung von Lieferantenentwicklungsaktivitäten.................... 27 Tabelle 4: Befunde zu Zusammenhängen zwischen Lieferantenentwicklungsaktivitäten ....... 28 Tabelle 5: Befunde zur Verbreitung von Lieferantenentwicklung in der Praxis ...................... 30 Tabelle 6: Befunde zur Auswirkung von Lieferantenentwicklung auf den Lieferanten .......... 33 Tabelle 7: Befunde zur Auswirkung von Lieferantenentwicklung auf den Abnehmer ............ 35 Tabelle 8: Befunde zu Erfolgsfaktoren und Hindernissen für Lieferantenentwicklung ........... 38 Tabelle 9: Befunde zur Verteilung der Ergebnisse zwischen Abnehmer und Lieferant .......... 38 Tabelle 10: Befunde zu Rahmenbedingungen für Lieferantenentwicklung ............................. 40 Tabelle 11: Grundlegende Forschungsdesigns mit Beispielen ................................................. 48 Tabelle 12: Scoring-Modell zur Auswahl geeigneter Theorien ............................................... 51 Tabelle 13: Entscheidungshilfe zur Wahl des Prinzips der Parameterschätzung ..................... 78 Tabelle 14: Zusammenfassung der Eignung der beiden Strukturgleichungsverfahren ............ 82 Tabelle 15: Konzeptualisierung der Konstrukte ....................................................................... 97 Tabelle 16: Inhaltliche Begründung der Form der Operationalisierung ................................ 115 Tabelle 17: Anpassungen der Konstrukte auf Basis der Workshops/Experteninterviews ..... 116 Tabelle 18: Ergebnisse des Pre-Tests auf Basis der E-Mailumfrage ..................................... 117 Tabelle 19: Skalenniveau und wesentliche Merkmale ........................................................... 119 Tabelle 20: Gewählte Einstellungen in SmartPLS ................................................................. 144 Tabelle 21: Gütearten und Methoden/Kriterien für reflektive Messmodelle ......................... 147 Tabelle 22: Exploratorische Faktorenanalyse für die reflektiven Messmodelle .................... 150 Tabelle 23: Faktorladungen und t-Werte der Indikatoren der reflektiven Messmodelle ....... 151 Tabelle 24: Gütekriterien auf Konstruktebene für die reflektiven Messmodelle ................... 153 Tabelle 25: Gütearten und Methoden/Kriterien für formative Messmodelle ......................... 156 Tabelle 26: Gütekriterien der Indikatoren der formativen Messmodelle ............................... 157 Tabelle 27: Multikollinearität auf Basis VIF für Indikatoren der formativen Messmodelle.. 159 Tabelle 28: Größte Konstruktkorrelationen der drei formativen Messmodelle ..................... 160 Tabelle 29: Gütearten und Methoden zur Beurteilung des Strukturmodells .......................... 162 Tabelle 30: Pfadkoeffizienten, Signifikanz und Effektgrößen des Strukturmodells ............. 164 Tabelle 31: Indirekte Effekte im Strukturmodell ................................................................... 166
XVI Tabelle 32: Gütekriterien für die exogenen latenten Variablen ............................................. 167 Tabelle 33: Modellmodifikation I – Gütekriterien für die endogenen latenten Variablen ..... 171 Tabelle 34: Modellmodifikation II – Gütekriterien für die endogenen latenten Variablen.... 174 Tabelle 35: Wilcoxon-Test für 40 Indikatorfragen ................................................................ 177 Tabelle 36: Durchschnittswerte auf Konstruktebene (Rahmenbedingungen) ........................ 183 Tabelle 37: Durchschnittswerte auf Konstruktebene (Optionen) ........................................... 185 Tabelle 38: Durchschnittswerte auf Konstruktebene (Auswirkungen) .................................. 187 Tabelle 39: Messmodell "Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten" .......................... 243 Tabelle 40: Messmodell "Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer" ............................ 244 Tabelle 41: Messmodelle "Methodenkompetenz des Abnehmers bzw. des Lieferanten"...... 245 Tabelle 42: Messmodell "Ressourcenausstattung des Abnehmers" ....................................... 246 Tabelle 43: Messmodell "Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten"............. 247 Tabelle 44: Messmodell "Gemeinsame Optimierungsprojekte" ............................................ 248 Tabelle 45: Messmodell "Finanzielle Unterstützung/Beteiligung" ........................................ 249 Tabelle 46: Messmodell "Differenzierung"............................................................................ 250 Tabelle 47: Messmodell "Kostenführerschaft" ...................................................................... 251
XVII
Fallbeispielverzeichnis Fallbeispiel 1: Lieferantenmanagementsystem der Siemens AG ............................................. 15 Fallbeispiel 2: Lieferantenmanagement Mercedes-Benz LKW (Werk Wörth)........................ 16 Fallbeispiel 3: Lieferantenmanagementprozess der Audi AG.................................................. 17 Fallbeispiel 4: Option I strategischer Lieferantenentwicklung ................................................ 91 Fallbeispiel 5: Option II strategischer Lieferantenentwicklung ............................................... 92 Fallbeispiel 6: Option III strategischer Lieferantenentwicklung .............................................. 94 Fallbeispiel 7: Auswahl von Lieferanten für strategische Lieferantenentwicklung ............... 138
XIX
Abkürzungsverzeichnis ABHA
Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (Konstrukt)
ABHL
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (Konstrukt)
AG
Aktiengesellschaft
AUT
Österreich
CATI
Computer-Assisted Telephone Interviews
CH
Schweiz
DEV
Durchschnittlich Erfasste Varianz
DIFF
Differenzierung (Konstrukt)
EIGO
Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (Konstrukt)
FINU
Finanzielle Unterstützung/Beteiligung (Konstrukt)
GEMO
Gemeinsame Optimierungsprojekte (Konstrukt)
GER
Deutschland
IK
Interne Konsistenz
JIT
Just-In-Time
k.A.
keine Angabe
KOST
Kostenführerschaft (Konstrukt)
LISREL
Linear Structural Relations
LV
Latente Variable
MEKA
Methodenkompetenz des Abnehmers (Konstrukt)
MEKL
Methodenkompetenz des Lieferanten (Konstrukt)
MIMIC
Multiple Indicators and Multiple Causes
NACE
Nomenclature statistique des Activités économiques dans la Communauté
NAPM
National Association of Purchasing Management, inzwischen ISM (Institute for Supply Management)
OEM
Original Equipment Manufacturer
PLS
Partial Least Squares
Européenne
QG
Quality Gate
RESA
Ressourcenausstattung des Abnehmers (Konstrukt)
RMSEA
Root Mean Square Error of Approximation
SCM
Supply Chain Management
XX SOP
Start Of Production
SPSS
Statistical Package for the Social Sciences
SRM
Supplier Relationship Management
TPS
Toyota Production System
TQM
Total Quality Management
USD
United States Dollar
USP
Unique Selling Proposition
VIF
Varianzinflationsfaktor
Kapitel 1 1 Einführung
Ziel von Kapitel 1 ist das Aufspannen des Rahmens, innerhalb dessen sich diese Arbeit bewegt. Das Kapitel ist in drei Teile gegliedert: •
Unterkapitel 1.1 unterstreicht die Relevanz von Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis und benennt wesentliche Lücken in der aktuellen Forschung zur Lieferantenentwicklung. Zudem wird kurz auf die Aspekte von Lieferantenentwicklung eingegangen, die durch den Zusatz "strategisch" akzentuiert werden.
•
Unterkapitel 1.2 stellt die Ziele der Arbeit dar, detailliert die Forschungsfragen und beschreibt den Beitrag dieser Arbeit für Wissenschaft und Praxis.
•
Unterkapitel 1.3 beschreibt den Aufbau der Arbeit. Praktikern sei vor allem Kapitel 6 zur Lektüre empfohlen. In diesem werden die Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst, interpretiert und in Form von Handlungsempfehlungen einer praktischen Umsetzung zugänglich gemacht.
S. M. Durst, Strategische Lieferantenentwicklung, DOI 10.1007/978-3-8349-6174-7_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
Einführung
1.1 Relevanz von Lieferantenentwicklung und Forschungslücken Lieferanten spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines Unternehmens. Dies unterstreicht allein schon die Tatsache, dass in vielen Industrien der Anteil der Wertschöpfung, welcher auf Lieferanten entfällt, in einer Größenordnung von 50 Prozent und mehr liegt.1 Besonders ausgeprägt ist die Situation in der Automobilindustrie: Im Schnitt beträgt der Wertschöpfungsanteil der Zulieferer bezogen auf die gesamte Wertschöpfung eines Fahrzeuges etwa 80 Prozent.2 Lieferanten leisten damit einen entscheidenden Beitrag zu wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen eines Abnehmers, seiner Innovationsfähigkeit und seiner operativen Leistungsfähigkeit in Bezug auf Qualität, Lieferzeit und -zuverlässigkeit sowie Flexibilität.3 Ist ein Abnehmer allerdings nicht mit der Leistung und/oder den Fähigkeiten eines Lieferanten zufrieden, stehen ihm mehrere Optionen – auch in Kombination – zur Verfügung:4 •
Lieferantenwechsel, d.h. Zukauf des Gutes von einem besseren/fähigeren Lieferanten.
•
Vertikale Integration, d.h. Eigenfertigung des bislang zugekauften Gutes.
•
Lieferantenentwicklung, d.h. Investition von Ressourcen in den Lieferanten, um dessen Leistung und/oder Fähigkeiten zum eigenen Vorteil zu verbessern.
Letztgenannte Option gewinnt in der unternehmerischen Praxis zunehmend an Bedeutung.5 Dafür sind mehrere Gründe ausschlaggebend:6 •
Die fortschreitende Vernetzung und Spezialisierung der Unternehmen führt dazu, dass Lieferantenwechsel zunehmend kostspieliger und zeitintensiver werden.
•
Der anhaltende Trend zur Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen steht einem Insourcing entgegen.
•
Die zunehmende Professionalisierung im Einkauf macht den Einsatz von Instrumenten notwendig, die über die klassischen kaufmännischen Hebel hinausgehen.7
•
Die aktuelle Wirtschaftkrise hat vielen Unternehmen den Wert stabiler Partnerschaften mit starken Wertschöpfungspartnern vor Augen geführt.
Allerdings variiert die Art der praktizierten Lieferantenentwicklung von Unternehmen zu Unternehmen. Sie reicht von der Durchführung lediglich indirekter Entwicklungsaktivitäten wie der Vorgabe von Verbesserungszielen, über Beratung und Schulung von Lieferantenmitarbeitern bis hin zu finanzieller Unterstützung.8 Relativ weit fortgeschritten ist die Automobilin____________ 1
Vgl. CAPS Research, 2008, S. 1. Vgl. Verband der Automobilindustrie, 2008, S. 78. 3 Vgl. ähnlich Wagner, 2006b, S. 554. 4 Vgl. Krause et al., 2000, S. 34. 5 Vgl. Modi und Mabert, 2007, S. 42. 6 Quelle: Experteninterviews und eigene Überlegungen. 7 Mit kaufmännischen Hebeln sind typische Ansätze im strategischen Einkauf wie beispielsweise Nachverhandlungen, Mehrjahresverträge, Bedarfsbündelung, Einkaufskooperationen, Vormaterialbündelung gemeint. 8 Für eine umfangreiche Auflistung verschiedener Lieferantenentwicklungsaktivitäten vgl. Tabelle 2. 2
Relevanz von Lieferantenentwicklung und Forschungslücken
3
dustrie. Bereits Anfang der 90er Jahre setzten beispielsweise viele Automobilhersteller eigene Lieferantenentwicklungsprogramme auf.9 Parallel zur Praxisrelevanz hat auch das wissenschaftliche Interesse an Lieferantenentwicklung deutlich zugenommen. So ist beispielsweise die Anzahl der jährlich veröffentlichten, auf großzahligen Erhebungen basierenden Publikationen zur Lieferantenentwicklung stark gestiegen. Lagen bis Mitte der 90er Jahre erst vier derartige Publikationen vor, hat sich diese Anzahl in den letzten 15 Jahren auf heute 35 beinahe verzehnfacht.10 Trotzdem ist das Forschungsgebiet der Lieferantenentwicklung bei weitem noch nicht umfassend erschlossen. Erst jüngst arbeiteten Terpend et al. auf Basis einer Analyse von 151 empirischen Publikationen zu Abnehmer-Lieferant-Beziehungen unter anderem Lieferantenentwicklung als "[…] area of potential interest […]"11 für die weitere Forschung heraus. Gleichzeitig ergibt eine in Kapitel 2 im Detail vorgestellte Analyse der großzahlig-empirischen Arbeiten zur Lieferantenentwicklung eine Reihe wesentlicher Lücken in der Forschung zur Lieferantenentwicklung. Im Hinblick auf den Fokus dieser Arbeit seien insbesondere folgende Lücken benannt: Erstens spielt die Untersuchung von Rahmenbedingungen und deren Einfluss auf Intensität und Erfolg von Lieferantenentwicklung in empirischen Studien nur eine untergeordnete Rolle. So wurde beispielsweise der Einfluss von Macht bzw. Abhängigkeit, Methodenkompetenz oder Ressourcenausstattung bislang empirisch nicht oder nur vereinzelt untersucht.12 Eine derartige Lücke besteht allerdings nicht nur im Bereich Lieferantenentwicklung, sondern findet sich auch in anderen Gebieten. So konstatieren van der Vaart und van Donk auf Basis der Analyse von 33 umfragebasierten Publikationen zum Zusammenhang zwischen Supply Chain Integration und finanzieller Performance unter anderem eine mangelnde Auseinandersetzung mit dem Einfluss von "[…] business conditions and power […]".13 Und bei Terpend et al. heißt es über den Stand der Forschung zu Abnehmer-Lieferant-Beziehungen: "Similarly, our analysis leads us to believe that research should put more emphasis on investigating the conditions under which various integrative approaches are justified and are most effective. Thus, instead of making a blanket statement about the benefits of collaboration, research should work on identifying how various contingencies moderate the relationship between integration practices and performance."14 ____________ 9
Beispielsweise DFL (Drive For Leadership) von Ford, PICOS (Purchased Input Concept Optimization with Suppliers) von GM/Opel, POLE (Prozessoptimierung durch Lieferanteneinbindung) sowie Porsche Consulting von Porsche, POZ (Prozessoptimierung Zuliefererteile) von BMW oder TANDEM von Daimler. Vgl. Backhaus und Büschken, 1999, S. 249. 10 Vgl. Unterkapitel 2.1.3, insbesondere Abbildung 4. 11 Terpend et al., 2008, S. 42. 12 Für einen detaillierteren Überblick vgl. Unterkapitel 2.2.2, insbesondere Tabelle 10. 13 van der Vaart und van Donk, 2008, S. 52. 14 Terpend et al., 2008, S. 43.
4
Einführung
Zweitens ist die Aufteilung des Aufwands und der Ergebnisse aus Lieferantenentwicklung zwischen Abnehmer und Lieferant nur unzureichend empirisch beleuchtet.15 Zwar untersuchen etliche Studien die Erfolgswirkung diverser Formen der Lieferantenentwicklung auf Erfolgsgrößen sowohl auf Abnehmer- als auch Lieferantenseite.16 Allerdings besteht eine Forschungslücke in Bezug auf die konkrete Aufteilung von Aufwand und Ergebnis zwischen Abnehmer und Lieferant. Drittens fehlen aus methodischer Perspektive dyadisch angelegte Studien, also Studien, in denen sowohl Abnehmer als auch Lieferanten befragt werden. Dies ist überraschend, da viele Autoren die Befragung nur einer Seite der Dyade als wesentliche Einschränkung hervorheben.17 Trotzdem gibt es im Bereich der Lieferantenentwicklung bislang nur drei Publikationen auf Basis dyadischer Umfragen.18 Ein ähnliches Bild bietet die gesamte Literatur zu Abnehmer-Lieferant-Beziehungen: Nur 6 von 151 untersuchten, empirisch-fundierten Publikationen sind dyadisch angelegt.19 Viertens fehlen aus theoretischer Perspektive multitheoretisch fundierte Arbeiten. Dies ist insofern ein Nachteil, als es in der Betriebswirtschaftslehre nicht die eine Theorie gibt, die alle relevanten Zusammenhänge erklärt. Damit ist die Perspektive einer einzelnen Theorie naturgemäß limitiert.20 Gleichzeitig wird eine mehrschichtige Theoriefundierung der Heterogeneität und Komplexität von Lieferantenentwicklung besser gerecht.21 Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung von Lieferantenentwicklung und der genannten Lücken konzentriert sich diese Arbeit auf die Untersuchung von Rahmenbedingungen, Optionen und Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung. Durch den Zusatz "strategisch" sollen drei Aspekte bei der Entwicklung von Lieferanten akzentuiert werden:22 •
Antizipation: Strategische Lieferantenentwicklung erfolgt auf Basis einer geplanten Auswahl der zu entwickelnden Lieferanten. Sie hebt sich damit von reaktiven Aktivitäten aufgrund einer "Schlechtleistung" von Lieferanten ab.
•
Wettbewerbsfähigkeit: Strategische Lieferantenentwicklung zielt auf die Differenzierung des Abnehmers bzw. die Unterstützung seiner Kostenführerschaft. Sie geht damit über rein beschaffungsorientierte Zielsetzungen hinaus.
____________ 15
Vgl. Tabelle 9 und die zugehörigen Erläuterungen. Für einen detaillierteren Überblick vgl. Unterkapitel 2.2.2, insbesondere Tabelle 6 und Tabelle 7. 17 Vgl. z.B. Lee et al., 2009, S. 201, Carr et al., 2008, S. 912, oder Krause et al., 2000, S. 52. 18 Vgl. Forker et al., 1999, Forker und Stannack, 2000, sowie Krause et al., 2007. Allerdings verweisen Krause et al. nur auf 75 Lieferantenfragebögen, verarbeiten diese aber nicht in ihrer Publikation. 19 Vgl. Terpend et al., 2008, S. 42. 20 Vgl. die auch Forderung nach einer multitheoretische Fundierung wissenschaftlicher Arbeiten zu interorganisationalen Beziehungen bei Terpend et al., 2008, S. 42. Weik und Lang sprechen von einem "[…] Vertrauen in einen Theoriepluralismus […]". Weik und Lang, 2001, S. VII. 21 Vgl. beispielhaft die in Unterkapitel 2.1.2 beschriebenen Perspektiven der Lieferantenentwicklung bzw. das in Tabelle 2 aufgezeigte Spektrum an Lieferantenentwicklungsaktivitäten. 22 Für eine ausführlichere Diskussion und Definition strategischer Lieferantenentwicklung vgl. Unterkapitel 2.1.2. 16
Ziele der Arbeit und Forschungsfragen •
5
Nachhaltigkeit: Strategische Lieferantenentwicklung bezweckt die Verbesserung von Leistung und/oder Fähigkeiten im Sinne eines "win-win" für Abnehmer und Lieferant. Sie unterscheidet sich damit von einer einseitigen Weitergabe von Kostendruck durch den Abnehmer.
1.2 Ziele der Arbeit und Forschungsfragen Wissenschaftliche Arbeiten in der Betriebswirtschaftslehre sollten zwei Zielen genügen: Zum einen sollte ein Beitrag zur wissenschaftlichen Entwicklung der Disziplin geleistet werden, zum anderen sollte Wissen generiert werden, das für die unternehmerische Praxis relevant ist.23 Entsprechend ist die Zielsetzung dieser Arbeit zweifach: •
Aus wissenschaftlicher Perspektive soll ein Beitrag zur Schließung wesentlicher inhaltlicher, methodischer und theoretischer24 Lücken in der Forschung zur Lieferantenentwicklung geleistet werden. Zudem soll im Sinne eines übergeordneten Zieles exemplarisch ein Weg zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Praxisnähe empirischer Forschung in der Betriebswirtschaftslehre aufgezeigt werden.
•
Aus praktischer Perspektive soll untersucht werden, unter welchen Umständen strategische Lieferantenentwicklung in welcher Form betrieben werden sollte. Gleichzeitig soll eine Empfehlung entwickelt werden, wie strategische Lieferantenentwicklung in Unternehmen aufgebaut und nachhaltig verankert werden kann.
Inhaltlich sollen folgende drei Forschungsfragen beantwortet werden: 1. Welche Rahmenbedingungen sind im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung besonders relevant? 2. Welche Optionen strategischer Lieferantenwicklung wirken sich – abhängig von bestimmten Rahmenbedingungen – positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers aus? 3. Wie werden strategische Lieferantenentwicklung im Allgemeinen und die Aufteilung von Aufwand und Ergebnis im Speziellen aus Sicht der Lieferanten beurteilt? Die erste Forschungsfrage ist als Hinleitung zu dem zu entwickelnden Modell der strategischen Lieferantenentwicklung zu verstehen. Zur Beantwortung werden relevante Rahmenbedingungen für strategische Lieferantenentwicklung auf Basis theoretischer Überlegungen abgeleitet. Als Basis dienen die Transaktionskostentheorie sowie der ressourcenbasierte Ansatz. ____________ 23
Z.B. schreiben Hodgkinson et al. von den "[…] twin imperatives of theoretical and methodological rigor on the one hand, and applied relevance on the other." Hodgkinson et al., 2001, S. 42. 24 Der theoretische Beitrag dieser Arbeit besteht allerdings nicht in einer Neu- oder Weiterentwicklung wissenschaftlicher Theorien, sondern in der Erbringung empirischer Evidenz, die im Zusammenspiel mit anderen Arbeiten dazu beitragt, etablierte Theorien zu verifizieren oder zu falsifizieren.
6
Einführung
Die zweite Forschungsfrage – die den Kern der Arbeit bildet – wird auf Basis einer dyadischen Umfrage beantwortet. Ziel ist die empirische Fundierung der Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers. Dabei werden die Antworten der Abnehmer mit denen ihrer Lieferanten gespiegelt. Die dritte Forschungsfrage wird auf Basis der Befragung der Lieferanten beantwortet. Ziel ist ein empirisch fundiertes Verständnis für die Beurteilung der Auswirkungen strategischer Lieferantenentwicklung auf den Lieferanten. Methodisch ist die Datenerhebung dyadisch angelegt, es werden also sowohl Abnehmer als auch deren Lieferanten befragt ("matched pair"). Damit hebt sich die vorliegende Arbeit deutlich vom Großteil der bisherigen Studien zur Lieferantenentwicklung ab.25 Neben einem substanziellen inhaltlichen, methodischen und theoretischen Beitrag zur Forschung im Bereich Lieferantenentwicklung wird aus wissenschaftlicher Sicht noch ein übergeordnetes Ziel verfolgt. So soll die Arbeit den Wert differenzierter Betrachtungen – im Sinne der Einbeziehung wesentlicher Kontingenzfaktoren – für die Weiterentwicklung und Praxisnähe wissenschaftlicher Untersuchungen aufzeigen. Schließlich sind viele Themengebiete der betriebswirtschaftlichen Forschung bereits relativ gut empirisch durchdrungen.26 Mit anderen Worten: Es besteht ein Verständnis über wesentliche Zusammenhänge und Kausalverknüpfungen, das mit Hilfe von Umfragen und Fallstudien fundiert ist. Gleichzeitig leidet aber die praktische Anwendbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse unter der Pauschalität der Aussagen und Modelle. Managern fällt es häufig schwer, die generischen Konzepte auf ihr Unternehmen zu übertragen. Zudem provozieren allgemeine Ansätze Umsetzungswiderstände. Daher soll die vorliegende Arbeit auch Exempel und Appell für differenzierte Betrachtungen sein. Die Einbeziehung relevanter Rahmenfaktoren kann die praktische Anwendbarkeit wissenschaftlicher Arbeit nachhaltig erhöhen. Aus praktischer Perspektive soll eine empirisch fundierte Antwort auf folgende Frage gegeben werden: Welche Optionen strategischer Lieferantenentwicklung sollen •
unter bestimmten Rahmenbedingungen
•
in Abhängigkeit bestimmter Ziele
von Unternehmen genutzt werden? Gleichzeitig soll anhand konkreter Fallbeispiele bzw. mit Hilfe der entwickelten Handlungsempfehlungen aufgezeigt werden, wie strategische Lieferantenentwicklung in der Praxis erfolgreich umgesetzt und verankert werden kann. Umfangreiche Fallbeispiele sind daher im Text durch Kästen hervorgehoben und können über das Fallbeispielverzeichnis lokalisiert werden. ____________ 25 26
Vgl. hierzu Tabelle 1. Vgl. z.B. Fettke, 2007, S. 419, zum SCM; Scudder und Hill, 1998, S. 101, zu Operations Management.
Aufbau der Arbeit
7
1.3 Aufbau der Arbeit Der Aufbau der vorliegenden Arbeit orientiert sich an der klassischen Struktur empirischer Arbeiten.27 Diese umfasst die Schritte Problemdefinition (Kapitel 1), Überblick über die existierende Literatur (Kapitel 2), Ableitung theoriebasierter Hypothesen (Kapitel 3), Entwicklung des zu untersuchenden Modells (Kapitel 4), Beschreibung der Befragung (Unterkapitel 5.1) sowie Auswertung und Interpretation der empirischen Ergebnisse (Unterkapitel 5.2, 5.3 und Kapitel 6). Abschließend erfolgt die Reflexion der Erkenntnisse (Kapitel 7). Abbildung 1 visualisiert diesen Aufbau. Das Bild eines Puzzles wurde bewusst gewählt, um zu verdeutlichen, dass die einzelnen Kapitel als ineinandergreifende Teile zu verstehen sind, die nur zusammen das komplette Bild ergeben. Dabei bilden Kapitel 1 und 7 den Rahmen, innerhalb dessen der Gang der Arbeit dargestellt wird und die gewonnenen Erkenntnisse dokumentiert sind. Zur besseren Lesbarkeit werden am Beginn jedes Unterkapitels die jeweiligen Ziele und der Aufbau expliziert. Am Ende jedes inhaltlichen Kapitels befindet sich ein kurzes Zwischenfazit, das die wesentlichen Erkenntnisse zusammenfasst. 1. Einleitung Relevanz von Lieferantenentwicklung und Forschungslücken
Ziele der Arbeit und Forschungsfragen
Aufbau der Arbeit
2. Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis Einordnung, Definition und Perspektiven
Stand der empirischen Forschung
Lücken in der empirischen Forschung und Beitrag dieser Arbeit
3. Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung Methodische Vorbemerkungen und Theorienwahl
Transaktionskostentheorie
Ressourcenbasierter Ansatz
4. Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung Wahl des Analyseverfahrens
Entwicklung des Strukturmodells
Entwicklung der Messmodelle
5. Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage
Gütebeurteilung der Messmodelle
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen
6. Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen Beschreibung und erste Analyse der Studienergebnisse
Modellinterpretation: Einfluss der Rahmenbedingungen
Modellinterpretation: Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung
7. Beitrag dieser Arbeit und Ausblick Beitrag zur wissenschaftlichen Literatur
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit28
____________ 27 28
Vgl. Corsten, 2003, S. 55. Eigene Darstellung.
Beitrag zur unternehmerischen Praxis
Einschränkungen und Vorschläge für die weitere Forschung
8
Einführung
In Kapitel 1 werden die zunehmende Relevanz von Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis aufgezeigt, wesentliche Forschungslücken benannt und daraus abgeleitet die Ziele und der Aufbau der Arbeit dargestellt. Kapitel 2 fasst den Stand der wissenschaftlichen Diskussion zur Entwicklung von Lieferanten zusammen. Zunächst wird Lieferantenentwicklung als wesentlicher Bestandteil eines systematischen Lieferantenmanagement verortet und strategische Lieferantenentwicklung begrifflich definiert und abgegrenzt. Anschließend erfolgt eine umfassende und detaillierte Analyse großzahlig-empirischer Arbeiten zur Lieferantenentwicklung bis einschließlich 2009. Darauf aufbauend werden inhaltliche, theoretische und methodische Lücken benannt und der Beitrag der vorliegenden Arbeit zur Forschung im Bereich Lieferantenentwicklung wird expliziert. Kapitel 3 erläutert ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung. Zunächst wird das konfirmatorisch-explikative Forschungsdesign dieser Arbeit begründet. Anschließend erfolgt die Auswahl der Transaktionskostentheorie und des ressourcenbasierten Ansatzes als geeigneten Theorien zur Fundierung des zu entwickelnden Modells der strategischen Lieferantenentwicklung. Anschließend werden nach einer kurzen Erläuterung und kritischen Würdigung beider Theorien wesentliche Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers multitheoretisch fundiert. Kapitel 4 beschreibt die angewandte Methodik und das Modell der strategischen Lieferantenentwicklung. Zunächst wird die Entscheidung für die Verwendung des PLS-Ansatzes detailliert begründet. Anschließend werden die insgesamt zehn Konstrukte des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung konzeptualisiert und das Hypothesengerüst wird entwickelt. Schließlich erfolgt nach einer methodischen Reflexion möglicher Operationalisierungsformen die Operationalisierung der zehn Konstrukte. Kapitel 5 wertet die empirischen Ergebnisse im methodisch-technischen Sinne aus. Zunächst erfolgen die Beschreibung der Datenerhebung und die Prüfung der Analysevoraussetzungen. Anschließend erfolgt die Gütebeurteilung zunächst auf Messmodellebene, dann auf Strukturmodellebene. Die Analyse verschiedener Modellmodifikationen sowie die Kontrastierung der Aussagen der Abnehmer mit denen der Lieferanten runden die Auswertungen ab. Kapitel 6 interpretiert die empirischen Ergebnisse. Bewusst wurde dafür ein eigenes Kapitel reserviert, um so die Diskussion der Erkenntnisse dieser Arbeit aufzuwerten Hierzu erfolgt zunächst eine zusammenfassende Beschreibung und erste Analyse der Studienergebnisse. Anschließend werden wesentliche Zusammenhänge interpretiert und durch ergänzende Analysen vertieft. Um die Ergebnisse der Arbeit einer praktischen Umsetzung zugänglich zu machen, werden abschließend konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet. Kapitel 6 wendet sich damit explizit auch an Praktiker. Kapitel 7 fasst den Beitrag dieser Arbeit aus wissenschaftlicher und praktischer Perspektive zusammen und gibt einen Ausblick auf mögliche Fragestellungen für die künftige Forschung.
Kapitel 2 2 Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
Ziele von Kapitel 2 sind neben der Verortung und präzisen Definition von Lieferantenentwicklung vor allem eine Bestandsaufnahme der bislang vorliegenden, großzahlig-empirisch fundierten Erkenntnisse zur Lieferantenentwicklung sowie das Aufzeigen von Forschungslücken und des Beitrags der eigenen Arbeit. Das Kapitel ist in drei Teile gegliedert: •
In Unterkapitel 2.1 wird Lieferantenentwicklung als wesentlicher Bestandteil eines systematischen Lieferantenmanagements verortet. Dies wird mit Hilfe mehrerer Praxisbeispiele unterstrichen. Anschließend werden die verschiedenen Bestandteile von Lieferantenentwicklung sowie unterschiedliche Perspektiven auf Lieferantenentwicklung aufgezeigt. Außerdem wird das dieser Arbeit zu Grunde liegende Verständnis von strategischer Lieferantenentwicklung expliziert. Abschließend werden Methodik und Grundlagen des Literaturreviews beschrieben, dessen Ergebnisse im folgenden Unterkapitel zusammengefasst sind.
•
In Unterkapitel 2.2 wird auf Basis des entwickelten Bezugsrahmens der Stand der großzahlig-empirischen Forschung zur Lieferantenentwicklung aufgezeigt. Hierzu werden neben einem zusammenfassenden Überblick zu jedem Element des Bezugsrahmens jeweils auch die wesentlichen empirischen Erkenntnisse der einzelnen Autoren detailliert aufgelistet.
•
In Unterkapitel 2.3 werden, aufbauend auf den Erkenntnissen in Unterkapitel 2.2, wesentliche Lücken in der Forschung zur Lieferantenentwicklung zusammengefasst. Auf dieser Basis wird der Beitrag der eigenen Arbeit aufgezeigt.
S. M. Durst, Strategische Lieferantenentwicklung, DOI 10.1007/978-3-8349-6174-7_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
2.1 Einordnung, Definition und Perspektiven 2.1.1 Lieferantenentwicklung als Teil des Lieferantenmanagements Ziel dieses Unterkapitels ist die Einordnung von Lieferantenentwicklung in den übergeordneten Kontext des Lieferantenmanagements. Hierzu wird zunächst das Spektrum der unterschiedlichen Verwendungen des Terminus Lieferantenmanagement in der wissenschaftlichen Literatur aufgezeigt. Auf Basis des in aktuellen Publikationen dominierenden, umfassenden Verständnisses von Lieferantenmanagement wird Lieferantenentwicklung anschließend als Bestandteil eines systematischen Lieferantenmanagements verortet. Abschließend erfolgt ein Abgleich mit konkreten Lieferantenmanagementsystemen ausgewählter Unternehmen. Damit wird illustriert, dass die vorgenommene Einordnung von Lieferantenentwicklung auch in der unternehmerischen Praxis ihren Niederschlag findet. In der wissenschaftlichen Literatur wird der Begriff Lieferantenmanagement sehr unterschiedlich verwendet.29 So identifiziert Wagner sechs Arten der Verwendung bzw. Interpretation von Lieferantenmanagement, die vom reinen Schlagwort bis zu umfassenden, integrierten Konzepten reichen:30 1. Lieferantenmanagement als reines Schlagwort, dessen Inhalt nicht weiter erläutert wird. 2. Lieferantenmanagement im Sinne operativer Prozesse, z.B. zur Lieferantenbewertung oder -auswahl. 3. Lieferantenmanagement als Voraussetzung für die Umsetzung verschiedener Arten von Lieferantenbeziehungen. 4. Lieferantenmanagement als Management der Lieferantenbasis inklusive Teilaktivitäten, wobei insbesondere die Reduzierung der Lieferantenbasis im Vordergrund steht. 5. Lieferantenmanagement im Sinne von ausgewählten, nichtintegrierten Haupt- und Teilaktivitäten des Managements von Lieferanten sowie teilweise der dazugehörigen Strukturen. 6. Lieferantenmanagement im Sinne integrierter Aktivitäten und Strukturen, die zu umfassenden Lieferantenmanagementkonzepten zusammengefasst werden. In jüngeren Publikationen dominiert tendenziell ein umfassendes, integriertes Verständnis von Lieferantenmanagement im Sinne der letztgenannten Definition. So versteht beispielsweise Large unter Lieferantenmanagement den externen Teil des Beschaffungsmanagements. 31 ____________ 29
Gleichzeitig ist die Abgrenzung zu anderen Begriffen wie Supplier Relationship Management (SRM) unklar. Beispielsweise verstehen Appelfeller und Buchholz die Gestaltung des Lieferantenmanagements als einen Bestandteil des SRM, vgl. Appelfeller und Buchholz, 2005, S. 5. Hingegen verwendet Wannenwetsch die Termini Lieferantenmanagement und SRM synonym, vgl. Wannenwetsch, 2005, S. 150. 30 Vgl. Wagner, 2001, S. 87-99. 31 Vgl. Large, 2003, S. 28-29. Beschaffungsmanagement kann allgemein als Managementprozess verstanden werden, der sich auf die Funktion der Beschaffung bezieht. Damit umfasst Beschaffungsmanagement "[…] alle Handlungen der Informationsversorgung, Planung und Steuerung, die darauf gerichtet sind, einer Unterneh-
Einordnung, Definition und Perspektiven
11
Gleichzeitig kann strategisches Lieferantenmanagement auch im Sinne des Beziehungsmanagements als "[…] aufeinander abgestimmte Gesamtheit der Grundsätze, Leitbilder und Einzelmaßnahmen zur langfristig zielgerichteten Selektion, Anbahnung, Steuerung und Kontrolle von Geschäftsbeziehungen" 32 im Hinblick auf Lieferanten verstanden werden. 33 Lasch und Janker definieren Lieferantenmanagement als "[…] die marktorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle von einzelnen Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen sowie des gesamten Lieferantenstammes im Rahmen des strategisch marktorientierten Beschaffungsmanagements [...]".34 Dabei weist das in aktuelleren Publikationen explizierte Verständnis einige Gemeinsamkeiten in Bezug auf Zielsetzung, Umfang und Aufgaben des Lieferantenmanagements auf. •
Zielsetzung: Lieferantenmanagement zielt auf die Erschließung und den Erhalt externer Erfolgspotenziale ab. 35 Letztere bezeichnen Erfolgspotenziale, die auf dem Beschaffungsmarkt erschlossen werden, also aus Sicht des jeweiligen Unternehmens extern sind.
•
Umfang: Lieferantenmanagement bezieht sich sowohl auf das Management der gesamten Lieferantenbasis als auch auf die Ausgestaltung einzelner Lieferantenbeziehungen eines Unternehmens. Gleichzeitig umfasst Lieferantenmanagement sowohl die strategische als auch die operative Managementebene.36 Einzelne Autoren unterscheiden auch noch weitere Ebenen, z.B. die normative Managementebene.37
•
Aufgaben: Die Aufgaben des Lieferantenmanagements ergeben sich aus den unterschiedlichen Phasen einer Abnehmer-Lieferant-Beziehung und reichen von der Identifikation, Bewertung und Auswahl von Lieferanten bis hin zur Steuerung der Abnehmer-Lieferant-Beziehung.
Zum besseren Verständnis werden im Folgenden die beiden letztgenannten Dimensionen – Umfang bzw. Ebenen und Aufgaben bzw. Prozess des Lieferantenmanagements – näher analysiert. Dabei wird gleichzeitig dargelegt, dass sich Lieferantenentwicklung in beiden Dimensionen als integraler Bestandteil von Lieferantenmanagement verorten lässt.
mung die benötigten Beschaffungsobjekte in geeigneter Form rechtlich und faktisch verfügbar zu machen." Large, 2003, S. 23-24. Diller, 1995, S. 286. 33 Vgl. Large, S. 30. 34 Lasch und Janker, 2008, S. 1001. 35 Mit externen Erfolgspotenzialen werden Erfolgspotenziale bezeichnet, die aus der Zusammenarbeit mit Partnern auf den Beschaffungsmärkten resultieren, also aus Sicht des jeweiligen Unternehmens extern sind. Vgl. Large, 2009, S. 36. 36 Die inhaltliche Abgrenzung der Ebenen variiert allerdings je nach Autor. 37 Vgl. z.B. Wagner, 2001, S. 175. 32
12
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
Ebenen des Lieferantenmanagements Als Bezugsrahmen für das Lieferantenmanagement schlägt Wagner in Anlehnung an das St. Gallener "Konzept integriertes Management"38 ein "Konzept integriertes Lieferantenmanagement" vor. Dieses ist Abbildung 2 dargestellt und soll im Folgenden kurz erläutert werden.39 Managementaspekte Normatives Lieferantenmanagement
Managementebenen
Beschaffungsgrundsätze
Strukturelle Voraussetzungen: Mensch, Technik, Organisation Lieferantenmanagementprozesse: Beschaffungsmarktforschung, Lieferantenauswahl, Lieferantenbewertung Strukturen
Beschaffungs- und Lieferantenpolitik
Beschaffungskultur
Missionen ProblemlösungsStrategisches Lieferantenmanagement verhalten: Bewusstsein für Beziehungstyp, Programme: Krisenbewältigung, Management der Lieferantenbasis Sicherheitsdenken, Lieferantenentwicklung Serviceorientierung Lieferantenintegration Operatives Lieferantenmanagement Umsetzung Programme: Management der Lieferantenbasis Lieferantenentwicklung Lieferantenintegration Aktivitäten
Leistungs- und Kooperationsverhalten
Verhalten
Entwicklung Lieferantenportfolio und Lieferantenbeziehungen Abbildung 2: Konzept integriertes Lieferantenmanagement40
Das "Konzept integriertes Lieferantenmanagement" unterscheidet die drei Managementebenen normativ, strategisch und operativ, denen die Managementaspekte Strukturen, Aktivitäten und Verhalten zugeordnet sind. Aufgabe des normativen Lieferantenmanagements ist die Vorgabe von generellen Zielen, Prinzipien und Spielregeln. Diese finden Ausdruck in den Beschaffungsgrundsätzen oder der Beschaffungskultur. Das strategische Lieferantenmanagement zielt auf den Aufbau, die Sicherung und den Erhalt von externen Erfolgspotenzialen ab. Als Mittel dienen sogenannte Programme wie das Management der Lieferantenbasis, die Entwicklung von Lieferanten oder deren Integration im Sinne einer vertikalen Expansion des Abnehmers. Zur erfolgreichen Umsetzung dieser Programme müssen strukturelle und verhaltensbezogene Voraussetzungen geschaffen werden. Im Rahmen des operativen Lieferantenmanagements erfolgt die prozessorientierte Umsetzung der Programme. Weil dabei sowohl funktions- als auch unternehmensübergreifende Kooperation notwendig ist, stellt neben der Leistung der Prozessbeteiligten auch deren Kooperationsverhalten eine wesentliche Erfolgsdeterminante ____________ 38
Vgl. Bleicher, 2004, S. 88. Für eine ausführlichere Erläuterung vgl. Wagner, 2001, S. 174-180. 40 Vgl. Wagner, 2001, S. 175. 39
Einordnung, Definition und Perspektiven
13
dar. Übergreifende Aufgaben eines in diesem Sinne integrierten Lieferantenmanagements sind die Entwicklung des Lieferantenportfolios sowie der Aufbau und Erhalt der Beziehungen zu ausgewählten Schlüssellieferanten. Wie aus Abbildung 2 deutlich wird, verortet Wagner Lieferantenentwicklung in Bezug auf die verschiedenen Ebenen des Lieferantenmanagements expressis verbis sowohl auf der strategischen als auch auf der operativen Managementebene. Auf der strategischen Ebene stellt Lieferantenentwicklung bei Defiziten bestehender Lieferanten eine Alternative zum Lieferantenwechsel oder der Integration des Lieferanten dar.41 Bei neuen Lieferanten ist Lieferantenentwicklung im Sinne des "reverse marketing"42 eine Option zum Aufbau neuer Bezugsquellen. Auf der operativen Ebene des Lieferantenmanagements steht die prozesshafte Umsetzung der Vorgaben der normativen und strategischen Ebene im Vordergrund. Gemäß Large ist das operative Lieferantenmanagement auf konkrete Bedarfssituationen ausgerichtet und umfasst Aktivitäten wie Angebotseinholung, operative Lieferantenauswahl, Bestellabwicklung, Terminüberwachung, Rechnungsprüfung oder das Mahnwesen.43 Analog steht bei operativer Lieferantenentwicklung die Umsetzung der normativen und strategischen Vorgaben im Fokus. Auf Aktivitätsebene kann dies beispielsweise durch Zielvorgaben auf Basis von Lieferantenbewertungen oder durch gemeinsame Entwicklungsprojekte geschehen.
Prozess des Lieferantenmanagements Von Lasch und Janker stammt ein Vorschlag für die diversen Prozessschritte des Lieferantenmanagements. Dieser ist in Abbildung 3 dargestellt und wird im Folgenden kurz erläutert.44 Im Rahmen der Lieferantenvorauswahl werden potenzielle Lieferanten aus dem bestehenden Lieferantenstamm sowie eventuell neue Zulieferer identifiziert und grob auf Eignung überprüft. Anschließend wird ihre Leistungsfähigkeit im Rahmen der Lieferantenanalyse untersucht, z.B. durch Audits. Auf dieser Basis erfolgt eine Bewertung der Lieferanten sowie die Auswahl und Auftragsvergabe. Mit Hilfe von Lieferantencontrolling erfolgt über die Dauer der Lieferantenbeziehung eine regelmäßige Überprüfung der Leistungsfähigkeit der ausgewählten Lieferanten. Letztere bildet die Basis für Anreiz- bzw. Sanktionierungsmaßnahmen im Rahmen der Steuerung der Lieferantenbeziehung. Zur Steuerung stehen verschiedene Optionen wie Lieferantenpflege, -integration, -entwicklung, -förderung oder -erziehung zur Verfügung.
____________ 41
Vgl. Unterkapitel 1.1 bzw. Krause et al., 2000, S. 34. Im Gegensatz zum Marketing, das das Auffinden geeigneter Kunden in den Mittelpunkt stellt, übernimmt beim "reverse marketing" der Kunde selbst die Initiative und sucht sich seine Lieferanten. Vgl. hierzu das gleichnamige Buch von Leenders und Blenkhorn, 1988. Übertragen auf Lieferantenentwicklung bedeutet dies die Schaffung von neuen Bezugsquellen durch den Aufbau von Lieferanten. 43 Vgl. hierzu und im Folgenden Large, 2003, S. 29. 44 Für eine ausführlichere Beschreibung vgl. Lasch und Janker, 2008, S. 1003-1009. 42
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Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis Lieferantenidentifikation
Management der Lieferantenbasis
Lieferanteneingrenzung
Lieferantenvorauswahl
Lieferantenanalyse Lieferantenbewertung Lieferantenauswahl
Lieferantencontrolling
Steuerung der Lieferantenbeziehung Lieferantenpflege Lieferantenintegration Lieferantenentwicklung Lieferantenförderung Lieferantenerziehung Abbildung 3: Prozessschritte des Lieferantenmanagements45
Prozessual kann Lieferantenentwicklung an mehreren Stellen des Lieferantenmanagementprozesses verortet werden. Wie in Abbildung 3 dargestellt, sehen Lasch und Janker die Entwicklung von Lieferanten neben Lieferantenpflege, -integration, -förderung und -erziehung als ein Element der Steuerung einer Lieferantenbeziehung.46 Dabei zielt Lieferantenentwicklung auf die Verbesserung der Leistung und/oder Fähigkeiten existierender Lieferanten ab. Darüber hinaus kann Lieferantenentwicklung allerdings auch für den Aufbau neuer Lieferanten eingesetzt werden.47 Ziel hierbei ist die Schaffung zusätzlicher Bezugsquellen, etwa um den Wettbewerb auf Lieferantenseite zu intensiveren oder schlicht, weil kein bestehender Lieferant die gewünschte Leistung erbringen kann. Somit kann Lieferantenentwicklung sowohl als Element der Lieferantensteuerung (Fokus: bestehende Lieferanten) als auch als Element der Lieferantenidentifikation (Fokus: neue Lieferanten)48 interpretiert werden. Zusammenfassend stellt Lieferantenentwicklung als Instrument des Abnehmers zum Aufbau von Lieferanten bzw. der Verbesserung von deren Leistung und/oder Fähigkeiten also einen wesentlichen Baustein eines systematischen Lieferantenmanagements dar. Die unternehmerische Praxis spiegelt dieses Verständnis ebenfalls wider. Zwar finden sich auch hier sehr unterschiedliche Interpretationen von Lieferantenmanagement, die von der abwicklungsorientierten ____________ 45
Vgl. Lasch und Janker, 2008, S. 1004. Ein umfassenderes Verständnis von Lieferantenentwicklung kann allerdings auch Lieferantenförderung und Lieferantenerziehung umfassen, so dass diese in diesem Sinne keine eigenständigen Optionen der Steuerung der Lieferantenbeziehung darstellen. Vgl. auch Unterkapitel 2.1.2. 47 Im Sinne des "reverse marketing". Vgl. hierzu Fußnote 42. 48 Neu ist dabei umfassend auch im Sinne eines bestehenden Lieferanten zu verstehen, der im Hinblick auf ein für ihn neues Produkt/eine für ihn neue Dienstleistung entwickelt werden soll. Gleiches gilt für ein neues Werk eines bestehenden Lieferanten, für das die Erbringung der nachgefragten Leistung neu ist. 46
Einordnung, Definition und Perspektiven
15
Bearbeitung von Anfragen und Bestellungen bis hin zu einem umfassenden Verständnis im Sinne des externen Teils des Beschaffungsmanagements reichen. Gleichzeitig zeigen die entwickelten Lieferantenmanagementkonzepte, dass auch Lieferantenentwicklung in der Praxis fest verankert ist. Drei ausgewählte Fallbeispiele sollen dies illustrieren:49 Der auf den Gebieten Industrie, Energie und Gesundheit tätige Mischkonzern Siemens wendet das in der Abbildung unten illustrierte Lieferantenmanagementsystem konzernweit an. Dieses umfasst neben den Bausteinen Lieferantenauswahl und Lieferantenbewertung explizit auch Lieferantenentwicklung. Im Rahmen der Siemens-Lieferantenentwicklung werden auf Basis der Lieferantenbewertung und des strategischen Status des Lieferanten geschäftsspezifisch Lieferantenentwicklungsmaßnahmen definiert, umgesetzt und nachgehalten. Dabei reicht das Portfolio der Entwicklungsmaßnahmen von einer Eigenoptimierung des Lieferanten bis hin zu einer aktiven Entwicklung durch Siemens. Lieferantenauswahl
Kosten senken
Lieferantenentwicklung
Lieferantenmanagement
Lieferantenbewertung
Leistung steigern Lieferanten ausphasen
Fallbeispiel 1: Lieferantenmanagementsystem der Siemens AG50
____________ 49 50
Für weiterführende Informationen sei auf die jeweils angegebenen Quellen verwiesen. Ähnliche Abbildung vgl. Hoffmann und Lumbe, 2000, S. 93. Lieferantenentwicklung ist farblich hervorgehoben.
16
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
Mercedes-Benz LKW, ein Teil der Nutzfahrzeugsparte (Daimler Trucks) der Daimler AG, wendet in seinem wichtigsten Produktionsstandort Wörth am Rhein die in der Abbildung unten entlang des Produktentstehungsprozesses dargestellten Methoden zum Lieferantenmanagement an. Darunter befinden sich mit präventiver und reaktiver Lieferantenförderung sowie der projekthaften Serienvorbereitung Aktivitäten der direkten Lieferantenentwicklung. So orientiert sich beispielsweise die reaktive Lieferantenförderung in der Serie am auch als "Demingkreis" bezeichneten, vierphasigen Problemlösungsvorgehen PDCA ("Plan-Do-Check-Act"). 51 Die gemeinsam mit dem Lieferanten entwickelten Maßnahmen können sowohl Mercedes-Benz LKW als auch den Lieferanten betreffen. Ihre Umsetzung wird im Rahmen einer regelmäßigen Berichterstattung nachgehalten.
Mitarbeit bei Lastenhefterstellung
Disposition Reklamationsmgmt. Werk
Mitarbeit bei der Lieferantenauswahl Konstruktionsberatung aus Sicht Lieferantenmgmt.
Planung/Implementierung Logistikprozesse
Mitarbeit bei präventiver Lieferantenförderung
Vorbereitung QG4
7
6
5
4 (Freigabe Entwicklung)
Reklamationsmgmt. Feld
Lieferantenbewertung
Reaktive Lieferantenförderung
Risikoanalyse Lieferanten
8
Produktbewährung
Auftragserledigung
Serienvorbereitung
Serienentwicklung
Projekthafte Serienvorbereitung
3
Schadteilebefundung
2
1
(SOP)
(Markteinführung)
0
→ Quality Gates (QG)
Direkte Lieferantenentwicklung
Fallbeispiel 2: Lieferantenmanagement Mercedes-Benz LKW (Werk Wörth)52
____________ 51 52
Vgl. Pyzdek, 2003, S. 243. Ähnliche Abbildung vgl. Kottler (Vortrag "Lieferantenmanagement Werk Wörth", Februar 2008), S. 14; http://www.qm-karlsruhe.de/programm/files/public/1200556146/DGQ_20080211_Lieferantenmanagement. pdf; 20.12.2009. Wesentliche Bestandteile der Lieferantenentwicklung sind farblich hervorgehoben.
Einordnung, Definition und Perspektiven
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Der Automobilhersteller Audi AG unterscheidet die in der Abbildung unten illustrierten sechs Schritte im Rahmen seines strategischen Lieferantenmanagementprozesses. Lieferantenentwicklung bildet dabei einen wesentlichen Prozessschritt, der garantiert, dass Audi die besten Lieferanten zur Auswahl stehen. Neben der Entwicklung von Lieferanten vor der Lieferantenauswahlentscheidung betreibt Audi aber auch Lieferantenentwicklung im Zuge des Produktentwicklungsprozesses sowie während der Serienproduktion.53 Mögliche Aktivitäten der Lieferantenentwicklung reichen von der Vorgabe von Verbesserungszielen bis hin zur aktiven Unterstützung durch Audi.54
Lieferantenscouting
Lieferantenbewertung
Lieferantenklassifizierung
Lieferantenentwicklung
Lieferantenauswahl
Lieferantenintegration
Fallbeispiel 3: Lieferantenmanagementprozess der Audi AG55
Wie die oben angeführten Beispiele illustrieren, stellt Lieferantenentwicklung auch in der unternehmerischen Praxis einen integralen Bestandteil eines systematischen Lieferantenmanagements dar.
2.1.2 Terminus und Perspektiven der Lieferantenentwicklung Ziele dieses Kapitels sind die terminologische Präzisierung von Lieferantenentwicklung im Allgemeinen und die Ableitung eines Verständnisses für strategische Lieferantenentwicklung im Speziellen. Hierzu werden zunächst die Elemente einer verbreiteten Definition von Lieferantenentwicklung analysiert. Anschließend werden wesentliche Perspektiven der Lieferantenentwicklung aufgezeigt. Aufbauend auf diesem Verständnis wird das dieser Arbeit zu Grunde liegende Verständnis von strategischer Lieferantenentwicklung expliziert. Wie bei anderen wissenschaftlichen Begrifflichkeiten auch existiert in der wissenschaftlichen Literatur kein konsistentes Verständnis von Lieferantenentwicklung. Eine häufig zitierte Definition stammt von Krause und Ellram, die Lieferantenentwicklung als "[…] any effort of a buying firm with a supplier to increase its performance and/or capabilities and meet the buying firm’s short and/or long-term supply needs"56 definieren. Obwohl die Definition breit angelegt ist, arbeitet sie entscheidende Elemente der Lieferantenentwicklung heraus: •
Lieferantenentwicklung geht als "any effort of a buying firm" auf eine Anstrengung – zumindest aber auf die Initiative – des Abnehmers zurück. Dies schließt eigene Verbes____________ 53
Hofbauer et al., 2009, S. 88. Hofbauer et al., 2009, S. 38. 55 Abbildung vgl. Hofbauer et al., 2009, S. 35. Lieferantenentwicklung ist farblich hervorgehoben. 56 Krause und Ellram, 1997b, S. 39. 54
18
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis serungsmaßnahmen des Lieferanten expressis verbis aus der Definition aus, lässt aber offen, wie groß der Aufwand auf Abnehmerseite ist. •
Scheinbar trivial, beschreibt Lieferantenentwicklung gemeinsame Aktivitäten "with a supplier". Damit wird die lieferantenspezifische Facette von Lieferantenentwicklung unterstrichen, es geht also um die Entwicklung eines einzelnen Lieferanten.
•
Lieferantenentwicklung wirkt sich zunächst auf den Lieferanten aus, Ziel ist "to increase its performance and/or capabilities". Damit bezweckt Lieferantenentwicklung sowohl die (kurzfristige) Steigerung der Lieferantenleistung, etwa in puncto Zeit, Qualität oder Kosten als auch die (langfristige) Verbesserung der Fähigkeiten des Lieferanten.
•
Ultimatives Ziel der Lieferantenentwicklung ist es aber, "the buying firm's short and/or long-term supply needs" zu erfüllen. Lieferantenentwicklung ist kein Selbstzweck, sondern dient der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers.
Für ein vertieftes Verständnis für Lieferantenentwicklung bietet sich die Betrachtung des Sujets aus verschiedenen Perspektiven an. In Anlehnung an die Typologisierung von Wagner und Boutellier lassen sich drei Perspektiven differenzieren:57 1. Art des Lieferanten (existierender vs. neuer Lieferant) 2. Motivation des Abnehmers (reaktiver vs. proaktiver Ansatz) 3. Rolle des Abnehmers (indirekte vs. direkte Lieferantenentwicklung) Ad 1. Lieferantenentwicklung kann sich auf die Schaffung von neuen Bezugsquellen beziehen. In diesem Fall sind in der Literatur die Begriffe "reverse marketing"58 oder "narrow perspective"59 gebräuchlich. Alternativ konzentrieren sich Lieferantenentwicklungsaktivitäten auf bereits existierende Lieferanten, etwa auf die kurzfristige Verbesserung von Zeit, Qualität und Kosten bzw. auf die langfristige Entwicklung der Lieferantenfähigkeiten. In diesem Fall werden auch die Termini "Lieferantenförderung"60 oder "broader perspective"61 verwendet. Ad 2. Lieferantenentwicklung kann vor dem Hintergrund eines konkreten und in aller Regel dringlichen Problems beim Lieferanten initiiert werden. Ein Beispiel sind Qualitätsprobleme beim Lieferanten, die zu Verzögerungen in der Produktion des Abnehmers führen. In der Literatur wird diese Art der Lieferantenentwicklung als reaktiv bezeichnet.62 In der Praxis wird häufig von "firefighting" gesprochen. Wird Lieferantenentwicklung im Gegensatz dazu syste____________ 57
Vgl. Wagner und Boutellier, 2003, S. 55-56. Vgl. das gleichnamige Buch von Leenders und Blenkhorn, 1988, sowie Fußnote 42. 59 Hahn et al., 1990, S. 3. 60 Wagner und Boutellier, 2003, S. 56. Hingegen grenzen Corsten und Hofstetter Lieferantenförderung von Lieferantenentwicklung ab. Letztere hat nach ihrem Verständnis den Aufbau neuer Lieferantenbeziehungen zum Ziel. Unter Lieferantenförderung verstehen sie hingegen die "[a]ktive Unterstützung des Lieferanten durch die nachfragende Unternehmung. Hierbei kann es sich um die Vermittlung von organisatorischem und/oder technischem Wissen, Personalschulung bis hin zu Kreditgewährung handeln." Corsten und Gössinger, 2008, S. 482. 61 Hahn et al., 1990, S. 3. 62 Vgl. Krause et al., 1998, S. 45. 58
Einordnung, Definition und Perspektiven
19
matisch und vorausschauend zur planvollen Entwicklung von Lieferanten eingesetzt, wird dies als strategischer Ansatz bezeichnet.63 Ad 3. Nimmt der Abnehmer eine passive Rolle bei der Entwicklung des Lieferanten ein, unterstützt den Lieferanten also nicht aktiv bei der Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen, wird dies als indirekte Lieferantenentwicklung bezeichnet. 64 Der Abnehmer gibt also beispielsweise lediglich Verbesserungsziele vor, erhöht den Wettbewerbsdruck auf den Lieferanten durch Dual oder Multiple Sourcing oder setzt Anreize durch Lieferantenauszeichnungen. Spielt der Abnehmer eine aktive Rolle, bringt also selbst Ressourcen in Form von Personal oder Kapital ein, wird in der Literatur von direkter Lieferantenentwicklung65 oder in Anlehnung an die Transaktionskostentheorie von transaktionsspezifischen Investitionen des Abnehmers in den Lieferanten gesprochen.66 Exemplarisch seien hierfür Aktivitäten wie die Schulung von Lieferantenmitarbeitern, die Beratung des Lieferanten, die temporäre Überlassung von Personal oder finanzielles Engagement im Rahmen gemeinsamer Investitionen genannt. Ähnlich argumentieren Krause et al., wenn sie in Anlehnung an das Internalisierungs-/ Externalisierungs-Modell von Buckley und Casson Lieferantenentwicklungsaktivitäten in "externalized" und "internalized" differenzieren.67 Im Fokus dieser Arbeit steht die strategische Entwicklung von Lieferanten. Es geht also nicht um Lieferantenentwicklung per se sondern vielmehr "strategische". Durch diesen Zusatz sollen drei wesentliche Aspekte ergänzend zum Ausdruck gebracht werden: •
Antizipation: Strategische Lieferantenentwicklung erfolgt auf Basis einer bewussten Auswahl geeigneter bestehender und/oder neuer Lieferanten. Damit wird eine rein reaktive Lieferantenentwicklung im Sinne einer (erzwungenen) Abnehmerreaktion aufgrund einer "Schlechtleistung" eines Lieferanten explizit aus dem Fokus ausgeschlossen. Trotzdem soll der Argumentation Mintzbergs und Waters folgend das planerische Moment im Rahmen strategischer Lieferantenentwicklung nicht überbetont werden.68
•
Wettbewerbsfähigkeit: Strategische Lieferantenentwicklung zielt auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers im Sinne einer stärkeren Differenzierung und/oder verbesserter Kosten. Damit wird neben der rein beschaffungsorientierten Zielsetzung auch die Relevanz der strategischen Lieferantenentwicklung für die Unternehmensstrategie unterstrichen.
____________ 63
Vgl. Krause et al., 1998, S. 45. Vgl. hierzu auch die in dieser Arbeit durch die Fokussierung auf "strategische" Lieferantenentwicklung akzentuierten Aspekte. 64 Vgl. Monczka et al., 1993, S. 50. 65 Vgl. Monczka et al., 1993, S. 50. 66 Vgl. Krause, 1999, S. 214. 67 Vgl. Krause et al., 2000, S. 36-37. 68 Mintzberg und Waters argumentieren, Strategien seien weder rein geplant noch völlig emergent, sondern vielmehr auf einem Kontinuum zwischen beiden Polen zu verorten: "Our conclusion is that strategy formation walks on two feet, one deliberate, the other emergent." Mintzberg und Waters, 1985, S. 271.
20
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis •
Nachhaltigkeit: Strategische Lieferantenentwicklung bezweckt eine Verbesserung von Leistung und/oder Fähigkeiten statt einer einseitigen Weitergabe von Kostendruck durch den Abnehmer. Ziel ist ein "win-win" für beide Seiten. Davon bleibt die Fristigkeit der Maßnahmen allerdings unberührt – auch strategische Lieferantenentwicklung kann zu kurzfristig spürbaren Verbesserungen führen.
Zusammenfassend lässt sich das dieser Arbeit zu Grunde liegende Verständnis von strategischer Lieferantenentwicklung in Anlehnung an die oben angeführte Definition von Krause und Ellram69 wie folgt formulieren: Strategische Lieferantenentwicklung bezeichnet die antizipative und nachhaltige Verbesserung der Leistung und/oder Fähigkeiten von Lieferanten durch den Abnehmer zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers. Eine Operationalisierung dieser Definition findet sich in Unterkapitel 4.3.2.
2.1.3 Methodik und Grundlagen des Literaturreviews Ziel dieses Unterkapitels ist die Erläuterung von Methodik und Grundlagen des in den folgenden Unterkapiteln dargestellten Literaturreviews zur Lieferantenentwicklung. Hierzu werden zunächst Zielsetzung und Methodik des durchgeführten Reviews erläutert. Im Anschluss wird ein Überblick über die ausgewertete Literatur gegeben. Abschließend wird ein Bezugsrahmen entwickelt, der wesentlichen Elemente und grundsätzliche Wirkungszusammenhänge der Lieferantenentwicklung strukturiert und als Grundlage für die inhaltlichen Auswertungen dient. Untersuchungseinheit des Literaturreviews bilden auf großzahligen Erhebungen basierende Publikationen zur Lieferantenentwicklung bis einschließlich 2009 (im Folgenden vereinfacht "umfragebasiert" genannt). Ziel ist die Beantwortung folgender Fragen: •
Welche umfragebasierten Befunde zur Lieferantenentwicklung liegen aktuell vor?
•
Welche inhaltlichen, theoretischen und methodischen Schwerpunkte weisen die Befunde auf?
•
Welche Lücken in der umfragebasierten Forschung zur Lieferantenentwicklung lassen sich identifizieren?
Für den Literaturüberblick wird bewusst die Methodik eines Reviews und keine Metastudie gewählt. Denn während Metastudien auf eine Effektgrößeneinschätzung fokussieren, ist das Ziel des Überblicks die Herausarbeitung der in umfragebasierten Untersuchungen gesetzten inhaltlichen, theoretischen und methodischen Schwerpunkte. Des Weiteren soll ein möglichst umfassender Überblick gegeben werden. Im Gegensatz dazu sind Metaanalysen häufig nicht umfassend, da Arbeiten aufgrund kleiner Grundgesamtheit oder fehlender Daten ausgeschlos____________ 69
Vgl. S. 17, bzw. Krause und Ellram, 1997b, S. 39.
Einordnung, Definition und Perspektiven
21
sen werden müssen. Das Vorgehen für das Literaturreview orientiert sich an dem Vorschlag von Cooper und Hedges:70 1. Problemformulierung: Während dieser Phase wird die zu beantwortende Fragestellung ausformuliert, abgegrenzt und präzisiert. Die der Untersuchung zu Grunde liegenden Fragen wurden oben erläutert. 2. Literatursuche: Innerhalb dieser Phase wird die für die Fragestellung relevante Literatur recherchiert. Hierzu wurden insgesamt 15 wichtige deutsche71 und angloamerikanische72 Zeitschriften, die schwerpunktmäßig Beiträge zu den Bereichen Supply Management, Supply Chain Management und Operations publizieren, ausgewertet. Ergänzt wurde diese systematische Analyse durch eine umfangreiche Recherche nach dem Schneeballverfahren. Trotz dieser aufwändigen Recherche erhebt der Autor nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. 3. Literaturauswertung: Diese Phase zielt darauf ab, die identifizierte Literatur in Bezug auf ihre Relevanz zu überprüfen, sie zu verarbeiten und geeignet zu systematisieren. Auf Basis einer individuellen Prüfung der Artikel wurden zunächst unpassende Publikationen ausgeschlossen. Daraus resultierten insgesamt 35 als relevant eingestufte Arbeiten. Für jede der 35 Publikationen wurde anschließend eine Zusammenfassung im Hinblick auf wesentliche Inhalte, verwendete Theorien und eingesetzte Methodik angefertigt. 4. Analyse, Interpretation und Aufbereitung: Innerhalb dieser Phase sind die Ergebnisse der Phase 3 vor dem Hintergrund der Problemformulierung zu untersuchen, zu bewerten und aufzubereiten. Die Ergebnisse sind in Unterkapitel 2.2 zusammengefasst. Die Basis für das Literaturreview bilden also insgesamt 35 umfragebasierte wissenschaftliche Arbeiten zur Lieferantenentwicklung. Abbildung 4 fasst diese nach Publikationsdatum geordnet zusammen.
____________ 70
Vgl. Cooper und Hedges, 1994, S. 9-12. Folgende Zeitschriften bzw. deren Vorgänger wurden geprüft: (1) Die Betriebswirtschaft, (2) Logistik Management, (3) Supply Chain Management, (4) Zeitschrift für Betriebswirtschaft, (5) Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung. 72 Folgende Zeitschriften bzw. deren Vorgänger wurden geprüft: (1) Decision Sciences, (2) International Journal of Logistics Management, (3) International Journal of Logistics: Research and Applications, (4) International Journal of Physical Distribution & Logistics Management, (5) Journal of Business Logistics, (6) Journal of Operations and Production Management, (7) Journal of Operations Management, (8) Journal of Purchasing & Supply Management, (9) Supply Chain Management: An International Journal, (10) The Journal of Supply Chain Management. 71
22
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis 14
9 8
3 1 Bis 1989
1990-1994
1995-1999
2000-2004
2005-2009
Abbildung 4: Umfragebasierte Publikationen nach Publikationsdatum73
Obwohl Abbildung 4 nur umfragebasierte Publikationen zeigt, deuten sich dennoch zwei Punkte an. Erstens spielt Lieferantenentwicklung in der wissenschaftlichen Literatur bis zum Ende der 80er Jahre quasi keine Rolle. Zwar wurde die erste Arbeit zur Lieferantenentwicklung bereits 1966 von Leenders veröffentlicht,74 das Thema dann jedoch erst wieder Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre in der wissenschaftlichen Literatur vornehmlich unter Qualitätsmanagementgesichtspunkten aufgegriffen.75 Zweitens deutet der steile Anstieg umfragebasierter Publikationen in jüngster Vergangenheit auf ein inzwischen signifikantes Interesse am Thema hin. Um ein besseres Verständnis für die als Basis für das Literaturreview verwendeten Publikationen zu bekommen, fasst Tabelle 1 wesentliche Informationen für jede der 35 Publikationen zusammen: •
Quelle: Autor(en) und Publikationsjahr.
•
Datenbasis: Stichprobe und Grundgesamtheit sowie Zusatzinformationen über ergänzende Fallstudien oder Ähnliches.
•
Land: Land, aus dem die befragten Unternehmen stammen.
•
Industrie: Industrie, in der die befragten Unternehmen aktiv sind.
•
Perspektive: Rolle, in der die befragten Unternehmen interviewt wurden (als Abnehmer oder Lieferant). Wenige Arbeiten sind dyadisch angelegt, befragten also sowohl Abnehmer als auch Lieferanten.
____________ 73
Eigene Darstellung. Vgl. Leenders, 1966. Allerdings verweisen Krause et al. darauf, dass die Praxis der Lieferantenentwicklung bereits 1928 von Seltzer für den Automobilhersteller Ford dokumentiert wurde, vgl. Krause et al., 2007, S. 529. 75 Vgl. Wagner und Boutellier, 2003, S. 54. 74
Einordnung, Definition und Perspektiven Quelle Lee et al., 2009 Sánchez-Rodríguez, 2009 Wagner und Krause, 2009 Blonska et al., 2008 Carr et al., 2008 Oh und Rhee, 2008 Carr und Kaynak, 2007 Krause et al., 2007 Li et al., 2007 Modi und Mabert, 2007 Wagner, 2006a Wagner, 2006b Sánchez-Rodríguez et al., 2005 Wagner, 2005 Helper und Kiehl, 2004 Humphreys et al., 2004 Wen-li et al., 2003 Krause und Scannell, 2002 Quayle, 2002
De Toni und Nassimbeni, 2000 Forker und Stannack, 2000
Handfield et al., 2000 Krause et al., 2000 Forker et al., 1999 Krause, 1999 Krause et al., 1999 Krause et al., 1998 New und Burnes, 1998 Krause, 1997 Krause und Ellram, 1997a Krause und Ellram, 1997b Monczka et al., 1993 Watts und Hahn, 1993 Lascelles und Dale, 1989 Lascelles und Dale, 1990
23
Datenbasis 175 aus 758 (23%) 306 aus 1.200 (26%) 65 aus 251 (26%) 185 aus 254 (73%) 166 aus 1.000 (17%), Teil einer größeren Studie 94 aus 231 (41%) 223 aus 1.000 (22%) 374 aus 1.500 (25%) sowie 75 Lieferanten 142 aus 450 (32%) 114 aus 1.900 (6%) 60 aus 251 (24%)
Industrie Elektronikhersteller Übergreifend Übergreifend Übergreifend Übergreifend
Land Hongkong Spanien Europa Unklar USA
Perspektive Abnehmer Abnehmer Abnehmer Lieferant Abnehmer
Automobilzulieferer Übergreifend Übergreifend
Südkorea USA USA
Lieferant Abnehmer Dyadisch76
Elektronikhersteller Übergreifend Übergreifend
Abnehmer Abnehmer Abnehmer
173 aus 691 (25%), zusätzlich Fallstudien 306 aus 1,200 (26%)
Übergreifend
Hongkong USA GER, AUT, CH GER, AUT, CH Spanien
60 aus 251 (24%)
Übergreifend
27 aus k.A., zusätzlich eine Fallstudie 142 aus 450 (32%) 142 aus 450 (32%) 512 aus 1.504 (34%) 240 aus 400 (60%), alle Unternehmen <200 Mitarbeiter 52 aus 87 (60%)
Übergreifend
GER, AUT, CH USA
Elektronikhersteller Elektronikhersteller Übergreifend Übergreifend
Hongkong Hongkong USA UK
Abnehmer Abnehmer Abnehmer Als Abnehmer & Lieferant befragt
Italien
Abnehmer
USA
Dyadisch
Primär USA
Abnehmer
USA USA USA USA Primär USA
Abnehmer Dyadisch Abnehmer Lieferant Abnehmer
UK USA USA
Als Abnehmer & Lieferant befragt Abnehmer Abnehmer
USA USA
Abnehmer Abnehmer
USA UK
Abnehmer Lieferant
Übergreifend
Elektronikhersteller, Maschinenbau 384 aus 769 (50%), Abneh- Übergreifend mer-Lieferantenpaare bei zwei Abnehmern 84 aus 200 (42%), Studien- Übergreifend reihe, zusätzlich Fallstudien 322 aus 1.504 (21%) Übergreifend 181 aus 421 (43%) Elektronikhersteller 527 aus 1.504 (35%) Übergreifend k.A. (47%) Übergreifend 84 aus 210 (40%), BenchÜbergreifend markingzirkel 53 aus k.A., daraus 223 Übergreifend Initiativen 527 aus 1.504 (35%) Übergreifend 93 aus 350 (27%), Teil einer Übergreifend größeren Studie 527 aus 1.504 (35%) Übergreifend Knapp 200 aus k. A., zusätz- Übergreifend lich Fallstudien 81 aus 500 (16%) Übergreifend Automobilzulieferer 300 aus k.A., zusätzlich Beobachtungen und Interviews
Abnehmer Abnehmer Abnehmer Lieferant
Tabelle 1: Ausgewertete umfragebasierte Publikationen zur Lieferantenentwicklung
____________ 76
Allerdings verweisen Krause et al., 2007, lediglich auf 75 Lieferantenbefragungen, verarbeiten diese aber nicht.
24
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
Eine Diskussion der in Tabelle 1 dargestellten Parameter findet im Zuge der Gesamtauswertung in Unterkapitel 2.2 statt. An dieser Stelle soll nur noch festgehalten werden, dass den 35 Publikationen nur 25 Umfragen zu Grunde liegen, weil einige Studien als Grundlage für mehr als eine Publikation verwendet wurden. So dient beispielsweise die umfangreiche Umfrage unter 527 NAPM-Mitgliedern77 allein fünf Artikeln als Datenbasis (vgl. Krause, 1997, Krause und Ellram, 1997b, Krause, 1999, Krause et al., 2000, sowie Krause und Scannell, 2002). Die Analyseeinheit für die Auswertungen in Unterkapitel 2.2 bildet trotzdem die einzelne Publikation, weil Inhalte und teilweise Methodik auch bei Artikeln mit gleicher empirischer Basis unterschiedlich sind. In der Literatur werden abhängig vom zu Grunde liegenden Begriffsverständnis, dem Umfang und Fokus der jeweiligen Untersuchung unterschiedliche Bezugsrahmen für Lieferantenentwicklung vorgeschlagen.78 Allerdings deckt keiner dieser Vorschläge alle aus Sicht des Autors relevanten Elemente und Wirkungszusammenhänge der Lieferantenentwicklung ab. Daher wurde auf Basis einer intensiven Literaturrecherche der in Abbildung 5 dargestellte Bezugsrahmen entwickelt. Dieser wurde anschließend in zwei mehrstündigen Workshops mit acht Doktoranden bzw. fünf Industrievertretern sowie zwei Expertengesprächen mit einem Einkaufsleiter und einem Leiter Lieferantenentwicklung getestet und verfeinert. Rahmenbedingungen Umfeldbezogen • Technologische Unsicherheit • Wettbewerbsintensität • … Beziehungsbezogen • Macht/Abhängigkeit • Verteilung Methodenkompetenz • … Unternehmensbezogen (Abnehmer/Lieferant) • Unternehmensgröße • Ressourcenausstattung • …
Erfolgsfaktoren • Effektive Kommunikation • Partnerschaftlicher Ansatz • …
Lieferantenentwicklung
Auswirkungen Lieferant
Auswirkungen Abnehmer
• Indirekt (z.B. Feedback und Zielvorgaben) • Direkt (z.B. Schulung von Lieferantenmitarbeitern)
• Leistung (z.B. Zeit, Qualität, Kosten) • Fähigkeiten • Beziehung Lieferant/ Abnehmer
• Leistung (z.B. Zeit, Qualität, Kosten) • Unternehmensperformance • Beziehung Abnehmer/Lieferant
Verteilung der Ergebnisse zwischen Abnehmer und Lieferant • Gemäß Machtverhältnis • Gleichverteilung (50:50)
•…
Abbildung 5: Bezugsrahmen für das Literaturreview79
Die wesentlichen Elemente und grundsätzlichen Wirkungszusammenhänge des Bezugsrahmens sind wie folgt definiert: ____________ 77
NAPM = National Association of Purchasing Management, inzwischen ISM = Institute for Supply Management. 78 Vgl. exemplarisch Carr et al., 2008, S. 901, Li et al., 2007, S. 233, oder Modi und Mabert, 2007, S. 46. 79 Eigene Darstellung.
Stand der empirischen Forschung
25
Die Rahmenbedingungen bilden die umfeld-, beziehungs- und unternehmensbezogenen Leitplanken für Lieferantenentwicklungsaktivitäten. Exemplarisch seien in diesem Zusammenhang Einflussfaktoren wie die Wettbewerbsintensität auf dem Markt des Abnehmers, die Machtverteilung zwischen Abnehmer und Lieferant sowie die Ressourcenausstattung des Abnehmers genannt. Die Rahmenbedingungen wirken auf die Lieferantenentwicklung des Abnehmers und zwar sowohl auf die Art der durchgeführten Lieferantenentwicklungsaktivitäten als auch auf deren Intensität. Dabei können indirekte Aktivitäten, wie die Vorgabe von Verbesserungszielen durch den Abnehmer, von direkten Aktivitäten, wie der Schulung von Lieferantenmitarbeitern durch den Abnehmer, unterschieden werden. Die Lieferantenentwicklung hat zunächst Auswirkungen auf den Lieferanten. Beispielsweise können durchgeführte Prozessverbesserungen die Lieferzeiten verkürzen und/oder die Kosten senken. Dabei spielen Erfolgsfaktoren eine Rolle, wie zum Beispiel eine effektive Kommunikation zwischen Abnehmer und Lieferant. Verbesserungen beim Lieferanten haben wiederum Auswirkungen auf den Abnehmer. Etwa in Form von Preissenkungen seitens des Lieferanten oder verkürzten Bestell- und Lieferzeiten. Wichtige Einflussgröße in diesem Kontext ist die Aufteilung der Ergebnisse zwischen Abnehmer und Lieferant aus den durchgeführten Lieferantenentwicklungsaktivitäten. In Summe erlaubt der entwickelte Bezugsrahmen eine systematische Zuordnung der in den untersuchten Publikationen geprüften Hypothesen zu den einzelnen Elementen. Er bildet damit die Struktur für die inhaltlichen Auswertungen in Unterkapitel 2.2.
2.2 Stand der empirischen Forschung 2.2.1 Aktivitäten, Verbreitung und Erfolgswirkungen von Lieferantenentwicklung Ziel dieses Unterkapitels ist es, einen Überblick über großzahlig-empirisch fundierte Erkenntnisse zu Lieferantenentwicklungsaktivitäten sowie deren Verbreitung und Erfolgswirkung zu geben. Hierzu wird zunächst das breite Spektrum an Lieferantenentwicklungsaktivitäten aufgezeigt. Zudem werden empirisch fundierte Segmentierungsmöglichkeiten vorgestellt sowie Interdependenzen zwischen verschiedenen Arten der Lieferantenentwicklung benannt. Anschließend wird auf die Verbreitung von Lieferantenentwicklung in der unternehmerischen Praxis eingegangen. Abschließend werden die Erkenntnisse zur Erfolgswirkung von Lieferantenentwicklung für Lieferant und Abnehmer zusammengefasst.
Lieferantenentwicklungsaktivitäten: Überblick, Segmentierung und Interdependenzen Wie in Unterkapitel 2.1.2 bereits erwähnt, ist der Terminus Lieferantenentwicklung nicht einheitlich definiert. So ordnet beispielsweise Wagner in seiner Dissertation nur direkte Maßnah-
26
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
men der Lieferantenentwicklung zu.80 Hinzu kommt, dass viele Artikel eine eigene Nomenklatur entwickeln, die eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschwert. So sprechen Humphreys et al. von transaktionsspezifischer Lieferantenentwicklung,81 meinen damit aber neben den typischerweise unter dieser Begrifflichkeit subsumierten Aktivitäten der direkten Lieferantenentwicklung auch weitere Aktivitäten wie die Erhöhung der Leistungsziele des Lieferanten, welche die meisten anderen Autoren der indirekten Lieferantenentwicklung zuordnen.82 Eine Konkretisierung des jeweiligen Verständnisses von Lieferantenentwicklung stellen die in den meisten Artikeln vollständig oder auszugsweise abgedruckten Fragebögen dar. Auf dieser Basis lassen sich "häufig", "manchmal" oder nur "vereinzelt" abgefragte Lieferantenentwicklungsaktivitäten herausarbeiten und einer der Arten der Lieferantenentwicklung – indirekt oder direkt83 – zuordnen, vgl. Tabelle 2. Die Zuordnung der Aktivitäten zu indirekter bzw. direkter Lieferantenentwicklung erfolgte auf Basis des Verständnisses der Autoren, die sich nicht mit allen Arbeiten deckt. Art der Lieferantenentw. Indirekt
Direkt (Personal)
Direkt (Kapital)
Häufigkeit im Sinne Anteil der Publikationen, die diese Aktivitäten via Fragebogen prüfen Häufig (>30%) Manchmal (10-30%) Vereinzelt (<10%) • Lieferantenbewertung inkl. Feedback • Auszeichnung von Lieferanten • Zertifizierung von Lieferanten • Schaffung/Erhöhung Wettbewerbsdruck • Schulung von Lieferantenmitarbeitern • Vor-Ort-Besuche beim Lieferanten • Einladung des Lieferanten zu Vor-Ort-Besuchen Transfer von Mitarbeitern zum Lieferanten • Technische Unterstützung des Lieferanten • Finanzielle Unterstützung des Lieferanten z.B. bei Investitionen
• Vorgabe/Verschärfung von Zielen • Setzen von Anreizen (z.B. durch Inaussichtstellung von künftigem Geschäft) • Auditierung von Lieferanten • Erstellung präziser Spezifikationen • Einbindung des Lieferanten in den Abnehmer-Produktentwicklungsprozess • Gemeinsame Prozessoptimierung • Beratung des Lieferanten
• Qualität als Kriterium für Lieferantenauswahl • Kommunikation der eigenen strategischen Ziele • Abhalten von Lieferantentagen • …
• Finanzierung von Werkzeugen oder Ähnlichem
• Finanzielle Beteiligung an Lieferantenunternehmen • …
• Engagement des Abnehmers in der Produktentwicklung des Lieferanten • Unterstützung des Lieferanten beim Markteintritt • Dezidiertes Lieferantenentwicklungsteam • …
Tabelle 2: Operationalisierung des Terminus Lieferantenentwicklung in Fragebögen84
____________ 80
Vgl. Wagner, 2001, S. 212. Vgl. Humphreys et al., 2004, S. 142. 82 Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen und unterschiedlich verwendeten Begrifflichkeiten gilt für die Zusammenfassung der in den Tabellen 2-9 aufgeführten Studienergebnisse: Die von den jeweiligen Autoren verwendete Nomenklatur wird beibehalten. Allerdings wird durch Beispiele versucht, dem Leser jeweils ein Verständnis von der konkreten Bedeutung der Begrifflichkeiten zu vermitteln. 83 Direkte Lieferantenentwicklung wird nach Art der vom Abnehmer eingebrachten Ressourcen in Anlehnung an Wagner nochmals in Personal bzw. Kapital differenziert, vgl. Wagner, 2006b, S. 560. 84 Eigene Darstellung. 81
Stand der empirischen Forschung
27
Unterschiede gibt es auch bei der Kategorisierung von Lieferantenentwicklungsaktivitäten. Grundsätzlich lässt sich allerdings die Tendenz erkennen, Lieferantenentwicklungsaktivitäten auf Basis des Aktivitätslevels des Abnehmers zu kategorisieren. Die Einteilung in direkte und indirekte Aktivitäten ist ein verbreitetes Beispiel. Andere Kriterien zur Differenzierung von Lieferantenentwicklungsaktivitäten sind die Art der vom Abnehmer eingebrachten Ressourcen (Personal vs. Kapital), die Umstände der Aktivität (ad hoc vs. systematisch/formal) oder die strategische Ausrichtung (reaktiv vs. proaktiv). Tabelle 3 gibt einen Überblick über empirisch fundierte Vorschläge zur Segmentierung von Lieferantenentwicklungsaktivitäten. Quelle
Datenbasis; Land; Industrie; Perspektive 65 aus 251 (26%); k.A.; Wagner und Krau- übergreifend; Abnehmerperspektive se, 2009
Wesentliche empirische Befunde
Verschiedene Lieferantenentwicklungsaktivitäten lassen sich drei Arten der Lieferantenentwicklung zuordnen: • Lieferantenbewertung und Feedback • Wissenstransfer • Austausch von Mitarbeitern (inkl. Schulung) Vier Arten der Lieferantenentwicklung wurden identifiziert: Li et al., 142 aus 450 (32%); 2007 Hongkong; Elektronik- • Transaktionsspezifische Aktivitäten, z.B. Schulungen hersteller; Abnehmer• Gemeinsame Aktionen, z.B. im Rahmen von Prozessverbesserungen perspektive • Leistungserwartungen, z.B. die Erhöhung der Ziele des Lieferanten • Gegenseitiges Vertrauen, z.B. in die Informationen des Lieferanten Wagner, 173 aus 691 (25%), zu- Zwei Dimensionen direkter Lieferantenentwicklung (personelle sowie finanzielle Unterstützung) und vier Dimensionen indirekter Lieferanten2006b sätzlich Fallstudien; entwicklung (ad hoc Bewertung, formale Bewertung, Bewertungssystem GER, AUT, CH; übergreifend; Abnehmerpers- sowie Kommunikation) wurden beobachtet. pektive Es lassen sich zwei grundsätzliche Ansätze der Lieferantenentwicklung Krause et 84 aus 210 (40%), differenzieren: al., 1998 Benchmarkingzirkel; primär USA; übergrei• Strategisch (systematisch, marktorientiert, langfristig) fend; Abnehmerperspek- • Reaktiv (erzwungen, problemfokussiert, kurzfristig) tive Lieferantenentwicklungsaktivitäten lassen sich gemäß dem Grad des Krause, 527 aus 1.504 (35%); 1997 USA; übergreifend; Ab- Commitments des Abnehmers in drei Ansätze unterscheiden: nehmerperspektive • Direktes Engagement, z.B. Vor-Ort-Besuche und Schulungen, aber auch formale Lieferantenbewertung sowie Leistungsfeedback • Anreizsetzung, z.B. Inaussichtstellung von künftigem Geschäft • Erzwungener Wettbewerb, z.B. durch den Einsatz von 2-3 Lieferanten je Produkt/Dienstleistung Tabelle 3: Befunde zur Segmentierung von Lieferantenentwicklungsaktivitäten85
Einige Autoren haben die Beziehung zwischen einzelnen Bestandteilen der Lieferantenentwicklung untersucht. Tendenziell gelten die verschiedenen Aktivitäten der Lieferantenentwicklung als miteinander kombinierbar. So schreiben Sánchez-Rodríguez et al.: "Thus, the results suggest that implementing one construct does not negatively impact another construct. For example, sourcing from a limited number of suppliers, providing suppliers with feedback on their performance, standardizing parts and components, and qualifying suppliers did not adversely affect moderate supplier development practices, such as rewarding and recognizing supplier’s performance improvements, visit____________ 85
Eigene Darstellung.
28
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis ing suppliers to assess their facilities, and collaborating with suppliers in materials improvement."86
Diese Ergebnisse passen zu dem in der Literatur etablierten prozessualen Verständnis von Lieferantenentwicklung.87 So bilden Aktivitäten der indirekten Lieferantenentwicklung wie eine formale Lieferantenbewertung in den meisten Prozessvorschlägen die Basis für direkte Lieferantenentwicklung, da nur so eine systematische Identifikation entwicklungswürdiger Lieferanten und Themen erfolgen kann. Hingegen argumentiert Wagner, Firmen müssten sich für eine Form der Lieferantenentwicklung entscheiden (direkt oder indirekt), da indirekte Lieferantenentwicklungsaktivitäten wie Zielvorgaben oder Schaffung von Wettbewerb nicht kompatibel seien mit direkter Lieferantenentwicklung, die auf Kooperation, Vertrauen und Commitment basiert. Gestützt wird diese Argumentation durch Umfrageergebnisse, die einen negativen Zusammenhang zwischen kombinierter direkter/indirekter Lieferantenentwicklung und Lieferantenleistung bzw. -fähigkeiten belegen.88 Quelle Modi und Mabert, 2007
Datenbasis; Land; Industrie; Perspektive 114 aus 1.900 (6%); USA; übergreifend; Abnehmerperspektive
Wesentliche empirische Befunde
Regelmäßige Bewertung und Zertifizierung von Lieferanten sowie die Inaussichtstellung von künftigem Geschäft wirken sich positiv auf operative Wissenstransferaktivitäten wie z.B. Schulungsprogramme oder VorOrt-Besuche aus. Der vermutete negative Zusammenhang zwischen der Ausübung von Wettbewerbsdruck auf den Lieferanten und operativen Wissenstransferaktivitäten wurde nicht bestätigt. Wagner, 173 aus 691 (25%), zu- Indirekte Lieferantenentwicklung (formale Bewertung, Bewertungssystem sowie Kommunikation; Ausnahme: ad hoc Bewertung) korreliert mit 2006b sätzlich Fallstudien; GER, AUT, CH; überbeiden Dimensionen von direkter Lieferantenentwicklung (personelle greifend; Abnehmerpers- sowie finanzielle Unterstützung). pektive Die drei differenzierten Grade der Lieferantenentwicklung – "basic, Sánchez- 306 aus 1.200 (26%); Rodríguez Spanien; übergreifend; moderate, advanced" – sind positiv miteinander korreliert, schließen sich also gegenseitig nicht aus. et al., 2005 Abnehmerperspektive Wagner, 60 aus 251 (24%); GER, Kombiniert wirken sich direkte und indirekte Lieferantenentwicklung 2005 AUT, CH; übergreifend; negativ sowohl auf Lieferantenfähigkeiten als auch Lieferantenleistung aus. (Für sich genommen wirkt sich direkte Lieferantenentwicklung Abnehmerperspektive jedoch positiv auf Lieferantenfähigkeiten, indirekte Lieferantenentwicklung positiv auf Lieferantenleistung aus.) Lieferantenbewertung und Anreize für Lieferanten (Ankündigung von Krause et 322 aus 1.504 (21%); al., 2000 USA; übergreifend; Ab- sofortigen Vorteilen oder künftigem Geschäft) sind wesentliche Voraussetzungen für direkte Lieferantenentwicklung. Für Wettbewerbsdruck nehmerperspektive (z.B. Dual oder Triple Sourcing) wurde dieser Zusammenhang nicht bestätigt. Tabelle 4: Befunde zu Zusammenhängen zwischen Lieferantenentwicklungsaktivitäten89
____________ 86
Sánchez-Rodríguez et al., 2005, S. 296. Vgl. z.B. den Prozess von Hartley und Jones, 1997, S. 27-29. 88 Vgl. Wagner, 2005, S. 317. 89 Eigene Darstellung. 87
Stand der empirischen Forschung
29
Verbreitung von Lieferantenentwicklung in der Praxis Umfassende Lieferantenentwicklung ist in der unternehmerischen Praxis bislang nur zu einem geringen Grad verbreitet. Zwar schreiben Watts und Hahn bereits 1993, Lieferantenentwicklungsprogramme seien "[…] more prevalent and less novel than is generally believed."90 In der Tat gaben 63 Prozent der in einer industrieübergreifenden Studie befragten US-Unternehmen an, ein aktives Lieferantenentwicklungsprogramm zu besitzen.91 Allerdings fällt auf, dass Lieferantenentwicklung immer dann weit verbreitet zu sein scheint, wenn relativ unspezifisch nach "Lieferantenentwicklungsprogrammen" gefragt wird. 92 Werden Unternehmensvertreter hingegen nach konkreten Aktivitäten gefragt, so ist deren Verbreitung meist deutlich geringer (vgl. Tabelle 5). Insbesondere bei direkter Lieferantenentwicklung scheinen die Unternehmen zurückhaltend zu sein. Und wenn es gar darum geht, neben personellen auch finanzielle Ressourcen aufzuwenden, geht das Engagement der meisten Unternehmen gegen null. So lag der Durchschnitt bei produzierenden Unternehmen in der Studie von Krause und Scannell für die Aktivität "Investment in the supplier's operation" bei 4,57, für Dienstleister sogar bei 4,80, wobei die Skala von "1 = Immer" bis "5 = Nie" definiert war.93 Dabei gibt es allerdings sehr deutliche Industrieunterschiede. Insbesondere die Automobilbranche wird oft als Vorreiter genannt, was auch in zahlreichen Fallstudien dokumentiert ist.94 Aber auch die Branchen Maschinenbau und Metallverarbeitung gelten als überdurchschnittlich aktiv in der Lieferantenentwicklung. Dagegen scheinen Unternehmen der Prozess- und Grundstoffindustrien im Schnitt unterdurchschnittlich aktiv zu sein.95 Unglücklicherweise ist die empirische Basis in diesem Bereich sehr dünn, weil bislang nur zwei Autoren dezidierte Industrievergleiche durchgeführt haben.96 Quelle
Datenbasis; Land; Industrie; Perspektive Oh und 94 aus 231 (41%); SüdRhee, 2008 korea; Automobilzulieferer; Lieferantenperspektive Wagner, 173 aus 691 (25%), zu2006b sätzlich Fallstudien; GER, AUT, CH; übergreifend; Abnehmerperspektive
Wesentliche empirische Befunde Direkte Lieferantenentwicklung ist der im Schnitt am wenigsten genutzte Typus der Zusammenarbeit (verglichen mit Kommunikation, Kollaboration bei der Neufahrzeugentwicklung, gemeinsamem Problemlösen sowie strategischer Beschaffung). Die Unternehmen sind im Schnitt sehr zurückhaltend in Bezug auf direkte Lieferantenentwicklung. Indirekte Lieferantenentwicklung wird etwas intensiver betrieben. Im Branchenvergleich liegen Automobil, Bau, Metallverarbeitung und Maschinenbau in beiden Dimensionen der direkten Lieferantenentwick-
____________ 90
Watts und Hahn, 1993, S. 17. Vgl. Watts und Hahn, 1993, S. 13. 92 Vgl. auch die Ergebnisse von Quayle, 2002. 93 Vgl. Krause und Scannell, 2002, S. 18. 94 Vgl. exemplarisch Sako, 2004, oder Rogers et al., 2007. 95 So dokumentieren Corsten und Hofstetter in einer Fallstudie die Anstrengungen von Sainsbury im Rahmen des Supplier Relationship Management. Maßnahmen der Lieferantenentwicklung reduzieren sich jedoch auf eine Lieferantenbewertung, also auf Aktivitäten der indirekten Lieferantenentwicklung. Vgl. Corsten und Hofstetter, 2001, 2001, S. 140-141. 96 Quayle, 2002, für Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern und Wagner, 2006b. 91
30
Sánchez- 306 aus 1.200 (26%); Rodríguez Spanien; übergreifend; et al., 2005 Abnehmerperspektive Quayle, 2002
240 aus 400 (60%); UK; übergreifend, alle Unternehmen <200 Mitarbeiter; Unternehmen als Abnehmer und Lieferant befragt Krause und 512 aus 1.504 (34%); Scannell, USA; übergreifend; Abnehmerperspektive 2002
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis lung deutlich über dem Durchschnitt, wohingegen Unternehmen der Prozess- und Grundstoffindustrien unterdurchschnittlich aktiv sind. Die Nutzung von "basic" Lieferantenentwicklungsaktivitäten wie Leistungsfeedback für Lieferanten ist recht weit verbreitet. "Moderate" Praktiken wie Vor-Ort-Besuche werden weniger eingesetzt. "Advanced" Aktivitäten wie Schulungen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Im Schnitt geben 52% der Unternehmen an, ein Lieferantenentwicklungsprogramm zu haben. Dabei liegen Verpackung & Transport, Nahrungsmittel sowie Versorgung mit 80-90% weit vorne. Hingegen weisen High Tech, Chemie & Pharma und Baugewerbe nur 10-30% aus. Weniger als 30% der Unternehmen geben an, bei ihren Kunden in deren Lieferantenentwicklungsprogramme involviert zu sein. Lieferantenentwicklung variiert nach Unternehmenstyp und Strategie: • Produzierende Unternehmen setzen Lieferantenbewertung (inkl. Zertifizierung) "oft bis manchmal" ein, gefolgt von Anreizen für Lieferanten und direktem Engagement sowie Wettbewerbsdruck. • Dienstleister nutzen die genannten Strategien tendenziell weniger häufig (Ausnahme: Wettbewerbsdruck, der bei Dienstleistern bereits an Stelle zwei rangiert und im Schnitt "manchmal" eingesetzt wird). Die Wahrnehmung von Abnehmern und Lieferanten in Bezug auf die Nutzung von Lieferantenentwicklungsinstrumenten divergiert in vielen Fällen (so setzen Abnehmer bspw. in ihrer Wahrnehmung häufiger auf Lieferantenbewertung, Lieferanten sehen eher die Klarheit von Spezifikationen vorne). Ähnlich auch bei Forker et al., 1999. Lieferantenentwicklungsprogramme sind in der unternehmerischen Praxis nur zu einem geringen Grad umgesetzt (im Schnitt zwischen "eingeschränkt" und "etwas").
Forker und 384 aus 769 (50%), AbStannack, nehmer-Lieferanten2000 paare bei zwei Abnehmern; USA; übergreifend; dyadisch Krause et 84 aus 210 (40%), al., 1998 Benchmarkingzirkel; primär USA; übergreifend; Abnehmerperspektive Lieferantenentwicklung wird von den Unternehmen im Schnitt "manchKrause, 527 aus 1.504 (35%); 1997 USA; übergreifend; Ab- mal" betrieben, wobei einzelne Aktivitäten deutlich variieren (z.B. investieren die Unternehmen fast nie in den Betrieb der Lieferanten, geben nehmerperspektive aber oft Leistungsfeedback). Monczka et Knapp 200 aus k. A., Unternehmen geben Lieferanten zunehmend Ziele vor (1989 waren dies al., 1993 zusätzlich Fallstudien; 60%, 1992 bereits 83%) und schulen diese häufiger (1989 waren dies USA; übergreifend; Ab- 42%, 1992 bereits 63%). Weitergehende Lieferantenentwicklungsaktivinehmerperspektive täten werden nur wenig genutzt, Tendenz aber steigend (z.B. unterstützten 1989 erst 17% ihre Lieferanten mit eigenem Personal, waren es 1992 schon 37%). Unternehmen setzen im Schnitt nur in geringem bis moderatem Umfang Ressourcen für Lieferantenentwicklung ein. Die monetären Ausgaben für Lieferantenentwicklung bewegen sich oft nicht einmal im Promillebereich des Beschaffungsvolumens. Watts und 81 aus 500 (16%); USA; Lieferantenentwicklungsprogramme sind weiter verbreitet als vermutet: 63% der Befragten haben ein aktives Programm, bei 51% ist dieses orHahn, 1993 übergreifend; Abnehganisatorisch als permanente Einheit verankert. Allerdings haben 57% merperspektive davon das Programm erst seit maximal 4 Jahren, in 64% der Unternehmen sind nur maximal zehn Personen involviert und nur 10% geben an, dabei eine "breite Perspektive" an den Tag zu legen. Tabelle 5: Befunde zur Verbreitung von Lieferantenentwicklung in der Praxis97
____________ 97
Eigene Darstellung.
Stand der empirischen Forschung
31
Erfolgswirkungen von Lieferantenentwicklung Zunächst sollen die Auswirkungen von Lieferantenentwicklung auf den Lieferanten (im Gegensatz zum Abnehmer) untersucht werden. Dabei lassen sich drei Arten von Auswirkungen unterscheiden: 1. Lieferantenleistung, z.B. Verbesserungen in puncto Qualität, Kosten oder Lieferzeit, -service und -zuverlässigkeit. 2. Lieferantenfähigkeiten, z.B. die Verankerung von methodischem Wissen im Bereich Produktion (Lean Manufacturing, Six Sigma, Kaizen etc.). 3. Beziehung Lieferant-Abnehmer, z.B. im Sinne einer verbesserten Atmosphäre zwischen Abnehmer und Lieferant. Die skizzierten Auswirkungen sind allerdings keineswegs gleichwertig. Sowohl Quayle – für Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern – als auch Krause und Scannell sowie Watts und Hahn belegen empirisch, dass für Abnehmer die (kurzfristige) Verbesserung der Lieferantenleistung im Vergleich zur (langfristigen) Verbesserung der Lieferantenfähigkeiten im Vordergrund steht.98 Ad 1. Grundsätzlich stimmt die Mehrheit der empirischen Umfragen darin überein, dass sich Lieferantenentwicklung positiv auf die Leistung des Lieferanten auswirkt. Keine positive Beziehung zwischen direkter Lieferantenentwicklung und der Lieferantenleistung findet allerdings Wagner.99 Zudem wirken sich laut Wagner indirekte und direkte Lieferantenentwicklung kombiniert negativ auf die Lieferantenleistung aus.100 Mehrere Autoren weisen zudem darauf hin, dass die Ergebnisse der Lieferantenentwicklung zwar positiv beurteilt werden, allerdings noch Steigerungspotenzial besteht.101 Ad 2. Aktuell liegt erst eine einzige Studie vor, die den Zusammenhang zwischen Lieferantenentwicklung und einer Verbesserung der Lieferantenfähigkeiten explizit untersucht, auch wenn mehrere Autoren darauf Bezug nehmen.102 Diese stellt einen positiven Zusammenhang zwischen direkter Lieferantenentwicklung und Lieferantenfähigkeiten fest.103 Ad. 3. Wenige Studien prüfen den Zusammenhang zwischen Lieferantenentwicklung und der Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant. Diese bestätigen aber tendenziell einen positiven Zusammenhang. 104 Keinen positiven Zusammenhang zwischen direkter Lieferantenentwicklung und der Abnehmer-Lieferant-Beziehung kann allerdings Wagner feststellen.105 ____________ 98
Vgl. Quayle, 2002, S. 181, Krause und Scannell, 2002, S. 19, sowie Watts und Hahn, 1993, S. 15. Vgl. Wagner, 2005, S. 315 und Wagner, 2006a, S. 691. 100 Vgl. Wagner, 2005, S. 315. 101 Vgl. z.B. Watts und Hahn, 1993, S. 16. 102 Vgl. z.B. Krause und Scannell, 2002, S. 19. 103 Vgl. Wagner, 2005, S. 317. 104 Vgl. z.B. Humphreys et al., 2004, S. 136. 105 Vgl. Wagner, 2006a, S. 691. 99
32
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
In Summe sind die Auswirkungen von Lieferantenentwicklung auf den Lieferanten als tendenziell positiv zu beurteilen, vgl. Tabelle 6, wobei die Verbesserung der Lieferantenleistung im Vergleich zu den Fähigkeiten des Lieferanten für die Abnehmer klar im Vordergrund steht. Einschränkend ist zu bemerken, dass die zitierten Studien meist die Abnehmerperspektive einnehmen, die Lieferanten selbst also in diesem Zusammenhang nicht befragt wurden. Zudem berichten Rogers et al. auf Basis einer Fallstudie, dass die Identifikation von Problemen bzw. Lösungen häufig Lieferantenentwicklungsaktivitäten wie gemeinsamen Workshops zugeschrieben wurde, obwohl die Probleme bereits vorher bekannt und manchmal sogar bereits gelöst waren.106 Quelle
Datenbasis; Land; Industrie; Perspektive Carr et al., 166 aus 1.000 (17%), 2008 Teil einer größeren Studie; USA; übergreifend; Abnehmerperspektive Modi und 114 aus 1.900 (6%); USA; übergreifend; AbMabert, nehmerperspektive 2007
Wagner, 2006a
60 aus 251 (24%); GER, AUT, CH; übergreifend; Abnehmerperspektive
Wagner, 2005
60 aus 251 (24%); GER, AUT, CH; übergreifend; Abnehmerperspektive
Helper und 27 aus k.A., zusätzlich Kiehl, 2004 eine Fallstudie; USA; übergreifend; Lieferantenperspektive Humphreys 142 aus 450 (32%); et al., 2004 Hongkong; Elektronikhersteller; Abnehmerperspektive Krause et (47%); USA; übergreial., 1999 fend; Lieferantenperspektive
Krause et al., 1998
84 aus 210 (40%), Benchmarkingzirkel; primär USA; übergrei-
____________ 106
Vgl. Rogers et al., 2007, S. 568.
Wesentliche empirische Befunde Schulungen und gemeinsame Produktentwicklung wirken sich positiv auf die operative Lieferantenleistung (in puncto Qualität, Lieferzeit und Kosten) aus. Operative Wissenstransferaktivitäten (z.B. Schulungsprogramme) wirken sich positiv auf die Verbesserung der Lieferantenleistung (in puncto Zeit, Qualität/Kosten/Prozesse/Technologien) sowie die kollaborative Kommunikation (z.B. Kommunikationsfrequenz) aus. Kollaborative Kommunikation selbst wirkt sich ebenfalls positiv auf die Verbesserung der Lieferantenleistung aus. Indirekte Lieferantenentwicklung (z.B. Zielvorgaben) wirkt sich positiv auf die Lieferantenleistung (in puncto Produktqualität, Wiederbeschaffungszeit, Lieferservice und -zuverlässigkeit) sowie die Beziehung Abnehmer-Lieferant aus. Für direkte Lieferantenentwicklung wurde hingegen kein derartiger Zusammenhang festgestellt. Direkte Lieferantenentwicklung wirkt sich positiv auf die Lieferantenfähigkeiten (z.B. in puncto Produktentwicklung) aus. Ein Zusammenhang mit der Lieferantenleistung (Qualität, Wiederbeschaffungszeit, Service, Zuverlässigkeit) wurde nicht bestätigt. Indirekte Lieferantenentwicklung wirkt sich positiv auf die Verbesserung der Lieferantenleistung aus. Kombiniert wirken sich direkte und indirekte Lieferantenentwicklung negativ auf Lieferantenfähigkeiten und -leistung aus. Durch die Übernahme von typischen Lieferantenentwicklungsaktivitäten durch den Markt (z.B. externe Berater) unternehmen weniger Unternehmen derartige Transformationsanstrengungen und wenn, dann später sowie stärker fokussiert auf kurzfristige Ergebnisse. "Transaktionsspezifische" Lieferantenentwicklung (z.B. Bereitstellung von Kapital aber auch Verschärfung der Leistungsziele) wirkt sich positiv auf die Lieferantenleistung (in puncto Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Kosten) sowie die Beziehung Abnehmer-Lieferant aus. Das untersuchte "Minority Supplier Development"-Programm führt im Schnitt nur zu geringen Leistungsverbesserungen (in puncto Zeit, Qualität, Kosten). Dabei gibt es Unterschiede zwischen Lieferantengruppen (z.B. kleine/große). Anmerkung: Unter einem "minority supplier" wird ein Lieferant verstanden, der sich zu mindestens 51% im Besitz eines Angehörigen einer Minderheit (z.B. eines Afro-Amerikaners) befindet. Abnehmer, die einen strategischen Ansatz der Lieferantenentwicklung verfolgen, können tendenziell mit einem größeren Ressourceneinsatz ihrer Lieferanten rechnen als Abnehmer, die einen reaktiven Ansatz
Stand der empirischen Forschung fend; Abnehmerperspektive Krause und 527 aus 1.504 (35%); USA; übergreifend; AbEllram, nehmerperspektive 1997b
33
verfolgen.
Nicht alle Unternehmen sind gleich erfolgreich mit ihren Lieferantenentwicklungsaktivitäten. Abnehmer, die Lieferantenentwicklung erfolgreich betreiben, profitieren jedoch von einer verbesserten Lieferantenleistung (in puncto Qualität und Vollständigkeit der Bestellungen). Die Ergebnisse von Lieferantenentwicklung sind grundsätzlich positiv, Monczka et Knapp 200, zusätzlich al., 1993 Fallstudien; USA; über- aber es besteht noch Steigerungspotenzial. So verbessert sich die Liefegreifend; Abnehmerpers- rantenleistung nach der Lieferantenentwicklung (in puncto Qualität, Lieferpünktlichkeit, Wiederbeschaffungszeit, Kosten). pektive Watts und 81 aus 500 (16%); USA; Die Ergebnisse der Lieferantenentwicklung spiegeln die Zielsetzungen wider und sind insgesamt zufriedenstellend. Insbesondere die ÜbereinsHahn, 1993 übergreifend; Abnehtimmung der gelieferten Teile mit den Designvorgaben, der Anteil pünkmerperspektive tlicher und vollständiger Lieferungen sowie die Defektrate und Kosten wurden von den Abnehmern zufriedenstellend bewertet. Es besteht aber noch klares Verbesserungspotenzial. Tabelle 6: Befunde zur Auswirkung von Lieferantenentwicklung auf den Lieferanten107
Die Auswirkungen von Lieferantenentwicklung auf den Abnehmer sind ebenfalls vielfältig, dennoch lassen sie sich drei Arten zuordnen: 1. Abnehmerleistung, z.B. Verbesserungen in puncto Qualität oder Kosten. 2. Gesamtunternehmensperformance Abnehmer, z.B. Steigerung des Umsatzes oder des Reaktionsvermögens bei Änderungen im Markt des Abnehmers. 3. Beziehung Abnehmer-Lieferant, z.B. im Sinne einer verbesserten Atmosphäre zwischen Abnehmer und Lieferant. Ad 1. Die Veränderung der Abnehmerleistung im Sinne operativer Leistungsverbesserungen ist die mit Abstand am häufigsten untersuchte Auswirkung von Lieferantenentwicklung. Insgesamt stellt die Mehrheit der Studien einen positiven Zusammenhang fest. Dies ist eine äußerst wichtige Erkenntnis, legitimiert sie doch das Engagement von Unternehmen im Bereich Lieferantenentwicklung. Eine Ausnahme bildet die Arbeit von Li et al., die einen negativen Zusammenhang zwischen erhöhter Erwartungshaltung des Abnehmers durch Zielvorgaben oder Lieferantenauszeichnungen und der operativen Abnehmerleistung feststellen.108 Ad 2. Nur wenige Autoren untersuchen den Zusammenhang zur Gesamtunternehmensperformance. So stellen beispielsweise Humphreys et al. einen positiven Zusammenhang zwischen transaktionsspezifischer Lieferantenentwicklung109 und Wettbewerbsvorteilen des Abnehmers (etwa im Sinne einer Umsatzsteigerung) fest.110 Persönlich hält der Autor die Messung eines Zusammenhanges zwischen Lieferantenentwicklung und der Gesamtunternehmensperformance des Abnehmers allerdings für problematisch. Lieferantenentwicklung ist ein wesentlicher, aber eben nur ein einzelner Baustein eines systematischen Lieferantenmanagements.111 Inso____________ 107
Eigene Darstellung. Vgl. Li et al., 2007, S. 243. 109 Diese umfasst allerdings auch Aktivitäten der indirekten Lieferantenentwicklung. 110 Vgl. Humphreys et al., 2004, S. 136. 111 Vgl. Unterkapitel 2.1.1. 108
34
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
fern trägt Lieferantenentwicklung zwar zur Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers bei. Eine Messung des Einflusses auf Kenngrößen wie den Umsatz erscheint jedoch problematisch. Ad 3. Die Erkenntnisse entsprechen den bereits oben zusammengefassten Befunden. Drei Punkte fallen bei der Durchsicht der empirischen Ergebnisse zur Wirkung von Lieferantenentwicklung auf den Erfolg des Abnehmers auf. •
Erstens untersuchen die meisten Studien den direkten Zusammenhang zwischen Lieferantenentwicklungsaktivitäten und den Auswirkungen auf den Abnehmer. Sie folgen also nicht dem im Bezugsrahmen (vgl. Abbildung 5 oben) unterstellten Wirkungszusammenhang im Sinne einer indirekten Beziehung über die Auswirkungen auf den Lieferanten.112
•
Zweitens messen die Studien zwar die Auswirkungen, hinterfragen aber nicht parallel die Zielsetzung der Unternehmen. So muss beispielsweise das Fehlen einer Kostenverbesserung nicht notwendigerweise auf ein Versagen der Lieferantenentwicklung hindeuten, könnte doch beispielsweise exklusiv eine Verbesserung der Qualität im Fokus der Aktivitäten gestanden haben.
•
Drittens wird in keiner Studie der Frage nachgegangen, ob sich Lieferantenentwicklung, insbesondere direkte Lieferantenentwicklung, tatsächlich rechnet. Denn den Vorteilen, beispielsweise im Sinne reduzierter Kosten für Zukaufteile, müssen die Aufwendungen der Lieferantenentwicklung gegenübergestellt werden.
Quelle
Datenbasis; Land; Industrie; Perspektive Sánchez- 306 aus 1.200 (26%); Rodríguez, Spanien; übergreifend; Abnehmerperspektive 2009
Wesentliche empirische Befunde
Lieferantenentwicklung wirkt sich positiv auf die Einkaufsleistung des Abnehmers (z.B. in puncto Materialkosten und -qualität oder Zufriedenheit des internen Kunden) aus. Zudem mediiert Lieferantenentwicklung die Beziehung zwischen strategischem Einkauf und der Einkaufsleistung, wenn auch nur schwach. 65 aus 251 (26%); k.A.; Lieferantenentwicklung durch Wissenstransfer wirkt sich positiv auf die Wagner Zielsetzung des Abnehmers aus, die Leistung und Fähigkeiten von Liefeund Krau- übergreifend; Abnehranten zu verbessern. Ein ähnlicher Zusammenhang für Lieferantenentmerperspektive se, 2009 wicklung durch Lieferantenbewertung und Feedback wurde nicht bestätigt. Der Grad, zu dem Abnehmer und Lieferant Mitarbeiter austauschen, wirkt mediierend auf die Beziehung zwischen Lieferantenentwicklung durch Wissenstransfer und den Lieferantenentwicklungszielen des Abnehmers. Blonska et 185 aus 254 (73%); k.A.; Lieferantenentwicklung wirkt sich positiv auf die Beziehung des Liefeal., 2008 übergreifend; Lieferan- ranten zum Abnehmer aus. Allerdings wurde der vermutete Zusammenhang zwischen Lieferantenentwicklung und einem bevorzugten Status tenperspektive für den entwickelnden Abnehmer oder einer besonderen Anpassung des Lieferanten an diesen Abnehmer nicht bestätigt. Direkte Lieferantenentwicklung wirkt sich positiv auf die AbnehmerleisKrause et 374 aus 1.500 (25%) tung (in puncto Qualität, Lieferzeit/-zuverlässigkeit und Produktionsfleal., 2007 sowie 75 Lieferanten; USA; übergreifend; dya- xibilität) aus. Für Aktivitäten wie Lieferantenbewertung inkl. Feedback, die der indirekten Lieferantenentwicklung zugeordnet werden können, disch wurde kein derartiger Zusammenhang nachgewiesen.
____________ 112
Eine Ausnahme bildet Wagner, vgl. Wagner, 2005, und Wagner, 2006a.
Stand der empirischen Forschung Li et al., 2007
142 aus 450 (32%); Hongkong; Elektronikhersteller; Abnehmerperspektive
Carr und Kaynak, 2007
223 aus 1.000 (22%); USA; übergreifend; Abnehmerperspektive
Wagner, 2006a
60 aus 251 (24%); GER, AUT, CH; übergreifend; Abnehmerperspektive
Wagner, 2005
60 aus 251 (24%); GER, AUT, CH; übergreifend; Abnehmerperspektive
Sánchez- 306 aus 1.200 (26%); Rodríguez Spanien; übergreifend; et al., 2005 Abnehmerperspektive
35
Transaktionsspezifische Aktivitäten wie finanzielle Unterstützung wirken sich positiv auf die Reaktionsfähigkeit des Abnehmers aus. Ein Zusammenhang mit der operativen Abnehmerleistung (in puncto Qualität, Kosten) wurde nicht bestätigt. Zusammenarbeit bei Prozessverbesserungen und in der Produktentwicklung wirkt sich positiv auf die Verbesserung der operativen Abnehmerleistung aus. Die Erhöhung der Erwartungen durch Zielvorgaben sowie Lieferantenauszeichnungen wirkt sich negativ auf die operative Abnehmerleistung aus. Lieferantenentwicklung wirkt sich positiv auf die Verbesserung der Produktqualität aus. Ein Zusammenhang zwischen Lieferantenentwicklung und der finanziellen Leistung des Abnehmerunternehmens wurde hingegen nicht bestätigt. Die Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant, die durch indirekte Lieferantenentwicklungsaktivitäten positiv beeinflusst werden kann, wirkt sich positiv sowohl auf die Kostenführer- als auch Differenzierungsstrategie des Abnehmers aus. Für Leistungsverbesserungen beim Lieferanten wurde ein derartiger Zusammenhang nicht bestätigt. Die durch direkte Lieferantenentwicklung verbesserten Lieferantenfähigkeiten wirken sich positiv sowohl auf die Kostenführer- als auch Differenzierungsstrategie des Abnehmers aus. Die durch indirekte Lieferantenentwicklung verbesserte Lieferantenleistung wirkt sich positiv auf die Kostenführerstrategie des Abnehmers aus. Ein Zusammenhang mit der Differenzierungsstrategie wurde nicht bestätigt. Für sich betrachtet wirken sich die drei Grade der Lieferantenentwicklung ("basic, moderate, advanced") jeweils positiv auf die Einkaufsleistung (z.B. in puncto Erreichung der Zielkosten) des Abnehmers aus. Zusammen betrachtet sind dafür allerdings primär die "basic" Lieferantenentwicklungsaktivitäten (z.B. Leistungsfeedback) ausschlaggebend. "Transaktionsspezifische" Lieferantenentwicklung (z.B. Bereitstellung von Kapital, aber auch Verschärfung der Ziele) wirkt sich positiv auf den Wettbewerbsvorteil des Abnehmers (Umsatzsteigerung, Kostensenkung etc.) sowie die Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant aus. Direkte Lieferantenentwicklung wirkt sich positiv auf die Einkaufsleistung (z.B. Defektrate, Kosten, Ausfallzeiten bedingt durch Lieferantenfehler) des Abnehmers aus.
Humphreys 142 aus 450 (32%); et al., 2004 Hongkong; Elektronikhersteller; Abnehmerperspektive Wen-li et 142 aus 450 (32%); al., 2003 Hongkong; Elektronikhersteller; Abnehmerperspektive Grundsätzlich sind sowohl produzierende Unternehmen als auch DienstKrause und 512 aus 1.504 (34%); Scannell, USA; übergreifend; Ab- leister mit den Ergebnissen der Lieferantenentwicklung zufrieden (Leistungsverbesserungen in puncto Qualität, Nacharbeiten/Ausschuss, Kosnehmerperspektive 2002 ten, Stillstandszeiten sowie Schnelligkeit bei Problemlösungen). 52 aus 87 (60%); Italien; Erfolgreiche Werke (erfolgreich definiert auf Basis von ExperteneinDe Toni und Nas- Elektronikhersteller und schätzungen) setzen die meisten Lieferantenentwicklungsaktivitäten Maschinenbau; Abneh- (z.B. formalisierte Verfahren zur Lieferantenbewertung oder Lieferansimbeni, tenunterstützung und -schulung) häufiger ein als normale Werke. merperspektive 2000 Forker und 384 aus 769 (50%), Ab- In der stärker auf Wettbewerb ausgerichteten Beziehung sind Abnehmer und Lieferanten in etwa gleich zufrieden mit der Beziehung. In der eher Stannack, nehmer-Lieferantenpartnerschaftlich orientierten Beziehung sind hingegen die Lieferanten paare bei zwei Abneh2000 tendenziell zufriedener. Damit ist das gemeinsame Verständnis unter mern; USA; übergreikompetitiven Bedingungen größer als unter kooperativen. fend; dyadisch Direkte Lieferantenentwicklung wirkt sich positiv auf die Verbesserung Krause et 322 aus 1.504 (21%); al., 2000 USA; übergreifend; Ab- der Leistung aus (z.B. in puncto Umsatz oder Produktqualität), Lieferantenbewertung und Anreize für Lieferanten wirken hingegen nur indirekt. nehmerperspektive Wettbewerbsdruck (z.B. Dual oder Triple Sourcing) wirkt hingegen weder direkt noch indirekt leistungsverbessernd. Tabelle 7: Befunde zur Auswirkung von Lieferantenentwicklung auf den Abnehmer113
____________ 113
Eigene Darstellung.
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Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
2.2.2 Erfolgsfaktoren, Rahmenbedingungen und Ergebnisverteilung Ziel dieses Unterkapitels ist es, einen Überblick über empirisch fundierte Erkenntnisse zu Erfolgsfaktoren, Rahmenbedingungen und der Verteilung der Ergebnisse aus Lieferantenentwicklungsaktivitäten zwischen Abnehmer und Lieferant zu geben. Wie bereits im vorangegangenen Unterkapitel 2.2.1 werden für jedes der genannten Themen zunächst die Ergebnisse zusammengefasst. Anschließend werden die detaillierten Erkenntnisse der einzelnen Autoren tabellarisch aufbereitet. Eine Durchsicht der Artikel fördert knapp 30 verschiedene, in Umfragen identifizierte Erfolgsfaktoren zu Tage, vgl. Tabelle 8.114 Dies zeigt primär zwei Dinge: Zum einen spielt die Erfolgsfaktorenforschung auch im Bereich Lieferantenentwicklung eine wichtige Rolle. Zum anderen gibt es in der Literatur keine Einigkeit über wirklich entscheidende Erfolgsfaktoren. Die Häufigkeit, mit der bestimmte Erfolgsfaktoren in Umfragen geprüft bzw. bestätigt wurden, als Indikator nehmend, sollen an dieser Stelle drei wesentliche Faktoren kurz dargestellt werden: •
Effektive Kommunikation: Mehrere Studien weisen den positiven Einfluss von effektiver Kommunikation nach. So arbeiten Krause und Ellram die Charakteristika von effektiver Kommunikation heraus: zeitnah, häufig, informell, Austausch auch vertraulicher Informationen, zudem über mehrere Kontaktpunkte zwischen den Unternehmen.115 Eine Ausnahme bilden Carr und Kaynak, die für den Informationsaustausch zwischen Abnehmer und Lieferant keinen positiven Zusammenhang mit Lieferantenentwicklung feststellen.116
•
Partnerschaftlicher Ansatz: Auch diesen Faktor bestätigen mehrere Studien, wobei sich hierunter auch Faktoren wie eine Win-win-Philosophie, gemeinsame Werte oder gegenseitiges Vertrauen subsumieren lassen.117
•
Gegenseitiges Commitment: Auch diesen Erfolgsfaktor arbeiten mehrere Studien heraus, sowohl in Bezug auf den Abnehmer118 als auch in Bezug auf den Lieferanten.119 Der Erfolgsfaktor Commitment kann dabei auch als Ergebnis anderer Erfolgsfaktoren interpretiert werden. Beispielsweise wäre denkbar, das Commitment des Lieferanten durch den Erfolgsfaktor "adäquate Anreizsetzung" zu evozieren.120
Weitere Erfolgsfaktoren umfassen beispielsweise die Einbindung relevanter Funktionen auf Seiten des Abnehmers, Unterstützung durch das Topmanagement, Proaktivität von Abnehmer ____________ 114
Empirisch ermittelte Hindernisse wurden dabei – positiv als Erfolgsfaktoren formuliert – mitgezählt. Vgl. Krause und Ellram, 1997b, S. 50. 116 Vgl. Carr und Kaynak, 2007, S. 365. 117 Vgl. z.B. Li et al., 2007, S. 243, oder Quayle, 2002, S. 182. 118 Vgl. z.B. Krause et al., 2007, S. 540. 119 Vgl. z.B. Handfield et al., 2000, S. 41. 120 Vgl. Handfield et al., 2000, S. 48. 115
Stand der empirischen Forschung
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und Lieferant, strategische Ziele sowohl des Abnehmers als auch des Lieferanten, kontinuierliche Verbesserung, angeglichene Organisationskulturen, Glaubwürdigkeit des Abnehmers, straffe Führung durch den Einkauf oder klare Spezifikationen. Anzumerken ist noch, dass die Erfolgsfaktoren sich je nach Studie entweder auf die Existenz bzw. Intensität von Lieferantenentwicklung oder den Erfolg der Lieferantenentwicklungsaktivitäten beziehen. Quelle
Datenbasis; Land; Industrie; Perspektive Sánchez- 306 aus 1.200 (26%); Rodríguez, Spanien; übergreifend; Abnehmerperspektive 2009 Krause et 374 aus 1.500 (25%) al., 2007 sowie 75 Lieferanten; USA; übergreifend; dyadisch Li et al., 142 aus 450 (32%); 2007 Hongkong; Elektronikhersteller; Abnehmerperspektive Carr und 223 aus 1.000 (22%); Kaynak, USA; übergreifend; Ab2007 nehmerperspektive Humphreys 142 aus 450 (32%); et al., 2004 Hongkong; Elektronikhersteller; Abnehmerperspektive
Wen-li et al., 2003
142 aus 450 (32%); Hongkong; Elektronikhersteller; Abnehmerperspektive Quayle, 240 aus 400 (60%); UK; 2002 übergreifend aber alle Unternehmen < 200 Mitarbeiter; Unternehmen als Abnehmer und Lieferant befragt Handfield 84 aus 200 (42%), Teil et al., 2000 einer Studienreihe, zusätzlich Fallstudien; primär USA; übergreifend; Abnehmerperspektive
Krause et al., 1999
89 von 210 (47%); USA; übergreifend; Lieferantenperspektive
Krause, 1999
527 aus 1.504 (35%); USA; übergreifend; Abnehmerperspektive
Wesentliche empirische Befunde Die Umsetzung einer strategischen Orientierung im Einkauf wirkt sich positiv auf Lieferantenentwicklung aus. Das Commitment des Abnehmers zur Langfristigkeit der Beziehung sowie gemeinsame Werte wirken sich positiv auf die Abnehmerleistung (in puncto Kosten, Qualität, Lieferzeit/-zuverlässigkeit und Produktionsflexibilität) aus. Gegenseitiges Vertrauen wirkt sich positiv auf die operative Leistung des Abnehmers (in puncto Qualität und Kosten) aus.
Informationsaustauch innerhalb des Abnehmerunternehmens, d.h. zwischen den funktionalen Bereichen, wirkt sich positiv auf Lieferantenentwicklung aus. Für den Informationsaustausch zwischen Abnehmer und Lieferant wurde kein derartiger Zusammenhang festgestellt. Einige "Infrastrukturfaktoren" (strategischen Ziele des Lieferanten, Vertrauen in den Lieferanten, effektive Kommunikation) wirken sich positiv auf die Verbesserung der Abnehmer-Lieferanten-Leistung aus. Für andere "Infrastrukturfaktoren" (z.B. strategische Ziele des Abnehmers, Topmanagementunterstützung, Langzeitcommitment) wurde kein derartiger Zusammenhang festgestellt. Lieferantenentwicklungselemente (z.B. effektive Kommunikation, langfristige strategische Ziele, partnerschaftliche Strategie, strategische Ziele des Lieferanten) wirken sich positiv auf die Einkaufsleistung (z.B. Defektrate, Kosten) aus. Proaktive Abnehmer und Lieferanten, Commitment zu einer langfristigen Beziehung, eine Win-win-Philosophie sowie kontinuierliche Verbesserungen werden als wesentlich für Lieferantenentwicklung betrachtet. Dagegen erscheinen den Unternehmen die Integration von relevanten Funktionen, ein langfristiges Commitment sowie ein strukturierter Rahmen, um Kosten/Qualität/Gewinn zu erfassen, weniger wichtig. Fallstricke für Lieferantenentwicklung werden in Kategorien unterteilt: • Lieferantenspezifisch: (1) fehlendes Commitment des Lieferanten und (2) unzureichende Ressourcen auf Lieferantenseite, • Abnehmerspezifisch: (3) fehlendes Commitment, • Schnittstellenspezifisch: (4) fehlendes Vertrauen, (5) unzureichende Angleichung der Organisationskulturen und (6) zu geringe Anreize für den Lieferanten. Sie treten primär im hinteren Teil des Lieferantenentwicklungsprozesses auf, wenn es um das Aufsetzen/Nachhalten von Maßnahmen geht. In Hinblick auf das untersuchte "Minority Supplier Development"Programm sehen Lieferanten Verbesserungspotenzial bei der Kommunikation zwischen Abnehmer und Lieferant. Vgl. auch Erläuterung zu "minority supplier" in Tabelle 6. Zwei Faktoren wirken sich direkt positiv auf "transaktionsspezifische" Lieferantenentwicklung (z.B. Schulungen, aber auch Lieferantenbewertung) aus: Das vom Abnehmer wahrgenommene Lieferantencommitment sowie die Kommunikation Abnehmer-Lieferant. Für Erwartungen des Abnehmers bzgl. der Kontinuität der Beziehung mit dem Lieferanten wurde kein derartiger Zusammenhang festgestellt. Weitere Faktoren
38
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
Krause und 527 aus 1.504 (35%); USA; übergreifend; AbEllram, nehmerperspektive 1997b
Krause und 93 aus 350 (27%), Teil einer größeren Studie; Ellram, USA; übergreifend; Ab1997a nehmerperspektive
Lascelles und Dale, 1989, Lascelles und Dale, 1990
300 aus k.A., zusätzlich Beobachtungen und Interviews beim Abnehmer; UK; Automobilzulieferer; Lieferantenperspektive
wirken indirekt positiv auf Lieferantenentwicklung, z.B. die Haltung des Abnehmers zu Lieferanten oder Topmanagementunterstützung. Unternehmen, die Lieferantenentwicklung erfolgreich betreiben, kommunizieren enger mit ihren Lieferanten (d.h. zeitnah, häufig, informell, eher auch vertrauliche Informationen, zudem gibt es mehr Kontaktpunkte zwischen den Unternehmen) und sind aktiver in der Lieferantenentwicklung, investieren also mehr Ressourcen in entsprechende Aktivitäten (z.B. formale Lieferantenbewertung inkl. Feedback, Zertifizierungsprogramme oder Vor-Ort-Besuche beim Lieferanten). Effektive Zwei-Wege-Kommunikation, die Einbeziehung des Topmanagements, cross-funktionale Teams und ein relativ großer Anteil am Umsatz des Lieferanten sind entscheidend für Lieferantenentwicklung. Für andere Faktoren wie z.B. eine langfristige Perspektive oder die Auswahl von Lieferanten nicht nur auf reiner Preisbasis wurde kein derartiger Zusammenhang festgestellt. Hindernisse für eine qualitätsorientierte Lieferantenentwicklung sind z.B. schlechte bilaterale Kommunikation, fehlendes Leistungsfeedback an die Lieferanten kombiniert mit Desinteresse auf Lieferantenseite ("no news is good news"), unklare und nicht verstandene Spezifikationen, mangelhafte Führung seitens des Einkaufes sowie fehlende Glaubwürdigkeit des Abnehmers und irreführende Verbesserungsziele.
Tabelle 8: Befunde zu Erfolgsfaktoren und Hindernissen für Lieferantenentwicklung121
Die Verteilung von Aufwand und Ertrag in interorganisationalen Beziehungen ist ein in der Literatur verschiedentlich untersuchtes Sujet. So weisen Fink et al. für den Kontext der Papierindustrie und ihrer Prozesstechniklieferanten nach, dass Abnehmer sich durch engere Beziehungen zu ihren Lieferanten kostenseitig verbessern, diese Vorteile aber nicht an ihre Lieferanten weitergeben.122 Umso erstaunlicher, dass bislang nur eine Studie empirisch der Frage nach der Verteilung von Aufwand und Ergebnissen aus Lieferantenentwicklung zwischen Abnehmer und Lieferant nachgeht, vgl. Tabelle 9. New und Burnes kommen dabei zu dem Schluss, dass bei Verbesserungsaktivitäten, die Veränderungen primär beim Lieferanten implizieren, die Kosten eher vom Lieferanten getragen werden, die Vorteile aber tendenziell dem Abnehmer zu Gute kommen.123 Quelle
Datenbasis; Land; Industrie; Perspektive 53 aus k.A., daraus 223 Initiativen (122 mit Abnehmern, 101 mit Lieferanten); UK; übergreifend; Unternehmen als Abnehmer und Lieferant befragt
Wesentliche empirische Befunde
Lieferanten tragen häufiger die Kosten von gemeinsamen Verbesserungsaktivitäten. Allerdings profitieren die Abnehmer im Schnitt deutlich häufiger davon. Tendenziell erhöht der Umstand, dass Veränderungen nur beim Lieferanten notwendig werden, die Ungleichheit der Verteilung. Da Lieferantenentwicklungsaktivitäten zum größten Teil Verbesserungsaktivitäten implizieren, die nur beim Lieferanten Änderungen notwendig machen, ist das Win-win-Konzept mit Vorsicht zu betrachten bzw. aus Lieferantensicht langfristig zu sehen. Tabelle 9: Befunde zur Verteilung der Ergebnisse zwischen Abnehmer und Lieferant124 New und Burnes, 1998
____________ 121
Eigene Darstellung. Vgl. Fink et al., 2007, S. 37. 123 Vgl. New und Burnes, 1998, S. 382-383. 124 Eigene Darstellung. 122
Stand der empirischen Forschung
39
Ähnlich wie bei den Erfolgsfaktoren ergeben die empirisch geprüften Rahmenbedingungen ein sehr heterogenes Bild. Wesentlicher Unterschied ist allerdings, dass die Untersuchung von Rahmenfaktoren in der umfragebasierten Literatur bisher eine untergeordnete Rolle spielt. Häufig werden entsprechende Faktoren nur als Kontrollvariablen genutzt, selten stehen sie im Zentrum einer Untersuchung. Die bislang empirisch geprüften Rahmenbedingungen lassen sich drei Kategorien zuordnen: •
Umfeldbezogene Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die technologische Unsicherheit (kein Effekt gemäß Oh und Rhee)125 bzw. Veränderungsrate (ebenfalls kein Effekt gemäß Krause)126 sowie Wettbewerbsintensität auf dem Markt des Abnehmers (wirkt sich gemäß Krause indirekt positiv auf Lieferantenentwicklung aus).127
•
Beziehungsbezogene Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Länge der Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant (in keiner Studie wurde bislang ein Zusammenhang nachgewiesen) oder die Machtverteilung/Abhängigkeit zwischen Abnehmer und Lieferant. Letztere wird zwar in der Literatur immer wieder als wichtig erwähnt, wurde aber erst in jüngster Vergangenheit partiell empirisch geprüft.128
•
Unternehmensbezogene Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Unternehmensgröße des Abnehmers (gemäß Watt und Hahn haben große Unternehmen eher ein Lieferantenentwicklungsprogramm)129 oder die Fähigkeiten des Lieferanten (gemäß Oh und Rhee, wirkt sich die Fähigkeit von Tier-1-Lieferanten, Tier-2-Lieferanten zu entwickeln und flexibel zu reagieren, positiv auf die direkte Lieferantenentwicklung des OEMs aus).130
In Summe sind Rahmenbedingungen damit ein bislang nur unzureichend abgedecktes Gebiet im Rahmen der empirischen Forschung zur Lieferantenentwicklung. Insbesondere die Rolle von Macht bzw. Abhängigkeit ist bislang nur ungenügend untersucht. Andere Rahmenbedingungen, die spezifisch auf Lieferantenentwicklung bzw. einzelne Aktivitäten wirken, sind bislang kaum oder überhaupt nicht empirisch untersucht. So könnte z.B. der Umstand, dass Abnehmer selbst nur geringes oder kein relevantes methodisches Wissen besitzen, eine Erklärungsvariable sein, weshalb Lieferantenentwicklungsaktivitäten wie Schulungen von vielen Abnehmer-Unternehmen nur sehr zurückhaltend betrieben werden.
____________ 125
Vgl. Oh und Rhee, 2008, S. 508. Vgl. Krause, 1999, S. 218. 127 Vgl. Krause, 1999, S. 218. 128 Vgl. Carr et al., 2008, sowie Krause et al., 2007. 129 Vgl. Watts und Hahn, 1993, S. 16. 130 Vgl. Oh und Rhee, 2008, S. 509. 126
40
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
Quelle Lee et al., 2009
Datenbasis; Land; Industrie; Perspektive 175 aus 758 (23%); Hongkong; Elektronikhersteller; Abnehmerperspektive
Carr et al., 166 aus 1.000 (17%); 2008 USA; übergreifend; Abnehmerperspektive Oh und 94 aus 231 (41%); SüdRhee, 2008 korea; Automobilzulieferer; Lieferantenperspektive Krause et al., 2007
Wagner, 2006a De Toni und Nassimbeni, 2000
374 aus 1.500 (25%) sowie 75 Lieferanten; USA; übergreifend; dyadisch 60 aus 251 (24%); GER, AUT, CH; übergreifend; Abnehmerperspektive 52 aus 87 (60%); Italien; Elektronikhersteller und Maschinenbau; Abnehmerperspektive
Krause et al., 1999
89 von 210 (47%); USA; übergreifend; Lieferantenperspektive
Krause, 1999
527 aus 1.504 (35%); USA; übergreifend; Abnehmerperspektive
Krause und 527 aus 1.504 (35%); Ellram, USA; übergreifend; Ab1997b nehmerperspektive
Wesentliche empirische Befunde Technologischer Wandel, eine strategische Orientierung im Einkauf und spezifische Investitionen in Lieferanten wirken sich positiv auf die Bildung von Allianzen mit Lieferanten aus (Lieferantenentwicklung wird als ein Element zur Bildung von Allianzen betrachtet). Ein ähnlicher Zusammenhang wurde für Markt-/Wettbewerbsunsicherheit nicht bestätigt. Die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer wirkt sich positiv auf die Teilnahme des Lieferanten an Schulungen des Abnehmers sowie an gemeinsamer Produktentwicklung aus. Die Fähigkeit von Tier-1-Lieferanten, Tier-2-Lieferanten zu entwickeln und flexibel zu reagieren, wirkt sich positiv auf direkte Lieferantenentwicklung des OEMs aus. Für andere Fähigkeiten (z.B. im Bereich Forschung & Entwicklung) wurde kein derartiger Zusammenhang festgestellt. Technologische Unsicherheit hatte keinen moderierenden Effekt. Die gegenseitige Abhängigkeit von Abnehmer und Lieferant wirkt sich positiv auf die Abnehmerleistung in puncto Kosten aus. Die Länge der Beziehung hat keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Abnehmerleistung. Für die Kontrollvariable "Anteil des Lieferanten am Einkaufsvolumen des Abnehmers" wurde kein statistisch signifikanter Zusammenhang festgestellt. Aktivitäten zur operativen JIT-Verknüpfung von Abnehmer und Lieferant bei Logistik, Produktentwicklung und Qualität (z.B. durch die Synchronisierung der Lieferungen) sind eng mit Lieferantenentwicklungsaktivitäten verknüpft. So wirkt sich z.B. eine Verknüpfung im Bereich Logistik positiv auf Lieferantenunterstützung und -schulung aus. Kleine Lieferanten (Umsatz < 10 Mio. USD) profitieren am wenigsten vom "Minority Supplier Development"-Programm. Die Länge der Geschäftsbeziehung hat kaum Auswirkungen. Vgl. auch Erläuterung zu "minority supplier" in Tabelle 6. Mehrere Faktoren wirken sich indirekt positiv auf "transaktionsspezifische" Lieferantenentwicklung (z.B. Schulungen, aber auch Lieferantenbewertung) aus, z.B. die Wettbewerbsintensität auf dem Markt des Abnehmers und die Wichtigkeit von Zukaufteilen. Für die technologische Veränderungsrate wurde kein derartiger Zusammenhang festgestellt. Der Anteil des Abnehmers am Umsatz des Lieferanten oder die Länge der Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant waren nicht signifikant für die Unterscheidung zwischen Abnehmern, die Lieferanten erfolgreich bzw. weniger erfolgreich entwickeln. Ein relativ großer Anteil am Umsatz des Lieferanten ist entscheidend für Lieferantenentwicklung.
93 aus 350 (27%); USA; übergreifend; Abnehmerperspektive 81 aus 500 (16%); USA; Fünf von elf demographischen Faktoren wirken sich positiv auf die Existenz eines Lieferantenentwicklungsprogrammes aus (Abnehmerumsatz, übergreifend; Abneh-mitarbeiterzahl, -einkaufsmitarbeiterzahl sowie regelmäßige und formamerperspektive le Lieferantenbewertung). Für andere Faktoren (z.B. Wertschöpfungstiefe) wurde kein derartiger Zusammenhang festgestellt. Lascelles 300 aus k.A., zusätzlich Fehlende Einkaufsmacht ist ein häufig genannter Grund für ausbleibenden Erfolg bei der Verbesserung der Qualität von Lieferanten. und Dale, Beobachtungen/Inter1989, Las- views beim Abnehmer; celles und UK; AutomobilzuliefeDale, 1990 rer; Lieferantenpersp. Tabelle 10: Befunde zu Rahmenbedingungen für Lieferantenentwicklung131 Krause u. Ellram, 1997a Watts und Hahn, 1993
____________ 131
Eigene Darstellung.
Stand der empirischen Forschung
41
2.2.3 Theoretische Fundierung und eingesetzte Methoden Ziel dieses Unterkapitels ist es, die theoretische Fundierung der umfragebasierten Publikationen sowie ausgewählte methodische Aspekte zu analysieren. Hierzu werden zunächst die in den Arbeiten zitierten wissenschaftlichen Theorien untersucht. Anschließend werden verschiedene methodische Aspekte beleuchtet. In der wissenschaftlichen Literatur haben sich einige Theorien bzw. Ansätze etabliert, mit deren Hilfe sich Gründe und Arten von interorganisationaler Zusammenarbeit erläutern lassen.132 Beispiele hierfür sind der Transaktionskostenansatz, 133 der ressourcenbasierte Ansatz, 134 der Resource-Dependence-Ansatz135 oder wissensbasierte Ansätze.136 Die untersuchten Publikationen basieren ihre empirisch geprüften Hypothesen in aller Regel auf eine Literaturrecherche, teilweise auch auf eigene Vorstudien auf Basis von Experteninterviews. Rund ein Drittel der Arbeiten stellt die entwickelten Hypothesen dabei in den Kontext einer übergeordneten Theorie. Demgegenüber beschränken sich allerdings rund zwei Drittel der Arbeiten auf eine mehr oder weniger umfassende Literaturrecherche zur Begründung der Hypothesen. Damit besteht ein erstes Defizit in der unzureichenden theoretischen Fundierung der untersuchten Arbeiten. Von den Publikationen, die übergeordnete Ansätze prüfen, fokussieren gut zwei Drittel auf den Transaktionskostenansatz, weniger als 20 Prozent auf den ressourcenbasierten Ansatz. Nur einzelne Arbeiten nutzen auch alternative Ansätze zur theoretischen Fundierung. Damit besteht ein zweites Defizit in der mangelnden Vielfalt der verwendeten wissenschaftlichen Ansätze. Allerdings deuten Publikationen der jüngeren Vergangenheit auf eine kleine Trendwende hin. So leiten Modi und Mabert ihr entscheidendes Konstrukt aus dem "knowledge based view" ab.137 Analog basieren Krause et al. ihre Hypothesen explizit auf die "social capital theory",138 auch mit der Absicht, dadurch andere Forscher anzuregen: "Compared to the transaction cost economics perspective that prevails in the extant supply chain literature, social capital offers an opportunity for increased understanding of the complexities of supply chain relationships. We hope other researchers will further investigate the social dimensions of these relationships."139
____________ 132
Für eine Definition des Terminus "Theorie" vgl. Unterkapitel 3.1.2. Die Begrifflichkeiten "Theorie" und "Ansatz" werden im Folgenden synonym verwendet. 133 Vgl. z.B. Williamson, 1975, und Williamson, 1985. 134 Vgl. z.B. Wernerfelt, 1984, und Wernerfelt, 1995. 135 Vgl. z.B. Pfeffer und Salancik, 1978. 136 Vgl. z.B. Conner und Prahalad, 1996. 137 Vgl. Modi und Mabert, 2007, S. 44. 138 Zur Theorie des Sozialen Kapitals vgl. z.B. Granovetter, 1985. 139 Krause et al., 2007, S. 541.
42
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
Ein drittes Defizit besteht in der fehlenden multitheoretischen Fundierung der Arbeiten zur Lieferantenentwicklung. Da es in der Betriebswirtschaftslehre nicht eine einzelne Theorie gibt, mit der sich sämtliche Zusammenhänge erklären lassen, führt eine multitheoretische Fundierung zu einer größeren Robustheit der postulierten Wirkungsmechanismen.140 Aus methodischer Perspektive sind mehrere Aspekte relevant. Zunächst basieren alle untersuchten Artikel auf großzahligen Erhebungen, da dies ein wesentliches Auswahlkriterium war. In einigen Fällen werden die quantitativen Ergebnisse der Umfrage noch ergänzt um qualitative Erkenntnisse aus Experteninterviews bzw. Fallstudien.141 Die Anzahl der befragten Personen variiert zwischen 27142 und 527,143 die Rücklaufquote schwankt zwischen 6 und 73 Prozent. 144 Analyseeinheit ist bei 71 Prozent der Artikel eine konkrete Abnehmer-LieferantBeziehung. Darüber hinaus sollen folgende methodische Aspekte näher betrachtet werden: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Geographischer Fokus Industriefokus Perspektive (Abnehmer/Lieferant/dyadisch) Quer- vs. Längsschnitt Datenerhebungsverfahren Statistisches Verfahren
Ad 1. Geographisch betrachtet beziehen sich die 35 Studien im Wesentlichen auf den angloamerikanischen Raum. So wurden in 51 Prozent der Publikationen Ansprechpartner in USUnternehmen und in 11 Prozent der Fälle britische Unternehmen befragt. Nur 14 Prozent der Artikel basieren auf Studien aus dem asiatischen Raum (Südkorea, Hongkong). Die restlichen 23 Prozent entfallen auf westeuropäische Länder wie Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien oder Spanien. Damit sind in der umfragebasierten Literatur zur Lieferantenentwicklung Regionen wie Osteuropa, aber auch Westeuropa und Asien verglichen mit ihrer globalwirtschaftlichen Bedeutung unterrepräsentiert. Ad 2. 77 Prozent der Studien sind industrieübergreifend angelegt, teilweise werden sogar produzierende Unternehmen und Dienstleister gemeinsam betrachtet. Der Autor hält dies für eine problematische Verallgemeinerung. So führen zwei Publikationen Industrievergleiche durch und zeigen dabei jeweils deutliche Unterschiede zwischen den Industrien auf.145 Eine weitere
____________ 140
Vgl. hierzu die Ausführungen in Unterkapitel 3.1.2. Vgl. die Überblickstabelle auf S. 23. 142 Vgl. Helper und Kiehl, 2004, S. 91. 143 Vgl. Krause und Ellram, 1997b, S. 41. 144 6 Prozent Rücklaufquote: vgl. Modi und Mabert, 2007, S. 49. 73 Prozent Rücklaufquote: vgl. Blonska et al., 2008, S. 10. 145 Vgl. Quayle, 2002, für Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern und Wagner, 2006b. Vgl. auch Unterkapitel 2.2.1. 141
Stand der empirischen Forschung
43
Publikation untersucht und dokumentiert Unterschiede zwischen produzierenden Unternehmen und Dienstleistern in Bezug auf Ziele und Aktivitäten der Lieferantenentwicklung.146 Ad 3. Perspektivisch analysieren 69 Prozent der Artikel das Thema Lieferantenentwicklung aus dem Blickwinkel des Abnehmers, nur 17 Prozent nehmen die Lieferantenperspektive ein. 6 Prozent befragten ihre Ansprechpartner sowohl in ihrer Rolle als Abnehmer als auch Lieferant. Insgesamt nutzen nur drei Publikationen147 einen dyadischen Ansatz, befragten also Abnehmer und die dazugehörigen Lieferanten ("matched pair").148 Allerdings verweisen die Autoren einer dieser drei Studien in ihrer Arbeit lediglich auf die durchgeführte Lieferantenbefragung, verarbeiten diese aber nicht in der Publikation.149 Das Fehlen dyadisch angelegter Studien ist umso erstaunlicher, als ein Großteil der Untersuchungen im Ausblick erwähnt, die fehlende dyadische Perspektive sei eine der wesentlichen Einschränkungen der eigenen Arbeit. Andererseits steigert eine dyadisch angelegte Studie die Komplexität und den Aufwand der Befragung signifikant. Aufwand und Nutzen müssen also im Einzelfall genau abgewogen werden. Ad 4. Unter allen Publikationen gibt es nur eine einzige Längsschnittstudie,150 die auf Daten einer Langzeitbefragung von 1989-1992, einer Delphi-Studie von 1988-1989 sowie 24 Fallstudien der Jahre 1988-1989 zurückgreift. Monczka et al. räumen allerdings ein, dass ihr Beitrag aufgrund der heterogenen Datenbasis "[…] not part of a rigorous statistical study […]"151 sei. Damit besteht in Bezug auf Langzeitstudien eine methodische Lücke. Ad 5. In allen Fällen handelt es sich bei den durchgeführten Studien um Befragungen, wobei für die Mehrheit der Publikationen Manager im Einkauf befragt wurden. Damit basieren die erhobenen Daten auf der Wahrnehmung und Selbsteinschätzung der befragten Personen, so dass vielschichtige Verzerrungen nicht auszuschließen sind. 152 Ein alternatives Datenerhebungsverfahren stellt beispielsweise das interviewbasierte, aber vergleichsweise aufwändige Verfahren von Stolle dar,153 das dieser im Kontext der Entwicklung des Einkaufes vom Beschaffer zum Manager der Wertschöpfung einsetzt. Ad 6. Statistische Verfahren werden üblicherweise in Methoden der deskriptiven und der induktiven Statistik unterteilt. Allerdings enthalten komplexere statistische Verfahren meist sowohl deskriptive als auch inferenzstatistische Elemente,154 weshalb im Folgenden eine feinere Unterscheidung gewählt wird. Wertet man die umfragebasierten Publikationen zur Lieferan____________ 146
Vgl. Krause und Scannell, 2002. Vgl. Forker et al., 1999, Forker und Stannack, 2000, sowie Krause et al., 2007. 148 Vgl. Schnell et al., 2005, S. 222-223. 149 Vgl. den Beitrag von Krause et al., 2007. 150 Vgl. Monczka et al., 1993. 151 Monczka und Trent, 1991, S. 43. 152 Für einen Überblick vgl. Podsakoff et al., 2003, S. 882. 153 Vgl. Stolle, 2008, S. 116-125. 154 Gleichzeitig werden oft selbst Methoden der multivariaten Statistik deskriptiv verwendet, vgl. Rößler und Ungerer, 2008, S. 2. 147
44
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
tenentwicklung in Bezug auf das jeweils primär eingesetzte statistische Verfahren aus, so ergibt sich folgendes Bild: 29 Prozent setzen auf Strukturgleichungsmodellierung primär nach dem LISREL-Verfahren,155 in weiteren 20 Prozent der Publikationen kommen Regressionsanalysen zum Einsatz. 17 Prozent setzen primär Signifikanztests wie den t-Test ein, weitere 9 Prozent arbeiten mit anderen induktiven Verfahren. Die verbleibenden 20 Prozent nutzen ausschließlich deskriptive Kenngrößen wie Lage- (z.B. Mittelwert) oder Streuungsmaße (z.B. Standardabweichung). Dabei ist ein historischer Trend zu erkennen: Wurden in der Vergangenheit tendenziell simplere statistische Verfahren genutzt, dominieren inzwischen anspruchsvolle Strukturgleichungsmodelle. Deren Anteil liegt wie erwähnt bei insgesamt 29 Prozent, steigt bei Publikationen ab einschließlich 2000 aber auf 43 Prozent und erreicht bei ab einschließlich 2005 publizierten Arbeiten 57 Prozent. Dies ist nicht verwunderlich, schließlich ist die Strukturgleichungsmodellierung dasjenige multivariate Analyseverfahren, das die empirische Forschung in der Betriebswirtschaft in den letzten beiden Jahrzehnten am stärksten geprägt hat.156
2.3 Lücken in der empirischen Forschung und Beitrag dieser Arbeit Ziel dieses Kapitels ist die Zusammenfassung der auf Basis des Literaturreviews identifizierten Lücken in der Forschung zur Lieferantenentwicklung. Zudem wird der Beitrag der eigenen Arbeit vor diesem Hintergrund aufgezeigt. Auf Basis der Bestandsaufnahme empirisch-fundierter Erkenntnisse zur Lieferantenentwicklung im vorangegangenen Unterkapitel lassen sich etliche Forschungslücken identifizieren. So bestehen in der umfragebasierten Literatur zur Lieferantenentwicklung inhaltliche Forschungslücken im Hinblick auf: •
Relevante Rahmenbedingungen für Lieferantenentwicklung im Allgemeinen sowie die Machtverteilung/Abhängigkeit zwischen Abnehmer und Lieferant im Speziellen.
•
Die Aufteilung der durch Lieferantenentwicklung generierten Ergebnisse zwischen Abnehmer und Lieferant.
•
Die Frage, ob insbesondere direkte Lieferantenentwicklung sich tatsächlich rechnet, also den positiven Effekten der Lieferantenentwicklung ein vertretbarer Aufwand gegenüber steht.
•
Die Verknüpfung der durch Lieferantenentwicklung verfolgten Ziele mit den erreichten Ergebnissen.
____________ 155 156
Zur Strukturgleichungsmodellierung vgl. Unterkapitel 4.1. Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 727.
Lücken in der empirischen Forschung und Beitrag dieser Arbeit
45
Aus theoretischer Perspektive bestehen Forschungslücken im Hinblick auf: •
Die Fundierung der empirisch geprüften Hypothesen durch allgemeine wissenschaftliche Ansätze und Theorien.157
•
Die parallele Prüfung multipler Theorien, da es in der Betriebswirtschaft nicht die eine Theorie gibt, die alle relevanten Fragen beantwortet, sondern vielmehr eine Vielzahl unterschiedlicher Theorien existiert.
•
Die Prüfung auch anderer Ansätze als der Transaktionskostentheorie.
Aus methodischer Perspektive bestehen Forschungslücken im Hinblick auf: •
Die geographische Ausgewogenheit – da der Großteil der bisherigen Studien aus dem angloamerikanischen Raum stammt – sowie regionale Vergleiche.
•
Eine differenzierte Betrachtung nach Industrien sowie Industrievergleiche.
•
Den bislang vorherrschenden Fokus der Abnehmerperspektive und den damit einhergehenden Mangel an dyadisch angelegten Studien.
•
Das Fehlen von Längsschnittstudien.
•
Die bislang ausschließliche Erhebung von Daten durch subjektive Befragungen.
Ergänzend sei angemerkt, dass die Vielfalt der verwendeten Konstrukte und die Heterogenität der in den Publikationen benutzten Nomenklatur Indikatoren dafür sind, dass bereits erprobte bzw. etablierte Konstrukte im Rahmen neuer Studien nur partiell erneut geprüft werden. Dies ist bedauerlich, ließe sich doch dadurch eine größere Robustheit der empirischen Ergebnisse erzeugen. Zudem ließen sich direkte Vergleiche anstellen. Gespiegelt an den im Einführungskapitel formulierten Zielsetzungen füllt die vorliegende Arbeit damit wesentliche Lücken in der Forschung zur Lieferantenentwicklung: •
Inhaltlich werden relevante Rahmenbedingungen für Lieferantenentwicklung empirisch untersucht. Damit wird ein substanzieller Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke geleistet. Daneben sollen weitere, bislang nur unzureichend untersuchte Aspekte beleuchtet werden. Beispielhaft seien die Verteilung von Aufwand und Ergebnis aus Lieferantenentwicklung zwischen Abnehmer und Lieferant oder die Dimensionierung der Lieferantenentwicklung in Unternehmen genannt.
•
Theoretisch wird das zu entwickelnde Modell auf Basis zweier wissenschaftlicher Ansätze fundiert. Damit wird der naturgemäß eingeschränkten Perspektive einer einzelnen Theorie Rechnung getragen.
•
Methodisch wird mit einer dyadisch angelegten Studie eine selten genutzte, aber in Bezug auf ihre besondere Ergiebigkeit unbestrittene Methode angewendet. Damit hebt sich diese Arbeit auch in methodischer Hinsicht ab.
____________ 157
Die Begrifflichkeiten "Theorie" und "Ansatz" werden synonym verwendet.
46
Lieferantenentwicklung in Wissenschaft und Praxis
Zudem legt diese Arbeit den Schwerpunkt explizit auf strategische Lieferantenentwicklung, also auf eine antizipative, nachhaltige und auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers ausgerichtete Lieferantenentwicklung. Gerade in jüngsten Publikationen wird vermehrt die Nähe von Lieferantenentwicklung und einer strategischen Orientierung im Einkauf betont. 158 Diese Denkrichtung wird durch den Ansatz der strategischen Lieferantenentwicklung weiterentwickelt.
2.4 Zwischenfazit In Kapitel 2 wurden wesentliche Begrifflichkeiten erläutert und der Stand der großzahligempirischen Forschung zur Lieferantenentwicklung zusammengefasst. Darauf basierend wurden wesentliche Forschungslücken identifiziert und der Beitrag der vorliegenden Arbeit aufgezeigt. Im Einzelnen wurden folgende Aussagen entwickelt und erläutert: •
Lieferantenentwicklung ist ein wesentlicher Bestandteil eines systematischen Lieferantenmanagements und kann sowohl aus prozessualer Perspektive als auch im Hinblick auf die verschiedenen Managementebenen innerhalb des Lieferantenmanagements verortet werden. Beispiele aus der unternehmerischen Praxis von Siemens, Mercedes-Benz LKW und Audi unterstreichen dies.
•
Strategische Lieferantenentwicklung ergänzt "traditionelle" Lieferantenentwicklung durch die Akzentuierung der Aspekte Antizipation, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Begrifflich umfasst strategische Lieferantenentwicklung die antizipative und nachhaltige Verbesserung der Leistung und/oder Fähigkeiten von Lieferanten durch den Abnehmer zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers.
•
Die Ergebnisse des umfassenden Literaturreviews zur Lieferantenentwicklung haben gezeigt, dass bisherige umfragebasierte Publikationen inhaltlich, theoretisch und methodisch unterschiedliche Akzente setzen. Zentrale Zusammenhänge im Hinblick auf Lieferantenentwicklung sind bereits erforscht, beispielweise die Auswirkungen von Lieferantenentwicklung auf den Lieferant oder Abnehmer.
•
Allerdings bestehen weiterhin wesentliche Forschungslücken. Beispiele umfassen die unzureichende Durchdringung von relevanten Rahmenbedingungen für Lieferantenentwicklung oder die Aufteilung von Aufwand und Ergebnis zwischen Abnehmer und Lieferant, die unzureichende (multi)theoretische Fundierung oder den Mangel an dyadischen Studien. Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit ist es daher, einen substanziellen Beitrag zur Schließung eben dieser Lücken zu leisten.
____________ 158
Vgl. Lee et al., 2009, S. 194, und Sánchez-Rodríguez, 2009, S. 162.
Kapitel 3 3 Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung Ziel von Kapitel 3 ist die theoretische Fundierung des zu entwickelnden Modells der strategischen Lieferantenentwicklung. Konkret geht es um eine multitheoretisch fundierte Ableitung wesentlicher Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, strategischer Lieferantenentwicklung und den Auswirkungen auf den Abnehmer. Das Kapitel ist in drei Teile gegliedert: •
In Unterkapitel 3.1 wird zunächst das grundlegende Forschungsdesign aus Untersuchungsziel bzw. zu treffender Aussagenart abgeleitet. Anschließend werden mit Hilfe eines Scoring-Modells zwei besonders geeignete Theorien zur Modellfundierung ausgewählt.
•
In Unterkapitel 3.2 werden wesentliche Begrifflichkeiten sowie der Leitgedanke der Transaktionskostentheorie erläutert. Im Anschluss erfolgt eine kritische Würdigung der Theorie im Hinblick auf die Verwendung in der vorliegenden Arbeit. Abschließend wird strategische Lieferantenentwicklung im Rahmen der Transaktionskostentheorie inhaltlich verortet. Daraus werden Aussagen über wesentliche Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, strategischer Lieferantenentwicklung sowie Auswirkungen auf den Abnehmer abgeleitet.
•
In Unterkapitel 3.3 erfolgt eine intensive Auseinandersetzung mit dem ressourcenbasierten Ansatz. Der Aufbau des Unterkapitels ist analog zu Unterkapitel 3.2.
S. M. Durst, Strategische Lieferantenentwicklung, DOI 10.1007/978-3-8349-6174-7_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung
3.1 Methodische Vorbemerkungen und Theorienwahl 3.1.1 Forschungsdesign Ziel dieses Unterkapitels ist die Ableitung eines geeigneten Forschungsdesigns aus den Zielsetzungen dieser Arbeit. Hierzu wird zunächst das Feld möglicher Forschungsdesigns aufgespannt. Anschließend wird vor dem Hintergrund der Ziele der vorliegenden Arbeit ein geeignetes Forschungsdesign ausgewählt. Die daraus folgenden Konsequenzen für den Aufbau der Arbeit werden ebenfalls erläutert. Das Forschungs- bzw. Untersuchungsdesign beschreibt die grundlegende Art und Weise, wie eine empirische Fragestellung untersucht werden soll. Im Hinblick auf das Untersuchungsziel lassen sich analog der Einteilung multivariater Analysemethoden 159 strukturenentdeckende (exploratorische) und strukturenprüfende (konfirmatorische) Ansätze differenzieren.160 Exploratorische Forschung zielt auf die Erkundung von Strukturen ab, wohingegen bei einem konfirmatorischen Vorgehen Hypothesen über verschiedene Sachverhalte geprüft werden. Im Hinblick auf die Art der zu treffenden Aussagen lassen sich Forschungsdesigns in deskriptiv, explikativ und instrumentell differenzieren. Deskriptive Forschung stellt auf die Beschreibung, explikative Forschung dagegen auf die Erklärung von Zusammenhängen ab. Instrumentelle Forschung bildet insofern eine Ausnahme, als sie sich gestaltungsorientiert mit der praktischen Untersuchung von Verfahren und Methoden befasst. Auf Basis dieser Differenzierung ergeben sich sechs basale Forschungsdesigns, die in Tabelle 11 zusammengefasst sind. Untersuchungsziel/ Aussagenart
Exploratorisch
Konfirmatorisch
Deskriptiv
ED-Design, z.B.: Ermittlung von KD-Design, z.B.: Überprüfung eines Marktsegmenten mittels Clusteranaly- Einstellungsmodells mittels konfirmase torischer Faktorenanalyse
Explikativ
EE-Design, z.B.: Systematische Mo- KE-Design, z.B.: Überprüfung eines difikation von Kausalmodellen zur Kausalmodells zur Erklärung des Entdeckung neuer erklärungsrelevan- Unternehmenserfolgs ter Zusammenhänge
Instrumentell
EI-Design, z.B.: Entwicklung neuer KI-Design, z.B.: Systematische Techniken der Unternehmensanalyse Überprüfung der Leistungsfähigkeit von Techniken der Portfolioanalyse
Tabelle 11: Grundlegende Forschungsdesigns mit Beispielen161
Ein inhaltliches Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, hypothesenbasierte Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und der Wettbe____________ 159
Vgl. Backhaus et al., 2008, S. 11-19. Vgl. hierzu und im Folgenden Fritz, 1992, S. 59-62. 161 Vgl. Fritz, 1992, S. 60. 160
Methodische Vorbemerkungen und Theorienwahl
49
werbsfähigkeit des Abnehmers empirisch zu prüfen. Zum einen sollen vermutete theorie-, literatur- und interviewbasierte Zusammenhänge geprüft werden (konfirmatorische Zielsetzung). Zum anderen sollen damit wesentliche Wirkmechanismen, z.B. in Bezug auf den Einfluss von Rahmenbedingungen, erklärt werden (explikative Aussage). Die Zielsetzung der Arbeit erfordert also ein konfirmatorisch-explikatives Forschungsdesign. Dieses Forschungsdesign bedingt das hypothesengestützte, deduktive Vorgehen, dem der Gesamtaufbau dieser Arbeit folgt.162
3.1.2 Auswahl geeigneter wissenschaftlicher Theorien Ziel dieses Unterkapitels ist die begründete Auswahl geeigneter wissenschaftlicher Theorien, um eine theoretisch fundierte Grundlage für das zu entwickelnde Modell der strategischen Lieferantenentwicklung zu legen. Hierzu soll zunächst das breite Feld wesentlicher Theorien aus den Bereichen Organisation, Management und Unternehmensführung aufgespannt werden. Anschließend werden auf Basis definierter Kriterien Theorien ausgewählt, die sich für die vorliegende Arbeit besonders eignen. Bewusst soll das zu entwickelnde Modell der strategischen Lieferantenentwicklung multitheoretisch fundiert werden. Es wird also mehr als ein Ansatz ausgewählt, um Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, strategischer Lieferantenentwicklung und deren Auswirkungen zu beleuchten. Schließlich gibt es nicht die eine Theorie, die alle relevanten Fragen beantwortet. Vielmehr existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Theorien. Beispielsweise erläutert Wolf in seinem Standardwerk zu Theorien aus den Bereichen Organisation, Management und Unternehmensführung nicht weniger als 16 wissenschaftliche Theorien. 163 Dabei handelt es sich zudem teilweise, wie im Falle der Neuen Institutionenökonomischen Theorie, nicht um Einzeltheorien, sondern vielmehr Theoriefamilien. Überdies korrespondiert die Heterogenität und Komplexität des Analyseobjektes strategische Lieferantenentwicklung mit einer mehrschichtigen Theoriefundierung.164 Verschiedene Theorien erlauben es, einen Untersuchungsgegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Eine multiperspektivische Analyse kann daher zu wichtigen zusätzlichen Erkenntnissen und einem tieferen Gesamtverständnis führen. Weik und Lang sprechen von einem "[…] Vertrauen in einen Theoriepluralismus […]".165 Für die Forschung zu interorganisationalen Beziehungen empfehlen Terpend et al. daher explizit eine multitheoretische Fundierung:
____________ 162
Vgl. Unterkapitel 1.3. Für einen Überblick über die 16 Theorien vgl. Wolf, 2008, S. 606-607, bzw. Tabelle 12. Für eine Klärung und Abgrenzung der Bereiche Organisation, Management und Unternehmensführung vgl. Wolf, 2008, S. 45-48. 164 Vgl. die unterschiedlichen Aktivitäten strategischer Lieferantenentwicklung in Unterkapitel 2.1.2. 165 Weik und Lang, 2001, S. VII. 163
50
Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung "[…] we believe that future research needs to recognize the limitations of a single theoretical perspective and adopt multiple theories to explain how buyer practices and buyer-supplier mutual efforts influence the derivation of value from these relationships."166
Gleichzeitig soll in der vorliegenden Arbeit aber auch eine Fokussierung auf ausgewählte Theorien erfolgen. Schließlich ist "[…] eine zu vielschichtige Theoriefundierung nachteilig, weil dies fast immer zu Lasten der Konsistenz der Argumentation geht."167 Allgemein kann eine Theorie definiert werden als ein System von Aussagen, die sich auf einen Ausschnitt der Realität beziehen und in sich widerspruchsfrei sind.168 Damit bilden Theorien "[…] Destillate wissenschaftlichen Erkenntnisstrebens."169 Wie erwähnt gibt es eine Vielzahl wissenschaftlicher Theorien bzw. Ansätze, 170 die Aussagen zu interorganisationalen Beziehungen zulassen. Diese setzen unterschiedliche Schwerpunkte, sind teilweise redundant und partiell widersprüchlich. Hinzu kommt, dass es bislang keine einheitliche Systematisierung dieser Theorien gibt.171 Koontz prägte in diesem Zusammenhang früh die Formulierung "Management Theory Jungle".172 Gleichermaßen gibt es keine anerkannten Kriterien zur Beurteilung der Theorien. Zwar kann die empirische Bestätigung bzw. Falsifikation einer Theorie als wesentliches Gütekriterium angesehen werden. Allerdings gibt es auch für zueinander im Widerspruch stehende Theorien jeweils bestätigende Evidenz.173 Nichtsdestotrotz soll der Versuch unternommen werden, geeignete Theorien zur Fundierung des zu entwickelnden Modells strategischer Lieferantenentwicklung im Rahmen eines rationalquantitativen Entscheidungsprozesses auszuwählen. Hierzu wird zunächst das Feld relevanter Theorien aufgespannt. Als Basis dienen die 16 von Wolf erläuterten Theorien aus den Bereichen Organisation, Management und Unternehmensführung. 174 Anschließend wird ein Scoring-Modell175 entwickelt, in dessen Rahmen geprüft wird, welche der Theorien den Anforderungen der vorliegenden Arbeit am besten gerecht werden. Denn erstens sollen die Theorien für die Beurteilung von Zusammenhängen im Kontext strategischer Lieferantenentwicklung geeignet sein. Um dies einschätzen zu können, wird das Ausmaß der Verwendung in bisherigen großzahlig-empirischen Arbeiten zur Lieferantenentwicklung als Kriterium herangezogen. ____________ 166
Terpend et al., 2008, S. 42. Wolf, 2008, S. 53. 168 Vgl. z.B. ähnlich Stier, 1999, S. 13. 169 Wolf, 2008, S. 2. 170 Die Begrifflichkeiten "Theorie" und "Ansatz" werden synonym verwendet. 171 Eine häufiger zitierte Systematisierung stammt von Burrell und Morgan, die vier Richtungen sozialwissenschaftlicher Theorien unterscheiden, vgl. Scherer, 2006, S. 34-39, für eine zusammenfassende Darstellung. 172 Vgl. die Beiträge Koontz, 1961, und Koontz, 1980, die diese Schlagworte im Titel tragen. 173 Vgl. Kieser und Walgenbach, 2007, S. 68-69. 174 Vgl. Wolf, 2008, S. XVI-XXIII. 175 Ein Scoring-Modell ist ein Instrument zur Entscheidungsfindung, das die quantitative Bewertung insbesondere qualitativer Faktoren erlaubt. Dabei werden relevante Faktoren gewichtet, auf einer einheitlichen Skala bewertet und daraus ein Gesamtwert (Score) berechnet. Für einen Überblick zu Scoring-Modellen (im Kontext von Risikomessverfahren) vgl. z.B. Wolke, 2007, S. 60-62. 167
Methodische Vorbemerkungen und Theorienwahl
51
Zweitens sollen die Theorien geeignet sein, um Aussagen zu Rahmenbedingungen für strategische Lieferantenentwicklung abzuleiten. Als Kriterium dient daher das Ausmaß der Einbeziehung des Kontextes in den Theorieentwurf. Drittens soll in Bezug auf die Akteure möglichst ein begrenzt rationales Verhalten durch die Theorie unterstellt werden.176 Dies stellt eine zentrale Prämisse dar, um Zusammenhänge realitätsnah abzubilden. Als drittes Kriterium wird daher das im Rahmen der Theorie angenommene Ausmaß der Rationalität der Akteure bewertet. Tabelle 12 gibt einen Überblick über die 16 Organisations-, Management- und Unternehmensführungstheorien inklusive ihrer Bewertung anhand der drei benannten Kriterien. Die Bewertungen sind in der rechten Spalte aufsummiert und werden im Folgenden kurz erläutert.
[1 = niedrig … 5 = hoch]
Ausmaß der Verwendung in großzahlig-empirischen Arbeiten zur Lieferantenentwicklung
Ausmaß der Einbeziehung des Kontextes in den Theorieentwurf
Vermutetes Ausmaß der Rationalität der Akteure
Summe
Bürokratiemodell
1
1
(5)
7
Scientific Management
1
1
(5)
7
"Administrationstheorie"
1
2
4
7
Präskriptive Entscheidungstheorie
1
4
(5)
10
Systemtheorie
1
4
2
7
Situations- und Interaktionstheorie
1
5
4
10
Verhaltenswissens. Organisationstheorie
1
2
1
4
Machttheoretischer Ansatz
1
1
2
4
Informationsverarbeitungsansatz
1
4
4
9
Neue Institutionenökonom. Theorie
5
3
4
12
Evolutionstheorie
1
5
2
8
Selbstorganisationstheorie
1
4
2
7
Gestaltansatz
1
5
3
9
Interpretationsansatz
1
4
2
7
Institutionalistischer Ansatz
1
3
3
7
Ressourcenbasierter Ansatz
5
2
4
11
Tabelle 12: Scoring-Modell zur Auswahl geeigneter Theorien177
Die Bewertung des Ausmaßes der Verwendung der entsprechenden Theorie in großzahligempirischen Arbeiten zur Lieferantenentwicklung basiert auf der umfassenden Analyse ent____________ 176
Begrenzte bzw. eingeschränkte Rationalität (bounded rationality) bezeichnet den Umstand, dass ein Entscheider Entscheidungen aufgrund von Einschränkungen seiner kognitiven Fähigkeiten nur begrenzt rational treffen kann, vgl. Simon, 1997, S. 291. Das Konzept geht auf Herbert A. Simon zurück, vgl. z.B. Simon, 1959. 177 Eigene Darstellung. Die Bewertung des Ausmaßes der Verwendung in großzahlig-empirischen Arbeiten zur Lieferantenentwicklung wurde auf Basis der Analyse in Unterkapitel 2.2.3 vorgenommen. Die Bewertungen für die beiden übrigen Kriterien stammen aus Wolf, 2008, S. 606-607. Die dort teilweise eingefügten Erläuterungen und Klammern wurden nicht übernommen.
52
Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung
sprechender Arbeiten in Unterkapitel 2.2.3. Hier wurde herausgearbeitet, dass in derartigen Arbeiten fast ausschließlich die Transaktionskostentheorie – eine Ausprägung der Neuen Institutionenökonomischen Theorie – und der ressourcenbasierte Ansatz Anwendung finden.178 Die Bewertung des Ausmaßes der Einbeziehung des Kontextes in den Theorieentwurf wurde von Wolf übernommen.179 Eine hohe Einbeziehung des Kontextes weisen die Situations- und Interaktionstheorie, die Evolutionstheorie und der Gestaltansatz auf. Die Neue Institutionenökonomische Theorie und der ressourcenbasierte Ansatz weisen mittlere Bewertungen auf. Die Bewertung des vermuteten Ausmaßes der Rationalität der Akteure folgt ebenfalls der Einschätzung von Wolf.180 Im Unterschied zu den anderen beiden Kriterien stellt dabei jedoch nicht eine Bewertung mit "5" (hohe Rationalität) die ideale Punktzahl dar, sondern mit "4" (begrenzt hohe Rationalität).181 Eine in diesem Sinne begrenzt hohe Rationalität der Akteure unterstellen die "Administrationstheorie", die Situations- und Interaktionstheorie, der Informationsverarbeitungsansatz, die Neue Institutionenökonomische Theorie sowie der ressourcenbasierte Ansatz. Damit erreichen die Neue Institutionenökonomische Theorie und der ressourcenbasierte Ansatz die insgesamt höchste Punktzahl. Trotz ihrer nur mittleren Bewertung im Hinblick auf die Einbeziehung des Kontextes in den Theorieentwurf werden daher diese beiden Ansätze ausgewählt, um das zu entwickelnde Modell theoretisch zu fundieren. Da es sich bei der Neuen Institutionenökonomischen Theorie wie erwähnt um eine Theoriefamilie handelt, wird auf die Transaktionskostentheorie als deren bekannteste Ausprägung und zugleich als die in der Literatur zur Lieferantenentwicklung am häufigsten eingesetzte Theorie zurückgegriffen. Dabei ist hilfreich, dass Transaktionskostentheorie und ressourcenbasierter Ansatz insofern kompatibel sind, als ihre Grundannahmen miteinander vereinbart werden können.182 Die Diskussion der Transaktionskostentheorie (Unterkapitel 3.2) und des ressourcenbasierten Ansatzes (Unterkapitel 3.3) erfolgt in jeweils drei Schritten: Zunächst werden zentrale Begrifflichkeiten und der Leitgedanke erläutert. Da allgemeine Einführungen in die beiden Theorien vielfach in der Literatur zu finden sind – vergleiche die jeweils angegebenen Quellen zur weiterführenden Lektüre – ist dieser Teil recht kurz gehalten. Allerdings besteht insbesondere beim ressourcenbasierten Ansatz eine erhebliche terminologische Unschärfe in Bezug auf wesentliche Konstrukte,183 so dass für den Kontext der vorliegenden Arbeit eine begriffliche Prä____________ 178
Dabei wurde der von Modi und Mabert verwendete "knowledge based view (KBV) of the firm" (Modi und Mabert, 2007, S. 44) als Derivat des ressourcenbasierten Ansatzes bewertet. 179 Vgl. Wolf, 2008, S. 606-607. 180 Vgl. Wolf, 2008, S. 606-607. 181 Dies muss bei der Interpretation der Summe aller Kriterien berücksichtigt werden. In Tabelle 12 stehen die entsprechenden Bewertungen von Bürokratiemodell, Scientific Management sowie präskriptiver Entscheidungstheorie daher in Klammern. 182 Vgl. Gebhardt, 2006, S. 134-136. 183 Vgl. Wolf, 2008, S. 595.
Transaktionskostentheorie
53
zisierung vorgenommen wird. Im zweiten Schritt erfolgt eine kritische Würdigung der Theorie im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung. Damit soll ein Bewusstsein für die spezifischen Stärken und Schwächen des jeweiligen Ansatzes geschaffen werden, um diese – soweit möglich – bei der Interpretation zu berücksichtigen. Zusätzlich wird nochmals die Eignung der beiden Theorien, die im Scoring-Modell nur sehr holzschnittartig überprüft werden konnte, auch und gerade im Zusammenspiel für den Kontext dieser Arbeit verifiziert. Abschließend erfolgt eine Interpretation in Bezug auf Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, strategischer Lieferantenentwicklung und deren Auswirkungen.
3.2 Transaktionskostentheorie 3.2.1 Zentrale Begrifflichkeiten und Leitgedanke Die Transaktionskostentheorie ist, wie oben erwähnt, eine Ausprägung der Neuen Institutionenökonomischen Theorie zu der auch der Prinzipal-Agent-Ansatz sowie die Theorie der Verfügungsrechte zählen. 184 Als Hauptvertreter der Transaktionskostentheorie gelten Coase und Williamson.185 Im deutschsprachigen Raum haben insbesondere die Arbeitsgruppe um Picot sowie Spremann und Brand wichtige Beiträge geleistet.186 Die Transaktionskostentheorie ist eine weit verbreitete Theorie, die in vielfältigen Kontexten eingesetzt wird. Dies entspricht dem von Williamson formulierten Anspruch: "Any problem that can be posed directly and indirectly as a contracting problem is usefully investigated in transaction cost economizing terms." 187 Besonders prominente Anwendungsfelder sind die Entscheidung zwischen Eigenherstellung und Fremdbezug sowie die Erklärung der institutionellen Gestaltung unternehmensübergreifender Zusammenarbeit.188 Im Kern der Theorie stehen Transaktionen, die als "[…] Übertragungen von Gütern, Dienstleistungen oder Informationen zwischen wirtschaftlichen Einheiten […]"189 definiert werden können. Transaktionen bilden die Analyseeinheit der Transaktionskostentheorie. Sie verursachen Transaktionskosten, die als “[…] the economic equivalent of friction in physical systems ____________ 184
Die Neue Institutionsökonomische Theorie bezeichnet daher eine Theoriefamilie statt einer einzelnen Theorie. Die Bezeichnung "Neue Institutionsökonomische Theorie" rührt daher, dass "[…] diese Theoriefamilie eine inhaltliche Erweiterung bzw. Modifikation der älteren Institutionenökonomischen Theorie (= Neoklassik) darstellt und weil sie auf das Ent- und Bestehen von Institutionen ausgerichtet ist." Wolf, 2008, S. 328. Alternative Bezeichnungen sind Neue Institutionenökonomik, New Industrial Economics oder Informationsökonomische Theorie. 185 Coase formulierte in seinem 1937 erschienen Beitrag "The Nature of the Firm" den wesentlichen Denkansatz der Transaktionskostentheorie, vgl. Coase, 1937. Vor allen Dingen Williamson ergänzte und präzisierte diesen Ansatz. Als zentrale Werke gelten Williamson, 1975, und insbesondere Williamson, 1985. 186 Vgl. insbesondere die Artikel Picot, 1982, und Spremann, 1988, sowie die Monographie von Brand, 1990. 187 Williamson, 1985, S. 41. 188 Für weitere Anwendungsfelder inklusive Quellenangaben vgl. Ebers und Gotsch, 2006, S. 294-296. 189 Wolf, 2008, S. 341.
54
Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung
[…]”190 verstanden werden können. Nach Williamson werden zwei Arten von Transaktionskosten unterschieden:191 •
Ex-ante-Transaktionskosten, d.h. Geschäftsanbahnungs- und -abschlusskosten. Diese umfassen die Kosten zur Ermittlung potenzieller Geschäftspartner, die Kosten zur Evaluierung der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Geschäftspartner und die Kosten für Verhandlung und Festschreibung der geplanten Geschäfte.
•
Ex-post-Transaktionskosten, d.h. Geschäftsabwicklungskosten. Diese umfassen insbesondere die Kosten zur Prüfung, ob die erbrachten Leistungen dem zuvor Vereinbarten entsprechen, die Kosten zur Vertragsdurchsetzung und die Kosten für potenzielle Anpassungen.
Existenz und Höhe der Transaktionskosten lassen sich auf drei wesentliche Verhaltensannahmen im Hinblick auf die handelnden Akteure zurückführen: •
Opportunismus der Akteure: Salopp formuliert bedeutet opportunistisches Verhalten “[…] trying to exploit a situation to your own advantage.”192
•
Begrenzte Rationalität der Akteure: "Bounded rationality means that the capacity of human beings to formulate and solve complex problems is limited."193
•
Risikoneutralität der Akteure:194 Diese dritte Verhaltensannahme tritt häufig in den Hintergrund.
Vor diesem Hintergrund formuliert Williamson seine zentrale Handlungsmaxime: "Organize transactions so as to economize on bounded rationality while simultaneously safeguarding them against the hazards of opportunism."195 Um Transaktionen – in der Nomenklatur von Williamson – zu "organisieren", stehen drei grundsätzliche Vertragsformen bzw. institutionelle Arrangements zur Verfügung:196 •
Klassischer Vertrag (Markt): Transaktionen werden gemäß fixer, ex ante festgelegter Regeln abgewickelt, die Akteure gehen keine Verpflichtungen über die einzelne Transaktion hinaus ein, Anpassungen erfolgen in einseitigen, nicht abgestimmten Akten und
____________ 190
Williamson, 1985, S. 19. Williamson, 1985, S. 20-21. 192 Douma und Schreuder, 2008, S. 164. Allerdings unterstellt Williamson nicht, dass alle Akteure ständig opportunistisch handeln. Vielmehr geht er davon aus, dass manche Akteure manchmal opportunistisch handeln, aber dass es ex ante schwierig ist, dies einzuschätzen. Damit stellt nicht das opportunistische Verhalten per se, sondern die Angst vor dem potenziellen opportunistischen Verhalten den Treiber für die Transaktionskosten dar. Vgl. Williamson, 1985, S. 64. 193 Douma und Schreuder, 2008, S. 163. Die beschränkten Informationsverarbeitungskapazitäten der Akteure sind zudem eine Voraussetzung für opportunistisches Verhalten, da es sonst keine Nischen gäbe, die nur einem Akteur offenstehen, vgl. Wolf, 2008, S. 346. 194 Vgl. Williamson, 1985, S. 388-390. 195 Williamson, 1985, S. 32. 196 Vgl. Williamson, 1985, S. 69-72, sowie die Erläuterungen bei Ebers und Gotsch, 2006, S. 284-285. 191
Transaktionskostentheorie
55
Konflikte werden auf dem Rechtsweg gelöst. Ein typisches Beispiel ist ein einfacher Kaufvertrag über ein Standardgut. •
Neoklassischer Vertrag (Hybrid): Nicht alle Konditionen sind vertraglich präzise geregelt, die Abwicklung der Transaktion erfordert auch nach Vertragsschluss Entscheidungen und häufig sind daher Anpassungs- und Sicherungsklauseln sowie Konfliktregelungsmechanismen (abseits des Rechtswegs) im Vertrag hinterlegt. Ein typisches Beispiel sind Joint-Venture-Verträge.
•
Relationaler Vertrag (Hierarchie): Die Vertragsbeziehung ist langfristig angelegt und im Vergleich zum neoklassischen Vertrag durch eine weitere Auflösung des diskreten Charakters der Transaktion sowie eine noch größere Offenheit gekennzeichnet. Referenzpunkt für Anpassungen ist nicht nur der ursprüngliche Vertrag, sondern vielmehr die gesamte Geschäftsbeziehung. Ein typisches Beispiel sind unbefristete Beschäftigungsverhältnisse bzw. allgemein die Abwicklung von Transaktionen in Organisationen.
Welches institutionelle Arrangement in einer gegebenen Situation am besten passt, hängt wesentlich von den Charakteristika der Transaktion ab, die sich auf die Kosten der Transaktion auswirken:197 •
Transaktionsspezifische Investitionen: Damit wird beschrieben, inwieweit die zur Erzeugung eines Gutes eingesetzten Inputfaktoren auch für die Erstellung anderer Produkte oder Dienstleistungen genutzt werden können.198 Ceteris paribus senken spezifische Inputfaktoren die Produktionskosten (aufgrund von Spezialisierungsvorteilen), erhöhen aber die Transaktionskosten (wegen des größeren Risikos durch opportunistisches Verhalten aufgrund größerer gegenseitiger Abhängigkeit199).
•
Unsicherheit: Damit ist zum einen die Unsicherheit über die situativen Bedingungen der Transaktion gemeint (parametrische Unsicherheit). Zum anderen spielt die Unsicherheit eine Rolle, "[…] ob und wie ein Transaktionspartner seine Verpflichtungen erfüllen kann […], erfüllen wird […] und erfüllt hat […]"200 (Verhaltensunsicherheit). Ceteris paribus erhöht wachsende Unsicherheit die Transaktionskosten (z.B. durch aufwändigere Vertragsgestaltung oder höhere Anpassungskosten), die Produktionskosten werden nicht unmittelbar beeinflusst.
•
Transaktionshäufigkeit: Ceteris paribus sinken mit steigender Häufigkeit der Transaktion sowohl die Transaktions- als auch die Produktionskosten (aufgrund von Skalenbzw. Synergieeffekten).
____________ 197
Vgl. Williamson, 1985, S. 52-61, sowie die Erläuterungen bei Ebers und Gotsch, 2006, S. 281-284. Williamson unterscheidet ursprünglich ohne Anspruch auf Vollständigkeit vier Arten: "[…] site specificity; physical asset specificity; human asset specificity; and dedicated assets." Williamson, 1985, S. 55. 199 Williamson schreibt vom "lock in"-Effekt, vgl. Williamson, 1985, S. 53. 200 Ebers und Gotsch, 2006, S. 282-283. 198
56
Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung
Leitgedanke der Transaktionskostentheorie ist nun, dass für eine gegebene Transaktion unter den genannten Verhaltensannahmen 201 dasjenige institutionelle Arrangement zu bevorzugen ist, das die geringsten Produktions- und Transaktionskosten verursacht. Damit lässt sich abhängig von den jeweiligen Transaktionscharakteristika das vorteilhafteste institutionelle Arrangement bestimmen.202
3.2.2 Kritische Würdigung im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung Ziel dieses Unterkapitels ist es, die inhaltliche Eignung der Transaktionskostentheorie im Hinblick auf die vorliegende Arbeit zu verifizieren und die Basis für eine reflektierte Interpretation der Theorie in Unterkapitel 3.2.3 zu legen. Im Folgenden werden daher wesentliche Stärken sowie konzeptionelle und durch die vorherrschende Forschungspraxis bedingte Schwächen der Transaktionskostentheorie expliziert und im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung kritisch gewürdigt. Als wesentliche Stärken sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgende Punkte zu nennen:203 •
Erstens ermöglicht die Transaktionskostentheorie die Hinterfragung und Beantwortung von relevanten ökonomischen Fragestellungen, auch solchen, die von anderen Theorien nur peripher tangiert werden. Beispielhaft sei die Ausgestaltung der Leistungsbeziehung zwischen Unternehmen genannt, welche für die vorliegende Arbeit relevant ist. Die inhaltliche Eignung der Transaktionskostentheorie wird also bestätigt.204
•
Zweitens ist die Transaktionskostentheorie verhältnismäßig populär und erlaubt die Untersuchung von Phänomenen auf unterschiedlichen Ebenen (individuell, gesamtorganisatorisch, organisationsübergreifend). Damit stehen eine verbreitete Nomenklatur sowie ein in vielfältigen Kontexten erprobter, stringenter Argumentationsstil zur Verfügung.205 Auf diesen kann zur theoretischen Fundierung des zu entwickelnden Modells der strategischen Lieferantenentwicklung zurückgegriffen werden.
•
Drittens weist die Transaktionskostentheorie universalistische Züge auf und erreicht trotzdem ein hohes Maß an Spezifität und Realitätsnähe. Damit ist zu erwarten, dass
____________ 201
Sowie weiterer allgemeiner Annahmen wie z.B. der Knappheit von Ressourcen, vgl. Wolf, 2008, S. 332-333. Für eine Übersicht, welches institutionelle Arrangement unter welchen Bedingungen effizient ist, vgl. Williamson, 1985, S. 53, bzw. die Zusammenfassungen bei Ebers und Gotsch, 2006, S. 292-294, und Wolf, 2008, S. 348-351. 203 Die im Folgenden genannten Punkte sind angelehnt an Wolf, 2008, S. 352-353, sowie Ebers und Gotsch, 2006, S. 296-298. 204 In Unterkapitel 2.2.3 wurde aufgezeigt, dass die Transaktionskostentheorie mehrfach auch in anderen großzahlig-empirischen Arbeiten zur Lieferantenentwicklung genutzt wird. Von einer inhaltlichen Eignung konnte daher ausgegangen werden, vgl. auch die Auswahlkriterien in Unterkapitel 3.1.2. 205 Vgl. die in Unterkapitel 3.2.1 erläuterten, zentralen Begrifflichkeiten. 202
Transaktionskostentheorie
57
auch für den Kontext der strategischen Lieferantenentwicklung konkrete, praxisnahe Aussagen ableitbar sind. •
Viertens verbindet die Transaktionskostentheorie die klassische ökonomische Theorie und die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie durch die Annahme von begrenzter Rationalität und Opportunismus. Damit ist sie auch anschlussfähig an die zweite gewählte Theorie, den ressourcenbasierten Ansatz, so dass die Verwendung beider Theorien nicht zu Lasten der Konsistenz der Argumentation gehen sollte.
Allerdings weist die Transaktionskostentheorie auch eine Reihe von konzeptionellen Schwächen auf. Diese theorieimmanenten Schwächen können bei Anwendung des Ansatzes in aller Regel nicht vermieden werden. Nichtsdestotrotz sollen sie benannt werden, um eine reflektierte Anwendung der Theorie sicherzustellen. Gleichzeitig wird durch die multitheoretische Fundierung des zu entwickelnden Modells und den Abgleich der theoriebasierten Hypothesen mit empirisch fundierter Literatur bzw. mit Experten versucht, die Wirkung dieser Schwächen zu mildern. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit können folgende konzeptionelle Schwächen genannt werden:206 •
Erstens liegen der Transaktionskostentheorie implizit Annahmen zu Grunde, die als problematisch zu erachten sind. So wird zum einen durch die Fokussierung auf Kostenminimierung implizit angenommen, dass alle Geschäftsabwicklungsformen in gleichen Erträgen resultieren. Dies ist aber nicht der Fall. Zum anderen wird unterstellt, dass eine Umverteilung der Transaktionskosten zwischen den Geschäftspartnern selbst transaktionskostenfrei ist. Auch diese Annahme trifft im Regelfall nicht zu.
•
Zweitens entzieht sich das zentrale Konstrukt der Transaktionskosten weitgehend einer Messbarkeit. Da für das Modell strategischer Lieferantenentwicklung – wie in Unterkapitel 4.2.2 deutlich wird – kein Transaktionskostenkonstrukt konzeptualisiert und operationalisiert werden muss, trifft diese Problematik die vorliegende Arbeit allerdings nicht.
•
Drittens weist die Transaktionskostentheorie den logischen Widerspruch auf, dass Entscheidungsträgern begrenzte Rationalität, dem Wissenschaftler, der transaktionstheoretische Zusammenhänge untersucht, jedoch vollständige Rationalität unterstellt wird.
Darüber hinaus weist die Transaktionskostentheorie eine Reihe von Schwächen auf, die aus einer unzulänglichen Anwendung in der Forschungspraxis resultieren. Da diese wertvolle Hinweise für die Anwendung in der vorliegenden Arbeit liefern können, sollen ausgewählte derartige Schwächen der Transaktionskostentheorie kurz benannt werden:207
____________ 206
207
Die im Folgenden genannten Punkte sind angelehnt an Wolf, 2008, S. 353-357, sowie Ebers und Gotsch, 2006, S. 298-303. Die im Folgenden genannten Punkte sind angelehnt an Wolf, 2008, S. 353-357, sowie selektiv Ebers und Gotsch, 2006, S. 298-303.
58
Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung •
Erstens führt die Transaktionskostentheorie in der Forschungspraxis häufig zu einer weitgehenden Ausblendung des organisationsexternen Kontextes. Da das zu entwickelnde Modell der strategischen Lieferantenentwicklung auf Abnehmer-LieferantBeziehungen fokussiert und explizit Rahmenbedingungen inkorporiert, wird diese Schwäche automatisch berücksichtigt.
•
Zweitens lenkt die Transaktionskostentheorie durch die starke Fokussierung auf Transaktionskosten von der Relevanz der Produktionskosten ab. Gleichzeitig führt in der Forschungspraxis eine Vernachlässigung von Teilen interner Kosten dazu, dass die Kosten hierarchischer Koordination tendenziell unter- und marktmäßiger bzw. hybrider Koordination tendenziell überbewertet werden. Da, wie oben erwähnt, für das vorliegende Modell keine Transaktionskosten kalkuliert werden, ist diese Kritik an der vorherrschenden Forschungspraxis für die vorliegende Arbeit unproblematisch.
•
Drittens führt die Transaktionskostentheorie zur Vernachlässigung von Machtaspekten, weil unterstellt wird, dass minimierte Transaktionskosten automatisch zu effizienten Geschäftsabwicklungsformen führen. Hingegen sollen im zu entwickelnden Modell der strategischen Lieferantenentwicklung Macht bzw. Abhängigkeit als Rahmenbedingungen explizite Berücksichtigung finden.
•
Viertens ist als Nachteil festzuhalten, dass viele transaktionstheoretische Arbeiten statischer bzw. komparativ-statischer Natur sind. Allerdings muss angemerkt werden, dass dies auch auf viele andere Arbeiten zutrifft und bei empirischen Arbeiten nicht nur eine Frage der zu Grunde gelegten Theorie, sondern vielmehr des damit verbundenen Aufwandes ist. Auch für die vorliegende Arbeit wird Zeit als Dimension ausgeklammert.
Wie durch die kritische Würdigung der Transaktionskostentheorie gezeigt wurde, ist diese gut geeignet, um Aussagen zum Kontext strategischer Lieferantenentwicklung abzuleiten. Gleichzeitig wurden spezifische Schwächen herausgearbeitet, die bei der nun folgenden Interpretation soweit wie möglich berücksichtigt werden.
3.2.3 Interpretation im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung Ziel dieses Unterkapitels ist die Interpretation strategischer Lieferantenentwicklung im Rahmen der Transaktionskostentheorie und die Ableitung wesentlicher Zusammenhänge. Hierzu wird strategische Lieferantenentwicklung zunächst innerhalb der Transaktionskostentheorie als transaktionsspezifische Investition des Abnehmers verortet. Vor diesem Hintergrund werden Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, strategischer Lieferantenentwicklung und deren Auswirkungen auf den Abnehmer abgeleitet.
Transaktionskostentheorie
59
Strategische Lieferantenentwicklung unterstützt die Transaktionsbeziehung zwischen Abnehmer und Lieferant im Rahmen des institutionellen Arrangements Markt208 und ist dabei sowohl spezifisch als auch kostenwirksam. In der Nomenklatur der Transaktionskostentheorie kann sie daher als transaktionsspezifische Investition des Abnehmers in den Lieferanten verstanden werden. 209 Spezifisch ist strategische Entwicklung für den Abnehmer insofern, als sie in aller Regel nicht auf andere Lieferanten übertragbar ist. Bewertet beispielsweise ein Abnehmer einen Lieferanten und gibt ihm auf dieser Basis Feedback und Zielvorgaben, so ist dies an der spezifischen Leistung und den individuellen Fähigkeiten des Lieferanten orientiert und nicht auf andere Lieferanten übertragbar. Werden gemeinsame Optimierungsprojekte durchgeführt und etwa Prozesse beim Lieferanten oder an der Schnittstelle zwischen Lieferant und Abnehmer aufgenommen, analysiert und auf dieser Basis Verbesserungsmaßnahmen entwickelt, so sind die gewonnenen Erkenntnisse in der Regel ebenfalls nicht auf andere Lieferanten transferierbar. Auch im Falle einer Entwicklung des Lieferanten durch finanzielle Unterstützung bzw. die Beteiligung am Lieferantenunternehmen handelt es sich um eine lieferantenspezifische Investition, die nicht oder nur unter hohen Kosten auf andere Lieferanten übertragbar ist.210 Kostenwirksam im Sinne der Transaktionskostentheorie ist strategische Lieferantenentwicklung für den Abnehmer insofern, als sie einen zusätzlichen personellen und/oder finanziellen Aufwand bedeutet. Je nach Art strategischer Lieferantenentwicklung211 variiert allerdings die Höhe der Kosten für den Abnehmer. So ist beispielsweise die Bewertung eines Lieferanten inklusive Feedback und Zielvorgaben mit relativ geringen Kosten für den Abnehmer verbunden. Gemeinsame Optimierungsprojekte implizieren hingegen höhere Kosten. Schließlich muss der Abnehmer personelle und finanzielle Ressourcen zur Durchführung derartiger Projekte bereitstellen.212 Eine Entwicklung des Lieferanten durch finanzielle Unterstützung verursacht ebenfalls hohe Kosten. Mit der Interpretation strategischer Lieferantenentwicklung als transaktionsspezifischer Investition wird das ursprüngliche Modell der Transaktionskostentheorie umgedreht. Die Leitfrage ist nicht, welches institutionelle Arrangement (Markt – Hybrid – Hierarchie) in einer gegebe____________ 208
Bei langfristigen Verträgen bzw. Beziehungen zwischen Abnehmer und Lieferant können auch Charakteristika eines neoklassischen Vertrages (Hybrid) erfüllt sein. Auch aus Lieferantenperspektive kann strategische Lieferantenentwicklung eine transaktionsspezifische Investition darstellen. So fällt beim Lieferanten Aufwand für die Durchführung der Entwicklung (z.B. eines gemeinsamen Optimierungsprojektes) und die Umsetzung der daraus resultierenden Veränderungen an. Insbesondere letztgenannter Punkt kann dazu führen, dass die Investition des Lieferanten deutlich höher ist als die des Abnehmers. Inwieweit derartige Investitionen allerdings abnehmerspezifisch sind – und nicht etwa auf die Produktionslinien für andere Abnehmer des Lieferanten übertragen werden können – kann nur im Einzelfall geklärt werden. 210 Gleichzeitig stellt eine Beteiligung des Abnehmers am Lieferantenunternehmen insofern eine Ausnahme dar, als diese Form strategischer Lieferantenentwicklung auch als Schritt in Richtung einer Hierarchisierung und damit einer Änderung des institutionellen Arrangements verstanden werden kann. 211 Zu verschiedenen Optionen strategischer Lieferantenentwicklung vgl. Unterkapitel 4.2.2. 212 Personelle Ressourcen: z.B. Mitarbeiter des Abnehmers. Finanzielle Ressourcen: z.B. Reisekosten. 209
60
Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung
nen Situation (charakterisiert durch Transaktionshäufigkeit, transaktionsspezifische Investitionen und Unsicherheit) am vorteilhaftesten ist. Vielmehr stellt sich die Frage, wann ein Akteur in einem gegebenen institutionellen Arrangement (Markt)213 eine transaktionsspezifische Investition tätigen sollte. Da strategische Lieferantenentwicklung vom Abnehmer initiiert und getrieben wird, soll also erörtert werden, unter welchen transaktionstheoretischen Prämissen ein Abnehmer einen Lieferanten strategisch entwickelt. Gemäß der Transaktionskostentheorie wird ein Akteur dann eine transaktionsspezifische Investition tätigen, wenn er mit einer gewissen Sicherheit davon ausgehen kann, dass diese für ihn vorteilhaft ist.214 Daraus ergeben sich zwei wesentliche Implikationen für strategische Lieferantenentwicklung als transaktionsspezifische Investition des Abnehmers in den Lieferanten: •
Postulat der Vorteilhaftigkeit: Strategische Lieferantenentwicklung muss vorteilhaft sein.
•
Postulat der Sicherheit: Der Abnehmer muss mit einer gewissen Sicherheit davon ausgehen, dass er von dieser Vorteilhaftigkeit profitieren wird.
Postulat der Vorteilhaftigkeit Vorteilhaft im Sinne der Transaktionskostentheorie ist eine transaktionsspezifische Investition, wenn dadurch die Summe der Produktions- und Transaktionskosten gesenkt werden kann. Dabei unterstellt die Transaktionskostentheorie zwei gegenläufige Kostenwirkungen für transaktionsspezifische Investitionen: Ceteris paribus sinken die Produktionskosten, wohingegen die Transaktionskosten steigen.215 Das Sinken der Produktionskosten wird primär durch Spezialisierungsvorteile begründet. Im Kontext strategischer Lieferantenentwicklung könnten beispielsweise mit Hilfe einer finanziellen Unterstützung des Abnehmers angeschaffte, spezialisierte Anlagen zu geringeren Produktionskosten führen. Für ein Ansteigen der Transaktionskosten werden insbesondere Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung opportunistischen Verhaltens angeführt. Beispielhaft sei hierfür eine Vereinbarung zwischen Abnehmer und Lieferant für ein durchzuführendes gemeinsames Optimierungsprojekt genannt, die Rollen und Verantwortlichkeiten definiert, die Aufteilung der Ergebnisse detailliert und die Vertraulichkeit der im Rahmen des Projektes ausgetauschten Daten regelt. Allerdings kann strategische Lieferantenentwicklung auch zu einer Senkung der Transaktionskosten führen. Beispielhaft seien geringere Kontrollkosten auf Abnehmerseite angeführt, weil die Zuverlässigkeit des Lieferanten durch strategische Lieferantenentwicklung verbessert werden konnte. Die Kostenwirkung von strategischer Lieferantenentwicklung als transaktionsspezifischer Investition des Abnehmers ist somit nicht eindeutig. ____________ 213
Wie oben erläutert können bei langfristigen Verträgen bzw. Beziehungen zwischen Abnehmer und Lieferant auch Charakteristika eines neoklassischen Vertrages (Hybrid) erfüllt sein. 214 Vgl. Erlei und Jost, 2001, S. 41. 215 Vgl. hierzu und im Folgenden Ebers und Gotsch, 2006, S. 281-282.
Transaktionskostentheorie
61
Allerdings stellt strategische Lieferantenentwicklung eine bewusste, geplante transaktionsspezifische Investition des Abnehmers in den Lieferanten dar. Es ist also davon auszugehen, dass ein Abnehmer strategische Lieferantenentwicklung nur dann betreiben wird, wenn diese für ihn vorteilhaft ist. Vor diesem Hintergrund kann die Hypothese eines positiven Zusammenhangs zwischen strategischer Lieferantenentwicklung und den Produktions- bzw. Transaktionskosten aus Abnehmersicht abgeleitet werden. Diese potenziell positive Wirkung strategischer Lieferantenentwicklung soll für das zu entwickelnde Modell jedoch nicht nur im Hinblick auf Produktions- und Transaktionskosten verstanden werden. Vielmehr soll die Kritik, die Transaktionskostentheorie fokussiere zu sehr auf den Aspekt der Kosten und vernachlässige die Ertragsseite, berücksichtigt werden. Daher soll auch untersucht werden, inwieweit strategische Lieferantenentwicklung einen Beitrag zur Differenzierung des Abnehmers leisten kann, etwa durch die Verbesserung seiner Qualität, Lieferzeit und -zuverlässigkeit, Fertigungsflexibilität oder Innovationskraft.
Postulat der Sicherheit Gemäß der Transaktionskostentheorie steigt mit der Höhe einer transaktionsspezifischen Investition die Abhängigkeit der Transaktionspartner.216 Schließlich kann der Vorteil der getätigten Investition nur innerhalb der Transaktionsbeziehung voll genutzt werden. Damit erhöht sich die Gefahr opportunistischen Verhaltens, weil ein Transaktionspartner versuchen könnte, die Abhängigkeit des anderen zu seinen Gunsten zu nutzen. Übertragen auf den Kontext strategischer Lieferantenentwicklung könnte beispielsweise mit einem Lieferanten vor der Durchführung eines gemeinsamen Design-to-cost-Projektes für die von ihm gelieferte Komponente vereinbart werden, dass die identifizierten Einsparungen 50:50 aufgeteilt werden. Nach der Durchführung könnte der Lieferant allerdings darauf bestehen, nur einen geringeren Teil der Einsparungen an den Abnehmer weiterzugeben. Ceteris paribus wird der Abnehmer aufgrund von Opportunitätskostenüberlegungen bereit sein, so lange auf seinen Teil der identifizierten Einsparungen zu verzichten, bis das Preisniveau der nächstbesten Lieferquelle erreicht ist. Damit ergibt sich mit zunehmender Höhe der transaktionsspezifischen Investition eine steigende Notwendigkeit für Sicherungsmaßnahmen. Der Logik der Transaktionskostentheorie folgend können Sicherheitsmaßnahmen in Form einer vertraglichen Einschränkung des Spielraums für opportunistisches Handeln umgesetzt werden. Beispielsweise könnten Abnehmer und Lieferant einen langfristigen Liefervertrag mit den Merkmalen neoklassischer Vertragsgestaltung – Anpassungsklauseln, Sicherheitsleistungen und Konfliktlösungsmechanismen – abschließen. Dies wäre eine Änderung des institutionellen Arrangements von einem klassischen Vertrag (Markt) hin zu einem neoklassischen Vertrag (Hybrid). Die Transaktionskosten würden steigen. ____________ 216
Vgl. hierzu und im Folgenden Erlei und Jost, 2001, S. 41-42, sowie Ebers und Gotsch, 2006, S. 281-282.
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Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung
Eine Sicherungsmaßnahme kann aber auch die bewusste Wahl von Rahmenbedingungen darstellen, die negative Anreize für opportunistisches Verhalten setzen. Ist ein Lieferant beispielsweise vom Abnehmer abhängig, etwa weil er einen Großteil seines Umsatzes mit diesem erzielt, so wirkt diese Rahmenbedingung einem opportunistischen Verhalten des Lieferanten entgegen. Schließlich kann der Abnehmer glaubhaft drohen, opportunistisches Verhalten des Lieferanten zum Beispiel durch Entzug von künftigen Aufträgen zu sanktionieren. Eine hohe Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer stellt also einen Sicherungsmechanismus dar, der lieferantenspezifische Investitionen des Abnehmers gegen opportunistisches Verhalten des Lieferanten absichert. Damit ließe sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer und der Bereitschaft des Abnehmers, diesen Lieferanten strategisch zu entwickeln, theoretisch begründen. Analog würde diese Argumentationskette einen negativen Zusammenhang zwischen der Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten und der Bereitschaft des Abnehmers zu strategischer Lieferantenentwicklung implizieren. Allerdings lässt sich – eine andere Argumentation nutzend – auch ein umgekehrter Zusammenhang theoretisch begründen. Denn ein Abnehmer wird versuchen, strategische Lieferantenentwicklung als Investition auf strategisch wichtige Lieferanten zu konzentrieren. Lieferanten, von denen ein Abnehmerunternehmen abhängig ist, spielen zweifelsohne eine wichtige Rolle für diesen Abnehmer. Daher wäre also auch ein positiver Zusammenhang zwischen der Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten und strategischer Lieferantenentwicklung denkbar. Aus der Transaktionskostentheorie lassen sich also zentrale Zusammenhänge für strategische Lieferantenentwicklung als transaktionsspezifische Investition des Abnehmers in den Lieferanten ableiten. So ist zum einen von einer Vorteilhaftigkeit strategischer Lieferantenentwicklung auszugehen. Diese soll dabei bewusst breit im Sinne einer positiven Wirkung auf die Kosten und/oder die Differenzierung des Abnehmers verstanden werden. Zum zweiten ist davon auszugehen, dass der Abnehmer seine transaktionsspezifische Investition gegen die Gefahr eines opportunistischen Verhaltens des Lieferanten absichert. Daraus lässt sich, wie oben erläutert, ein positiver Zusammenhang zwischen der Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer und der Bereitschaft des Abnehmers zur strategischen Entwicklung des Lieferanten ableiten. Für den umgekehrten Fall einer Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten ist die Wirkungsrichtung eines entsprechenden Zusammenhangs auf theoretischer Basis nicht eindeutig zu beantworten.
3.3 Ressourcenbasierter Ansatz 3.3.1 Zentrale Begrifflichkeiten und Leitgedanke Der ressourcenbasierte Ansatz stellt den Kern einer Denktradition dar, die Ressourcen als Basis für Wettbewerbsvorteile ins Zentrum der Überlegungen stellt. Allerdings handelt es sich
Ressourcenbasierter Ansatz
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weniger um ein konsistentes Theoriegebäude, sondern eher um Erkenntnisfragmente. 217 Im Englischen wird daher häufig der Begriff "resource-based view" verwendet, um den vorparadigmatischen Charakter des Ansatzes zu unterstreichen.218 Als Ausgangspunkt für den ressourcenbasierten Ansatz werden üblicherweise die Arbeiten von Selznick und Penrose genannt.219 Eine intensive Auseinandersetzung und Ausgestaltung des Ansatzes fand aber erst in den achtziger bzw. neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts statt.220 Als wesentliche Autoren seien stellvertretend für weitere Wernerfelt, Barney und Grant genannt. 221 Im deutschsprachigen Raum sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit die Beiträge von zu Knyphausen-Aufseß, Müser und Freiling hervorzuheben.222 Leitgedanke des ressourcenbasierten Ansatzes ist, "[…] that valuable and rare organizational resources can be a source of competitive advantage."223 Damit wurde der Ansatz als Gegenentwurf zu dem in den 80er Jahren dominierenden Structure-Conduct-Performance-Paradigma der traditionellen Industrieökonomik positioniert. 224 Letzteres sieht in der Branchenstruktur ("structure") und den strategischen Aktionen des Unternehmens ("conduct") die wesentlichen Einflussgrößen für den Unternehmenserfolg ("performance"), womit sich für das Management die Aufgabe ergibt, die Geschäftsfelder des Unternehmens auf attraktive Branchen auszurichten und strategische Aktivitäten an den spezifischen Branchenbedingungen zu orientieren. Die (unternehmensexterne) Branchenstruktur ist also der dominierende Faktor innerhalb des Structure-Conduct-Performance-Paradigmas. Beim ressourcenbasierten Ansatz hingegen besteht die wesentliche Aufgabe der Unternehmensführung in der Identifikation und Evaluation wettbewerbsvorteilsstiftender unternehmensinterner Ressourcen sowie deren Aufbau, Entwicklung bzw. Erhalt. Der Ressourcenbegriff im Sinne des ressourcenbasierten Ansatzes ist sehr breit definiert. Ressourcen werden verstanden als "[…] anything which could be thought of as a strength or a weakness of a given firm. More formally, a firm's resources at a given time could be defined as
____________ 217
Vgl. Wolf, 2008, S. 564. Vgl. z.B. die Titel der Beiträge von Wernerfelt, 1984, und Wernerfelt, 1995. 219 Vgl. Selznick, 1957, und Penrose, 1959. Zum Beitrag von Penrose im Hinblick auf die Entwicklung des ressourcenbasierten Ansatzes vgl. die Diskussionsbeiträge von Rugman und Verbeke, 2002, und Kor und Mahoney, 2004. Freiling et al. argumentieren, dass für die Ressourcen- und Kompetenzforschung relevante Aspekte schon früher von einigen Autoren adressiert wurden, vgl. Freiling et al., 2006, S. 39. 220 Vgl. die von Freiling et al. zusammengetragenen selektiven Meilensteine der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung in Freiling et al., 2006, S. 41. 221 Vgl. Wernerfelt, 1984, Wernerfelt, 1995, Barney, 1986, Barney, 1991, Barney, 2001, und Grant, 1991. 222 Vgl. zu Knyphausen, 1993, zu Knyphausen, 1997, Müser, 1999, und Freiling, 2001. Für einen umfangreichen Überblick über ressourcenorientierte Beiträge bzw. deren Autoren vgl. Freiling, 2001, S. 9-10. 223 Barney, 1991, S. 107. 224 Vgl. hierzu auch Barneys spätere Ausführungen zur ursprünglichen Positionierung des ressourcenbasierten Ansatzes relativ zum Structure-Conduct-Performance-Paradigma, vgl. Barney, 2001. Das Structure-ConductPerformance-Paradigma geht ursprünglich auf Mason, 1939, und Bain, 1956, zurück. 218
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Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung
those (tangible and intangible) assets which are tied semipermanently to the firm."225 Neben dem Ressourcenbegriff werden in der Literatur auch Termini wie "core competencies", "distinctive and leverageable competencies (DLC)", "core skills" oder "capabilities" verwendet,226 teilweise als Äquivalent zum Ressourcenbegriff, teilweise, um bestimmte Aspekte zu prononcieren.227 Grundsätzlich unterstellt der ressourcenbasierte Ansatz, dass sich Unternehmen in Bezug auf ihre Ressourcenausstattung unterscheiden.228 Damit wird im Gegensatz zur traditionellen Industrieökonomik die Unterschiedlichkeit und damit Einzigartigkeit von Unternehmen einer Branche betont.229 Zum zweiten geht der ressourcenbasierte Ansatz davon aus, dass Ressourcen nur begrenzt mobil bzw. transferierbar sind, so dass die Heterogenität von Unternehmen dauerhaft erhalten bleiben kann. Um für ein Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil darzustellen, müssen Ressourcen darüber hinaus vier Kriterien genügen.230 •
Werthaltigkeit: Die Ressourcen stiften einen aus Kundensicht wahrnehmbaren Nutzen (Differenzierungs- bzw. Kostenvorteil).
•
Knappheit: Die Ressourcen sind im Hinblick auf die aktuellen bzw. künftigen Wettbewerber des Unternehmens einzigartig bzw. nur eingeschränkt verbreitet.
•
Keine bzw. eingeschränkte Imitierbarkeit: Die Ressourcen können aufgrund von sogenannten Isolierungsmechanismen nicht bzw. nur mit hohem Aufwand von Wettbewerbern nachgeahmt werden. Isolierungsmechanismen können rechtliche Absicherungsmechanismen, z.B. Patente, kausale Ambiguität, d.h. die Schwierigkeit für Wettbewerber, die Ursachen für den Erfolg des Unternehmens nachzuvollziehen, FirstMover-Advantages, d.h. Vorteile durch eine frühe Verwertung der Ressource, sowie eine idiosynkratische Historizität sein.231 Letztere bezeichnet den Umstand, dass eine
____________ 225
Wernerfelt, 1984, S. 172. Freiling präzisiert diese Definition vor dem Hintergrund einer anhaltenden Kritik an der unklaren Bestimmung dieser zentralen Begrifflichkeit (vgl. hierzu Unterkapitel 3.3.2) folgendermaßen: "Zusammenfassend ist von Ressourcen im Kontext des Resource-based View dann zu sprechen, wenn (in Märkten beschaffbare) Inputgüter durch Veredelungsprozesse zu unternehmenseigenen Merkmalen für Wettbewerbsfähigkeit weiterentwickelt worden sind und die Möglichkeit besteht, Rivalen von der Nutzung dieser Ressourcen in nachhaltiger Weise auszuschließen." Freiling, 2001, S. 22, Kursivschreibung wie im Original. 226 Vgl. Wolf, 2008, S. 579. Im Folgenden wird einheitlich der Begriff der Ressource verwendet. 227 So unterscheidet beispielsweise Grant zwischen "resources" (Inputfaktoren für den Produktionsprozess und Quelle der Fähigkeiten eines Unternehmens) und "capabilities" (Kompetenz, Ressourcen gebündelt zur Durchführung einer Aufgabe einzusetzen, und Quelle für Wettbewerbsvorteile), vgl. Grant, 1991, S. 118-119. 228 Vgl. Barney, 1991, S. 101. 229 Vgl. hierzu den Beitrag von zu Knyphausen, 1993. Dieser vertritt die These, dass die industrieökonomische Forschung Unternehmen keineswegs als "gleich" behandelt und verweist darauf, dass Lernpotenziale ungenutzt bleiben, wenn beide Ansätze zu sehr als Gegensätze verstanden werden, vgl. zu Knyphausen, 1993, S. 771. 230 Vgl. Barney, 1991, S. 105-106. Darüber hinaus werden in der Literatur noch weitere Kriterien genannt, wie etwa die strategische Relevanz, Nachhaltigkeit oder Mehrfachverwertbarkeit von Ressourcen, vgl. Wolf, 2008, S 572-575. 231 Vgl. Wolf, 2008, S. 573-574.
Ressourcenbasierter Ansatz
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Ressource in einem evolutionären Prozess gewachsen ist und nur in dem spezifischen Kontext optimal genutzt werden kann. •
Keine Substituierbarkeit: Die Ressourcen können nicht durch andere, mit gleichem oder geringerem Aufwand aufbaubare Ressourcen ersetzt werden.
In der Literatur existieren diverse Beispiele bzw. Auflistungen von Ressourcen, die den skizzierten Merkmalen gerecht werden können. Das Spektrum reicht von technologischer Führerschaft, Größenvorteilen, Produktionserfahrung, Zugang zu günstigen Inputfaktoren, Unternehmenskultur, Marken- bzw. Unternehmensimage bis hin zur Loyalität von Kunden.232 Diese und andere Beispiele lassen mehrere Schlussfolgerungen zu.233 Erstens ist das Spektrum der im Sinne der skizzierten Kriterien vorteilhaften Ressourcen nicht exakt definiert. Zweitens handelt es sich bei den angeführten Ressourcen mehrheitlich um immaterielle bzw. intangible Ressourcen wie z.B. eine außergewöhnliche Kundenloyalität. Eine besondere Rolle spielen "tacit resources".234 Damit werden Ressourcen umschrieben, "[…] that are noncodifiable and must be learned by doing and thus cannot be brought […]".235 Ein mehrfach angeführtes Beispiel ist die Fähigkeit eines versierten Gipsers, Mischverhältnis, Wurfwinkel und -geschwindigkeit so abzuschätzen, dass der mit der Kelle an die Wand geschleuderte Gips hängen bleibt.236 Drittens entstehen zu Wettbewerbsvorteilen führende Ressourcen meist durch die Zusammenführung mehrerer Faktoren.237 Mit Hilfe ihrer Ressourcen streben Unternehmen gemäß dem ressourcenbasierten Ansatz nach nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen, die sich in übernormalen Renten238 manifestieren. Dabei werden in aller Regel vier Arten von Renten differenziert:239 •
Ricardo-Renten treten auf, wenn Unternehmen in außergewöhnlichem Maße über knappe und zugleich werthaltige Ressourcen verfügen. Ein Beispiel sind Aluminiumhersteller in Island, weil dort der für die Herstellung von Aluminium entscheidende Kostenfaktor – elektrischer Strom – sehr günstig ist.
____________ 232
Vgl. die Beispiele bei Wernerfelt, 1984, S. 174, Grant, 1991, S. 118, und zu Knyphausen, 1993, S. 777-781. Eine einheitliche Systematisierung existiert nicht, auch wenn einige Autoren hierzu Vorschläge entwickelt haben. So unterscheidet beispielsweise Barney "physical capital resources", "human capital resources" und "organizational capital resources", vgl. Barney, 1991, S. 101. 233 Vgl. hierzu auch Wolf, 2008, S. 578 und 580. 234 Das Konzept der "tacit knowledge" geht auf Polanyi zurück: "[…] owing to the ultimately tacit nature of all our knowledge, we remain ever unable to say all that we know, so also, in view of the tacit character of meaning, we can never quite know what is implied in what we say.” Polanyi, 1958, S. 95. 235 Hunt, 2000, S. 143. 236 Vgl. ausführlicher Wolf, 2008, S. 580. 237 Grant beschreibt dies als "[…] cooperation and coordination of teams of resources." Grant, 1991, S. 119. 238 Statt des Begriffs der Rente verwenden manche Autoren Termini wie "value add" oder "Gewinn", vgl. Ortmann et al., 2000, S. 460, und die dort angegebenen Quellen. 239 Vgl. Wolf, 2008, S. 581-582.
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Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung •
Monopol-Renten treten auf, wenn Unternehmen eine Alleinstellung im Markt genießen. Ein Beispiel sind Pharmaunternehmen, deren Produkte durch Patente vor dem Wettbewerb geschützt sind.
•
Schumpeter-Renten werden von Unternehmen erzielt, die neue, innovative Produkte auf den Markt bringen und sich damit bis zum Nachziehen der Konkurrenz vom Wettbewerb abheben. Schumpeter-Renten stellen eine Spezialform der Monopol-Rente dar.
•
Quasi-Renten entsprechen dem Unterschied in der Rente bei einer optimalen Verwendung der Ressource im Vergleich zur nächstbesten Verwendung der Ressource.
Wie Unternehmen diese Renten realisieren können, beschreibt Grant in seinem iterativen, fünfstufigen Prozess zur Strategieformulierung.240 In den ersten beiden Schritten werden Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens im Hinblick auf den Wettbewerb identifiziert.241 Im dritten Schritt wird das rentenstiftende Potenzial von Ressourcen und Fähigkeiten beurteilt. Im vierten Schritt wird die Strategie gewählt, die die Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens im Hinblick auf den Wettbewerb optimal nutzt. Im fünften Schritt werden Ressourcenlücken aufgedeckt und in die Ergänzung und Verbesserung der Ressourcenbasis investiert. Im Zuge seiner Entstehung wurde der ressourcenbasierte Ansatz in vielfältiger Weise ergänzt und abgewandelt. Daraus haben sich diverse Untertypen und aber auch weitgehend eigenständige Ansätze gebildet. Exemplarisch seien der "competence-based view"242, der "knowledgebased view"243 und der "relational view"244 erwähnt. Letzterer ist im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung besonders interessant. Denn während der ressourcenbasierte Ansatz sehr stark auf unternehmensinterne Ressourcen fokussiert, ergänzt der "relational view" diese Perspektive durch einen Netzwerk-Fokus. Dabei gelten Ressourcen, die in Unternehmensbeziehungen eingebettet sind, als die wesentliche Quelle für Wettbewerbsvorteile. Für die Interpretation in Unterkapitel 3.3.3 wird der ressourcenbasierte Ansatz daher insofern ergänzt, als in Unternehmensbeziehungen eingebettete Ressourcen ebenfalls in die Betrachtung mit eingeschlossen werden. Den Untertypen und weiteren Ansätzen im Dunstkreis des ressourcenbasierten Ansatzes ist gemein, dass sie auf einer ressourcenorientierten Interpretation von Unternehmen basieren. In jüngerer Vergangenheit wird daher versucht, die verschiedenen Ansätze der Ressourcen- und Kompetenzforschung zu einer "competence-based theory of the firm" zu integrieren. 245 Gleichzeitig fordern verschiedene Autoren, den "market-based view" des industrieökonomi____________ 240
Vgl. Grant, 1991, S. 115. Grant unterscheidet Ressourcen und Fähigkeiten eines Unternehmens: "While resources are the source of a firm's capabilities, capabilities are the main source of its competitive advantage." Grant, 1991, S. 119. 242 Vgl. z.B. Prahalad und Hamel, 1990. 243 Vgl. z.B. Grant, 1996. 244 Vgl. z.B. Dyer und Singh, 1998. 245 Vgl. z.B. den Beitrag von Freiling et al., 2006. 241
Ressourcenbasierter Ansatz
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schen Paradigmas und den ressourcenbasierten Ansatz zusammenzuführen, um auf dieser Basis eine ganzheitliche Perspektive zu entwickeln.246
3.3.2 Kritische Würdigung im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung Ziel dieses Unterkapitels ist es, die inhaltliche Eignung des ressourcenbasierten Ansatzes für die vorliegende Arbeit zu überprüfen und durch eine Explizierung wesentlicher Stärken und Schwächen die Basis für eine reflektierte Interpretation des Ansatzes in Unterkapitel 3.3.3 zu legen. Daher werden im Folgenden ausgewählte Stärken und Schwächen zusammengefasst und im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung kritisch gewürdigt. Als wesentliche Stärken des ressourcenbasierten Ansatzes sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit die folgenden Punkte zu nennen.247 •
Erstens ergänzt der ressourcenbasierte Ansatz die wissenschaftliche Diskussion um die wichtige Ressourcenperspektive und relativiert damit die durch die Dominanz des Structure-Conduct-Performance-Paradigmas geförderte Einseitigkeit in der Diskussion. Damit erlaubt der Ansatz auch die Untersuchung der Mittel, die zum Erhalt, der Entwicklung oder für den Aufbau einer als rentenstiftenden Ressource interpretierbaren strategischen Lieferantenentwicklung notwendig sind. Somit ist er inhaltlich für die vorliegende Arbeit geeignet.248
•
Zweitens bietet der ressourcenbasierte Ansatz eine plausible Erklärung für die in der unternehmerischen Praxis bestehenden Leistungsunterschiede zwischen in gleichen Industrien bzw. auf den gleichen Geschäftsfeldern miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen. Dies ist eine wichtige Prämisse für die Analyse des Beitrags strategischer Lieferantenentwicklung zur Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers.
•
Drittens erlaubt der ressourcenbasierte Ansatz die Auseinandersetzung mit Phänomenen wie dem richtigen Diversifikationsgrad eines Unternehmens, die von anderen Theorien und Ansätzen nur bedingt erklärt werden können. Für die vorliegende Arbeit ist insbesondere die Möglichkeit relevant, für strategische Lieferantenentwicklung relevante Rahmenbedingungen aus Ressourcenperspektive beurteilen zu können.
•
Viertens unterstreicht der ressourcenbasierte Ansatz die Bedeutsamkeit der Managementfunktion als dispositive Kraft. Da strategische Lieferantenentwicklung als Investition des Abnehmers in das eigene Lieferantennetzwerk verstanden werden kann und
____________ 246
Vgl. z.B. zu Knyphausen, 1993, S. 786. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an der Übersicht von Wolf, 2008, S. 594-595. 248 In Unterkapitel 2.2.3 wurde aufgezeigt, dass der ressourcenbasierte Ansatz auch in anderen großzahligempirischen Arbeiten zur Lieferantenentwicklung genutzt wird. Von einer inhaltlichen Eignung konnte daher ausgegangen werden, vgl. auch die Auswahlkriterien in Unterkapitel 3.1.2. 247
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Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung damit eine bewusste Entscheidung des (Top-)Managements des Abnehmerunternehmens darstellt, entspricht dies auch dem Verständnis der vorliegenden Arbeit.
Zudem können die in Unterkapitel 3.2 diskutierte Transaktionskostentheorie und der ressourcenbasierte Ansatz als komplementär betrachtet werden.249 Damit ist gewährleistet, dass eine theoretische Fundierung der vorliegenden Arbeit auf Basis beider Theorien zu einer höheren Robustheit der abzuleitenden Modellhypothesen führt, ohne dass die Konsistenz der Argumentation darunter leidet. Allerdings weist der ressourcenbasierte Ansatz auch eine Reihe von Schwächen auf, von denen im Folgenden einige benannt werden sollen. Dabei werden insbesondere diejenigen Kritikpunkte aufgegriffen, die für die Verwendung des Ansatzes in der vorliegenden Arbeit kritisch sein könnten. Dadurch soll – wie bereits bei der kritischen Würdigung der Transaktionskostentheorie – die reflektierte Anwendung des Ansatzes sichergestellt werden. Es soll hingegen nicht der Versuch unternommen werden, die Schwächen des ressourcenbasierten Ansatzes zu heilen oder auch nur zu relativieren. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit können folgende wesentliche Schwächen genannt werden.250 •
Erstens steht der ressourcenbasierte Ansatz unter Tautologie-Verdacht.251 Im Kern geht es um den Zusammenhang zwischen der unabhängigen Variable "Ressourcen" – diese müssen unter anderem dem Kriterium der Werthaltigkeit genügen – und der abhängigen Variable "Wettbewerbsvorteil" – ein solcher schafft qua Definition Wert für das jeweilige Unternehmen. Einfach formuliert: Die Aussage, dass eine Ressource, die wertvoll ist, Wert schafft, muss nicht empirisch überprüft werden.252 Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Begriffe "werthaltig" und "Wert schaffen" wirklich vollkommen synonym sind. Daher wird diesem grundsätzlichen Problem auf Ebene des Ansatzes durch eine sorgfältige Formulierung auf Ebene der abzuleitenden Hypothesen begegnet, um logische Zirkelschlüsse zu vermeiden.
•
Zweitens besteht eine deutliche terminologische Unschärfe im Hinblick auf das zentrale Konstrukt "Ressourcen". Voss bezeichnet diesen Zustand als "terminologische Suppe", Bresser schreibt von "babylonischen Sprachverwirrungen".253 Dem versucht die vorliegende Arbeit insofern zu begegnen, als wesentliche Begrifflichkeiten für den Kontext dieser Arbeit definiert werden. Dabei besteht nicht der Anspruch, eine ver-
____________ 249
Vgl. Mahoney, 2001, S. 655. Ergänzend sei auf den Vergleich zwischen dem ressourcenbasierten Ansatz und der Transaktionskostentheorie von Conner hingewiesen, vgl. Conner, 1991, S. 133. 250 Die folgenden Ausführungen orientieren sich an dem Beitrag von Priem und Butler, 2001, inklusive der Replik von Barney, 2001, sowie Freiling, 2001, S. 41-52, Freiling et al., 2006, S. 41-42, und Wolf, 2008, S. 595-597. 251 Vgl. z.B. Priem und Butler, 2001, S. 27-28. Diesem Vorwurf allerdings widerspricht Barney, vgl. Barney, 2001, S. 41-42. 252 Vgl. hierzu Porters Formulierung: "Successful firms are successful because they have unique resources. They should nurture these resources to be successful." Porter, 1994, S. 445. 253 Vgl. Freiling et al., 2006, S. 42, und die dort angegeben Quellen.
Ressourcenbasierter Ansatz
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bindliche Nomenklatur zu entwickeln, wohl aber die verwendeten Termini für den Kontext dieser Arbeit ausreichend zu präzisieren. •
Drittens ist das Problem einer Quantifizierung des Wertes von Ressourcen bislang weitgehend ungelöst. Hinzu kommt, dass eine absolute Bestimmung aus theoretischen Gründen nicht möglich ist, da der Wert einer Ressource immer nur kontextspezifisch bestimmt werden kann. Für die vorliegende Arbeit soll allerdings nicht der Wert, sondern lediglich der Wertbeitrag der als Ressource interpretierbaren strategischen Lieferantenentwicklung empirisch überprüft werden.254 Daher stellt diese Schwäche keine Einschränkung dar.
•
Viertens ist der ressourcenbasierte Ansatz insofern einseitig, als er Ressourcen als Quelle für Wettbewerbsvorteile ins Zentrum der Überlegungen stellt und andere Aspekte, wie beispielweise die Branchenstruktur, außer Acht lässt. Da in der vorliegenden Arbeit kein gesamthaftes Strategiemodell entwickelt werden soll, stellt diese Schwäche kein schwerwiegendes Problem dar. Zudem wurde bereits in Unterkapitel 3.1.2 darauf verwiesen, dass bislang keine ganzheitliche Theorie existiert. Aus diesem Grund wurde bewusst ein multitheoretischer Ansatz zur Fundierung des zu entwickelnden Modells gewählt.
Über die genannten Punkte hinaus existiert noch eine Reihe weiterer Kritikpunkte am ressourcenbasierten Ansatz.255 Da diese im Hinblick auf die vorliegende Arbeit nur bedingt ins Gewicht fallen, wird auf eine detaillierte Diskussion verzichtet. Damit kann abschließend festgehalten werden, dass der ressourcenbasierte Ansatz in Ergänzung zur Transaktionskostentheorie eine sinnvolle Basis zur theoretischen Fundierung des zu entwickelnden Modells der strategischen Lieferantenentwicklung darstellt. Vor diesem Hintergrund soll der Ansatz im folgenden Unterkapitel im Hinblick auf präskriptive Aussagen zu den Auswirkungen und Rahmenbedingungen von strategischer Lieferantenentwicklung interpretiert werden.
3.3.3 Interpretation im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung Gemäß dem ressourcenbasierten Ansatz besteht die Hauptaufgabe der Unternehmensführung in der Identifikation, Bewertung und optimalen Nutzung vorhandener Ressourcen sowie deren Entwicklung und Erhalt. Gleichzeitig sollen Ressourcenlücken identifiziert, bewertet und geschlossen werden. Dabei sollen Unternehmen ihre materiellen und immateriellen Mittel für Aufbau, Entwicklung und Erhalt derjenigen Ressourcen einsetzen, die besonders ergiebig sind. Dies trifft auf Ressourcen zu, die werthaltig, knapp, nicht bzw. kaum imitierbar und nicht substituierbar sind. ____________ 254 255
Vgl. hierzu das in Unterkapitel 4.2.3 entwickelte Modell. Vgl. z.B. Freiling, 2001, S. 41-52, oder Wolf, 2008, S. 595-597.
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Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung
Vor diesem Hintergrund kann strategische Lieferantenentwicklung in zweifacher Hinsicht verstanden werden. Erstens als ergiebige Ressource selbst. Zweitens als Mittel zum Aufbau, zur Entwicklung und zum Erhalt von in Abnehmer-Lieferant-Beziehungen eingebetteten Ressourcen. Diese beiden Interpretationen inklusive ihrer Konsequenzen werden im Folgenden erläutert.
Strategische Lieferantenentwicklung als rentenstiftende Ressource Strategische Lieferantenentwicklung kann für den Abnehmer insofern eine rentenstiftende Ressource darstellen, als sie ihn – bei erfolgreicher Anwendung – in die Lage versetzt, sein Lieferantennetzwerk kontinuierlich und systematisch zum eigenen Vorteil zu verbessern. Sie erfüllt damit alle Merkmale von Ressourcen, die gemäß dem ressourcenbasierten Ansatz entscheidend für die Erhaltung und den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen und damit zur Generierung von Unternehmensrenten sind. So kann strategische Lieferantenentwicklung einen Abnehmer befähigen, eine eingeschlagene Qualitätsführerstrategie konsequent umzusetzen. Dies kann in einem erhöhten Kundennutzen resultieren und gleichzeitig den Abnehmer vom Wettbewerb abheben. Da es sich bei strategischer Lieferantenentwicklung um eine kontinuierliche Aktivität handelt, kann sie in diesem Sinne als dauerhaft bzw. nachhaltig betrachtet werden. Gleichzeitig ist strategische Lieferantenentwicklung spezifisch im Hinblick auf den jeweiligen Lieferanten, und damit nur eingeschränkt transferierbar. Strategische Lieferantenentwicklung kann auch eine idiosynkratische Historizität aufweisen und ist damit nur eingeschränkt imitierbar, etwa weil die dafür notwendige Methodenkompetenz vom Abnehmer erst sukzessive und netzwerkspezifisch entwickelt werden muss. Je nach Situation kann strategische Lieferantenentwicklung auch einen überlegenen Ansatz darstellen, der nicht durch andere Lieferantenmanagementansätze substituierbar ist.256 Strategische Lieferantenentwicklung kann also im Rahmen des ressourcenbasierten Ansatzes als Ressource im Sinne einer Metakompetenz interpretiert werden, die dem Abnehmer die systematische und kontinuierliche Verbesserung seines Lieferantennetzwerkes erlaubt. Damit stellt strategische Lieferantenentwicklung einen Wettbewerbsvorteil für den Abnehmer dar und beeinflusst dessen Unternehmensrente positiv. Insgesamt lässt sich aus dem ressourcenbasierten Ansatz also wie schon aus der Transaktionskostentheorie ein potenziell positiver direkter Zusammenhang zwischen strategischer Lieferantenentwicklung und Wettbewerbsvorteil bzw. Unternehmensrente des Abnehmers ableiten. Gemäß dem ressourcenbasierten Ansatz sollen Unternehmen ihre materiellen und immateriellen Mittel für Aufbau, Entwicklung und Erhalt derjenigen Ressourcen einsetzen, die besonders ergiebig sind. Hat ein Unternehmen strategische Lieferantenentwicklung für sich als rentenstif____________ 256
Zum Lieferantenmanagement bzw. unterschiedlichen Ansätzen vgl. Unterkapitel 2.1.1.
Ressourcenbasierter Ansatz
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tende Ressource identifiziert, so ist zu erwarten, dass es Mittel für den Aufbau, die Entwicklung und den Erhalt dieser Ressource bereitstellt. Dabei ist zu erwarten, dass strategische Lieferantenentwicklung umso ausgeprägter ist, je umfangreicher die von einem Unternehmen zur Ausbildung dieser Ressource bereitgestellten Mittel sind. Ein Mittel zur Ausbildung strategischer Lieferantenentwicklung ist die Ausstattung entsprechender Teams mit Humankapital, Finanzkapital sowie dispositivem Kapital im Sinne der Zeit und Aufmerksamkeit, die das Management dem Thema widmet. Darüber hinaus stellt auch eine entsprechende Methodenkompetenz, beispielsweise zur erfolgreichen Durchführung von gemeinsamen Optimierungsprojekten mit dem Lieferanten, ein weiteres wichtiges Mittel für den Erhalt, die Entwicklung oder den Aufbau von strategischer Lieferantenentwicklung als rentenstiftender Ressource dar.257 Damit lässt sich aus dem ressourcenbasierten Ansatz auch ein positiver Zusammenhang zwischen den für strategische Lieferantenentwicklung bereitgestellten Mitteln wie Teamausstattung oder Methodenkompetenz und der Ausgeprägtheit strategischer Lieferantenentwicklung ableiten.
Strategische Lieferantenentwicklung als Mittel zum Erhalt, zur Entwicklung und zum Aufbau rentenstiftender Ressourcen Während der ressourcenbasierte Ansatz primär auf unternehmensinterne Ressourcen fokussiert, ergänzt der "relational view" dies durch die Akzentuierung von in Unternehmensbeziehungen eingebetteten Ressourcen. Vor dem Hintergrund dieser erweiterten Ressourcenperspektive kann strategische Lieferantenentwicklung als Mittel interpretiert werden, das zum Erhalt, zur Entwicklung und zum Aufbau rentenstiftender Ressourcen dient, die in AbnehmerLieferant-Beziehungen eingebettet sind. Rentenstiftend ist gemäß dieser Interpretation also nicht strategische Lieferantenentwicklung selbst, wohl aber die mit Hilfe strategischer Lieferantenentwicklung erhaltene, entwickelte oder neu aufgebaute Ressource. Auf übergeordneter Ebene kann ein außergewöhnlich wettbewerbsfähiges Lieferantennetzwerk diese Ressource darstellen. Es ist leicht einzusehen, dass ein außergewöhnlich wettbewerbsfähiges Lieferantennetzwerk alle Merkmale einer rentenstiftenden Ressource erfüllt. So kann es den Nutzen des Kunden steigern und als differenzierendes Element im Wettbewerb dienen. Gleichzeitig kann es bei entsprechender Pflege einen dauerhafter Wettbewerbsvorteil darstellen, zumal ein derartiges Lieferantennetzwerk in Summe kaum transferierbar, nur schwer imitierbar und nichtsubstituierbar ist. Allerdings ist strategische Lieferantenentwicklung nur ein Instrument zur Ausbildung eines außergewöhnlich wettbewerbsfähigen Lieferantennetzwerkes. So spielt die Auswahl geeigne-
____________ 257
Zum Begriff der Methodenkompetenz vgl. Unterkapitel 4.2.2.
72
Ausgewählte theoretische Perspektiven der strategischen Lieferantenentwicklung
ter Lieferanten ebenfalls eine wichtige Rolle.258 Damit trägt strategische Lieferantenentwicklung gemäß dieser Interpretation nur partiell und zudem indirekt zu Wettbewerbsvorteilen des Abnehmers bei.
3.4 Zwischenfazit In Kapitel 3 wurden Aussagen über wesentliche Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, strategischer Lieferantenentwicklung und Auswirkungen auf den Abnehmer aus der Transaktionskostentheorie sowie dem ressourcenbasierten Ansatz abgeleitet. In der Transaktionskostentheorie wurde strategische Lieferantenentwicklung als transaktionsspezifische Investition des Abnehmers verortet. Innerhalb des ressourcenbasierten Ansatzes kann strategische Lieferantenentwicklung sowohl als rentenstiftende Ressource als auch als Mittel zum Aufbau von in Abnehmer-Lieferant-Beziehungen eingebetteten, rentenstiftenden Ressourcen interpretiert werden. Daraus ergeben sich die folgenden Zusammenhänge: •
Sowohl die Transaktionskostentheorie als auch der ressourcenbasierte Ansatz stützen die Hypothese einer positiven Auswirkung strategischer Lieferantenentwicklung auf den Abnehmer. Im Hinblick auf das zu entwickelnde Modell soll diese Wirkung bewusst breit im Sinne einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers in Bezug auf Kosten und/oder Differenzierung ausgelegt werden.
•
Aus der Transaktionskostentheorie lässt sich darüber hinaus ein positiver Zusammenhang zwischen der Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer und dessen Bereitschaft, den Lieferanten strategisch zu entwickeln, ableiten. Auch ein Zusammenhang zwischen der Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten und strategischer Lieferantenentwicklung ist begründbar, wobei die Frage der Wirkungsrichtung theoretisch ambivalent beantwortet werden kann.
•
Der ressourcenbasierte Ansatz stützt zusätzlich einen positiven Zusammenhang zwischen für strategische Lieferantenentwicklung bereitgestellten Mitteln – Personal, Kapital, Management-Commitment oder Methodenkompetenz – und der Ausgeprägtheit strategischer Lieferantenentwicklung.
Damit ist eine multitheoretisch fundierte Basis für die Entwicklung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung gelegt, die im Zentrum des folgenden Kapitels 4 steht.
____________ 258
Für einen Überblick zum Lieferantenmanagement vgl. Unterkapitel 2.1.1.
Kapitel 4 4 Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Ziele von Kapitel 4 sind die Auswahl und Begründung eines geeigneten Analyseverfahrens und darauf basierend die Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung, das die Dimensionen Rahmenbedingungen, Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und deren Auswirkungen auf den Abnehmer verknüpft. Das Kapitel ist in drei Teile gegliedert: •
In Unterkapitel 4.1 wird das Analyseverfahren bestimmt. Zunächst wird Strukturgleichungsmodellierung als Analyseverfahren gewählt und das Funktionsprinzip erläutert. Anschließend wird auf Basis einer detaillierten Gegenüberstellung von Varianz- und Kovarianzstrukturanalyse die Wahl des PLS-Ansatzes begründet.
•
In Unterkapitel 4.2 wird das Strukturmodell entwickelt. Hierzu wird zunächst das Vorgehen beschrieben. Anschließend werden die Konstrukte konzeptualisiert. Ein theoriebasiertes Hypothesengerüst wird entwickelt, mit bestehenden Studien abgeglichen und auf Basis der 20 geführten Vor-Ort-Experteninterviews verfeinert.
•
In Unterkapitel 4.3 werden die Messmodelle entwickelt. Einleitend wird die Problematik der reflektiven versus formativen Operationalisierung von Messmodellen erörtert. Daraus werden Leitlinien für die vorliegende Arbeit abgeleitet. Anschließend werden die Messmodelle unter Rückgriff auf etablierte Konstrukte in einem systematischen Prozess entwickelt und überprüft. Abschließend wird die gewählte Skalierung begründet.
S. M. Durst, Strategische Lieferantenentwicklung, DOI 10.1007/978-3-8349-6174-7_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
74
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
4.1 Wahl des Analyseverfahrens 4.1.1 Wahl eines geeigneten multivariaten Analyseverfahrens Ziel dieses Unterkapitels ist die Beschreibung und begründete Wahl eines geeigneten multivariaten Analyseverfahrens. Hierzu wird – nach einer kurzen Erläuterung zu multivariaten Analyseverfahren – die Strukturgleichungsmodellierung als das aktuell leistungsfähigste Verfahren vorgestellt. Anschließend wird die Wahl des Verfahrens begründet. Multivariate Analyseverfahren erlauben die gleichzeitige Analyse einer größeren Anzahl von Variablen und damit die Untersuchung komplexer Phänomene. Unter anderem deshalb haben sie sich inzwischen als methodischer Standard in der betriebswirtschaftlichen Forschung etabliert.259 Das zu entwickelnde Modell soll multiple Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers abbilden, weshalb nur ein multivariates Analyseverfahren in Frage kommt. Dabei stehen etliche Verfahren der multivariaten Analyse zur Verfügung, die auf verschiedene Arten klassifiziert werden können.260 Aktuell gilt die Strukturgleichungsmodellierung bzw. Kausalanalyse261 als das leistungsfähigste multivariate Analyseverfahren. 262 Zentrale Idee des Verfahrens ist, "[…] dass auf der Grundlage von in einem Datensatz ermittelter Varianzen und Kovarianzen von Indikatoren (manifesten Variablen) Schlüsse im Hinblick auf Abhängigkeitsbeziehungen zwischen komplexen Konstrukten (latenten Variablen) gezogen werden."263 Abbildung 6 illustriert diesen Zusammenhang mit Hilfe eines Pfaddiagramms. Dabei beschreibt das sogenannte Strukturmodell die gerichteten Abhängigkeiten zwischen Konstrukten (latenten Variablen). Letztere können in exogene (unabhängige) und endogene (abhängige) latente Variablen unterschieden werden. Die Messmodelle beschreiben die Beziehung zwischen einer latenten Variablen und den ihr zugeordneten Indikatoren (manifeste Variablen bzw. Items). ____________ 259
Vgl. ähnlich Kuß, 2007, S. 215. Backhaus et al. differenzieren "Grundlegende Verfahren" wie z.B. Varianz- oder Diskriminanzanalyse und "Komplexe Verfahren" wie Strukturgleichungsmodelle oder neuronale Netze, vgl. Backhaus et al., 2008, S. VVI. Fornell unterscheidet "Verfahren der ersten Generation" wie multiple Regression oder multiple Diskriminanzanalyse von "Verfahren der zweiten Generation" wie Varianz- bzw. Kovarianzanalyse mit latenten Variablen, Fornell, 1987, S. 412. Sheth unterscheidet "Methoden zur Analyse von Zusammenhangsstrukturen" wie Cluster- oder Faktorenanalyse von "Methoden zur Analyse von Abhängigkeitsstrukturen" wie multipler Regressionsanalyse oder multipler Diskriminanzanalyse, vgl. Sheth, 1971, S. 14-15, sowie den Kommentar von Kinnear und Taylor, 1971, S. 56-58. Für eine Beschreibung und anwendungsorientierte Einführung in die einzelnen multivariaten Analyseverfahren vgl. Backhaus et al., 2008. 261 Der Begriff der Kausalanalyse ist "insofern problematisch als die Anwendungen in der Regel auf Querschnittsdaten beruhen, die keine Überprüfung von Kausalitäten im strengeren Sinn […] erlauben", Kuß, 2007, S. 258. Korrekter ist daher z.B. die Bezeichnung "Strukturgleichungsanalyse mit latenten Variablen", vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 741, Fußnote 1, oder "Strukturgleichungsmodellierung bzw. -verfahren", vgl. Fassott, 2006, S. 68, Fußnote 2. Im Folgenden wird von Strukturgleichungsmodellierung gesprochen. 262 Vgl. Homburg, 1992, S. 499. 263 Kuß, 2007, S. 258. Zum Konstruktbegriff vgl. Unterkapitel 4.3.1. 260
Wahl des Analyseverfahrens
Indikator Ȥ (1)1
λ (1)1
Indikator Ȥ (1)2
λ (1)2
75
Exogenes Konstrukt ξ(1)
γ(31) Endogenes Konstrukt ξ(3)
Indikator Ȥ (2)1
λ (2)1
Indikator Ȥ (2)2
λ (2)2
ω (3)1
Indikator Ȥ (3)1
ω (3)2
Indikator Ȥ (3)2
γ(32)
Exogenes Konstrukt ξ(2)
Strukturmodell
Reflektive Messmodelle
Formatives Messmodell
Abbildung 6: Illustratives Pfaddiagramm eines Strukturgleichungsmodells
264
Formal lässt sich ein Strukturmodell als multiples lineares Regressionsmodell durch folgende allgemeine Gleichung beschreiben:265 = 1,…,
ು ሺሻ
Dabei stellt
(4.1)
die jeweilige latente endogene Variable dar (Regressand). Mit
werden die direkten Vorgänger der latenten endogenen Variablen bezeichnet (Regressoren), wobei
die Indexmenge dieser Vorgänger repräsentiert.
Die Pfadkoeffizienten
geben Richtung und Stärke der Beziehung zwischen
den latenten Variablen an.
beschreibt die Fehlergröße.
Reflektive Messmodelle, bei denen die manifesten Variablen als Ursache der latenten Variablen dargestellt werden,266 lassen sich als faktorenanalytisches Modell formal wie folgt formulieren: = 1,…, Dabei stellen dungskoeffizienten
;
= 1,…,
(4.2)
die einem Konstrukt zugeordneten Indikatoren dar. Die Labeschreiben die Zusammenhänge zwischen der jewei-
ligen latenten Variablen und den ihr zugeordneten Indikatoren.
repräsen-
____________ 264
In Anlehnung an Backhaus et al., 2009, S. 14. Auf eine Darstellung der Messfehler wird aus Übersichtlichkeitsgründen verzichtet. 265 Vgl. hierzu und im Folgenden Betzin und Henseler, 2005, S. 52-54, aber auch mit anderer Nomenklatur Backhaus et al., 2009, S. 9-14, oder Huber et al., 2007, S. 3-6. 266 Für weitere Erläuterungen zu reflektiven Messmodellen vgl. Unterkapitel 4.3.1.
76
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung tiert den Messfehler auf Ebene der Indikatoren.
stellt die endogene oder
exogene latente Variable dar. Formative Messmodelle, bei denen die manifesten Variablen die latente Variable verursachen,267 lassen sich wiederum als lineares multiples Regressionsmodell formal wie folgt formulieren: ሺሻ
Dabei stellt
= 1,…,
(4.3)
die Gewichtungskoeffizienten dar, die den Zusammenhang
zwischen den formativen Indikatoren und der jeweiligen latenten Variablen beschreiben.
repräsentiert den Messfehler auf Konstruktebene. Die übrigen
Variablen wurden bereits oben erläutert. Gegenüber herkömmlichen multivariaten Verfahren weist die Strukturgleichungsmodellierung wesentliche Vorzüge auf. So bestehen laut Homburg und Krohmer im Vergleich zur ebenfalls weit verbreiteten multiplen Regressionsanalyse drei wesentliche Vorteile:268 1. Messfehler werden explizit berücksichtigt. 2. Korrelationen der unabhängigen Variablen werden explizit berücksichtigt und stellen damit kein prinzipielles Problem dar. 3. Komplexe Kausalstrukturen wie wechselseitige Abhängigkeiten oder kausale Ketten lassen sich untersuchen sowie direkte und indirekte Effekte vergleichen. Chin verweist allerdings darauf, dass die Vorteile mit einer erhöhten Komplexität einhergehen, die ein größeres Verständnis über Bedingungen und Annahmen dieses statistisch anspruchsvollen Verfahrens notwendig macht.269 In diesem Zusammenhang sei auch festgehalten, dass es in jüngster Vergangenheit einige kritische Stimmen zur Verwendung der in manchen Teilbereichen der betriebswirtschaftlichen Forschung inzwischen ubiquitären Strukturgleichungsmodellierung gibt.270 Da das eigene Untersuchungsziel ein komplexes Modell mit mehreren latenten Variablen und kausalen Ketten erfordert, wird die Strukturgleichungsmodellierung als Analyseverfahren gewählt. Damit orientiert sich diese Arbeit methodisch am aktuellen Stand in der wissenschaftlichen Forschung, denn die Strukturgleichungsmodellierung hat sich inzwischen zum "[…] Quasi-Standard bei der Erforschung komplexer Wirkungszusammenhänge in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften entwickelt."271 Ein ähnlicher Trend lässt sich auch bei den aktuellsten empirischen Arbeiten zur Lieferantenentwicklung nachvollziehen: So verwendet über die Hälf____________ 267
Für weitere Erläuterungen zu formativen Messmodellen vgl. Unterkapitel 4.3.1. Vgl. Homburg und Krohmer, 2006, S. 391. 269 Vgl. Chin, 1998a, S. 7. 270 Vgl. z.B. Diller, 2006, oder Albers und Hildebrandt, 2006, für den Bereich der Erfolgsfaktorenforschung. Allerdings unterstreicht Diller expressis verbis, dass seine Kritik "konstruktiv" zu verstehen sei und keineswegs das Verfahren als solches in Frage stelle, vgl. Diller, 2006, S. 611. 271 Bliemel et al., 2005, S. 10, vgl. ähnlich Homburg und Klarmann, 2006, S. 727, oder Krafft et al. 2003, S. 95. 268
Wahl des Analyseverfahrens
77
te der ab einschließlich 2005 publizierten, umfragebasierten Arbeiten zur Lieferantenentwicklung Strukturgleichungsmodelle.272 Insgesamt liegt der Anteil des Verfahrens bezogen auf alle großzahlig empirischen Publikationen zur Lieferantenentwicklung jedoch bei weniger als 30 Prozent.
4.1.2 Wahl eines geeigneten Ansatzes zur Strukturgleichungsmodellierung Ziel dieses Unterkapitels ist es, die Wahl des PLS-Ansatzes für die durchzuführenden Analysen zu begründen. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund einer intensiven Diskussion in der wissenschaftlichen Literatur, welches Verfahren zur Strukturgleichungsmodellierung überlegen ist.273 Daher werden die Verfahren zunächst kurz vorgestellt und anhand verschiedener Kriterien im Hinblick auf die vorliegende Arbeit bewertet. Auf dieser Basis wird die Wahl des PLS-Ansatzes begründet. Bei der Strukturgleichungsmodellierung sind grundsätzlich zwei Ansätze zu unterscheiden:274 1. Die Kovarianzstrukturanalyse, auch LISREL-Ansatz genannt, bei der die Modellparameter simultan so geschätzt werden, dass eine Funktion minimiert wird, die die Distanz zwischen empirischer und vom Modell implizierter Kovarianzmatrix misst. 275 Dabei wird häufig mit den Softwarepaketen LISREL oder AMOS, aber auch EQS oder Mplus gearbeitet. 2. Die Varianzstrukturanalyse, auch PLS (Partial Least Squares)-Pfadanalyse bzw. PLSAnsatz genannt, bei der sich die entsprechenden Algorithmen unter der Annahme, dass die übrigen Modellparameter bereits bekannt sind, jeweils nur auf Teilmodelle beschränken. Maximiert wird dabei die erklärte Varianz der abhängigen Variablen im Strukturmodell und in den reflektiven Messmodellen.276 Häufig genutzte Programme sind SmartPLS oder PLS-Graph, aber auch LVPLS, PLS-GUI oder SPAD-PLS.277 Wurden in der Vergangenheit beide Verfahren häufig als konkurrierend betrachtet, setzt sich inzwischen die Erkenntnis durch, dass diese eher als komplementär zueinander zu verstehen sind. Dabei ist keines der beiden Verfahren per se überlegen. Vielmehr sondern es kommt darauf an, "[…] was der Anwender bei gegebener Datenlage mit seinem Modell erreichen will."278
____________ 272
Vgl. Unterkapitel 2.2.3. Vgl. hierzu die Ausführungen und Quellenangaben in diesem Unterkapitel. 274 Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 734. 275 Vgl. Betzin und Henseler, 2005, S. 50. 276 Für eine detaillierte Beschreibung des PLS-Schätzalgorithmus vgl. Betzin und Henseler, 2005, S. 60-68. 277 Vgl. Temme et al., 2006, S. 1. 278 Scholderer und Balderjahn, 2005, S. 98. 273
78
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Vor diesem Hintergrund gibt es in der wissenschaftlichen Literatur etliche Empfehlungen und Kriterienkataloge, unter welchen Bedingungen einem der beiden Ansätze der Vorzug zu geben ist.279 Eine umfassende und klar strukturierte Entscheidungshilfe findet sich bei Homburg und Klarmann. Diese ist in Tabelle 13 dargestellt. Dimension
Kriterien
Eignung der Varianzstrukturanalyse
Eignung der Kovarianzstrukturanalyse
a) Ziel der Datenanalyse
Konfirmatorische Überprüfung von Theorien
Problematisch, da Prüfung der globalen Modellgüte nicht möglich.
Ja.
Explorative Entwicklung von Theorien
Problematisch, da Prüfung der globalen Modellgüte nicht möglich.
Ja.
Prognose abhängiger Variablen
Ja.
Ja, aber Parameter nicht zur Prognose optimiert.
Großer Modellumfang
Ja.
Eher nicht, bei sehr großen, komplexen Modellen häufiger Instabilitäten.
Reflektive Messmodelle
Ja.
Ja.
Formative Messmodelle
Ja.
Ja, unter kleineren Einschränkungen möglich.
Konstrukte höherer Ordnung
Nein.
Ja.
Modellierung mediierter Effekte
Problematisch.
Ja.
Modellierung latenter Interaktionen
Ja.
Ja.
Mehrgruppenanalyse
Eingeschränkt möglich.
Ja.
Kleine Stichproben (n < 100)
Ja.
Sehr problematisch.
Nicht normalverteilte Indikatorvariablen
Ja.
Ja, allgemein robust gegen Abweichungen von multivariater Normalität.
d) Angestrebte Ergebnisgenauigkeit
Konsistenz der Schätzer
Nein, nur bei sehr hoher Zahl der Indikatoren. Nein.
Ja.
e) Güteprüfung
Lokal
Ja, inferenzstatistische Tests über Resampling-Verfahren möglich.
Ja, auch inferenzstatistische Tests problemlos möglich.
Global
Nein.
Ja, große Vielfalt an globalen Gütemaßen.
b) Modelleigenschaften
c) Datengrundlage
Messfehlerbereinigte Schätzung
Ja, bei reflektiv gemessenen Konstrukten.
Tabelle 13: Entscheidungshilfe zur Wahl des Prinzips der Parameterschätzung280
____________ 279 280
Vgl. z.B. Bliemel et al., 2005, S. 11, oder Homburg und Klarmann, 2006, S. 735. Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 735.
Wahl des Analyseverfahrens
79
Im Folgenden werden die geplanten Parameter der eigenen Untersuchung an den Dimensionen bzw. Kriterien von Tabelle 13 gespiegelt, um so systematisch die Auswahl des Analyseverfahrens abzuleiten und zu begründen. Ad a) Ziel der Datenanalyse: Ein Ziel dieser Arbeit ist die konfirmatorische Überprüfung der Wirkungszusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen, Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers. Dies spricht für eine Verwendung der Kovarianzstrukturanalyse, da diese mit Hilfe globaler Gütemaße eine Aussage über das gesamte Strukturmodell zulässt. Allerdings beurteilt z.B. Fassot diese verfahrensimmanente Überlegenheit der Kovarianzstrukturanalyse zum Theorietest mit Hinweis auf die gängige Forschungspraxis kritisch, weil nur in wenigen Anwendungsfällen ein methodisch abgesicherter Theorietest tatsächlich durchgeführt wird bzw. werden kann.281 Gleichzeitig verweist er auf den Umstand, dass die Vorteile der Kovarianzstrukturanalyse durch globale Gütemaße nur auf Ebene des gesamten Strukturmodells, nicht jedoch auf Ebene der Einzelbeziehungen zum Tragen kommen.282 Auf Einzelbeziehungsebene stellt hingegen der PLS-Ansatz sogar den konservativeren Test dar, weil die Pfadkoeffizienten im Vergleich zur Kovarianzstrukturanalyse niedriger geschätzt werden.283 Das Erkenntnisziel der vorliegenden Untersuchung ist wesentlich auf ein Verständnis der Einzelbeziehungen gerichtet. Daher scheint von diesem Standpunkt aus auch eine Verwendung des PLS-Ansatzes vertretbar. Ad b) Modelleigenschaften: Die Modellkomplexität des zu entwickelnden Modells ist insgesamt als hoch zu bewerten. Zwar sind im Hauptmodell keine Konstrukte höherer Ordnung284 vorgesehen,285 allerdings enthält das Modell sowohl reflektive als auch formative latente Variablen286 und der Modellumfang ist mit einer geplanten Konstruktanzahl von zehn sehr groß. Zudem sollen kausale Ketten modelliert werden, etwa bei der Untersuchung der Auswirkungen von Rahmenbedingungen auf strategische Lieferantenentwicklung und indirekt auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers.
____________ 281
Vgl. Fassott, 2005, S. 27-28. Vgl. Fassott, 2005, S. 29. 283 Huber et al., 2007, S. 11. 284 Für einen Überblick zu Konstrukten höherer Ordnung vgl. Albers und Götz, 2006, oder Giere et al., 2006. 285 Im Anschluss an die Untersuchung des Hauptmodells wird allerdings eine Modellmodifikation entwickelt, die ein Konstrukt höherer Ordnung enthält, vgl. Unterkapitel 5.3.2. 286 Zwar eignen sich beide Verfahren der Strukturgleichungsmodellierung grundsätzlich für die Verwendung formativer und reflektiver Messmodelle. Das verbreitete Missverständnis, im Rahmen der Kovarianzstrukturanalyse könnten nur reflektive Messmodelle spezifiziert werden, trifft also nicht zu, vgl. Scholderer und Balderjahn, 2005, S. 93. Da allerdings formative Messmodelle im LISREL-Ansatz Einschränkungen unterliegen, empfehlen etliche Autoren den PLS-Ansatz zu bevorzugen, wenn einige oder alle latente Variablen formativ operationalisiert sind, vgl. Bliemel et al., 2005, S. 10, und die dort angegebenen Quellen oder Fassott, 2005, S. 24-25. Für eine ausführliche Erläuterung zu reflektiven versus formativen latenten Variablen vgl. Unterkapitel 4.3.1. 282
80
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Entsprechend spielen mediierte, d.h. indirekte Effekte, eine wichtige Rolle. Zur Illustration dieser Thematik sei auf die linke Seite von Abbildung 7 verwiesen:287 Variable C ist in diesem Beispiel der Mediator zwischen der exogenen latenten Variable A und der endogenen Variable B. Tritt nach Kontrolle des indirekten Effekts von A über C auf B kein signifikanter direkter Effekt von A auf B mehr auf, spricht man von vollständiger Mediation. Wenn neben dem indirekten Effekt von A über C auf B zusätzlich noch ein direkter Effekt von A auf B besteht, bezeichnet man dies als partielle Mediation.288 Im Gegensatz zur Kovarianzstrukturanalyse ist die Schätzung mediierter Effekte bei der Varianzstrukturanalyse insofern problematisch, als vollständige Mediation nicht eindeutig festgestellt werden kann. 289 Allerdings wurden zur Messung mediierter Effekte diverse Tests entwickelt, die auch für den PLS-Ansatz angewendet werden können.290 MEDIATION
MODERATION
C
A
C
B
A
B
Abbildung 7: Illustrierung von Mediation und Moderation291
Moderation liegt vor, wenn die Richtung und/oder Stärke eines Zusammenhangs zwischen einer unabhängigen Variable A und einer abhängigen Variable B von einer dritten (Mediator-) Variable C beeinflusst wird,292 vgl. Abbildung 7 rechts. Im Rahmen der Strukturgleichungsmodellierung gibt es zwei Ansätze zur Überprüfung moderierender Effekte:293 Mehrgruppenkausalanalyse und Modellierung latenter Interaktionen mit Hilfe eines multiplikativen Interaktionsterms aus exogener latenter Variable und Moderatorvariable.294 Letztere ist im Falle der Kovarianzstrukturanalyse theoretisch problematisch, weil sie häufig die Spezifikation komplizierter nichtlinearer Restriktionen notwendig macht. Praktisch hat jedoch, wie durch Simulati____________ 287
Für eine detailliertere Diskussion vgl. z.B. Baron und Kenny, 1986, sowie Holmbeck, 1997. Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 730. 289 Vgl. Scholderer und Balderjahn, 2006, S. S. 64. 290 Vgl. Huber et al., 2007, S. 71-72. 291 Eigene Darstellung in Anlehnung an Holmbeck, 1997, S. 600. 292 Vgl. Baron und Kenny, 1986, S. 1174. 293 Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 730. 294 Ausführlich vgl. den Beitrag von Huber et al., 2006. 288
Wahl des Analyseverfahrens
81
on gezeigt werden konnte, auch ein Weglassen dieser Restriktionen kaum einen Einfluss.295 Zudem stehen Moderatoreffekte nicht im Fokus der vorliegenden Untersuchung. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass keines der beiden Verfahren zur Strukturgleichungsmodellierung vor dem Hintergrund der skizzierten Modelleigenschaften für die vorliegende Arbeit eindeutig überlegen ist. Die Kovarianzstrukturanalyse bietet Vorteile bei der Modellierung mediierter Effekte, dafür sprechen der Modellumfang und das Vorkommen formativer und reflektiver Messmodelle für den PLS-Ansatz. Ad c) Datengrundlage: Im Gegensatz zur Kovarianzstrukturanalyse kann die PLSPfadanalyse auch bei relativ kleiner Stichprobe angewendet werden, ist also deutlich anspruchsloser.296 Dennoch sollte der PLS-Ansatz nicht als Notnagel für zu klein geratene Stichprobenumfänge dienen: "PLS is not a silver bullet to be used with samples of any size!"297 Auch wenn sich der benötigte Stichprobenumfang im Falle der Kovarianzstrukturanalyse ex ante nicht eindeutig ermitteln lässt,298 gibt eine Reihe von Autoren Hinweise: •
Boomsma rät von Stichproben kleiner 100 ab und empfiehlt eine Untergrenze von 200.299
•
Scholderer und Balderjahn empfehlen als Faustregel "[…] mindestens das Fünffache, besser aber das Zehnfache der Zahl der zu schätzenden Parameter […]".300
•
Homburg und Klarmann erwähnen darüber hinaus die Möglichkeit, den erforderlichen Stichprobenumfang durch statistische Tests wie das globale Gütemaß RMSEA301 oder eine – allerdings sehr aufwändige – Monte-Carlo-Vorstudie zu ermitteln.302
Im Rahmen der Hauptuntersuchung dieser Arbeit werden 200 Unternehmen zu jeweils zwei Abnehmer-Lieferant-Beziehungen telefonisch befragt. Damit beträgt die geplante Stichprobengröße 400. Diese Zahl liegt deutlich über der oben skizzierten Faustregel (>200) für Kovarianzanalysen und erfüllt damit auch die geringeren Anforderungen des PLS-Ansatzes. Ein weiteres Kriterium für die Datengrundlage ist die Verteilung der Indikatorvariablen. Die bei der Kovarianzstrukturanalyse häufig für die Parameterschätzung verwendete MaximumLikelihood-Methode setzt formal eine Multinormalverteilung voraus.303 In der Praxis resultiert jedoch eine Abweichung von dieser Annahme höchstens in einer geringen Verzerrung der ge____________ 295
Vgl. Marsh et al., 2004, S. 281-282. So prüft beispielsweise Stolle mit Hilfe des PLS-Ansatzes ein komplexes Modell mit 37 Indikatoren und 35 Kontrollvariablen auf Basis eines Stichprobenumfangs von nur 149 Datensätzen, vgl. Stolle, 2008, S. 187. 297 Marcoulides und Saunders, 2006, S. viii. 298 Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 734. 299 Vgl. Boomsma, 1982, S. 171, sowie ergänzend Boomsma und Hoogland, 2001, S. 140-143. 300 Scholderer und Balderjahn, 2005, S. 97. 301 Root Mean Square Error of Approximation, vgl. z.B. Backhaus et al., 2009, S. 30-31. 302 Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 733-734. 303 Vgl. Scholderer und Balderjahn, 2005, S. 91. 296
82
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
schätzten Parameter.304 Und für den Bereich der Teststatistiken liegen inzwischen leistungsfähige Korrekturverfahren vor. Bei der PLS-Pfadanalyse werden hingegen keine Verteilungsannahmen getroffen. Damit ist ausgeschlossen, dass eine falsche Annahme getroffen wird. Allerdings steht aus diesem Grund auch nicht das umfangreiche inferenzstatistische Instrumentarium der Kovarianzstrukturanalyse zur Verfügung.305 In Bezug auf die Datengrundlage ist damit festzuhalten, dass die Verwendung der PLSPfadanalyse deutlich geringere Anforderungen stellt, aber unter den gegebenen Voraussetzungen auch die Kovarianzstrukturanalyse verwendet werden kann. Ad d) Angestrebte Ergebnisgenauigkeit: In dieser Dimension überwiegen die Vorteile der Kovarianzanalyse. So sind die Schätzer im Falle der PLS-Pfadanalyse nur bei hoher Indikatorzahl konsistent, ein Problem das in der Literatur häufig auch als "consistency at large" bezeichnet wird.306 Gleichzeitig ist keine messfehlerbereinigte Schätzung möglich, wie sie die Kovarianzstrukturanalyse für reflektive Messmodelle bietet. Vor diesem Hintergrund spricht die angestrebte Ergebnisgenauigkeit für die Verwendung der Kovarianzstrukturanalyse. Ad e) Güteüberprüfung: Einen bereits oben erwähnten, in der Literatur vielfach unterstrichenen Nachteil der PLS-Pfadanalyse stellen fehlende globale Gütemaße dar.307 Damit können fehlspezifizierte Modelle (z.B. also Modelle, denen ein wichtiger struktureller Pfad fehlt) nicht als solche erkannt werden. Hierin ist im Gegenzug ein zentraler Vorteil der Kovarianzstrukturanalyse zu sehen. Im Hinblick auf lokale Gütemaße hingegen warten inzwischen beide Verfahren mit einer großen Anzahl statistischer Tests auf.308 Tabelle 14 fasst das Ergebnis der ausgeführten Überlegungen zusammen. Dimension
Eignung der Varianzstrukturanalyse für die vorliegende Arbeit
Eignung der Kovarianzstrukturanalyse für die vorliegende Arbeit
a) Ziel der Datenanalyse Ja.
Ja.
b) Modelleigenschaften
Ja, aber Modellierung mediierter Effekte problematisch.
Ja, aber Modellumfang sowie Verwendung formativer und reflektiver Messmodelle problematisch.
c) Datengrundlage
Ja.
Ja.
d) Angestrebte Ergebnisgenauigkeit
Ja, eingeschränkt.
Ja.
e) Güteprüfung
Ja, eingeschränkt (keine globalen Gütemaße).
Ja.
Tabelle 14: Zusammenfassung der Eignung der beiden Strukturgleichungsverfahren309
____________ 304
Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 736, und die dort angegebenen Quellen. Vgl. Scholderer und Balderjahn, 2005, S. 91. 306 Vgl. Huber et al., 2007, vgl. S. 12. 307 Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 734. 308 Für eine Übersicht über PLS-Gütemaße vgl. z.B. den Beitrag von Krafft et al., 2005, für die Kovarianzstrukturanalyse vgl. z.B. Backhaus et al., 2009, S. 27-32. 309 Eigene Darstellung. 305
Entwicklung des Strukturmodells
83
Wie aus Tabelle 14 hervorgeht, sind beide Verfahren der Strukturgleichungsmodellierung für die in der vorliegenden Arbeit intendierten Analysen grundsätzlich geeignet. Daher wurden erste Analysen zunächst auch mit beiden Verfahren durchgeführt. Allerdings weisen beide Verfahren im Hinblick auf die vorliegende Arbeit auch spezifische Vor- bzw. Nachteile auf. Ausschlaggebend für die Entscheidung, letztlich der Varianzstrukturanalyse den Vorzug zu geben, sind die vielfältigen Möglichkeiten zur Modellierung sowohl reflektiver als auch formativer Messmodelle, die der PLS-Ansatz bietet. Daher basieren die folgenden Analysen, die im Ergebnis in Kapitel 5 zusammengefasst sind, auf dem Verfahren der Varianzstrukturanalyse.
4.2 Entwicklung des Strukturmodells 4.2.1 Vorgehen Ziel dieses Unterkapitels ist es, das angewandte Vorgehen zur Entwicklung des Strukturmodells zu beschreiben. In den beiden folgenden Unterkapiteln werden anschließend die Ergebnisse zusammengefasst. Das Vorgehen zur Entwicklung des Strukturmodells umfasst vier Schritte. Zunächst werden die konstituierenden Elemente des Modells, d.h. die Konstrukte, konzeptualisiert. Anschließend werden die Zusammenhänge zwischen diesen Konstrukten auf Basis theoretischer Überlegungen abgeleitet,310 mit bestehenden Studien abgeglichen sowie auf Basis von 20 Vor-OrtExperteninterviews verfeinert. Abbildung 8 stellt das Vorgehen grafisch dar, das im Folgenden erläutert wird. I I
Konzeptualisierung der Konstrukte
Unterkapitel 4.2.2
II
III
IV
Ableitung eines Hypothesengerüsts aus der Theorie
Abgleich des Hypothesengerüsts mit bestehenden Studien
Verfeinerung der Hypothesen auf Basis von Experteninterviews
Unterkapitel 4.2.3
Abbildung 8: Vorgehen zur Entwicklung des Strukturmodells311
Im ersten Schritt zur Entwicklung des Strukturmodells wird ein Verständnis für die jeweiligen Konstrukte entwickelt. Homburg und Giering fordern, für die Konzeptualisierung "[…] über entsprechende Techniken (Literaturauswertungen, Experteninterviews etc.) das Konstrukt aus ____________ 310
311
Vorüberlegungen hierzu wurden bereits in Unterkapitel 3.2.3 auf Basis der Transaktionskostentheorie sowie in Unterkapitel 3.3.3 auf Basis des ressourcenbasierten Ansatzes angestellt. Eigene Darstellung.
84
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, um ein grundlegendes und umfassendes Verständnis für die einzelnen Facetten des Konstrukts zu erlangen."312 Rossiter empfiehlt drei Dimensionen präzise zu beschreiben: 313 •
"The object", d.h. den konkreten Bezugspunkt bzw. Kontext des Konstrukts. Im vorliegenden Falle handelt es sich dabei für alle Konstrukte um den Kontext großer, privatwirtschaftlich organisierter, produzierender Unternehmen der Automobilindustrie, des Maschinen- und Anlagenbaus sowie der Pharma- und Biotechindustrie aus den Ländern Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz.314
•
"The attribute", d.h. den Kern bzw. Grundgedanken des Konstrukts. Da dieser entscheidend für eine methodisch saubere Operationalisierung des Messmodells ist, werden die Überlegungen zu diesem Punkt in Unterkapitel 4.2.2 vertieft. Im Vorgriff sei darauf verwiesen, dass die Grundgedanken für jedes Konstrukt in Tabelle 15 zusammengefasst sind.
•
"The rater identity", d.h. die Identität der zum jeweiligen Konstrukt befragten Personen. Bei der Befragung der Abnehmerunternehmen ist dies für alle Konstrukte die für Lieferantenentwicklung insgesamt verantwortliche Führungskraft. Konkret handelt es sich dabei mehrheitlich um den Einkaufsleiter. 315 Für die Befragung auf Lieferantenseite wird der primäre Ansprechpartner des Abnehmers beim Lieferanten kontaktiert. Wie sich bei der Auswertung der Funktionen zeigt, handelt es sich dabei – wenig überraschend – mehrheitlich um Verantwortliche aus dem Bereich Vertrieb sowie die Geschäftsleitung des Lieferantenunternehmens.316
Im zweiten Schritt werden die grundlegenden Zusammenhänge zwischen den einzelnen Konstrukten aus etablierten Theorien abgeleitet. Überlegungen zu dieser Phase wurden bereits in Kapitel 3 angestellt. Im dritten Schritt erfolgt ein Abgleich des gebildeten Hypothesengerüsts mit den Erkenntnissen aus bisherigen Studien. Der Abgleich stützt sich zum einen auf Publikationen aus dem Bereich der Forschung zu interorganisationalen Beziehungen und zum anderen auf großzahligempirische Arbeiten zur Lieferantenentwicklung, die bereits in Kapitel 2 aufgearbeitet wurden. Im vierten und letzten Schritt werden die Konstrukte und Hypothesen im Rahmen von 20 VorOrt-Experteninterviews überprüft. Eine detaillierte Beschreibung der befragten Unternehmen bzw. Experten wird in Unterkapitel 5.1.1 vorgenommen. Da die Schritte zwei bis vier eng miteinander verwoben sind und durchaus iterative Beziehungen bestehen, werden die Ergebnisse integriert in Unterkapitel 4.2.3 dargestellt. ____________ 312
Homburg und Giering, 1996, S. 12. Vgl. Rossiter, 2002, S. 308-309. 314 Zur Begründung dieser Auswahl vgl. Unterkapitel 5.1.1. 315 Eine detaillierte Übersicht findet sich in Abbildung 18. 316 Eine detaillierte Übersicht findet sich in Abbildung 20. 313
Entwicklung des Strukturmodells
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4.2.2 Konzeptualisierung der Konstrukte Ziel dieses Unterkapitels ist die Konzeptualisierung der Konstrukte für das Modell der strategischen Lieferantenentwicklung. Hierzu wird zunächst ein Überblick über die insgesamt zehn verwendeten Konstrukte gegeben. Anschließend wird der Grundgedanke jedes Konstrukts hergeleitet und erläutert. Die für den Bezugsrahmen des Literaturreviews bereits eingeführten Dimensionen Rahmenbedingungen, Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und Auswirkungen auf den Abnehmer werden als strukturierende Elemente genutzt.317 Im Vorgriff auf die folgenden Ausführungen fasst Abbildung 9 die zehn Konstrukte zusammen, die im Rahmen des Strukturgleichungsmodells untersucht werden sollen. Neben der Bezeichnung der Konstrukte werden zusätzlich Abkürzungen eingeführt, die zur besseren Lesbarkeit im Folgenden mit angegeben werden. Eine Ausnahme bilden Tabellen und Abbildungen in Kapitel 5. Hier werden aus Platzgründen nur die Abkürzungen verwendet.
Rahmenbedingungen Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA) Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA) Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL) Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
Optionen strategischer Lieferantenentwicklung
Auswirkungen Abnehmer
Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO) Differenzierung (DIFF) Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
Option III: Finanzielle Unterstützung/ Beteiligung (FINU)
Kostenführerschaft (KOST)
Abbildung 9: Konstrukte des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung318
____________ 317
Vgl. Abbildung 5. Von einer Untersuchung der Auswirkungen auf den Lieferanten im Modell wird abgesehen, da dieses auf der Befragung der Abnehmer basiert. Stattdessen werden die Auswirkungen auf den Lieferanten im Rahmen der Lieferantenbefragung untersucht. Die Ergebnisse sind in Unterkapitel 6.3.3 zusammengefasst. 318 Eigene Darstellung.
86
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Rahmenbedingungen In Kapitel 3 wurden theoriegestützt drei wesentliche Rahmenbedingungen als besonders entscheidend für strategische Lieferantenentwicklung abgeleitet: Abhängigkeit, Methodenkompetenz sowie Ressourcen. In Summe ergeben sich damit fünf Konstrukte im Bereich der Rahmenbedingungen, weil Abhängigkeit und Methodenkompetenz aus Abnehmer- und Lieferantenperspektive als jeweils eigenständige Konstrukte konzeptualisiert werden. Auf die einzelnen Konstrukte wird im Folgenden eingegangen. Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA) bzw. vice versa (ABHL) Abhängigkeit bzw. Macht 319 in interorganisationalen Beziehungen sind ein in der wissenschaftlichen Literatur weit verbreitetes und vielfach auch empirisch untersuchtes Sujet.320 Das Inhaltsverzeichnis des Marketing Scales Handbook III, das Messmodelle aus Publikationen von acht führenden Marketingzeitschriften der Jahre 1994-1997 enthält, listet beispielsweise nicht weniger als 22 verschiedene Messmodelle für Macht bzw. Abhängigkeit auf.321 Konzeptionell beziehen sich viele Arbeiten auf Emerson, der aus soziologischer Perspektive zwei Dimensionen von Abhängigkeit bzw. Macht differenziert:322 •
Machtvorteil: Damit bezeichnet Emerson die Abhängigkeitsasymmetrie zwischen zwei Akteuren, d.h. den Unterschied in deren Abhängigkeit. Formal gilt (DAB – DBA), wobei DAB die Abhängigkeit von Akteur A von Akteur B bezeichnet und DBA analog die Abhängigkeit von Akteur B von Akteur A. Da das sich ergebende Delta sowohl positiv als auch negativ sein kann, kann abhängig von der Perspektive von einem Machtvorteil bzw. Machtnachteil oder neutral von einem Machtunterschied gesprochen werden.
•
Kohäsion: Damit bezeichnet Emerson den Durchschnitt der Abhängigkeiten der beiden Akteure. Formal gilt also (DAB – DBA) / 2.
Ein Großteil der wissenschaftlichen Literatur konzentriert sich auf die Dimension Machtunterschied.323 Daher schlagen Gulati und Sytch einen interessanten Ansatz zur Umsetzung der von Emerson entwickelten strukturellen Dichotomie in empirischen Studien vor. 324 Dieser erfor____________ 319
Macht kann als Inverse der Abhängigkeit verstanden werden: Die Macht von Akteur A gegenüber Akteur B ist gleichzusetzen mit der Abhängigkeit von Akteur B von Akteur A und umgekehrt, vgl. Emerson, 1962, S. 33. Daher werden beide Begrifflichkeiten im Folgenden als gleichwertig betrachtet. 320 Vgl. Frazier, 1983, S. 158. 321 Gezählt wurden Konstrukte die mit "Power", "Dependence", "Interdependence" sowie "Interdependency" beginnen, z.B. Nummer 566 "Dependence (Buyer)", vgl. Bruner II et al., 2001, S. v-xxiv. Einen kurzen Überblick über verschiedene Arten der Operationalisierung von Macht/Abhängigkeit geben Jarratt und Morrison, vgl. Jarratt und Morrison, 2003, S. 243. 322 Vgl. Emerson, 1962, S. 33-34. Für eine ausführliche Diskussion der Charakteristika dieser strukturellen Dichotomie des Konzeptes einseitiger und gegenseitiger Abhängigkeit vgl. Casciaro und Piskorski, 2005, S. 170171. 323 Vgl. Gulati und Sytch, 2007, S. 32. Auch eine Untersuchung von Studien, die auf Interdependenz (Kohäsion) zwischen Akteuren fokussieren, listet weniger als zehn Publikationen auf, vgl. Li und Dant, 2001, S. 38-39. 324 Vgl. Gulati und Sytch, 2007, S. 46-47.
Entwicklung des Strukturmodells
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dert die Subtraktion bzw. Addition von Indikatorwerten, wobei Peter et al. zur Vorsicht raten. 325 Da im Rahmen der durchgeführten Vor-Ort-Experteninterviews für den Kontext der strategischen Lieferantenentwicklung primär die Abhängigkeit des Abnehmers bzw. Lieferanten von der jeweils anderen Seite als inhaltlich entscheidend identifiziert wurde, wird von einer rechnerischen Differenzierung von Machtvorteil und Kohäsion für die vorliegende Arbeit abgesehen. Formal bedeutet dies, dass DAB und DBA als Rahmenfaktoren betrachtet werden und nicht etwa (DAB – DBA) bzw. (DAB – DBA) / 2. Das Konstrukt Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA) bezeichnet die Dependenz des Abnehmerunternehmens vom jeweiligen Lieferanten. Konkret bedeutet eine hohe Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten, dass der Abnehmer im Falle eines angestrebten Lieferantenwechsels Schwierigkeiten hätte, einen äquivalenten Zulieferer zu finden bzw. der Wechsel mit hohen Kosten (z.B. zur Anpassung von Produktionsanlagen oder für das Redesign von Komponenten) verbunden wäre. Umgekehrt beschreibt die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) die Dependenz des Lieferantenunternehmens vom jeweiligen Abnehmer. Konkret bedeutet dies, dass der Lieferant den Abnehmer nur schwer durch andere ersetzen könnte bzw. sein Geschäft unter einem Wegfall dieses Abnehmers leiden würde, etwa im Sinne von Umsatz- und Gewinneinbußen. Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA) bzw. Lieferanten (MEKL) Kompetenzen spielen in der betriebswirtschaftlichen Literatur im Allgemeinen und im Rahmen der Literatur zu interorganisationalen Beziehungen im Speziellen in diversen Ausprägungen und Kontexten eine wichtige Rolle. Beispielhaft seien aufgeführt: •
Kernkompetenzen eines Unternehmens im Sinne der "[…] Fähigkeiten, die es einer Firma ermöglichen, ihren Kunden einen wesentlichen Nutzen anzubieten."326
•
Fachkompetenzen von Mitarbeitern im Sinne der "[…] Kenntnisse, die eine Person über ihr Tätigkeitsfeld hat. Dazu gehört es, dass man von bestimmten Zusammenhängen und Hintergründen weiß und aufgabenbezogene Probleme erkennen, verstehen, beschreiben und analysieren kann."327
•
Interkulturelle Kompetenzen z.B. von ins Ausland entsandten Mitarbeitern im Sinne von deren Fähigkeit, mit Menschen anderer Kulturkreise erfolgreich zu interagieren.328
Im vorliegenden Kontext liegt der Fokus auf Methodenkompetenzen. Dieser Begriff ist aus dem Bereich der Pädagogik entlehnt und bezeichnet die Fähigkeit zur Anwendung bestimmter ____________ 325
Vgl. Peter et al., 1993, S. 661. Hamel und Prahalad, 1995, S. 309. Gemäß Hamel und Prahalad muss eine Fähigkeit drei Voraussetzungen erfüllen, um als Kernkompetenz zu gelten: Kundennutzen stiften, das Unternehmen vom Wettbewerb abheben und ausbaufähig sein, vgl. Hamel und Prahalad, 1995, S. 309-314. 327 Anwander, 2001, S. 238. 328 Eine allgemein anerkannte Definition von interkultureller Kompetenz existiert allerdings nicht, vgl. Graf, 2004, S. 4. 326
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Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Werkzeuge und Vorgehensweisen, die für die Erfüllung einer Aufgabe notwendig sind.329 Inhaltlich geht es im Kontext strategischer Lieferantenentwicklung um methodische Kompetenzen in diversen Bereichen. Im Rahmen der Vor-Ort-Experteninterviews wurden folgende Bereiche und Methoden als besonders relevant identifiziert:330 •
Produktentwicklung, z.B. Projekt- bzw. Prozessmanagement.
•
Produktoptimierung, z.B. Wertanalyse331 oder Design-to-Cost.332
•
Produktion, z.B. Six Sigma333 oder Lean Manufacturing.334
•
Logistik, z.B. Prozessanalyse oder Methoden zur Bestandsreduzierung.
•
Qualität, z.B. Total Quality Management335 oder Statistical Process Control.336
Der Kerngedanke in Bezug auf den Abnehmer ist, dass derartige Methodenkompetenzen ihn in die Lage versetzen, Entwicklungsbedarfe beim Lieferanten zu identifizieren und/oder Verbesserungsmaßnahmen gemeinsam mit dem Lieferanten zu entwickeln, soweit notwendig im eigenen Unternehmen durchzuführen sowie in der Umsetzung unternehmensübergreifend zu steuern. Aus Perspektive des Lieferanten steht die Fähigkeit zur Identifikation, Planung, Durchführung und Kontrolle von Verbesserungsmaßnahmen im Zentrum, sei es im Rahmen einer Eigenoptimierung oder einer gemeinsamen Optimierung mit dem Abnehmer.
____________ 329
Vgl. Anwander, 2001, S. 238. Die im Folgenden genannten Methoden sind als Beispiele zu verstehen, um den Terminus Methodenkompetenz in den einzelnen Bereichen greifbar zu machen und sind nicht notwendigerweise überschneidungsfrei. Z.B. kann Statistical Process Control als Instrument des Total Quality Management angesehen werden, vgl. Oakland, 2003, S. 14. 331 Wertanalyse kann als Denkweise (Fokus: Erkennung und Eliminierung überflüssiger Kosten), Wirksystem (Fokus: Lösung komplexer, nicht vollständig algorithmierbarer Probleme) und als funktionsorientierte Methode (Fokus: Wertsteigerung des Analyseobjektes) verstanden werden, vgl. Corsten und Gössinger, 2008, S. 895. Im vorliegenden Kontext wird das letztgenannte Verständnis zu Grunde gelegt. 332 Im weiteren Sinne kann Design-to-cost definiert werden als "[…] tool used to enhance the affordability of products, systems, or services over their useful lifetime or, in short, their life cycle." Michaels und Wood, 1989, S. xvii. 333 Six Sigma beschreibt einen umfassenden Ansatz zur Verbesserung der Qualität von Prozessoutputs. Als weiterführende Literatur sei das Werk von Pyzdek empfohlen, vgl. Pyzdek, 2003. 334 Basierend auf dem Toyota Production System (TPS) beschreibt Lean Manufacturing bzw. Lean Production eine Philosophie, die darauf abzielt, ausgehend von den Anforderungen des Endkunden Verschwendung von Ressourcen zu eliminieren. Als weiterführende Literatur sei der Klassiker von Womack et al. empfohlen, vgl. Womack et al., 1990. Für einen kurzen Überblick vgl. Corsten und Gössinger, 2008, S. 470-472. 335 Umfassend kann Total Quality Management (TQM) verstanden werden als "[…] Führungsmethode einer Organisation, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung der Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt." DIN EN ISO 8402. Aus instrumenteller Perspektive, die der vorliegenden Arbeit zu Grunde liegt, kann TQM als Oberbegriff für eine Reihe von Methoden und Instrumenten des Qualitätsmanagements interpretiert werden, z.B. Analyse- und Problemlösungstechniken wie Ursache-Wirkungs-Diagramme oder die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA), vgl. Corsten und Gössinger, 2008, S. 829-830. 336 Statistical Process Control "[…] is a set of tools for managing processes, and determining and monitoring the quality of the outputs of an organization. It is also a strategy for reducing variation in products, deliveries, processes, materials, attitudes and equipment." Oakland, 2003, S. 20. 330
Entwicklung des Strukturmodells
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Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA) Ähnlich wie beim Thema Kompetenzen spielen Ressourcen in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur eine fundamentale Rolle.337 Entsprechend heterogen sind das zu Grunde liegende Verständnis, die Aufteilung bzw. die formale Definition des Begriffes. Beispielhaft seien genannt: •
Allgemein können Ressourcen definiert werden als "[…] die (materiellen, finanziellen und personellen) Mittel, die eingesetzt werden können (oder müssen), um gesetzte […] Ziele zu erreichen."338
•
Aus volkswirtschaftlicher Sicht versteht man unter Ressourcen klassisch die Produktionsfaktoren Arbeit (Humankapital), Boden (Naturkapital) und Kapital (Sachkapital).339 Teilweise werden auch Wissen und technischer Fortschritt als eigenständige Produktionsfaktoren betrachtet.340
•
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht werden seit Gutenberg dispositive Faktoren wie die Geschäftsführung einschließlich ihrer Hilfsfunktionen Planung, Organisation und Kontrolle von sogenannten Elementarfaktoren unterschieden. Als Elementarfaktoren werden objektbezogene menschliche Arbeit, Betriebsmittel wie Gebäude, Maschinen, Werkzeuge und Einrichtungen, Werkstoffe, d.h. Rohstoffe, wiederzuverwendende Hilfsmittel und Halbfertigprodukte sowie Energie bezeichnet.341
Im Kontext der vorliegenden Arbeit geht es beim Thema Ressourcen um die Frage, ob der Abnehmer über ausreichend Ressourcen verfügt, um strategische Lieferantenentwicklung (erfolgreich) zu betreiben. Gemeint sind damit personelle Ressourcen, z.B. qualifizierte Mitarbeiter zur Durchführung gemeinsamer Optimierungsprojekte, finanzielle Mittel, z.B. zur Entwicklung des Lieferanten durch finanzielle Unterstützung sowie Managementressourcen, um strategische Lieferantenentwicklung zu planen, mit dem Lieferanten gemeinsam durchzuführen und nachzuhalten. Da strategische Lieferantenentwicklung vom Abnehmer initiiert und verantwortet wird, wird die Ressourcensituation auf Abnehmerseite geprüft. Dies bedeutet nicht, dass Aufwand zur strategischen Entwicklung von Lieferanten nur beim Abnehmer anfällt.342
Optionen strategischer Lieferantenentwicklung In Unterkapitel 2.2.1 wurde aufgezeigt, dass Lieferantenentwicklung ein breites Spektrum sehr heterogener Aktivitäten umfasst. Zur Ableitung verwertbarer Erkenntnisse aus dem zu entwi____________ 337
Vgl. hierzu auch die Ausführungen zum ressourcenbasierten Ansatz in Unterkapitel 3.3. Schubert und Klein, 2006, S. 254. 339 Vgl. Samuelson und Nordhaus, 2007, S. 325-415. 340 Vgl. z.B. Welfens, 2007, S. 17. 341 Vgl. Gutenberg, 1983, S. 2-8. 342 Wie die Umfrage ergab, sind sich Abnehmer und Lieferanten im Gegenteil sogar einig, dass Lieferanten den größeren Anteil am Aufwand tragen, vgl. Abbildung 35. 338
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Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
ckelnden Strukturmodell ist daher eine differenziertere Betrachtung notwendig, wobei auf Segmentierungsvorschläge verschiedener Autoren zurückgegriffen werden kann.343 Allerdings weisen die existierenden Vorschläge eine Reihe von Schwächen auf, so etwa in Bezug auf die teilweise deutliche Heterogenität und sehr unterschiedliche Anzahl von Lieferantenentwicklungsaktivitäten innerhalb der einzelnen Segmente, eine teilweise fehlende Überschneidungsfreiheit sowie aus praktischer Sicht eine fehlende Eskalationslogik. Gleichzeitig wird mit strategischer Lieferantenentwicklung in dieser Arbeit bewusst ein expliziter Fokus gesetzt.344 Vor diesem Hintergrund wurden auf Basis der exploratorischen Experteninterviews und in Anlehnung an die bestehenden Segmentierungsvorschläge in der Literatur drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung entwickelt: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung 345 des Lieferanten (EIGO), Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO) und eine Finanzielle Unterstützung/Beteiligung (FINU). Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO) Der Kerngedanke der ersten Option strategischer Lieferantenentwicklung ist die indirekte Entwicklung eines Lieferanten durch systematisches Feedback und präzise Zielvorgaben. Der Weg zur Zielerreichung wird dem Lieferanten überlassen. Der Abnehmer bringt sich also nicht aktiv in den Verbesserungsprozess ein, steuert ihn aber über Feedback sowie Zielvorgaben und hält die Ergebnisse nach. Diese erste Option strategischer Lieferantenentwicklung basiert auf einem einfachen Regelkreis: Zunächst werden dem Lieferanten bestehende Defizite bzw. Verbesserungspotenziale durch Leistungsfeedback aufgezeigt. Dies kann beispielsweise im Rahmen von Audits, einer kennzahlengestützten Lieferantenbewertung oder informell im täglichen Miteinander geschehen. Auf dieser Basis wird die Selbstentwicklung des Lieferanten durch Zielvorgaben, die sich an messbaren Schlüsselkennzahlen orientieren, initiiert und in die gewünschte Richtung gelenkt. Schließlich wird die Zielerreichung regelmäßig überprüft und nachgehalten, wobei im Sinne eines Regelkreises auf die Ergebnisse der Lieferantenbewertung zurückgegriffen wird. Wie Option I strategischer Lieferantenentwicklung in der unternehmerischen Praxis aussehen kann, illustriert das folgende Fallbeispiel.
____________ 343
Vgl. Tabelle 3, S. 27. Vgl. die in Unterkapitel 2.1.2 akzentuierten Aspekte strategischer Lieferantenentwicklung: Antizipation, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit. 345 Mathematisch bezeichnet Optimierung das Auffinden optimaler Parameter innerhalb eines (komplexen) Systems, wobei ein Zielfunktionswert – häufig unter Nebenbedingungen – minimiert oder maximiert wird, vgl. Boyd und Vandenberghe, 2004. Für eine Definition, Klassifikation und typische Beispiele für Optimierungsmodelle für den Bereich Operations Research vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 3-7. Für aktuelle Anwendungsbeispiele vgl. z.B. Sucky, 2007, S. 3643-3645, oder Sucky, 2006, S. 526-528. Umgangssprachlich bezeichnet Optimierung die Verbesserung eines Zustands oder Prozesses in Bezug auf eine oder mehrere Dimensionen, z.B. Qualität, Kosten oder Zeit. Letzteres Verständnis liegt im vorliegenden Kontext zu Grunde, weil es in der unternehmerischen Praxis dominiert. 344
Entwicklung des Strukturmodells
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Eines der interviewten Unternehmen nutzt zur strategischen Lieferantenentwicklung gemäß Option I den im Folgenden skizzierten, fünfstufigen Prozess: Im ersten Schritt werden geeignete Lieferanten ausgewählt. Die Auswahlkriterien umfassen das aktuelle bzw. geplante Einkaufsvolumen (groß), die Wettbewerbssituation auf dem Lieferantenmarkt (Monopol/Oligopol) und die Leistung des Lieferanten (unter Erwartungswert), wobei die Erfüllung eines Kriteriums für die Auswahl ausreicht. Insgesamt werden jedes Jahr etwa 40 Lieferanten ausgewählt, die rund 30 Prozent des Einkaufsvolumens repräsentieren. Im zweiten Schritt werden die Lieferanten auf funktionsübergreifender und transnationaler Basis formal bewertet. Involvierte Funktionen sind neben dem Einkauf die Produktion, Qualitätssicherung, Logistik sowie Forschung & Entwicklung. Die Bewertungsergebnisse werden auf Lieferantenebene konsolidiert und im Rahmen eines internen Treffens abstimmt. Im dritten Schritt werden die Ergebnisse der Bewertung inklusive Verbesserungsziele an den Lieferanten kommuniziert. Gleichzeitig wird der Lieferant aufgefordert, einen Verbesserungsplan inklusive Maßnahmenliste zu entwickeln, der dann auf Arbeitsebene besprochen und – falls notwendig – angepasst wird. Dieser kann sowohl Maßnahmen auf Seiten des Lieferanten, aber auch auf Seiten des Abnehmers enthalten. Im vierten Schritt werden die Ziele sowie der Verbesserungs- bzw. Maßnahmenplan in einem Gespräch zwischen dem Topmanagement des Abnehmers und der Geschäftsführung des Lieferanten abgestimmt und beschlossen. Der Verbesserungsplan wird als Vereinbarung formal unterzeichnet. Der fünfte Schritt umfasst das Nachhalten des Arbeitsfortschritts in regelmäßigen Abständen. Je nach Bedarf werden hierzu weitere Kennzahlen erhoben und Probleme auf die Managementebene eskaliert. Gleichzeitig werden Resultate und Arbeitsfortschritt im Rahmen des jährlichen Geschäftsleitungstreffens aufgegriffen und diskutiert. Das Unternehmen hat trotz gewisser interner Anlaufschwierigkeiten – beispielsweise war die Bereitschaft vieler Funktionen zur formalen Bewertung der Lieferanten anfangs gering – mit diesem Vorgehen sehr gute Erfahrungen gemacht. Vor allem die formale Unterzeichnung eines gemeinsamen Verbesserungsplanes durch das Topmanagement von Abnehmer und Lieferant erhöht die Verbindlichkeit und erlaubt eine transparente Dokumentation. Auf Lieferantenseite werden das konstruktive Feedback und die gemeinsame Abstimmung des Verbesserungsplanes in aller Regel begrüßt. Fallbeispiel 4: Option I strategischer Lieferantenentwicklung
Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO) Kerngedanke der zweiten Option strategischer Lieferantenentwicklung ist der Transfer von Wissen vom Abnehmer zum Lieferanten, etwa durch Beratung und Schulung von Lieferantenmitarbeitern oder die Entsendung von Mitarbeitern zum Lieferanten. Da derartige Aktivitäten häufig in gemeinsame Optimierungsprojekte eingebettet sind, wird diese Option strategi-
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Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
scher Lieferantenentwicklung entsprechend bezeichnet. Ergänzend ist festzuhalten, dass der Wissenstransfer auch durch den Einsatz von Externen möglich ist, etwa zur Projektsteuerung, für Analysen oder ausgewählte Workshops. Eine Hybridlösung stellt beispielsweise die Porsche Consulting GmbH dar, die als hundertprozentige Tochter des Automobilherstellers Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG in dessen Auftrag Lieferantenentwicklungsprojekte durchführt bzw. unterstützt. Wie Option II strategischer Lieferantenentwicklung in der unternehmerischen Praxis organisiert werden kann, illustriert das folgende Fallbeispiel. Eines der interviewten Unternehmen aus der Automobilindustrie nutzt für seine strategische Lieferantenentwicklung gemäß Option II das im Folgenden skizzierte Projektportfolio. Ziel des Portfolios ist es, die häufig sehr unterschiedlichen Optimierungsprojekte zu systematisieren und trotz Einzelfalllösungen transparente und effiziente Projekte gemeinsam mit dem Lieferanten zu realisieren. Das Portfolio umfasst vier wesentliche Arten von Projekten, die jeweils mit Standardvorgehen, Methoden/Tools und Beispielen hinterlegt sind: •
Im Rahmen der Vorserie wird Lieferanten zu einem frühen Zeitpunkt ein zwei- bis vierwöchiger "Fitness-Check" angeboten, innerhalb dessen kritische Punkte identifiziert und dokumentiert werden und eine Feinterminplanung bis zum SOP (Start of Production) erstellt wird. Ziel eines derartigen Projektes ist es, den Lieferanten zu einem sehr frühen Zeitpunkt für potenzielle Probleme zu sensibilisieren und konzeptionell bei der Vorbereitung zu unterstützen.
•
Ebenfalls im Rahmen der Vorserie werden Rahmenprojekte zum Lieferantenaufbau durchgeführt. Diese dauern bis zu drei Jahre und zielen darauf ab, einen neuen Lieferanten bzw. ein neues Werk "fit" für den SOP zu machen. Am Anfang eines solchen Projektes steht häufig eine umfassende Wertstromanalyse auf deren Basis ein detailliertes Endmontageund Anlieferungskonzept entwickelt wird. Je nach Bedarf werden weitere Unterstützungsmaßnahmen durchgeführt.
•
In den Bereich laufender Serien fallen Prozessoptimierungsprojekte. Ziel dieser Projekte ist es, Verbesserungen in puncto Zeit, Qualität und Kosten zu realisieren. Obwohl jedes Projekt unterschiedlich ist, lassen sich grob die Phasen Vorbereitung, Analyse, Maßnahmengenerierung und -bewertung sowie Umsetzung/Monitoring unterscheiden.
•
Sowohl in der Vorserie als auch in der Serie besteht immer wieder Bedarf an "Krisenprojekten", etwa wenn in der Vorserie kritische Meilensteine nicht erreicht werden oder bei massiven Qualitätsproblemen in der laufenden Serie. In solchen Fällen wird ein Krisenteam zum Lieferanten entsandt, um auf Basis einer kurzen Analyse zeitnah Lösungsideen zu entwickeln und ggf. gemeinsam mit dem Lieferanten umzusetzen.346
Fallbeispiel 5: Option II strategischer Lieferantenentwicklung
____________ 346
Diese Art gemeinsamer Optimierungsprojekte fällt aufgrund ihres reaktiven Charakters nicht unter die dieser Arbeit zu Grunde liegende Definition strategischer Lieferantenentwicklung, vgl. Unterkapitel 2.1.2.
Entwicklung des Strukturmodells
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Option III: Finanzielle Unterstützung/Beteiligung (FINU) Der Kerngedanke der dritten Option strategischer Lieferantenentwicklung ist die Entwicklung ausgewählter Lieferanten durch den Transfer von Kapital. Die Ziele und Formen dieser Option strategischer Lieferantenentwicklung sind heterogen. So kann beispielsweise eine Erweiterung der Fähigkeiten des Lieferanten und damit indirekt der des Herstellers im Vordergrund stehen, etwa durch spezielles, durch den Abnehmer (mit-) finanziertes Equipment oder eine engere Zusammenarbeit deren Basis eine Unternehmensbeteiligung darstellt. Der Erwerb eines 10 prozentigen Anteils am Elektroautopionier Tesla durch den Automobilhersteller Daimler Mitte Mai 2009 ist ein derartiges Beispiel.347 Das systematische Überkreuzhalten von Anteilen nahestehender Unternehmen in japanischen Keiretsu 348 kann in diesem Sinne ebenfalls als eine Art strategischer Lieferantenentwicklung interpretiert werden. Auch eine Verbesserung der Leistung des Lieferanten, etwa durch überlegenere, durch den Abnehmer (mit-)finanzierte Produktionsanlagen, kann ein mögliches Ziel sein. Schließlich kann aber auch der Erhalt bzw. die Stabilisierung des Lieferantenunternehmens selbst im Vordergrund stehen. Insbesondere dieser Aspekt hat im Rahmen der aktuellen Weltwirtschaftskrise signifikant an Bedeutung gewonnen. So gibt beispielsweise der französische Automobilhersteller PSA Peugeot Citroën an, bis März 2009 bereits über zwei Milliarden Euro mobilisiert zu haben, um Zulieferern zu helfen.349 Nolens volens engagieren sich etliche Hersteller bei ihren Zulieferern finanziell, um diese vor einer drohenden Insolvenz zu bewahren. Die eingesetzten Maßnahmen reichen dabei von einer Verbesserung der Zahlungskonditionen, einer Vorfinanzierung von Maschinen und Werkzeugen bis hin zu einer direkten Beteiligung am Lieferantenunternehmen. Wie Option III strategischer Lieferantenentwicklung in Zeiten einer globalen Wirtschaftskrise in der unternehmerischen Praxis organisiert werden kann, illustriert das folgende Fallbeispiel.
____________ 347
Vgl. Handelsblatt Nr. 95 vom 19.05.2009. Als Keiretsu werden japanische Unternehmensgruppen bzw. wirtschaftliche Verbundgruppen bezeichnet, die sich durch eine Reihe von Merkmalen auszeichnen, zum Beispiel das Überkreuzhalten von Minderheitsbeteiligungen an anderen Gruppenmitgliedern, Präsidententreffen zur Absprache der Unternehmensstrategien, eine Hausbank, die häufig der Hauptkreditgeber ist, ein Generalhandelshaus für den Handel im In- und Ausland und ein Zusammengehörigkeitsgefühl, vgl. Sydow, 1992, S. 40-41. Nach Art des Zusammenschlusses können vertikale Keiretsu – bestehend aus Herstellern und deren Zulieferern, ein Beispiel ist Toyota – und horizontale Keiretsu – bestehend aus Unternehmen unterschiedlicher Industrien, ein Beispiel ist Mitsubishi – unterschieden werden, vgl. Göbel, 2009, S. 161-162. In jüngerer Vergangenheit ist die Wahrnehmung japanischer Keiretsu von einigen Autoren allerdings kritisiert worden, vgl. Miwa und Ramseyer, 2006, S. 6-37. 349 Von den 2 Milliarden Euro entfallen 1,3 Milliarden Euro auf die Verbesserung der Zahlungskonditionen für Zulieferer, vgl. Handelsblatt Nr. 59 vom 25. März 2009. 348
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Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Eines der interviewten Unternehmen hat vor dem Hintergrund der globalen Wirtschaftskrise ein umfangreiches Lieferantenrisikomanagement in seiner Lieferantenentwicklungsabteilung aufgesetzt. Ziel ist die Identifikation kritischer Lieferanten und die Ableitung und Umsetzung geeigneter Gegenmaßnahmen, die auch eine finanzielle Unterstützung des Lieferantenunternehmens umfassen können. Konkret umfasst das Programm folgende Elemente: •
Zunächst erfolgt eine umfassende und kontinuierliche Analyse der Lieferantenbasis auf Basis der Bonitätsratings von Anbietern wie Standard & Poor's, Moody's, Euler Hermes oder Creditreform sowie von Frühindikatoren wie Qualitätsproblemen oder häufigen Managementwechseln.
•
Auf Basis dieser Analyse werden potenziell kritische Lieferanten identifiziert und näher untersucht. Die Lieferanten werden einzelnen Mitarbeitern zugeordnet, die weitere Informationen über die Situation des Lieferanten recherchieren, z.B. durch Telefonanrufe oder Vor-Ort-Besuche beim Lieferanten.
•
Das Ergebnis der Recherchen fließt in eine Bewertung des Risikos des Lieferanten ein, das als Multiplikationsterm aus potenzieller Schadenshöhe und Ausfallwahrscheinlichkeit kalkuliert wird. Hierzu werden auch die im eigenen Hause betroffenen Produkte oder aktuelle bzw. künftige alternative Bezugsquellen analysiert.
•
In cross-funktionalen Zirkeln wird die Entscheidung über Gegenmaßnahmen getroffen, wie z.B. die Einleitung einer Exit-Strategie oder die finanzielle Unterstützung des Lieferanten. Auch eine finanzielle Beteiligung am Lieferantenunternehmen gehört zu den möglichen Optionen. Letztere wird allerdings als ultima ratio zur Vermeidung noch größerer Schäden angesehen.
•
Anschließend erfolgt die Umsetzung der definierten Gegenmaßnahmen.
Fallbeispiel 6: Option III strategischer Lieferantenentwicklung
Wie aus den skizzierten Optionen strategischer Lieferantenentwicklung ersichtlich, umfassen diese nicht alle der in der Literatur unter dem Terminus Lieferantenentwicklung subsumierten Aktivitäten.350 Wesentlicher Grund ist, dass die jeweiligen Aktivitäten von den interviewten Experten explizit ausgeschlossen wurden. Ein Beispiel ist die von Sánchez-Rodríguez unter "basic supplier development" aufgeführte Standardisierung von Rohstoffen und Teilen, die keiner der befragten Experten als Aktivität strategischer Lieferantenentwicklung einordnete.351 In Summe bilden die drei Optionen jedoch ein vollständiges Programm zur strategischen Entwicklung von Lieferanten, das eine differenzierte und umfassende Analyse entsprechender Aktivitäten in der unternehmerischen Praxis erlaubt.
____________ 350 351
Für einen Überblick vgl. Tabelle 2 auf S. 26. Vgl. Sánchez-Rodríguez et al., 2005, S. 291 sowie 301.
Entwicklung des Strukturmodells
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Auswirkungen auf den Abnehmer Die Auswirkungen strategischer Lieferantenentwicklung auf Lieferant und Abnehmer bilden weitere Elemente des ursprünglich zur Untersuchung der bisherigen empirischen Befunde entwickelten Bezugsrahmens.352 Da die zentrale Zielsetzung strategischer Lieferantenentwicklung in der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers besteht, wird hierauf der Fokus der empirischen Untersuchung gelegt. Als Wettbewerbsfähigkeit wird die Fähigkeit eines Unternehmens bezeichnet, sich in Konkurrenz mit anderen Anbietern am Markt zu behaupten. Eng damit verbunden ist der Begriff des Wettbewerbsvorteils, den Grant folgendermaßen definiert: "When two or more firms compete within the same market, one firm possesses a competitive advantage over its rivals when it earns (or has the potential to earn) a persistently higher rate of profit."353 Unternehmen können Wettbewerbsvorteile auf zwei Arten realisieren: Entweder sie sind in der Lage, ein im Vergleich zum Wettbewerb identisches Produkt bzw. eine identische Dienstleistung zu einem niedrigeren Preis anzubieten (Kostenvorteil). Oder sie sind in der Lage, ein Produkt bzw. eine Dienstleitung derartig zu verändern, dass die Kunden bereit sind, einen Preisaufschlag zu bezahlen, der die zusätzlichen Kosten für die Differenzierung übersteigt (Differenzierungsvorteil).354 Je nach dem, auf welchen Vorteil ein Unternehmen abzielt, können gemäß Porter die generischen Wettbewerbsstrategien Differenzierung und Kostenführerschaft unterschieden werden.355 Lieferanten haben häufig einen Anteil an der Wertschöpfung eines Unternehmens von über 50 Prozent.356 Will ein Unternehmen also erfolgreich im Wettbewerb agieren, muss ein substanzieller Beitrag zur Differenzierung und/oder Kostenführerschaft auch von Lieferantenseite kommen. 357 In Anlehnung an die beiden generischen Wettbewerbsstrategien Porters sollen ____________ 352
Vgl. Abbildung 5, S. 24. Grant, 2005, S. 225. Grant weist explizit darauf hin, dass sich Wettbewerbsvorteile nicht in höherer Profitabilität manifestieren müssen, weil Unternehmen auf aktuelle Gewinne zugunsten von Investitionen in Marktanteile, Technologie, Kundenloyalität oder Managementvergütungen verzichten können. 354 Vgl. Grant, 2005, S. 241-242. 355 Porter unterscheidet zudem noch Fokussierung als dritte generische Wettbewerbsstrategie für einzelne Segmente, vgl. Porter, 1980, S. 35-40. 356 So liegt der Anteil der Lieferantenwertschöpfung bei Unternehmen aus der Halbleiterindustrie im Schnitt bei 60 Prozent, der Chemieindustrie bei 56 Prozent, der Elektronikindustrie bei 53 Prozent und der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie bei 47 Prozent, vgl. CAPS Research, 2008, S. 1. Ein Extrembeispiel stellen Automobilhersteller dar. Bei ihnen liegt der Anteil der Lieferantenwertschöpfung im Schnitt bei 78 Prozent, vgl. Verband der Automobilindustrie, 2008, S. 78. 357 Porter schreibt, dass sich Kostenführerschaft und Differenzierung als Strategien gegenseitig ausschließen. Unternehmen, die beide Strategien verfolgen bzw. dieses versuchen, seien automatisch zum Scheitern verurteilt: "The firm stuck in the middle is almost guaranteed low profitability." Porter, 1980, S. 41. Diese Argumentation wird von etlichen Autoren kritisiert und kann aufgrund von Beispielen von Unternehmen, die gerade eine Kombination aus Kostenführerschaft und Differenzierung erfolgreich macht, als überholt angesehen werden, vgl. z.B. Grant, 2005, S. 242-244. 353
96
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
daher die Auswirkungen strategischer Lieferantenentwicklung auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers im Sinne einer Differenzierung vom Wettbewerb bzw. einer Kostenführerschaft untersucht werden.358 Konkret misst das Konstrukt Differenzierung (DIFF) den Beitrag strategischer Lieferantenentwicklung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers durch Verbesserungen in puncto Qualität, Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit, Flexibilität und/oder Innovationskraft. Das Konstrukt Kostenführerschaft (KOST) stellt auf den Beitrag strategischer Lieferantenentwicklung zur Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers durch Senkung der Material-, Qualitäts-, Lager-, Fertigungs- und/oder Transportkosten ab. Insgesamt ergeben sich damit zehn Konstrukte für das Gesamtmodell. Das Ergebnis der Konzeptualisierung im Sinne einer schriftlichen Fixierung des jeweiligen Grundgedankens der Konstrukte ist in Tabelle 15 zusammengefasst. #
Konstrukt
Abkürzung
Grundgedanke bzw. Kern des Konstrukts
1
Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten
ABHA
Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten im Sinne der Schwierigkeiten bzw. Kosten, die ein Wechsel/Wegfall des Lieferanten für den Abnehmer impliziert.
2
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer
ABHL
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer im Sinne der negativen Auswirkungen auf das Geschäft des Lieferanten, die ein Verlust des Abnehmers für den Lieferant impliziert.
3
Methodenkompetenz des Abnehmers
MEKA
Methodenkompetenz des Abnehmers in verschiedenen Bereichen, die ihn in die Lage versetzt, Entwicklungsbedarf beim Lieferanten zu identifizieren und/oder Verbesserungsmaßnahmen gemeinsam mit dem Lieferanten zu entwickeln, durchzuführen und nachzuhalten.
4
Methodenkompetenz des Lieferanten
MEKL
Methodenkompetenz des Lieferanten in diversen Bereichen, die ihn in die Lage versetzt, durch den Abnehmer aufgezeigten Entwicklungsbedarf zu realisieren und/oder Verbesserungsmaßnahmen gemeinsam mit dem Abnehmer zu entwickeln, durchzuführen und nachzuhalten.
5
Ressourcenausstattung des Abnehmers
RESA
Ausstattung des Abnehmers im Hinblick auf Personal-, Finanz- und Managementressourcen, um strategische Lieferantenentwicklung zu planen, mit dem Lieferanten gemeinsam durchzuführen und nachzuhalten.
6
Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten
EIGO
Die indirekte, d.h. aus Abnehmersicht weitgehend passive strategische Entwicklung des Lieferanten durch Leistungsfeedback inklusive Zielvorgaben auf Basis einer Lieferantenbewertung bzw. eines Audits des Lieferanten.
7
Gemeinsame Optimierungsprojekte
GEMO
Die direkte, d.h. aus Abnehmersicht aktive Entwicklung des Lieferanten durch den Transfer von Wissen mit Hilfe von Beratung, Schulung oder Entsendung von Mitarbeitern zum Lieferanten. Erfolgt in der Regel im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte.
____________ 358
Eine in dieser Form differenzierte Betrachtung der Auswirkungen von Lieferantenentwicklung auf den Abnehmer untersucht bereits Wagner, vgl. Wagner, 2005, S. 310 und Wagner, 2006a, S. 688.
Entwicklung des Strukturmodells
97
8
Finanzielle Unterstützung/Beteiligung
FINU
Die direkte, d.h. aus Abnehmersicht aktive Entwicklung des Lieferanten durch den Transfer von Kapital zur finanziellen Unterstützung des Lieferanten oder durch eine Beteiligung des Abnehmers am Lieferanten.
9
Differenzierung
DIFF
Beitrag strategischer Lieferantenentwicklung zur Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers im Sinne einer Differenzierung vom Wettbewerb durch die Verbesserung von Qualität, Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit, Flexibilität und/oder Innovationskraft.
10
Kostenführerschaft
KOST
Beitrag strategischer Lieferantenentwicklung zur Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers im Sinne einer Kostenführerschaft durch Senkung der Material-, Qualitäts-, Lager-, Fertigungs- und/oder Transportkosten.
Tabelle 15: Konzeptualisierung der Konstrukte359
4.2.3 Ableitung und Begründung der Hypothesen Ziel dieses Unterkapitels ist die Entwicklung des Strukturmodells, das Rahmenbedingungen, strategische Lieferantenentwicklung und deren Auswirkungen auf den Abnehmer miteinander verknüpft. Zur besseren Orientierung gibt Abbildung 10 bereits an dieser Stelle einen Überblick über die insgesamt 18 Hypothesen, die im Folgenden fundiert und erläutert werden. Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO)
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA)
Differenzierung (DIFF) H3.2
Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL) Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
Option III: Finanzielle Unterstützung/ Beteiligung (FINU)
Hypothese: Positiver Zusammenhang
Hypothese: Negativer Zusammenhang 360
Abbildung 10: Visualisierung des Hypothesengerüsts
____________ 359
Eigene Darstellung.
Kostenführerschaft (KOST)
98
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Die Entwicklung der Hypothesen erfolgt nach dem in Unterkapitel 4.2.1 erläuterten Schema: Zunächst werden die in Kapitel 3 auf Basis der Transaktionskostentheorie und des ressourcenbasierten Ansatzes entwickelten Zusammenhänge kurz rekapituliert. Anschließend werden diese mit Erkenntnissen aus anderen Studien – zu interorganisationalen Beziehungen im Allgemeinen sowie zur Lieferantenentwicklung im Speziellen – abgeglichen. Abschließend erfolgt eine Verfeinerung auf Basis der Erkenntnisse aus 20 Vor-Ort-Experteninterviews.361 Wie in Kapitel 3 auf Basis der Transaktionskostentheorie und des ressourcenbasierten Ansatzes gezeigt wurde, lassen theoretische Überlegungen einen Zusammenhang zwischen Rahmenbedingungen wie der Abhängigkeit von Abnehmer und Lieferant oder den für strategische Lieferantenentwicklung bereitgestellten Mitteln im Sinne von Ressourcen oder Methodenkompetenz und strategischer Lieferantenentwicklung erwarten. Daher wird in Bezug auf diese Rahmenbedingungen folgende grundsätzliche Hypothese formuliert, die im Folgenden verfeinert wird. Übergeordnete Hypothese A: Abhängigkeit von Abnehmer und Lieferant, Methodenkompetenz und Ressourcen sind relevante Rahmenbedingungen für strategische Lieferantenentwicklung. Aus Sicht der Transaktionskostentheorie kann Lieferantenentwicklung als transaktionsspezifische Investition des Abnehmers in den Lieferanten betrachtet werden. Aus dem damit verknüpften Postulat der Sicherheit kann ein positiver Zusammenhang zwischen der Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer und der Bereitschaft des Abnehmers, den Lieferanten zu entwickeln, abgeleitet werden.362 Einfach formuliert: Je abhängiger der Lieferant ist, desto größer ist die Bereitschaft des Abnehmers, diesen zu entwickeln. Für den umgekehrten Fall einer Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten würde sich nach derselben Argumentation ein negativer Zusammenhang ergeben. Allerdings lässt sich auf Basis der Transaktionskostentheorie ebenfalls argumentieren, dass transaktionsspezifische Investitionen auf besonders wichtige Lieferanten konzentriert werden. Dabei handelt es sich tendenziell um Lieferanten, von denen der Abnehmer abhängig ist. Somit ergibt sich auf Basis der Transaktionskostentheorie ein ambivalentes Bild mit Blick auf die Wirkungsrichtung der Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten. Zur Rolle und Wirkung von Abhängigkeit bzw. Macht in interorganisationalen Beziehungen gibt es in der wissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl von Publikationen,363 wobei der Stel-
360
Eigene Darstellung. Für eine Beschreibung der Unternehmen und Interviewpartner vgl. Unterkapitel 5.1.1. 362 Vgl. hierzu die Ausführungen in Unterkapitel 3.2.3. 363 Für einen Überblick vgl. z.B. Gulati und Sytch, 2007, S. 32. 361
Entwicklung des Strukturmodells
99
lenwert der Thematik durchaus kontrovers diskutiert wird.364 Ein Grund hierfür ist, dass die empirischen Erkenntnisse kein einheitliches Bild ergeben. So berichten beispielsweise Gulati und Sytch auf Basis einer Befragung von Einkäufern der Automobilhersteller Chrysler und Ford einerseits von einem positiven Zusammenhang zwischen gegenseitiger Abhängigkeit von Abnehmer und Lieferant und der Einkaufsleistung des Abnehmers, der durch gemeinsame Aktionen beider Parteien mediiert wird.365 Andererseits wirken sich – entgegen der Erwartung der Autoren – weder ein Machtvorteil beim Abnehmer noch ein Machtnachteil beim Lieferanten positiv auf die Einkaufsleistung des Abnehmers aus.366 Laamanen hingegen weist für Telekommunikationsunternehmen nach, dass eine übermäßige Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer sich negativ auf die Unternehmensperformance des Lieferanten auswirkt.367 Maloni und Benton skizzieren ein differenziertes Bild auf Basis einer Umfrage unter Tier-1Lieferanten von Chrysler und Honda of America: Macht des Abnehmers basierend auf Expertenwissen, Vorbildcharakter und Belohnung wirkt sich positiv auf die Stärke der Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant aus, zu der auch der wahrgenommene Grad an Kooperation gehört. Demgegenüber wirkt sich Abnehmermacht basierend auf Zwang und Verweise auf rechtliche Verpflichtungen negativ auf die Beziehungsstärke aus.368 Eine etwas eindeutigere Indikation lässt sich aus den wenigen empirischen Studien zu den Auswirkungen der Abhängigkeit von Abnehmer und Lieferant auf Lieferantenentwicklungsaktivitäten entnehmen. In Bezug auf die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten findet Krause den vermuteten positiven Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit der Zukaufteile für den Abnehmer und der Einstellung des Abnehmers gegenüber Lieferanten bzw. ultimativ der Durchführung von Lieferantenentwicklungsaktivitäten bestätigt.369 In Bezug auf die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer weisen Carr et al. nach, dass sich eine hohe Abhängigkeit des Lieferanten positiv auf dessen Teilnahme an Schulungen des Abnehmers sowie an gemeinsamer Produktentwicklung auswirkt.370 Umgekehrt untermauert eine Studie von Krause und Ellram, dass Firmen, die einen wesentlichen Anteil am Umsatz des Lieferanten haben, häufiger Lieferantenentwicklung durchführen. Für die Autoren ist dies ein Hinweis darauf, dass Abnehmern mit nur geringem Anteil am Umsatz des Lieferanten der Einfluss fehlt, um ein Engagement des Lieferanten im Rahmen von Lieferantenentwicklung einzufordern.371 ____________ 364
Vgl. z.B. die Arbeit von Cox, 2004. Im Folgenden werden am Zweck der Untersuchung orientiert nur ausgewählte Publikationen zitiert. 365 Vgl. Gulati und Sytch, 2007, S. 58. 366 Im Falle eines Machtvorteils des Abnehmers stellen die Autoren sogar einen negativen Einfluss auf die Einkaufsleistung des Abnehmers fest, vgl. Gulati und Sytch, 2007, S. 56. 367 Vgl. Laamanen, 2005, S. 137. 368 Vgl. Maloni und Benton, 2000, S. 63-64. 369 Vgl. Krause, 1999, S. 218-219. 370 Vgl. Carr et al., 2008, S. 909-910. 371 Vgl. Krause und Ellram, 1997a, S. 29.
100
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Die geführten Expertengespräche stützen die Idee einer positiven Wirkung hoher Abhängigkeit. In Bezug auf die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten berichteten die Interviewpartner, dass aufwändigere Formen strategischer Lieferantenentwicklung – Option II und III – strategisch wichtigen Lieferanten vorbehalten sind, Lieferanten also, von denen der aktuelle und/oder künftige Erfolg des Abnehmers abhängt. 372 Beispielsweise wählt eines der interviewten Unternehmen nur Lieferanten für gemeinsame Optimierungsprojekte aus, die als "strategic long-term suppliers" betrachtet werden. Damit sind Lieferanten gemeint, die aufgrund der zugelieferten Produkte eine strategische Relevanz für den Abnehmer besitzen, zu denen mithin eine gewisse Abhängigkeit besteht und für die kein Lieferantenwechsel geplant bzw. möglich ist. In Bezug auf die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer bestätigten die Interviewpartner, dass abhängige Lieferanten im Schnitt deutlich offener für eine Entwicklung durch den Abnehmer seien und daher häufiger für Lieferantenentwicklungsaktivitäten ausgewählt würden. Oder wie es ein Interviewpartner bei einem Automobilhersteller ausdrückte: "Zu einem Bosch gehen wir erst gar nicht. Der ist zu mächtig."373 Daher werden in Bezug auf den Zusammenhang zwischen der Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten und den drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung folgende drei Hypothesen aufgestellt: Hypothese 1.1: Je größer die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA), desto intensiver steuert der Abnehmer die Eigenoptimierung des Lieferanten durch Zielvorgaben (EIGO). Hypothese 1.2: Je größer die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA), desto intensiver berät und schult der Abnehmer den Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte (GEMO). Hypothese 1.3: Je größer die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA), desto intensiver unterstützt der Abnehmer den Lieferanten finanziell bzw. beteiligt sich am Lieferantenunternehmen (FINU). Analog werden in Bezug auf die Auswirkungen der Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer auf die drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung folgende drei Hypothesen aufgestellt: ____________ 372
Mehrfach wiesen die interviewten Experten allerdings darauf hin, dass die Größe des Lieferanten – im Sinne des absoluten oder relativen Einkaufsvolumens des Abnehmers bei diesem Lieferanten – nicht alleinig ausschlaggebend sei. Für eine illustrative Darstellung wichtiger Kriterien für die Auswahl eines Lieferanten für Lieferantenentwicklung vgl. das Fallbeispiel 7 auf S. 138. 373 Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15.
Entwicklung des Strukturmodells
101
Hypothese 2.1: Je größer die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL), desto intensiver steuert der Abnehmer die Eigenoptimierung des Lieferanten durch Zielvorgaben (EIGO). Hypothese 2.2: Je größer die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL), desto intensiver berät und schult der Abnehmer den Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte (GEMO). Hypothese 2.3: Je größer die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL), desto intensiver unterstützt der Abnehmer den Lieferanten finanziell bzw. beteiligt sich am Lieferantenunternehmen (FINU). Strategische Lieferantenentwicklung kann gemäß dem ressourcenbasierten Ansatz als rentenstiftende Ressource interpretiert werden.374 Daraus lässt sich ein grundsätzlich positiver Zusammenhang zwischen den bereitgestellten Mitteln – z.B. im Sinne der eingebrachten Methodenkompetenz – und strategischer Lieferantenentwicklung ableiten. Dabei spielt es in dieser Argumentation keine Rolle, ob die Methodenkompetenz vom Abnehmer oder vom Lieferanten stammt. In bisherigen Studien zur Lieferantenentwicklung spielen derartige Zusammenhänge quasi keine Rolle. 375 Nur Oh und Rhee untersuchen in ihrer Studie den Einfluss von Lieferantenfähigkeiten auf Lieferantenentwicklung, wobei sich ein gemischtes Bild ergibt. So wird zwar der vermutete Einfluss der Fähigkeit des Lieferanten, die eigenen Sublieferanten zu entwickeln und flexibel in puncto Lieferzeit und -menge zu reagieren, auf Lieferantenentwicklung durch den Abnehmer bestätigt. Allerdings wird für andere Fähigkeiten des Lieferanten, z.B. im Bereich Forschung und Entwicklung oder in Bezug auf Kostensenkung, ein derartiger Zusammenhang nicht bestätigt. Die geführten Experteninterviews erlauben einen differenzierten Einblick in die aus der Theorie abgeleiteten Zusammenhänge. So bestätigten die Gesprächspartner durchweg die Relevanz entsprechender Methodenkompetenz des Abnehmers für gemeinsame Optimierungsprojekte. Ein Gesprächspartner bekannte freimütig auf die Frage, warum sein Unternehmen nur selten Lieferanten direkt entwickelt: "Wir sind selbst nicht Best Practice im Bereich Manufacturing und können unsere Lieferanten daher kaum in diesen Dingen beraten."376 Andererseits verfüg____________ 374
Alternativ kann strategische Lieferantenentwicklung auch als Mittel zum Erhalt, zur Entwicklung und zum Aufbau rentenstiftender Ressourcen verstanden werden, vgl. Unterkapitel 3.3.3. 375 Auch die Autoren der einzigen dem Autor bekannten Studie verweisen darauf, dass "[…] no existing studies address the influence of supplier capabilities […] on supplier development." Oh und Rhee, 2008, S. 495. 376 Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15.
102
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
ten die Unternehmen, die intensiv gemeinsame Optimierungsprojekte mit Lieferanten durchführen immer auch über einen entsprechenden Toolbaukasten, z.B. für Prozessanalysen oder Wertanalyseprojekte. Auch eine systematische Bewertung des Lieferanten verknüpft mit entsprechenden Zielvorgaben erfordert vom Abnehmer Methodenkompetenz. Zwischen der eigenen Methodenkompetenz und einer finanziellen Unterstützung oder Beteiligung am Lieferanten sahen die interviewten Experten hingegen keinen Zusammenhang. Vor diesem Hintergrund werden in Bezug auf den Zusammenhang zwischen der Methodenkompetenz des Abnehmers und den ersten beiden Optionen strategischer Lieferantenentwicklung folgende zwei Hypothesen aufgestellt: Hypothese 3.1: Je höher die Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA), desto intensiver steuert er die Eigenoptimierung des Lieferanten durch Zielvorgaben (EIGO). Hypothese 3.2: Je höher die Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA), desto intensiver berät und schult er den Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte (GEMO). Die Methodenkompetenz des Lieferanten spielt laut den interviewten Experten ebenfalls eine maßgebliche Rolle. Lieferanten mit hoher Methodenkompetenz werden beispielsweise häufiger per Zielvorgaben entwickelt. Einem Unternehmen dient dieser Zusammenhang sogar als Prämisse für das gesamte Lieferantenentwicklungsprogramm: "Wir gehen davon aus, dass unsere Lieferanten selbst wissen, was am besten ist. Daher beschränken wir unsere präventiven Maßnahmen auf die Steuerung mittels Zielvorgaben." 377 Gleichzeitig findet Lieferantenentwicklung auf Basis gemeinsamer Optimierungsprojekte seltener bei Lieferanten mit hoher Methodenkompetenz statt. So berichteten einige Ansprechpartner, dass Lieferanten vorgeschlagene Lieferantenentwicklungsprojekte mit dem Hinweis ablehnen, dass der Abnehmer ihnen an dieser Stelle nichts mehr beibringen kann. Aber auch auf Abnehmerseite besteht in aller Regel ein gutes Gespür dafür, bei welchem Lieferanten Beratung und Schulung sinnvoll eingesetzt werden können und welcher Lieferant eine derartige Unterstützung nicht benötigt. Zwischen der Methodenkompetenz des Lieferanten und einer finanziellen Unterstützung oder Beteiligung durch den Abnehmer sahen die interviewten Experten keinen Zusammenhang. Ein Grund hierfür ist der Umstand, dass derartige Methodenkompetenzen in aller Regel keine Unique Selling Proposition (USP) darstellen bzw. bei Bedarf anderweitig beschafft werden können, z.B. von externen Beratern. Hinzu kommt, dass die interviewten Unternehmen ein finanzielles Engagement bei Lieferanten grundsätzlich kritisch sahen.
____________ 377
Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15.
Entwicklung des Strukturmodells
103
Daher werden folgende Zusammenhänge zwischen der Methodenkompetenz des Lieferanten und den ersten beiden Optionen strategischer Lieferantenentwicklung aufgestellt: Hypothese 4.1: Je höher die Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL), desto intensiver steuert der Abnehmer die Eigenoptimierung des Lieferanten durch Zielvorgaben (EIGO). Hypothese 4.2: Je höher die Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL), desto weniger intensiv berät und schult der Abnehmer den Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte (GEMO). Einer ähnlichen Argumentation folgend wie im Falle der eingebrachten Methodenkompetenz kann auf Basis des ressourcenbasierten Ansatzes ein positiver Zusammenhang zwischen den bereitgestellten Mitteln – im Sinne der Ressourcenausstattung des Abnehmers in puncto Personal, Kapital und Management-Commitment – und strategischer Lieferantenentwicklung abgeleitet werden.378 Bislang setzt sich nur eine Studie zur Lieferantenentwicklung explizit mit der Ressourcenausstattung des Abnehmers auseinander. In dieser weisen Watts und Hahn einen positiven Zusammenhang zwischen dem Umsatz des Abnehmers, der Mitarbeiterzahl insgesamt bzw. im Einkauf und der Existenz von Lieferantenentwicklungsprogrammen nach.379 Auch bei den per Experteninterview untersuchten Unternehmen, deren Größe zwischen einem jährlichen Umsatz von weniger als einer Milliarde Euro und rund 100 Milliarden Euro schwankt, lässt sich dieser Trend beobachten: Größere Unternehmen verfügen deutlich häufiger über eine eigene Abteilung für Lieferantenentwicklung als kleinere.380 Neben personellen und finanziellen Ressourcen ist allerdings auch die Zeit und Aufmerksamkeit, die das Topmanagement dem Thema widmet, entscheidend. Schließlich ist Lieferantenentwicklung als Investition des Abnehmers in sein Lieferantennetzwerk auch abhängig vom politischen Willen. Deutlich wird dieser Umstand am Beispiel eines Unternehmens aus der Automobilindustrie. Trotz nachweisbarer Erfolge wurde die Lieferantenentwicklungsabteilung innerhalb von zwei Jahren auf etwa die Hälfte verkleinert. "Für unseren jetzigen Einkaufsvorstand ist das Thema nicht so wichtig."381 Daher werden folgende Hypothesen über die Zusammenhänge zwischen der Ressourcenausstattung des Abnehmers und den Optionen strategischer Lieferantenentwicklung aufgestellt: ____________ 378
Die ausführliche Argumentation dieses Zusammenhangs findet sich in Unterkapitel 3.3.3. Vgl. Watts und Hahn, 1993, S. 16. 380 Vgl. hierzu auch die Ergebnisse in Unterkapitel 6.2.2. 381 Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15. 379
104
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung Hypothese 5.1:
Je größer die Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA), desto intensiver steuert er die Eigenoptimierung des Lieferanten durch Zielvorgaben (EIGO). Hypothese 5.2: Je größer die Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA), desto intensiver berät und schult er den Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte (GEMO). Hypothese 5.3: Je größer die Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA), desto intensiver unterstützt er den Lieferanten finanziell bzw. beteiligt sich am Lieferantenunternehmen (FINU). Wie in Unterkapitel 3.2.3 und 3.3.3 ausgeführt, stützen sowohl die Transaktionskostentheorie als auch der ressourcenbasierte Ansatz die Hypothese eines positiven Wirkungszusammenhangs zwischen strategischer Lieferantenentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers. In Unterkapitel 2.2.1 wurde zudem detailliert aufgezeigt, dass auch etliche empirische Studien ähnliche Zusammenhänge mehrheitlich bestätigen.382 Auch die geführten Experteninterviews unterstreichen diese Erkenntnis, wie die im Folgenden zitierten Beispiele zeigen. Damit wird in Bezug auf die Auswirkungen strategischer Lieferantenentwicklung auf den Abnehmer folgende grundsätzliche Hypothese aufgestellt, die im Folgenden für die einzelnen Optionen strategischer Lieferantenentwicklung detailliert wird: Übergeordnete Hypothese B: Strategische Lieferantenentwicklung wirkt sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmerunternehmens aus. Bei Option I strategischer Lieferantenentwicklung, der Abnehmergesteuerten Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO), handelt es sich um indirekte Lieferantenentwicklung. Da der Abnehmer sich nicht direkt in die Entwicklung einbringt, sondern diese vielmehr auf Basis von Bewertungen bzw. Audits und daraus abgeleitetem Feedback und konkreten Zielvorgaben steuert, ist diese Form der Lieferantenentwicklung für den Abnehmer mit geringem Aufwand verbunden. Gleichzeitig unternehmen viele Lieferanten deutliche Anstrengungen, um Anregungen des Abnehmers umzusetzen und Zielvorgaben zu erreichen. Ihr Ziel ist es, bestehendes Geschäft mit dem Abnehmer abzusichern und sich für künftige Vergaben zu qualifizieren.383 Damit bietet diese Option strategischer Lieferantenentwicklung ein für den Abnehmer günstiges Verhältnis aus Aufwand und potenziellem Nutzen. Einen entsprechend positiven Zusam-
____________ 382 383
Vgl. insbesondere Tabelle 7. Vgl. auch Wagner, 2006a, S. 688.
Entwicklung des Strukturmodells
105
menhang zwischen indirekter Lieferantenentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers bestätigen mehrere Studien.384 Die interviewten Experten unterstrichen die Erfolgswirkung Abnehmergesteuerter Eigenoptimierung (EIGO) ebenfalls. Zwar fällt es den Unternehmen schwer, einen Gesamteffekt für diese Art strategischer Lieferantenentwicklung zu beziffern. Ein Unternehmen konnte aber beispielsweise nachweisen, dass sich innerhalb von fünf Jahren seit der Einführung von regelmäßigem Lieferantenfeedback inklusive Verbesserungszielen auf Basis einer formalen Bewertung der Anteil schlechter "D-Lieferanten" etwa um die Hälfte und der Anteil mittelguter "CLieferanten" um gut ein Viertel zugunsten guter "B-Lieferanten" bzw. exzellenter "ALieferanten" reduziert hatte. Zudem wurde in den Interviews mehrfach erwähnt, dass Lieferanten mehrheitlich nicht nur offen, sondern geradezu erfreut auf konstruktives Feedback reagieren. Viele Lieferanten haben trotz langjähriger Beziehung zum Abnehmer nur geringe Kenntnisse über dessen konkrete Anforderungen/Kriterien und ihre Positionierung im Vergleich zu anderen Lieferanten dieses Abnehmers. Daher werden folgende Hypothesen aufgestellt: Hypothese 6.1: Je intensiver der Abnehmer die Eigenoptimierung von Lieferanten durch Zielvorgaben steuert (EIGO), desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit durch Differenzierung vom Wettbewerb (DIFF). Hypothese 6.2: Je intensiver der Abnehmer die Eigenoptimierung von Lieferanten durch Zielvorgaben steuert (EIGO), desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit durch Kostenführerschaft (KOST). Im Gegensatz zu Option I strategischer Lieferantenentwicklung investiert der Abnehmer bei Option II, also gemeinsamen Optimierungsprojekten (GEMO) mit dem Lieferanten, personelle und eventuell auch finanzielle Ressourcen in größerem Umfang in die Entwicklung eines einzelnen Lieferanten. Eine derartige transaktionsspezifische Investition ist gemäß Transaktionskostentheorie nur sinnvoll, wenn diese vorteilhaft ist und der Abnehmer mit einiger Sicherheit in den Genuss der Vorteile kommt. Umgekehrt muss unterstellt werden, dass Abnehmer, die Option II nutzen, sich davon überzeugt haben.385 Auch der ressourcenbasierte Ansatz stützt einen positiven Zusammenhang: So kann strategische Lieferantenentwicklung gemäß Option II als Mittel zum Aufbau eines außergewöhnlich wettbewerbsfähigen Lieferantennetzwerkes interpretiert werden. Dieses stellt eine rentenstiftenden Ressource dar, wirkt sich also positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers aus. Gleichermaßen kann strategische Lieferantenentwicklung selbst als rentenstiftende Ressource interpretiert werden, damit ergibt sich per ____________ 384 385
Vgl. ausführlich Unterkapitel 2.2.1 oder exemplarisch Sánchez-Rodríguez et al., 2005, S. 297-298. Vgl. hierzu auch die in Fallbeispiel 7 genannten Auswahlkriterien.
106
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
definitionem ein positiver Effekt auf den Abnehmer.386 Ähnliche Zusammenhänge werden von diversen Studien bestätigt, auch wenn das sich ergebende Bild nicht immer eindeutig ist.387 Die interviewten Experten bestätigten die Erfolgswirkung gemeinsamer Optimierungsprojekte deutlich. So konnte eines der interviewten Unternehmen auf Basis von 15 im Jahr 2008 abgeschlossenen Optimierungsprojekten mit Lieferanten rund 3,4 Millionen Euro einsparen. Dies entspricht etwa 17 Prozent des in diesen Projekten betrachteten Einkaufsvolumens und ist ein Vielfaches des Aufwandes, der auf Seiten des Abnehmers für diese Projekte anfiel. Ein anderer Interviewpartner äußerte sich folgendermaßen: "Ich kenne die genauen Zahlen nicht. Aber ich weiß zwei Dinge: 1. Nach fünf Jahren Lieferantenentwicklung in diesem Unternehmen gibt es dafür [für das vor fünf Jahren eingeführte, projektbasierte Lieferantenentwicklungsprogramm] intern klare Unterstützung. 2. Unsere Lieferanten kommen inzwischen zu uns und fragen nach, ob wir sie entwickeln können."388 Gleichzeitig bestätigten die Unternehmen, dass bei derartigen Projekten keinesfalls nur die Senkung von Kosten im Vordergrund steht. Vielmehr geht es häufig auch um Qualitätsverbesserungen, Verkürzungen der Lieferzeit, Erhöhung der Flexibilität oder gemeinsame Innovationen. Mit den Worten eines Gesprächspartners: "Unser Hauptziel ist nicht die Kostensenkung. Trotzdem wollen wir unsere Lieferantenentwicklung mittelfristig kostenneutral betreiben."389 Vor diesem Hintergrund werden folgende Hypothesen aufgestellt: Hypothese 7.1: Je intensiver der Abnehmer Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte berät und schult (GEMO), desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit durch Differenzierung vom Wettbewerb (DIFF). Hypothese 7.2: Je intensiver der Abnehmer Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte berät und schult (GEMO), desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit durch Kostenführerschaft (KOST). Option III, die Finanzielle Unterstützung/Beteiligung (FINU), ist ebenfalls eine Form der direkten Lieferantenentwicklung. Im Kern steht der Transfer von Kapital vom Abnehmer zum Lieferanten, etwa in Form einer finanziellen Unterstützung des Lieferanten oder im Rahmen ____________ 386
Vgl. hierzu auch den in Unterkapitel 3.3.2 diskutierten Tautologievorwurf gegenüber dem ressourcenbasierten Ansatz. 387 Vgl. die detaillierte Übersicht in Unterkapitel 2.2.1 oder exemplarisch Krause et al., 2007, S. 540. 388 Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15. 389 Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15.
Entwicklung der Messmodelle
107
einer Beteiligung des Abnehmers am Lieferantenunternehmen. Aus Transaktionskostenperspektive handelt es sich wie schon bei Option II um eine transaktionsspezifische Investition des Abnehmers. Auch die Argumentation auf Basis des ressourcenbasierten Ansatzes ist analog. Die Interviewpartner unterstrichen mehrheitlich, dass diese Option strategischer Lieferantenentwicklung für ihr Unternehmen nur eine ultima ratio sei. Ein grundsätzlich positiver Einfluss wurde dennoch bestätigt. Allerdings steht bei Option III die Differenzierung des Abnehmers durch eine engere Verbindung mit dem Lieferanten im Vordergrund, weniger ein Kostensenkungsziel. Vor diesem Hintergrund wird folgende Hypothese aufgestellt. Hypothese 8: Je intensiver der Abnehmer Lieferanten finanziell unterstützt bzw. sich an Lieferantenunternehmen beteiligt (FINU), desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit durch Differenzierung vom Wettbewerb (DIFF).
4.3 Entwicklung der Messmodelle 4.3.1 Reflektive versus formative Operationalisierung Ziel dieses Unterkapitels ist eine kurze Einführung zur Operationalisierung von Messmodellen. Hierzu werden zunächst der aktuelle Kenntnisstand zusammenfasst und wesentliche Begrifflichkeiten geklärt. Anschließend werden konzeptionelle Leitlinien für die Entwicklung der Messmodelle dieser Arbeit abgeleitet. Hintergrund der Einführung ist die zentrale Wichtigkeit sauber spezifizierter Messmodelle als Basis für empirische Untersuchungen: "Survey research is only as good as the measures employed."390 Andere Autoren unterstreichen dies ebenfalls.391 Zudem werden Arten, Operationalisierung und Gütebeurteilung von Messmodellen in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur intensiv und teilweise kontrovers diskutiert.392 Nach Bagozzi und Fornell ist ein theoretisches Konstrukt "[…] an abstract entity which represents the 'true', nonobservable state or nature of a phenomenon."393 Da es sich bei Konstrukten um nicht direkt messbare Größen handelt, wird häufig auch von latenten Variablen gespro____________ 390
Keller et al., 2002, S. 97. So formuliert z.B. Churchill in seiner Artikelzusammenfassung "A critical element in the evolution of a fundamental body of knowledge is the development of better measures of variables." Churchill, 1979, S. 64. Jacoby fragt: "What does it mean if a finding is significant, or that the ultimate in statistical analytical techniques have been applied, if the data collection instrument generated invalid data at the outset?" Jacoby, 1978, S. 90. Und Peter postuliert: "Valid measurement is the sine qua non of science." Peter, 1979, S. 16. Anmerkung zum Zitat von Peter: Das Konzept der Validität im Zusammenhang mit Messmodellen wird in Unterkapitel 5.2.2 erläutert. 392 Vgl. z.B. die Beiträge von Homburg und Klarmann, 2006, Diamantopoulos und Riefler, 2008, oder Albers, 2009. 393 Bagozzi und Fornell, 1982, S. 24. 391
108
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
chen. Ziel der Konstruktmessung bzw. der Operationalisierung von Konstrukten ist es entsprechend, Beziehungen zwischen beobachtbaren Variablen – auch als manifeste Variablen, Indikatoren oder Indikatorvariablen bezeichnet – und einer latenten Variablen zu spezifizieren, um das Konstrukt messbar zu machen.394 Je nach Art der Beziehung zwischen Indikator und Konstrukt wird zwischen formativen und reflektiven Indikatoren bzw. Messmodellen unterschieden. Abbildung 11 visualisiert beide Arten von Messmodellen, wesentliche Charakteristika werden im Folgenden kurz erläutert. .
Reflektives Messmodell
ș1 ș2 ș3
Ȥ1 Ȥ2 Ȥ3
Formatives Messmodell
Ȥ1
λ1 λ2 λ3
φ 12 ξ
φ 13
Ȥ2 φ 23 Ȥ3
Ȣ ω1 ω2
ξ
ω3
Abbildung 11: Messmodelle reflektiver und formative Konstrukte395
Bei reflektiven Indikatoren "verursacht" die latente Variable die ihr zugeordneten manifesten Variablen, womit letztere die betrachtete latente Variable jeweils in ihrer Gesamtheit "reflektieren".396 Statistisch gesehen sind die Indikatoren fehlerbehaftete Messungen der latenten Variable.397 Demgegenüber verursachen in einem formativen Messmodell die manifesten Variablen die latente Variable, die Kausalitätsbeziehung ist also umgekehrt.398 Als Paradebeispiel zur Veranschaulichung der Unterschiede zwischen und Konsequenzen aus reflektiver versus formativer Operationalisierung von latenten Variablen wird häufig das Konstrukt "Trunkenheit" angeführt.399 Im Falle formativer Indikatoren könnte beispielsweise nach der konsumierten Menge an Wein, Bier und hochprozentigen Getränken gefragt werden, also Indikatoren, die kausal den Zustand der Trunkenheit verursachen. Im Falle einer reflektiven Operationalisierung könnte nach der Artikulations-, Koordinations- und Konzentrationsfä____________ 394
Vgl. Homburg und Giering, 1996, S. 6. Die Begriffe "Konstrukt" und "latente Variable" sowie die Termini "manifeste Variable", "Indikator" oder "Indikatorvariable" werden im Folgenden synonym verwendet. 395 In Anlehnung an Edwards und Bagozzi, 2000, S. 161-162. 396 Vgl. Backhaus et al., 2008, S. 515. 397 Vgl. Homburg und Giering, 1996, S. 6. Entsprechend lassen sich reflektive Messmodelle formal als faktorenanalytische Modelle formulieren, vgl. Formel 4.2 auf S 75. 398 Daher können formative Messmodelle formal als lineare Regressionsmodelle formuliert werden, vgl. Formel 4.3 auf S. 76. Anmerkung: Auf der rechten Seite von Abbildung 11 sind der Vollständigkeit halber auch die Fehlerterme auf Indikatorebene abgebildet ( ଵଶ ଵଷ ଶଷ ). Allerdings wird der Messfehler bei formativen Konstrukten nur auf Ebene des Konstrukts erfasst ( ). 399 Vgl. Krafft et al., 2005, S. 80.
Entwicklung der Messmodelle
109
higkeit gefragt werden, also Indikatoren, die durch den Zustand der Trunkenheit beeinflusst werden. Anhand dieses Beispiels werden wesentliche Implikationen einer reflektiven bzw. formativen Operationalisierung deutlich: 400 Bei formativen Konstrukten müssen bei der Konstruktentwicklung zwingend sämtliche Konstruktfacetten durch entsprechende Indikatorfragen abgedeckt werden.401 So wäre für den Fall des oben angeführten Beispiels auch eine Trunkenheit durch den Konsum alkoholhaltiger Pralinen denkbar. Entsprechend ist auch eine ex post Eliminierung von Indikatoren aus messtheoretischer Sicht nicht möglich, weil sich dadurch der Inhalt des Konstrukts verändert: "Omitting an indicator is omitting a part of the construct."402 Würde in obigem Beispiel etwa die Frage nach der konsumierten Menge an Hochprozentigem weggelassen, so müsste das Konstrukt beispielsweise in "Trunkenheit durch leichte Alkoholika" umbenannt werden. Bei reflektiven Messmodellen hingegen können bei ausreichender Anzahl geeignet spezifizierter manifester Variablen einzelne Indikatoren entfernt werden. In der Tat empfehlen Verfahren zur Operationalisierung reflektiver Konstrukte nach der Entwicklung einer adäquaten Ausgangsmenge an Indikatoren eine Skalenbereinigung auf Basis statistischer Gütekriterien.403 Entsprechend kritisch ist eine korrekte Unterscheidung von reflektiv und formativ spezifizierten latenten Variablen, da sonst die Gefahr einer konzeptionell ungerechtfertigten Indikatorelimination besteht. Dass diese Gefahr real ist, unterstreichen die Ergebnisse mehrerer Studien: •
Jarvis et al. kommen in ihrer vielzitierten Untersuchung der Top-4 US-Marketing Zeitschriften der letzten 24 Jahre zu dem Schluss, dass 29 Prozent aller Konstrukte "inkorrekt" spezifiziert wurden, in den meisten Fällen weil formativ operationalisierte Konstrukte "fälschlicherweise" reflektiv behandelt wurden.404
•
Eggert und Fassot kommen bei ihrer Analyse aller Beiträge der Zeitschrift Marketing ZFP sogar zu dem Schluss, dass von den reflektiven Konstrukten, für die von den Autoren eine eindeutige Zuordnung vorgenommen werden konnte, 81 Prozent so formuliert waren, "dass aus messtheoretischer Sicht eine formative Operationalisierung angebracht gewesen wäre."405
•
Fassot berichtet auf Basis einer Untersuchung der Publikationen in drei deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Zeitschriften ab 2003, dass – bezogen auf alle untersuchten Konstrukte – 35 Prozent "fehlspezifiziert" sind. Dieser Prozentsatz erhöht sich
____________ 400
Für eine Zusammenfassung der spezifischen Charakteristika insbesondere formativer Konstrukte vgl. Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 270-271. 401 Vgl. Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 271. 402 Bollen und Lennox, 1991, S. 308. 403 Vgl. z.B. die Leitfäden von Churchill, 1979, Rossiter, 2002, oder für den deutschsprachigen Raum Homburg und Giering, 1996. 404 Vgl. Jarvis et al., 2003, S. 205-207. 405 Fassott und Eggert, 2005, S. 44.
110
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung auf 59 Prozent wenn Konstrukte, deren Operationalisierung für eine nachträgliche Beurteilung nicht ausreichend beschrieben ist und latente Variablen, die nur durch eine manifeste Variable operationalisiert sind, ausgeschlossen werden.406
Allerdings geben Homburg und Klarmann zu bedenken, dass die Aussage, ein Messmodell sei "fälschlicherweise" formativ oder reflektiv spezifiziert, grundsätzlich problematisch ist, da mangels objektiver Kriterien die Entscheidung über die Form des Messmodells immer stark subjektiv geprägt ist.407 Und in der Tat liegen zwar diverse Kriterien- bzw. Fragenkataloge408 vor, die helfen sollen, reflektive und formative Indikatoren zu identifizieren. Allerdings ist auch auf dieser Basis nicht immer eine eindeutige Zuordnung möglich. So berichtet Fassot im Rahmen der oben zitierten Untersuchung, dass für 13 Prozent bezogen auf alle Konstrukte bzw. 21 Prozent bezogen auf alle beurteilbaren Multi-Item-Konstrukte keine eindeutige Zuordnung in Bezug auf die Art der Spezifikation möglich war.409 Erschwerend kommt hinzu, dass zwar die meisten Konstrukte sowohl reflektiv als auch formativ operationalisiert werden können,410 in der wissenschaftlichen Literatur aber keine Einigkeit herrscht, welcher Form der Vorzug zu geben ist. So empfehlen Homburg und Klarmann "[…] reflektive Indikatoren zu entwickeln und formative Indikatoren nur mit Bedacht einzusetzen."411 Demgegenüber raten Diamantopoulos und Winkelhofer, die Wahl zwischen reflektiver und formativer Spezifizierung primär auf Basis theoretischer Überlegungen über die kausale Richtung zwischen den Indikatoren zu treffen.412 Gleichzeitig halten sie fest: "[…] we believe that several marketing constructs currently operationalized by means of reflective indicators would be better captured if approached from a formative perspective."413 Albers und Hildebrandt gehen noch einen Schritt weiter und formulieren: "Will man z.B. für das Management konkrete Handlungsempfehlungen abgeben, müssen wegen der zu Grunde liegenden Maßnahmen die Indikatoren formativ spezifiziert sein, nämlich das Konstrukt als Input formieren und nicht als Output reflektieren."414 Fast philosophisch mutet dagegen folgende Feststellung an: "A given research situation or research tradition may favor either formative or reflective ____________ 406
Vgl. Fassott, 2006, S. 76. Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 731. Aus diesem Grund sind bei der Wiedergabe der Studienergebnisse oben die Termini "inkorrekt", "fälschlicherweise" und "fehlspezifiziert" in Anführungszeichen gesetzt. 408 Vgl. z.B. Jarvis et al., 2003, S. 203, Fassott, 2006, S. 71, oder Huber et al., 2007, S. 19 (letztere beide in Anlehnung an Jarvis et al., 2003, S. 203). Im Kern lassen sich diese teilweise recht umfangreichen Kataloge jedoch auf die Frage verdichten, ob eine Veränderung des Konstrukts eine Veränderung aller Indikatoren bewirkt (reflektive Spezifikation) oder die Veränderung eines Indikators eine Veränderung der Konstruktausprägung impliziert (formative Spezifikation), vgl. Herrmann et al., 2006, S. 47. 409 Vgl. Fassott, 2006, S. 72. Jarvis et al. erwähnen 14 Prozent Zweifelsfälle, wobei 12 Prozent auf unvollständige Angaben der Autoren zurückzuführen sind, vgl. Jarvis et al., 2003, S. 206. 410 Vgl. Fassott und Eggert, 2005, S. 41, bzw. das oben angeführte Beispiel Trunkenheit. 411 Homburg und Klarmann, 2006, S. 731. 412 Vgl. Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 274. 413 Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 274. 414 Albers und Hildebrandt, 2006, S. 4. 407
Entwicklung der Messmodelle
111
measurement, but constructs themselves, posited under a realist philosophy of science as existing apart from their measurement, are neither formative nor reflective."415 Vor dem Hintergrund der skizzierten Punkte und Fallstricke soll sich die im folgenden Unterkapitel beschriebene Operationalisierung der eigenen Konstrukte an folgenden Leitlinien orientieren: •
Wichtig ist zunächst ein Bewusstsein für die Problematik reflektiver bzw. formativer Messmodelle. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Form der Operationalisierung ex ante festzulegen416 und die Entscheidung zu begründen. Dabei soll – wo möglich – auf etablierte Konstrukte zurückgegriffen werden.
•
"Aufgrund der großen Schwierigkeiten, die kausale Richtung des Zusammenhangs zwischen Indikatoren und latenter Variable objektiv zu ermitteln […]"417 soll – trotz des Rückgriffs auf etablierte Konstrukte – für alle Messmodelle ein systematischer Prozess inklusive Pre-Tests durchlaufen werden.
•
Schließlich sollen alle Schritte transparent dokumentiert werden, um die Überlegungen nachvollziehbar zu machen.
4.3.2 Operationalisierung der Konstrukte Ziel dieses Unterkapitels ist die Operationalisierung der formativen und reflektiven Konstrukte des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung. Hierzu wird zunächst das vierstufige Vorgehen erläutert. Anschließend werden die einzelnen Schritte für alle zehn Konstrukte des Modells ergebnisorientiert zusammengefasst. Als Operationalisierung von Konstrukten wird die Entwicklung eines Messinstrumentes bezeichnet.418 In der Literatur finden sich etliche Vorschläge, wie dabei vorgegangen werden soll. Ein lange Zeit einflussreiches Prozessmodell für die Entwicklung reflektiver Messmodelle stammt von Churchill,419 Ergänzungen und weitere Vorschläge folgten.420 Vorschläge neueren Datums berücksichtigen explizit die Unterschiede zwischen reflektiven und formativ spezifizierten Konstrukten421 oder wurden speziell für formative Konstrukte entwickelt.422
____________ 415
Wilcox et al., 2008, S. 1220. Vgl. auch eine analoge Empfehlung von Bollen, 1984, S. 383. 417 Homburg und Klarmann, 2006, S. 731. 418 Vgl. Homburg und Giering, 1996, S. 5. 419 Vgl. Churchill, 1979, S. 66. 420 Vgl. z.B. Gerbing und Anderson, 1988, S. 183, oder für den deutschsprachigen Raum Homburg und Giering, 1996, S. 12. 421 Vgl. z.B. Rossiter, 2002, S. 306-307. 422 Vgl. z.B. Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 271-274. 416
112
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Gleichzeitig wird in der Literatur vielfach unterstrichen, dass neue Messmodelle nur dann entwickelt werden sollten, wenn keine etablierten Konstrukte vorliegen. 423 So bezeichnet Diller die Konstruktüberflutung als eine der wesentlichen Fehlentwicklungen bei der Handhabung von Strukturgleichungsmodellen. 424 Daher wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit – wo möglich – auf bestehende Messmodelle zurückgegriffen. Dies ist, wie weiter unten ausgeführt wird, in acht von zehn Fällen möglich. Trotzdem wird für alle zehn Konstrukte ein umfassender Prozess zur Entwicklung der Messmodelle durchlaufen.425 So werden auch etablierte Messmodelle nochmals in aufwändigen PreTests überprüft. Das angewandte Vorgehen orientiert sich dabei grob an den Vorschlägen von Rossiter sowie Homburg und Giering und ist in Abbildung 12 dargestellt. Die einzelnen Prozessschritte werden im Folgenden beschrieben und gleichzeitig die Ergebnisse in summarischer Form dargelegt. I I
II
III
IV
Generierung einer Ausgangsmenge von Indikatoren
Inhaltlicher Pre-Test (Workshops/Interviews)
Statistischer Pre-Test (E-Mailumfrage)
Datenerhebung/ quantitative Analysen
Unterkapitel 4.3.2
Unterkapitel 5.1 & 5.2
Abbildung 12: Vorgehen zur Operationalisierung der Messmodelle426
Auf Basis der in Unterkapitel 4.2.2 dargestellten Konstruktkonzeptualisierungen wurde im ersten Schritt für jeden Indikator eine Ausgangsmenge von Indikatoren erzeugt. Hierzu wurden zunächst Konstruktsammlungen sowie die relevante Fachliteratur auf geeignete etablierte Messmodelle hin untersucht. Konkret wurden drei Arten von Quellen genutzt: •
Erstens wurden einschlägige Konstruktsammlungen durchsucht, darunter die vier umfangreichen Bände des Standardwerkes Marketing Scales Handbook,427 die Zusammenfassung mehrdimensionaler Konstrukte aus dem Bereich Logistik von Keller428 und der Überblick über Messmodelle aus dem Bereich "Behavioral Accounting Research" von Kwok und Sharp.429
____________ 423
Vgl. z.B. DeVellis, 2003, S. 154-155. Vgl. Diller, 2006, S. 612. 425 Da allerdings in acht von zehn Fällen auf bestehende und damit bereits validierte Messmodelle zurückgegriffen wird, wird auf eine doppelte Durchführung der Datenerhebung – wie sie beispielsweise Homburg und Giering für neue Messmodelle vorschlagen – verzichtet, vgl. Homburg und Giering, 1996, S. 12. 426 Eigene Darstellung in Anlehnung an Homburg und Giering, 1996, S. 12, und Rossiter, 2002, S. 306-307. 427 Vgl. Bruner II et al., 2005, Bruner II et al., 2001, Bruner II und Hensel, 1996, und Bruner II und Hensel, 1992. 428 Vgl. Keller et al., 2002. 429 Vgl. Kwok und Sharp, 1998. 424
Entwicklung der Messmodelle
113
•
Zweitens wurden Online-Datenbanken nach adäquaten Publikationen durchsucht. Primärer Fokus waren Artikel aus Zeitschriften, die in den oben aufgeführten Konstruktsammlungen nicht enthalten sind. Zu den genutzten Datenbanken zählen ScienceDirect, EBSCO und Emerald. Zusätzlich wurde über Scopus und Google Scholar nach geeigneten Referenzen gefahndet.
•
Drittens wurden die in Unterkapitel 2.3 dargestellten, umfragebasierten Publikationen zur Lieferantenentwicklung systematisch auf geeignete Messmodelle hin untersucht.
Konstrukte, die grundsätzlich für den intendierten Zweck geeignet erschienen, wurden dokumentiert. Zu jedem Messmodell wurden – soweit angegeben – Informationen über das Vorgehen zur Entwicklung des Messmodells (Pre-Tests etc.), Gütekriterien (Validität und Reliabilität), Art des Konstrukts (reflektiv/formativ) sowie das Ranking des Journals festgehalten. Anschließend erfolgte die Auswahl geeigneter Messmodelle. Hierzu wurden zunächst Konstrukte wieder ausgeschlossen, die bei näherer Betrachtung für den Forschungszweck inhaltlich ungeeignet erschienen. Beispielsweise schlagen Eyuboglu et al. eine interessante Lösung zur Operationalisierung von Abhängigkeiten in Abnehmer-Lieferant-Beziehungen vor, die jedoch spezifisch auf den Kontext der Beziehung zwischen Großhändler und Lieferant angepasst ist.430 Im Falle mehrerer inhaltlich geeigneter Messmodelle wurde auf Basis der oben aufgeführten Zusatzinformationen (Gütekriterien, vorhandene Pre-Tests etc.) eine Entscheidung getroffen. Insgesamt kann für acht der zehn Konstrukte auf in der Literatur bereits vorhandene Messmodelle zurückgegriffen werden. Da die Indikatoren dieser acht Konstrukte in englischer Sprache vorliegen, wurde das Verfahren der Parallelübersetzung/Doppelübersetzung eingesetzt:431 Zunächst wurden die Fragen von zwei Personen mit exzellenten Englischkenntnissen vom Englischen ins Deutsche übertragen und anschließend von zwei weiteren Personen rückübersetzt. Die Rückübersetzungen wurden mit dem Original abgeglichen und Abweichungen durch den Autor bereinigt. Zusätzlich wurde das aus der Arbeit von Bello und Gilliland übernommene Konstrukt Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA) auf den Kontext der strategischen Lieferantenentwicklung angepasst, da die ursprünglichen Formulierungen vor dem Hintergrund des Themas Exportexpansion entwickelt worden waren.432 Eine detaillierte Übersicht über Quellen, ursprüngliche und in der vorliegenden Arbeit verwendete Indikatoren für alle Konstrukte findet sich in Anhang I. Im zweiten Schritt wurden ein inhaltlicher Pre-Test im Hinblick auf die Art der Operationalisierung und die verwendeten Indikatoren durchgeführt. Hierzu wurden zum einen drei etwa zweistündige Workshops mit Beratern von Roland Berger Strategy Consultants durchgeführt. ____________ 430
Vgl. Eyuboglu et al., 2003, S. 13-14. Vgl. z.B. Song und Parry, 1997, S. 6, und die dort angegebenen Quellen. 432 Vgl. Bello und Gilliland, 1997, S. 31. 431
114
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Zum anderen wurden sechs Vor-Ort-Experteninterviews mit Einkaufsleitern bzw. Leitern Lieferantenmanagement/-entwicklung geführt.433 In den Workshops wurde zunächst eine Einteilung der Konstrukte in reflektive bzw. formative Messmodelle vorgenommen. Hierzu wurden die Workshopteilnehmer gebeten, ihre Einschätzung zu den jeweiligen Messmodellen auf Basis des Fragenkatalogs von Fassot434 anzugeben. Die Problematik reflektiver versus formativer Messmodelle wird in keinem der Artikel, aus denen die Messmodelle stammen, thematisiert und folglich wird die Form der Operationalisierung nicht expliziert erwähnt. Allerdings deuten die von den Autoren verwendeten Tests und Gütekriterien – z.B. das Cronbachsche Alpha435 – eindeutig darauf hin, dass implizit von einer reflektiven Spezifikation ausgegangen wurde. Auf Basis der Workshops ergaben sich hingegen folgende Einschätzungen: •
Vier Konstrukte wurden als eindeutig reflektiv bestätigt (ABHA, ABHL, EIGO und GEMO). Hieraus ergeben sich keine Änderungen.
•
Drei Konstrukte wurden als eindeutig formativ identifiziert (RESA, DIFF und KOST). Für diese Konstrukte wird daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine formative Operationalisierung unterstellt. Gleichzeitig machte dies partiell eine Ergänzung von Indikatoren notwendig, um alle Facetten des Konstrukts zu erfassen.436
•
Für drei Konstrukte war die Einschätzung nicht eindeutig (MEKA, MEKL und FINU). Bei den selbst entwickelten Messmodellen für die Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA) bzw. des Lieferanten (MEKL) lässt sich aus Sicht des Autors eine reflektive Operationalisierung argumentieren, vgl. die inhaltlichen Begründungen in Tabelle 16. Da im Falle der Finanziellen Unterstützung/Beteiligung (FINU) die im ursprünglichen Artikel implizit unterstellte reflektive Spezifikation aus Sicht des Autors ebenfalls argumentierbar ist, wurde diese beibehalten. Entsprechend wird für alle drei Konstrukte eine reflektive Operationalisierung unterstellt.
In Summe ergeben sich damit sieben reflektive und drei formative Konstrukte. Tabelle 16 fasst die Begründung der Form der Operationalisierung (reflektiv/formativ) für alle Konstrukte zusammen. Zweites Ziel der Interviews bzw. Workshops war es, die Indikatorfragen auf Vollständigkeit, Verständlichkeit und Eindeutigkeit zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Hierzu wurde der Fragebogen von den Experten entweder vor dem Interview ausgefüllt und anschließend im Gespräch Anmerkungen auf Basis definierter Leitfragen diskutiert oder der Fragebogen wurde gemeinsam während des Interviews ausgefüllt und parallel dazu Fragen besprochen. In den ____________ 433
Gleichzeitig wurden in den etwa zweistündigen Gesprächen neben dem Erhebungsinstrument auch die Lieferantenentwicklungsaktivitäten des jeweiligen Unternehmens diskutiert. Für eine Beschreibung aller 20 Experteninterviews bei insgesamt 12 Unternehmen vgl. Unterkapitel 5.1.1. 434 Vgl. Fassott, 2006, S. 71, in Anlehnung an Jarvis et al., 2003. 435 Vgl. hierzu die Ausführungen in Unterkapitel 5.2.2. 436 Vgl. Tabelle 17.
Entwicklung der Messmodelle
115
Workshops wurden die Fragen von jedem Teilnehmer zu Beginn mit Hilfe vorgegebener Leitfragen geprüft und anschließend Anmerkungen in der Gruppe diskutiert. Tabelle 17 gibt einen Überblick über die auf dieser Basis vorgenommenen Änderungen. #
Konstrukt
Abkürzung
Form der Begründung Operationalisierung
1
Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten
ABHA
Reflektiv
Die Indikatoren haben einen ähnlichen Inhalt, beziehen sich auf ein gemeinsames Thema (Abhängigkeit) und eine Änderung der Ausprägung der latenten Variablen würde eine Veränderung der Indikatoren verursachen.
2
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer
ABHL
Reflektiv
Analog ABHA, übertragen auf die Lieferantenperspektive.
3
Methodenkompetenz des Abnehmers
MEKA
Reflektiv
Der Einschätzung der Methodenkompetenz in den Indikator-Dimensionen liegt ein starkes allgemeines Urteil über die Methodenkompetenz des eigenen Unternehmens bzw. des Lieferantenunternehmens zu Grunde. 437 Dies wurde in Experteninterviews bestätigt.
4
Methodenkompetenz des Lieferanten
MEKL
Reflektiv
Analog MEKA, übertragen auf das Lieferantenunternehmen.
5
Ressourcenausstattung des Abnehmers
RESA
Formativ
Eine Elimination eines Indikators würde den konzeptionellen Inhalt der latenten Variablen verändern.
6
Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten
EIGO
Reflektiv
Die Indikatoren haben einen ähnlichen Inhalt und beziehen sich auf ein gemeinsames Thema (Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten).
7
Gemeinsame Optimierungsprojekte
GEMO
Reflektiv
Die Indikatoren haben einen ähnlichen Inhalt und beziehen sich auf ein gemeinsames Thema (Transfer von Wissen, in aller Regel im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte).
8
Finanzielle Unterstützung/Beteiligung
FINU
Reflektiv
Die Indikatoren haben einen ähnlichen Inhalt und beziehen sich auf ein gemeinsames Thema (Transfer von Kapital).
9
Differenzierung
DIFF
Formativ
Eine Elimination eines Indikators würde den konzeptionellen Inhalt der latenten Variablen verändern.
10
Kostenführerschaft
KOST
Formativ
Eine Elimination eines Indikators würde den konzeptionellen Inhalt der latenten Variablen verändern.
Tabelle 16: Inhaltliche Begründung der Form der Operationalisierung438
____________ 437 438
Vgl. eine ähnliche Argumentation bei Homburg und Klarmann, 2006, S. 731. Eigene Darstellung.
116
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
#
Konstrukt
Abkürzung
Ursprüngliche Quelle
Anpassungen auf Basis der Workshops/Experteninterviews
1
Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten
ABHA
Heide, 1994
Vereinfachung der Formulierung aufgrund von Feedback aus den Experteninterviews/Workshops.
2
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer
ABHL
Heide, 1994
Vereinfachung der Formulierung aufgrund von Feedback aus den Experteninterviews/Workshops.
3
Methodenkompetenz des Abnehmers
MEKA
-
-
4
Methodenkompetenz des Lieferanten
MEKL
-
-
5
Ressourcenausstattung des Abnehmers
RESA
Bello und Gilliland, 1997
-
6
Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten
EIGO
Wagner, 2006a und Wagner, 2005
-
7
Gemeinsame Optimierungsprojekte
GEMO
Wagner, 2006a und Wagner, 2005
Entfernung eines Indikators aufgrund von Feedback aus den Experteninterviews/ Workshops.
8
Finanzielle Unterstützung/Beteiligung
FINU
Wagner, 2006a und Wagner, 2005
Ergänzung eines Indikators aufgrund von Feedback aus den Experteninterviews/ Workshops.
9
Differenzierung
DIFF
Krause et al., 2007
Ergänzung eines Indikators aufgrund von Feedback aus den Experteninterviews/ Workshops.
10
Kostenführerschaft
KOST
Wagner, 2006a und Wagner, 2005
Inhaltliche Abwandlung von zwei Indikatoren aufgrund von Feedback aus den Experteninterviews/Workshops.
Tabelle 17: Anpassungen der Konstrukte auf Basis der Workshops/Experteninterviews439
Im dritten Schritt wurde schließlich ein statistischer Pre-Test der Messmodelle gemäß des Vorschlags von Anderson und Gerbing durchgeführt.440 Dabei werden Experten zufällig angeordnete Indikatoren vorgelegt, die diese einzelnen Konstrukten zuordnen. Auf dieser Basis können zwei Gütekriterien berechnet werden: •
Maß für die Eindeutigkeit der Zuordnung: Dabei stellt
(4.4)
die Anzahl der Experten dar, die den Indikator dem vorab als "korrekt"
angesehenen Konstrukt zugeordnet haben und N die Anzahl aller Testpersonen. Der Index beschreibt also die Anzahl der Übereinstimmungen im Verhältnis zu der gesamten Anzahl der Testpersonen für einen Indikator. Der Index kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei größere Werte ein höheres Maß an Übereinstimmung ausdrücken. ____________ 439 440
Eigene Darstellung. Vgl. hierzu und im Folgenden Anderson und Gerbing, 1991, S. 734-735.
Entwicklung der Messmodelle •
117
Maß für die inhaltliche Relevanz: Dabei stellt
బ
(4.5)
die Anzahl der Befragten dar, die den Indikator am häufigsten "fäl-
schlicherweise" einem anderen als dem "richtigen" Konstrukt zugeordnet haben. Die beiden anderen Parameter wurden oben bereits erläutert. Formal kann das
-Maß
Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Hohe positive Werte weisen auf eine größere inhaltliche Relevanz hin, hohe negative Werte auf eine hohe inhaltliche Relevanz des jeweiligen Indikators für ein anderes als das vorgesehene Konstrukt. Im vorliegenden Fall wurden 24 Personen mit abgeschlossenem wirtschafts- bzw. ingenieurwissenschaftlichem Studium und mehrjähriger Berufserfahrung um die Zuordnung der 44 Indikatoren zu den 10 Konstrukten gebeten. Die Ergebnisse sind in Tabelle 18 dargestellt. Konstrukt
Indikator
psa
csv
Konstrukt
Abhängigkeit ABHA1 des Abnehmers ABHA2 vom LieferanABHA3 ten ABHA4
0,88
0,83
0,92
0,88
Indikator
Abnehmerge- EIGO1 steuerte Eigen- EIGO2 optimierung des Lieferanten EIGO3 EIGO4
psa
csv
1,00
1,00
0,96
0,92
0,92
0,83
1,00
1,00
GEMO1
0,96
0,92
GEMO2
0,96
0,92
GEMO3
1,00
1,00
GEMO4
1,00
1,00
0,88
0,83
0,79
0,71
Abhängigkeit ABHL1 des Lieferanten ABHL2 vom Abnehmer ABHL3
0,92
0,83
0,83
0,71
0,83
0,67
ABHL4
0,96
0,92
Methodenkom- MEKA1 petenz des Ab- MEKA2 nehmers MEKA3
0,96
0,92
GEMO5
0,96
0,92
1,00
1,00
GEMO6
0,67
0,50
1,00
1,00
MEKA4
1,00
1,00
Gemeinsame Optimierungsprojekte
MEKA5
1,00
1,00
Finanzielle FINU1 Unterstützung/ FINU2 Beteiligung FINU3
Methodenkom- MEKL1 petenz des Lie- MEKL2 feranten MEKL3
0,96
0,92
Differenzierung DIFF1
1,00
1,00
DIFF2
0,92
0,88
1,00
1,00
DIFF3
0,96
0,92
1,00
1,00
1,00
1,00
1,00
1,00
0,92
0,83
MEKL4
1,00
1,00
DIFF4
0,79
0,67
MEKL5
1,00
1,00
DIFF5
0,96
0,92
Ressourcenaus- RESA1 stattung des RESA2 Abnehmers RESA3
0,96
0,92
0,96
0,92
0,96
0,92
Kostenführerschaft
Tabelle 18: Ergebnisse des Pre-Tests auf Basis der E-Mailumfrage441
____________ 441
Eigene Darstellung.
KOST1
1,00
1,00
KOST2
0,96
0,92
KOST3
1,00
1,00
KOST4
0,96
0,92
KOST5
0,96
0,92
118
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Wie aus Tabelle 18 hervorgeht, werden mit einer Ausnahme für alle Indikatoren von mindestens 0,79 (gerundet also 0,8) und
-Werte
-Werte von mindestens 0,67 (gerundet 0,7)
erreicht. Damit kann die Expertenvalidität dieser Indikatoren als auf hohem Niveau bestätigt angesehen werden. Ein Indikator weist etwas schwächere Werte auf: Die Entsendung von Mitarbeitern des Abnehmers zum Lieferanten (GEMO6). 16 der 24 Experten ordneten diesen Indikator "richtigerweise" der zweiten Option strategischer Lieferantenentwicklung (Gemeinsame Optimierungsprojekte) zu, vier wählten die dritte Option (Finanzielle Unterstützung/Beteiligung), vier weitere die Rahmenbedingung "Ressourcenausstattung des Abnehmers". Da die Entsendung von Mitarbeitern einen finanziellen Aufwand für den Abnehmer impliziert, scheint die Zuordnung zur dritten Option strategischer Lieferantenentwicklung nachvollziehbar. Ähnlich könnte auch in Bezug auf das Konstrukt "Ressourcenausstattung des Abnehmers" argumentiert werden, auch wenn dies aus Sicht des Autors weniger plausibel erscheint. Da jedoch mit und
die Expertenvalidität des Indikators zumindest auf einem moderaten Level
bestätigt wird, wird keine Veränderung vorgenommen. Für künftige Studien sei an dieser Stelle jedoch festgehalten, dass in Bezug auf diese Indikatorfrage Verbesserungspotenzial besteht. Damit ist die Entwicklung der Messmodelle abgeschlossen. Insgesamt werden die zehn Konstrukte mit Hilfe von 44 Indikatoren operationalisiert. Bei den acht auf Basis bestehender Messmodelle operationalisierten Konstrukten wurden insgesamt drei Indikatoren ergänzt, einer eliminiert und zwei inhaltlich abgewandelt. Außerdem wurden zur Vereinfachung und Präzision teilweise Formulierungen angepasst. Eine detaillierte Übersicht über die letztendlich verwendeten Messmodelle und die ursprünglichen Operationalisierungen gibt Anhang I. Für den Lieferantenfragebogen werden die gleichen Konstrukte verwendet, wobei die Formulierungen an die veränderte Perspektive angepasst wurden. Der vierte Schritt zur Operationalisierung der Messmodelle – eine ausführliche Gütebeurteilung auf Basis der Umfragedaten – ist in Unterkapitel 5.2 dargestellt.
4.3.3 Skalierung der Konstrukte Ziel dieses Unterkapitels ist die Begründung und Erläuterung der für die Konstrukte des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung verwendeten Skalierung. Hierzu werden zunächst verschiedene Skalenniveaus und ihre wesentlichen Merkmale beschrieben. Anschließend wird die Wahl des Skalenniveaus für die vorliegende Arbeit begründet. Grundsätzlich lassen sich vier wesentliche Skalenniveaus unterscheiden, die in Tabelle 19 zusammengefasst sind und im Folgenden kurz erläutert werden.442
____________ 442
Vgl. hierzu und im Folgenden Backhaus et al., 2008, S. 8-10.
Entwicklung der Messmodelle Skala Nicht-metrische Skalen
119 Merkmale
Mögliche rechnerische Handhabung
Nominalskala Klassifizierung qualitativer Eigenschafts- Bildung von Häufigkeiausprägungen ten Ordinalskala
Metrische Skalen Intervallskala Ratioskala
Rangwert mit Ordinalskalen
Median, Quantile
Skala mit gleich großen Abschnitten ohne Subtraktion, Mittelwert natürlichem Nullpunkt Skala mit gleich großen Abschnitten und natürlichem Nullpunkt
Summe, Division, Multiplikation
Tabelle 19: Skalenniveau und wesentliche Merkmale443
Nominalskalen bilden das einfachste Messniveau und stellen Klassifizierungen qualitativer Eigenschaftsausprägungen dar. Beispiele sind "Position in der Dyade" (Abnehmer, Lieferant) oder "Funktion des Ansprechpartners" (Leiter Einkauf, Leiter Lieferantenentwicklung etc.). Die Ausprägungen der Eigenschaften werden auch bei Nominalskalen zur leichteren Auswertung mit dem Computer häufig in Zahlen gefasst, bspw. "Position in der Dyade" (1 = Abnehmer, 2 = Lieferant). Da die Zuordnung der Zahlen zu den Merkmalsausprägungen beliebig ist (sie muss nur eindeutig sein), lassen sich jedoch keine arithmetischen Rechenoperationen durchführen, sondern lediglich Häufigkeiten der Merkmalsausprägungen untersuchen. Ordinalskalen, das nächsthöhere Skalenniveau, erlauben die Aufstellung von Rangordnungen mit Hilfe von Rangwerten. Beispiele sind "Lieferantenentwicklung durch Hersteller A ist effektiver als durch Hersteller B" oder "Lieferantenentwicklungsaktivität C erhöht die Produktqualität stärker als Aktivität D". Allerdings sagen die Rangwerte nichts über die Abstände zwischen den Objekten aus, es kann also nicht abgelesen werden, um wie viel die Lieferantenentwicklung von Hersteller A effektiver ist als die von Hersteller B. Daher dürfen auch bei Ordinalskalen keine arithmetischen Rechenoperationen durchgeführt werden. Neben Häufigkeiten können aber z.B. Median oder Quantile berechnet werden. Intervallskalen, mitunter auch Kardinalskalen genannt, zeichnen sich durch gleich große Skalenabschnitte aus, weisen jedoch keinen natürlichen Nullpunkt auf. Ein Beispiel ist die Celsiusskala, die den Abstand zwischen Gefrier- und Siedepunkt des Wassers in hundert gleich große Abschnitte unterteilt. Da der Nullpunkt willkürlich gewählt ist, handelt es sich bei der Celsius-Temperaturskala um eine Intervallskala, anders als etwa bei der KelvinTemperaturskala, die am natürlichen Nullpunkt beginnt. Damit besitzen bei Intervallskalen z.B. Differenzen zwischen Merkmalsausprägungen, Mittelwerte oder Standardabweichungen Informationsgehalt. So lässt sich die Durchschnittstemperatur von drei Räumen mit je 10, 20 bzw. 30 Grad Celsius berechnen.444 Hingegen sind weitergehende Aussagen nicht möglich. So ____________ 443 444
Vgl. Backhaus et al., 2008, S. 10. Vgl. für dieses Beispiel Kuß, 2007, S. 175.
120
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
wäre zum Beispiel die Aussage, dass der zweite Raum (20 Grad Celsius) doppelt so warm sei wie der erste Raum (10 Grad Celsius) nicht möglich. Schließlich würden sich, gemessen auf einer Fahrenheit-Temperaturskala, für den ersten Raum 50 Grad Fahrenheit und für den zweiten 68 Grad Fahrenheit ergeben. Von einer doppelt so hohen Temperatur kann also – bei Nutzung der Fahrenheit-Temperaturskala – nicht die Rede sein. Bei Umfragen werden häufig Skalen eingesetzt, bei denen nur angenommen wird, die Abstände zwischen den Merkmalsausprägungen seien gleich groß. Ein typisches und in Wissenschaft und Praxis sehr weit verbreitetes Beispiel ist die Likert-Skalierung, benannt nach dem Sozialforscher Rensis Likert. 445 Dem Interviewpartner werden abgestufte Antwortmöglichkeiten vorgegeben, beispielsweise "starke Zustimmung – Zustimmung – unentschieden – Ablehnung – starke Ablehnung", wobei die Ausgewogenheit der Antwortmöglichkeiten sichergestellt werden muss. So lange die Annahme gleicher Skalenabstände jedoch unbestätigt ist, handelt es sich streng genommen um eine Ordinalskala.446 Grundsätzlich wird jedoch davon ausgegangen, dass Likert-Skalen hinreichend gut einer Intervallskalierung entsprechen.447 Ratio- oder Verhältnisskalen stellen schließlich das höchste Meßniveau dar. Im Unterschied zu Intervallskalen besteht bei Ratioskalen ein natürlicher Nullpunkt, der für das entsprechende Merkmal impliziert, es sei nicht vorhanden. Ein Beispiel ist der Umsatz eines Unternehmens. Bei einer Ratioskalierung besitzt entsprechend auch der Quotient bzw. das Verhältnis (Ratio) der Daten Informationsgehalt. Im Fall der vorliegenden Arbeit wird für alle Indikatorfragen des Strukturgleichungsmodells auf die oben beschriebene, weit verbreitete Likert-Skalierung zurückgegriffen. Dabei wird die Annahme getroffen, die jeweiligen Merkmalsausprägungen seien äquidistant. Da im Rahmen der telefonischen Befragung448 nach numerischen Antworten (z.B. Zustimmung auf einer Skala von 1 bis 5) gefragt und gleichzeitig auf die Ausgewogenheit der Antwortmöglichkeiten geachtet wurde (z.B. "1 = Stimme voll zu" und "5 = Stimme nicht zu"), sind wesentliche Voraussetzungen für diese Annahme erfüllt.449 Wie im vorangegangenen Unterkapitel 4.3.2 erläutert, wird zur Operationalisierung der Konstrukte zum überwiegenden Teil auf bereits bestehende Messmodelle zurückgegriffen. In allen Fällen wurde von den ursprünglichen Autoren ebenfalls eine Likert-Skala verwendet, wobei die Anzahl der Antwortmöglichkeiten zwischen fünf und sieben schwankt. Um eine konsisten____________ 445
Vgl. Kuß, 2007, S. 87. Laut Jäpel sollte jedoch streng genommen nur dann von einer Likert-Skala gesprochen werden, "[…] wenn die Skalenkonstruktion, angefangen von der Itemselektion bis hin zur Berechnung des Skalenwertes, gemäß den von Likert angegebenen Prinzipien durchgeführt wurde." Jäpel, 1985, S. 177. Im Folgenden wird jedoch wie allgemein üblich eine etwas weniger strikte Auslegung des Terminus angewandt. 446 Vgl. Backhaus et al., 2008, S. 9. 447 Vgl. Hoyle et al., 2002, S. 176. Die Prüfung des Skalenniveaus von Intervallskalen ist zudem methodisch problematisch und in der Regel aus praktischen Gründen nicht durchführbar. Für eine Beschreibung möglicher Verfahren vgl. Stier, 1999, S. 73-74. 448 Vgl. Unterkapitel 5.1.1. 449 Vgl. Kuß, 2007, S. 88.
Entwicklung der Messmodelle
121
te Form sicherzustellen, wird die Anzahl der Antwortmöglichkeiten vereinheitlicht. Dabei sind zwei Fragen relevant: Erstens die Frage, ob die Anzahl der Skalenstufen gerade oder ungerade sein soll. Ungeradzahlige Likert-Skalen weisen eine neutrale Mittelkategorie auf und erlauben damit unsicheren Urteilern ein Ausweichen auf diese neutrale Mitte, wohingegen geradzahlige Skalen zumindest ein tendenziell Richtung weisendes Urteil erzwingen.450 Daher empfehlen Bortz und Döring eine geradzahlige Anzahl Skalenstufen zu verwenden, wenn mit Urteilsverfälschungen durch eine übermäßig zentrale Tendenz gerechnet wird.451 Im Falle der vorliegenden Arbeit beurteilen Einkaufsleiter und andere Führungskräfte im Einkauf452 die Beziehung zu zwei wichtigen Lieferanten, die sie selbst auswählen. Es ist also davon auszugehen, dass sie mit dem Objekt der Beurteilung gut vertraut sind, eine übermäßig zentrale Tendenz ist nicht zu erwarten. Entsprechend wird auf eine Skala mit einer ungeraden Anzahl Stufen zurückgegriffen. Zweitens stellt sich die Frage, wie viele Antwortkategorien vorgegeben werden sollten. Grundsätzlich nimmt mit steigender Anzahl an Skalenstufen die Differenzierungsfähigkeit einer Skala zu, wobei eine zu feine Differenzierung das Urteilsvermögen der Interviewpartner überfordert.453 In der akademischen Literatur sind fünfzahlige Ratingskalen am häufigsten verbreitet.454 Diese Anzahl stellt einen guten Kompromiss aus überschaubarer Beantwortungskomplexität für den Befragten und einer ausreichenden Antwortdifferenzierungsmöglichkeit für den Fragenden dar. In den Experteninterviews wurde die Anzahl der Antwortkategorien ebenfalls angesprochen und die Anzahl fünf als akzeptabel bestätigt. Demgegenüber signalisierten einige Experten, dass eine über fünf Stufen hinausgehende Differenzierung der Skalierung für eine Telefonumfrage zu diesem Thema zu komplex sei. Für die vorliegende Untersuchung wird daher für alle Indikatorfragen des Strukturgleichungsmodells mit latenten Variablen eine fünfzahlige Likert-Skalierung verwendet. Details hierzu können Anhang I entnommen werden.
____________ 450
Vgl. Bortz und Döring, 2006, S. 180. Vgl. hierzu sowie zum Ambivalenz-Indifferenz-Problem bei neutralen Antwortkategorien Bortz und Döring, 2006, S. 180. 452 Für einen detaillierten Überblick über die Funktionen der befragten Ansprechpartner vgl. Unterkapitel 5.1.2. 453 Vgl. Bortz und Döring, 2006, S. 180-181. 454 So kommt beispielsweise Peterson bei einer Metaanalyse von 568 Artikeln im Hinblick auf das Thema Faktorenanalyse zu dem Schluss: "The most common number of rating scale categories used was five." Peterson, 2000, S. 266. 451
122
Entwicklung eines Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
4.4 Zwischenfazit In Kapitel 4 wurden zwei wesentliche Punkte adressiert: Zum einen wurde die gewählte Methodik erläutert und begründet. Zum anderen wurde das Strukturgleichungsmodell (Strukturmodell und Messmodelle) entwickelt. In Bezug auf die Methodik wurde Strukturgleichungsmodellierung als das aktuell leistungsfähigste multivariate Analyseverfahren ausgewählt. Ausführlich wurde die dadurch notwendige Entscheidung zwischen Varianzstrukturanalyse (PLS-Ansatz) und Kovarianzstrukturanalyse (LISREL-Ansatz) erläutert und die letztendliche Wahl des PLS-Ansatzes begründet. Für das Strukturmodell wurden zunächst zehn Konstrukte konzeptualisiert, also Kontext (große, privatwirtschaftlich organisierte, produzierende Unternehmen der Automobilindustrie, des Maschinen- und Anlagenbaus sowie der Pharma- und Biotechindustrie), Grundgedanke (je Konstrukt unterschiedlich) und Identität der zu befragenden Personen (Einkaufsleiter auf Abnehmerseite sowie Vertriebsverantwortliche auf Lieferantenseite) detailliert. Anschließend wurde ein Hypothesengerüst entwickelt, das multiple Zusammenhänge zwischen den Rahmenbedingungen Abhängigkeit, Methodenkompetenz und Ressourcen, den drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers postuliert. Die insgesamt 18 Hypothesen wurden aus den in Kapitel 3 diskutierten Theorien entwickelt, mit den Ergebnissen aus bestehenden Studien abgeglichen und auf Basis der durch den Autor geführten Vor-Ort-Experteninterviews verfeinert. Anschließend wurden Messmodelle für die einzelnen Konstrukte entwickelt, wobei in acht von zehn Fällen auf bereits etablierte Messmodelle zurückgegriffen werden konnte. Trotzdem wurde ein aufwändiges Verfahren inklusive Pre-Tests angewandt, um die insgesamt 44 Indikatoren des Modells zu identifizieren bzw. zu überprüfen. Abschließend wurde die Verwendung einer fünfstufigen Likert-Skalierung für alle Messmodelle erläutert und begründet.
Kapitel 5 5 Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung Ziele von Kapitel 5 sind die Beschreibung der Datenerhebung sowie die methodischtechnische Auswertung der Umfrage. Eine inhaltliche Interpretation der Ergebnisse findet in Kapitel 6 statt. Das Kapitel 5 ist in drei Teile gegliedert: •
In Unterkapitel 5.1 werden die Datenerhebung bei 200 Abnehmerunternehmen zu insgesamt 400 Abnehmer-Lieferant-Beziehungen, die zusätzliche Befragung von 38 Lieferanten dieser Abnehmer ("matched pair") sowie die 20 geführten Vor-OrtExperteninterviews beschrieben. Wesentliche Charakteristika der befragten Unternehmen bzw. Ansprechpartner werden erläutert und die Analysevoraussetzungen überprüft.
•
In Unterkapitel 5.2 werden die verwendeten Softwareeinstellungen für die Varianzstrukturanalyse beschrieben. Anschließend wird die Güte der sieben reflektiven Messmodelle und der drei formativen Messmodelle in Bezug auf Reliabilität und Validität evaluiert.
• In Unterkapitel 5.3 werden zunächst die Wirkungszusammenhänge auf Strukturmodellebene untersucht. Dies schließt auch die Analyse von Modifikationen des Modells ein. Anschließend werden die Abnehmer-Lieferant-Dyaden ausgewertet.
S. M. Durst, Strategische Lieferantenentwicklung, DOI 10.1007/978-3-8349-6174-7_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
124
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
5.1 Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage 5.1.1 Datenerhebung, Antwortrate und Fallzahl Ziel dieses Unterkapitels ist die Beschreibung der Datenerhebung. Diese gliedert sich in drei Teile, denen auch der Aufbau dieses Unterkapitels folgt: •
Abnehmerbefragung: 200 Abnehmer wurden telefonisch zu in Summe 400 Abnehmer-Lieferant-Beziehungen befragt.
•
Lieferantenbefragung: 38 Lieferanten dieser Abnehmer ("matched pair") wurden telefonisch zur Beziehung zum jeweiligen Abnehmer befragt.
•
Experteninterviews: 12 Unternehmen wurden im Rahmen von 20 Vor-Ort-Interviews in ihrer Rolle als Abnehmer befragt.
Abnehmerbefragung Die Datenerhebung auf Abnehmerseite erfolgte im Februar/März 2009 durch das Markt- und Meinungsforschungsinstitut OmniQuest auf Basis von Computer-Assisted Telephone Interviews (CATI). 455 Hierzu wurde ein eigenes Team von erfahrenen Interviewern zusammengestellt, um eine gleichbleibend hohe Qualität der Interviews zu gewährleisten und der Zielgruppe – Führungskräfte im Einkauf – gerecht zu werden. Das Interviewerteam wurde vor der Befragungsaktion intensiv mit dem Fragebogen vertraut gemacht und erhielt eine Einführung in Thema, Zielsetzung und Hintergründe der Umfrage. Zusätzlich wurde der programmierte Fragebogen an einigen Stellen mit Hinweisen für die Interviewer versehen, z.B. Sätze besonders langsam und deutlich vorzulesen, die in den Probeinterviews als komplex identifiziert worden waren. Bei wenigen Fragen wurden zudem kurze Erläuterungen für die Interviewer eingebaut, wie auf gegebenenfalls gestellte Rückfragen zu antworten sei. Außerdem wurde ein wesentlicher Vorteil von CATI genutzt und Konsistenzprüfungen programmiert, 456 so zum Beispiel bei der Frage nach der Aufteilung der durch Lieferantenentwicklung erzielten Ergebnisse zwischen Abnehmer und Lieferant. Hier war der jeweilige Anteil gefragt (z.B. 50:50), der in Summe immer 100 zu ergeben hat. Die Grundgesamtheit für die Telefoninterviews auf Abnehmerseite bildeten die in Bezug auf ihren Jahresumsatz größten Unternehmen in den drei Branchen Automobilindustrie, Maschi-
____________ 455
Bei CATI steuert eine Fragebogensoftware den Ablauf des Interviews. In diese werden die Antworten vom Interviewer direkt eingegeben und dadurch der Erhebungsaufwand reduziert sowie laufende Konsistenzprüfungen ermöglicht, vgl. Stier, 1999, S. 202-203. Für einen allgemeinen Überblick zu telefonischen Befragungen inklusive deren Entwicklung, dem aktuellen Stand der Methodenforschung, Unterschieden zu persönlichen Interviews sowie spezifischen Anforderungen an Stichprobe, Fragebogen und Durchführung vgl. Diekmann, 2007, S. 501-514. 456 Vgl. Stier, 1999, S. 202-203.
Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage
125
nen- und Anlagenbau sowie Pharma- und Biotechindustrie457 aus den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz.458 Zur Generierung der notwendigen Datensätze bestehend aus Branche/Subbranche, Unternehmensname, Adresse, Telefonnummer der Zentrale und diverser statistischer Angaben wie dem jährlichen Umsatz wurden zwei Quellen genutzt: •
Hoppenstedt Firmendatenbank für deutsche Unternehmen, da diese Datenbank eine sehr gute Abdeckung größerer Unternehmen in Deutschland bietet.459 Aus dieser wurden die jeweils größten 250-270 Unternehmen der drei Fokusbranchen herausgefiltert.
•
Amadeus Firmendatenbank für österreichische und schweizerische Unternehmen, da diese Datenbank eine sehr gute Abdeckung von Unternehmen auf europäischem Niveau bietet.460 Aus dieser wurden für beide Länder die jeweils größten 30-35 Unternehmen der drei Branchen herausgefiltert. Damit war in Bezug auf den Unternehmensumsatz eine ähnliche Struktur wie für die deutschen Unternehmen sichergestellt.
Die Unternehmen wurden auf Basis des verbreiteten NACE-Branchencodes461 wie folgt ausgewählt: •
Automobilindustrie: NACE-Branchencode 34 (Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen) sowie Teile von 25 (Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren) und Teile von 32 (Rundfunk- und Nachrichtentechnik).
•
Maschinen- und Anlagenbau: NACE-Branchencode 29 (Maschinenbau) sowie Teile von 28 (Herstellung von Metallerzeugnissen).
•
Pharma- und Biotechindustrie: NACE-Branchencodes 24410 (Herstellung von pharmazeutischen Grundstoffen) und 24420 (Herstellung von pharmazeutischen Spezialitäten und sonstigen pharmazeutischen Erzeugnissen).
Die resultierenden Listen wurden gemeinsam mit Industrieexperten bzw. Experten aus den jeweiligen Ländern plausibilisiert und auf Vollständigkeit überprüft. Dabei fielen drei Punkte auf. Erstens gab es teilweise Redundanzen durch mehrere Tochterunternehmen eines Konzerns. Eine Bereinigung erfolgte durch den Ausschluss doppelter Telefonnummern vor der ____________ 457
Kriterien für die Branchenauswahl waren: (1) Branchengröße/-relevanz: Der Fokus sollte auf für den deutschsprachigen Raum wichtige Branchen gelegt werden. (2) Lieferantenentwicklungsengagement: Ziel war eine Mischung im Hinblick auf das durchschnittliche Engagement für Lieferantenentwicklung. Hier gilt die Automobilindustrie unbestritten als Vorreiter, der Maschinen- und Anlagenbau als eher durchschnittlich und die Pharma- und Biotechindustrie schneidet eher unterdurchschnittlich ab. Vgl. Wagner, 2006b, S. 564. 458 Kriterium für die Länderauswahl war die Verbreitung der deutschen Sprache. In der Schweiz lag der Fokus auf dem deutschsprachigen Teil. 459 Die Hoppenstedt Firmendatenbank umfasst die 250.000 größten Unternehmen in Deutschland ab einer Million Euro Jahresumsatz bzw. zehn Mitarbeitern. Damit deckt Hoppenstedt laut eigenen Angaben gemäß Umsatzsteuerstatistik 85 Prozent der deutschen Wirtschaftskraft ab. Vgl. http://www.hoppenstedt.de am 20.09.2009. 460 Die Firmendatenbank umfasst Finanzdaten zu etwa elf Millionen Unternehmen in 41 europäischen Ländern, davon rund 123.000 Unternehmen in Österreich und rund 32.000 Unternehmen in der Schweiz. Vgl. http://www.bvdep.com/de/AMADEUS.html am 20.09.2009. 461 Wirtschaftszweigklassifikation in den Europäischen Gemeinschaften. Für ausführlichere Informationen vgl. z.B. Krug et al., 2001, S. 30-31.
126
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Kontaktaufnahme. Zweitens ergaben sich nach Experteneinschätzung teilweise Lücken bei den Unternehmen, z.B. fehlten einige große deutsche Serienfertiger des Maschinen- und Anlagenbaus. Und drittens lag nach Experteneinschätzung eine vereinzelte fehlerhafte Zuordnung von Unternehmen zu bestimmten Branchen vor. Da die beiden letztgenannten Punkte in Bezug auf die Gesamtzahl der Unternehmen nicht ins Gewicht fielen und teilweise auch im Rahmen persönlichen Ermessens liegen – so zum Beispiel bei der Frage, welcher Branche ein Unternehmen primär zuzuordnen ist – wurde nach Rücksprache mit den Datenbankbetreibern keine Änderung/Bereinigung vorgenommen. Insgesamt standen damit Datensätze von 936 Unternehmen zur Verfügung. Aus dieser Grundgesamtheit wurden im Verlauf der Feldzeit (Februar bis März 2009) sukzessive 847 Datensätze zufällig ausgewählt und in den Rechner eingespeist. Von den 847 Unternehmen mussten allerdings 122 (14 Prozent) wieder entfernt werden, wobei zwei Gründe ausschlaggebend waren. Bei 63 (7 Prozent) Unternehmensdatensätzen kam die Telefonnummer doppelt im Datensatz vor, da es sich um Tochtergesellschaften eines Unternehmens handelte, die eine gemeinsame zentrale Durchwahl besitzen. Weitere 59 (7 Prozent) Unternehmen standen auf der sogenannten Blacklist des Arbeitskreises Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (ADM), wünschen also grundsätzlich keine Telefoninterviews, und wurden daher ebenfalls ausgeschlossen. Zusätzlich wurden im Laufe der Umfrage 113 (13 Prozent) weitere Unternehmensdatensätze ausgeschlossen, da die hinterlegte Telefonnummer inkorrekt war (kein Anschluss, nur Faxgerät/Modem/maschineller Auskunftston etc.) oder in der Feldzeit niemand erreicht werden konnte (ständig besetzt, niemand nimmt ab, nur Anrufbeantworter). Entsprechend verblieben 612 Unternehmen, die kontaktiert wurden. Da nur die Telefonnummer der Unternehmenszentrale zur Verfügung stand, musste zunächst mit dem geeigneten Ansprechpartner – dem Einkaufsleiter oder dem Leiter Lieferantenmanagement bzw. Lieferantenentwicklung – Kontakt aufgenommen werden. Dies wurde von 142 (17 Prozent) der Unternehmen abgelehnt. Genannte Ablehnungsgründe waren beispielsweise, dass das Unternehmen generell nicht an Befragungen teilnimmt, dass der entsprechende Posten gerade neu besetzt wurde, dass es sich um eine Holding handelt und Lieferantenentwicklung in den Tochtergesellschaften stattfindet oder dass der Ansprechpartner im Ausland sitzt und keinen deutschsprachigen Fragebogen beantworten kann. Bei den verbleibenden 470 Kontakten wurde in 202 (24 Prozent) Fällen ein Interview von der Zielperson bzw. dem Sekretariat der Zielperson abgelehnt. Dies geschah primär aus zeitlichen Gründen bzw. weil die Zielperson grundsätzlich nicht an Befragungen teilnimmt. Zudem wurden mit 54 Ansprechpartnern Termine vereinbart, die außerhalb der Feldzeit lagen und daher – nach Rückmeldung an den Ansprechpartner – nicht mehr wahrgenommen wurden.462 Bei 14 ____________ 462
Der exakte Zeitraum für die Feldzeit wurde im Vorfeld nur grob festgelegt. Zielsetzung waren 200 Interviews mit Abnehmerunternehmen. Sobald diese erreicht waren, wurde die Befragung abgeschlossen.
Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage
127
Ansprechpartnern wurde das Interview vorzeitig abgebrochen bzw. aufgrund unvollständiger Angaben bereits im Zuge der Befragung ausgeschlossen.463 Insgesamt konnten somit 200 vollständige Interviews zu jeweils zwei Lieferanten, mit denen das befragte Abnehmerunternehmen bereits Lieferantenentwicklung betrieben hat,464 realisiert werden. Die durchschnittliche Dauer der Interviews betrug 28 Minuten und lag damit am oberen Rand dessen, was im Hinblick auf die Zielgruppe als vertretbar angesehen werden kann.465 Die Antwortrate ist mit 24 Prozent gerechnet auf die insgesamt 847 eingespeisten Unternehmensdatensätze recht hoch.466 Kalkuliert auf die 612 Unternehmen, die tatsächlich kontaktiert werden konnten, ergibt sich eine sehr hohe Antwortrate von 33 Prozent. Werden nur die 470 Fälle betrachtet in denen der Ansprechpartner bzw. das Sekretariat des Ansprechpartners tatsächlich erreicht wurde, so erhöht sich die Antwortrate sogar auf extrem hohe 43 Prozent. Dabei bleibt immer noch unberücksichtigt, dass mit weiteren 54 Ansprechpartner Terminvereinbarungen bestanden, die aufgrund der bereits erreichten Wunschfallzahl (200 Interviews) nicht mehr genutzt wurden. Die Antwortrate aus der Telefonbefragung kann daher als sehr gut bezeichnet werden und unterstreicht das Interesse der Führungskräfte aus dem Bereich Einkauf am Thema Lieferantenentwicklung. Zudem liegen damit aus der Hauptbefragung deutlich mehr Datensätze vor, als formal für die Beurteilung des Strukturgleichungsmodells nach dem Varianzstrukturanalyseverfahren benötigt werden. 467 Abbildung 13 fasst Grundgesamtheit, Antwortrate und Fallzahlen zusammen.
____________ 463
Die genannten Ablehnungsgründe decken sich zum Teil mit in der Literatur genannten Ablehnungsgründen. So identifizierten Baldauf et al. im Rahmen einer Analyse der Gründe für die Nichtbeantwortung von Fragebögen bei Umfragen in der Industrie Zeitknappheit ("I am too busy"), technische Charakteristika des Fragebogens ("too long") sowie ein fehlender Nutzen für das Unternehmen ("no benefit for the company") als Hauptursachen, vgl. Baldauf et al., 1999, S. 345. 464 Ob der Abnehmer den Lieferanten auch weiterhin entwickelt bzw. dies in der Zukunft wieder plant, ist davon unberührt. Für die Befragung war lediglich entscheidend, dass der Abnehmer mit dem Lieferanten in der Vergangenheit Lieferantenentwicklung betrieben hat und darüber Auskunft geben kann. 465 Zwar haben einige Untersuchungen gezeigt, dass auch extrem lange Telefoninterviews (75 Minuten) von den Befragten nicht als Zumutung empfunden werden, vgl. Schnell et al., 2005, S. 374, und die dort zitierten Quellen. Allerdings ist wegen der spezifischen und hochrangigen Zielgruppe – vgl. Abbildung 18 – davon auszugehen, dass bei einem noch längeren Telefoninterview die sehr geringe Abbruchrate deutlich höher gewesen wäre. 466 Vgl. hierzu die Rücklaufquoten in anderen Studien zur Lieferantenentwicklung. Diese schwanken zwischen 6 und 73 Prozent und liegen im Durchschnitt bei rund 30 Prozent. Allerdings werden hohe Rücklaufquoten vor allen Dingen dann erreicht, wenn – anders als bei dieser Umfrage – Unternehmen/Ansprechpartner direkt kontaktiert werden, etwa die Lieferanten eines konkreten Abnehmers oder die Teilnehmer eines Benchmarkingzirkels. Eine Zusammenfassung der Rücklaufquoten in anderen Arbeiten findet sich in Tabelle 1. 467 Vgl. die in Unterkapitel 4.1.2 erläuterten Mindestanforderungen.
128
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung 100%
936 89
847
72%
55%
24%
100%
77%
33%
100%
43%
122 113
612 142
470 202 54
Grundgesamtheit
Zufällig nicht ausgewählt
14
200
ZielInterview Termin Interview VollZielZufällig Nummer Falsche Unterabge- ständige außerausge- doppelt/ Nummer/ nehmen person person abgebrochen Interhalb erreicht lehnt nicht wählt gesperrt niemand erreicht views Feldzeit erreicht erreicht
Abbildung 13: Grundgesamtheit, Antwortrate und Fallzahl Abnehmerinterviews468
Die 200 Abnehmer wurden jeweils zu zwei konkreten Lieferanten befragt, mit denen Lieferantenentwicklung betrieben wurde: Ein Lieferant, mit dem Lieferantenentwicklung nach Einschätzung des Interviewpartners erfolgreich betrieben wurde, sowie ein weiterer Lieferant, mit dem Lieferantenentwicklung nach Einschätzung des Interviewpartners weniger erfolgreich betrieben wurde. Dieser Ansatz wurde in ähnlicher Form auch in anderen Untersuchungen zur Lieferantenentwicklung469 bereits genutzt und wurde aus drei Gründen gewählt: •
Lieferantenentwicklungsaktivitäten variieren teilweise stark je nach Lieferant, wie sich auch in den flankierenden Experteninterviews gezeigt hat. Eine allgemeine Befragung zu bestimmten Lieferantengruppen/allen Lieferanten eines Unternehmens ist für den vorliegenden Untersuchungszweck daher ungeeignet.
•
Die Fokussierung auf spezifische Lieferanten erleichtert es dem Gesprächspartner, sich einen konkreten Kontext vorzustellen und präzise Antworten zu geben. Unterstützt wurde dies während des Telefoninterviews durch hinleitende Fragen, beispielsweise nach dem Hauptprodukt des Lieferanten oder dem jährlichen Einkaufsvolumen bei diesem Lieferanten.
____________ 468 469
Eigene Darstellung, Prozentangaben gerundet. Beispielsweise befragten Modi und Mabert ihre Ansprechpartner in Bezug auf "[…] two instances of supplier development efforts at their organizations; one which they considered their least successful effort and the second considered their most successful effort." Modi und Mabert, 2007, S. 49. Krause forderte die Teilnehmer seiner Umfrage auf "[… ] to focus their responses on 'any' single supplier with which their firm had made 'any effort,' from limited to extensive, to increase its performance and or capabilities." Krause, 1997, S. 13. Carr und Kaynak befragten die Unternehmen in ihrer Umfrage zu einem "[…] specific key supplier of that firm. The choice of the key supplier was left to the respondent." Carr und Kaynak, 2007, S. 354.
Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage •
129
Die Frage nach Extremen im Sinne erfolgreicher bzw. weniger erfolgreicher Fälle von Lieferantenentwicklung erlaubt die Erfassung des gesamten Spektrums der Lieferantenentwicklung.470
Damit bilden die Abnehmeraussagen zu den 400 Abnehmer-Lieferant-Beziehungen die Analyseeinheit auf der die Auswertungen der Messmodelle und des Strukturmodells basieren.471 Während der Befragung der Abnehmerunternehmen zu jeweils zwei Lieferanten wurde auch nach einem Kontakt auf Lieferantenseite gefragt. In 64 der 400 Fälle wurde vom Abnehmer ein Ansprechpartner auf Lieferantenseite inklusive Telefonnummer genannt. Die verhältnismäßig niedrige Quote von 16 Prozent472 ist im Wesentlichen bedingt durch zwei Faktoren. Erstens war es notwendig, dass der Interviewpartner Name und Telefonnummer des Kontaktes auf Lieferantenseite im Augenblick der Befragung parat hatte. Ein Nachfassen zu einem späteren Zeitpunkt wurde aus Aufwandsgründen nicht praktiziert. Zweitens wird mit der Preisgabe des Kontaktes auf Lieferantenseite die Anonymität des Interviews in der Wahrnehmung des Interviewpartners durchbrochen. Trotz zugesicherter Vertraulichkeit im Sinne einer anonymen Auswertung der Daten unabhängig von Name, Anschrift oder Telefonnummer wurde dies von vielen Gesprächspartnern abgelehnt.
Lieferantenbefragung Die Datenerhebung auf Lieferantenseite erfolgte im Anschluss an die Hauptuntersuchung im April 2009 ebenfalls durch das Markt- und Meinungsforschungsinstitut OmniQuest auf Basis von Computer-Assisted Telephone Interviews (CATI).473 Aus den 64 Direktkontakten zu Lieferanten konnten schlussendlich 38 vollständige Befragungen mit einer durchschnittlichen Länge von etwa 23 Minuten realisiert werden. Die extrem hohe Rücklaufquote von rund 59 Prozent bezogen auf die gesamten 64 Kontakte474 ist vermutlich bedingt durch die direkte und personalisierte Ansprache, da sowohl Durchwahl als auch Name des Ansprechpartners vorlagen und zudem darauf verwiesen werden konnte, dass der Kunde des Unternehmens bereits an der Umfrage teilgenommen hat. Weiter verstärkt wird diese Vermutung durch den Umstand, dass von den 64 Lieferanten aufgrund fehlerhafter Telefonnummern und in einem Fall sogar einer (zufälligen) Dopplung nur 51 auch tatsächlich kontaktiert werden konnten. Auf dieser ____________ 470
Vgl. eine ähnliche Argumentation bei Modi und Mabert, 2007, S. 49. Vgl. Unterkapitel 5.2 und 5.3. Im Rahmen der Überprüfung der Analysevoraussetzungen werden später 15 Datensätze aufgrund unvollständiger Angaben ausgeschlossen, vgl. Unterkapitel 5.1.3. 472 Krause et al. berichten im Rahmen einer schriftlichen Befragung nach ähnlichem Schema, dass die 392 Abnehmer insgesamt 124 Lieferantenkontakte benannten, vgl. Krause et al., 2007, S. 535. Die mit etwa 32 Prozent doppelt so hohe Ausschöpfungsquote liegt eventuell darin begründet, dass die Ansprechpartner bei einer schriftlichen Befragung Kontaktdetails des Lieferanten auch zu einem späteren Zeitpunkt noch nachtragen können. 473 Vgl. die Erläuterung zu CATI in Fußnote 455. 474 Vgl. hierzu die Rücklaufquoten in anderen Studien zur Lieferantenentwicklung. Eine Zusammenfassung findet sich in Tabelle 1. 471
130
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Basis berechnet ergibt sich sogar eine ausgezeichnete Rücklaufquote von 75 Prozent. Damit ist die Stichprobe auch ausreichend groß, um indikative Aussagen auf Basis deskriptivstatistischer bzw. einfacher inferenzstatistischer Auswertungen abzuleiten. Abbildung 14 fasst Rücklauf, Antwortrate und Fallzahl der Lieferantenbefragung zusammen. 100% 64 12 1
80%
59%
100%
75%
51 12 1
Genannte Kontakte bei Lieferanten
Falsche Nummer
Nummer doppelt
Zielperson erreicht
Interview abgelehnt
38
Interview Vollständige abgebrochen Interviews
Abbildung 14: Grundgesamtheit, Antwortrate und Fallzahl Lieferanteninterviews475
Vor-Ort-Experteninterviews Ergänzend zu der großzahligen Telefonumfrage wurden im Zeitraum November 2008 bis April 2009 insgesamt 20 jeweils etwa zweistündige Vor-Ort-Interviews mit Experten aus zwölf Unternehmen geführt. Ziel der Experteninterviews war es, ein vertieftes Verständnis für die Lieferantenentwicklung in dem jeweiligen Unternehmen aufzubauen und damit konkrete Beispiele für Lieferantenentwicklungsprogramme bzw. -aktivitäten zu sammeln. Zudem wurde insbesondere in den ersten Gesprächen das Erhebungsinstrument für die Telefonumfrage diskutiert.476 Die Interviews verliefen semi-strukturiert und wurden sämtlich vom Autor dieser Arbeit geführt. 477 Protokolle wurden jeweils am Tag bzw. Folgetag des Interviews angefertigt. Wörtliche Zitate, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendet werden, wurden während der Interviews aufgeschrieben. Die Auswahl der Unternehmen erfolgte auf Basis persönlicher Netzwerkkontakte (convenience sample).478 Die Interviewpartner waren entweder Einkaufsleiter und/oder die für Lieferantenmanagement bzw. Lieferantenentwicklung zuständigen Manager. Abbildung 15 gibt einen Überblick über die befragten Unternehmen. Aus Vertraulichkeitsgründen wird bei der Darstel____________ 475
Eigene Darstellung; Prozentangaben gerundet. Vgl. die Unterkapitel 4.2.2, 4.2.3 und 4.3.2. 477 Für eine Beschreibung semi-strukturierter Interviews vgl. Robson, 2002, S. 278. 478 Vgl. Fink, 2005, S. 50-51. 476
Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage
131
lung von Fallbeispielen und Zitaten, die aus den Interviews mit diesen Unternehmen stammen, auf die Nennung des jeweiligen Unternehmens bzw. Ansprechpartners verzichtet. Automobilindustrie
Maschinenund Anlagenbau
Pharma- und Biotechindustrie
1) 1) Branche Luftfahrt- und Raumfahrt/Verteidigung
Abbildung 15: Im Rahmen von Vor-Ort-Experteninterviews befragte Unternehmen479
5.1.2 Charakteristika der Unternehmen, Ansprechpartner und Dyaden Ziel dieses Unterkapitels ist die Beschreibung wesentlicher Charakteristika der telefonisch befragten Abnehmer und Lieferanten sowie deren Beziehungen zueinander. Dadurch soll neben einem besseren Verständnis für die befragten Unternehmen vor allem geprüft werden, ob geeignete Stichproben im Sinne der Zielsetzungen der Untersuchung vorliegen. Hierzu werden zunächst Unternehmen bzw. Ansprechpartner der Abnehmerbefragung und anschließend Unternehmen bzw. Ansprechpartner der Lieferantenbefragung analysiert. Zuletzt erfolgt eine Auswertung beziehungsbezogener Merkmale. In den Abnehmerinterviews wurden 200 der größten Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in den Branchen Automobilindustrie, Maschinen- und Anlagenbau sowie Pharma- und Biotechindustrie befragt. Abbildung 16 gibt einen Überblick über Länder-, Branchen- und Umsatzverteilung der befragten Abnehmerunternehmen.
____________ 479
Eigene Darstellung.
132
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Länderverteilung
Branchenverteilung
Schweiz 10%
Maschinen- & Anlagenbau
Automobilindustrie
Österreich 7%
32%
83%
Unternehmensgrößen nach Umsatz [Mio. EUR]
35%
33%
N = 200
11%
250 bis < 1.000 21%
38%
Pharma- & Biotechindustrie
Deutschland
≥ 1.000
10 bis < 50 31%
50 bis <250
N = 200
N = 200
Abbildung 16: Länder-, Branchen- und Umsatzverteilung der Abnehmerunternehmen480
Insgesamt wurde eine weitgehend gleichmäßige Abdeckung der drei Branchen erreicht. Gleichzeitig erlaubt das breite Spektrum an Unternehmen verschiedener Größen eine differenzierte Betrachtung kleinerer und größerer Unternehmen. Wie zu erwarten war, schwankt die Größe der Unternehmen je nach Branche. So sind die befragten Unternehmen der Automobilindustrie im Schnitt deutlich größer als die befragten Unternehmen aus den Branchen Maschinen- und Anlagenbau sowie der Pharma- und Biotechindustrie. Dies kann im Detail Abbildung 17 entnommen werden. Umsatz Automobilindustrie [Mio. EUR] (Hersteller & Zulieferer) ≥ 1.000
Maschinen- & Anlagenbau
22%
250 bis < 1.000
5%
4%
12%
41%
50 bis < 250
29%
10 bis < 50
12% 38%
45% 39%
8% N = 200
Pharma- & Biotechindustrie
N = 200
45% N = 200
Abbildung 17: Umsatzverteilung der Abnehmerunternehmen nach Branchen481
Zielperson für die Interviews war primär der Einkaufsleiter. Alternativ wurde nach dem Leiter Lieferantenmanagement bzw. dem Leiter Lieferantenentwicklung gefragt. Als letzte Alternative wurde nach einer Person aus dem Management gefragt, die für Lieferantenentwicklung zu____________ 480 481
Eigene Darstellung; Prozentangaben gerundet. Eigene Darstellung; Prozentangaben gerundet.
Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage
133
ständig ist. Die Funktionen der interviewten Personen in den Unternehmen spiegeln diese Abstufung deutlich wider. 72 Prozent sind Einkaufsleiter, weitere 8 Prozent Leiter SCM/Logistik und 7 Prozent Leiter Lieferantenmanagement bzw. Lieferantenentwicklung. Bei den restlichen 13 Prozent handelt es sich zum einen um Mitglieder der Geschäftsführung, zum anderen um sonstige Mitarbeiter aus dem Einkauf wie Einkäufer, Senior Buyer, strategische Einkäufer, Assistenten des Einkaufsleiters oder Leiter Einkaufscontrolling. Damit wurde die für die Befragung richtige Zielgruppe erreicht. Die Ansprechpartner wurden gefragt, wie lange sie schon in der angegebenen Funktion bzw. für das jeweilige Unternehmen arbeiten. Dass über die Hälfte der Befragten ihre Funktion bereits seit sechs oder mehr Jahren innehat, ist ein weiterer Indikator für die Seniorität und Erfahrung der befragten Personen. Ähnliches gilt für den Umstand, dass knapp die Hälfte der Interviewpartner bereits seit mehr als zehn Jahren für das jeweilige Unternehmen aktiv ist. Abbildung 18 fasst Funktion und Erfahrung der befragten Personen zusammen. Funktion der Interviewpartner
Erfahrung in dieser Funktion
Sonstige Einkaufsmitarbeiter Geschäftsführung
> 20 Jahre
9%
Leiter Lie- 7% 4% feranten8% mgmt./ -entwickl. Leiter SCM/ Logistik
11-20 Jahre
10%
Erfahrung in diesem Unternehmen
< 3 Jahre
< 3 Jahre
> 20 Jahre
23%
23%
10%
3-5 17% Jahre
21% 23% 72%
Leiter Einkauf
23% 6-10 Jahre
N = 200
3-5 Jahre
11-20 Jahre
26%
24% 6-10 Jahre
N = 200
N = 200 482
Abbildung 18: Funktion und Erfahrung der Interviewpartner, Abnehmerinterviews
Im Anschluss an die Abnehmerinterviews wurden Interviews mit 38 Lieferanten dieser Abnehmer geführt, wobei auf anonymer Datensatzebene eine Verknüpfung der Aussagen des Abnehmers zu diesem Lieferanten und umgekehrt möglich ist ("matched pair"). Die interviewten Lieferantenunternehmen liefern primär an Abnehmer aus der Pharma- und Biotechnologieindustrie und zu geringeren Teilen an Unternehmen der Automobilindustrie bzw. des Maschinen- und Anlagenbaus. Gleichzeitig handelt es sich vorwiegend um kleinere Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 50 Millionen Euro, vgl. Abbildung 19.
____________ 482
Eigene Darstellung; Prozentangaben gerundet.
134
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung Branche des Abnehmers
Maschinen- & Anlagenbau 21%
Unternehmensgrößen nach Umsatz [Mio. EUR] 250 bis < 1.000
Pharma- & Biotechindustrie 50%
10% 50 bis 31% <250
< 50 59%
29% Automobilindustrie N = 38
N = 29
Abbildung 19: Zulieferbranche und Umsatzverteilung der Lieferantenunternehmen483
Die den Abnehmern zugelieferten Produkte umfassen ein sehr breites Spektrum unterschiedlicher Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und reichen branchenabhängig von chemischen Wirkstoffen über Antriebswellen bis hin zu Druckgussteilen. Dabei handelt es sich bei den befragten 38 Lieferanten ausnahmslos um Hersteller und nicht um Dienstleistungsunternehmen. Da auch die Abnehmer nach den von dem jeweiligen Lieferanten bezogenen Hauptprodukt gefragt wurden – und daher für alle 400 Lieferanten nachvollziehbar ist, ob primär ein Produkt oder eine Dienstleistung zugeliefert wird – kann diese Feststellung auf 99 Prozent der Lieferanten übertragen werden.484 Damit wird die Anforderung nach einer einheitlichen Fokussierung auf produzierende Unternehmen erfüllt. Die Ansprechpartner für die Lieferanteninterviews wurden von den interviewten Abnehmern benannt. Daher ist zu vermuten, dass diese in ihren jeweiligen Unternehmen Vertriebsaufgaben wahrnehmen. Die Hypothese wird durch die Angaben aus der Befragung bestätigt: Wie Abbildung 20 zeigt, sind 43 Prozent der Interviewpartner auf Lieferantenseite Mitarbeiter im Vertrieb wie zum Beispiel Key Account Manager, 22 Prozent Vertriebsleiter und ebenfalls 22 Prozent Geschäftsführer. Die restlichen 13 Prozent entfallen auf sonstige Führungsfunktionen wie beispielsweise Leiter Lohnproduktion, Leiter Qualität oder technischer Leiter. Ähnlich wie bei den Interviewpartnern auf Abnehmerseite besitzen die Kontaktpartner bei den Lieferanten im Schnitt eine umfangreiche Erfahrung. Knapp zwei Drittel üben die aktuelle Funktion bereits seit sechs oder mehr Jahren aus, gut drei Viertel arbeiten bereits seit mehr als fünf Jahren im entsprechenden Unternehmen. Details können Abbildung 20 entnommen werden. ____________ 483 484
Eigene Darstellung; Prozentangaben gerundet. In 6 von 400 Fällen geht aus der Beschreibung des Hauptproduktes nicht eindeutig hervor, ob es sich um eine Dienstleistung oder ein Produkt handelt bzw. es geht eindeutig hervor, dass es sich um eine Dienstleistung handelt.
Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage Funktion der Interviewpartner
Erfahrung in dieser Funktion
VertriebsmitSonstige Führungsarbeiter funktionen 13% Geschäftsführung 22%
43%
22% Vertriebsleiter N = 37
135
> 20 Jahre 8% 11-20 Jahre 24%
Erfahrung in diesem Unternehmen < 3 Jahre
< 3 Jahre 16% 19% 3-5 Jahre
> 20 Jahre
8% 14%
38%
3-5 Jahre
14% 6-10 Jahre
33%
27%
6-10 Jahre
11-20 Jahre
N = 37
N = 37 485
Abbildung 20: Funktion und Erfahrung der Interviewpartner, Lieferanteninterviews
In den 200 Abnehmerinterviews wurden die Interviewpartner gebeten, Fragen im Hinblick auf jeweils zwei Lieferanten zu beantworten: einen Lieferanten, mit dem ihrer Meinung nach erfolgreich Lieferantenentwicklung betrieben wurde, und einen Lieferanten, mit dem ihrer Meinung nach Lieferantenentwicklung weniger erfolgreich betrieben wurde. Es liegen damit Datensätze zu 400 Abnehmer-Lieferant-Beziehungen vor, die im Folgenden näher beleuchtet werden. Wie die linke Seite von Abbildung 21 zeigt, messen die Abnehmer verschiedenen Zielen im Rahmen ihrer Lieferantenentwicklung eine unterschiedliche Relevanz bei. Besonders wichtig sind die Verbesserung der Produktqualität und der Lieferzeiten sowie die Reduzierung der Gesamtkosten. Eine geringere Rolle spielen hingegen die Stärkung der Innovationskraft des Abnehmers mit Hilfe des Lieferanten sowie die Senkung der Transportkosten. Gleichzeitig unterscheiden sich die von den Abnehmern als erfolgreich bzw. weniger erfolgreich bezeichneten Fälle der Lieferantenentwicklung nur teilweise im Hinblick auf die Zielsetzung, die mit den jeweiligen Lieferantenentwicklungsaktivitäten verfolgt wurde.486 Im Gegensatz dazu variiert die Zielerreichung bei erfolgreich/weniger erfolgreich entwickelten Lieferanten deutlich, wie der rechte Teil von Abbildung 21 zeigt. Bei allen Zielen liegt der durchschnittliche Zielerreichungsgrad in den Fällen, die von den Interviewpartnern als erfolgreich bezeichnet wurden, signifikant über dem der Fälle, die als weniger erfolgreich gelten. Daraus folgt, dass die Ansprechpartner sehr bewusst Beispiele gewählt haben, bei denen die Lieferantenentwicklung erfolgreich bzw. weniger erfolgreich verlief, mithin die Bezeichnung "erfolgreich/weniger erfolgreich" im Durchschnitt zutrifft. ____________ 485 486
Eigene Darstellung; Prozentangaben gerundet. Vgl. die mit dem Wilcoxon-Test ermittelten Unterschiede (Signifikanzniveau Į = 0,05) zwischen erfolgreich und weniger erfolgreich entwickelten Lieferanten. Diese sind in Abbildung 21 mit einem Sternchen (*) markiert. Eine ausführlich beschriebene Anwendung des Wilcoxon-Tests findet sich in Unterkapitel 5.3.3.
136 Dimensionen/ Ziele
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung Durchschnittliche RELEVANZ der Ziele [1 = Nicht wichtig…5 = Sehr wichtig]
Durchschnittlicher ERREICHUNGSGRAD der Ziele [1 = Nicht erreicht…5 = Voll erreicht]
DIFFERENZIERUNG: Verbesserung der... Produktqualität Lieferzuverlässigkeit Lieferzeiten Fertigungsflexibilität Innovationskraft
4,2 3,9* 4,2 4,0* 3,8 3,8 3,4 3,4 3,2 3,0
3,8 2,5* 3,7 2,5* 3,4 2,4* 3,2 2,3* 2,9 2,2*
KOSTENFÜHRERSCHAFT: Reduzierung der… Qualitätskosten Materialkosten Lagerkosten Fertigungskosten Transportkosten Nerfolgreich = 178 bis 197 (je nach Ziel) Nweniger erfolgreich = 177 bis 198 (je nach Ziel)
3,9 3,9 3,8 3,7 3,6 3,4* 3,5 3,2* 3,0 3,0
3,7 2,4* 3,3 2,5* 3,3 2,5* 3,1 2,3* 3,0 2,4*
Lieferanten, die erfolgreich entwickelt wurden Lieferanten, die weniger erfolgreich entwickelt wurden
* = Unterschied signifikant auf einem Niveau von α = 0,05
Abbildung 21: Wichtigkeit und Erreichung der Ziele der Lieferantenentwicklung487
In Bezug auf die Beziehung selbst ist festzuhalten, dass Abnehmer und Lieferanten im Schnitt schon lange zusammenarbeiten. Der Durchschnitt über alle Beziehungen liegt bei 10,3 Jahren, der Median bei 10,0 Jahren. Dabei fällt auf, dass die Beziehung zu Lieferanten, mit denen erfolgreich Lieferantenentwicklung betrieben wurde, im Durchschnitt mit 11,2 Jahren (Median 10,0 Jahre) signifikant länger ist als die zu Lieferanten, mit denen Lieferantenentwicklung weniger erfolgreich betrieben wurde (im Schnitt 9,3; Median 8,0 Jahre).488 Diesen Zusammenhang zeigt der linke Teil von Abbildung 22. Das durchschnittliche jährliche Einkaufsvolumen der Abnehmer bei den 400 Lieferanten beträgt 11,4 Millionen Euro. Das Einkaufsvolumen bei den erfolgreich entwickelten Lieferanten liegt mit 10,3 Millionen Euro im Schnitt signifikant unter dem Volumen in Höhe von 12,6 Millionen Euro, das bei den Lieferanten zugekauft wird, bei denen die Lieferantenentwicklungsaktivitäten weniger erfolgreich abliefen.489 Allerdings zeigt ein Blick auf den Median, dass diese Durchschnittswerte von einigen großen Einkaufsvolumina verzerrt werden. So liegt der Median des jährlichen Einkaufsvolumens über alle Abnehmer-Lieferant-Beziehungen bei nur 1,5 ____________ 487
Eigene Darstellung; Prozentangaben gerundet. Signifikanz zwischen erfolgreich und weniger erfolgreich entwickelten Lieferanten geprüft mit dem WilcoxonTest (Signifikanzniveau mindestens Į = 0,05). Vgl. Sternchen (*) in Abbildung 22. Eine ausführlich beschriebene Anwendung des Wilcoxon-Tests findet sich in Unterkapitel 5.3.3. 489 Signifikanz geprüft mit dem Wilcoxon-Test. Vgl. hierzu die Erläuterung in Fußnote 488. 488
Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage
137
Millionen Euro, wobei es erneut Unterschiede zwischen Lieferanten gibt, die erfolgreich bzw. weniger erfolgreich entwickelt wurden. Der rechte Teil von Abbildung 22 zeigt dies auf. Statistische Kennzahl
Dauer der Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant [Jahre]
Jährliches Einkaufsvolumen des Abnehmers beim Lieferanten [Mio. EUR]
10,3
Durchschnitt
11,4
11,2
10,3
9,3* 10,0
Median
12,6* 1,5
10,0 9,0 Nalle = 394, Nerfolgreich = 197, Nweniger erfolgreich = 197
2,0 1,0 Nalle = 331, Nerfolgreich = 167, Nweniger erfolgreich = 164
Alle Dyaden Lieferanten, die erfolgreich entwickelt wurden Lieferanten, die weniger erfolgreich entwickelt wurden
* = Unterschied signifikant auf einem Niveau von mindestens α = 0,05
Abbildung 22: Dauer der Beziehung und jährliches Einkaufsvolumen490
Damit wird deutlich, dass Unternehmen Lieferantenentwicklung keineswegs nur mit Lieferanten betreiben, die für ein sehr großes jährliches Einkaufsvolumen stehen. Wie das im Folgenden dargestellte Fallbeispiel illustriert, fließt vielmehr eine Vielzahl von Parametern in die Überlegungen ein, welcher Lieferant wie entwickelt werden soll. Ein Unternehmen der Automobilindustrie wählt Lieferanten für die strategische Entwicklung im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte auf Basis eines mehrstufigen Prozesses aus. Zunächst wird eine Vorauswahl getroffen. Dabei sind folgende Kriterien entscheidend: •
Warengruppe: Bestimmte Warengruppen werden a priori ausgeschlossen, da man sich nicht zutraut, Lieferanten bestimmter Branchen kompetent beraten/schulen zu können.
•
Strategische Relevanz des Lieferanten: Die Bedeutung des Lieferanten etwa als Innovationsträger oder in Bezug auf die aktuelle bzw. künftige Zusammenarbeit wird beurteilt.
•
Konkrete Ansatzpunkte: Mögliche Zielsetzungen des gemeinsamen Entwicklungsprojektes wie beispielsweise eine verstärkte Integration des Lieferanten in das eigene Produktionssystem oder vermutete Kostensenkungspotenziale werden beleuchtet.
•
Motivation des Lieferanten: Das Interesse des Lieferanten, an dem Projekt teilzunehmen, wird basierend auf dem "Bauchgefühl" der Einkäufer/weiterer Experten beurteilt.
Das aktuelle Einkaufsvolumen bei dem jeweiligen Lieferanten spielt nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings sollte ein Mindestwert (etwa 1 bis 2 Millionen Euro per annum) nicht unterschritten werden. ____________ 490
Eigene Darstellung; Prozentangaben gerundet.
138
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Anschließend wird beim Lieferant "vorgefühlt" und Ansatz, konkrete Idee sowie Vorgehen des Lieferantenentwicklungsprogramms werden vorgestellt. Teilweise findet in diesem Rahmen auch eine Schulung der Geschäftsführung des Lieferanten statt. Bei beiderseitigem Interesse erfolgt die formale Unterzeichnung eines Abkommens, das die Parameter und Konditionen (Geheimhaltung, Umgang mit den Ergebnissen etc.) für das gemeinsame Optimierungsprojekt festlegt. Fallbeispiel 7: Auswahl von Lieferanten für strategische Lieferantenentwicklung491
Insgesamt kann damit festgehalten werden, dass Abnehmer- und Lieferantendatensatz auf Basis der durchgeführten inhaltlichen Untersuchungen und Plausibilitätsanalysen den Anforderungen der Untersuchung genügen.
5.1.3 Prüfung auf mögliche Verzerrungen Ziel dieses Unterkapitels ist die Prüfung der Analysevoraussetzungen im Sinne einer Untersuchung auf mögliche Verzerrungen. Hierzu wird zunächst das Spektrum möglicher Verzerrungen aufgezeigt. Anschließend werden ausgewählte Verzerrungen auf ein mögliches Auftreten in den Datensätzen (Abnehmer- und Lieferantenbefragung) überprüft. In Unterkapitel 5.1.1 und 5.1.2 wurden formale Analysevoraussetzungen wie die einer ausreichende Stichprobengröße oder die Befragung der richtigen Ansprechpartner geprüft. Daneben ist aber auch zu prüfen, ob Umstände vorliegen, die die Analyseergebnisse verzerren können. Dabei lassen sich zwei Arten von Verzerrungen unterscheiden: •
Nonresponse bias: Verzerrungen aufgrund von Nichtantworten. Hierbei sind zwei Fälle zu differenzieren: 492 (1) Unit-Nonresponse: Die Zielperson ist nicht zu erreichen oder verweigert die Teilnahme an der Umfrage. Entsprechend liegt gar kein Datensatz vor. (2) Item-Nonresponse: Damit wird das Problem unvollständiger Datensätze ("missing values") bezeichnet, etwa weil der Befragte die Beantwortung einzelner Fragen verweigert hat oder Antworten unbrauchbar sind.
•
Response bias: Verzerrungen in den Antworten der Befragten. Podsakoff et al. geben hierzu einen umfassenden Überblick. 493 Ein häufig zitiertes Beispiel ist der sogenannte "common rater effect": Werden unabhängige und abhängige Variablen vom gleichen Informanten abgefragt, besteht die Gefahr, dass auftretende Korrelationsmuster auf den Befragten selbst zurückgehen (etwa aufgrund von Konsistenzbestrebungen oder impliziten Theorien).
____________ 491
Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15. Vgl. Schnell et al., 2005, S. 306. Neben der Unit- und Item-Nonresponse werden teilweise noch Spezialformen unterschieden, z.B. Wave-Nonresponse, Drop-outs, Observation-Nonresponse und Missing by Design. Für detailliertere Informationen vgl. Göthlich, 2007, S. 119-120. 493 Vgl. Podsakoff et al., 2003, S. 882. 492
Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage
139
Als wesentliche Quelle für Verzerrungen gilt der "Nonresponse bias". Umgekehrt gibt es Hinweise, dass z.B. der "common rater effect" eher geringe Auswirkungen hat.494 Daher sollen die Datensätze im Folgenden auf mögliche Verzerrungen durch beide Arten der Nichtantwort geprüft werden.
Unit-Nonresponse In Unterkapitel 5.1.1 wurden der sehr gute Rücklauf der Abnehmer- und Lieferantenbefragung und die wesentlichen Gründe für Nichtantworten detailliert erläutert. Nichtsdestotrotz ist UnitNonresponse ein kritischer Punkt, der untersucht werden muss. In der Literatur werden hierzu verschiedene Ansätze vorgeschlagen. 495 Im Folgenden sollen zwei gebräuchliche Verfahren Anwendung finden. Eine erste Möglichkeit besteht darin, bestimmte Parameter der Befragten mit den Parametern der Nichtbefragten zu vergleichen. Dabei ist es wichtig, dass die analysierten Parameter für beide Gruppen aus der gleichen Quelle stammen, da sonst eventuell ein "response bias" vorliegen könnte, wenn beispielsweise die Angaben zu den Befragten von diesen selbst gemacht wurden.496 Typischerweise werden dabei die Mittelwerte der Parameter für beide Gruppen auf signifikante Unterschiede hin miteinander verglichen. Eine einfache Möglichkeit für Fälle mit zwei Gruppen stellt der t-Test für unabhängige Stichproben dar, der im Folgenden angewendet wird.497 Für alle 936 Abnehmerunternehmen der Grundgesamtheit liegt der Jahresumsatz in Millionen Euro vor, die zu überprüfende Nullhypothese lautet: H0A1 : Die Mittelwerte des Jahresumsatzes sind bei befragten und nicht befragten Abnehmerunternehmen identisch, d.h. formal H0A1 : ȝ1 = ȝ2 Wobei ȝ1 der Mittelwert des Jahresumsatzes der befragten und ȝ2 der Mittelwert des Jahresumsatzes der nicht befragten Abnehmerunternehmen ist. Die Angaben zum Jahresumsatz stammen sowohl für die befragten als auch die nicht befragten Abnehmer aus der gleichen Quelle, namentlich der Hoppenstedt Firmendatenbank für deutsche Unternehmen bzw. der Amadeus Datenbank für österreichische und schweizerische Unternehmen. Die Voraussetzungen für die Anwendung des t-Tests wurden geprüft.498 Aufgrund ____________ 494
Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 733, und die dort genannten Quellen. Für eine Übersicht vgl. z.B. Armstrong und Overton, 1977, S. 396-397. 496 Vgl. die Ausführungen oben bzw. Armstrong und Overton, 1977, S. 397. 497 Eine weitere Möglichkeit stellt die einfaktorielle Varianzanalyse dar. 498 Drei Voraussetzungen sind zu prüfen. (1) Unabhängigkeit der Stichproben: Es besteht kein Zusammenhang zwischen den Elementen der Stichproben. (2) Varianzhomogenität: Da die Signifikanz des Levene-Tests der Varianzgleichheit mit p = 0,151 oberhalb eines Signifikanzniveaus von Į = 0,10 liegt (d.h. nicht signifikant), kann Varianzhomogenität angenommen werden. Allerdings liefert das verwendete Programm SPSS 16.0 immer gleich auch Werte für den Fall, dass diese Annahme verletzt ist. (3) Normalverteilung: Zwar muss auf Ba495
140
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
eines t-Wertes von 0,892 bei 928 Freiheitsgraden und p = 0,373 ist der Mittelwertunterschied nicht signifikant auf einem Niveau von Į = 0,05. Die Nullhypothese kann also nicht verworfen werden, die Mittelwerte des Jahresumsatzes der befragten Unternehmen weichen nicht signifikant von denen der nicht befragten Unternehmen ab. Im Falle der Lieferantenunternehmen beträgt die Grundgesamtheit 400. Aus den Abnehmerinterviews liegen für 331 Lieferanten und damit rund 83 Prozent Angaben zum jährlichen Einkaufsvolumen des Abnehmers bei dem jeweiligen Lieferanten vor. Die Nullhypothese lautet: H0L1 : Die Mittelwerte des Abnehmer-Einkaufsvolumens sind bei befragten und nicht befragten Lieferantenunternehmen identisch, d.h. formal H0L1 : ȝ3 = ȝ4 Wobei ȝ3 der Mittelwert des Abnehmer-Einkaufsvolumens bei befragten und ȝ4 der Mittelwert des Abnehmer-Einkaufsvolumens bei nicht befragten Lieferantenunternehmen ist. Auch in diesem Fall sind die Voraussetzungen für die Anwendung des t-Tests für unabhängige Stichproben erfüllt. Mit einem t-Wert von 0,915 bei rund 30 Freiheitsgraden und p = 0,367 ist der Mittelwertunterschied nicht signifikant auf einem Niveau von Į = 0,05. Erneut kann also die Nullhypothese nicht verworfen werden, die Mittelwerte des Abnehmereinkaufsvolumens können bei befragten und nicht befragten Lieferantenunternehmen als identisch angesehen werden. Der Vergleich bestimmter Parameter zwischen befragten und nicht befragten Unternehmen gibt also sowohl für die Abnehmer- als auch die Lieferanteninterviews die Indikation, dass Unit-Nonresponse kein Problem darstellt. Eine zweite, häufig verwendete Methode, mögliche Verzerrungen durch Unit-Nonresponse abzuschätzen, beschreiben Armstrong und Overton.499 Zentrale Idee dieses Ansatzes ist, dass Umfrageteilnehmer, die später oder erst nach mehrmaligem Nachhaken an einer Umfrage teilnehmen, Nichtteilnehmern ähnlich sind. Bei schriftlichen Befragungen werden daher meist früh retournierte Fragebögen mit spät retournierten Fragebögen verglichen. Im Falle der für diese Untersuchung durchgeführten telefonischen Befragung ist das Interviewdatum allerdings keine sinnvolle Kategorisierungsvariable, da späte Interviewtermine teilweise auch dadurch bedingt sind, dass der Ansprechpartner erst zu einem späteren Zeitpunkt erstmalig kontaktiert wurde. Allerdings gibt die Anzahl der Anrufe, die notwendig war, um ein Interview zu führen, einen Hinweis darauf, welche Interviewpartner erst nach mehrmaligem Nachhaken an der Umsis der Kolmogorov-Smirnov-Statistik mit einem Signifikanzniveau nach Lilliefors sowie der Shapiro-WilkStatistik die Nullhypothese einer Normalverteilung verworfen werden. Allerdings ist der t-Test mit zwei Stichproben gegenüber Verletzungen der Normalverteilungsannahme robust und auch die zusätzliche Überprüfung der Nullhypothese auf Basis des parameterfreien Mann-Whitney-Wilcoxon-Test (auch als MannWhitney-U-Test bekannt) bestätigt die Resultate des Zweiproben-t-Test. Bei weiteren Verwendungen des tTests wurden die jeweiligen Voraussetzungen ebenfalls geprüft, werden aber aus Platzgründen nicht jedes Mal explizit angegeben. Bei Verletzung der Normalverteilungsannahme wurde jeweils ergänzend der parameterfreie Mann-Whitney-Wilcoxon-Test durchgeführt. 499 Vgl. Armstrong und Overton, 1977, S. 397.
Beschreibung und Prüfung der Datengrundlage
141
frage teilgenommen haben. Daher werden in einer strikteren Variante der von Armstrong und Overton vorgeschlagenen Prüfung die Angaben der "ersten 30 Prozent", d.h. der Ansprechpartner, für die die geringsten Anzahl Anrufe notwendig war, mit den Angaben der "letzten 30 Prozent", d.h. der Ansprechpartner, für die die größte Anzahl Anrufe notwendig war, verglichen.500 Bei den 200 Abnehmerinterviews schwankt die Anzahl der Anrufe pro Abnehmerunternehmen bzw. Interviewpartner zwischen 1 und 19, der Mittelwert liegt bei 5,8 Anrufen, der Median bei 5,0. Für die "ersten etwa 30 Prozent" waren nur maximal drei Anrufe notwendig, für die "letzten etwa 30 Prozent" acht oder mehr Anrufe. Für diese beiden Stichproben werden 20 zufällig ausgewählte Indikatoren aus der Umfrage miteinander verglichen. Die allgemeine Nullhypothese lautet: H0A2 : Die Mittelwerte des Parameters X sind bei den "ersten 30 Prozent" und "letzten 30 Prozent" der befragten Abnehmerunternehmen identisch, d.h. formal H0A2 : ȝ5X = ȝ6X Wobei ȝ5X der Mittelwert des Parameters X bei den "ersten 30 Prozent" und ȝ6X der Mittelwert des Parameters X bei den "letzten 30 Prozent" Abnehmerunternehmen ist. Die Voraussetzungen für die Anwendung des t-Tests für unabhängige Stichproben sind für sämtliche Parameter erfüllt. Die jeweiligen Mittelwertunterschiede sind in allen 20 Fällen nicht signifikant auf einem Niveau Į = 0,05. Entsprechend kann die Nullhypothese jeweils nicht verworfen werden. Damit stützt auch diese Prüfung die Hypothese, dass Unit-Nonresponse bei den Abnehmerinterviews kein großes Problem darstellen sollte. Bei der Befragung der Lieferantenunternehmen ist eine Überprüfung nach ähnlichem Schema aufgrund der kleinen Stichprobe mit NL = 38 Datensätzen nicht sinnvoll. Abschließend bleibt festzuhalten, dass Verzerrungen durch Unit-Nonresponse nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden können. Allerdings deuten die durchgeführten Prüfungen darauf hin, dass diese im vorliegenden Fall kein Problem darstellen.
Item-Nonresponse Item-Nonresponse bezeichnet wie oben erläutert das Problem unvollständiger Datensätze ("missing values"). Um mit diesem Problem umzugehen, steht eine Reihe von Verfahren zur Verfügung, die von einer einfachen Fallreduktion durch Ausschluss der unvollständigen Datensätze bis hin zu komplexen Imputationsverfahren reichen, bei denen die fehlenden Werte auf Basis eines Algorithmus bzw. einer Expertenschätzung aufgefüllt werden.501 Ein Standard ____________ 500 501
Vgl. Armstrong und Overton, 1977, S. 399. Für einen aktuellen Überblick vgl. Göthlich, 2007, S. 123-128, für eine Evaluation der verschiedenen Verfahren vgl. ebenfalls Göthlich, 2007, S. 128-130.
142
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
hat sich bislang allerdings nicht etabliert. Wie eine Auswertung von 15 ausgewählten Studien zur Eignung und Qualität verschiedener Verfahren zeigt, ist auch keines der Verfahren in dem Sinne eindeutig und universell überlegen, dass es am wenigsten verzerrende Ergebnisse liefert.502 Göthlich rät daher "[…] im Einzelfall zu prüfen, ob der mit den modernen Verfahren verbundene Aufwand an Zeit und Kosten dem Zweck der Untersuchung gerecht wird und ob am Ende eine substanzielle Ergebnisverbesserung zu erwarten ist."503 Vor diesem Hintergrund findet in der vorliegenden Untersuchung eine Kombination aus Fallreduktion und Imputation Anwendung, die im Folgenden für beide Datensätze beschrieben wird. Die insgesamt 400 Datensätze der Abnehmerbefragung lassen sich nach ihrer Vollständigkeit und der weiteren Verwendung wie folgt einteilen: •
247 vollständige Datensätze: Sämtliche 44 Fragen, die als Indikatoren in das Modell eingehen, wurden beantwortet. Diese Datensätze können unmittelbar für die Analysen verwendet werden.
•
138 unvollständige Datensätze zur Beibehaltung: Maximal sechs der 44 Indikatorfragen wurden nicht beantwortet. Damit liegt die Antwortrate für diese Datensätze über 86 Prozent, wobei ein Großteil der Datensätze (113) maximal drei fehlende Fragen und damit eine Antwortrate von über 93 Prozent aufweist. Für Auswertungen im Rahmen des PLS-Modells wird eine konventionelle Imputation durch Mittelwertergänzung durchgeführt (vgl. auch Unterkapitel 5.2.1). Dies ist sinnvoll, da die Konstrukte jeweils aus mehreren Indikatoren bestehen, so dass beim Fehlen weniger Indikatoren der Mittelwert eine geeignete Approximation darstellt. Für Auswertungen mit SPSS werden Datensätze mit fehlenden Daten im Regelfall "pair-wise", d.h. nur für den Fall, dass der Datensatz unvollständig ist, ausgeschlossen. Da beispielsweise im Rahmen von t-Tests oder bei der exploratorischen Faktorenanalyse Einzelindikatoren untersucht werden, ist dieser Ausschluss sinnvoll.
•
15 unvollständige Datensätze zur Eliminierung: Sieben oder mehr der 44 Indikatorfragen wurden nicht beantwortet. Damit liegt die Antwortrate bei diesen Datensätzen unter 86 Prozent, die Datensätze weisen also größere Lücken auf. Diese Datensätze werden daher für die weiteren Auswertungen nicht verwendet.
Daraus resultiert eine Stichprobengröße auf Basis der Abnehmerbefragung von NA = 385. Wird in den nachfolgend beschriebenen Analysen des Abnehmerdatensatzes die Größe der Stichprobe nicht explizit erwähnt, beziehen sich die Analyseergebnisse stets auf diese Stichprobe. Für die 38 Lieferantenfragebögen wird ein anderes Vorgehen gewählt, da aufgrund der geringen Fallzahl keine Auswertung mit PLS durchgeführt wird. Vielmehr werden die Daten mit ____________ 502 503
Vgl. Göthlich, 2007, S. 128. Vgl. Göthlich, 2007, S. 132.
Gütebeurteilung der Messmodelle
143
deskriptiven und einfachen inferenzstatistischen Methoden mit Hilfe von SPSS analysiert.504 Da die Lieferantendatensätze relativ vollständig sind und die Auswertungen nur auf Basis einzelner Indikatoren erfolgen, wird auf eine ex ante Fallreduktion verzichtet. Stattdessen werden bei den einzelnen Analysen nur diejenigen Datensätze berücksichtigt, für die Daten vorliegen.505 Dies bietet den Vorteil, dass auf keine erhobenen Informationen verzichtet wird. Ein Nachteil besteht darin, dass die Stichprobengröße je nach Parameter schwankt. Unabhängig von einzelnen "missing values" liegt die Stichprobe für die Lieferantenbefragung bei NL = 38. Damit ist die Überprüfung der Analysevoraussetzungen für Abnehmer und Lieferantendatensätze abgeschlossen. Auch wenn potenzielle Verzerrungen nie komplett ausgeschlossen werden können, scheint die Qualität der Daten den Anforderungen der Analysen gerecht zu werden. Mit einem NA = 385 weist der Abnehmerdatensatz zudem eine ausreichende Stichprobengröße für Auswertungen mit Hilfe der PLS-Pfadanalyse auf.
5.2 Gütebeurteilung der Messmodelle 5.2.1 Parametereinstellungen in SmartPLS Da es in der Literatur teilweise unterschiedliche Empfehlungen gibt, ist das Ziel dieses Unterkapitels die Darstellung und Begründung der für diese Arbeit gewählten Parametereinstellungen in den eingesetzten Softwarepaketen. Hierzu werden zunächst die genutzten Softwarepakete benannt und anschließend die gewählten Einstellungen dargestellt und begründet. Für die Auswertungen der folgenden Unterkapitel wurde neben der Statistiksoftware SPSS 16.0 vor allem das Programm SmartPLS 2.0 (beta)506 genutzt. Für SPSS werden die relevanten Parametereinstellungen jeweils im Text erläutert. Da die in SmartPLS verwendeten Parametereinstellungen sowohl für die Gütebeurteilung der Messmodelle als auch des Strukturmodells gelten, wird auf diese im Folgenden kurz eingegangen. Mit SmartPLS werden drei Arten von Berechnungen durchgeführt: •
PLS-Algorithmus:507 Mit diesem wird die Höhe der Modellparameter, d.h. Ladungen, Gewichte und Pfadkoeffizienten, geschätzt. Zusätzlich werden verschiedene Gütemaße berechnet, z.B. die Interne Konsistenz.508
____________ 504
Vgl. Unterkapitel 5.3.3. Wie oben für die Abnehmerdaten beschrieben wird in SPSS im Regelfall die Einstellung "Exclude cases pairwise" gewählt, nur bei fehlenden Werten wird der entsprechende Datensatz also ausgeschlossen. 506 Ringle et al., 2005. Die Software wurde auf Basis einer positiven Beurteilung in dem Diskussionspapier von Temme et al. ausgewählt, vgl. Temme et al., 2006, S. 19-20. 507 Für eine Erläuterung des PLS-Algorithmus und seiner Funktionsweise vgl. z.B. Betzin und Henseler, 2005; Henseler et al., 2009, S. 287-288, oder Huber et al., 2007, S. 6-8. 508 Vgl. Unterkapitel 5.2.2. 505
144
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
•
Bootstrapping:509 Dabei handelt es sich um eine nichtparametrische Hilfsprozedur zur Bestimmung der Signifikanz der Modellparameter. Wegen eines geringeren Standardfehlers ist das Bootstrapping dem Alternativverfahren Jackknifing vorzuziehen.510
•
Blindfolding: 511 Diese Hilfsprozedur dient der Überprüfung der Vorhersagevalidität der Messinstrumente. Dabei wird systematisch ein Teil der Datenmatrix unterdrückt und die fehlenden Daten werden unter Heranziehung der geschätzten Parameter rekonstruiert.
Tabelle 20 gibt einen Überblick über die gewählten Einstellungen. Diese werden im Folgenden erläutert und begründet. Kategorie/Verfahren Parameter
Gewählte Einstellungen
Missing Value
Missing Value Algorithm
Mean Replacement
PLS-Algorithmus
Weighting Scheme Data Metric Maximum Iterations Abort Criterion Initial Weights
Path Weighting Scheme Mean 0, Var 1 500 1.0E-5 1
Bootstrapping
Sign Changes Cases Samples
Construct Level Changes 385 500
Blindfolding
Omission Distance
7 512
Tabelle 20: Gewählte Einstellungen in SmartPLS
Der "Missing Value Algorithm" legt den Umgang mit fehlenden Werten fest. Dabei stehen zwei Alternativen zur Auswahl: "Case Wise Replacement" löscht die Datensätze vollständig, bei denen ein oder mehrere fehlende Werte auftauchen, "Mean Replacement" ersetzt die fehlenden Werte durch den Mittelwert der jeweiligen Indikatorenvariablen.513 Wie in 5.1.3 ausgeführt, wurden Datensätze mit vielen fehlenden Werten bereits aus der Stichprobe eliminiert. Um zu vermeiden, dass wertvolle Informationen durch den Ausschluss weiterer Datensätze – bei denen nur wenige Werte fehlen – verlorengehen, wird die Einstellung "Mean Replacement" genutzt. Für den PLS-Algorithmus wurden folgende Einstellungen verwendet. Erstens wurde als Gewichtungsschema das "Path Weighting Scheme" gewählt, da nur dieses die Richtungen der ____________ 509
Ausführlich zur Bootstrapping-Prozedur vgl. Efron und Tibshirani, 1997. Vgl. Efron und Gong, 1983, S. 39-40. 511 Ausführlich zur Blindfolding-Prozedur vgl. Chin, 1998b, S. 317-318. 512 Eigene Darstellung. 513 Vgl. Temme et al., 2006, S. 7. 510
Gütebeurteilung der Messmodelle
145
Hypothesen im Strukturmodell berücksichtigt. 514 Aufgrund der gerichteten Hypothesen des Strukturmodells ist dies wichtig. Zweitens wurde entsprechend den standardisiert eingespeisten Daten die vorgegebene Einstellung für die Datenmetrik mit "Mean 0, Var 1"515 beibehalten. Drittens wurde die maximale Anzahl Wiederholungen von den voreingestellten 300 sicherheitshalber auf 500 erhöht. Viertens wurde als Abbruchkriterium für die Iteration der voreingestellte Wert "1.0E-5" beibehalten. Damit werden die Berechnungen abgebrochen, sobald die fünfte Nachkommastelle der Gewichte unverändert bleibt. Dies übertrifft das häufig verwendete Kriterium, dass sich keine Änderungen der vierten Nachkommastelle ergeben sollen.516 Schließlich wurde für die Anfangsgewichte die Standardeinstellung 1 übernommen, da der vorliegende Fall diesbezüglich keine Besonderheiten aufweist. Im Rahmen des Bootstrapping kommt es bei der Schätzung der Gewichte zu Vorzeichenwechseln. Werden diese übernommen ("No Sign Changes"), steigt oftmals der Standardfehler deutlich an.517 Daher wurde die Option "Construct Level Changes" als Verfahren zur Vorzeichenkorrektur gewählt. Damit werden die Ladungen jeder latenten Variable mit den ursprünglichen Ladungen verglichen und ggf. angepasst. Bei der Alternative ("Individual Sign Changes") werden die Vorzeichen jedes Resamples konsistent zu den ursprünglichen Vorzeichen gemacht.518 Da dies zu fehlender globaler Kohärenz führen kann, ist diese Option allerdings nicht generell zu empfehlen.519 Mit "Cases" wird die Anzahl der Fälle eines Bootstrap-Subsample definiert, die nach dem Prinzip "Ziehen mit Zurücklegen" aus den Originaldaten generiert werden. Die Fallzahl sollte der Anzahl der Datensätze in der Stichprobe entsprechen.520 Im vorliegenden Fall beträgt diese 385. "Samples" gibt schließlich die Anzahl der berechneten Subsamples im Rahmen des Bootstrapping an, wobei eine unendlich hohe Samplezahl prinzipiell zu den konsistentesten t-Werten führt. Da sich in der Literatur abweichende Empfehlungen finden, wurden analog zum Vorgehen von Tenenhaus et al. verschiedene Samplegrößen getestet.521 Ab einer Samplezahl von 500 blieben die Werte weitgehend stabil. Diese Größenordnung wird auch in anderen Arbeiten verwendet.522 Für das Blindfolding-Verfahren wurde der voreingestellte Wert 7 für den Auslassungsabstand ("Omission Distance") übernommen. Damit wird während des Blindfolding jeder 7. Datenpunkt ausgelassen und neu geschätzt. Dieser Wert entspricht den Empfehlungen in der Litera____________ 514
Vgl. Chin, 1998b, S. 309. Also Durchschnitt = 0 und Varianz = 1. 516 Vgl. Götz und Liehr-Gobbers, 2004, S. 722. 517 Vgl. Ringle und Spreen, 2007, 214. 518 Vgl. Temme et al., 2006, S. 11. 519 Vgl. Tenenhaus et al., 2005, S. 177. 520 Vgl. Ringle und Spreen, 2007, 213. 521 Vgl. Tenenhaus et al., 2005, S. 183. 522 Vgl. Temme et al., 2006, S. 14. 515
146
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
tur, eine Primzahl in der Größenordnung von 5-10 zu wählen,523 für die die Fallzahl kein Vielfaches ist.524 Im Folgenden werden die berechneten Werte – wie in der Literatur üblich und von SmartPLS dargestellt – mit jeweils drei Nachkommastellen dokumentiert.
5.2.2 Reflektive Messmodelle Ziel dieses Unterkapitels ist die Gütebeurteilung der sieben reflektiven Messmodelle des Strukturgleichungsmodells. Hierzu werden zunächst wesentliche Gütearten und Methoden bzw. Kriterien zu deren Beurteilung benannt. Anschließend werden die Gütearten jeweils erläutert und auf die reflektiven Messmodelle angewandt. Sich daraus gegebenenfalls ableitende Maßnahmen werden erläutert und begründet. In einem reflektiven Messmodell repräsentiert jeder Indikator eine fehlerbehaftete Messung des zu Grunde liegenden Konstrukts.525 Der Messfehler kann in zwei Komponenten aufgeteilt werden:526 •
Der zufällige Messfehler setzt sich aus allen Einflüssen zusammen, die ohne erkennbare Systematik die Ergebnisse der Konstruktmessung beeinträchtigen. Ist der zufällige Messfehler null, wird die Messung als vollständig reliabel bezeichnet, da Reliabilität "[…] the extent to which an experiment, test, or any measuring procedure yields the same results on repeated trials"527 beschreibt.
•
Der systematische Messfehler hingegen tritt – unabhängig von zufälligen Messfehlern – bei jeder Messwiederholung immer wieder in gleicher Höhe auf. Nimmt der systematische Fehler zusätzlich zum zufälligen Messfehler den Wert null an, so gilt die Messung als vollständig valide. Anders formuliert: "An indicator of some abstract concept is valid to the extent that it measures what it purports to measure."528
Das im Folgenden dokumentierte Vorgehen zur Evaluation der sieben reflektiven Messmodelle orientiert sich an einem Vorschlag von Krafft et al.,529 die jeweils zwei Dimensionen von Reliabilität (Indikator- und Konstruktreliabilität) sowie Validität (Inhalts- und Diskriminanzvalidität) differenzieren. Ergänzend werden die Expertenvalidität und die Vorhersagevalidität der Messmodelle bewertet.530 Die Konstruktreliabilität wird zudem mit Hilfe des Cronbach-
____________ 523
Vgl. Chin, 1998b, S. 318. Vgl. Ringle und Spreen, 2007, 215. 525 Vgl. Unterkapitel 4.3.1. 526 Vgl. Krafft et al., 2005, S. 73. 527 Carmines und Zeller, 1979, S. 11. 528 Carmines und Zeller, 1979, S. 12. 529 Krafft et al., 2005, S. 73-75, auf Basis von Götz und Liehr-Gobbers, 2004, S. 727-728. 530 Vgl. Huber et al., 2007, S. 91-92. 524
Gütebeurteilung der Messmodelle
147
schen Alpha beurteilt.531 Tabelle 21 fasst die Gütearten und Methoden bzw. Kriterien zusammen, die im Folgenden erläutert und angewendet werden. Gütearten
Definition
Methoden (Kriterien)
Expertenvalidität
Ausmaß der Übereinstimmung zwischen a priori beabsichtigter und tatsächlicher Indikatorzuordnung
Prüfung mittels Expertenbefragung (Pre-Test): • Eindeutigkeit der Zuordnung • Inhaltliche Relevanz
Inhaltsvalidität
Abbildungsgrad der Konstruktbedeutung durch die Indikatoren
Explorative Faktorenanalyse zur Untersuchung der Dimension (einfaktorielle Faktorstruktur)
Indikatorreliabilität
Erklärungsgrad der Indikatorvarianz durch das Konstrukt
Generell: Mehr als 50% der Varianz des Indikators sollten durch das Konstrukt erklärt werden, d.h. Ladungen Ȝ > 0,7; Elimination von Indikatoren mit Ladungen Ȝ < 0,4
Konstruktreliabilität
Erklärungsgrad, wie gut ein Konstrukt durch die ihm zugeordneten Indikatorvariablen gemessen wird
Die Interne Konsistenz
soll größer sein als 0,7. Das Cronbachsche Alpha ೖ మ సభ మ
soll größer sein als 0,7. Diskriminanzvalidität
Unterschiedlichkeitsgrad der Messungen verschiedener Konstrukte mit einem Messinstrument
Die Durchschnittlich Erfasste Varianz
soll größer sein als die quadrierte Korrelation der latenten Variablen mit anderen latenten Variablen. Vorhersagevalidität
Grad der Rekonstruierbarkeit des Konstrukts durch die Indikatoren
Stone Geissers Q² (Kommunalität)
soll den Wert null übersteigen. Tabelle 21: Gütearten und Methoden/Kriterien für reflektive Messmodelle532
____________ 531 532
Vgl. Homburg und Giering, 1996, S. 8. In Anlehnung an Krafft et al., 2005, S. 75, sowie ergänzend Huber et al., 2007, S. 34-38 (Vorhersagevalidität) und Homburg und Giering, 1996, S. 8 (Cronbachsches Alpha). Die angegebenen Formeln werden im Folgenden erläutert.
148
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Expertenvalidität Die Expertenvalidität misst die Eindeutigkeit der Zuordnung der Indikatoren und ihre inhaltliche Relevanz. Eine entsprechende Prüfung wurde auf Basis einer E-Mailumfrage unter 24 Personen durchgeführt. Dabei wurden für die Indikatoren der reflektiven Messmodelle sowohl die Eindeutigkeit der Zuordnung als auch die inhaltliche Relevanz auf hohem bzw. moderatem Niveau bestätigt. Das Vorgehen und die detaillierten Ergebnisse sind in Unterkapitel 4.3.2 beschrieben, da die Überprüfung der Expertenvalidität einen wesentlichen Schritt im Rahmen der Messmodelloperationalisierung bildete.
Inhaltsvalidität Die Inhaltsvalidität beschreibt den Grad, zu dem die Indikatoren eines Konstruktes dessen Bedeutung abbilden. Formal kann dies als erfüllt angesehen werden, wenn alle Indikatoren einer latenten Variable auf diese (und keine andere) hoch laden und damit eine eindeutige Zuordnung von Indikatoren zu einem Konstrukt besteht.533 Das Vorliegen einer einfaktoriellen Faktorstruktur kann auf verschiedene Arten überprüft werden. Als geeignete Methode wird die exploratorische Faktorenanalyse empfohlen.534 Wie die Strukturgleichungsmodellierung selbst gehört die exploratorische Faktorenanalyse zu den multivariaten Analyseverfahren. Sie dient dazu, Strukturen in großen Variablensets zu identifizieren.535 Für die exploratorische Faktorenanalyse werden folgende Parameter verwendet, die für ein in der akademischen Praxis sehr häufig verwendetes Design stehen:536 •
Faktorextraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Dabei wird unterstellt, dass die Varianz einer Ausgangsvariablen vollständig durch die Extraktion von Faktoren erklärt werden kann.537 Zwar kritisieren einige Autoren diese Faktorextraktionsmethode, da damit weder die Messfehlervarianz noch die spezifische Varianz der Indikatoren berücksichtigt wird, was zu einer Überschätzung der Faktorladungen führen kann.538 Allerdings weichen die Empfehlungen, welche Extraktionsmethode stattdessen verwendet werden sollte, voneinander ab.539
____________ 533
Vgl. Krafft et al., 2005, S. 73. Das häufig eingesetzte Cronbachsche Alpha ist kein adäquates Kriterium, da es Eindimensionalität vielmehr voraussetzt, vgl. Hildebrandt und Temme, 2006, S. 623-624. 535 Backhaus et al., 2008, S. 324. 536 So kam z.B. Peterson in seiner Meta-Analyse von 803 Faktorenanalysen aus 568 in Marketingzeitschriften publizierten Artikeln zu folgendem Ergebnis: In 67 Prozent der Fälle wurde eine Hauptkomponentenanalyse durchgeführt. Im Falle einer Rotation der initialen Faktorlösung geschah dies in 82 Prozent der Fälle per Varimax-Rotation. Vgl. Peterson, 2000 S. 265-266. 537 Vgl. Backhaus et al., 2008, S. 350. 538 Vgl. Hildebrandt und Temme, 2006, S. 624. 539 So empfehlen Hildebrandt und Temme das Maximum-Likelihood-Schätzverfahren, vgl. Hildebrandt und Temme, 2006, S. 624. Huber et al. schlagen unter Verweis auf Gerbing und Anderson, 1988, die Hauptachsenanalyse vor, vgl. Huber et al., 2007, S. 93. 534
Gütebeurteilung der Messmodelle •
149
Rotationsverfahren: Varimax. Hierbei werden zur Erleichterung der Interpretation der Faktorladungen die Faktorachsen des n-dimensionalen Koordinatenkreuzes in einem rechten Winkel zueinander gedreht.540 Insbesondere wegen der dabei unterstellten Annahme, die Faktoren seien unkorreliert, wird dieses Rotationsverfahren ebenfalls von einigen Autoren kritisiert.541
Eine einfaktorielle Faktorstruktur gilt dann als gegeben, wenn folgenden Kriterien in Bezug auf die Faktorladungen erfüllt sind: •
Indikatoren können dann einem Faktor zugeordnet werden, wenn sie eine hohe Faktorladung, z.B. größer 0,50, aufweisen.542 Huber et al. fordern, dass "Variablen, die zur Operationalisierung desselben Konstrukts herangezogen werden, […] nach Möglichkeit einen Wert größer 0,6 aufweisen."543 Homburg und Giering bezeichnen Indikatoren mit einer Faktorladung kleiner 0,4 als Kandidaten für eine Eliminierung.544
•
Gleichzeitig sollten die Faktorladungen der Indikatoren bei anderen Konstrukten deutlich niedrigere Werte aufweisen. Huber et al. fordern, dass "[…] die Ladungen auf die anderen Faktoren im Optimalfall kleiner 0,10 sein oder mindestens signifikant geringer als die der Indikatoren anderer Konstrukte"545 sein sollen.
Wie in Tabelle 22 dargestellt, werden die Kriterien mit einer Ausnahme von allen manifesten Variablen erfüllt. Diese Ausnahme bildet der Indikator GEMO4 (Beratung bzgl. Qualität), der auf zwei Faktoren hoch lädt (d.h. > 0,50). Da es sich um ein reflektives Messmodell handelt, wird der Indikator eliminiert. Alle anderen Indikatoren weisen eine Faktorladung von mindestens 0,5 auf denselben Faktor auf wie diejenigen Variablen, die für die Spezifikation des gleichen Konstrukts vorgesehen sind. Gleichzeitig liegen die Faktorladungen für andere Faktoren jeweils deutlich niedriger, in den meisten Fällen unter 0,2. Tabelle 22 gibt einen Überblick über die einzelnen Faktorladungen. Damit ist das Kriterium der Inhaltsvalidität für alle Indikatoren bis auf den eliminierten Indikator GEMO4 erfüllt. Es sei allerdings angemerkt, dass die Faktorladungen der Indikatoren EIGO4, GEMO5 und GEMO6 mit 0,587, 0,538 und 0,557 unter der von manchen Autoren empfohlenen Grenze von 0,60 liegen. Eine erneute Durchführung der exploratorischen Faktorenanalyse ohne den Indikator GEMO4 verbessert die Werte leicht: 0,593 für EIGO4, 0,543 für GEMO5 und 0,568 für GEMO6.
____________ 540
Vgl. Backhaus et al., 2008, S. 357. Vgl. z.B. Hildebrandt und Temme, 2006, S. 624, die stattdessen ein obliques (schiefwinkliges) Rotationsverfahren empfehlen. 542 Vgl. Backhaus et al., 2008, S. 356. 543 Vgl. Huber et al., 2007, S. 96. 544 Vgl. Homburg und Giering, 1996, S. 12. 545 Huber et al., 2007, S. 96. 541
150
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Indikator
Komponente 1
2
3
4
5
6
7
ABHA1
0,783
0,075
0,028
0,072
-0,077
-0,048
-0,086
ABHA2
0,837
0,130
0,011
-0,141
-0,080
-0,011
-0,068
ABHA3
0,786
0,080
0,008
-0,048
0,054
-0,086
-0,014
ABHA4
0,784
0,153
-0,008
-0,074
-0,046
-0,070
0,045
ABHL1
0,249
0,717
-0,037
0,034
0,004
-0,173
-0,091
ABHL2
0,180
0,758
-0,103
0,094
-0,052
-0,060
-0,045
ABHL3
0,114
0,737
-0,004
0,030
-0,258
0,009
0,024
ABHL4
-0,039
0,669
-0,059
-0,011
-0,003
-0,237
-0,095
MEKA1
0,011
-0,038
0,682
0,086
0,019
0,016
0,009
MEKA2
0,012
-0,024
0,716
0,058
0,008
0,145
-0,043
MEKA3
-0,029
-0,051
0,749
0,057
0,014
0,074
-0,014
MEKA4
-0,024
-0,023
0,645
0,078
0,102
0,044
-0,046
MEKA5
0,088
-0,058
0,677
-0,031
0,292
0,020
0,076
MEKL1
-0,091
0,028
0,055
0,815
0,088
-0,021
-0,066 -0,079
MEKL2
-0,041
0,035
-0,013
0,808
0,087
0,031
MEKL3
-0,037
0,017
0,077
0,824
0,001
0,026
0,036
MEKL4
-0,018
0,014
0,083
0,767
0,071
0,034
-0,072
MEKL5
0,004
0,050
0,099
0,799
-0,025
-0,006
0,131
0,154
0,031
EIGO1
-0,058
-0,050
0,238
0,265
0,677
EIGO2
0,002
-0,142
0,043
-0,096
0,721
0,319
0,049
EIGO3
-0,012
-0,097
0,018
0,041
0,741
0,314
0,031
EIGO4
-0,163
-0,021
0,206
0,162
0,587
0,285
0,084
GEMO1
-0,073
-0,145
0,113
-0,065
0,218
0,785
0,030
GEMO2
-0,155
-0,112
0,061
0,138
0,165
0,784
-0,080
GEMO3
-0,001
-0,084
0,064
0,012
0,075
0,811
0,094
GEMO4
0,033
-0,061
0,099
-0,028
0,518
0,618
0,044
GEMO5
-0,034
-0,078
0,072
-0,046
0,213
0,538
0,252
GEMO6
-0,054
-0,079
0,026
0,060
0,260
0,557
0,205
FINU1
-0,052
0,009
-0,046
-0,025
0,088
0,148
0,777
FINU2
-0,072
-0,136
0,037
0,023
-0,047
0,118
0,740
FINU3
0,016
-0,048
-0,045
-0,048
0,102
0,052
0,868
Tabelle 22: Exploratorische Faktorenanalyse für die reflektiven Messmodelle546
____________ 546
Eigene Darstellung. Berechnung mit Hilfe von SPSS 16.0; Faktorextraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse; Rotationsverfahren: Varimax mit Kaiser-Normalisierung; Rotation konvergierte in 6 Iterationen. Inklusive des anschließend eliminierten Indikators GEMO4.
Gütebeurteilung der Messmodelle
151
Indikatorreliabilität Die Indikatorreliabilität weist den Anteil der Varianz eines Indikators aus, der auf die zu Grunde liegende latente Variable zurückzuführen ist. Dabei sollten 50 Prozent oder mehr der Varianz durch das jeweilige Konstrukt erklärt werden. Dies setzt voraus, dass die Ladung der latenten Variable auf den jeweiligen Indikator größer als 0,707 ist (da 0,707² § 0,500).547 Hulland weist allerdings darauf hin, dass es in der Praxis nicht unüblich sei, insbesondere bei neuen Messmodellen bzw. Indikatoren Faktorladungen geringer als 0,7 vorzufinden. Er schlägt daher vor, nur Indikatoren, deren Ladungen geringer als 0,4 bzw. 0,5 sind, aus den Messmodellen zu eliminieren.548 Huber et. al. empfehlen, Faktorladungen größer 0,60 als akzeptabel anzusehen, sofern Konvergenzkriterien wie z.B. die Durchschnittlich Erfasste Varianz (DEV) erfüllt sind. Gleichzeitig sollte ein Signifikanzniveau von mindestens 5 Prozent erreicht werden.549 Erfüllen Indikatoren diese Kriterien nicht, sind diese sukzessive zu eliminieren. Die Analyse der Indikatorreliabilität wurde mit SmartPLS durchgeführt.550 Die Ergebnisse sind in Tabelle 23 zusammengefasst. Indikator
Faktorladung
t-Wert
Indikator
Faktorladung
t-Wert
ABHA1
0,807
19,548
EIGO1
0,811
33,929
ABHA2
0,873
33,015
EIGO2
0,755
18,685
ABHA3
0,755
14,485
EIGO3
0,715
16,016
ABHA4
0,798
17,797
EIGO4
0,779
29,910
ABHL1
0,788
25,790
GEMO1
0,826
40,867
ABHL2
0,757
21,908
GEMO2
0,825
40,616
ABHL3
0,706
15,092
GEMO3
0,781
29,761
ABHL4
0,722
15,865
GEMO5
0,641
13,765
MEKA1
0,650
10,675
GEMO6
0,691
18,999
MEKA2
0,693
15,472
FINU1
0,727
4,681
MEKA3
0,710
17,895
FINU2
0,867
10,356
MEKA4
0,676
14,412
FINU3
0,831
5,635
MEKA5
0,775
21,492
MEKL1
0,830
28,920
MEKL2
0,815
29,726
MEKL3
0,813
27,512
MEKL4
0,801
23,892
MEKL5
0,772
17,439
Tabelle 23: Faktorladungen und t-Werte der Indikatoren der reflektiven Messmodelle551
____________ 547
Vgl. Krafft et al., 2005, S. 73. Vgl. Hulland, 1999, S. 198. 549 Vgl. Huber et al., 2007, S. 86-87. Da es sich um einen einseitigen Signifikanztest handelt, genügt ein t-Wert größer 1,66 für ein Signifikanzniveau von Į = 0,05. 550 Die verwendeten Parametereinstellungen wurden in Unterkapitel 5.2.1 detailliert erläutert und begründet. 548
152
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Wie Tabelle 23 zeigt, ergeben sich für alle Indikatoren zufriedenstellende Werte. Zwar liegen die Faktorladungen der Indikatoren GEMO5 und GEMO6 mit 0,641 und 0,691 unter dem Schwellenwert von 0,707, allerdings immer noch deutlich über dem Mindestwert von 0,60. Zudem liegt der DEV-Wert für das Konstrukt GEMO im geforderten Rahmen.552 Die t-Werte aller Indikatoren der reflektiven Messmodelle liegen ebenfalls deutlich über der Mindestgrenze. Damit ist die Reliabilität der Indikatoren gegeben.
Konstruktreliabilität Die Konstruktreliabilität beurteilt die Eignung eines Konstrukts zur Erklärung der ihm zugeordneten reflektiven Indikatoren und erfordert, dass die Indikatoren eine starke Beziehung untereinander aufweisen.553 Als ein Gütemaß gilt die sogenannte Interne Konsistenz, auch als Faktorreliabilität, Composite Reliability oder wie die Güteart selbst als Konstruktreliabilität bezeichnet.554 Formal kann diese wie folgt formuliert werden:555 •
Interne Konsistenz Dabei steht
ೕ ೕ
ð
ð
(5.1)
ೕ
für die Ladung des Indikators i einer latenten Variablen,
für den Mess-
fehler des Indikators i und j stellt den Laufindex über alle reflektiven Messmodelle dar. Die Interne Konsistenz kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, sollte aber den Schwellenwert 0,7 überschreiten.556 Bagozzi und Yi nennen einen Grenzwert von 0,6.557 Ein weiteres Maß für die Konstruktreliabilität ist das Cronbachsche Alpha.558 Dieses misst die Reliabilität einer Gruppe von Indikatoren, die eine latente Variable messen.559 Formal lässt sich das Cronbachsche Alpha wie folgt beschreiben:560 •
Cronbachsches Alpha Dabei steht
ೖ మ సభ మ
für die Anzahl der Indikatorvariablen der latenten Variablen,
Varianz des i-ten Indikators und
Eigene Darstellung. Vgl. Tabelle 24 auf S. 153 und die zugehörigen Ausführungen. 553 Vgl. Krafft et al., 2005, S. 74. 554 Vgl. Krafft et al., 2005, S. 74, und Huber et al., 2007, S. 89. 555 Vgl. Krafft et al., 2005, S. 74. 556 Vgl. Nunnally, 1978, S. 245. 557 Vgl. Bagozzi und Yi, 1988, S. 82. 558 Vgl. Cronbach, 1951. 559 Vgl. Homburg und Giering, 1996, S. 8, und die dort angegebenen Quellen. 560 Vgl. Peter, 1979, S. 8. 552
für die
bezeichnet die Varianz der Summe aller Indikato-
ren.
551
(5.2)
Gütebeurteilung der Messmodelle
153
Allerdings ist eine inferenzstatistische Beurteilung des Cronbachschen Alpha-Koeffizienten nicht möglich und der Wert selbst wird von der Anzahl der Indikatoren beeinflusst.561 Trotz dieser Nachteile wird das Cronbachsche Alpha ausgewiesen, da es in der Vergangenheit als das Gütemaß für Konstruktreliabilität schlechthin galt. Werte für das Cronbachsche Alpha können zwischen null und eins liegen, wobei hohe Werte eine hohe Reliabilität implizieren. Als Daumenregel gilt, dass für eine akzeptable Reliabilität der Grenzwert 0,7 überschritten werden sollte.562 Wie Tabelle 24 zeigt liegt die Interne Konsistenz für sämtliche Konstrukte über 0,8, der geforderte Grenzwert von 0,7 wird also in allen Fällen deutlich überschritten. Gleichzeitig liegen die Werte für das Cronbachsche Alpha sämtlich über 0,7. Das Kriterium der Konstruktreliabilität ist erfüllt. Konstrukt
Interne Konsistenz
ABHA
Cronbachsches Alpha
DEV
> 0,7
> 0,7
> 0,6
Größte quadrierte Korrelation < DEV
0,884
0,825
0,655
0,092
StoneGeissers Q²
0,655
>0
ABHL
0,832
0,732
0,553
0,092
0,553
MEKA
0,829
0,747
0,543
0,111
0,493
MEKL
0,903
0,867
0,650
0,194
0,650
EIGO
0,850
0,773
0,587
0,313
0,586
GEMO
0,869
0,812
0,572
0,313
0,572
FINU
0,851
0,755
0,657
0,056
0,657
Tabelle 24: Gütekriterien auf Konstruktebene für die reflektiven Messmodelle563
Diskriminanzvalidität Die Diskriminanzvalidität bezeichnet die Unterschiedlichkeit der Messungen verschiedener Konstrukte. Statistisch gesehen wird bewertet, ob die gemeinsame Varianz zwischen einer latenten Variablen und ihren Indikatoren größer ist als die gemeinsame Varianz mit anderen latenten Variablen. 564 Beurteilt werden kann dieser Zusammenhang mit Hilfe des FornellLarcker-Kriteriums.565 Hierzu wird die Durchschnittliche Erfasste Varianz (DEV) je Konstrukt benötigt, die formal wie folgt formuliert werden kann: •
Durchschnittlich Erfasste Varianz
మ
మ
(5.3)
____________ 561
Vgl. Homburg und Giering, 1996, S. 8. Dieser vielzitierte Wert geht zurück auf Nunnally, vgl. Nunnally, 1978, S. 245. Für eine kritische Würdigung vgl. Kent, 2001, S. 221. 563 Eigene Darstellung. 564 Vgl. Hulland, 1999, S. 199. 565 Vgl. Fornell und Larcker, 1981, S. 45. 562
154
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung Die verwendeten Variablen sind dabei analog den Variablen in Formel (5.1) definiert.
Das Fornell-Larcker-Kriterium fordert, dass die DEV einer latenten Variablen größer sein soll als jede quadrierte Korrelation dieser latenten Variablen mit einer anderen latenten Variablen im Modell.566 Ergänzend gilt eine DEV kleiner 0,5 als unzureichend. Huber et al. fordern sogar, dass mindestens ein Wert von 0,6 vorliegen sollte.567 Wie Tabelle 24 zeigt, ist die DEV aller latenten Variablen jeweils deutlich größer als die größte quadrierte Korrelation der jeweiligen latenten Variablen mit anderen Variablen. Das Fornell-Larcker-Kriterium ist somit erfüllt. Allerdings liegt die DEV bei vier der sieben Konstrukte unter dem Grenzwert von 0,6. In jedem dieser Fälle wird jedoch der Mindestwert von 0,5 überschritten, vgl. ABHL mit 0,553, MEKA mit 0,543, EIGO mit 0,587 und GEMO mit 0,572. Entsprechend kann auch dieses Kriterium als erfüllt angesehen werden.
Vorhersagevalidität Zusätzlich zu den bereits überprüften Gütekriterien empfehlen Huber et al. Stone-Geissers Q² (Kommunalität).568 Dieses Kriterium wird auch zur Güteüberprüfung auf Strukturmodellebene eingesetzt, weshalb zur semantischen Präzision der Zusatz "Kommunalität" verwendet wird.569 Auf Messmodellebene beschreibt Stone-Geissers Q² (Kommunalität), wie gut eine Rekonstruktion der latenten Variablen durch ihre Indikatoren möglich ist. Formal kann dieser Zusammenhang wie folgt formuliert werden: 570 •
Stone-Geissers Dabei ist
ೖ ೕೖ ೖ
ೕೖ
(5.4)
die Quadratsumme der Prognosefehler, die durch einen Vergleich der re-
sidualen Daten aus der Blindfolding-Prozedur mit den tatsächlichen Werten berechnet werden.
steht für die Quadratsumme aus der Differenz von geschätztem Wert und
Mittelwert der verbleibenden Daten aus der Blindfolding-Prozedur. Der Index j stellt das zu betrachtende Messmodell dar und k repräsentiert den Laufindex über alle Indikatoren des Messmodells. Stone-Geissers Q² (Kommunalität) sollte den Wert null überschreiten. Wie aus Tabelle 24 ersichtlich, liegen die Q²-Werte der latenten Variablen zwischen 0,493 und 0,657 und damit
____________ 566
Vgl. Fornell und Cha, 1994, S. 69. Vgl. Huber et al., 2007, S. 35. 568 Vgl. Huber et al., 2007, S. 37. 569 Je nach Art der Schätzung lassen sich unterschiedliche Werte für Stone-Geissers Q² berechnen: „A crossvalidated communality Q² is obtained if prediction of the data points is made by underlying latent variable score, whereas a cross-validated redundancy Q² is obtained if prediction is made by those LVs that predict the block in question. One would use the cross-validated redundancy measure to examine the predictive relevance of one’s theoretical/structural model.“ Chin, 1998b, S. 318. Anmerkung: LV steht für Latent Variable. 570 Vgl. hierzu und im Folgenden Fornell und Cha, 1994, S. 72-73, sowie Krafft et al., 2005, S. 84-85. 567
Gütebeurteilung der Messmodelle
155
deutlich über dem geforderten Schwellenwert von null. Daher kann auch dieses Gütekriterium als erfüllt angesehen werden. Insgesamt erfüllen die reflektiven Messmodelle damit – nach Eliminierung des Indikators GEMO4 – sämtliche Gütekriterien. Die Voraussetzungen für weitere Analysen sind damit gegeben.
5.2.3 Formative Messmodelle Ziel dieses Unterkapitels ist die Gütebeurteilung der drei formativen Messmodelle des Strukturgleichungsmodells. Hierzu werden wie im vorangegangenen Unterkapitel für die reflektiven Messmodelle zunächst wesentliche Gütearten und Methoden bzw. Kriterien zu deren Beurteilung benannt. Anschließend werden die Kriterien jeweils erläutert und auf die formativen Messmodelle angewandt. In einem formativen Messmodell formen bzw. begründen die Indikatoren die latente Variable.571 Im Vergleich zu reflektiven Messmodellen ist also die Kausalitätsbeziehung zwischen Indikatoren und Konstrukt umgekehrt. Entsprechend können Verfahren zur Gütebeurteilung reflektiver Messmodelle nicht auf formative Messmodelle übertragen werden.572 Vielmehr ist bei formativen Konstrukten entscheidend, dass möglichst sämtliche Indikatoren, die einen Einfluss auf das Konstrukt haben, umfassend berücksichtigt werden.573 Dennoch ist es notwendig, die Validität formativer Indikatoren über eine Bewertung ihrer Inhaltsvalidität hinausgehend zu beurteilen. 574 Hierzu gibt es in der Literatur eine Reihe von Vorschlägen.575 Wie schon bei der Überprüfung reflektiver Messmodelle 576 orientiert sich das im Folgenden beschriebene Vorgehen zur Güteprüfung der drei formativen Messmodelle an dem Vorschlag von Krafft et. al.577 Die Autoren unterscheiden drei grundsätzliche Gütearten: Expertenvalidität, Indikatorrelevanz und externe bzw. nomologische Validität. Ergänzend wird einer Empfehlung von Huber et al. folgend noch die Diskriminanzvalidität der formativen Messmodelle überprüft.578 Tabelle 25 fasst die im Folgenden erläuterten und angewandten Gütearten und Methoden bzw. Kriterien zusammen. ____________ 571
Für Details vgl. Unterkapitel 4.3.1. Vgl. Diamantopoulos und Siguaw, 2000, S. 21. 573 Vgl. Huber et al., 2007, S. 38. 574 Vgl. Diamantopoulos und Riefler, 2008, S. 1191. Vgl. hierzu auch Edwards und Bagozzis Aussage: "Furthermore, if measures are specified as formative, their validity must still be established. It is bad practice to report a low reliability measure, claim that one's measures are formative, and do nothing more." Edwards und Bagozzi, 2000, S. 171. 575 Vgl. z.B. Huber et al., 2007, S. 38-39, und S. 97-103; Götz und Liehr-Gobbers, 2004, S. 728-730; Henseler et al., 2009, S. 300-303; sowie ergänzend den Beitrag von Hildebrandt und Temme, 2006. 576 Vgl. Unterkapitel 5.2.2. 577 Vgl. Krafft et al., 2005, S. 76-83, auf Basis von Götz und Liehr-Gobbers, 2004, S. 728-730. 578 Vgl. z.B. Huber et al., 2007, S. 38. 572
156
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Gütearten
Definition
Methoden (Kriterien)
Expertenvalidität
Ausmaß der Übereinstimmung zwischen a priori beabsichtigter und tatsächlicher Indikatorzuordnung
Prüfung mittels Expertenbefragung (Pre-Test): • Eindeutigkeit der Zuordnung • Inhaltliche Relevanz
Indikatorrelevanz
Überprüfung der Indikatoren auf ihren Beitrag zur Konstruktbildung
• Interpretation der Gewichte (nicht der Ladungen) • Indikatorelimination nur bei Multikollinearität; Prüfung auf Multikollinearität durch: Variance Inflation Factor
< 10
sowie ergänzend: Korrelationsmatrix (paarweise), Konditionsindex oder Varianzzerlegung Diskriminanzvalidität
Ausmaß der Erfassung unterschiedlicher Sachverhalte durch die verschiedenen formativen Messmodelle
• Überprüfung der Korrelationen zwischen den Konstrukten, wobei die maximale Konstruktkorrelation < 0,9 sein sollte.
Externe bzw. nomologische Validität
Evaluation der Gültigkeit der Konstruktmessung
• Redundante reflektive Operationalisierung (MIMIC-Modell bzw. Zwei-Konstrukt-Modell) • Überprüfung der Nomologischen Validität jeweils anhand Stärke und Richtung sowie der Signifikanz des Zusammenhangs
Tabelle 25: Gütearten und Methoden/Kriterien für formative Messmodelle579
Expertenvalidität Die Expertenvalidität wurde bereits bei der Konstruktoperationalisierung im Rahmen eines Pre-Tests überprüft.580 Dabei wurde sowohl die Eindeutigkeit der Zuordnung als auch die inhaltliche Relevanz für alle Indikatoren der drei formativen Messmodelle auf hohem Niveau bestätigt. Expertenvalidität ist also gegeben.
Indikatorrelevanz Ziel dieser Güteart ist die Überprüfung des Beitrags jedes Indikators zur Konstruktbildung. Hierzu sind zunächst Ausmaß und Signifikanz der Gewichte von Bedeutung. Sie geben einen Aufschluss darüber, wie nachhaltig ein Indikator zur Bildung des jeweiligen formativen Konstrukts beiträgt.581 In Bezug auf die Beurteilung der Gewichte und ihrer Signifikanz sowie im Hinblick auf die Konsequenzen daraus gibt es in der Literatur abweichende Meinungen: ____________ 579
In Anlehnung an Krafft et al., 2005, S. 82. Zur Diskriminanzvalidität vgl. Huber et al., 2007, S. 38. Die angegebenen Formeln werden im Folgenden erläutert. 580 Die Ergebnisse sind in Unterkapitel 4.3.2 beschrieben. 581 Vgl. Krafft et al., 2005, S. 77.
Gütebeurteilung der Messmodelle
157
•
Etliche Autoren vertreten die Ansicht, dass die Gewichte keiner Vorgabe unterliegen.582 Wesentliches Argument ist, dass die Eliminierung eines Indikators einer formativ operationalisierten latenten Variable eine Verfälschung des Inhalts des betrachteten Konstrukts zur Konsequenz haben kann.583
•
Hingegen empfehlen Diamantopoulos und Riefler die Elimination der entsprechenden Indikatoren, wenn dies auf Basis von Replikationsstudien abgesichert ist.584 Gleichzeitig unterstreichen Diamantopoulos und Winklhofer, dass eine Eliminierung von Indikatoren bei formativen Konstrukten niemals losgelöst von konzeptionellen Überlegungen durchgeführt werden sollte.585
Tabelle 26 zeigt die Gewichte für die drei formativen Messmodelle sowie die durch Bootstrapping ermittelten t-Werte. Die Indikatorgewichte weisen stark voneinander abweichende Werte auf und liegen im Schnitt deutlich unter den Faktorladungen der Indikatoren der reflektiven Konstrukte.586 So geht der wesentliche Beitrag zur Bildung des Konstrukts Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA) von den beiden Indikatoren RESA2 (Fehlen finanzieller Ressourcen) und RESA3 (Fehlen von Topmanagement-Unterstützung) aus. Im Falle des Konstrukts Differenzierung spielt der Indikator DIFF5 (Stärkung der Innovationskraft) eine wesentliche Rolle, gefolgt von DIFF1 (Verbesserung der Produktqualität) und DIFF3 (Verbesserung der Lieferzuverlässigkeit). Nur im Falle der latenten Variablen Kostenführerschaft sind die Indikatoren bis auf eine Ausnahme in etwa gleichgewichtig. Indikator
Gewicht
t-Wert
RESA1
-0,118
0,355
Indikator DIFF1
Gewicht 0,343
2,127
RESA2
1,090
7,646
DIFF2
-0,080
0,373
RESA3
0,467
3,648
DIFF3
0,282
1,195
DIFF4
0,030
0,185
DIFF5
0,603
3,206
KOST1
0,351
3,236
KOST2
0,390
3,372
KOST3
0,269
2,363
KOST4
0,329
2,808
KOST5
-0,023
0,192
Tabelle 26: Gütekriterien der Indikatoren der formativen Messmodelle587
____________ 582
Vgl. z.B. Huber et al., 2007, S. 97, oder Krafft et al., 2005, S. 77-78. Vgl. Jarvis et al., 2003, S. 202. 584 Vgl. Diamantopoulos und Riefler, 2008, S. 1189. 585 Vgl. Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 273. 586 Dies ist häufig der Fall, vgl. Krafft et al., 2005, S. 78. 587 Eigene Darstellung. 583
t-Wert
158
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Gleichzeitig unterschreiten vier der insgesamt 13 Indikatoren den von Chin angegebenen Grenzwert von 0,2. In drei der vier Fälle sind die Werte der Gewichte sogar negativ, was jedoch angesichts der auf einem Niveau von Į = 0,10 nicht signifikanten t-Werte nicht überinterpretiert werden sollte. Im Einzelnen handelt es sich um die Indikatoren DIFF2 (Verkürzung der Lieferzeit) und DIFF4 (Verbesserung der Fertigungsflexibilität) des Konstrukts DIFF (Differenzierung). Da beide Indikatoren eigenständige und in den Experteninterviews als wichtig bestätigte inhaltliche Dimensionen des Konstrukts darstellen, werden diese nicht eliminiert. Auch das Gewicht des Indikators KOST5 (Senkung der Transportkosten) unterschreitet den Grenzwert von 0,2. Da die Transportkosten zusammen mit den Lagerkosten (Indikator KOST3) die in Lieferantenentwicklungsprojekten oft wichtige Dimension der Logistikkosten abdecken, wird eine Eliminierung wiederum aus inhaltlichen Gründen abgelehnt. Auch der Indikator RESA1 (Fehlen personeller Ressourcen) des Konstrukts RESA (Ressourcenausstattung des Abnehmers) weist ein negatives Gewicht auf. Wie die interviewten Experten bestätigten, ist gerade ausreichend qualifiziertes Personal eine entscheidende Ressourcendimension für eine erfolgreiche Durchführung von Lieferantenentwicklungsprojekten. Da eine Eliminierung die Bedeutung des Konstrukts zudem verändern würde, wird auch in diesem Fall eine Eliminierung aus inhaltlichen Gründen zurückgewiesen. Allerdings sollte – in Anlehnung an die Empfehlung von Diamantopoulos und Winklhofer – in künftigen Studien untersucht werden, ob diese inhaltlich getriebenen Entscheidungen Bestand haben können.588 Multikollinearität ist eine weitere wichtige Dimension zur Sicherstellung der Indikatorrelevanz. Perfekte Multikollinearität impliziert, dass die Werte einer Variablen aus denen der anderen Variablen exakt prognostiziert werden können.589 Dies sollte für die Indikatoren eines formativen Messmodells nicht zutreffen, da diese per definitionem voneinander unabhängige Dimensionen eines Konstrukts darstellen. Statistisch gesehen ist der singuläre Einfluss eines Indikators im Messmodell bei hoher Multikollinearität nicht isolierbar und die Varianz der Schätzung von dessen Einflussparameter würde gegen unendlich tendieren.590 Im Extremfall perfekter Multikollinearität ist eine Regressionsanalyse591 rechnerisch nicht durchführbar.592 Eine Möglichkeit zur Überprüfung der Multikollinearität der Indikatoren eines formativen Messmodells stellt der Varianzinflationsfaktor VIF dar. Dieser kann formal wie folgt formuliert werden:593
____________ 588
Vgl. die oben erwähnte Empfehlung, die Eliminierung formativer Indikatoren, die die Gütekriterien nicht erfüllen, durch Replikationsstudien abzusichern, vgl. Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 273. 589 Vgl. Huber et al., 2007, S. 98. 590 Vgl. Krafft et al., 2005, S. 78, und Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 272. 591 Wie in Unterkapitel 4.1.1 erläutert, basiert der PLS-Schätzalgorithmus auf dem Prinzip der multiplen Regressionsanalyse. 592 Vgl. Backhaus et al., 2008, S. 87. 593 Vgl. Huber et al., 2007, S. 99.
Gütebeurteilung der Messmodelle •
159
Varianzinflationsfaktor
(5.5)
Dabei steht R² für das Bestimmtheitsmaß, das beschreibt, inwieweit ein Indikator eines formativen Konstrukts durch die anderen Indikatoren dieses Konstrukts erklärt wird. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die erklärte Varianz auf Konstruktebene, die im Folgekapitel 5.3.1 ebenfalls mit R² bezeichnet wird. Der VIF, dessen Minimalwert 1 ist, sollte als Faustregel Werte kleiner 10 annehmen.594 Für die Berechnung des VIF wird das Bestimmtheitsmaß R² für jeden Indikator separat auf Basis einer Hilfsregressionsanalyse mit SPSS berechnet. Dabei stellt der jeweilige Indikator die abhängige Variable dar und die anderen Indikatoren des gleichen formativen Konstrukts die unabhängigen Variablen. Die Werte der linearen Regressionsanalysen sind in Tabelle 27 zusammengefasst. Für alle Indikatoren nimmt der VIF Werte kleiner 3,0 an. Es liegt also keine Multikollinearität innerhalb der Indikatoren eines formativen Messmodells vor. Abhängige Variable
Unabhängige Variablen
R²
Korrigiertes R²
Standardfehler des Schätzers
RESA1
RESA2, RESA3
0,214
0,210
1,136
RESA2
1,266
RESA1, RESA3
0,182
0,177
1,081
1,215
RESA3
RESA1, RESA2
0,185
0,181
1,069
1,221
KOST1
KOST2, KOST3, KOST4, KOST5
0,353
0,345
0,999
1,527
KOST2
KOST1, KOST3, KOST4, KOST5
0,324
0,316
1,027
1,462
KOST3
KOST1, KOST2, KOST4, KOST5
0,389
0,382
1,000
1,618
KOST4
KOST1, KOST2, KOST3, KOST5
0,335
0,326
1,022
1,484
KOST5
KOST1, KOST2, KOST3, KOST4
0,363
0,355
1,091
1,550
DIFF1
DIFF2, DIFF3, DIFF4, DIFF5
0,462
0,456
0,904
1,838
DIFF2
DIFF1, DIFF3, DIFF4, DIFF5
0,542
0,537
0,887
2,160
DIFF3
DIFF1, DIFF2, DIFF4, DIFF5
0,667
0,653
0,757
2,882
DIFF4
DIFF1, DIFF2, DIFF3, DIFF5
0,527
0,521
0,927
2,088
DIFF5
DIFF1, DIFF2, DIFF3, DIFF4
0,375
0,367
1,012
1,580
VIF
<10
Tabelle 27: Multikollinearität auf Basis VIF für Indikatoren der formativen Messmodelle595
Eine weitere Möglichkeit zur Überprüfung der Multikollinearität stellt die Untersuchung der Korrelationskoeffizienten der einzelnen Indikatoren auf Basis der Korrelationsmatrix dar. Diese erlaubt jedoch im Gegensatz zum VIF nur die Untersuchung paarweiser Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Indikatoren. Eine weitere Option stellt der Konditionsindex nach Belsley, Kuh und Welsch dar.596 Ergänzend kann eine Varianzzerlegung nach Hair et al. durchge____________ 594
Vgl. Gujarati, 2003, S. 362. Eigene Darstellung. 596 Vgl. Belsley et al., 1980, S. 117-118. 595
160
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
führt werden. 597 Da der VIF jedoch als "[…] weit verbreitetes und anerkanntes Prüfmaß […]"598 etabliert ist und sich daraus keine Ansatzpunkte in Bezug auf Multikollinearität ergeben haben, wird auf zusätzliche Prüfungen verzichtet.
Diskriminanzvalidität Ähnlich zur Prüfung der Diskriminanzvalidität bei reflektiven Messmodellen599 wird bei formativen Konstrukten geprüft, ob die gemeinsame Varianz zwischen den latenten Variablen und ihren Indikatoren größer ist als die gemeinsame Varianz mit anderen latenten Variablen. Dazu werden die Konstruktkorrelationen zwischen den latenten Variablen mit Hilfe des PLSAlgorithmus bestimmt und sollten einen Wert kleiner 0,9 aufweisen.600 Wie Tabelle 28 zeigt, liegen die maximalen Konstruktkorrelationen aller formativ operationalisierten latenten Variablen unter 0,9. Das Gütekriterium für Diskriminanzvalidität ist somit erfüllt. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass die maximalen Konstruktkorrelationen für die latenten Variablen Differenzierung (DIFF) und Kostenführerschaft (KOST) mit gerundet jeweils 0,72 verhältnismäßig hoch sind. Dabei handelt es sich um die Korrelation zwischen diesen beiden latenten Variablen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass zwischen diesen Konstrukten ein enger Zusammenhang besteht. In Unterkapitel 5.3.2 wird diese Wirkungsbeziehung genauer untersucht. Konstrukt
Maximale Konstruktkorrelation <0,9
RESA
0,105
DIFF
0,719
KOST
0,719
Tabelle 28: Größte Konstruktkorrelationen der drei formativen Messmodelle601
Externe bzw. nomologische Validität Zentrale Idee dieser Güteart ist eine externe Validierung formativer Messmodelle durch die Prüfung von Zusammenhängen mit Indikatoren anderer Variablen.602 Für die praktische Umsetzung existieren drei wesentliche Möglichkeiten:603 ____________ 597
Vgl. Hair et al., 1998, S. 220-221, zitiert nach Krafft et al., 2005, S. 80. Krafft et al., 2005, S. 79. 599 Vgl. Unterkapitel 5.2.2. 600 Vgl. Huber et al., 2007, S. 102. 601 Eigene Darstellung. 602 Vgl. hierzu auch die Aussage von Bagozzi "[…] the best we can do […] is to examine how well the index relates to measures of other variables." Bagozzi, 1994, S. 333. 603 Vgl. Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 272-274. 598
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen
161
Um einen ersten Eindruck von der Qualität der einzelnen Indikatoren zu bekommen, können die Indikatoren eines formativen Konstrukts zu einer externen Variable in Bezug gesetzt werden. Allerdings muss eine eindeutige theoretische Begründung vorliegen, warum die Indikatoren mit der externen Variable korrelieren sollten. Diamantopoulos und Winklhofer schlagen daher vor, "[…] to use as an external criterion a global item that summarizes the essence of the construct that the index purports to measure."604 Eine Alternative stellen sogenannte MIMIC (Multiple Indicators and Multiple Causes)Modelle dar. Dabei wird eine latente Variable sowohl reflektiv als auch formativ operationalisiert und die Güte des MIMIC-Modells als Hinweis für externe Validität interpretiert.605 Da dieses Verfahren in der Datenerhebung sehr aufwändig ist – die latenten Variablen müssen sowohl formativ als auch reflektiv operationalisiert und erhoben werden – wurde im vorliegenden Kontext davon abgesehen. Eine letzte Alternative ist die Prüfung der Validität des formativen Messmodells anhand des Zusammenhangs zwischen dem formativen Konstrukt und einer anderen latenten Variable innerhalb des Modells. Der analysierte Wirkungszusammenhang muss dabei theoretisch begründet und empirisch belegt sein. Im vorliegenden Kontext sind sämtliche Beziehungen auf Strukturmodellebene theoretisch fundiert. Zusätzlich sind die Zusammenhänge zwischen den Konstrukten teilweise auch empirisch belegt.606 Wie im Folgekapitel 5.3.1 gezeigt wird, bestätigten die erhobenen Daten die auf dieser Basis postulierten Wirkungszusammenhänge weitgehend. Die Ergebnisse der Strukturmodellprüfung können also als Beleg für die nomologische Validität der Konstrukte angeführt werden. Die Prüfung der formativen Messmodelle ist damit abgeschlossen. Den verwendeten Messmodellen kann eine ausreichende Güte beschieden werden.
5.3 Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen 5.3.1 Wirkungszusammenhänge im Strukturmodell Nachdem in den Unterkapiteln 5.2.2 und 5.2.3 die Eignung der reflektiven und formativen Messmodelle überprüft und bestätigt wurde, ist das Ziel dieses Unterkapitels die Gütebeurteilung auf Strukturmodellebene. Die folgenden Unterkapitel 5.3.2 und 5.3.3 fassen darauf aufbauend Untersuchungen zu Modellmodifikationen zusammen bzw. stellen Auswertungen der Dyaden und ergänzende Analysen vor. Auch diese Unterkapitel sind – wie das gesamte Kapi____________ 604
Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 272. Vgl. Diamantopoulos und Winklhofer, 2001, S. 272-273. Hier ist auch die alternative Operationalisierung des MIMIC-Modells als Zwei-Konstrukt-Modell beschrieben, da nicht alle Softwareprogramme eine MIMICModellprüfung unterstützen. 606 Zur theoretischen und empirischen Fundierung der Zusammenhänge vgl. Unterkapitel 4.2.3. 605
162
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
tel 5 – methodisch-technisch orientiert. Eine inhaltliche Interpretation der Ergebnisse findet in Kapitel 6 statt. Das methodische Vorgehen zur Analyse des Strukturmodells orientiert sich wiederum an dem Vorschlag von Krafft et al.607 Die wesentlichen Gütearten sowie Methoden bzw. Kriterien sind in Tabelle 29 zusammengefasst und werden im Folgenden erläutert und angewandt. Gütearten
Definition
Methoden (Kriterien)
Ausmaß und Signifikanz der Pfadkoeffizienten
Stärke der Wirkungsbeziehung zwischen den Konstrukten
• Interpretierbar als "standardisierte Betas" • Überprüfung der Reliabilität anhand der t-Statistik (Resampling-Prozedur)
Bestimmtheitsmaß
Anteil der erklärten Varianz des Konstrukts
• Interpretierbar wie bei multipler Regression
Substanzieller Erklärungsbeitrag
Substanzieller Einfluss der exogenen Variablen auf die endogenen Variablen
• Effektgröße:
Prognoserelevanz
Anpassung des Modells an die empirischen Daten
• Stone-Geisser-Test-Kriterium: ݇ ݆݇ ݇
݆݇
Tabelle 29: Gütearten und Methoden zur Beurteilung des Strukturmodells608
Ausmaß und Signifikanz der Pfadkoeffizienten Zunächst sind die Modellverbindungen auf Signifikanz zu prüfen, um eine Aussage über die Bestätigung oder Ablehnung der Modellhypothesen machen zu können. 609 Dies erfolgt mit Hilfe des Ausmaßes und der Signifikanz der Pfadkoeffizienten zwischen den latenten Konstrukten. Dabei gelten folgende Kriterien bzw. Grenzwerte: •
Die Pfadkoeffizienten sollten einen Wert von 0,1 überschreiten und das zuvor postulierte Vorzeichen (positiver bzw. negativer Einfluss auf das unabhängige Konstrukt) aufweisen.610
•
Die Pfadkoeffizienten sollten signifikant auf einem Niveau von mindestens Į = 0,05 sein. Hierfür gelten die Grenzwerte für den zweiseitigen t-Test ( 1,960 bis < 2,576 für ein Signifikanzniveau von Į = 0,05, 2,576 bis < 3,291 für ein Niveau von Į = 0,01 und 3,291 für ein Į = 0,001). Die Werte werden auf Basis der BootstrappingProzedur ermittelt.611
____________ 607
Vgl. Krafft et al., 2005, S. 83-85, auf Basis von Götz und Liehr-Gobbers, 2004, S. 23-25. Vgl. Krafft et al., 2005, S. 85. Die angegebenen Formeln werden im Folgenden erläutert. 609 Vgl. Huber et al., 2007, S. 104. 610 Vgl. Huber et al., 2007, S. 104. 611 Zur Bootstrapping-Prozedur vgl. Unterkapitel 5.2.1. 608
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen
163
Die Ergebnisse für alle 18 Hypothesen sind in Tabelle 30 zusammengefasst und werden im Folgenden vom methodisch-technischen Standpunkt aus kurz diskutiert. #
Hypothese
Pfadkoeffizient >0,1
t-Wert
Ergebnis
>0,198
Effektgröße f² >0,02
1.1
Je größer die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA), desto intensiver steuert der Abnehmer die Eigenoptimierung des Lieferanten durch Zielvorgaben (EIGO).
0,093
1,700
0,010
Abgelehnt
1.2
Je größer die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA), desto intensiver berät und schult der Abnehmer den Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte (GEMO).
0,094
1,726
0,009
Abgelehnt
1.3
Je größer die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA), desto intensiver unterstützt der Abnehmer den Lieferanten finanziell bzw. beteiligt sich am Lieferantenunternehmen (FINU).
0,060
1,006
0,003
Abgelehnt
2.1
Je größer die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL), desto intensiver steuert der Abnehmer die Eigenoptimierung des Lieferanten durch Zielvorgaben (EIGO).
0,180
2,878
0,031
Bestätigt
2.2
Je größer die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL), desto intensiver berät und schult der Abnehmer den Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte (GEMO).
0,263
5,349
0,071
Bestätigt
2.3
Je größer die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL), desto intensiver unterstützt der Abnehmer den Lieferanten finanziell bzw. beteiligt sich am Lieferantenunternehmen (FINU).
0,151
2,762
0,021
Bestätigt
3.1
Je höher die Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA), desto intensiver steuert er die Eigenoptimierung des Lieferanten durch Zielvorgaben (EIGO).
0,276
6,258
0,092
Bestätigt
3.2
Je höher die Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA), desto intensiver berät und schult er den Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte (GEMO).
0,159
3,419
0,028
Bestätigt
4.1
Je höher die Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL), desto intensiver steuert der Abnehmer die Eigenoptimierung des Lieferanten durch Zielvorgaben (EIGO).
0,180
3,680
0,040
Bestätigt
164
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
4.2
Je höher die Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL), desto weniger intensiv berät und schult der Abnehmer den Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte (GEMO).
0,056
1,082
0,004
Abgelehnt
5.1
Je größer die Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA), desto intensiver steuert er die Eigenoptimierung des Lieferanten durch Zielvorgaben (EIGO).
0,112
2,321
0,021
Bestätigt
5.2
Je größer die Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA), desto intensiver berät und schult er den Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte (GEMO).
0,112
1,990
0,030
Bestätigt
5.3
Je größer die Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA), desto intensiver unterstützt er den Lieferanten finanziell bzw. beteiligt sich am Lieferantenunternehmen (FINU).
0,099
1,615
0,010
Abgelehnt
6.1
Je intensiver der Abnehmer die Eigenoptimierung von Lieferanten durch Zielvorgaben steuert (EIGO), desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit durch Differenzierung vom Wettbewerb (DIFF).
0,201
1,966
0,022
Bestätigt
6.2
Je intensiver der Abnehmer die Eigenoptimierung von Lieferanten durch Zielvorgaben steuert (EIGO), desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit durch Kostenführerschaft (KOST).
0,290
4,850
0,071
Bestätigt
7.1
Je intensiver der Abnehmer Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte berät und schult (GEMO), desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit durch Differenzierung vom Wettbewerb (DIFF).
0,255
2,824
0,037
Bestätigt
7.2
Je intensiver der Abnehmer Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte berät und schult (GEMO), desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit durch Kostenführerschaft (KOST).
0,245
4,269
0,049
Bestätigt
8
Je intensiver der Abnehmer Lieferanten finanziell unterstützt bzw. sich an Lieferantenunternehmen beteiligt (FINU), desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit durch Differenzierung vom Wettbewerb (DIFF).
0,081
1,367
0,006
Abgelehnt
Tabelle 30: Pfadkoeffizienten, Signifikanz und Effektgrößen des Strukturmodells 612
____________ 612
Eigene Darstellung.
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen
165
Insgesamt werden 12 der 18 Hypothesen auf einem Signifikanzniveau von mindestens Į = 0,05 bestätigt: Sechs Hypothesen – 2.2, 3.1, 3.2, 4.1, 6.2 und 7.2 – werden auf einem Signifikanzniveau von Į = 0,001 bestätigt. Drei Hypothesen – 2.1, 2.3 und 7.1 – werden auf einem Niveau von Į = 0,01 bestätigt. Drei weitere Hypothesen – 5.1, 5.2 und 6.1 – werden auf einem Niveau von Į = 0,05 bestätigt. Die übrigen sechs Hypothesen – 1.1, 1.2, 1.3, 4.2, 5.3 und 8 – werden abgelehnt. Weder der Wert der Pfadkoeffizienten noch die zugehörigen t-Werte erreichen die erforderlichen Grenzwerte. Abbildung 23 visualisiert diese Zusammenhänge zum besseren Verständnis. Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO)
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA) Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL) Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
Differenzierung (DIFF) 0,159***
Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
Option III: Finanzielle Unterstützung/ Beteiligung (FINU)
Signifikant auf einem Niveau von Į = 0,05 (*); 0,01 (**); 0,001 (***)
Kostenführerschaft (KOST)
Nicht signifikant
Abbildung 23: Pfadmodell inklusive Ausmaß und Signifikanz der Pfadkoeffizienten613
Ergänzend können mit Hilfe des Ausmaßes und der Signifikanz der Pfadkoeffizienten sogenannte indirekte Effekte berechnet werden.614 Von einem indirekten Effekt spricht man, wenn eine antezedente latente Variable über eine zwischengelagerte latente Variable auf eine nachgelagerte latente Variable wirkt. Im vorliegenden Fall wirken die fünf Rahmenbedingungen ABHA, ABHL, MEKA, MEKL und RESA über die drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung EIGO, GEMO und FINU indirekt auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers im Sinne DIFF und KOST. Indirekte Effekte werden durch Multiplikation der Pfadkoeffizienten zwischen der vor- und der zwischengelagerten sowie der zwischen- und der nachgelagerten latenten Variable miteinander berechnet. Dabei sind nicht signifikante Pfade mit null zu be____________ 613 614
Eigene Darstellung. Vgl. hierzu und im Folgenden Huber et al., 2007, S. 116-117.
166
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
werten. Existieren – wie im vorliegenden Fall – mehrere indirekte Verbindungen, so sind die multiplen indirekten Effekte zu addieren, um den gesamten indirekten Effekt zu erhalten. Tabelle 31 fasst die indirekten Effekte für das Strukturmodell zusammen. Indirekte Beziehung
Indirekter Effekt via
EIGO
GEMO
FINU
ABHA ĺ EIGO/GEMO/FINU ĺ DIFF
0
0
0
0
ABHA ĺ EIGO/GEMO/FINU ĺ KOST
0
0
0
0
ABHL ĺ EIGO/GEMO/FINU ĺ DIFF
0,036
0,067
0
0,103
ABHL ĺ EIGO/GEMO/FINU ĺ KOST
0,052
0,064
0
0,117
MEKA ĺ EIGO/GEMO/FINU ĺ DIFF
0,055
0,040
0
0,096
MEKA ĺ EIGO/GEMO/FINU ĺ KOST
0,080
0,039
0
0,119
MEKL ĺ EIGO/GEMO/FINU ĺ DIFF
0,036
0
0
0,036
MEKL ĺ EIGO/GEMO/FINU ĺ KOST
0,052
0
0
0,052
RESA ĺ EIGO/GEMO/FINU ĺ DIFF
0,032
0,027
0
0,060
RESA ĺ EIGO/GEMO/FINU ĺ KOST
0,023
0,029
0
0,051
Tabelle 31: Indirekte Effekte im Strukturmodell615
Wie aus Tabelle 31 ersichtlich, ist das Ausmaß der indirekten Effekte mit Werten um 0,1 teilweise durchaus beachtlich. Für eine inhaltliche Interpretation dieser Erkenntnis sei auf Unterkapitel 6.3.2 verwiesen. Im Folgenden wird die Güte des Strukturmodells beurteilt. Aufgrund der wenig restriktiven Verteilungsannahmen des PLS-Schätzalgorithmus können – anders als bei kovarianzbasierten Verfahren der Strukturgleichungsmodellierung – im Rahmen des PLS-Verfahrens keine inferenzstatistischen Tests zur Messung der Gesamtgüte des Modells durchgeführt werden. 616 Stattdessen steht eine Reihe von nichtparametrischen Tests bzw. Kriterien zur Verfügung, um die Güte des Modells auf Einzelkonstrukt- bzw. Einzelpfadebene zu beurteilen. Diese werden im Folgenden erläutert und – soweit die Voraussetzungen gegeben sind – angewendet.
Bestimmtheitsmaß Das Bestimmtheitsmaß R² gibt den Anteil der Varianz einer endogenen latenten Variablen an, der durch die vorgelagerten Konstrukte erklärt wird. Damit lässt sich eine Aussage treffen, wie gut die im Modell ausgewählten, vorgelagerten Konstrukte die jeweilige endogene Variable erklären.617 Das Bestimmtheitsmaß R² ist eine normierte Größe, die Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann.618 Je größer R², desto höher der Anteil der erklärten Varianz. Laut Backhaus ____________ 615
Eigene Darstellung; Werte gerundet. Vgl. Unterkapitel 4.1.2. 617 Vgl. Huber et al., 2007, S. 107. 618 Vgl. Backhaus et al., 2008, S. 70. 616
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen
167
et al. lassen sich allerdings keine allgemeingültigen Aussagen darüber machen, ab welcher Höhe ein R² als gut zu betrachten ist.619 Chin bezeichnet beispielsweise R²-Werte von 0,67, 0,33 und 0,19 als substanziell, moderat bzw. schwach.620 Mehrere Autoren empfehlen, dass die erklärte Varianz 0,30 übersteigen sollte.621 Wie in Tabelle 32 dargestellt, liegt das Bestimmtheitsmaß der endogenen Variablen mit Ausnahme von FINU zwischen 1,84 und 2,86. Die Erklärungskraft der vorgelagerten Konstrukte ist also schwach bis leicht moderat. Dies ist ein Hinweis darauf, dass zur Erklärung, ob bzw. wie intensiv Unternehmen strategische Lieferantenentwicklung betreiben, noch andere Rahmenbedingungen bzw. Gründe eine Rolle spielen. Gleichermaßen sind zur Erklärung einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch Differenzierung bzw. Kostenführerschaft mit Hilfe von strategischer Lieferantenentwicklung weitere Faktoren in das Modell einzubeziehen. Eine Ausnahme bildet das Konstrukt, das die finanzielle Unterstützung bzw. Beteiligung des Abnehmers repräsentiert (FINU). Für dieses beträgt das Bestimmtheitsmaß nur 0,045, womit die vorgelagerten Konstrukte quasi keinen Beitrag zur Erklärung dieses Konstrukts leisten. Dies ist allerdings keine Überraschung, da bis auf eine Ausnahme alle Pfade zu dieser latenten Variable nicht signifikant sind. Die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) leistet demnach nur einen minimalen Beitrag zur Erklärung, ob bzw. wie intensiv ein Abnehmer ausgewählte Lieferanten finanziell unterstützt oder sich an diesen Unternehmen beteiligt. Endogene latente Variablen
Bestimmtheitsmaß R² Stone-Geissers Q² (Redundanz) Keine allgemeine Aussage möglich > 0 (Daumenregel: > 0,3 bzw. > 0,19)
EIGO
0,286
0,012
GEMO
0,256
0,014
FINU
0,045
0,006
DIFF
0,184
KOST
0,223
Voraussetzungen (reflektive Spezifizierung) nicht erfüllt
Tabelle 32: Gütekriterien für die exogenen latenten Variablen622
Substanzieller Erklärungsbeitrag In Ergänzung zum Bestimmtheitsmaß R² der endogenen latenten Variablen zeigt die Veränderung von R² mit oder ohne Berücksichtigung einer ausgewählten vorgelagerten latenten Variablen an, ob diese einen maßgeblichen Einfluss auf die endogene latente Variable ausübt. Zur
____________ 619
Vgl. Backhaus et al., 2003, S. 96. Vgl. Chin, 1998b, S. 323. 621 Vgl. z.B. Huber et al., 2007, S. 107, oder Henseler et al., 2009, S. 303. 622 Eigene Darstellung. 620
168
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Berechnung schlägt Cohen die sogenannte Effektgröße
vor, die formal wie folgt formuliert
werden kann:623 •
Effektgröße: Dabei ist
మ
మ ೣ మ
(5.6)
das Bestimmtheitsmaß der abhängigen latenten Variablen, wenn die
vorgelagerte latente Variable Teil des Strukturmodells ist.
ist entsprechend das
Bestimmtheitsmaß der abhängigen latenten Variablen, wenn die kausal vorgelagerte latente Variable nicht Teil des Strukturmodells ist. Werte für
von 0,02, 0,15 bzw. 0,35 deuten darauf hin, dass das betrachtete exogene Kon-
strukt einen schwachen, moderaten bzw. substanziellen Einfluss auf die mit ihr in Beziehung stehende endogene latente Variable ausübt.624 Wie Tabelle 30 oben aufzeigt, liegen die Werte für die Effektgröße
für die bestätigten Hy-
pothesen zwischen 0,021 und 0,092. Die vorgelagerten Konstrukte üben demnach einen schwachen Einfluss auf die endogenen latenten Variablen aus. Diese Werte sind konsistent mit den geringen Werten für das Bestimmtheitsmaß R² und den Schlussfolgerungen daraus.
Prognoserelevanz Die Prognoserelevanz von endogenen, reflektiven latenten Variablen kann mit Hilfe des nichtparametrischen Stone-Geisser Q² (Redundanz) überprüft werden.625 Wie oben erläutert wird dieses Gütekriterium mit Hilfe der Blindfolding-Prozedur ermittelt und gibt an, wie gut die empirisch erhobenen Daten auf Basis des Modells und der PLS-Parameter rekonstruiert werden können.626 Der Wert von Stone-Geissers Q² (Redundanz) sollte über null liegen. Allerdings kann die Vorhersagevalidität auf Strukturmodellebene nach Stone-Geisser nur für reflektive endogene Messmodelle geprüft werden.627 Da die Rahmenbedingungen exogene latente Variablen darstellen und die beiden Konstrukte zur Erfassung des Einflusses strategischer Lieferantenentwicklung auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers formativ operationalisiert wurden, sind nur für die drei Konstrukte EIGO, GEMO und FINU die Voraussetzungen für eine Anwendung gegeben. Wie in Tabelle 32 oben dargestellt, ergeben sich mit 0,012, 0,014 und 0,006 jeweils Werte knapp oberhalb des Grenzwerts von null. Damit kann den drei latenten Variablen Prognoserelevanz beschieden werden. ____________ 623
Vgl. Cohen, 1988, S. 410-413. Nomenklatur gemäß Krafft et al., 2005, S. 84. Vgl. Chin, 1998b, S. 317. 625 Je nach Art der Schätzung lassen sich unterschiedliche Werte für Stone-Geissers Q² berechnen, vgl. Chin, 1998b, S. 318. Zur sprachlichen Präzisierung wird daher der Zusatz "Redundanz" verwendet. 626 Vgl. Unterkapitel 5.2.2 und die dort angegebenen Quellen. An dieser Stelle ist auch die Formel zur Berechnung von Stone-Geissers Q² (Kommunalität/Redundanz) erläutert. 627 Vgl. Huber et al., 2007, S. 107. 624
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen
169
Damit ist die Prüfung des Strukturmodells abgeschlossen. Insgesamt können 12 der 18 Hypothesen auf einem Signifikanzniveau von mindestens Į = 0,05 bestätigt werden. Sechs Hypothesen wurden abgelehnt. Allerdings ist der Anteil der erklärten Varianz der endogenen Variablen durch die vorgelagerten Konstrukte nur schwach bis leicht moderat. Analog ist auch der Erklärungsbeitrag der einzelnen vorgelagerten latenten Variablen nur schwach. Dies ist ein Hinweis, dass neben den berücksichtigten Faktoren noch weitere in das Modell einbezogen werden sollten. Im folgenden Unterkapitel werden daher einige – theoretisch bzw. plausibel begründbare – Modifikationen des Modells vorgestellt.
5.3.2 Modifikationen des Strukturmodells Ziel dieses Unterkapitels ist die Untersuchung ausgewählter Modifikationen des in Unterkapitel 5.3.1 untersuchten Strukturmodells. Hierzu werden die beiden im Folgenden aufgelisteten Modifikationen inhaltlich begründet und beurteilt. Eine inhaltliche Diskussion findet im Kontext der Interpretation des Modells in Kapitel 6 statt. •
Modifikation I: Eskalationszusammenhang zwischen den drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung
•
Modifikation II: Zusammenfassung der latenten Variablen Differenzierung (DIFF) und Kostenführerschaft (KOST) zu einem Konstrukt zweiter Ordnung
Modifikation I: Eskalationszusammenhang zwischen den drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung Wie in Unterkapitel 4.2.2 erwähnt, ist ein Eskalationszusammenhang zwischen den drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung denkbar. So könnte Option I – die Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO) – als Basisoption verstanden werden, mit deren Hilfe ein Großteil der Lieferanten eines Abnehmers indirekt entwickelt wird. Dies ist für den Abnehmer mit relativ geringem Aufwand verbunden. Aufbauend auf der indirekten Entwicklung von Lieferanten könnten mit ausgewählten Lieferanten gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO) durchführt werden. Diese mit erhöhtem Aufwand für den Abnehmer verbundene Form strategischer Lieferantenentwicklung würde bei solchen Lieferanten angewandt, die im Rahmen der Bewertung für Option I als besonders entwicklungswürdig identifiziert werden. In einer dritten Ausbaustufe könnten ausgewählte Lieferanten auch finanziell unterstützt bzw. eine Beteiligung an diesen Unternehmen realisiert werden (FINU). Wie in Unterkapitel 2.2.1 dargestellt, ist ein Eskalationszusammenhang zwischen verschiedenen Lieferantenentwicklungsaktivitäten empirisch belegt.628 Exemplarisch sei die Studie von Modi und Mabert erwähnt, die unter anderem einen positiven Zusammenhang zwischen einer ____________ 628
Vgl. die in Tabelle 4 aufgelisteten empirischen Befunde sowie die ergänzenden Erläuterungen.
170
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
regelmäßigen Bewertung und Zertifizierung von Lieferanten und operativen Wissenstransferaktivitäten wie Schulungsprogrammen und Vor-Ort-Besuchen nachweist.629 Daher soll als erste Modifikation ein Eskalationszusammenhang zwischen den drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung untersucht werden. Konkret werden in das ursprüngliche Modell zwei zusätzliche Pfade integriert: Erstens wird die Hypothese aufgestellt, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Option I (EIGO) und Option II (GEMO) strategischer Lieferantenentwicklung existiert. Zweitens soll die Hypothese geprüft werden, dass auch zwischen Option II (GEMO) und Option III (FINU) ein derartiger Zusammenhang besteht. Abbildung 24 bildet das veränderte Strukturmodell ab und fasst die Pfadkoeffizienten sowie deren Signifikanz zusammen. Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO)
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA)
0,507***
0,025
Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL) Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO) 0,200***
Option III: Finanzielle Unterstützung/ Beteiligung (FINU)
Signifikant auf einem Niveau von Į = 0,05 (*); 0,01 (**); 0,001 (***)
Differenzierung (DIFF)
Kostenführerschaft (KOST)
Nicht signifikant
630
Abbildung 24: Modellmodifikation I – Pfadmodell
Wie aus Abbildung 24 erkennbar, übersteigen die Pfadkoeffizienten für die Zusammenhänge zwischen Option I und II sowie Option II und III den geforderten Mindestwert von 0,1 deutlich. Gleichzeitig sind die Verbindungen signifikant auf einem Niveau von Į = 0,001. Der Eskalationszusammenhang zwischen den drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung wird also empirisch gestützt.
____________ 629 630
Vgl. Modi und Mabert, 2007, S 51-53. Eigene Darstellung.
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen
171
Allerdings führt die Einführung der beiden zusätzlichen Pfade zu Veränderungen bei den bestehenden Verbindungen. So haben sich die Pfadkoeffizienten und deren Signifikanz im Modell verändert, wenn auch in den meisten Fällen nur in geringem Maße. Deutliche Veränderungen treten an drei Stellen auf: Die Beziehung zwischen der Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) und strategischer Lieferantenentwicklung gemäß Option III (FINU) ist nicht mehr – wie im ursprünglichen Strukturmodell – signifikant. Gleiches gilt für die Beziehungen zwischen Methodenkompetenz (MEKA) bzw. Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA) und strategischer Lieferantenentwicklung durch gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO). Die Gütekriterien auf Strukturmodellebene für Modellmodifikation I sind in Tabelle 33 dargestellt. Endogene latente Variablen
Bestimmtheitsmaß R² Stone-Geissers Q² (Redundanz) Keine allgemeine Aussage möglich > 0 (Daumenregel: > 0,3 bzw. > 0,19)
EIGO
0,276
0,012
GEMO
0,363
0,010
FINU
0,078
0,004
DIFF
0,176
KOST
0,215
Voraussetzungen (reflektive Spezifizierung) nicht erfüllt
Tabelle 33: Modellmodifikation I – Gütekriterien für die endogenen latenten Variablen631
Insgesamt haben sich diese mit einer Ausnahme nur geringfügig verändert. Mit Blick auf die Werte für das Bestimmtheitsmaß R² muss konstatiert werden, dass die Erklärungskraft der den Konstrukten vorgelagerten latenten Variablen weiterhin nur schwach bis leicht moderat ist. Eine Ausnahme bildet das Konstrukt GEMO. Dessen Bestimmtheitsmaß liegt mit 0,363 mehr als 0,1 über dem ursprünglichen Wert. Damit kann der Erklärungsbeitrag der dem Konstrukt GEMO vorgelagerten latenten Variablen im modifizierten Strukturmodell nach Chin als "moderat" bezeichnet werden.632 Die Werte von Stone-Geissers Q² (Redundanz) sind nur minimal verändert und liegen oberhalb des Grenzwertes von null. Modifikation II: Zusammenfassung der latenten Variablen Differenzierung (DIFF) und Kostenführerschaft (KOST) zu einem Konstrukt zweiter Ordnung Wie bei der Überprüfung der Diskriminanzvalidität in Unterkapitel 5.2.3 festgestellt wurde, ist die maximale Konstruktkorrelation der beiden latenten Variablen DIFF und KOST mit jeweils 0,72 sehr hoch. Da es sich um die Korrelation zwischen diesen beiden latenten Variablen handelt, ist dies eine Indikation, dass zwischen den Konstrukten ein enger Zusammenhang besteht. ____________ 631 632
Eigene Darstellung. Chin bezeichnet beispielsweise R²-Werte von 0,67, 0,33 und 0,19 als substanziell, moderat bzw. schwach, vgl. Chin, 1998b, S. 323.
172
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Aus theoretischer Perspektive ist diese Beziehung nicht überraschend. Zwar schließen sich nach Porter die beiden generischen Wettbewerbsstrategien Differenzierung und Kostenführerschaft gegenseitig aus.633 Allerdings wird diese Meinung von einer Vielzahl von Autoren kritisiert. Da zudem zahlreiche Beispiele von Unternehmen existieren, die gerade eine Kombination aus Kostenführerschaft und Differenzierung erfolgreich macht, kann das Postulat einer Unvereinbarkeit der generischen Wettbewerbsstrategien Differenzierung und Kostenführerschaft als obsolet angesehen werden.634 Im Kontext strategischer Lieferantenentwicklung stützt die vorliegende Umfrage ebenfalls den Dualismus aus Kostensenkung und Differenzierung. Wie in Unterkapitel 6.3.1 gezeigt wird, verfolgen die befragten Abnehmer mit ihren Lieferantenentwicklungsaktivitäten sowohl Kostensenkungsziele als auch Differenzierungsziele. Eine Möglichkeit, derartige Zusammenhänge in Strukturgleichungsmodellen abzubilden, stellen mehrdimensionale Konstrukte dar, die auch als (mehrdimensionale) Konstrukte zweiter Ordnung bezeichnet werden.635 Jarvis et al. differenzieren vier Typen von Konstrukten zweiter Ordnung, je nach dem welche Beziehung (reflektiv bzw. formativ) zwischen den Indikatoren und den Konstrukten erster Ordnung sowie den Konstrukten erster Ordnung und dem Konstrukt zweiter Ordnung vorliegt.636 Im vorliegenden Fall sind die beiden latenten Variablen Differenzierung (DIFF) und Kostenführerschaft (KOST) formativ operationalisiert. 637 Gleichzeitig bilden Differenzierung und Kostenführerschaft zwei unterschiedliche Dimensionen bzw. Facetten eines hypothetischen, übergeordneten Konstrukts "Wettbewerbsfähigkeit", im Folgenden mit "WETT" abgekürzt. Mithin wird die Beziehung zwischen den beiden Konstrukten erster Ordnung DIFF und KOST und dem Konstrukt zweiter Ordnung WETT ebenfalls formativ spezifiziert. Gemäß der Nomenklatur von Jarvis et al. liegt damit ein mehrdimensionales Konstrukt zweiter Ordnung von Typ IV vor, beide Ebenen des Konstrukts sind also formativ spezifiziert. Ein einfaches Verfahren zur Berechnung von formativ-formativ spezifizierten Konstrukten zweiter Ordnung stellt der Repeated Indicators Approach gemäß Wold dar, für den auch die Bezeichnung Hierarchical Component Model gebräuchlich ist. 638 Dieser kann angewendet werden, wenn die Messmodelle aller Dimensionen die gleiche Anzahl von Indikatoren aufweisen, weil nur so eine implizite Gewichtung der Konstrukte vermieden wird. Da die Messmodelle für Differenzierung (DIFF) und Kostenführerschaft (KOST) jeweils fünf Indikatoren um-
____________ 633
Porter, 1980, S. 42. Vgl. Grant, 2005, S. 242-244. 635 Für eine Einführung zu mehrdimensionalen Konstrukten vgl. den Beitrag von Giere et al., 2006. 636 Vgl. Jarvis et al., 2003, S. 205. Ergänzend sei auf die Argumentation von Albers und Götz hingewiesen, dass die Typen I und III mehrdimensionaler Konstrukte in der betriebswirtschaftlichen Forschung nicht sinnvoll sind, vgl. Albers und Götz, 2006, S. 672-673. 637 Vgl. Unterkapitel 4.3.2. 638 Vgl. Giere et al., 2006, S. 688, und die dort angegebenen Quellen. 634
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen
173
fassen, ist diese Voraussetzung gegeben. Abbildung 25 visualisiert das veränderte Pfadmodell und gibt einen Überblick über Pfadkoeffizienten und zugehörige Signifikanzniveaus. Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO)
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA) Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL) Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
0,159***
Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
0,227***
Konstrukt 2. Ordnung: Wettbewerbsfähigkeit (WETT)
Option III: Finanzielle Unterstützung/ Beteiligung (FINU)
Signifikant auf einem Niveau von Į = 0,05 (*); 0,01 (**); 0,001 (***)
Nicht signifikant
639
Abbildung 25: Modellmodifikation II – Pfadmodell
Wie Abbildung 25 zeigt, besteht ein positiver Zusammenhang zwischen den Optionen I (EIGO) bzw. II (GEMO) strategischer Lieferantenentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit (WETT) des Abnehmers. Beide Pfadkoeffizienten liegen mit 0,289 und 0,227 deutlich über dem Mindestwert von 0,1 und sind signifikant auf einem Niveau von Į = 0,001. Die Verbindung zwischen den Konstrukten Finanzielle Unterstützung/Beteiligung (FINU) und der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers (WETT) ist nicht signifikant. Alle anderen Pfadkoeffizienten haben sich – wenn überhaupt – nur im Bereich der dritten Nachkommastelle verändert. Für die Signifikanzniveaus dieser Pfade ergeben sich ebenfalls keine Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Modell. Damit sind die Werte konsistent mit dem Ausmaß und der Signifikanz der Pfadkoeffizienten des ursprünglichen Modells. Tabelle 34 gibt das Bestimmtheitsmaß und das Stone-Geisser-Kriterium (Redundanz) für die endogenen Konstrukte an. Auch hier ergeben sich keine wesentlichen Änderungen im Hinblick auf die Werte des ursprünglichen Modells.
____________ 639
Eigene Darstellung.
174
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
Endogene Konstrukte
Bestimmtheitsmaß R² Stone-Geissers Q² (Redundanz) Keine allgemeine Aussage möglich > 0 (Daumenregel: > 0,3 bzw. > 0,19)
EIGO
0,287
0,012
GEMO
0,256
0,014
FINU
0,044
0,006
WETT
0,216
Voraussetzungen nicht erfüllt
Tabelle 34: Modellmodifikation II – Gütekriterien für die endogenen latenten Variablen640
Damit stützt das Modell gemäß Modifikation II die Aussagen und Erkenntnisse aus dem ursprünglichen Modell. Gleichzeitig impliziert es den inhaltlichen Nachteil, dass keine differenzierte Bewertung der Erfolgswirkung der Optionen strategischer Lieferantenentwicklung vorgenommen werden kann, da die beiden Dimensionen Differenzierung und Kostenführerschaft zu einem Konstrukt verschmolzen wurden. Zur Vermeidung des Problems der Multikollinearität wäre aus methodischer Sicht auch eine Zusammenfassung der manifesten Variablen der Konstrukte Differenzierung (DIFF) und Kostenführerschaft (KOST) zu einer latenten Variablen möglich. Allerdings wird davon abgesehen, da sich dies aus Sicht des Autors nur schwer theoretisch bzw. inhaltlich begründen lässt Natürlich stellen die beiden vorgestellten Modifikationen bei weitem nicht alle theoretisch oder logisch begründbaren Modifikationen des ursprünglichen Modells dar. Beispielsweise wäre auch eine Modellierung der Rahmenbedingungen als Moderatoren der Beziehungen zwischen den drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und deren Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers im Sinne einer Differenzierung bzw. Kostenführerschaft denkbar. Im Hinblick auf die Datenbasis wäre zudem ein Gruppenvergleich der drei untersuchten Industrien interessant. Auch ein Vergleich größerer und kleinerer Unternehmen wäre denkbar. Da diese Modifikationen und Gruppenvergleiche im Hinblick auf die im Einführungskapitel erläuterten Forschungsfragen jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit sind, wird von weiteren Auswertungen abgesehen. Vielmehr wird im folgenden Unterkapitel 5.3.3 eine Auswertung der Dyaden vorgenommen, die Aussagen der Abnehmer werden also mit denen der Lieferanten kontrastiert.
5.3.3 Auswertung der Dyaden Ziel dieses Unterkapitels ist die Kontrastierung der Aussagen der Abnehmer im Hinblick auf bestimmte Lieferanten mit den Aussagen der jeweiligen Lieferanten ("matched pair"). Hierzu werden die Aussagen beider Parteien in Bezug auf die in das Strukturgleichungsmodell eingeflossenen Indikatoren auf signifikante Unterschiede hin untersucht. Weitere Auswertungen und ____________ 640
Eigene Darstellung.
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen
175
Vergleiche von Abnehmer- und Lieferantenantworten finden sich darüber hinaus in Kapitel 6 im Rahmen der Interpretation der Studienergebnisse. Wie in Unterkapitel 5.1.1 dargestellt, wurden neben der Befragung der Abnehmer zu insgesamt 400 Lieferanten auch etwa 10 Prozent dieser Lieferanten interviewt. Diese 38 "matched pair"-Datensätze erlauben eine Kontrastierung der Aussagen der Abnehmer mit den Aussagen der zugehörigen Lieferanten. Dass Lieferantenaussagen eine sehr wertvolle zusätzliche Informationsquelle darstellen, unterstreichen auch Gulati und Sytch im Zuge ihrer Untersuchung der Einkaufsbeziehung zwischen zwei Autoherstellern und ihren Lieferanten: "Given that our data were collected on only one side of the dyadic relationship, a more complete picture of interdependence and its consequences would be created if data from both sides of the dyad were collected. This does pose significant logistical challenges, but the payoffs for someone who can overcome them would be huge."641 Den 38 befragten Lieferanten wurden mit Ausnahme der Fragen zur Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA) alle Indikatorfragen des Modelles der strategischen Lieferantenentwicklung gestellt.642 Damit kann die Selbstwahrnehmung der Abnehmer mit der Fremdwahrnehmung durch diese Lieferanten in Bezug auf Rahmenbedingungen, strategische Lieferantenentwicklung sowie deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers verglichen werden. Konkret werden die Aussagen der 38 Lieferanten mit den Aussagen der zugehörigen 38 Abnehmer kontrastiert. 643 Entsprechend handelt es sich um eine verbundene bzw. gepaarte Stichprobe. Geprüft werden soll, inwieweit die Aussagen von Abnehmern und Lieferanten übereinstimmen. Zur Überprüfung verbundener Mittelwertdifferenzen bietet sich der t-Test für zwei abhängige bzw. gepaarte Stichproben an.644 Wesentliche Voraussetzung für die Anwendung dieses Tests ist das Vorliegen einer Normalverteilung. Auf Basis der Shapiro-Wilk-Statistik645 muss jedoch die Nullhypothese einer Normalverteilung für fast alle Indikatorfragen verworfen werden.646 Da die Stichprobengröße mit 38 Paaren unter 50 liegt, wird statt des t-Tests für gepaarte Stich-
____________ 641
Gulati und Sytch, 2007, S. 64. Da die Ressourcenausstattung des Abnehmers für strategische Lieferantenentwicklung insgesamt von Lieferanten nur unzureichend beurteilt werden kann, wurde auf die entsprechenden Indikatorfragen im Lieferantenfragebogen verzichtet. 643 Je nach Fragestellung variiert die Stichprobengröße: Auf Lieferantenseite dienen die 38 Fragebögen als Basis. Da sich die Analysen nur auf einzelne Fragestellungen beziehen, erfolgt bewusst keine Bereinigung um partiell unvollständige Fragebögen, vgl. Unterkapitel 5.1.3. Das Gleiche gilt für die Angaben auf Abnehmerseite. 644 Vgl. Janssen und Laatz, 2007, S. 353-355. 645 Die Shapiro-Wilk-Statistik als Test der Normalverteilungsannahme ist bei Stichproben unter 50 gegenüber der Kolmogorov-Smirnov-Statistik mit einem Signifikanzniveau nach Lilliefors zu bevorzugen, vgl. Janssen und Laatz, 2007, S. 250. 646 Vgl. hierzu den Kommentar von Janssen und Laatz, dass die Ergebnisse von Normalverteilungstests kritisch zu interpretieren sind, da die zu prüfende Nullhypothese umso eher verworfen wird, je kleiner die Stichprobe ist, vgl Janssen und Laatz, 2007, S. 251. 642
176
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
proben der parameterfreie Wilcoxon-Test angewandt. 647 Der Wilcoxon-Test untersucht die Häufigkeitsverteilung gepaarter Stichproben und berücksichtigt dabei Richtung und Stärke der Differenzen der Messwertpaare. Daher wird auch vom Wilcoxon-Vorzeichen-Rangtest für verbundene Paare gesprochen. Mit Hilfe dieses Tests soll die folgende Nullhypothese für 40 Indikatorfragen648 überprüft werden: H0AL : Der Median der Differenzen der Messwertpaare ist für alle Indikatorfragen Y gleich null, d.h. formal H0AL : șY = 0 Dabei ist șY der Median der Differenzen der Messwertpaare zwischen Abnehmern und Lieferanten für die Indikatorfrage Y. Die Ergebnisse des Wilcoxon-Tests für die 40 Indikatorfragen sind in Tabelle 35 zusammengefasst. In der Spalte "Paare" sind die untersuchten Indikatorpaare dargestellt. Das "L-" vor der Bezeichnung des zweiten Indikators bedeutet, dass dieser aus der Befragung der Lieferanten stammt. Konstrukt
Paare
Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL)
Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA)
Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL)
Z
Asymp. Signifikanz (2-seitig)
Ergebnis
ABHA1 - L-ABHA1
-1,001a
0,317
H0 bestätigt
ABHA2 - L-ABHA2
-0,403b
0,687
H0 bestätigt
ABHA3 - L-ABHA3
-0,111b
0,912
H0 bestätigt
ABHA4 - L-ABHA4
-1,741a
0,082
H0 bestätigt
ABHL1 - L-ABHL1
-0,134a
0,893
H0 bestätigt
ABHL2 - L-ABHL2
-1,058b
0,290
H0 bestätigt
ABHL3 - L-ABHL3
-0,995a
0,320
H0 bestätigt
ABHL4 - L-ABHL4
-0,206b
0,837
H0 bestätigt
MEKA1 - L-MEKA1
-0,490a
0,624
H0 bestätigt
MEKA2 - L-MEKA2
-0,434b
0,665
H0 bestätigt
MEKA3 - L-MEKA3
-0,959a
0,337
H0 bestätigt
MEKA4 - L-MEKA4
-0,677b
0,499
H0 bestätigt
MEKA5 - L-MEKA5
-0,416b
0,678
H0 bestätigt
MEKL1 - L-MEKL1
-2,944a
0,003
H0 nicht bestätigt
MEKL2 - L-MEKL2
-2,873a
0,004
H0 nicht bestätigt
MEKL3 - L-MEKL3
-3,093a
0,002
H0 nicht bestätigt
MEKL4 - L-MEKL4
-2,033a
0,042
H0 nicht bestätigt
____________ 647 648
Vgl. hierzu und im Folgenden Eckstein, 2008, S. 125-126. Das in Unterkapitel 5.3.1 überprüfte Modell umfasst nach Bereinigung um einen Indikator insgesamt 43 Indikatoren. Davon sind die drei Indikatoren der latenten Variable RESA ("Ressourcenausstattung des Abnehmers") abzuziehen, weil diese Fragen den Lieferanten nicht gestellt wurden. In den Expertengesprächen hatte sich gezeigt, dass Lieferanten die Ressourcenausstattung des Abnehmers nur eingeschränkt beurteilen können.
Gütebeurteilung des Strukturmodells und weitere Analysen
177
MEKL5 - L-MEKL5
-3,162a
0,002
H0 nicht bestätigt
EIGO1 - L-EIGO1
-0,116a
0,907
H0 bestätigt
EIGO2 - L-EIGO2
-0,430a
0,667
H0 bestätigt
EIGO3 - L-EIGO3
-2,612a
0,009
H0 nicht bestätigt
EIGO4 - L-EIGO4
-1,823a
0,068
H0 bestätigt
GEMO1 - L-GEMO1
-2,462a
0,014
H0 nicht bestätigt
GEMO2 - L-GEMO2
-0,325a
0,745
H0 bestätigt
GEMO3 - L-GEMO3
-1,613a
0,107
H0 bestätigt
GEMO5 - L-GEMO5
-0,813a
0,416
H0 bestätigt
GEMO6 - L-GEMO6
-3,184a
0,001
H0 nicht bestätigt
Finanzielle Unterstützung/Beteiligung (FINU)
FINU1 - L-FINU1
-1,219a
0,223
H0 bestätigt
FINU2 - L-FINU2
-1,342b
0,180
H0 bestätigt
FINU3 - L-FINU3
-1,633a
0,102
H0 bestätigt
Differenzierung (DIFF)
DIFF1 - L-DIFF1
-0,441a
0,659
H0 bestätigt
DIFF2 - L-DIFF2
-1,553a
0,121
H0 bestätigt
DIFF3 - L-DIFF3
-1,041a
0,298
H0 bestätigt
DIFF4 - L-DIFF4
-2,092a
0,036
H0 nicht bestätigt
DIFF5 - L-DIFF5
-1,578a
0,115
H0 bestätigt
KOST1 - L-KOST1
-0,798a
0,425
H0 bestätigt
KOST2 - L-KOST2
-0,525a
0,600
H0 bestätigt
KOST3 - L-KOST3
-0,536b
0,592
H0 bestätigt
KOST4 - L-KOST4
-1,415a
0,157
H0 bestätigt
KOST5 - L-KOST5
-0,869a
0,385
H0 bestätigt
Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO) Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
Kostenführerschaft (KOST)
a = basiert auf positiven Rängen
b = basiert auf negativen Rängen
Tabelle 35: Wilcoxon-Test für 40 Indikatorfragen649
Aus Tabelle 35 lassen sich einige interessante Einsichten ableiten, die im Folgenden kurz festgehalten werden: Erstens sind die Mediane der Messwertpaardifferenzen für 31 der 40 Indikatorfragen auf einem Signifikanzniveau von mindestens Į = 0,05 identisch, die Nullhypothese wird jeweils bestätigt. Die Verteilungen der Antworten auf die Fragen stimmen also bei rund 78 Prozent der Indikatoren überein, Abnehmer und Lieferanten gehen in Bezug auf die Einschätzung vieler Parameter konform. Auf Konstruktebene gilt dies insbesondere für die Wahrnehmung in Bezug auf die Abhängigkeit von Abnehmer bzw. Lieferant (ABHA/ABHL), die Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA), die Finanzielle Unterstützung/Beteiligung des Abnehmers am Lieferanten (FINU) und den Beitrag der durchgeführten Lieferantenentwicklungsaktivitäten zur Kostenführerschaftsstrategie des Abnehmers (KOST). Zweitens häufen sich die Abweichungen bei einem einzelnen Konstrukt, der Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL). So schätzen die Lieferanten ihre eigene Methodenkompetenz in ____________ 649
Eigene Darstellung.
178
Empirische Prüfung des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung
allen Bereichen signifikant höher ein als die Abnehmer.650 Interessant ist dies vor allem auch deswegen, weil die Nullhypothese für die Methodenkompetenz des Abnehmers bei keiner der Indikatorfragen verworfen werden kann. Lieferanten und Abnehmer hier also zu einer sehr ähnlichen Einschätzung kommen. Drittens gibt es vereinzelte Abweichungen zwischen Abnehmern und Lieferanten in Bezug auf die ersten beiden Optionen strategischer Lieferantenentwicklung. Für insgesamt drei Indikatorfragen muss die Nullhypothese verworfen werden, was auch die Abweichung der Durchschnittswerte für diese Indikatoren unterstreicht:651 •
Vorgabe von Verbesserungszielen (EIGO3): Laut Aussage der Abnehmer geben sie Lieferanten signifikant häufiger Ziele vor (Mittelwert 3,7), als dies von den Lieferanten wahrgenommen wird (Mittelwert 3,1).
•
Beratung bzgl. Produktion (GEMO1): Laut eigener Aussage beraten die Abnehmer die Lieferanten deutlich intensiver (Mittelwert 2,5), als die Lieferanten dies wahrnehmen (Mittelwert 1,8).
•
Entsendung von Mitarbeitern zum Lieferanten (GEMO6): Auch diese Lieferantenentwicklungsaktivität nutzen die Abnehmer laut eigener Aussage deutlich intensiver (Mittelwert 2,4), als dies von den Lieferanten wahrgenommen wird (Mittelwert 1,6).
Wie die drei Indikatoren zeigen, sehen sich Abnehmer in Bezug auf einzelne Lieferantenentwicklungsaktivitäten deutlich aktiver als dies von ihren Lieferanten wahrgenommen wird. Ein genereller Trend lässt sich aufgrund der nur vereinzelt signifikanten Unterschiede jedoch nicht belegen. Da eine Häufung derartiger Unterschiede jedoch weitreichende Implikationen hätte – wie in Unterkapitel 2.2.3 dargestellt, basiert ein Großteil der bisherigen Studien zur Lieferantenentwicklung allein auf Aussagen der Abnehmer – sollte sie in künftigen, dyadisch angelegten Studien näher beleuchtet werden. Damit ist die methodisch-technische Analyse des Strukturgleichungsmodells sowie der Abnehmer-Lieferant-Dyaden abgeschlossen. Weitere Analysen mittels deskriptiver und einfacher inferenzstatistischer finden sich in Kapitel 6 zur Vertiefung ausgewählter Punkte im Rahmen der Modellinterpretation.
____________ 650 651
Für eine detailliertere Analyse vgl. Unterkapitel 6.1. Gefragt wurden Abnehmer und Lieferanten, inwieweit die Lieferantenentwicklungsaktivitäten genutzt werden. Skalierung von "1 = Gar nicht" bis "5 = Sehr intensiv".
Zwischenfazit
179
5.4 Zwischenfazit Im methodisch-technisch orientierten Kapitel 5 wurden drei wesentliche Punkte adressiert: Zunächst wurde die Datengrundlage beschrieben und überprüft. Darauf aufbauend wurden das Strukturgleichungsmodell (Messmodelle und Strukturmodell) umfassend beurteilt sowie ergänzende Analysen zu Modellmodifikationen und Abnehmer-Lieferant-Dyaden durchgeführt. Die Abnehmerumfrage mit ursprünglich 400 Datensätzen erfüllt nach Bereinigung um 15 unvollständige Datensätze sowohl die inhaltlichen (Wurden die richtigen Informationen von den richtigen Unternehmen/Personen erhoben?) als auch die technisch-formalen (Sind die Daten vollständig/unverzerrt?) Analysevoraussetzungen für die Varianzstrukturanalyse. Für die zusätzliche Befragung von 38 Lieferanten kann ebenfalls eine Eignung im Hinblick auf die intendierte Auswertung mit deskriptiven und einfachen inferenzstatistischen Methoden konstatiert werden. Die zehn Messmodelle erfüllen nach Bereinigung um einen Indikator des reflektiven Messmodells GEMO sämtliche Gütekriterien im Hinblick auf Reliabilität und Validität. Darauf aufbauend konnten 12 der 18 Hypothesen des Strukturmodells auf einem Signifikanzniveau von mindestens Į = 0,05 bestätigt werden. Demnach haben etliche der Rahmenbedingungen einen signifikanten Einfluss auf strategischer Lieferantenentwicklung. Optionen I und II strategischer Lieferantenentwicklung wirken sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers im Sinne einer Differenzierung bzw. Kostenführerschaft aus. Durch zwei Modellmodifikationen konnten zusätzliche Zusammenhänge innerhalb des Modells aufgedeckt werden. So besteht ein Eskalationszusammenhang zwischen den Optionen strategischer Lieferantenentwicklung. Gleichzeitig können die Auswirkungen strategischer Lieferantenentwicklung auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers auch mit einem mehrdimensionalen Konstrukt modelliert werden, wobei die Aussagen des ursprünglichen Modells bestätigt werden. Die Auswertung der Dyaden zeigt wesentliche Übereinstimmungen zwischen Abnehmern und Lieferanten in Bezug auf die Wahrnehmung von Rahmenbedingungen, Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und deren Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers. Eine Ausnahme bildet die Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKA), die von den Abnehmern deutlich schwächer eingeschätzt wird als von den Lieferanten selbst.
Kapitel 6 6 Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen Ziele von Kapitel 6 sind die inhaltliche Interpretation der durch die Datenerhebung gewonnenen Erkenntnisse und die Ableitung von konkreten Handlungsempfehlungen für die unternehmerische Praxis. Kapitel 6 wendet sich somit explizit auch an Praktiker, die ein Interesse an strategischer Lieferantenentwicklung haben. Das Kapitel ist in vier Teile gegliedert: •
In Unterkapitel 6.1 erfolgt eine Beschreibung und Auswertung der in der Abnehmerund Lieferantenbefragung durchschnittlich ermittelten Antworten. Dies soll den Zugang und das Verständnis für die durchgeführten Befragungen erleichtern und gleichzeitig erste interessante Einsichten vermitteln.
•
In Unterkapitel 6.2 und 6.3 wird das Modell der strategischen Lieferantenentwicklung inhaltlich interpretiert. Die Grundlage bilden die in Kapitel 5 durchgeführten Analysen. Ausgewählte Zusammenhänge werden durch ergänzende Auswertungen vertieft und mit Hilfe von Beispielen aus den Experteninterviews anschaulich gemacht.
•
–
Unterkapitel 6.2 fokussiert auf die Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen und den Optionen strategischer Lieferantenentwicklung.
–
Unterkapitel 6.3 beleuchtet die Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung aus der Sicht von Abnehmer und Lieferant.
In Unterkapitel 6.4 werden konkrete Handlungsempfehlungen für die unternehmerische Praxis abgeleitet und auf drei wesentliche Punkte verdichtet. Insbesondere dieses Unterkapitel soll die wissenschaftlichen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit einer praktischen Anwendung zugänglich machen.
S. M. Durst, Strategische Lieferantenentwicklung, DOI 10.1007/978-3-8349-6174-7_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
182
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
6.1 Beschreibung und erste Analyse der Studienergebnisse Ziele dieses Unterkapitels sind die Beschreibung und erste Analyse der Antworten aus der Abnehmer- und Lieferantenbefragung. Zum besseren Verständnis werden zunächst wesentliche Parameter der Datenerhebung rekapituliert. Anschließend erfolgt die Auswertung der durchschnittlichen Antworten der Abnehmer. Als strukturierendes Element dienen die drei Dimensionen des Strukturgleichungsmodells: Rahmenbedingungen, Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers. Wo sinnvoll, werden die Antworten der Abnehmer mit denen der Lieferanten kontrastiert. Wie in Unterkapitel 5.1 ausführlich beschrieben gliedert sich die Datenerhebung in drei Teile: •
Abnehmerbefragung: Für die Hauptuntersuchung wurden insgesamt 200 Unternehmen jeweils etwa eine halbe Stunde lang zu zwei Lieferantenbeziehungen telefonisch befragt. Damit liegen in Summe 400 Datensätze vor.652 Die befragten Unternehmen entstammen zu etwa gleichen Teilen den Branchen Automobilindustrie, Maschinenund Anlagenbau sowie Pharma- und Biotechindustrie. Sie haben ihren Sitz in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Bezogen auf die Anzahl der erreichten Unternehmen ergibt sich eine sehr hohe Antwortrate von 33 Prozent.653
•
Lieferantenbefragung: Zusätzlich wurden 38 Lieferanten dieser Abnehmer zu ihrer Beziehung zum jeweiligen Abnehmer befragt ("matched pair"). Dabei handelt es sich zumeist um kleinere Unternehmen, die im Schnitt bereits seit 10 Jahren mit dem jeweiligen Abnehmer zusammenarbeiten. Sie beliefern zu rund 50 Prozent die Pharma- und Biotechindustrie, gefolgt von der Automobilindustrie sowie dem Maschinen- und Anlagenbau.
•
Experteninterviews: Flankierend zu den telefonischen Befragungen wurden 20 etwa zweistündige Experteninterviews vor Ort bei 12 Unternehmen durchgeführt. Die Interviews dienten der Gewinnung eines vertieften Verständnisses für wesentliche Zusammenhänge strategischer Lieferantenentwicklung, der Prüfung des Erhebungsinstrumentes sowie dem Sammeln konkreter Beispiele.
Aus dieser Datenerhebung liegt eine Fülle von Daten vor. Diese werden im Folgenden einer ersten Analyse unterzogen. Tabelle 36 fasst die durchschnittlichen Antworten aus der Abnehmerbefragung auf Konstruktebene für die Rahmenbedingungen zusammen. Diese werden im Folgenden diskutiert und im Falle von signifikanten Unterschieden mit den Antworten aus der Lieferantenbefragung verglichen.
____________ 652
653
Für die Auswertungen erfolgte eine Bereinigung um 15 Datensätze aufgrund fehlender Werte, vgl. Unterkapitel 5.1.3. Vgl. die Quoten anderer Studien zur Lieferantenentwicklung in Tabelle 1 sowie die Kommentierung in Unterkapitel 5.1.1.
Beschreibung und erste Analyse der Studienergebnisse Konstrukt
183
Durchschnitt (alle)
Durchschnitt (Lieferanten die erfolgreich entwickelt wurden)
Durchschnitt (Lieferanten die weniger erfolgreich entwickelt wurden)
Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
3,3
3,2
3,4*
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL)
2,7
2,7
2,8
Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA)
3,8
-
-
Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL)
3,1
3,5
2,6*
Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
2,8
-
-
1 = sehr gering … 5 = sehr hoch * = Unterschied signifikant auf einem Niveau von mindestens Į = 0,05 Tabelle 36: Durchschnittswerte auf Konstruktebene (Rahmenbedingungen)654
In Bezug auf die Rahmenbedingungen strategischer Lieferantenentwicklung ergibt sich folgendes Bild: Im Schnitt schätzen die Abnehmer ihre Abhängigkeit vom jeweiligen Lieferanten als mittelhoch ein (3,3). Dabei besteht ein signifikanter, aber in absoluten Werten geringer Unterschied zwischen Lieferanten, die erfolgreich entwickelt wurden (3,2), und Lieferanten, die weniger erfolgreich entwickelt wurden (3,4).655 Überraschend ist allerdings, dass die Abnehmer ihre eigene Abhängigkeit vom Lieferanten (3,3) deutlich höher einschätzen als die Abhängigkeit des Lieferanten von ihnen (2,7). Dieser Unterschied ist ebenfalls statistisch signifikant,656 widerspricht aber dem üblichen Bild, dass der Abnehmer am längeren Hebel sitzt. Wie allerdings die Auswertung der Lieferantenantworten gezeigt hat, gehen die Lieferanten mit dieser Einschätzung ihrer Abnehmer konform.657 Ihre eigene Methodenkompetenz schätzen die Abnehmer im Schnitt als hoch ein (3,8). Da dieses Konstrukt – wie auch die Ressourcenausstattung des Abnehmers – nicht bezogen auf eine bestimmte Lieferantenbeziehung erfragt wurde, kann nicht zwischen unterschiedlichen Lieferantengruppen differenziert werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass die Abnehmer die Methodenkompetenz der entwickelten Lieferanten im Schnitt nur als mittelhoch einschätzen (3,1) und damit signifikant geringer als die eigene Methodenkompetenz (3,8).658 Vielsagend ist auch die Tatsache, dass die Methodenkompetenz erfolgreich entwickelter Lieferanten (3,5) signifikant über der weniger erfolgreich entwickelter Lieferanten liegt (2,6). Eine fehlende Methodenkompetenz des Lieferanten stellt also aus Abnehmersicht einen ____________ 654
Eigene Darstellung. Signifikanz geprüft mittels Wilcoxon-Test. Für Details zum diesem Test vgl. Unterkapitel 5.3.3. 656 Signifikanz geprüft mittels Wilcoxon-Test. Für Details zum diesem Test vgl. Unterkapitel 5.3.3. 657 Vgl. Unterkapitel 5.3.3 und hier insbesondere Tabelle 35. 658 Signifikanz geprüft mittels Wilcoxon-Test. Für Details zum diesem Test vgl. Unterkapitel 5.3.3. 655
184
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
potenziellen Grund für einen geringeren Erfolg bei strategischer Lieferantenentwicklung dar. Dies sollte vor allen Dingen für Option I strategischer Lieferantenentwicklung gelten bei der der Abnehmer die eigentliche Entwicklung dem Lieferanten selbst überlässt und sich auf die Steuerung durch Zielvorgaben beschränkt.659 Spannend ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung der Lieferanten. In Unterkapitel 5.3.3 wurde nachgewiesen, dass die Wahrnehmung von Abnehmern und Lieferanten in Bezug auf die Abnehmer-Methodenkompetenz übereinstimmt, in Bezug auf die Methodenkompetenz des Lieferanten aber signifikant divergiert. Abbildung 26 stellt dies anschaulich dar: Wie die Durchschnittswerte links zeigen, kommen Abnehmer und Lieferanten in Bezug auf die Methodenkompetenz des Abnehmers zu sehr ähnlichen Einschätzungen in allen Bereichen der Abnehmer-Methodenkompetenz. Die kleinen Unterschiede sind statistisch nicht signifikant. Hingegen zeigt die rechte Seite von Abbildung 26, dass sich die Lieferanten in Bezug auf ihre eigene Methodenkompetenz in allen Dimensionen deutlich positiver sehen, als dies vom Abnehmer wahrgenommen wird. Zudem schätzen sich die Lieferanten selbst im Schnitt sogar noch etwas positiver ein als die Abnehmer sich selbst. Bereiche/Methoden
Methodenkompetenz des Abnehmers [Durchschnitt]
Produktentwicklung, z.B. Projektmanagement oder Prozesse Produktoptimierung, z.B. Wertanalyse oder Design-to-cost Produktion, z.B. Six Sigma oder Lean Manufacturing Logistik, z.B. Prozessanalyse oder Methoden zur Bestandsreduzierung
Methodenkompetenz des Lieferanten [Durchschnitt]
3,4
3,9 3,8
4,1* 3,1
3,8 3,7
3,8* 2,8
3,7 3,6
3,7* 3,2 3,6 *
3,4 3,5
Qualität, z.B. Total Quality
3,3
4,0 3,8 NAb nehmer = 36 bis 38 (je nach Frage) NLieferant = 31 bis 34 (je nach Frage)
4,1* NAb nehmer = 36 bis 37 (je nach Frage) NLieferant = 35 bis 37 (je nach Frage)
1 = sehr geringe Methodenkompetenz … 5 = sehr hohe Methodenkompetenz Aussage Abnehmer
Aussage Lieferanten
* = Signifikant auf einem Niveau von mindestens α = 0,05
Abbildung 26: Selbst- und Fremdwahrnehmung in Bezug auf Methodenkompetenz660
Die in Abbildung 26 dargestellten, durchschnittlichen Bewertungen legen mehrere Schlussfolgerungen nahe: ____________ 659
660
Wie in Unterkapitel 6.2.1 gezeigt wird, bestätigt das Strukturgleichungsmodell in der Tat diesen Zusammenhang. Eigene Darstellung.
Beschreibung und erste Analyse der Studienergebnisse
185
•
Abnehmer haben im Schnitt eine hohe Methodenkompetenz. Zudem gelingt es ihnen, dieses Bild auch gegenüber ihren Lieferanten zu vermitteln. Beide Parteien kommen entsprechend zu einer ähnlichen Einschätzung.
•
Lieferanten siedeln die eigene Methodenkompetenz sogar noch etwas über der ihrer Abnehmer an. Allerdings wird dies auf Abnehmerseite völlig anders wahrgenommen. Insbesondere die Methodenkompetenz der weniger erfolgreich entwickelten Lieferanten beurteilen die Abnehmer als eher niedrig.
Ihre Ressourcenausstattung für strategische Lieferantenentwicklung beurteilen die Abnehmer im Schnitt als mittelhoch (2,8). Dabei zeigt eine detailliertere Analyse, dass sich die Unternehmen vor allem durch einen Mangel an geeignetem Personal eingeschränkt sehen. Finanzielle Ressourcen bzw. die Zeit und Aufmerksamkeit, die das Topmanagement strategischer Lieferantenentwicklung widmet, scheinen hingegen kein wesentlicher Engpass zu sein. In Bezug auf die drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung zeichnet sich ein differenziertes Bild ab. Tabelle 37 fasst dieses zusammen. Konstrukt
Durchschnitt (alle)
Durchschnitt (Lieferanten die erfolgreich entwickelt wurden)
Durchschnitt (Lieferanten die weniger erfolgreich entwickelt wurden)
Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO)
3,7
3,9
3,6*
Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
2,2
2,3
2,0*
Finanzielle Unterstützung/Beteiligung (FINU)
1,1
1,2
1,1*
1 = gar nicht … 5 = sehr intensiv [im Sinne der Durchführung entsprechender Aktivitäten] * = Unterschied signifikant auf einem Niveau von mindestens Į = 0,05 Tabelle 37: Durchschnittswerte auf Konstruktebene (Optionen)661
Option I, die Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten, wird im Schnitt intensiv genutzt (3,7). Option II, also gemeinsame Optimierungsprojekte mit dem Lieferanten, kommt in moderatem Umfang zum Einsatz (2,2). Option III, die finanzielle Unterstützung von Lieferanten bzw. eine Beteiligung am Lieferantenunternehmen, wird fast gar nicht genutzt (1,1). Dies bestätigt Erkenntnisse aus ähnlichen Studien: 662 Indirekte Formen der Lieferantenentwicklung gehören inzwischen zum Standardrepertoire, mit direkter und damit deutlich aufwändigerer Lieferantenentwicklung halten sich die Unternehmen eher zurück. Insbesondere eine finanzielle Förderung wird quasi nicht praktiziert. Gleichzeitig zeigen sich bei allen drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung signifikante Unterschiede zwischen Lieferanten, die erfolgreich entwickelt wurden, und Lieferanten, bei denen dies weniger erfolgreich ____________ 661 662
Eigene Darstellung. Vgl. ausführlich Tabelle 5.
186
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
funktioniert hat. Allerdings kann dies im Sinne eines möglichen Kausalzusammenhangs ambivalent gedeutet werden. So könnte einerseits argumentiert werden, dass eine weniger intensive Lieferantenentwicklung tendenziell weniger erfolgreich ist. 663 Andererseits könnte ein sich abzeichnender Misserfolg dazu führen, dass eingeleitete Anstrengungen zur Lieferantenentwicklung zurückgefahren werden. Um die Verbreitung strategischer Lieferantenentwicklung in der unternehmerischen Praxis noch aus einer weiteren Perspektive zu erfassen, wurden ergänzende Fragen in das Erhebungsinstrument eingebaut. Ziel war es, den Anteil der Lieferanten zu ermitteln, mit denen bestimmte Lieferantenentwicklungsaktivitäten durchgeführt werden. Dieser Anteil wurde jeweils relativ zum Einkaufsvolumen des Abnehmers bei den jeweiligen Lieferanten ermittelt. Gibt ein Abnehmer also beispielsweise Lieferanten Ziele vor, die insgesamt 30 Prozent seines Einkaufsvolumens ausmachen, so beträgt der Anteil der durch Zielvorgaben indirekt entwickelten Lieferanten 30 Prozent. Abbildung 27 fasst die Ergebnisse zusammen. Optionen
Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO) Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO) Option III: Finanzielle Unterstützung/ Beteiligung (FINU)
Aktivitäten
Verbreitungsgrad [Durchschnittlicher Anteil der Lieferanten gemessen am Einkaufsvolumen]
Leistungsfeedback
59%
Vorgabe von Zielen
43%*
Beratung in Projekten
26%*
Schulung in Projekten Finanzielle Unterstützung Finanzielle Beteiligung
9%*
4%*
1%*
Nalle = 188 bis 196 (je nach Aktivität) * = Unterschied zur nächsthöheren Aktivität signifikant auf einem Niveau von mindestens Į = 0,05
Abbildung 27: Verbreitung strategischer Lieferantenentwicklung664
Die in Abbildung 27 dargestellten Durchschnittswerte unterstreichen und ergänzen die oben auf Basis der Durchschnittswerte abgeleiteten Schlussfolgerungen: Grundsätzlich besteht in Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung noch deutliches Potenzial, da Unternehmen dieses Instrument nur partiell nutzen. Dabei variiert die Nutzung der drei Optionen strategi____________ 663
664
Diese Interpretation legt das entwickelte Strukturgleichungsmodell nahe, vgl. die Auswertungsergebnisse in Unterkapitel 6.2. Eigene Darstellung.
Beschreibung und erste Analyse der Studienergebnisse
187
scher Lieferantenentwicklung signifikant.665 So geben Abnehmer im Schnitt Lieferanten, die insgesamt etwa 60 Prozent ihres Einkaufsvolumens ausmachen, regelmäßiges Feedback. Immerhin rund 40 Prozent bekommen zusätzlich konkrete Ziele vorgegeben. Direkte und damit für den Abnehmer deutlich aufwändigere Lieferantenentwicklung im Sinne von Option II betreiben die Unternehmen in geringerem Umfang. Immerhin bei rund einem Viertel der Lieferanten, gemessen am Einkaufsvolumen, erfolgt eine Beratung im Rahmen von gemeinsamen Optimierungsprojekten. Schulungen hingegen werden bei weniger als 10 Prozent der Lieferanten durchgeführt. Geht es um die finanzielle Unterstützung bzw. eine Beteiligung an Lieferanten, so sind die Unternehmen sehr zurückhaltend. Mit strategischer Lieferantenentwicklung verfolgen Abnehmer konkrete Ziele. Tabelle 38 zeigt den Zielerreichungsgrad auf Konstruktebene. Konstrukt
Durchschnitt (alle)
Durchschnitt (Lieferanten die erfolgreich entwickelt wurden)
Durchschnitt (Lieferanten die weniger erfolgreich entwickelt wurden)
Differenzierung (DIFF)
2,9
3,4
2,5*
Kostenführerschaft (KOST)
2,9
3,3
2,6*
1 = nicht erreicht … 5 = voll erreicht [Grad der Zielerreichung durch strategische Lieferantenentw.] * = Unterschied signifikant auf einem Niveau von mindestens Į = 0,05 Tabelle 38: Durchschnittswerte auf Konstruktebene (Auswirkungen)666
Den Zielerreichungsgrad für die durch Lieferantenentwicklung verfolgten Differenzierungsbzw. Kostensenkungsziele schätzen die Unternehmen im Schnitt als mittelhoch ein (2,9). Diese Größenordnung entspricht der auch in anderen Studien belegten Erkenntnis, dass Unternehmen zwar mit den Ergebnissen ihrer Lieferantenentwicklung zufrieden sind, aber noch Steigerungspotenzial besteht.667 Allerdings müssen die dargestellten Gesamtdurchschnittswerte (jeweils 2,9) mit einer gewissen Vorsicht interpretiert werden. Schließlich wurde im Rahmen der Abnehmerbefragung explizit nach einem erfolgreich und nach einem weniger erfolgreich entwickelten Lieferanten gefragt. Wie die Experteninterviews vermuten lassen, sollte der Anteil erfolgreich entwickelter Lieferanten in der Praxis jedoch über 50 Prozent liegen. Die Gesamtdurchschnittswerte zeichnen also mit jeweils 2,9 ein vermutlich zu negatives Bild. Wie zu erwarten, ist der Unterschied zwischen erfolgreich (3,4 bzw. 3,3) und weniger erfolgreich entwickelten Lieferanten (2,5 bzw. 2,6) nicht nur signifikant, sondern im Hinblick auf die Durchschnittswerte auch sehr deutlich. Dieser Unterschied steckt allerdings, wie oben erläutert, bereits in der Fragestellung, ist also nicht überraschend. ____________ 665
Signifikanz geprüft mittels Wilcoxon-Test, vgl. Abbildung 27. Für eine ausführliche Beschreibung und Anwendung des Wilcoxon-Test vgl. Unterkapitel 5.3.3. 666 Eigene Darstellung. 667 Vgl. z.B. Watts und Hahn, 1993, S. 16, bzw. ausführlich Tabelle 7.
188
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
6.2 Modellinterpretation: Einfluss der Rahmenbedingungen 6.2.1 Einfluss der Rahmenbedingungen auf Option I Ziel dieses sowie der folgenden Unterkapitel ist die inhaltliche Interpretation des in Kapitel 5 methodisch-technisch ausgewerteten und beurteilten Modells der strategischen Lieferantenentwicklung. Die Erkenntnisse aus der Auswertung des Strukturmodells (Unterkapitel 5.3.1) inklusive der untersuchten Modifikationen (Unterkapitel 5.3.2) sowie der dyadischen Analysen (Unterkapitel 5.3.3) bilden hierfür die Grundlage. Zum besseren Verständnis wird das komplexe Modell in Etappen analysiert: Unterkapitel 6.2.1, 6.2.2 und 6.2.3 fokussieren auf die Zusammenhänge zwischen den Rahmenbedingungen und jeweils einer Option strategischer Lieferantenentwicklung. Unterkapitel 6.3 untersucht die Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung im Hinblick auf Abnehmer und Lieferant. Als Ausgangspunkt der in diesem Unterkapitel behandelten Zusammenhänge visualisiert Abbildung 28 die aufgedeckten Wirkungszusammenhänge.668 Hervorgehoben sind die Rahmenbedingungen, Option I sowie die jeweiligen Pfade, Pfadkoeffizienten und deren Signifikanz. Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO)
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA) Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL) Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
Differenzierung (DIFF) 0,159***
Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
Option III: Finanzielle Unterstützung/ Beteiligung (FINU)
Signifikant auf einem Niveau von Į = 0,05 (*); 0,01 (**); 0,001 (***)
Kostenführerschaft (KOST)
Nicht signifikant
Abbildung 28: Wirkungszusammenhänge des Strukturmodells, Fokus Option I669
Wie aus Abbildung 28 ersichtlich, wirken sich vier der fünf Rahmenbedingungen signifikant positiv auf Option I, die durch den Abnehmer mit Hilfe von Feedback und Zielvorgaben ge____________ 668 669
Vgl. Unterkapitel 5.3.1 und hier insbesondere Tabelle 30. Eigene Darstellung, identisch mit Abbildung 23, aber inklusive Hervorhebung.
Modellinterpretation: Einfluss der Rahmenbedingungen
189
steuerte Eigenoptimierung des Lieferanten, aus. Den größten Erklärungsbeitrag leistet die Methodenkompetenz des Abnehmers mit einem Pfadkoeffizienten von 0,276 signifikant auf einem Niveau von Į = 0,001. Je größer die für Lieferantenentwicklung relevante Methodenkompetenz des Abnehmers, desto intensiver steuert dieser die Eigenoptimierung des Lieferanten. Ein wesentlicher Grund hierfür ist vermutlich, dass methodisch kompetentere Abnehmer besser in der Lage sind, Verbesserungspotenziale beim Lieferanten zu identifizieren und ihren Lieferanten realistischere Zielvorgaben machen. Schließlich ist die Formulierung qualitativ hochwertiger Ziele anspruchsvoll.670 Auch die Methodenkompetenz des Lieferanten wirkt sich mit einem Pfadkoeffizienten von 0,180 signifikant auf einem Niveau von Į = 0,001 positiv auf Option I strategischer Lieferantenentwicklung aus. Je besser der Lieferant also aufgrund entsprechender Methodenkenntnisse in der Lage ist, sich selbst zu entwickeln, desto intensiver macht sich der Abnehmer dies zu Nutze, indem er den Lieferanten durch Bewertungen und Feedback zur Eigenentwicklung motiviert und diese über Zielvorgaben steuert. Da Option I strategischer Lieferantenentwicklung auf eine eigenverantwortliche Optimierung des Lieferanten setzt, ist allerdings erstaunlich, dass sich die Methodenkompetenz des Abnehmers im Vergleich zu der des Lieferanten deutlicher auswirkt, wie ein Vergleich der Pfadkoeffizienten zeigt (0,276 vs. 0,180, jeweils signifikant auf einem Niveau von Į = 0,001). Ein möglicher Grund könnte die im Schnitt deutlich niedrigere Beurteilung der Methodenkompetenz des Lieferanten durch den Abnehmer sein.671 Mit anderen Worten: Abnehmer setzen die methodische Kompetenz des Lieferanten grundsätzlich niedriger an. Damit spielt diese zwar eine Rolle, aber in der Wahrnehmung der Abnehmer keine so entscheidende wie die eigene Methodenkompetenz. Ähnlich intensiv wie die Methodenkompetenz des Lieferanten wirkt sich auch dessen Abhängigkeit vom Abnehmer aus (Pfadkoeffizient 0,180; Signifikanzniveau Į = 0,01). Je größer diese Abhängigkeit, desto intensiver nutzt der Abnehmer Leistungsfeedback und Zielvorgaben, um den Lieferanten zum eigenen Vorteil zu entwickeln. Ein wesentlicher Grund liegt vermutlich in der größeren Bereitschaft abhängiger Lieferanten, Anregungen und Vorgaben ihrer Abnehmer Folge zu leisten. Die Ressourcenausstattung des Abnehmers wirkt sich ebenfalls positiv – wenn auch mit einem Pfadkoeffizienten von 0,112 und einem Signifikanzniveau von Į = 0,01 weniger deutlich – auf Option I strategischer Lieferantenentwicklung aus. Je besser die Ausstattung des Abnehmers für Lieferantenentwicklung in puncto Personal, Kapital sowie Zeit und Aufmerksamkeit des Topmanagements, desto intensiver steuert dieser die Eigenoptimierung seiner Lieferanten. Ein wesentlicher Grund ist vermutlich, dass auch die indirekte Entwicklung des Lieferanten Ressourcen benötigt, beispielsweise für eine umfassende cross-funktionale Bewertung der Liefe____________ 670
671
Vgl. beispielsweise die verbreitete, aber nicht leicht zu erfüllende Forderung, Ziele sollen "SMART" sein: Spezifisch, Messbar, Akzeptabel, Realistisch, Terminiert, vgl. Stolzenberg und Heberle, 2006, S. 49. Vgl. Abbildung 26 und die zugehörigen Erläuterungen.
190
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
rantenleistung und -fähigkeiten oder das konsequente Nachhalten der Zielvorgaben. Exemplarisch sei auch der Einsatz des Abnehmer-Topmanagements im Rahmen des Zielvereinbarungsprozesses erwähnt, mit dem eines der interviewten Unternehmen sehr gute Erfahrungen gesammelt hat.672 Kein signifikanter Zusammenhang wurde für die vermutete positive Beziehung zwischen der Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten und der Abnehmergesteuerten Eigenoptimierung des Lieferanten festgestellt. Da sich die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten auf keine der drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung signifikant auswirkt, kann auf Basis der vorliegenden Studie festgehalten werden, dass diese Rahmenbedingung für strategische Lieferantenentwicklung keine Rolle zu spielen scheint. Ein möglicher Grund könnte in gegenläufigen Effekten liegen, die eine Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten impliziert.673 Auf der einen Seite haben Abnehmer ein erhöhtes Interesse daran, Lieferanten von denen sie abhängig sind, in ihrem Sinne weiterzuentwickeln. Schließlich ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit für den Abnehmer wichtig. Gleichzeitig allerdings kann die Abhängigkeit des Abnehmers die Entwicklung des Lieferanten erschweren. So hat ein Lieferant, der sich der Abhängigkeit seines Abnehmers sicher ist, eventuell kein bzw. nur ein geringeres Interesse an der Umsetzung von Zielvorgaben oder der Durchführung von gemeinsamen Optimierungsprojekten, da dies für ihn zusätzlichen Aufwand bedeutet. Letzteres unterstreicht auch die bereits zitierte Bemerkung des Leiters der Lieferantenentwicklung bei einem Automobilhersteller: "Zu einem Bosch gehen wir erst gar nicht. Der ist zu mächtig."674 Allerdings ist möglicherweise auch das Interesse des Abnehmers an einer strategischen Entwicklung des Lieferanten gedämpft: Schließlich kann Lieferantenentwicklung die Abhängigkeit des Abnehmers weiter erhöhen, weil lieferantenspezifische Investitionen in Form von Personal und Kapital getätigt werden müssen.675
6.2.2 Einfluss der Rahmenbedingungen auf Option II Analog dem vorangegangenen Unterkapitel ist das Ziel dieses Unterkapitels die Interpretation der Zusammenhänge zwischen den Rahmenbedingungen und Option II strategischer Lieferantenentwicklung. In Abbildung 29 sind entsprechend die fünf Rahmenbedingungen, Option II sowie die sie verbindenden fünf Pfade hervorgehoben.676
____________ 672
Vgl. Fallbeispiel 4. Vgl. hierzu auch die theoretischen Überlegungen auf Basis des ressourcenbasierten Ansatzes in Unterkapitel 3.3.3. 674 Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15. 675 Vgl. hierzu auch die Interpretation strategischer Lieferantenentwicklung aus Sicht der Transaktionskostentheorie als transaktionsspezifische Investition in Unterkapitel 3.2.3. 676 Vgl. Unterkapitel 5.3.1 und hier insbesondere Tabelle 30. 673
Modellinterpretation: Einfluss der Rahmenbedingungen Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO)
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA) Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL) Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
191
Differenzierung (DIFF) 0,159***
Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
Option III: Finanzielle Unterstützung/ Beteiligung (FINU)
Signifikant auf einem Niveau von Į = 0,05 (*); 0,01 (**); 0,001 (***)
Kostenführerschaft (KOST)
Nicht signifikant
Abbildung 29: Wirkungszusammenhänge des Strukturmodells, Fokus Option II677
Auf Option II strategischer Lieferantenentwicklung, die Beratung und Schulung des Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte, wirken sich drei der fünf Rahmenbedingungen signifikant positiv aus. Den größten Effekt hat mit einem Pfadkoeffizienten von 0,263 auf einem Signifikanzniveau von Į = 0,001 die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer. Je abhängiger der Lieferant, desto intensiver berät und schult ihn der Abnehmer im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte. Ein wesentlicher Grund für diesen Zusammenhang stellt vermutlich die höhere Kooperationsbereitschaft abhängiger Lieferanten dar, sich auf diese Weise entwickeln zu lassen. Denn gemeinsame Optimierungsprojekte erfordern vom Lieferanten neben dem Einsatz von Ressourcen häufig auch die Bereitschaft zu größerer Transparenz gegenüber dem Abnehmer. So ist es beispielsweise nicht unüblich, dass in derartigen Projekten Prozesse des Lieferanten durchleuchtet oder Kostenstrukturen untersucht werden. Insbesondere letztere legen Lieferanten nur ungern offen. Einen weiteren Grund stellen vermutlich die Ressourcen dar, die auch der Abnehmer für diese Option strategischer Lieferantenentwicklung investieren muss. Wie die Auswertung der Dyaden zeigt, schwankt der Anteil des Aufwandes, der im Rahmen strategischer Lieferantenentwicklung auf den Abnehmer entfällt, im Schnitt zwischen 37 und 46 Prozent.678 Insbesondere der Aufwand für gemeinsame Optimierungsprojekte ist – abhängig von der Art und Dauer des Projektes – häufig auch für den Abnehmer sehr ____________ 677 678
Eigene Darstellung, identisch mit Abbildung 23, aber inklusive Hervorhebung. Vgl. Abbildung 35 und die zugehörigen Erläuterungen.
192
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
groß.679 Die investierten Ressourcen müssen durch einen entsprechenden Return on Investment gerechtfertigt werden. Dabei determiniert einerseits die Bereitschaft des Lieferanten, in derartigen Projekten entwickelte Lösungsansätze zeitnah und vollständig zu implementieren, den Erfolg der Projekte. Diese Bereitschaft sollte bei abhängigen Lieferanten höher sein. Einer der Interviewpartner brachte dies folgendermaßen auf den Punkt: "Wenn ein gesundes Wettbewerbsverhältnis existiert, dann ist die Motivation von Lieferanten, sich entwickeln zu lassen, in der Regel sehr hoch."680 Andererseits möchte der Abnehmer sicher sein, dass die Ergebnisse aus der von ihm initiierten Lieferantenentwicklung primär dem eigenen Unternehmen – und nicht etwa dem Wettbewerb – zu Gute kommen. Auch diese Forderung lässt sich bei abhängigen Lieferanten leichter durchsetzen. Kein positiver Zusammenhang konnte hingegen für die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten und Option II festgestellt werden. Mögliche Interpretationen für die Nichtsignifikanz der Beziehung wurden bereits in Unterkapitel 6.2.1 erörtert. Mit einem Pfadkoeffizienten von 0,159 signifikant auf einem Niveau von Į = 0,001 stellt die Methodenkompetenz des Abnehmers einen weiteren wichtigen Einflussfaktor auf Option II strategischer Lieferantenentwicklung dar. Je größer also die methodische Kompetenz des Abnehmers beispielsweise zur Verbesserung der Produktion durch Six Sigma oder Lean Manufacturing ist, desto intensiver betreibt er Lieferantenentwicklung durch gemeinsame Optimierungsprojekte. Wesentlicher Grund ist vermutlich, dass derartiges Methodenwissen eine Voraussetzung für erfolgreiche Projekte darstellt, etwa wenn es um die Identifizierung und Eliminierung unnötiger Prozessschritte geht. Dies unterstreicht auch die Entstehungsgeschichte etlicher Lieferantenentwicklungsprogramme. Beispielsweise ging das Programm POLE (ProzessOptimierung mit Lieferanten-Einbindung) der Porsche AG 1993 aus einem umfangreichen Verbesserungsprogramm bei Porsche selbst hervor. 681 Neben der Optimierung der eigenen Prozesse und Strukturen eignete sich Porsche damit die methodische Kompetenz an, um im Rahmen von POLE erfolgreich Optimierungsprojekte gemeinsam mit Lieferanten durchzuführen. Wie wichtig eine profunde Kenntnis adäquater Methoden ist, unterstreicht auch folgende Aussage eines Interviewpartners: "Wir wollen Unternehmern, die ihr Geschäft seit 30 bis 40 Jahren erfolgreich betreiben, etwas erzählen."682 Nicht signifikant hingegen ist die vermutete negative Beziehung zwischen der Methodenkompetenz des Lieferanten und gemeinsamen Optimierungsprojekten. Dies steht im Widerspruch zu Aussagen aus den geführten Experteninterviews. Diese ließen vermuten, dass Abnehmer insbesondere diejenigen Lieferanten mit Hilfe von gemeinsamen Optimierungsprojekten ent____________ 679
Vgl. das in Fallbeispiel 5 skizzierte Projektportfolio und die damit verbundenen Aktivitäten beim Abnehmer. Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15. 681 Vgl. Keßler, 2004, S. 29. Etwas später ging aus dem POLE-Programm die Porsche Consulting GmbH hervor, um das Konzept von POLE zusätzlich auf dem freien Markt als eigene Beratungsdienstleistung anzubieten. 682 Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15. 680
Modellinterpretation: Einfluss der Rahmenbedingungen
193
wickeln, deren Methodenkompetenzen einen geringeren Reifegrad besitzen und bei denen daher tendenziell größere Verbesserungspotenziale existieren. Allerdings schätzen – wie oben gezeigt – die Abnehmer die Methodenkompetenz der Lieferanten im Vergleich zu den eigenen methodischen Kompetenzen im Schnitt grundsätzlich niedriger ein.683 Eventuell ist dies ein Grund für die Nichtsignifikanz des entsprechenden Zusammenhangs. Ein positiver Zusammenhang – wenn auch mit einem Pfadkoeffizienten von 0,112 auf einem Signifikanzniveau von Į = 0,05 kein besonders deutlicher – konnte zwischen der Ressourcenausstattung des Abnehmers und Option II strategischer Lieferantenentwicklung festgestellt werden. Auch dieser Zusammenhang scheint unmittelbar einleuchtend: Abnehmer, die über mehr personelle und finanzielle Ressourcen für Lieferantenentwicklung verfügen bzw. bei denen das Topmanagement dem Thema eine höhere Aufmerksamkeit zuteil werden lässt, betreiben intensiver strategische Lieferantenentwicklung. Ein gutes Beispiel ist eines der interviewten Unternehmen aus der Automobilindustrie. Die Idee eines Lieferantenentwicklungsprogrammes wurde in diesem Unternehmen vor einigen Jahren auf Initiative des Vorstandes umgesetzt. Inzwischen wurden in allen Geschäftsbereichen Lieferantenentwicklungsabteilungen aufgebaut. Diese umfassen insgesamt etwa 70 Vollzeitkräfte inklusive einer Zentralabteilung, die für Methoden, Prozesse und Tools zuständig ist. Mit dieser Personalausstattung werden jedes Jahr rund 200 gemeinsame Optimierungsprojekte mit Lieferanten abgeschlossen. Allerdings ist das Beispiel dieses Unternehmens keineswegs repräsentativ. Um ein umfassenderes Verständnis für die in den Unternehmen mit Lieferantenentwicklung befassten Ressourcen zu bekommen, wurden den Abnehmern dazu ergänzende Fragen gestellt. Wie in Abbildung 30 links erkennbar, besitzen 20 Prozent der Abnehmer eine eigene Abteilung für Lieferantenentwicklung. Dieser Wert liegt deutlich unter den 51 Prozent, die Watts und Hahn in ihrer Umfrage ermittelten,684 bestätigt aber den Eindruck des Autors aus den Experteninterviews. Eine differenzierte Betrachtung nach Größe der Unternehmen zeigt deutliche Unterschiede auf: Fast die Hälfte der großen Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 1 Milliarde Euro verfügt über eine eigene Abteilung für Lieferantenentwicklung. Bei mittelgroßen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 250-1.000 Millionen Euro ist dies ein knappes Drittel. Bei kleineren Unternehmen liegt der Anteil bei 8-16 Prozent. Aufgrund der geringen Ressourcen, die derartigen Unternehmen zur Verfügung stehen, ist allerdings bereits dieser vergleichsweise geringe Wert beachtlich.
____________ 683 684
Vgl. Abbildung 26 und die zugehörigen Erläuterungen. Vgl. Watts und Hahn, 1993, S. 13.
194
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
Anteil der Unternehmen mit eigener Abteilung für Lieferantenentwicklung nach Umsatz [Durchschnitt]
Mitarbeiter je Lieferantenentwicklungsabteilung [Durchschnitt]
Umsatz [Mio. EUR]
Umsatz [Mio. EUR]
> 1.000
48%
250-1.000
31%
50-250
< 50
Nalle = 200
16%
> 1.000
250-1.000
50-250
< 50
8%
20% (Durchschnitt)
12,9
9,7
4,5
4,8
NAb nehmer mit Ab teilung = 40
Abbildung 30: Existenz und Dimensionierung von Lieferantenentwicklungsabteilungen685
Wie Abbildung 30 rechts zeigt, variiert auch die durchschnittliche Größe der Lieferantenentwicklungsabteilung mit der Unternehmensgröße. Bei großen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 1 Milliarde Euro liegt die durchschnittliche Anzahl Mitarbeiter bei etwa 13, bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 250 und 1.000 Millionen Euro bei etwa 10 Mitarbeitern. Bei kleineren Unternehmen sind dies immerhin noch vier bis fünf Mitarbeiter. Es handelt sich also zumeist um kleinere Abteilungen bzw. Stabsstellen.686 Allerdings sei angemerkt, dass sich aus der Anzahl der Mitarbeiter in der Lieferantenentwicklungsabteilung nicht notwendigerweise auf die Ressourcen schließen lässt, die der Abnehmer der Lieferantenentwicklung widmet. Denn oftmals haben derartige Abteilungen eine primär koordinierende Funktion. Beispielsweise werden gemeinsame Optimierungsprojekte mit dem Lieferanten häufig durch cross-funktionale Teams durchgeführt, die mit Fachexperten aus Produktion, Logistik bzw. Supply Chain, Qualität usw. besetzt sind. Nichtsdestotrotz unterstreichen diese Erkenntnisse, dass Lieferantenentwicklung bei der überwiegenden Mehrheit der Unternehmen nicht institutionell verankert ist. Daher wird als Teil der Handlungsempfehlungen in Unterkapitel 6.4 ein Vorgehen zum Aufbau eines Programms zur strategischen Lieferantenentwicklung skizziert.
____________ 685 686
Eigene Darstellung. Stabsstellen zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine Weisungsrechte besitzen, sondern lediglich der Unterstützung von anderen Instanzen dienen, vgl. Corsten und Gössinger, 2008, S. 762.
Modellinterpretation: Einfluss der Rahmenbedingungen
195
6.2.3 Einfluss der Rahmenbedingungen auf Option III Analog den beiden vorangegangenen Kapiteln ist das Ziel dieses Unterkapitels die Interpretation der Zusammenhänge zwischen den Rahmenbedingungen und Option III strategischer Lieferantenentwicklung. 687 In Abbildung 31 sind entsprechend die relevanten drei Rahmenbedingungen, Option III sowie die sie verbindenden drei Pfade hervorgehoben. Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO)
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA) Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL) Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
Differenzierung (DIFF) 0,159***
Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
Option III: Finanzielle Unterstützung/ Beteiligung (FINU)
Signifikant auf einem Niveau von Į = 0,05 (*); 0,01 (**); 0,001 (***)
Kostenführerschaft (KOST)
Nicht signifikant
Abbildung 31: Wirkungszusammenhänge des Strukturmodells, Fokus Option III688
Auf Option III strategischer Lieferantenentwicklung – die finanzielle Unterstützung des Lieferanten bzw. die Beteiligung des Abnehmers am Lieferanten – wirkt sich lediglich einer der drei vermuteten Rahmenfaktoren signifikant aus. Dabei handelt es sich um die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (Pfadkoeffizient 0,151; Signifikanzniveau Į = 0,01). Die Signifikanz dieses Zusammenhangs erscheint einleuchtend, da die finanzielle Unterstützung des Lieferanten durch den Abnehmer bzw. eine Beteiligung des Abnehmers am Lieferantenunternehmen eine extreme Form der Lieferantenentwicklung darstellt. Sie wird nur in Einzelfällen praktiziert und kommt vermutlich nur Lieferanten zu Gute, bei denen der Abnehmer sich auf-
____________ 687 688
Vgl. Unterkapitel 5.3.1 und hier insbesondere Tabelle 30. Eigene Darstellung, identisch mit Abbildung 23 aber inklusive Hervorhebung.
196
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
grund des Abhängigkeitsverhältnisses, in dem sich der Lieferant befindet, sicher sein kann, dass die investierten Mittel ausschließlich in seinem Sinne verwendet werden.689 Für die Nichtsignifikanz der vermuteten positiven Zusammenhänge zwischen den übrigen beiden Rahmenbedingungen – der Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten sowie der Ressourcenausstattung des Abnehmers – und Option III sind eventuell Gründe ausschlaggebend, die dem Konstrukt Finanzielle Unterstützung/Beteiligung immanent sind. So wird strategische Lieferantenentwicklung gemäß Option III von den Unternehmen nur extrem selten betrieben. Dies zeigt die ergänzende Auswertung in Unterkapitel 6.1,690 gemäß der eine finanzielle Unterstützung im Schnitt nur bei rund 4 Prozent der Lieferanten (gemessen am gesamten Einkaufsvolumen des Abnehmers) praktiziert wird und eine finanzielle Beteiligung sogar nur bei rund 1 Prozent. Ebenso eindeutig sind die Aussagen, wenn nach konkreten Lieferanten gefragt wird. So gaben die befragten Abnehmer für 400 Lieferanten auf einer Skala von "1 = gar nicht" bis "5 = sehr intensiv" an, wie intensiv sie Option III bei dem jeweiligen Lieferanten nutzen. Der Durchschnitt über alle Indikatorfragen und Lieferanten liegt bei nur 1,1. Option III strategischer Lieferantenentwicklung wird von den befragten Unternehmen also quasi nicht praktiziert. Dies bestätigen auch andere Studien.691 Sehr wahrscheinlich liegt darin ein wesentlicher Grund für die Nichtsignifikanz der meisten Pfadverbindungen zu und von diesem Konstrukt. Gleichzeitig muss damit auch die signifikante Verbindung zwischen der Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer mit Vorsicht betrachtet werden.
6.3 Modellinterpretation: Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung 6.3.1 Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers Ziel dieses Unterkapitels ist die Analyse und Interpretation der Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung im Hinblick auf den Abnehmer. Hierzu werden zunächst die Zielsetzungen der Abnehmer bei der strategischen Entwicklung von Lieferanten analysiert. Darauf aufbauend erfolgt die Interpretation der im Rahmen des Strukturgleichungsmodells ermittelten Zusammenhänge zwischen den Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit von Abnehmern. Die Abnehmer wurden im Zuge der Befragung gebeten, auf einer Skala von "1 = nicht wichtig" bis "5 = sehr wichtig" anzugeben, wie relevant einzelne Ziele bei der Entwicklung des jeweiligen Lieferanten waren. Abbildung 32 fasst die durchschnittlichen Antworten auf diese Frage zusammen. ____________ 689
Eine Ausnahme stellt die im Rahmen der Weltwirtschaftskrise beispielsweise in der Automobilindustrie teilweise praktizierte finanzielle Unterstützung von Lieferanten zur Vermeidung von Lieferausfällen dar. Vgl. hierzu das in Unterkapitel 4.2.2 angeführte Beispiel von PSA Peugeot Citroën. 690 Vgl. Abbildung 27. 691 Vgl. z.B. Wagner, 2006b, S. 560.
Modellinterpretation: Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung Dimension
Ziele
DIFFERENZIERUNG: Verbesserung der …
Produktqualität
Relevanz im Rahmen der Lieferantenentwicklung [Durchschnitt] 4,1 4,1
Lieferzuverlässigkeit Lieferzeiten
3,8
Fertigungsflexibilität
3,4
Innovationskraft KOSTENFÜHRERSCHAFT: Senkung der …
197
3,1
Qualitätskosten
3,9
Materialkosten
3,8
Lagerkosten
3,5 3,4
Fertigungskosten Transportkosten
1 = nicht wichtig … 5 = sehr wichtig
3,0 N = 361 bis 395 (je nach Ziel)
Abbildung 32: Relevanz von Zielen im Rahmen strategischer Lieferantenentwicklung692
Wie Abbildung 32 zeigt, begreifen die befragten Abnehmer strategische Lieferantenentwicklung keineswegs als reinen Kostensenkungsansatz. Vielmehr spielen gerade auch Ziele, die den Abnehmer im Wettbewerb differenzieren können, eine wichtige Rolle bei der strategischen Entwicklung von Lieferanten. Die befragten Unternehmen haben die bipolare Stoßrichtung strategischer Lieferantenentwicklung für sich erkannt. Gleichzeitig gibt es kein Einzelziel, das vollkommen unwichtig wäre. Wichtigste Einzelziele sind die Verbesserung der Produktqualität (4,1) und der Lieferzuverlässigkeit (4,1) sowie die Senkung der durch unzureichende Qualität verursachten Kosten (3,9). Umgekehrt steht die Senkung der Transportkosten (3,0) bzw. die Stärkung der Innovationskraft (3,1) im Schnitt weniger im Fokus bei Lieferantenentwicklungsaktivitäten. Vor diesem Hintergrund scheint es nicht verwunderlich, dass strategische Lieferantenentwicklung in einem positiven Wirkungszusammenhang mit beiden Zieldimensionen – Differenzierung und Kostensenkung – steht. In Abbildung 33 sind die entsprechenden Teile des Strukturgleichungsmodells hervorgehoben: Die drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung, die beiden Dimensionen der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers sowie die fünf sie verbindenden Pfade.
____________ 692
Eigene Darstellung.
198
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Option I: Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO)
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL) Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA) Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL) Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
Differenzierung (DIFF) 0,159***
Option II: Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
Option III: Finanzielle Unterstützung/ Beteiligung (FINU)
Kostenführerschaft (KOST)
Signifikant auf einem Niveau von Į = 0,05 (*); 0,01 (**); 0,001 (***)
Nicht signifikant
Abbildung 33: Wirkungszusammenhänge des Strukturmodells, Fokus Erfolgswirkungen693
Wie Abbildung 33 zeigt, sind vier der fünf Pfade signifikant auf einem Niveau von mindestens Į = 0,05. Damit lässt sich für die ersten beiden Optionen strategischer Lieferantenentwicklung ein positiver Zusammenhang im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers konstatieren. Diese empirisch fundierte Erkenntnis ist von großer Wichtigkeit, da sie die Legitimationsgrundlage für die strategische Entwicklung von Lieferanten liefert. Schließlich stellen Aktivitäten strategischer Lieferantenentwicklung abhängig von Option und Umfang eine kleinere bzw. größere Investition des Abnehmers in einen spezifischen Lieferanten dar.694 Derartige Investitionen müssen sich, zumindest im Schnitt, positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers auswirken. Dies kann auf Basis der durchgeführten Umfrage für Option I und II strategischer Lieferantenentwicklung bestätigt werden. Gleichzeitig deckt sich diese Erkenntnis mit der Mehrzahl anderer empirischer Studien, die ähnliche Zusammenhänge beleuchtet haben.695 Für Option III bestätigt sich ein analoger Zusammenhang allerdings nicht. Im Einzelnen wurden folgende Zusammenhänge bestätigt: Hochsignifikant ist der Zusammenhang zwischen Option I strategischer Lieferantenentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers in Sinne einer Kostenführerschaft (Pfadkoeffizient 0,290, signifikant auf einem Niveau von Į = 0,001). Je intensiver der Abnehmer ____________ 693
Eigene Darstellung, identisch mit Abbildung 23 aber inklusive Hervorhebung. Vgl. hierzu auch die Interpretation strategischer Lieferantenentwicklung als transaktionsspezifische Investition in Unterkapitel 3.2.3. 695 Vgl. Tabelle 7 und die zugehörigen Ausführungen. 694
Modellinterpretation: Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung
199
also die Entwicklung von Lieferanten durch Zielvorgaben steuert, desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf die eigene Kostenbasis. Einfacher: Mit Feedback und konkreten Zielvorgaben für Lieferanten lassen sich Kosten senken. Dies untermauern auch Aussagen aus den Experteninterviews: So berichteten mehrere Gesprächspartner, dass durch regelmäßiges Feedback und präzise Zielvorgaben für die Lieferanten die Total Cost der Beschaffung deutlich gesenkt werden konnten. Mit einem Pfadkoeffizienten von 0,201 auf einem Signifikanzniveau von Į = 0,05 etwas weniger deutlich, aber ebenfalls signifikant ist der positive Zusammenhang zwischen Option I und der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers im Sinne einer Differenzierung. Je intensiver der Abnehmer also die Entwicklung von Lieferanten durch Zielvorgaben steuert, desto deutlicher stärkt er auch seine Wettbewerbsfähigkeit im Sinne einer Differenzierung vom Wettbewerb. Plakativer: Feedback und konkrete Zielvorgaben für Lieferanten machen einen Unterschied bei Qualität, Lieferzuverlässigkeit und -zeit, Flexibilität und Innovation. Auch diesen Zusammenhang bestätigten etliche Interviewpartner. Beispielhaft sei der Fall eines interviewten Pharmaunternehmens erwähnt, das auf Basis einer neu eingeführten, globalen Bewertung von ausgewählten Lieferanten deutliche Unterschiede im Servicelevel für einzelne seiner Werke feststellte. Die Ergebnisse der Lieferantenbewertung wurden direkt an die Konzernzentrale der Lieferanten kommuniziert, mit der Folge, dass innerhalb kurzer Zeit Lieferzuverlässigkeit und -zeiten auf ein einheitlich hohes Niveau angehoben wurden. Allerdings überrascht bei den beschriebenen Wirkungen von Option I, dass der Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit im Sinne einer Kostenführerschaft deutlicher ist als der Beitrag im Sinne einer Differenzierung vom Wettbewerb. Überraschend ist dieser Befund deshalb, weil die befragten Abnehmer angaben, im Rahmen ihrer strategischer Lieferantenentwicklung gerade auch Differenzierungsziele wie eine Verbesserung von Qualität, Lieferzuverlässigkeit und -zeit, in etwas geringerem Maße auch die Steigerung ihrer Fertigungsflexibilität und Innovationskraft zu verfolgen.696 Ein möglicher Grund könnte die komplexere Messbarkeit "weicher" Verbesserungen sein, etwa in den Bereichen Qualität, Zeit oder Flexibilität. Zwar gibt es eine Reihe geeigneter Kennzahlen, um derartige Veränderungen transparent zu machen, doch nicht alle Unternehmen verfügen über bzw. nutzen ein System, das es ihnen erlaubt, die Erfolge ihrer Lieferantenzielvorgaben zu quantifizieren. Das folgende Zitat aus einem der Experteninterviews illustriert dies beispielhaft: "Wir verfügen mit EVALUATION697 über ein gutes Tool zur Bewertung von Lieferanten. Auch Aktionspläne können damit erstellt und nachgehalten werden. Das machen wir aber nicht immer. Daher kann ich Ihnen nur sagen, dass diese Aktivitäten meiner Meinung nach für uns sehr sinnvoll sind."698 ____________ 696
Vgl. Abbildung 32 und die zugehörigen Erläuterungen. Der Name des Lieferantenbewertungstools wurde aus Vertraulichkeitsgründen geändert. 698 Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15. 697
200
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
Mit einem Pfadkoeffizienten von 0,245 auf einem Signifikanzniveau von Į = 0,001 ebenfalls hochsignifikant ist der Zusammenhang zwischen Option II, gemeinsamen Optimierungsprojekten, und der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers im Sinne einer Kostenführerschaft. Je intensiver der Abnehmer also seine Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte berät und schult, desto deutlicher kann er seine Kosten senken. Einen gut dokumentierten Beleg lieferte eines der interviewten Unternehmen. Dieses betreibt in einem Geschäftsbereich aktiv Lieferantenentwicklung mit insgesamt zwei Vollzeitkräften. Diese sind für die Durchführung von gemeinsamen Optimierungsprojekten mit ausgewählten, meist mittelständischen Lieferanten verantwortlich. Im Jahr 2008 wurden gemeinsam mit Lieferanten 15 Projekte abgeschlossen.699 Insgesamt konnten damit rund 3,4 Millionen Euro an Einsparungen erzielt werden, was einem Vielfachen des investierten Aufwandes entspricht. Einen weiteren anekdotischen Beleg liefert die Aussage von Manfred Keßler, dem ehemaligen Geschäftsführer der Porsche Consulting, der das Porsche Lieferantenentwicklungsprogramm POLE verantwortete: "Das POLE-Projekt von uns AG-Mitarbeitern stand aber in nichts nach. Mit einem durchschnittlichen Einsparpotenzial von rund 17 Prozent pro untersuchtem Lieferanten wurde es das erfolgreichste Projekt, das die Firma Porsche jemals angestoßen hat."700 Auch der positive Zusammenhang zwischen gemeinsamen Optimierungsprojekten und einer Differenzierung des Abnehmers wird mit einem Pfadkoeffizienten von 0,255 auf einem Signifikanzniveau von 0,01 bestätigt: Je intensiver ein Abnehmer Lieferanten im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte entwickelt, desto deutlicher stärkt er seine Wettbewerbsfähigkeit im Sinne einer Differenzierung. Folgendes Beispiel eines Maschinen- und Anlagenbauers soll dies illustrieren: Wiederholt waren Probleme mit Oberflächenbeschaffenheit und Lunkereinschlüssen bei Gussteilen eines wichtigen Lieferanten aufgetreten. Im Rahmen mehrerer VorOrt-Besuche wurden gemeinsam mit Mitarbeitern der Gießerei verbesserte Vorprozesse entwickelt und vom Lieferanten umgesetzt. Dadurch konnte die Oberflächenbeschaffenheit der Gussteile deutlich verbessert werden. Das Problem der Lunkereinschlüsse besteht allerdings weiterhin, weil das gemeinsam identifizierte Alternativverfahren teurer ist als die aktuelle Lösung und die Verteilung der Kosten zum Zeitpunkt des Interviews noch offen war. Für Option III strategischer Lieferantenentwicklung – die finanzielle Unterstützung bzw. Beteiligung des Abnehmers am Lieferantenunternehmen – kann der vermutete Zusammenhang mit der Differenzierung des Abnehmers empirisch nicht bestätigt werden. Mögliche Gründe hierfür wurden bereits in Unterkapitel 6.2.3 erörtert.
____________ 699
700
Die hohe Zahl von 15 abgeschlossenen Projekte im Jahr kommentierte der Interviewpartner folgendermaßen: "Damit sind wir hier im Konzern Benchmark." Keßler, 2004, S. 29.
Modellinterpretation: Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung
201
6.3.2 Indirekte Effekte auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers In Unterkapitel 5.3.1 wurde gezeigt, dass neben den im vorangegangenen Unterkapitel 6.3.1 diskutierten direkten Effekten auch indirekte Effekte innerhalb des Strukturmodells existieren. Vor diesem Hintergrund werden in diesem Unterkapitel die indirekte Effekte zwischen Rahmenbedingungen und der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers zunächst aufgezeigt und anschließend kurz interpretiert. Rechnerisch ergeben sich indirekte Effekte durch eine Multiplikation der signifikanten Pfadkoeffizienten zwischen vor- und zwischengelagertem sowie zwischen- und nachgelagertem Konstrukt.701 Abbildung 34 visualisiert die indirekten Effekte im Modell der strategischen Lieferantenentwicklung. Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Optionen strategischer Lieferantenentwicklung
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL)
Differenzierung (DIFF)
Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA)
Kostenführerschaft (KOST)
Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL) Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA) Indirekter Effekt
Kein indirekter Effekt
Abbildung 34: Visualisierung indirekter Effekte im Strukturmodell702
Wie die in Abbildung 34 dargestellten indirekten Effekte zeigen, spielen die Rahmenbedingungen eine nicht zu unterschätzende Rolle, wenn es um die Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung geht. Anders formuliert: Je ausgeprägter einige der untersuchten Rahmenbedingungen, desto wirksamer ist strategische Lieferantenentwicklung im Sinne einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers durch Differenzierung vom Wettbewerb bzw. Kostenführerschaft. Dies gilt mit Blick auf das Ausmaß der indirekten Effekte insbesondere für zwei Konstrukte: Die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer und die Metho____________ 701 702
Für Details vgl. Huber et al., 2007, S. 116-117, sowie Unterkapitel 5.3.1, insbesondere Tabelle 31. Eigene Darstellung.
202
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
denkompetenz des Abnehmers. Je größer also die Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer und/oder je größer die Methodenkompetenz des Abnehmers, desto erfolgreicher ist strategische Lieferantenentwicklung im Sinne einer Stärkung des Abnehmers in den Dimensionen Differenzierung und Kostenführerschaft. Dabei greifen vermutlich ähnliche Mechanismen, wie sie bereits in Unterkapitel 6.2 für die Zusammenhänge zwischen den Rahmenbedingungen und den Optionen strategischer Lieferantenentwicklung skizziert wurden: Je abhängiger der Lieferant vom Abnehmer ist, desto bereitwilliger engagiert ersterer sich im Rahmen strategischer Lieferantenentwicklung. Das sollte dem Erfolg der entsprechenden Aktivitäten zu Gute kommen. Gleichzeitig dürfte die Verteilung der Ergebnisse aus strategischer Lieferantenentwicklung bei abhängigen Lieferanten eher zu Gunsten des Abnehmers ausfallen.703 Je höher die Methodenkompetenz des Abnehmers, desto effizienter und effektiver kann strategische Lieferantenentwicklung betrieben werden. Auch dies sollte sich positiv im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers bemerkbar machen. Für die übrigen Rahmenbedingungen sind die indirekten Effekte nicht so deutlich ausgeprägt. Als Folge der nicht signifikanten direkten Beziehungen zu den drei Optionen strategischer Lieferantenentwicklung wirkt sich die Abhängigkeit des Abnehmers auch nicht indirekt auf den Erfolg strategischer Lieferantenentwicklung aus.
6.3.3 Auswirkungen auf den Lieferanten Ziel dieses Unterkapitels ist die Analyse und Interpretation des Nutzens, den Lieferanten aus der Entwicklung durch einen Abnehmer ziehen. Hierzu wird zunächst die Aufteilung von Aufwand und Ergebnis strategischer Lieferantenentwicklung zwischen Abnehmer und Lieferant untersucht. In diesem Zuge wird auch die Beurteilung der Aufteilung durch die Lieferanten näher beleuchtet. Abschließend erfolgt eine Analyse der Zufriedenheit der Lieferanten mit der strategischen Entwicklung durch den Abnehmer. Sowohl Abnehmer als auch Lieferanten wurden im Rahmen der Datenbehebung befragt, wie Aufwand und Ergebnisse der durchgeführten Lieferantenentwicklung zwischen ihnen aufgeteilt wurden. Abbildung 35 links fasst die Antworten zusammen.
____________ 703
Vgl. hierzu die ergänzende Auswertung in Unterkapitel 6.3.3.
Modellinterpretation: Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung Aufteilung von Aufwand und Ergebnissen aus strategischer Lieferantenentwicklung [Durchschnitt in %]
Beurteilung der Aufteilung [Durchschnitt; Aussage der Lieferanten]
41%
Sehr fair
Aufwand Ergebnis
Aussage der Abnehmer
Aussage der Lieferanten
46
37
53
:
:
NAufwand = 189 NErgeb nis = 146
54
47
53
:
:
NAufwand = 30 NErgeb nis = 28
Fair
28% 29%
Mehr oder weniger fair
28% 32%
Eher nicht fair Nicht fair NAufwand = 32,
Anteil Abnehmer
32%
63
47
203
Anteil Lieferant
Abbildung 35: Aufteilung von Aufwand und Ergebnissen
Aufwand
0% 0% 3% 7% NErgeb nis = 28
Ergebnis
704
Um vom Ergebnis her zu starten: Überraschenderweise stimmen Abnehmer und Lieferanten im Hinblick auf die Frage, wie die Ergebnisse aus strategischer Lieferantenentwicklung zwischen ihnen aufgeteilt werden, im Schnitt vollkommen überein. 705 Beide Seiten geben im Durchschnitt eine identische Verteilung von 53 zu 47 Prozent zugunsten der Abnehmer an. Auch wenn die exakten Prozentzahlen nicht überinterpretiert werden sollten, ist die wesentliche Nachricht doch eindeutig: Sowohl Abnehmer und Lieferanten profitieren von strategischer Lieferantenentwicklung – und dies annähernd in gleicher Höhe. Auch Lieferanten ziehen also einen substanziellen Nutzen aus der Entwicklung durch den Abnehmer. Wie dies konkret aussehen kann, illustriert das Beispiel eines der interviewten Unternehmen. Bei dessen gemeinsamen Optimierungsprojekten verhandeln beide Partner die Verteilung des Ergebnisses aus dem Projekt am Ende. "Dabei ist alles möglich: Wir bekommen 100 Prozent, der Lieferant bekommt 100 Prozent. Oft läuft es aber auf 50:50 hinaus."706 Häufig, so ein anderer Interviewpartner, werde auch folgende Kompromissformel gewählt: Der Abnehmer profitiert von den im Projekt identifizierten Verbesserungen oder Einsparungen bezogen auf sein Bauteil. Dafür profitiert der Lieferant von der Übertragung der entwickelten Ideen auf andere Produktionslinien, Produkte oder Kunden. Die Lieferanten sind mit der Aufteilung der Ergebnisse aus strategischer Lieferantenentwicklung offensichtlich einverstanden. Wie Abbildung 35 rechts zeigt, bezeichnen über 60 Prozent der Lieferanten diese als fair bzw. sehr fair. Nur 7 Prozent geben an, sie sei nicht fair. ____________ 704
Eigene Darstellung. Der Wilcoxon-Test bestätigt die jeweilige Nullhypothese auf einem Signifikanzniveau von Į = 0,05. Eine ausführlich beschriebene Anwendung des Tests findet sich in Unterkapitel 5.3.3. 706 Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15. 705
204
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
Auch ein Blick auf die Aufwandsseite zeigt, dass strategische Lieferantenentwicklung keine Einbahnstraße ist. Zwar weichen die Angaben von Abnehmern und Lieferanten zur Aufteilung des Aufwandes für strategische Lieferantenentwicklung signifikant voneinander ab.707 So tragen gemäß den Abnehmern sie selbst durchschnittlich 46 Prozent des Aufwandes, während die Lieferanten 54 Prozent übernehmen. Die Lieferanten hingegen sehen deutlich mehr Aufwand auf ihren Schultern lasten, im Schnitt 63 Prozent. Entsprechend beträgt der Aufwand der Abnehmer aus Sicht der Lieferanten nur 37 Prozent. Trotz dieser abweichenden Angaben kann festgehalten werden, dass Lieferantenentwicklung Aufwand auf beiden Seiten verursacht. Dass Lieferanten dabei den größeren Teil stemmen, liegt vermutlich an der schlichten Tatsache, dass bei der Entwicklung eines Lieferanten bei diesem der größere Teil der Veränderungen stattfindet und damit der größere Teil des Aufwandes anfällt.708 Dabei kommt meist ein einfaches Prinzip zum Tragen: Jede Seite trägt ihre Kosten selbst. Dieses Prinzip wenden fast alle der via Experteninterview befragten Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Lieferanten an. Obwohl sie im Vergleich zu den Abnehmern also einen größeren Anteil des Aufwandes für strategische Lieferantenentwicklung schultern, sind die Lieferanten – wie Abbildung 35 rechts zeigt – mehrheitlich mit der Aufteilung des Aufwandes zufrieden. Fast 70 Prozent bezeichnen diese als fair bzw. sogar sehr fair. Nur 3 Prozent empfinden sie hingegen als nicht fair. In Summe kann damit festgehalten werden, dass Abnehmer im Hinblick auf das Verhältnis von Aufwand und Nutzen überproportional von strategischer Lieferantenentwicklung profitieren. Allerdings gewinnen die Lieferanten ebenfalls. Strategische Lieferantenentwicklung trägt also nicht nur zur Stärkung eines Wertschöpfungspartners bei, sondern zu einer Stärkung der Wertschöpfungskette insgesamt. Um ein umfassenderes Bild von der Zufriedenheit der Lieferanten mit der Entwicklung durch den jeweiligen Abnehmer zu bekommen, wurde dieses ebenfalls erfragt. Die Ergebnisse fasst Abbildung 36 zusammen.
____________ 707
708
Die jeweiligen Unterschiede sind signifikant auf einem Niveau von Į = 0,05. Eine ausführlich beschriebene Anwendung des dabei verwendeten Wilcoxon-Tests findet sich in Unterkapitel 5.3.3. Obwohl z.B. gemeinsame Entwicklungsprojekte auch in Anpassungen auf Abnehmerseite resultieren können.
Modellinterpretation: Erfolgswirkung strategischer Lieferantenentwicklung Grad der Zufriedenheit mit der Lieferantenentwicklung durch den jeweiligen Abnehmer [Anteil] 22% 24% 17%
Sehr zufrieden
Interesse an einer Wiederholung der Lieferantenentwicklung [Anteil] 82% 82% 83%
Ja 43% 50%
Zufrieden
18% 18% 17%
Vielleicht
25% Mehr oder weniger zufrieden
32% Nein
24% 50%
Eher nicht zufrieden
0% 0% 0%
Nicht zufrieden
3% 0% 8%
Nalle = 37, Nerfolgreich = 25, Nweniger erfolgreich = 12
205
0% 0% 0%
Nalle = 34, Nerfolgreich = 22, Nweniger erfolgreich = 12
Alle Lieferanten Lieferanten, die aus Abnehmersicht erfolgreich entwickelt wurden Lieferanten, die aus Abnehmersicht weniger erfolgreich entwickelt wurden 33
Abbildung 36: Zufriedenheit der Lieferanten mit der Entwicklung durch den Abnehmer709
Wie Abbildung 36 links zeigt, ist eine Mehrheit von fast zwei Drittel der befragten Lieferanten mit der Entwicklung durch den jeweiligen Abnehmer zufrieden bzw. sehr zufrieden. Bei den Lieferanten, die vom Abnehmer als Beispiele für erfolgreiche Lieferantenentwicklung zitiert wurden, sind dies sogar knapp drei Viertel. Selbst von den Lieferanten, die aus Abnehmerperspektive weniger erfolgreich entwickelt wurden, zeigen sich immerhin noch 42 Prozent zufrieden bzw. sehr zufrieden mit der Lieferantenentwicklung durch den Abnehmer. Ein eindeutiges Bild ergibt sich auch bei der Frage, ob die Lieferanten bereit wären, sich wieder durch den Abnehmer entwickeln zu lassen. Gut 80 Prozent der Lieferanten bejahten diese Frage. Dabei sind keine wesentlichen Unterschiede zwischen Lieferanten, die aus Abnehmerperspektive erfolgreich entwickelt wurden, und Lieferanten, die aus Sicht der Abnehmer weniger erfolgreich entwickelt wurden, erkennbar. Damit ist die inhaltliche Interpretation des entwickelten und geprüften Modells der strategischen Lieferantenentwicklung sowie der ergänzenden Analysen abgeschlossen. Statt des sonst üblichen Zwischenfazits am Kapitelende werden die Erkenntnisse als Handlungsempfehlungen zusammengefasst. Auf diese Art sollen sie einer praktischen Umsetzung zugänglich gemacht werden.
____________ 709
Eigene Darstellung.
206
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
6.4 Handlungsempfehlungen für Unternehmen Der Wert einer wissenschaftlichen Arbeit in einer anwendungsorientierten Disziplin wie der Betriebswirtschaftslehre bemisst sich auch an ihrer Praxisrelevanz. Um die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit einer praktischen Umsetzung zugänglich zu machen, werden aus den gewonnenen Erkenntnissen drei konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen abgeleitet: •
Handlungsempfehlung 1: Potenziale aus strategischer Lieferantenentwicklung systematisch erschließen
•
Handlungsempfehlung 2: Geeignete Rahmenbedingungen für strategische Lieferantenentwicklung schaffen
•
Handlungsempfehlung 3: Strategische Lieferantenentwicklung sukzessive aufbauen und weiterentwickeln
Die Handlungsempfehlungen wurden auf Basis der dyadischen Studie inklusive der Experteninterviews, der vorbereitenden Theorie- und Literaturarbeiten sowie eigener Überlegungen entwickelt. Für eine umfassende Darstellung sei auf die entsprechenden Kapitel dieser Arbeit verwiesen, auf die aus Gründen der besseren Lesbarkeit im Folgenden nicht referenziert wird. Zudem sei auf eine Einschränkung hingewiesen: Wird im Folgenden von strategischer Lieferantenentwicklung gesprochen, so sind damit nur die ersten beiden Optionen strategischer Lieferantenentwicklung gemeint. Option III, die finanzielle Unterstützung bzw. Beteiligung, bleibt ausgeklammert, da diese – wie die Ergebnisse der Studie zeigen – nicht uneingeschränkt empfohlen werden kann.
Handlungsempfehlung 1: Potenziale aus strategischer Lieferantenentwicklung systematisch erschließen Strategische Lieferantenentwicklung wirkt sich signifikant positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers aus. Dies ist eine zentrale Erkenntnis der vorliegenden Arbeit und trifft in mehrfacher Hinsicht zu: Mit Blick auf die Optionen strategischer Lieferantenentwicklung gilt sie sowohl für die Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten als auch für gemeinsame Optimierungsprojekte. Mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers wirkt sich strategische Lieferantenentwicklung positiv sowohl auf eine Differenzierung vom Wettbewerb als auch im Sinne einer Kostenführerschaft aus. Beispiele aus den Experteninterviews unterstreichen dies. Andere wissenschaftliche Erhebungen bestätigen ähnliche Zusammenhänge. Strategische Lieferantenentwicklung – erfolgreich angewandt – rechnet sich für den Abnehmer. Aber auch die Lieferanten profitieren. Etwa zwei Drittel der befragten Lieferanten waren zufrieden bzw. sehr zufrieden mit der Entwicklung durch den Abnehmer. Über 80 Prozent würden sich wieder entwickeln lassen. Welche Eigendynamik dies erzeugen kann, unterstreicht die
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
207
Aussage eines Interviewpartners: "Unsere Lieferanten kommen inzwischen zu uns und fragen nach, ob wir sie entwickeln können."710 Ergebnisse aus strategischer Lieferantenentwicklung – da sind sich Abnehmer und Lieferanten einig – werden geteilt. Zwar profitieren die Abnehmer überproportional, aber auch die Lieferanten bekommen ihren Teil. Daher verwundert es kaum, dass die Lieferanten die Ergebnisaufteilung im Schnitt als fair bezeichnen. Strategische Lieferantenentwicklung kann also ein "win-win" für Abnehmer und Lieferanten sein. Konsequent umgesetzt steigert sie nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers, sondern die Durchschlagskraft der Wertschöpfungskette insgesamt. Allerdings wird strategische Lieferantenentwicklung von vielen Unternehmen bislang nur unzureichend genutzt. Beispielsweise geben die Abnehmer weniger als der Hälfte ihrer Lieferanten – gemessen am Einkaufsvolumen – konkrete Verbesserungsziele vor. Nur rund ein Viertel der Lieferanten eines Abnehmers werden im Rahmen gemeinsamer Optimierungsprojekte beraten, weniger als 10 Prozent geschult. Eine deutliche Sprache spricht auch die geringe aufbauorganisatorische Verankerung strategischer Lieferantenentwicklung: Nur 20 Prozent der Unternehmen verfügen über eine eigene Abteilung für Lieferantenentwicklung.711 Zudem handelt es sich bei den existierenden Abteilungen häufig um kleinere Abteilungen oder Stabsstellen. Selbst bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz jenseits 1 Milliarde Euro arbeiten dort im Schnitt nur etwa 13 Mitarbeiter. Die Eindrücke aus den Experteninterviews deuten zudem darauf hin, dass neben dem Umfang auch die Art und Weise der betriebenen Lieferantenentwicklung Verbesserungspotenziale bietet. Beispielsweise findet eine Bewertung von Lieferanten inklusive Feedback und Zielvorgaben in vielen Unternehmen nur dezentral statt. Sie wird meist nicht auf zentraler Ebene konsolidiert. Damit bleibt die Chance ungenutzt, wichtigen Lieferanten auf Key-Account-Ebene Feedback zu geben und damit Verbesserungen auf höchster Ebene einzufordern. Vielfach werden gemeinsame Optimierungsprojekte von den Abnehmern zudem opportunitätsgetrieben initiiert. Eine systematische Auswahl besonders entwicklungswürdiger Lieferanten findet nicht oder nur in unzureichendem Maße statt. Damit bleiben Potenziale durch strategische Lieferantenentwicklung vielfach ungenutzt. Entscheider sollten daher kritisch prüfen, welche Potenziale strategische Lieferantenentwicklung für ihr Unternehmen bietet, um diese dann systematisch zu erschließen. Worauf dabei besonders zu achten ist, beschreibt Handlungsempfehlung 2.
____________ 710 711
Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15. Allerdings verfügt immerhin knapp die Hälfte aller großen Unternehmen (Jahresumsatz größer 1 Milliarde Euro) über eine entsprechende Abteilung.
208
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
Handlungsempfehlung 2: Geeignete Rahmenbedingungen für strategische Lieferantenentwicklung schaffen Entscheidend für den Erfolg eines Lieferantenentwicklungsprogramms ist die Schaffung geeigneter interner und externer Rahmenbedingungen. Eine wesentliche Rahmenbedingung bildet die Methodenkompetenz des Abnehmers. Konkret geht es um die Fähigkeit zur Anwendung bestimmter Werkzeuge und Vorgehensweisen, etwa um gemeinsame Optimierungsprojekte effektiv und effizient durchzuführen. Ein Methodenbaukasten, der abhängig von der Zielsetzung des Programms relevante Verfahren wie beispielsweise Wertstromanalyse oder Design-to-Cost umfasst, sollte entwickelt und mit Leitfäden, Prüflisten etc. hinterlegt werden. Gleichzeitig müssen Mitarbeiter, die Lieferantenentwicklung betreiben, geschult und ausgebildet werden. Wo notwendig, kann entsprechendes Methodenwissen auch extern zugekauft werden. Dabei müssen aber auch die eigenen Grenzen erkannt werden. Abnehmer sollten beispielsweise nur Lieferanten derjenigen Warengruppen mit Hilfe von gemeinsamen Optimierungsprojekten entwickeln, deren Industriespezifika eine Anwendung ihrer Methoden erlauben. Im Falle einer Entwicklung des Lieferanten durch Leistungsfeedback und Zielvorgaben ist zudem eine entsprechende Methodenkompetenz des Lieferanten wichtig. Abnehmer sollten also bei der Formulierung von Verbesserungszielen das Kompetenzniveau des Lieferanten berücksichtigen, um herausfordernde, aber realistische Vorgaben zu machen. Eine weitere wesentliche Rahmenbedingung ist die Abhängigkeit des zu entwickelnden Lieferanten vom Abnehmer. Diese sollte als Auswahlkriterium bei der Selektion von Lieferanten für strategische Lieferantenentwicklung berücksichtigt werden. Eine hohe Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer steigert dessen Bereitschaft, sich entwickeln zu lassen und auch aufwändigere Veränderungen vorzunehmen. Gleichzeitig erhöht dies die Sicherheit für den Abnehmer, dass die in die Entwicklung des Lieferanten investierten Ressourcen dem eigenen Unternehmen zu Gute kommen. Schließlich ist auch eine adäquate Ressourcenausstattung in einem umfassenden Sinn von großer Wichtigkeit. Dies gilt zum einen für die Aufmerksamkeit des Topmanagements. Strategische Lieferantenentwicklung ist eine Investition des Abnehmers in die eigene Wettbewerbsfähigkeit und in die der Wertschöpfungskette. Investitionsentscheidungen werden vom Topmanagement getroffen und müssen von diesem unterstützt und durchgesetzt werden. Daher ist ein eindeutiges Commitment unerlässlich, wenn strategische Lieferantenentwicklung erfolgreich betrieben werden soll. Dies impliziert auch ein aktives Engagement des Managements, etwa im Rahmen von Zielvereinbarungsgesprächen mit wichtigen Lieferanten. Zum Zweiten ist eine adäquate Ausstattung mit personellen und finanziellen Ressourcen wichtig. Dabei geht es nicht nur um die Einrichtung einer Abteilung oder eines Teams zur Lieferantenentwicklung. Vielmehr ist die Mobilisierung vieler Bereiche notwendig, etwa wenn es um die Formulierung und Konsolidierung von Lieferantenbewertungen oder die Zusammenarbeit mit Lieferanten in
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
209
cross-funktionalen Zirkeln geht. Dennoch haben die Expertengespräche gezeigt, dass die Einrichtung einer Abteilung bzw. eines dedizierten Teams zur strategischen Lieferantenentwicklung sehr sinnvoll ist. Dieses bildet den zentralen Kern, der Lieferantenentwicklungsaktivitäten initiiert, vorantreibt und teilweise auch eigenverantwortlich durchführt. Ressourcen stehen aber bekanntermaßen nur in begrenztem Umfang zu Verfügung. Wie ein Programm der strategischen Lieferantenentwicklung, zugeschnitten auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen eines Unternehmens, aufgebaut werden kann, ist daher Inhalt von Handlungsempfehlung 3.
Handlungsempfehlung 3: Strategische Lieferantenentwicklung sukzessive aufbauen und weiterentwickeln Der Aufbau eines Programms für strategische Lieferantenentwicklung ist kritisch, da Lieferantenentwicklung nicht nur eine abteilungs- und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit erfordert, sondern meist auch einen Kulturwandel impliziert: Weg von einer reinen Preisreduzierung durch kaufmännische Ansätze hin zu einer Wertsteigerung durch Kooperation. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden vier Schritte inklusive Leitfragen skizziert, die das Vorgehen zum Aufbau eines Programms der strategischen Lieferantenentwicklung beschreiben. Abbildung 37 fasst die Schritte und Leitfragen zusammen, die im Folgenden erläutert und mit Beispielen illustriert werden.
Festlegung von Zielen und Umfang des Programms • Welche primären Ziele sollen durch das Programm erreicht werden? • Welche Optionen strategischer Lieferantenentwicklung soll das Programm abdecken?
Ableitung von Ressourcen und Kompetenzen • Wie sollte die Organisation des Programms aussehen? • Welche Ressourcen und Kompetenzen sind notwendig? • Wer übernimmt welche Rollen und Verantwortlichkeiten?
Entwicklung von Prozessen, Methoden und Systemen
Pilotierung, Aufbau und Weiterentwicklung
• Wie sollen die Prozesse für strategische Lieferantenentwicklung aussehen?
• Wie kann der Erfolg des Programms durch Pilotprojekte untermauert werden?
• Welche Methoden sollen eingesetzt werden?
• Wie kann das Programm ausgebaut und • Welche Systeme sind weiterentwickelt dafür notwendig? werden?
Abbildung 37: Vorgehen und Leitfragen
Im ersten Schritt sollten Ziele und Umfang des Programms zur strategischen Lieferantenentwicklung festgelegt werden. Beispielsweise kann der Aufbau neuer Lieferanten in ausgewählten Warengruppen im Fokus stehen oder eine nachhaltige Senkung der Kosten in der Wertschöpfungskette. In jedem Fall sollten die Ziele strategischer Lieferantenentwicklung aus den Gesamtunternehmens- bzw. Einkaufszielen abgeleitet werden. Im Hinblick auf den Umfang des Programms ist insbesondere die Frage zu beantworten, welche der drei Optionen strategi-
210
Interpretation der empirischen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
scher Lieferantenentwicklung das Programm abdecken soll. In der Praxis finden sich diverse Kombinationen. Beispielsweise fokussiert eines der interviewten Unternehmen seine Lieferantenentwicklungsaktivitäten bewusst auf die erste Option strategischer Lieferantenentwicklung: "Wir gehen davon aus, dass unsere Lieferanten selbst wissen, was am besten ist. Daher beschränken wir unsere präventiven Maßnahmen auf die Steuerung mittels Zielvorgaben. Den Rest überlassen wir bewusst Consultants." 712 Ein anderes führt zusätzlich systematisch gemeinsame Optimierungsprojekte mit Lieferanten durch: "Wir verfolgen bei Lieferantenentwicklung einen aktiven Ansatz, um Potenziale zu erschließen, die uns Marktmechanismen nicht bieten. Dadurch suchen und finden wir Opportunitäten."713 Wie der empirisch nachgewiesene Eskalationszusammenhang zwischen den Optionen strategischer Lieferantenentwicklung nahelegt, kann auch ein Stufenansatz sinnvoll sein: Zunächst Option I, die Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten, implementieren, dann das Programm erfolgsorientiert weiter ausbauen. In einem zweiten Schritt sind die benötigten Ressourcen und Kompetenzen abzuleiten. Dabei geht es zum einen um die Frage, wie strategische Lieferantenentwicklung organisiert werden soll. Beispielsweise kann eine separate Abteilung eingerichtet werden wie dies bei rund 20 Prozent der befragten Unternehmen bereits der Fall ist. Alternativ können die Aufgaben z.B. auf Teams aus verschiedenen Abteilungen aufgeteilt werden, die durch einen Vertreter des Einkaufs koordiniert werden. Zudem sollte definiert werden, welche Ressourcen und Kompetenzen im Sinne einer Dimensionierung des Programms notwendig sind. Dabei ist in aller Regel ein schrittweiser Ansatz sinnvoll. Ausgehend von einem Nukleus strategischer Lieferantenentwickler werden je nach Erreichen bestimmter Ziele zusätzliche Ressourcen aufgebaut. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass nur Ressourcen aufgebaut werden, die sich wirklich rechnen. Schließlich sollten Rollen und Verantwortlichkeiten klar definiert werden. Dies gilt insbesondere für Aufgaben, deren Durchführung unter mehreren Abteilungen aufgeteilt wird. In diesem Kontext stellt sich auch die Frage nach einer adäquaten Inzentivierung der Beteiligten, etwa über eine Verankerung in Zielvereinbarungen. Im dritten Schritt sind Prozesse, Methoden und Tools zu entwickeln. Konkret müssen Standardprozesse für wesentliche Abläufe strategischer Lieferantenentwicklung definiert werden. Beispielsweise für die Bewertung von Lieferanten, das Geben von Feedback, die Vorgabe von Zielen und das Nachhalten der Ergebnisse. Darüber hinaus sind insbesondere im Hinblick auf gemeinsame Optimierungsprojekte die einzusetzenden Methoden zu definieren und – sofern noch nicht existent – zu entwickeln und zu schulen. Konkrete Beispiele für derartige Methoden sind Schnellaudits am Anfang eines gemeinsamen Optimierungsprojektes oder Total-QualityManagementtechniken. Zudem sollten notwendige Systeme identifiziert und nach Bedarf entwickelt oder beschafft werden. Konkretes Beispiel ist ein System zur Lieferantenbewertung. ____________ 712 713
Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15. Quelle: Experteninterview. Für eine Übersicht über die interviewten Unternehmen vgl. Abbildung 15.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
211
Lösungen in der unternehmerischen Praxis reichen hier von Eigenlösungen auf MicrosoftExcel-Basis bis hin zu professioneller Software. Im vierten und letzten Schritt sollte das Programm zur strategischen Entwicklung von Lieferanten pilotiert, aufgebaut und dann konsequent weiterentwickelt werden. Eine Einführung auf Basis von Pilotprojekten bietet den Vorteil, dass sich in kurzer Zeit und mit vertretbarem Ressourceneinsatz nachweisbare Erfolge erzielen lassen und ein Beweis für die Funktionsfähigkeit des Konzeptes erbracht werden kann. Außerdem können damit Prozesse, Methoden und Systeme einem Praxistest unterzogen und gegebenenfalls angepasst werden, bevor der weitere Ausbau erfolgt. Entscheidend sind auch die kontinuierliche Weiterentwicklung des Programms zur strategischen Lieferantenentwicklung und seine Anpassung an aktuelle Prioritäten. So ist es nicht ungewöhnlich, dass sich der Fokus mit der Zeit verschiebt. Beispielsweise berichtete der Interviewpartner eines der interviewten Automobilunternehmen, dass der ursprüngliche Fokus des Programms auf der Optimierung von Serienteilen lag. Aktuell werde aber verstärkt versucht, bereits in der Vorserie mit dem Lieferanten gemeinsame Optimierungsprojekte aufzusetzen, da ein Großteil der Kosten in dieser Phase determiniert wird.
Kapitel 7 7 Beitrag dieser Arbeit und Ausblick
Ziele von Kapitel 7 sind die Zusammenfassung des Beitrags dieser Arbeit für Wissenschaft und Praxis und das Aufzeigen von Vorschlägen für die weitere Forschung. Dabei wird bewusst auf eine detaillierte Darstellung der Ergebnisse verzichtet. Letztere finden sich in Kapitel 5 (Auswertungen) und Kapitel 6 (Interpretation). Das Kapitel ist in drei Teile gegliedert: •
Unterkapitel 7.1 erläutert den Beitrag dieser Arbeit zur wissenschaftlichen Forschung.
•
Unterkapitel 7.2 erläutert den Beitrag dieser Arbeit für die unternehmerische Praxis.
•
Unterkapitel 7.3 weist auf Limitationen dieser Arbeit hin und zeigt Vorschläge für die künftige Forschung auf.
S. M. Durst, Strategische Lieferantenentwicklung, DOI 10.1007/978-3-8349-6174-7_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
214
Beitrag dieser Arbeit und Ausblick
7.1 Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung Ziel dieses Unterkapitels ist die zusammenfassende Erläuterung des Beitrages dieser Arbeit aus wissenschaftlicher Perspektive. Dabei wird bewusst auf eine detaillierte Darstellung der Ergebnisse verzichtet. Letztere können in Bezug auf die Auswertung des Strukturgleichungsmodells Kapitel 5 und in Bezug auf eine Interpretation der Ergebnisse Kapitel 6 entnommen werden. Ein im Einführungskapitel formulierter Anspruch dieser Arbeit lautete, einen Beitrag zur Schließung wesentlicher inhaltlicher, methodischer und theoretischer Lücken in der Forschung zur Lieferantenentwicklung zu leisten. Wie in Unterkapitel 2.3 aufgezeigt wurde, existieren trotz 35 großzahlig-empirischer Arbeiten zur Entwicklung von Lieferanten etliche Forschungslücken. Mit Blick auf den Fokus dieser Arbeit seien folgende Punkte rekapituliert: •
Aus inhaltlicher Perspektive ist eine unzureichende Untersuchung von Relevanz und Einfluss von Rahmenbedingungen auf Intensität und Erfolg von Lieferantenentwicklung zu konstatieren. Zudem ist die Aufteilung von Aufwand und Ergebnis aus Lieferantenentwicklung zwischen Abnehmer und Lieferant nur ungenügend beleuchtet.
•
Aus methodischer Perspektive fällt insbesondere der geringe Anteil dyadischer Studien – die sich durch eine besonders hohe Aussagekraft auszeichnen – auf.
•
Aus theoretischer Perspektive ist die fehlende multitheoretische Fundierung der Arbeiten zu bemängeln.
Mit der Beantwortung der Forschungsfragen wurde ein substanzieller Beitrag zur Schließung der genannten inhaltlichen Lücken geleistet. Konkret wurden folgende Fragen beantwortet.
1. Welche Rahmenbedingungen sind im Hinblick auf strategische Lieferantenentwicklung besonders relevant? Auf Basis der Transaktionskostentheorie und des ressourcenbasierten Ansatzes wurden fünf wesentliche Rahmenbedingungen für strategische Lieferantenentwicklung abgeleitet: Die Abhängigkeit von Abnehmer und Lieferant, die Methodenkompetenz von Abnehmer und Lieferant sowie die Ressourcenausstattung des Abnehmers. Im Rahmen der empirischen Überprüfung des entwickelten Strukturgleichungsmodells konnten vier der fünf Rahmenbedingungen als relevant für strategische Lieferantenentwicklung bestätigt werden. Eine Ausnahme bildet die Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten. Wie der für das Literaturreview entwickelte Bezugsrahmen714 aufzeigt, gibt es darüber hinaus eine große Anzahl weiterer Rahmenbedingungen, die potenziell relevant für die strategische
____________ 714
Vgl. Abbildung 5 und die zugehörgen Erläuterungen.
Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung
215
Entwicklung von Lieferanten sind, aber bislang nur partiell großzahlig-empirisch überprüft wurden.715 Diese sollten in künftigen Studien aufgegriffen werden.
2. Welche Optionen strategischer Lieferantenwicklung wirken sich – abhängig von bestimmten Rahmenbedingungen – positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers aus? Auf Basis theoretischer Überlegungen, bestehender Studien und von 20 Experteninterviews wurden 18 Hypothesen zu Zusammenhängen zwischen Rahmenbedingungen, Optionen strategischer Lieferantenentwicklung und deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers entwickelt. Diese wurden mit Hilfe eines Strukturgleichungsmodells empirisch überprüft. 12 der 18 Hypothesen konnten auf einem Signifikanzniveau von mindestens Į = 0,05 bestätigt werden. Basis für die Auswertung bildete eine Erhebung unter 200 Abnehmern zu jeweils zwei Lieferanten (400 Datensätze).716 Dabei wurden die Aussagen der Abnehmer mit denen ihrer Lieferanten verglichen.
3. Wie werden strategische Lieferantenentwicklung im Allgemeinen und die Aufteilung von Aufwand und Ergebnis im Speziellen aus Sicht der Lieferanten beurteilt? Zusätzlich zur Befragung der Abnehmer wurden 38 Lieferanten zur Entwicklung durch den jeweiligen Abnehmer befragt ("matched pair"). Mit Hilfe von deskriptiven und einfachen inferenzstatistischen Methoden wurde ausgewertet, wie Lieferanten die Entwicklung durch ihre Abnehmer beurteilen. Zudem wurde die Aufteilung von Aufwand und Ergebnis aus strategischer Lieferantenentwicklung aus Sicht von Abnehmern und Lieferanten beleuchtet. Die Zufriedenheit der Lieferanten mit dieser Aufteilung wurde ebenfalls untersucht.
Aus methodischer Perspektive stellt diese Arbeit eine Besonderheit dar, weil sowohl Abnehmer als auch Lieferanten befragt wurden. Damit handelt es sich um eine der wenigen dyadischen Untersuchungen zur Entwicklung von Lieferanten. Durch die Befragung beider Seiten der Dyade konnten außerdem wertvolle zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden, etwa im Hinblick auf die gegenseitige Beurteilung von Methodenkompetenzen. Zudem weisen die empirischen Ergebnisse einen höheren Grad an Robustheit auf, da sie von Abnehmern und Lieferanten bestätigt wurden.717
____________ 715
Für eine Übersicht zu empirischen Befunden zu Rahmenbedingungen vgl. Tabelle 10. Aufgrund unvollständiger Angaben wurden 15 Datensätze von der Analyse ausgeschlossen, vgl. Unterkapitel 5.1.3. 717 Ausnahmen, wie beispielsweise in Bezug auf die Methodenkompetenz des Lieferanten, wurden intensiv erörtert, vgl. Unterkapitel 6.2.1. 716
216
Beitrag dieser Arbeit und Ausblick
Durch die multitheoretische Fundierung des entwickelten Modells der strategischen Lieferantenentwicklung wurde die Forderung nach einem Theoriepluralismus erfüllt. Da wesentliche Zusammenhänge empirisch bestätigt wurden, 718 kann dies als weiterer Beleg für die Transaktionskostentheorie und den ressourcenbasierten Ansatz angesehen werden.
Im Einführungskapitel wurde auch der Anspruch formuliert, dass diese Arbeit im Sinne eines übergeordneten Zieles exemplarisch einen Weg zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Praxisnähe empirischer Forschung in der Betriebswirtschaftslehre aufzeigen soll. Hintergrund dieses Zieles sind zwei Beobachtungen: •
Viele Themengebiete der betriebswirtschaftlichen Forschung sind bereits relativ gut empirisch durchdrungen.719 Es besteht also häufig bereits ein empirisch fundiertes Verständnis für wesentliche Zusammenhänge und Kausalverknüpfungen.
•
Nichtsdestotrotz wird die fehlende Anwendbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse in der unternehmerischen Praxis seit Jahren beklagt. Aus Sicht des Autors liegt dies auch an der Pauschalität der Aussagen und Modelle.
Auf Basis des Modells der strategischen Lieferantenentwicklung konnte nachgewiesen werden, dass Abnehmer bestimmte Optionen strategischer Lieferantenentwicklung insbesondere bei Vorliegen bestimmter Rahmenbedingungen erfolgreich nutzen. Damit wurde die Qualität der bereits in anderen Studien nachgewiesenen positiven Wirkung von Lieferantenentwicklung insofern erhöht, als erfolgsrelevante Kontingenzfaktoren identifiziert wurden. Auf dieser Basis konnten konkrete Handlungsempfehlungen für die unternehmerische Praxis entwickelt werden. Daher soll diese Arbeit als exemplarischer Appell verstanden werden, künftige Forschungsanstrengungen auch und gerade auf die Umstände zu konzentrieren, die sich positiv wie negativ auf den Erfolg von Strategien und Maßnahmen auswirken.
7.2 Beitrag zur unternehmerischen Praxis Ziel dieses Unterkapitels ist die zusammenfassende Erläuterung des Beitrages dieser Arbeit für die unternehmerische Praxis. Wie im vorangegangenen Unterkapitel wird von einer detaillierten Darstellung der Ergebnisse abgesehen. Hierfür sei auf Kapitel 6 verwiesen. Im Einführungskapitel wurde der Anspruch formuliert, aufzuzeigen, unter welchen Umständen Unternehmen strategische Lieferantenentwicklung in welcher Form betreiben sollten. Auf Basis der durchgeführten Studie wurde ein signifikant positiver Einfluss der ersten beiden Optio____________ 718
12 der 18 formulierten Hypothesen wurden bestätigt. Gleichzeitig ergibt sich für drei der sechs nicht bestätigten Hypothesen (Hypothesen 1.1, 1.2 und 1.3) ein theoretisch ambivalentes Bild, vgl. die Ausführungen in Unterkapitel 4.2.3. Die Nichtbestätigung dieser Hypothesen geht also ebenfalls konform mit der Theorie. 719 Vgl. z.B. den Überblick von Fettke, 2007, S. 419, zum SCM oder Scudder und Hill, 1998, S. 101, zu Operations Management.
Limitationen dieser Arbeit und Vorschläge für die weitere Forschung
217
nen strategischer Lieferantenentwicklung auf die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers bestätigt. Für Option II wurde ein entsprechender Zusammenhang hingegen nicht bestätigt. Gleichzeitig wurden Rahmenbedingungen ermittelt, die sich auf eine erfolgreiche Nutzung dieser beiden Optionen auswirken. Damit wurde die Frage beantwortet, welche Optionen strategischer Lieferantenentwicklung unter bestimmten Rahmenbedingungen und in Abhängigkeit bestimmter Ziele ergriffen werden sollten. Vor diesem Hintergrund sind auch die Handlungsempfehlungen 1 und 2 zu verstehen. Darüber hinaus wurde in Kapitel 1 das Ziel formuliert, anhand konkreter Fallbeispiele bzw. mit Hilfe von Handlungsempfehlungen aufzuzeigen, wie strategische Lieferantenentwicklung in der Praxis erfolgreich umgesetzt und verankert werden kann. Im Verlauf der Arbeit wurden daher immer wieder konkrete Beispiele eingeflochten, die illustrieren, wie strategische Lieferantenentwicklung in der unternehmerischen Praxis umgesetzt wird. 720 Gleichzeitig wird in Handlungsempfehlung 3 ein Vorgehen aufgezeigt, wie strategische Lieferantenentwicklung in einem Unternehmen aufgebaut und verankert werden kann.
7.3 Limitationen dieser Arbeit und Vorschläge für die weitere Forschung Ziel dieses Unterkapitels ist es, auf Limitationen der vorliegenden Arbeit hinzuweisen. Zudem werden Vorschläge für die weitere Forschung gemacht. Wie jede Studie weist auch die vorliegende Arbeit eine Reihe von Einschränkungen auf. Diese werden im Folgenden dokumentiert und sollten bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Zunächst muss grundsätzlich beachtet werden, dass die mit dieser Arbeit dargelegte, singuläre empirische Evidenz nicht ausreicht, um die postulierten konzeptuellen Zusammenhänge reliabel zu bestätigen. Erst wenn mehrere empirische Studien entsprechende Zusammenhänge validiert haben, kann die darunterliegende Theorie als bewährt angesehen werden. Allerdings impliziert auch die Bewährung einer Theorie keine Wahrheitsgarantie.721 Des weiteren ergeben sich diverse Limitationen aus der für diese Arbeit gewählten Methodik: •
So erlaubt der für diese Arbeit genutzte PLS-Ansatz im Gegensatz zur Kovarianzstrukturanalyse aufgrund fehlender globaler Gütemaße keine ganzheitliche Beurteilung des entwickelten Modells. Damit kann nicht festgestellt werden, ob dem entwickelten Modell ein wichtiger struktureller Pfad fehlt.722
____________ 720
Umfangreichere Fallbeispiele sind zur besseren Lesbarkeit durch Kästen gekennzeichnet und im Fallbeispielverzeichnis aufgeführt. 721 Vgl. Gadenne, 2006, S. 35. 722 Vgl. Homburg und Klarmann, 2006, S. 734.
218
Beitrag dieser Arbeit und Ausblick •
Zudem erlaubt der Querschnittscharakter der durchgeführten Studie streng genommen keinen Nachweis von Kausalität.723 York und Miree liefern mit ihrer Untersuchung der Auswirkungen von TQM auf die Unternehmensperformance ein gutes Beispiel zur Illustration der Problematik: Die Autoren konnten in ihrer Untersuchung eine signifikant höhere Unternehmensperformance für Unternehmen nachweisen, die für ihr Qualitätssystem ausgezeichnet worden waren. Allerdings wiesen York und Miree ebenfalls nach, dass die Unternehmen schon vor ihrer Auszeichnung durch bessere Finanzkennzahlen gekennzeichnet waren. Ein Kausalzusammenhang zwischen TQM-Praktiken und der finanziellen Performance eines Unternehmens konnte somit nicht bestätigt werden. Gleiches gilt auch für die vorliegende Arbeit: Durch den Nachweis einer Kovarianz ist nicht der Nachweis eines Kausalzusammenhangs erbracht.
Weitere Limitationen ergeben sich aufgrund der Art der durchgeführten Datenerhebung: •
Beispielsweise basieren die im Rahmen der Datenerhebung ermittelten Parameter auf der Selbsteinschätzung der Interviewpartner. Zwar wurden die Antworten der Abnehmer mit denen ihrer Lieferanten verglichen und nur vereinzelt signifikante Unterschiede identifiziert.724 Dennoch lassen sich Verzerrungen nicht ausschließen.
•
Sowohl auf Abnehmer- als auch auf Lieferantenseite wurde jeweils nur ein Ansprechpartner befragt. Podsakoff et al. liefern einen guten Überblick über mögliche Verzerrungen aufgrund dieser als "common rater effect" bezeichneten Problematik.725
Im Hinblick auf Vorschläge für künftige Forschungsaktivitäten soll die bereits im Eingangskapitel formulierte und auch in anderen Publikationen726 hervorgehobene, grundsätzliche Anregung wiederholt werden, empirische Untersuchungen verstärkt auf Kontingenzfaktoren zu fokussieren. Damit ließen sich statt pauschaler Aussagen spezifische Empfehlungen ableiten und – so die Hypothese des Autors – auch die Praxisnähe betriebswirtschaftlicher Forschung verbessern. Im Hinblick auf die Forschung zur Lieferantenentwicklung wurden bereits in Unterkapitel 2.3 auf Basis des Literaturreviews wesentliche Lücken aufgezeigt. Ohne diese zu beschränken, sollen ergänzend folgende Vorschläge für künftige Forschungsaktivitäten vorgebracht werden: •
Untersuchung weiterer Rahmenbedingungen: Die ermittelten, relativ niedrigen Werte des Bestimmtheitsmaßes R² für die endogenen Variablen im Modell der strategischen Lieferantenentwicklung sind ein Hinweis darauf, dass neben den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Faktoren noch weitere Rahmenbedingungen eine wesentli-
____________ 723
Vgl. Kuß, 2007, S. 258. Daher wurde auch bewusst der irreführende Terminus "Kausalanalyse" als Bezeichnung für die Strukturgleichungsmodellierung mit latenten Variablen vermieden, vgl. Unterkapitel 4.1.1. 724 Vgl. Unterkapitel 5.3.3. 725 Vgl. Podsakoff et al., 2003, S. 882. 726 Vgl. van der Vaart und van Donk, 2008, S. 52-53, oder Terpend et al., 2008, S. 43.
Limitationen dieser Arbeit und Vorschläge für die weitere Forschung
219
chen Rolle spielen.727 Gleichzeitig wurden mit Hilfe des für das Literaturreview entwickelten Bezugsrahmens weitere, potenziell relevante Rahmenbedingungen für Lieferantenentwicklung aufgezeigt. 728 Diese sind bislang nur partiell empirisch beleuchtet.729 •
Untersuchung von Wahrnehmungsunterschieden: Durch den Vergleich der Aussagen von Abnehmern und Lieferanten wurde gezeigt, dass beide Seiten bei der Beurteilung vieler Sachverhalte übereinstimmen. Ausnahmen bilden die Methodenkompetenz des Lieferanten sowie einzelne Lieferantenentwicklungsaktivitäten. Inwieweit sich hinter diesen Abweichungen eine grundsätzliche Systematik verbirgt, kann auf Basis der vorliegenden Arbeit allerdings nicht beurteilt werden. Da ein Großteil der Studien zur Lieferantenentwicklung auf Abnehmeraussagen beruht,730 wäre eine umfassende Untersuchung der Wahrnehmungsunterschiede zwischen Abnehmern und Lieferanten aus Forschungssicht sehr zu begrüßen.
•
Übertragung auf andere Industrien/nationale Kontexte: Im Rahmen dieser Arbeit wurden Unternehmen der Automobilindustrie, des Maschinen- und Anlagenbaus sowie der Pharma- und Biotechindustrie aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Eine Übertragung auf andere Industrien und nationale Kontexte ist damit nicht ohne weiteres möglich und könnte einen Pfad für künftige Forschungsaktivitäten darstellen.
•
Erneute Überprüfung des Modells nach der Wirtschaftskrise: Die telefonische Befragung der Unternehmen fand von Februar bis April 2009 und damit relativ am Anfang der globalen Wirtschaftskrise statt. Gleichzeitig wurde im Rahmen parallel laufender Experteninterviews registriert, dass der Stellenwert stabiler Partnerschaften mit starken Wertschöpfungspartnern in den Augen der Unternehmen steigt. Hauptgrund ist, dass die Wirtschaftkrise den Unternehmen die Kosten bzw. Risiken durch insolvente Zulieferer vor Augen geführt hat. Vor diesem Hintergrund wäre eine erneute Überprüfung der untersuchten Zusammenhänge nach der Wirtschaftskrise interessant.
Der Autor hofft durch diese Arbeit Anstoß und Anregung für weitere Forschungsaktivitäten auf dem spannenden und wichtigen Gebiet der strategischen Lieferantenentwicklung gegeben zu haben.
____________ 727
Vgl. Unterkapitel 5.3.1. Vgl. Abbildung 5. 729 Vgl. die bisherigen Befunde zu Rahmenbedingungen in Tabelle 10. 730 Vgl. Unterkapitel 2.2.3. 728
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Anhang I: Messmodelle In Anhang I werden die in Unterkapitel 4.3 entwickelten Messmodelle im Detail beschrieben. Dies geschieht in Form von Tabellen, die folgende Informationen enthalten: Konstruktbezeichnung inklusive Abkürzung, Skala, Form der Operationalisierung und Indikatoren. Begründungen und Hintergründe zu den einzelnen Punkten können Kapitel 4.3 •
Die Form der Operationalisierung wird in Unterkapitel 4.3.2 begründet.
•
Die gewählte Skalierung wird in Unterkapitel 4.3.3 erläutert.
Da acht der zehn Messmodelle auf Basis bereits etablierter Konstrukte entwickelt wurden, werden diese ebenfalls aufgeführt und so die Anpassungen für die vorliegende Arbeit transparent gemacht. Eine Begründung der Anpassungen findet sich in Unterkapitel 4.3.2.
Ursprüngliches Messmodell (vgl. Heide, 1994)731
In der vorliegenden Studie verwendetes Messmodell
Bezeichnung (Abkürzung)
Dependence – Buyer (REPSUP)
Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten (ABHA)
Skala
Likert-Skala, 7 Punkte (1 = strongly disagree; 7 = strongly agree)
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = stimme nicht zu; 5 = stimme voll zu)
Form der Operationalisierung
Reflektiv (Verwendung entsprechender Gütekriterien wie des Cronbachschen Alpha)
Reflektiv
Indikatoren
• There are many competitive suppliers for these components.
• Es gibt ausreichend wettbewerbsfähige Lieferanten für diese Produkte (ABHA1). • Würden wir nicht mehr von diesem Lieferanten kaufen, könnten wir das Volumen leicht von anderen Lieferanten beziehen (ABHA2). • Unser Fertigungssystem kann leicht an die Produkte eines neuen Lieferanten angepasst werden (ABHA3). • Ein neuer Lieferant würde nur geringe Anpassungen von unserer Seite erfordern (ABHA4).
• If we decided to stop purchasing from this supplier, we could easily replace their volume with purchases from other suppliers. • Our production system can be easily adapted to using components from a new supplier. • Dealing with a new supplier would only require a limited redesign and development effort on our part. Anmerkung
Heide invertiert die Skala aller Indikatoren für die Modellrechnungen. Dies wird aus inhaltlichen Gründen (hohe Abhängigkeit = hohe Werte) ebenfalls gemacht.
Tabelle 39: Messmodell "Abhängigkeit des Abnehmers vom Lieferanten"
____________ 731
Auch in anderen Arbeiten wurden diese Messmodelle verwendet, unter anderem auch im Kontext der Forschung zur Lieferantenentwicklung, vgl. Krause et al., 2007, S. 542.
S. M. Durst, Strategische Lieferantenentwicklung, DOI 10.1007/978-3-8349-6174-7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
244
Anhang I: Messmodelle Ursprüngliches Messmodell (vgl. Heide, 1994)
In der vorliegenden Studie verwendetes Messmodell
Bezeichnung (Abkürzung)
Dependence – Supplier (REPBUY)
Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer (ABHL)
Skala
Likert-Skala, 7 Punkte (1 = strongly disagree; 7 = strongly agree)
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = stimme nicht zu; 5 = stimme voll zu)
Form der Operationalisierung
Reflektiv (Verwendung entsprechender Gütekriterien wie des Cronbachschen Alpha)
Reflektiv
Indikatoren
• If we decided to stop buying from this supplier, they could easily replace our volume with sales to some other buyer. • It would be relatively easy for this supplier to find another buyer for these components. • Finding new buyers for these components would have no negative impact on the price this supplier can charge. • If the relationship with our company was terminated, it would not hurt this supplier's operations.
• Würden wir nicht mehr von diesem Lieferanten kaufen, könnte dieser uns leicht durch andere Abnehmer ersetzen (ABHL1). • Es wäre relativ einfach für diesen Lieferanten, einen anderen Abnehmer für die Produkte zu finden (ABHL2). • Neue Abnehmer zu finden, würde keine negativen Effekte auf die Preise des Lieferanten haben (ABHL3). • Wenn die Beziehung zu uns beendet würde, würde das Geschäft des Lieferanten nicht darunter leiden (ABHL4).
Anmerkung
Heide invertiert die Skala aller Indikatoren für die Modellrechnungen. Dies wird aus inhaltlichen Gründen (hohe Abhängigkeit = hohe Werte) ebenfalls gemacht.
Tabelle 40: Messmodell "Abhängigkeit des Lieferanten vom Abnehmer"
Anhang I: Messmodelle
245
In der vorliegenden Studie verwende- In der vorliegenden Studie verwendetes Messmodell tes Messmodell Bezeichnung (Abkürzung)
Methodenkompetenz des Abnehmers (MEKA)
Methodenkompetenz des Lieferanten (MEKL)
Skala
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = minimal; 5 = sehr hoch)
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = minimal; 5 = sehr hoch)
Form der Operationalisierung
Reflektiv
Reflektiv
Indikatoren
Wie hoch schätzen Sie die methodische Kompetenz Ihres Unternehmens in den folgenden Bereichen ein? • Produktentwicklung, z.B. Projektmanagement oder Prozesse (MEKL1). • Produktoptimierung, z.B. Wertanalyse oder Design-to-cost (MEKA2). • Produktion, z.B. Six Sigma oder Lean Manufacturing (MEKA3). • Logistik, z.B. Prozessanalyse oder Methoden zur Bestandreduzierung (MEKA4). • Qualität, z.B. Total Quality Management oder Statistical Process Control (MEKA5).
Wie hoch schätzen Sie die methodische Kompetenz dieses Lieferanten in den folgenden Bereichen ein? • Produktentwicklung, z.B. Projektmanagement oder Prozesse (MEKL1). • Produktoptimierung, z.B. Wertanalyse oder Design-to-cost (MEKL2). • Produktion, z.B. Six Sigma oder Lean Manufacturing (MEKL3). • Logistik, z.B. Prozessanalyse oder Methoden zur Bestandreduzierung (MEKL4). • Qualität, z.B. Total Quality Management oder Statistical Process Control (MEKL5).
Tabelle 41: Messmodelle "Methodenkompetenz des Abnehmers bzw. des Lieferanten"
246
Anhang I: Messmodelle Ursprüngliches Messmodell (vgl. Bello und Gilliland, 1997)732
In der vorliegenden Studie verwendetes Messmodell
Bezeichnung (Abkürzung)
Resource Inadequacy
Ressourcenausstattung des Abnehmers (RESA)
Skala
Likert-Skala, 7 Punkte (1 = strongly disagree; 7 = strongly agree)
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = stimme nicht zu; 5 = stimme voll zu)
Form der Operationalisierung
Reflektiv (Verwendung entsprechender Verfahren wie der Konfirmatorischen Faktorenanalyse)
Formativ
Indikatoren
• Human resources limit our firm's ability to increase export activities.
• Die personelle Situation schränkt unsere Möglichkeiten im Bereich der Lieferantenentwicklung ein (RESA1). • Uns fehlen die finanziellen Mittel, um mehr Lieferantenentwicklung zu betreiben (RESA2). • Lieferantenentwicklung wird bei uns eingeschränkt durch die Zeit und Aufmerksamkeit, die das Topmanagement dem Thema widmet (RESA3).
• Our firm lacks the financial resources needed to expand our efforts. • Our export expansion is limited by the time and effort that senior management can devote to exporting.
Tabelle 42: Messmodell "Ressourcenausstattung des Abnehmers"
____________ 732
Bello und Gilliand geben an, das Messmodell in Anlehnung an Welch und Luostarinen, 1988, entwickelt zu haben.
Anhang I: Messmodelle
247
Ursprüngliches Messmodell (vgl. Wagner, 2006a, und Wagner, 2005)733
In der vorliegenden Studie verwendetes Messmodell
Bezeichnung (Abkürzung)
Indirect supplier development
Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten (EIGO)
Skala
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = strongly disagree; 5 = strongly agree)
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = gar nicht; 5 = sehr intensiv)
Form der Operationalisierung
Reflektiv (Verwendung entsprechender Gütekriterien wie des Cronbachschen Alpha)
Reflektiv
Indikatoren
Our firm has undertaken supplier development with supplier X through …
Inwieweit führen Sie folgende Lieferantenentwicklungsaktivitäten mit diesem Lieferanten durch? • Wir bewerten diesen Lieferanten formal (EIGO1). • Wir geben diesem Lieferanten Verbesserungsziele vor (EIGO2). • Wir geben diesem Lieferanten Leistungsfeedback (EIGO3). • Wir auditieren diesen Lieferanten (EIGO4).
• … strong formal supplier evaluation. • … setting improvement targets. • … providing feedback about performance. • … auditing supplier X.
Tabelle 43: Messmodell "Abnehmergesteuerte Eigenoptimierung des Lieferanten"
____________ 733
Wagner verweist für die Zusammenstellung der Indikatoren auf die Arbeiten von Krause, 1997, Krause et al., 2000, sowie Monczka et al., 1993.
248
Anhang I: Messmodelle Ursprüngliches Messmodell (vgl. Wagner, 2006a und Wagner, 2005)734
In der vorliegenden Studie verwendetes Messmodell
Bezeichnung (Abkürzung)
Direct supplier development
Gemeinsame Optimierungsprojekte (GEMO)
Skala
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = strongly disagree; 5 = strongly agree)
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = gar nicht; 5 = sehr intensiv)
Form der Operationalisierung
Reflektiv (Verwendung entsprechender Gütekriterien wie des Cronbachschen Alpha)
Reflektiv
Indikatoren
Our firm has undertaken supplier development with supplier X through …
Inwieweit führen Sie folgende Lieferantenentwicklungsaktivitäten mit diesem Lieferanten durch? • Wir beraten diesen Lieferanten bzgl. Produktion, z.B. Prozesse oder Maschineneinstellung (GEMO1). • Wir beraten diesen Lieferanten bzgl. Produktentwicklung, z.B. Projektmanagement oder Prozesse (GEMO2). • Wir beraten diesen Lieferanten bzgl. Technologie, z.B. Materialien oder Software (GEMO3). • Wir beraten diesen Lieferanten bzgl. Qualität, z.B. Qualitätssicherungsmaßnahmen oder Prüfmittel (GEMO4). • Wir schulen Mitarbeiter dieses Lieferanten (GEMO5). • Wie entsenden Mitarbeiter zu diesem Lieferanten, z.B. für Projektarbeit (GEMO6).
• … giving manufacturing-related advice (e.g., processes, machining process, machine setup). • … giving product developmentrelated advice (e.g., processes, project management). • … giving technological advice (e.g., materials, software). • … giving quality-related advice (e.g., use of inspection equipment, quality assurance procedures). • … training of employees from supplier X • … the transfer of employees to supplier X. • … the transfer of implicit knowledge. Tabelle 44: Messmodell "Gemeinsame Optimierungsprojekte"
____________ 734
Wagner verweist für die Zusammenstellung der Indikatoren auf die Arbeiten von Krause, 1997, Krause et al., 2000, sowie Monczka et al., 1993
Anhang I: Messmodelle
249
Ursprüngliches Messmodell (vgl. Wagner, 2006b)
In der vorliegenden Studie verwendetes Messmodell
Bezeichnung (Abkürzung)
Capital
Finanzielle Unterstützung/Beteiligung (FINU)
Skala
Likert-Skala, 5 Punkte (0 = not at all; 4 = very intensive)
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = gar nicht; 5 = sehr intensiv)
Form der Operationalisierung
Als separater Faktor identifiziert durch exploratorische Faktorenanalyse
Reflektiv
Indikatoren
My firm …
Inwieweit führen Sie folgende Lieferantenentwicklungsaktivitäten mit diesem Lieferanten durch? • Wir beteiligen uns finanziell an diesem Lieferantenunternehmen (FINU1). • Wir stellen diesem Lieferanten Kapital für neue Investitionen bereit (FINU2). • Wir unterstützen diesen Lieferanten finanziell (FINU3).
• … invests in supplier firms.
• … provides financial support to suppliers.
Tabelle 45: Messmodell "Finanzielle Unterstützung/Beteiligung"
250
Anhang I: Messmodelle Ursprüngliches Messmodell (vgl. Krause et al., 2007)
In der vorliegenden Studie verwendetes Messmodell
Bezeichnung (Abkürzung)
Buyer performance (quality, delivery, manufacturing, flexibility)
Differenzierung (DIFF)
Skala
Likert-Skala, 7 Punkte (1 = strongly agree; 4 = neutral; 7 = strongly disagree)
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = nicht erreicht; 5 = voll erreicht)
Form der Operationalisierung
Reflektiv (Verwendung entsprechender Gütekriterien wie des Cronbachschen Alpha)
Formativ
Indikatoren
Our supplier improvement effort with this supplier has helped …
Inwieweit haben Sie die folgenden Ziele durch die genannten Lieferantenentwicklungsaktivitäten für Ihr Unternehmen erreicht? • Verbesserung Ihrer Produktqualität (DIFF1). • Verkürzung Ihrer Lieferzeiten (DIFF2). • Verbesserung Ihrer Lieferzuverlässigkeit (DIFF3). • Verbesserung Ihrer Fertigungsflexibilität (DIFF4). • Stärkung Ihrer Innovationskraft (DIFF5).
• … improve our product quality. • … shorten the delivery times of our products. • … increase the reliability of our product delivery times. • … improve our manufacturing flexibility.
Tabelle 46: Messmodell "Differenzierung"
Anhang I: Messmodelle
251
Ursprüngliches Messmodell (vgl. Wagner, 2006a, Wagner, 2005)
In der vorliegenden Studie verwendetes Messmodell
Bezeichnung (Abkürzung)
Cost leadership
Kostenführerschaft (KOST)
Skala
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = strongly disagree; 5 = strongly agree)
Likert-Skala, 5 Punkte (1 = nicht erreicht; 5 = voll erreicht)
Form der Operationalisierung
Reflektiv (Verwendung entsprechender Gütekriterien wie des Cronbachschen Alpha)
Formativ
Indikatoren
Through the development of supplier X our firm was able to …
Inwieweit haben Sie die folgenden Ziele durch die genannten Lieferantenentwicklungsaktivitäten für Ihr Unternehmen erreicht? • Senkung der Materialkosten für Ihre Produkte (KOST1). • Senkung Ihrer Qualitätskosten (KOST2). • Senkung Ihrer Lagerkosten (KOST3). • Senkung Ihrer Fertigungskosten (KOST4). • Senkung Ihrer Transportkosten (KOST5).
• … reduce our material costs. • … reduce the costs of our products. • … reduce our inventories. • … reduce our manufacturing costs. • … reduce our total costs. Tabelle 47: Messmodell "Kostenführerschaft"
Anhang II: Fragebogen Der im Folgenden abgebildete Fragebogen wurde für die telefonische Befragung der Abnehmer genutzt. Er umfasst vier Teile: (A) Einleitende Fragen, (B.1) Fragen zu einem erfolgreich entwickelten Lieferanten, (B.2) Fragen zu einem weniger erfolgreich entwickelten Lieferanten, (C) Fragen zur Lieferantenentwicklung in diesem Unternehmen allgemein sowie statistische Angaben zum befragten Ansprechpartner. Der Fragebogen, der für die Befragung der zugehörigen Lieferanten eingesetzt wurde, enthielt – aus der Lieferantenperspektive formuliert – identische Fragestellungen. Ergänzend wurden die Lieferanten zu ihrer Einschätzung der Entwicklung durch den Abnehmer befragt. Teil A. Einleitende Fragen Zunächst ein paar allgemeine Fragen zur Lieferantenentwicklung in Ihrem Unternehmen: Haben Sie im Unternehmen eine eigene Abteilung für Lieferantenentwicklung? Falls ja: Wie viele Mitarbeiter arbeiten in dieser Abteilung? Gibt es standardisierte Prozesse für Lieferantenentwicklung?
Ja
Nein
Anzahl Mitarbeiter Ja
Nein
Welchen Stellenwert nimmt Lieferantenentwicklung in Ihrem Unternehmen aktuell ein? Skala von 1 = nicht wichtig bis 5 = sehr wichtig.
1
2
3
4
5
Welchen Stellenwert wird Lieferantenentwicklung in Ihrem Unternehmen vermutlich in 3-5 Jahren einnehmen? Skala von 1 = nicht wichtig bis 5 = sehr wichtig.
1
2
3
4
5
Teil B.1
ERFOLGREICHE Lieferantenentwicklung
Bitte stellen Sie sich einen Ihrer Lieferanten vor, mit dem Sie ERFOLGREICH Lieferantenentwicklung betrieben haben. Die folgenden Fragen beziehen sich auf die Beziehung zu DIESEM Lieferanten. Zunächst bitte ich Sie um ein paar allgemeine Angaben zu diesem Lieferanten. Seit wie vielen Jahren sind Sie Kunde dieses Liefe- Zahl (Jahre) ranten?
S. M. Durst, Strategische Lieferantenentwicklung, DOI 10.1007/978-3-8349-6174-7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
254
Anhang II: Fragebogen
Welchen Anteil Ihres Bedarfes an den jeweiligen Produkten kaufen Sie im Schnitt bei diesem Lieferanten?
Zahl in Prozent
Für wie viele Millionen Euro kaufen Sie im Jahr von diesem Lieferanten?
Zahl in Millionen Euro
Wie viel Prozent Ihres gesamten Einkaufsvolumens Zahl in Prozent entspricht dieser Betrag? Wie viele Millionen Euro Umsatz macht dieser Lie- Zahl in Millionen Euro ferant im Jahr insgesamt? Wie lautet das Hauptprodukt, das Sie bei diesem Lieferanten kaufen? Wie stark ist dieses Produkt speziell auf Ihr Unternehmen angepasst? Skala von 1 = nicht angepasst bis 5 = stark angepasst"
Text (Warengruppe) 1
2
3
4
5
Inwieweit führen Sie folgende Lieferantenentwicklungsaktivitäten mit diesem Lieferanten durch? – Skala von 1 = gar nicht bis 5 = sehr intensiv. Gar nicht
Sehr intensiv
Wir bewerten diesen Lieferanten formal.
1
2
3
4
5
Wir geben diesem Lieferanten Verbesserungsziele vor.
1
2
3
4
5
Wir geben diesem Lieferanten Leistungsfeedback.
1
2
3
4
5
Wir auditieren diesen Lieferanten.
1
2
3
4
5
Wir beraten diesen Lieferanten bzgl. Produktion, z.B. Prozesse oder Maschineneinstellung.
1
2
3
4
5
Wir beraten diesen Lieferanten bzgl. Produktentwicklung, z.B. Projektmanagement oder Prozesse.
1
2
3
4
5
Wir beraten diesen Lieferanten bzgl. Technologie, z.B. Materialien oder Software.
1
2
3
4
5
Wir beraten diesen Lieferanten bzgl. Qualität, z.B. Qualitätssicherungsmaßnahmen oder Prüfmittel.
1
2
3
4
5
Wir schulen Mitarbeiter dieses Lieferanten.
1
2
3
4
5
Wie entsenden Mitarbeiter zu diesem Lieferanten, z.B. für Projektarbeit.
1
2
3
4
5
Wir beteiligen uns finanziell an diesem Lieferantenunternehmen.
1
2
3
4
5
Wir stellen diesem Lieferanten Kapital für neue Investition bereit.
1
2
3
4
5
Anhang II: Fragebogen Wir unterstützen diesen Lieferanten finanziell.
255 1
2
3
4
5
Wie wichtig waren die folgenden Ziele im Rahmen der genannten Lieferantenentwicklungsaktivitäten? – Skala von 1 = nicht wichtig bis 5 = sehr wichtig. Bitte sagen Sie mir dazu jeweils gleichzeitig, inwieweit Sie diese Ziele durch die Lieferantenentwicklung für Ihr Unternehmen erreicht haben. – Skala von 1 = nicht erreicht bis 5 = voll erreicht. Nicht wichtig
Sehr wichtig
Nicht erreicht
Voll erreicht
Senkung der Materialkosten für Ihre Produkte
1
2
3
4
5
Senkung Ihrer Qualitätskosten
1
2
3
4
5
Senkung Ihrer Lagerkosten
1
2
3
4
5
Senkung Ihrer Fertigungskosten
1
2
3
4
5
Senkung Ihrer Transportkosten
1
2
3
4
5
Verbesserung Ihrer Produktqualität
1
2
3
4
5
Verkürzung Ihrer Lieferzeiten
1
2
3
4
5
Verbesserung Ihrer Lieferzuverlässigkeit
1
2
3
4
5
Verbesserung Ihrer Fertigungsflexibilität
1
2
3
4
5
Stärkung Ihrer Innovationskraft
1
2
3
4
5
In welchem Verhältnis fiel ungefähr der Aufwand für die Lieferantenentwicklung zwischen Ihrem Unternehmen und dem Lieferanten an und in welchem Verhältnis wurden anschließend die Ergebnisse aufgeteilt? Lieferant
Abnehmer
Aufwand
Zahl
Zahl
Ergebnisse
Zahl
Zahl
Wie hoch schätzen Sie die methodische Kompetenz dieses Lieferanten in den folgenden Bereichen ein? – Skala von 1 = minimal bis 5 = sehr hoch. Minimal
Sehr hoch
Produktentwicklung, z.B. Projektmanagement oder Prozesse
1
2
3
4
5
Produktoptimierung, z.B. Wertanalyse oder Designto-cost
1
2
3
4
5
Produktion, z.B. Six Sigma oder Lean Manufacturing
1
2
3
4
5
Logistik, z.B. Prozessanalyse oder Methoden zur Bestandreduzierung
1
2
3
4
5
256 Qualität, z.B. Total Quality Management oder Statistical Process Control
Anhang II: Fragebogen 1
2
3
4
5
Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zu? – Skala von 1 = stimme nicht zu bis 5 = stimme voll zu. Stimme nicht zu
Stimme voll zu
Es gibt ausreichend wettbewerbsfähige Lieferanten für diese Produkte.
1
2
3
4
5
Würden wir nicht mehr von diesem Lieferanten kaufen, könnten wir das Volumen leicht von anderen Lieferanten beziehen.
1
2
3
4
5
Unser Fertigungssystem kann leicht an die Produkte eines neuen Lieferanten angepasst werden.
1
2
3
4
5
Ein neuer Lieferant würde nur geringe Anpassungen von unserer Seite erfordern.
1
2
3
4
5
Würden wir nicht mehr von diesem Lieferanten kaufen, könnte dieser uns leicht durch andere Abnehmer ersetzen
1
2
3
4
5
Es wäre relativ einfach für diesen Lieferanten, einen anderen Abnehmer für die Produkte zu finden.
1
2
3
4
5
Neue Abnehmer zu finden, würde keine negativen Effekte auf die Preise des Lieferanten haben.
1
2
3
4
5
Wenn die Beziehung zu uns beendet würde, würde das Geschäft des Lieferanten nicht darunter leiden.
1
2
3
4
5
Teil B.2 WENIGER erfolgreiche Lieferantenentwicklung Bitte stellen Sie sich nun einen zweiten Lieferanten vor, bei dem die Lieferantenentwicklung WENIGER erfolgreich verlief. Ich werde Ihnen nun nochmals die Fragen von eben stellen, die sich nun auf die Beziehung zu DIESEM ZWEITEN Lieferanten beziehen. Wiederholung der Fragen aus Teil B.1 (komplett)
Anhang II: Fragebogen
257
Teil C. Lieferantenentwicklung allgemein Nun ein paar Fragen zum Stand der Lieferantenentwicklung in Ihrem Unternehmen: Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zu? – Skala von 1 = stimme nicht zu bis 5 = stimme voll zu. Stimme nicht zu
Stimme voll zu
Die personelle Situation schränkt unsere Möglichkeiten im Bereich der Lieferantenentwicklung ein.
1
2
3
4
5
Uns fehlen die finanziellen Mittel, um mehr Lieferantenentwicklung zu betreiben.
1
2
3
4
5
Lieferantenentwicklung wird bei uns eingeschränkt durch die Zeit und Aufmerksamkeit, die das Topmanagement dem Thema widmet.
1
2
3
4
5
Wir würden mehr Lieferantenentwicklung betreiben, wenn wir mehr Ressourcen hätten.
1
2
3
4
5
Wie hoch schätzen Sie die methodische Kompetenz Ihres Unternehmens in den folgenden Bereichen ein? – Skala von 1 = minimal bis 5 = sehr hoch. Minimal
Sehr hoch
Produktentwicklung, z.B. Projektmanagement oder Prozesse
1
2
3
4
5
Produktoptimierung, z.B. Wertanalyse oder Designto-Cost
1
2
3
4
5
Produktion, z.B. Six Sigma oder Lean Manufacturing
1
2
3
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Logistik, z.B. Prozessanalyse oder Methoden zur Bestandsreduzierung
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Qualität, z.B. Total Quality Management oder Statistical Process Control
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Mit welchem Anteil Ihrer Lieferanten – gemessen in Prozent Ihres gesamten Einkaufsvolumens – führen Sie die folgenden Lieferantenentwicklungsaktivitäten durch? Formale Lieferantenbewertung inkl. Leistungsfeed- Zahl in Prozent back Setzen von Verbesserungszielen
Zahl in Prozent
Beratung von Lieferanten, z.B. im Hinblick auf Produktentwicklung oder -optimierung
Zahl in Prozent
Schulung von Lieferantenmitarbeitern
Zahl in Prozent
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Anhang II: Fragebogen
Entsendung von Personal zu Lieferanten, z.B. für Projektarbeit
Zahl in Prozent
Finanzielle Unterstützung von Lieferanten, z.B. durch gemeinsame Investitionen
Zahl in Prozent
Finanzielle Beteiligung an Lieferantenunternehmen Zahl in Prozent Abschließend ein paar kurze Fragen zu Ihrer Person: Welche Funktion üben Sie in Ihrem Unternehmen aus?
Text
Wie lange sind Sie bereits in dieser Funktion tätig?
Zahl (Jahre)
Wie lange sind Sie bereits in Ihrem Unternehmen tätig?
Zahl (Jahre)
Möchten Sie ein Exemplar der Studie zugeschickt bekommen?
Ja
Nein
Falls ja: Name
Text
E-Mailadresse
Text
Nun eine letzte Bitte: Für den Erfolg dieser Studie ist es sehr wichtig, Abnehmer UND Lieferanten zu befragen, um beide Seiten zu beleuchten. Können Sie mir daher Ansprechpartner bei den beiden Lieferanten nennen, zu denen Sie mir eben Auskünfte erteilt haben? Ihre Angaben behandeln wir selbstverständlich streng vertraulich. Lieferant, der ERFOLGREICH entwickelt wurde: Name des Lieferantenunternehmens
Text
Ansprechpartner beim Lieferanten
Text
Telefonnummer des Ansprechpartners
Text (Telefonnummer)
Lieferant, der WENIGER erfolgreich entwickelt wurde: Name des Lieferantenunternehmens
Text
Ansprechpartner beim Lieferanten
Text
Telefonnummer des Ansprechpartners
Text (Telefonnummer)