Claudia Maria Wolf Bildsprache und Medienbilder
Claudia Maria Wolf
Bildsprache und Medienbilder Die visuelle Darstel...
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Claudia Maria Wolf Bildsprache und Medienbilder
Claudia Maria Wolf
Bildsprache und Medienbilder Die visuelle Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage Januar 2006 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Barbara Emig-Roller / Bettina Endres Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-531-14659-9
Danksagung
Ohne die Unterstützung, die Anregung und Kritik vieler beteiligter Personen und Institutionen wäre die vorliegende Publikation in dieser Form nicht zustande gekommen. Die ihr zugrunde liegende Dissertation hat im Rahmen eines DOCStipendiums die Österreichische Akademie der Wissenschaften finanziert. Ihr schulde ich ebenso verbindlichen Dank wie Prof. Fritz Plasser, der die ersten Schritte zu diesem Projekt ermöglicht und seine Betreuung im Rahmen meines Doktoratstudiums am Institut für Politikwissenschaft der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck übernommen hat. Auch alle weiteren Stationen bis zur Realisierung dieses Buches hat er mit gleichbleibend wertvollen Anregungen und aufmunterndem Interesse begleitet. Hilfreich und freundlich waren die zahlreichen Gespräche, die ich mit Prof. Hannes Drössler führen konnte, dessen umfangreiche Unterstützung ich sehr zu schätzen weiß. Meinem zweiten Dissertationsbetreuer, Prof. Günther Pallaver, gebührt mein Dank ebenso wie Mag. Martin Saboi, der die Arbeit kritisch durchgesehen und durch konstruktive Hinweise ihre Lesbarkeit verbessert hat. Meinen zahlreichen Gesprächs- und Interviewpartnern und -partnerinnen kann ich hier nur summarisch Dank abstatten für die Zeit, die sie mir freundlicherweise schenkten, und die anregenden Informationen, die durch sie in die Arbeit einfließen konnten. Ohne das Interesse meines Verlags und die dankenswerte finanzielle Unterstützung der Drucklegung durch die Universität Innsbruck hätte aus meiner Arbeit, die im Juli 2004 von der Fakultät für Geisteswissenschaften der Leopold-FranzensUniversität als Dissertation angenommen wurde, kein Buch entstehen können. Herzlichen Dank auch für den unschätzbar aufbauenden Beistand, den ich in jedem Stadium dieses Projekts aus meinem Freundeskreis erfahren durfte, besonders seien hier Gabriele Plasil und Leo Oblasser genannt, in deren Schuld ich mich weiß. Die für die Drucklegung notwendige Überarbeitung wäre nicht gelungen, hätte Arno Matschiner nicht klaglos seine Zeit und Geduld investiert. Meiner Familie möchte ich dieses Buch widmen. Alle haben in ganz spezieller Weise ihren Beitrag zu seiner Entstehung geleistet. An dieser Stelle mein herzlichster Dank dafür! Innsbruck, im Juli 2005 Claudia Maria Wolf
Inhalt
1
Einleitung ...................................................................................................
13
2
Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung ........................
20
2.1 2.2
20
Einleitung ........................................................................................... Politikwissenschaftliche Medienforschung. Zur disziplinären Verortung der Forschungspraxis ........................................................ Zur Definition des Forschungsgegenstandes ‘Medium’ ..................... Medienforschung als Massenkommunikations- und Wirkungsforschung ............................................................................ Vom Stimulus-Respons-Paradigma zur differenzierten Medienkommunikations-Betrachtung. Zentrale Modellannahmen der Medienwirkungsforschung .......................................................... Zusammenfassung ..............................................................................
32 36
Schlüsselbilder, Bezugsrahmen und Darstellungseffekte. Visuelle Politikvermittlung und politikwissenschaftliche Forschung ....
38
2.3 2.4 2.5
2.6 3
3.1 3.2 3.3 3.4
3.5 3.6 3.7
Einleitung ........................................................................................... Schlagbilder, Schlüsselbilder und: Unterhaltung statt Information? Die Abstraktion von Politik im medialen Bild ................................... Bedeutungszuweisung durch ‘Rahmung’. Das Framing-Konzept in der Untersuchung von visueller Politikvermittlung ....................... Darstellungseffekte, Personalisierung und das öffentliche Bild von Politik. Der Einfluß nonverbaler Darstellung auf die politische Urteilsbildung .................................................................................... Begrenzte Wahrnehmungskapazitäten und selektive Zuwendung. Zur Dominanz der bildlichen über die verbale Darstellungsform ...... Transfer-Effekte und Tendenzen der Darstellung. Zum Problem der journalistischen Qualität in der medialen Bildkommunikation .......... Zusammenfassung ………………………………………………… ..
23 25 28
38 41 46
52 56 61 65
8
Inhalt
4
Ein ‘randständiges’ Thema. Zeitschriften als Thema der Medienforschung........................................... 68 4.1 4.2 4.3 4.4
5
68 68 76 88
Nachrichten gedruckt und wöchentlich. Das politische Nachrichtenmagazin ........................................................... 90 5.1 5.2
5.3
5.4 6
Einleitung ........................................................................................... Zeitschriftenforschung heute .............................................................. Zeitschriftenforschung und visuelle Darstellungsformen. Ein Überblick zur aktuellen Forschung .............................................. Zusammenfassung ..............................................................................
Einleitung ........................................................................................... Nichtrivalisierender Konsum und umkämpfte Märkte. Die Bewährung des Mediums ‘Nachrichtenmagazin’ auf relevanten Absatzmärkten .. .......................................................... Von ‘Inseln im Meer des Schwachsinns’, von Lustprinzip und Realitätsprinzip. Nachrichtenmagazine und journalistische Qualität .. ............................................................................................. Zusammenfassung ..............................................................................
90
91
97 105
Bilder sprechen nicht in Worten. Das Verstehen visueller Kommunikation als Problem der wissenschaftlichen Analyse ................ 106 6.1 6.2 6.3 6.4
6.5
6.6
Einleitung ........................................................................................... Wovon sprechen wir, wenn wir von Bildern sprechen? ..................... Sind alle Bilder Zeichen? ................................................................... Eindeutigkeit, kleinste Einheiten und grammatische Verknüpfungen. Über die Regelhaftigkeit verbaler und visueller Zeichensysteme ............................................................. ‘Bedeutung ist nicht im Bild wie Wasser im Eimer’. Systematische und methodische Konzepte der Bildanalyse ............... 6.5.1 Ulrich Oevermanns Objektive Hermeneutik ............................ 6.5.2 Erwin Panofskys Ikonologie .................................................... 6.5.3 Oliver R. Scholz: Bildverstehen als prozeßhaftes Erbringen von Teilleistungen ................................................... 6.5.4 Gerhard C. Rump: Bildverstehen und biologische Normengruppen ....................................................................... 6.5.5 Reading Images: Die Grammatik der visuellen Gestaltung nach Gunther Kress und Theo van Leeuwen ........................... Zusammenfassung ..............................................................................
106 108 112
114 120 122 124 127 133 137 140
Inhalt
7
Schlußfolgerungen für das Verständnis der visuellen Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen ......................................... 143 7.1 7.2
7.3 7.4 7.5 7.6 7.7
8
9
Einleitung ........................................................................................... Thesen zum Verständnis der visuellen Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen. Ein Überblick entlang Scholz’ Modell des Bildverstehens ............................................................................. ‘Kontext’ als Ansatzpunkt empirischer Bildforschung ...................... ‘Codierung’als Ansatzpunkt empirischer Bildforschung ................... ‘Medienästhetik’ als Faktor für das Verständnis der visuellen Politikvermittlung ............................................................... ‘Visuelle Markenkommunikation’ als Faktor für das Verständnis der visuellen Politikvermittlung ......................................................... Fazit für die empirische Untersuchung der visuellen Politikvermittlung in Nachrichtenmagazinen .....................................
143
143 148 154 164 181 191
Visuelle Codes und Nachrichtenaufbereitung. Erhebung zum Fachwissen der visuellen Kommunikation von Mediengestaltern .................................................................................. 196 8.1 8.2
8.3
8.4
Einleitung ........................................................................................... Form, Farbe und Position. Die Sprache formaler visueller Merkmale ........................................................................................... 8.2.1 Die kommunikative Aussagekraft der Positionierung visueller Elemente ................................................................... 8.2.2 Einsatz und Wirkweise des Gestaltungsmittels ‘Farbe’ .......... 8.2.3 Form als Bedeutungsträger der visuellen Nachrichtenvermittlung ........................................................... Typographie, Foto und Grafik. Die Werkstoffe der Printmedien-Gestaltung ...................................... 8.3.1 Schriftform und Schriftsatz als Interpretationsangebote ......... 8.3.2 Der Einsatz fotografischer Bilder in der Nachrichtenvermittlung ........................................................... 8.3.3 Nachrichten zeitgemäß illustriert: Die Informationsgrafik ...... Exkurs: Ray Gun, MTV und Nike. Trends der visuellen Kommunikation als Einflußfaktoren der optischen Nachrichtenaufbereitung ....................................................................
196 198 199 202 208 210 210 215 228
232
Inhalt
10
9.
Die Entwicklung der visuellen Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen im quantitativen internationalen Vergleich ... 237 9.1 9.2
9.3
9.4
9.5
Einleitung ........................................................................................... Untersuchungsmethode, Bestimmung der Grundgesamtheit der Erhebung und Beschreibung des Kategorienschemas der Untersuchung ................................................................................. 9.2.1 Fragestellung der Untersuchung .............................................. 9.2.2 Bestimmung der Materialstichprobe ........................................ 9.2.3 Kategorien der Untersuchung .................................................. Kurzcharakteristik der in die Untersuchung einbezogenen Magazine ..................................................................... 9.3.1 Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Time .................. 9.3.2 Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek ......... 9.3.3 Das britische Nachrichtenmagazin The Economist .................. 9.3.4 Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel ...................... 9.3.5 Das deutsche Nachrichtenmagazin Focus ................................ 9.3.6 Das österreichische Nachrichtenmagazin Profil ...................... 9.3.7 Das österreichische Nachrichtenmagazin Format ................... Ergebnisse der quantitativen Datenerhebung zur Entwicklung der visuellen Aufbereitung politischer Nachrichten in Nachrichtenmagazinen ............................................... 9.4.1 Politische Berichterstattung und die Entwicklung von Berichtlängen ........................................................................... 9.4.2 Politische Berichterstattung und die Verwendung fotografischer Darstellungen .................................................... 9.4.3 Politische Berichterstattung und der Einsatz von Infografiken ............................................................................. 9.4.4 Politische Berichterstattung und die Verwendung von bildhaften Darstellungen allgemein ......................................... 9.4.5 Politische Berichterstattung und ‘visuelle Blickfänger’ ........... 9.4.6. Politische Berichterstattung und der Einsatz wörtlicher Zitate der visuellen Nachrichtenaufbereitung .......................... 9.4.7 Politische Berichterstattung und die Darstellungsform ‘Interview’ ............................................................................... 9.4.8 Politische Berichterstattung im Überblicksformat Die ‘Kurznachricht’ als Form der Nachrichtenvermittlung ..... Zusammenfassung und kommentierte Bildbeispiele ...........................
237
237 239 242 243 248 250 251 253 255 257 260 263
264 265 266 271 271 273 275 276 276 278
Inhalt
11
10 Folgerungen für die politikwissenschaftliche Bildforschung .................. 301 11 Literatur ...................................................................................................... 306 12 Anhang 12.1 Quellen ............................................................................................... 12.2 Codebuch zur quantitativen Untersuchung (Kapitel 9) ...................... 12.3 Verzeichnis der im Rahmen der quantitativen Erhebung analysierten Magazine ....................................................................... 12.4 Tabellen zur quantitativen Erhebung (Kapitel 9) ..............................
320 320 322 324
1
Einleitung
Glaubt man Norbert Bolz, so ist der Mensch von Natur aus süchtig nach Bildern. Der Grund dafür liegt laut Bolz darin, daß das nicht-instinktsichere Lebewesen Mensch für sein Überleben auf die Hemmbarkeit seiner Bedürfnisse angewiesen ist. Und in dieser durch die fehlende Instinktgetriebenheit in uns Menschen eingeschriebenen Entkopplung von Antrieb und spontaner Handlung liege unsere natürliche Nähe zu Bildern.1 Auch Hans Jonas betont, daß Bildproduktion als rein menschliche Qualität zu sehen sei, denn kein »bloßes Tier« würde von sich aus ein Bild hervorbringen. Biologisch gesehen sei bloße Repräsentation nämlich nutzlos, da die Darstellung von etwas weder für die Verfolgung vitaler Zwecke wie Ernährung, Fortpflanzung, Versteck oder Überwinterung Gewinn einbringe, noch die Umwelt oder den Zustand des Organismus selbst verändere. Ein „bildmachendes Wesen“ sei daher eines, das entweder dem Herstellen nutzloser Dinge fröne, Zwecke außerhalb der biologischen habe oder letztere noch auf andere Art verfolgen könne als durch die rein instrumentelle Verwendung von Dingen – durchwegs Eigenschaften, die ausschließlich dem Menschen zukommen. 2 Doch nicht nur die Fähigkeit, Bilder hervorzubringen, ist eine rein menschliche Qualität. Dem Tier sei es im Gegensatz zum Menschen nicht einmal möglich, zwischen Bildträger und Bild zu unterscheiden, so Ferdinand Fellmann. Denn Tiere würden ihre visuellen Erlebnisse immer direkt auf ihre gegenwärtigen Bedürfnisse beziehen. »Daher kann ich mit meinem Hund keine Urlaubsfotos ansehen. Er beschnuppert die Fotos, und wenn sie nicht nach Wurst riechen, verliert er schnell das Interesse daran. Ihm fehlt eben der Sinn für das Höhere.«3
Für die Wissenschaft stellt das rein menschliche Artefakt ‘Bild’ eine große Herausforderung dar. Denn obwohl uns die Alltagserfahrung zeigt, daß uns Bilder etwas sagen, bleibt stets die Antwort auf die Frage offen, was genau sie uns mitteilen. Weder die Geisteswissenschaften noch andere wissenschaftliche Disziplinen können für sich in Anspruch nehmen, die Sprache der Bilder entschlüsselt zu haben. Vielfach wird aus wissenschaftlichem Blickwinkel sogar bezweifelt, ob im Zusammenhang mit bildhafter Kommunikation überhaupt gewinnbringend von ‘Sprache’ gesprochen werden kann. Ob als „sprechend“ betrachtet oder nicht, Bilder sind ein wesentlicher Teil der menschlichen Kommunikation. Besonders deutlich wird dies, richtet sich der Blick auf das in unseren Tagen zentrale Mittel der gesellschaftlichen Verständigung und Informationsvermittlung: die Massenmedien. Hier nimmt die Bildkommunikation im Vergleich zur Wortkommunikation nachweisbar zu – und doch: Betrachtet man die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Bildern, so bleibt das Gefühl, es mit einer Sache zu tun zu haben, die zu komplex ist, um sie „wirklich“ zu verstehen. 1 2 3
vgl. Bolz 1996:22; Bolz 1993:163 Jonas 1995:107 Fellmann 1998:190
14
1 Einleitung
Das Verständnisproblem wird offensichtlich durch die vielen Faktoren aufgeworfen, aus denen sich Bildkommunikation zusammensetzt. Denn ein Bild von einem Apfel zeigt eben nicht nur einen Apfel und „sagt“ deshalb auch nicht einfach nur Apfel. Es zeigt eine bestimmte, auf eine besondere Art dargestellte Frucht – fotografiert oder gezeichnet oder gemalt; naturalistisch oder abstrakt; in Öl oder in Pastell und so weiter und so fort. Der Apfel wird als Ganzes gezeigt oder nur zum Teil, er ist flächenfüllend dargestellt oder nur sehr klein, und all diese Stilelemente haben eine eigene Ausdruckskraft für uns, sie hinterlassen einen speziellen Eindruck, und wie es scheint ist dieser wiederum nicht für jeden Betrachter derselbe. Die komplexe Aussagekraft visueller Darstellung – ein Thema der Politikwissenschaft? Ja, wie zu zeigen sein wird, ein bedeutendes und herausforderndes Thema für die politikwissenschaftliche Forschung, die sich aus verschiedensten Gründen mit dem Gegenstand ‘Kommunikation’ auseinandersetzen muß. Denn ob in Monarchien, Diktaturen oder Demokratien, gesellschaftliche Herrschaft und Macht und deren Verteilung wurden und werden nicht zuletzt mittels Kommunikation erreicht, gefestigt und auch in Frage gestellt. Und Bilder waren und sind bedeutender Teil dieser Verständigungs- und Vermittlungsprozesse. In unseren Tagen basieren politische Vermittlungsprozesse zum größten Teil auf medialer Kommunikation, und die politikwissenschaftliche Forschung wendet sich deshalb zunehmend den Medien als Forschungsgegenstand zu – und trifft auf Bilder. Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Thema der visuellen Politikvermittlung auseinander. Der wesentliche Ansatzpunkt der Untersuchung ist die These, daß der optischen Aufbereitung von Nachrichten in Medien eine Logik zugrunde liegt. Denn jede Kommunikation – und damit auch jede mediale, visuell vermittelte Nachricht – entsteht durch eine Abfolge von Entscheidungen, deren Ausgang von verschiedenen Faktoren bestimmt wird. Es wird davon ausgegangen, daß das Verständnis dieser Faktoren und ihres Zusammenspiels dazu beitragen kann, die komplexen Botschaften von bildhaften Nachrichten besser zu entschlüsseln. Ein Augenmerk der vorliegenden Arbeit liegt auf der Praxis der visuellen Mediengestaltung. Dieser Blickwinkel ist von Wissensbeständen zu visueller Kommunikation bedingt, die ich in meiner Ausbildung und praktischen Tätigkeit im Fach Grafik-Design kennengelernt habe. Die eher anwendungs- als reflexionsorientierte Beschäftigung mit optischer Nachrichtenaufbereitung ging einerseits meiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Thematik voraus und hat sie andererseits über weite Strecken begleitet, mit Impulsen versehen und intensiviert. Die berufsbedingt alltägliche Beschäftigung mit der „Übersetzung“ von sprachlicher Information in den visuellen Modus führte darüber hinaus zu Erkenntnissen, die die methodische Ausrichtung meiner Untersuchung begründen. Ein Anliegen der vorliegenden Arbeit ist darin zu sehen, Faktoren und Wissensbestände, die bisher in der politikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit bildhafter Medienkommunikation nicht oder nur sehr wenig berücksichtigt wurden, in theoretische Analysen und empirische Untersuchungen einzubeziehen und sie so zur Diskussion zu stellen. Im Laufe dieser Arbeit wird unter anderem versucht werden darzulegen, warum die politikwissenschaftliche Medienforschung der Komplexität medialer Bildkommunikation nur unzureichend gerecht werden kann, wenn sie sich wie bisher haupt-
1 Einleitung
15
sächlich auf die Untersuchung von Einzelbildern, ihrer quantitativen Zunahme und ihrer thematischen Zuordenbarkeit konzentriert. Visuelle Kommunikation unterliegt einer Logik, die über diese Untersuchungskategorien hinausweist. Es ist Ziel dieser Arbeit, diese Logik modellhaft zu erfassen, ihre relevanten Faktoren zu benennen und das Zusammenspiel dieser Faktoren zu beschreiben. Dafür werden sowohl vorliegende wissenschaftliche Erkenntnisse als auch Praktikerwissen herangezogen. Es wird argumentiert werden, daß es für die Erforschung medialer Bildkommunikation nicht zielführend ist, von einer Sprache der Bilder auszugehen, auch wenn es sehr wohl gewinnbringend sein kann, Bilder als Sprachsystem aufzufassen. Das Verstehen bildhafter Zeichen kann aber nach der in der vorliegenden Arbeit vertretenen Ansicht nur gelingen, wenn man sich einzelnen Mediengattungen zuwendet und die innerhalb dieser Gattungen ausgebildeten Formen der bildhaften Kommunikation als relativ eigenständige „Dialekte“ auffaßt. Hier folgt die vorliegende Untersuchung einer Aussage der Politikwissenschaftlerin Marion Müller, die davon ausgeht, daß es in der Moderne keine allgemeingültige Ikonographie gibt, man vielmehr von vielen Ikonographien ausgehen muß.4 Aus diesem Grund beschränkt sich die nachfolgende Analyse konkret auf die „Bildsprache“ eines Nachrichtenmediums: des politischen Nachrichtenmagazins. Mein sehr allgemeines Interesse gegenüber diesem Medium erfuhr eine spezielle Ausrichtung, als Ende der 1990er Jahre das renommierte österreichische Nachrichtenmagazin Profil existenzbedrohende Konkurrenz bekam: Das Nachrichtenmagazin Format wurde gegründet. Damit vollzog sich am österreichischen Medienmarkt, was beim deutschen Nachbarn einige Jahre zuvor zu beobachten war: die Begegnung eines „Platzhirsches“ mit einem ernsthaften Rivalen; in Deutschland geschehen, als sich das Nachrichtenmagazin Der Spiegel ab 1993 dem neu gegründeten Magazin Focus gegenübersah. Das österreichische Magazin Profil hatte bereits in den frühen 1990er Jahren einen Gegenspieler bekommen, das Magazin News, das durch seine Boulevard-Ausrichtung Diskussionen darüber provozierte, wie ein modernes Nachrichtenmagazin zu sein hat, welche Art von Informationen und welche Form der Nachrichtenpräsentation es dem Leser bieten muß, um sich erfolgreich am Medienmarkt behaupten zu können. Im März 1996 erlebte Österreich einen journalistischen Skandal, der durch die visuelle Aufbereitung einer Profil-Titelgeschichte ausgelöst wurde, die vielfach als Anpassung des Magazins an den marktschreierischen Boulevardstil erklärt wurde: Am 11. März 1996 erschien Profil mit dem Aufmacher Des Kaisers neue Kleider. Zur visuellen Titelbildgestaltung wurde eine Fotomontage angefertigt, die den Kopf des damaligen österreichischen Bundeskanzlers Franz Vranitzky auf einem nackten Männerkörper zeigt. Der damalige Chefredakteur und Herausgeber des Magazins, Hubertus Czernin, begründete die Gestaltung des Covers damit, dies sei die bestmögliche Umsetzung der Rechercheergebnisse zur Berichterstattung gewesen. Der Bundeskanzler klagte Profil zwei Tage nach Erscheinen des Titels. Am 28. März folgte eine Verurteilung durch den Presserat: Die Berufspflichten der Presse sei durch die Fotomontage verletzt worden. Die Eigentümer von Profil distanzierten sich von Czernin, der von da an als in seinen Funktionen bei Profil in Frage gestellt
4
vgl. Müller 2003:252
16
1 Einleitung
galt. Trotz Solidaritätsbekundungen von seiten der Profi-Redaktion und österreichischer Prominenz wurde Ende März 1996 die Kündigung Czernins ausgesprochen, der sich geweigert hatte, von sich aus zurückzutreten. Dieses Ereignis kann nicht als Einzelfall von Aufregungen gelten, die durch die Handhabung von Bildmaterial durch die Presse ausgelöst werden. Man denke an das manipulierte Titelbild des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel vom 6. April 1992, als für die Titelgeschichte Asyl – Die Politiker versagen in eine Fotografie, die ein Gedränge von Asylsuchenden vor der Antragstelle Berlin-Tiergarten abbildet, zwei uniformierte Beamte des Bundesgrenzschutzes einmontiert wurden. Die Montage war für den Rezipienten nicht erkennbar. Für ebenfalls großes Aufsehen sorgte 1997 das Schweizer Boulevardblatt Blick. In seiner Ausgabe vom 19. November 1997 bringt das Blatt einen Bericht aus dem ägyptischen Theben nach dem Bombenattentat islamischer Fundamentalisten vom 17. November 1997. Zur Illustration präsentiert Blick ein Bild vom Ort des Geschehens: Eine breite Blutspur rinnt über den Platz vor dem Tempel der Hatschepsut. Das Bild sorgt für mediales Echo. So wird es etwa am selben Tag im Rahmen der Mittagsnachrichten des Senders DRS gezeigt. Vier Tage später wird Blick von der SonntagsZeitung beschuldigt, das Bild manipuliert zu haben, und die Darstellung entpuppt sich als Farbmanipulation. Was am Originalbild Wasser war, wurde bei Blick zu Blut. Das Spezielle an der umstrittenen Bildverwendung durch Profil ist, daß es sich bei der Montage nicht um ein Bild handelte, dem unterstellt wurde, den Leser bewußt getäuscht zu haben. Profil zeigte vielmehr eine satirische Darstellung des Kanzlers, und die Diskussionen drehten sich weniger um die Frage des journalistischen Umgangs mit der Wahrheit als um das Thema ‘journalistische Geschmacklosigkeit’. Damit verweist das Profil-Beispiel darauf, daß nicht nur was über einen Akteur gesagt wird, sondern auch wie ein Akteur visuell gezeigt wird – und dies unabhängig von der Frage der wahrheitsgemäßen Berichterstattung – zum relevanten Thema journalistischer Qualität werden kann. Ab dem Jahr 1998 – das Jahr der Markteinführung des Nachrichtenmagazins Format – schien die visuelle Politiker-Darstellung des Nachrichtenmagazins Profil eine Veränderung zu erfahren. Aus dieser Beobachtung entstand schließlich die Idee, diesem Eindruck systematisch nachzugehen und eine wissenschaftliche Untersuchung der Thematik zu versuchen. Die ursprünglich geplante Vorgehensweise bestand darin, durch teilnehmende Beobachtung und durch Interviews mit Praktikern Aufschluß über die Vorgehensweisen, die Entscheidungsprozesse und die redaktionellen Abläufe rund um die visuelle Gestaltung von Nachrichtenmagazinen zu gewinnen. Freundlicherweise ermöglichte es mir die Redaktion des Nachrichtenmagazins Profil auf meine Anfrage, im Januar und Februar 2000 vier Wochen am Alltag der Art-Direktion von Profil teilzuhaben. Dies sollte nach dem ursprünglichen Untersuchungs-Konzept der erste Teil einer in insgesamt vier Redaktionen (jeweils einer österreichischen, deutschen, amerikanischen und englischen Redaktion) geplanten Beobachtungs-Serie sein. Bereits bei der Vorbereitung meines Vor-Ort-Seins, die darauf zielte, möglichst viel an Information über Magazin-Journalismus und vor allem über visuelle Nachrichtenaufbereitung zusammenzutragen, um so Fragestellungen für Gespräche mit Journa-
1 Einleitung
17
listen, Fotografen, Grafikern und Chefredakteuren formulieren zu können, zeigte sich, daß nur sehr begrenzt weiterführendes Material vorlag. Wie im weiteren dargelegt werden wird, ist die visuelle Aufbereitung von Printmedien eine äußerst wenig beforschte Thematik. Vielleicht gerade aufgrund der geringen Möglichkeit, durch wissenschaftliche Literatur einen Einblick in die Thematik zu erhalten, erwies sich die Zeit in der Profil-Redaktion als äußerst gewinnbringend. Ohne in der Redaktion einer anderen Tätigkeit nachzugehen als vor Ort zu sein und die Tagesabläufe der Redaktionsmitglieder zu beobachten, bot sich mir die Möglichkeit, an allen Sitzungen – egal ob im großen redaktionellen Rahmen oder auf Ebene der Chefredaktion – teilzunehmen. Alle von mir darauf angesprochenen Profil-Mitarbeiter erklärten sich zu Interviews bzw. Informationsgesprächen bereit, ich konnte mehrere Journalisten zu Terminen begleiten und so unter anderem einen Eindruck von der Zusammenarbeit zwischen schreibenden und fotografierenden Journalisten gewinnen. In der Art-Direktion des Blattes – meine eigentliche „Heimat“ während dieser Zeit – konnte ich verfolgen, welche Kriterien die Entscheidung über die Titelblatt-Gestaltungen dieser Wochen beeinflußten; die Gestalter des Blattes erläuterten mir auf Nachfrage, warum ein bestimmter Beitrag die jeweilige visuelle Umsetzung erfuhr; Fotografen gaben Auskunft über ihren beruflichen Alltag, und ich konnte sehr interessante Gespräche mit dem Herausgeber des Blattes und seinen Chefradakteuren führen. Trotz der sehr aufschlußreichen Eindrücke und Informationen, die ich in der Redaktion sammeln konnte, erwies sich das geplante Vorgehen als nicht zielführend, und die vorhergesehenen Aufenthalte bei anderen Redaktionen wurden von mir nicht umgesetzt. Der Grund dafür liegt in der Problematik, die allgemein für qualitative Untersuchungen beschrieben wird: Bestimmte wenig beforschte Fragestellungen bedürfen einer qualitativen Annäherung, um angemessene Hypothesen entwickeln zu können. Gleichzeitig ergibt sich ein Problem daraus, daß Daten, die in qualitativen Einzelerhebungen zusammengetragen werden, nur begrenzt relevante Befunde zulassen, die über dieses Einzelbeispiel hinausweisen. Zusätzlich zeigte es sich in der Befragung der einzelnen Redaktionsmitglieder als Problem, daß nur auf wenige Forschungsergebnisse zum Medium ‘Nachrichtenmagazin’ zurückgegriffen werden konnte: Die Fragestellungen gingen deshalb zum einen über sehr allgemeine Fragen nicht hinaus, zum anderen konnten Antworten, die mit der Zeit als Standard-Antworten erkennbar wurden, nicht weiter hinterfragt werden. Dies zeigte sich auch in Interviews, die ich außerhalb der Profil-Redaktion etwa mit dem US-amerikanischen Grafik-Designer Mario R. Garcia zum Thema meiner Arbeit führen konnte. Die Vorgangsweise, der Erhebung umfangreichere Pre-Tests voranzustellen, um so mit fundierterem Wissen in weitere Untersuchungsphasen gehen zu können, konnte aufgrund der kleinen Zahl der in Bezug auf verschiedene Merkmale vergleichbaren in die Untersuchung einzubeziehenden Nachrichtenmagazine (Deutschland: zwei; Österreich: zwei; USA: zwei; Großbritannien: eines) nicht gewählt werden. Die Überlegung, die in bereits geführten Gesprächen gewonnenen Informationen und das aus ihrer Nachbereitung erworbene Wissen in die Befragung im Rahmen des jeweils nächsten Redaktionsaufenthaltes einfließen zu lassen – und so in einen hermeneutischen Zirkel einzutreten –, wurde aus dem angesprochenen Grundproblem der Verallgemeinerbarkeit verworfen.
18
1 Einleitung
Aus diesen Überlegungen ergab sich eine Untersuchungsanlage, die es sich zum Ziel setzt, die Thematik ‘visuelle Bildkommunikation in Nachrichtenmagazinen’ aus verschiedensten Blickwinkeln zu beleuchten und in ihrer Logik zu erfassen, um so eine Ausgangslage für weitere, möglichst praxisnahe Untersuchungen und Analysen zur bildhaften Informationsvermittlung in Nachrichtenmagazinen – aber auch in Printmedien allgemein – zu schaffen. Die Untersuchung zur Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen gliedert sich in acht Abschnitte: Im Kapitel Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung wird in Form einer Einführung zusammengefaßt, in welcher wissenschaftlichen Tradition die vorliegende Arbeit zu sehen ist und mit welchem Erkenntnisinteresse und in welchem Ausmaß sich das Fach Politikwissenschaft dem Phänomen ‘Medien’ zuwendet. Damit soll eine grundsätzliche Einordnung der Arbeit innerhalb des Fachs Politikwissenschaft vorgenommen werden. Unter dem Titel Schlüsselbilder, Bezugsrahmen und Darstellungseffekte wird im Anschluß daran das Fachgebiet, dem die vorliegende Arbeit innerhalb der politikwissenschaftlichen Medienforschung zuzurechnen ist, näher beleuchtet, indem ein Überblick zum Stand der politikwissenschaftlichen Forschung zum Themengebiet ‘Politik und mediale Bildkommunikation’ gegeben wird. Da es sich bei der vorliegenden Arbeit aufgrund der Wahl ihres Untersuchungsgegenstandes um ‘Zeitschriftenforschung’ handelt, wird im daran anschließenden Kapitel ein Blick auf den Forschungsstand geworfen, der von der Medienforschung zu dieser Mediengattung erarbeitet wurde. Im Kapitel Nachrichten gedruckt und wöchentlich – Das politische Nachrichtenmagazin wird der Forschungsgegenstand der Untersuchung näher beschrieben und definiert. Kapitel 6 wendet sich in ausführlicher Form den methodischen Problemen zu, denen sich die wissenschaftliche Forschung im Zusammenhang mit der Analyse von Bildern gegenübersieht. Im Rahmen dieses Abschnittes wird näher definiert, was genau unter dem Phänomen ‘Bild’ zu verstehen ist, und es wird argumentiert, warum es sinnvoll und gewinnbringend sein kann, Bilder im Rahmen der Untersuchung medialer Kommunikation als Zeichen aufzufassen. Dafür werden die beiden Zeichensysteme ‘Wortsprache’ und ‘Bildsprache’ einander gegenübergestellt und auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihrer Funktionsweise untersucht. Weiters werden verschiedene Konzepte der Bildanalyse vorgestellt, deren Erkenntnisse für die Untersuchung der visuellen Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen wesentlich erscheinen. Kapitel 7 zieht aus den in den früheren Abschnitten gewonnenen Erkenntnissen Schlußfolgerungen für die empirische Bildforschung, indem vier wesentliche Faktoren der visuellen Gestaltung von politischen Nachrichten – ‘Kontext’, ‘Codierung’, ‘Medienästhetik’ und ‘visuelle Markenkommunikation’ – und ihre Bedeutung für das Verständnis medialer Bildkommunikation näher erläutert werden. Es wird zu zeigen sein, daß die Wahl einzelner bildhafter Darstellungen für die Nachrichtenvermittlung zentral von diesen Faktoren mitbestimmt wird und daß die politikwissenschaftliche Forschung, will sie der Praxis der visuellen Kommunikation gerecht werden, ihren Blick erweitern muß, um neben einzelnen Bildern und Bildinhalten umfassendere Zusammenhänge der Bildverwendung in ihre Analysen einbeziehen zu können. Kapitel 8 bietet als einen Schritt in die Richtung, die im Rahmen der Ausführungen als mögliche Herangehensweise an den Themenkomplex ‘Bildkommunikation’ vorge-
1 Einleitung
19
schlagen wird, eine Erhebung zum „aktiven Wortschatz“ der Gestalter von Printmedien. Damit folgt die Arbeit einer Anregung des Kommunikationswissenschaftlers Thomas Petersen, der in seiner Arbeit Der Test von Bildsignalen in Repräsentativumfragen darlegt, daß Hans Mathias Kepplingers methodisches Vorgehen, Praktikerwissen für die Untersuchung von Bildkommunikation fruchtbar zu machen,5 als vielversprechender Ansatz der empirischen Bildforschung weiterverfolgt werden sollte.6 Kapitel 9 wendet sich schließlich einer quantitativen Untersuchung der visuellen Gestaltung von Nachrichtenmagazinen zu. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der früheren Abschnitte wurde ein umfangreiches Kategorienschema entworfen, anhand dessen die visuelle Nachrichtenaufbereitung von sieben Nachrichtenmagazinen untersucht wurde. Ziel dieser übernational und entlang einer Zeitachse vergleichend vorgehenden Untersuchung zum Einsatz visueller Gestaltungselemente in der Nachrichtenaufbereitung ist es, anhand empirisch gewonnener Daten Entwicklungen und Trends der Gestaltung abzubilden und damit eine Basis für weitere Untersuchungen zur Thematik ‘visuelle Kommunikation in Printmedien’ zu schaffen. Kommentierte Bildbeispiele sollen darüber hinaus verdeutlichen, daß die in früheren Abschnitten näher beschriebenen Strategien der Printmedien-Gestaltung die wissenschaftliche Forschung zu neuen Herangehensweisen in der Untersuchung medialer Bildkommunikation herausfordern.
5 6
vgl. Kepplinger 1980 sowie Kepplinger 1987 vgl. Petersen 2001:159ff.
2
Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
2.1
Einleitung
Medien vermitteln Politik und sind deshalb Gegenstand der politikwissenschaftlichen Forschung. Denn die Politikwissenschaft, die innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften für die Analyse der Prozesse der Herstellung und Durchsetzung gesellschaftsweit bindender Entscheidungen zuständig ist, hat durch ihren Forschungsfokus die Vermittlung zwischen Staat und Gesellschaft zum zentralen Thema.1 Die wesentliche Rolle von ‘Vermittlung’ für den politischen Prozeß moderner Öffentlichkeiten ergibt sich aus der demokratischen Verfassung, die die Verregelung des Gemeinwesens dem Willen des Volkes unterstellt. Da sich der einzelne Bürger unter den Umständen einer immer komplexeren Welt aber nicht mehr selbst „sein Bild“ von den unterschiedlichen entscheidungsrelevanten Sachlagen machen kann, kommt den Medien in demokratisch verfaßten Gesellschaften die Rolle des Vermittlers zu. Das Mediensystem und seine Leistungen werden so zum politikwissenschaftlich relevanten Themenkomplex. Die Vermittlungsleistung, die von den Medien im demokratischen Prozeß übernommen wird, kann laut Frank Marcinkowski als zweidimensional und gegenläufig verlaufend vorgestellt werden. So gehe es zum einen darum, daß die politischen Eliten bei der Gestaltung staatlicher Politik in Übereinstimmung mit den Wünschen, Bedürfnissen und Forderungen der Öffentlichkeit handeln. Diese müßten also möglichst gerecht und unverzerrt von der Gesellschaft an das politische System transferiert werden können: Massenmedien greifen Themen, Konflikte und Meinungen der Bevölkerung auf und geben so den politischen Akteuren ein wesentliches Input für ihre Politikformulierung. Der zweite Teilprozeß stelle die gegenläufige Dimension dar und werde gebildet durch die Rückvermittlung der Leistungen des politischen Systems an die Bürger. In dieser Funktion würden die Massenmedien für die Öffentlichkeit quasi einen Report über die Verläufe und Ergebnisse von Politik erstellen.2 Dieser „Report“ stellt, folgt man diesem Modell, wiederum die Basis für die Entscheidung der Bevölkerung dar, wer in Zukunft mit der Legitimation zum politischen Handeln ausgestattet werden soll. Diese zentrale Vermittlungsrolle im politischen Prozeß und ihre Bedeutung für demokratische Machtzuweisung und -kontrolle führt in allen demokratischen Gesellschaften zu einer rechtlichen Sonderstellung von Medien. Diese Sonderstellung sichert den Medien einerseits einen besonderen Schutz zu – die sogenannte Pressefreiheit –, sie verpflichtet sie aber auch auf gewisse Standards, die sicherstellen sollen, daß es den Bürgern möglich ist, sich durch vielfältige, ausgewogene und 1 2
vgl. Marcinkowski 1996:201 vgl. ebd.:202ff.
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objektive Berichterstattung ausreichend über gesellschaftsrelevante Vorgänge und Ereignisse zu informieren. Mehr Information wird im demokratischen Modell mit mehr Partizipation gleichgesetzt, da davon ausgegangen wird, daß Information die politische und gesellschaftliche Handlungs- und Urteilskompetenz der Bürger verstärkt.3 Die Beobachtung und Beurteilung von Informationsqualität wird so zu einem wichtigen demokratiepolitischen Anliegen und ihre Analyse zu einer zentralen politikwissenschaftlichen Aufgabenstellung. Die in der Idee der demokratischen Staatsstruktur angelegte Rolle der Informiertheit mag erklären, warum die Auseinandersetzungen mit Medien meist von einem sorgenvollen Unterton getragen zu sein scheinen. ‘Verlust der Urteilskraft’, ‘Verlust von Realitätsbezug’, ‘Verlust von Vertrauen’, ‘Verlust von „echter“ Politik’ – dies sind die Befürchtungen, die bei den mit dem Thema Medien oft verbundenen Schlagwörtern Infotainment, Inszenierung und Personalisierung mitschwingen. Die Fragestellungen der politikwissenschaftlichen Medienforschung nehmen diese Befürchtungen auf, um sie auf ihren Gehalt zu prüfen und die Medien allgemein auf ihre Wirkmächtigkeit zu untersuchen. Wie Hans-Otto Mühleisen feststellt, haftet der Politik nicht erst seit Machiavelli der Geruch des Negativen, des schmutzigen Geschäfts, der egoistischen Interessendurchsetzung, von Machthunger und Gewissenlosigkeit an.4 Die „Machenschaften“ der Mächtigen offenzulegen und sie damit zu kontrollieren wurde mitunter als das Potential der Medien gesehen. Doch die ursprüngliche Lehrbuchvorstellung des Verhältnisses der beiden Teilsysteme, derzufolge die Politik aus kritischer Distanz das politische Handeln beobachtet, welches sich unbeirrt und von eigenen Gesetzen bestimmt vollzieht, gilt inzwischen als radikal überholt.5 Denn die Medien beeinflussen die Politik offensichtlich weit über ihre Kontrollfunktion hinaus. Ihre Logik scheint gar eine neue Art von Politik hervorzubringen. Den Prozeß der Politikvermittlung prägt sie auf jeden Fall entscheidend: „Was nicht in den Medien war, hat nicht stattgefunden“ – diese oft angeführte Einsicht in die entscheidende Rolle der Medien für den politischen Alltag beschreibt einen Angelpunkt der Veränderungen, die von den Medien ausgehen. Denn das politische System erweist sich als lernfähig und sorgt unter Zuhilfenahme von Kennern der Medienzugangsbedingungen dafür, daß die eigenen Kommunikationschancen gewahrt bleiben und gegenüber dem politischen Gegner möglichst ausgebaut werden.6 Ein entscheidendes Ereignis für die Veränderung der Bedingungen der öffentlichen Kommunikation wird für den deutschsprachigen Raum in der Einführung des deutschen Privatfernsehens im Jahre 1984 gesehen. Der Druck, der von der Kommerzialisierung des Fernsehens ausgeht, die damit einhergehende Notwendigkeit, Programme verstärkt an Quoten auszurichten, führte zu einem veränderten Verhältnis von Information und Unterhaltung: Information muß Spaß machen, Information muß fesseln, Information muß unterhalten. Um den Zuschauer an den Sender zu binden, wird neu definiert, was in welcher Form zu präsentieren ist. Im verschärften Wettbewerb geht es nicht mehr um informativere, sondern um attraktivere Informationssendungen.7 Konzepte, die im ame3 4 5 6 7
vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000:107 vgl. Mühleisen 1999:205 vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000:37; Scheufele 1999:103 Thomas Meyer bezeichnet diesen Prozeß des Lernens und Sich-Anpassens der politischen Akteure als »Drehen an der Inszenierungsschraube« (Meyer 1998:24). vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000:291
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rikanischen – immer schon privaten – Mediensystem bereits früher zu beobachten waren, finden sich bald im deutschsprachigen System wieder. Die offiziellen Debatten werden parallel dazu beherrscht von Auseinandersetzungen über ‘öffentlich’ versus ‘privat‘, Qualitätsfernsehen versus „Trash-TV“, Kultur gegen Billigware.8 Und da das Fernsehen als Leitmedium andere Medien im Konkurrenzdruck zur Anpassung zwingt, beschränken sich die Veränderungen, die mit der Rundfunk-Kommerzialisierung einhergingen, nicht auf das Medium ‘Fernsehen’. Das traditionelle Verständnis von Politik als dem Nicht-Unterhaltenden, Nicht-Privaten und Nicht-Emotionalen9 erfährt durch diese Entwicklungen eine grundlegende Veränderung. Meyer, Ontrup und Schicha fassen in ihrer umfassenden Analyse des Einflusses der Medien auf das politische System vier Deutungsparadigmen zusammen, mit der die akademische Analyse versucht, das veränderte Verhältnis zwischen Politik und Medien zeitgemäß zu beschreiben. Die radikalste der Thesen stammt vom österreichischen Politologen Fritz Plasser und kann mit dem Stichwort ‘Verschmelzung’ charakterisiert werden.10 Laut Plassers Modell zeigen die Teilsysteme Politik und Medien Anzeichen einer analytisch nicht mehr trennbaren Vereinigung zu einem politischmedialen ‘Supersystem’. Dieses Supersystem würde von der Funktionslogik der Medien bestimmt, so daß die Medien beim Blick auf das politische Handeln wie in einem Spiegel immer nur sich selbst und ihre eigene Art, die Welt zu konstruieren, erkennen würden. Die Politik würde ihre eigene Funktionslogik verlieren und wesentlich in mediengerechter Selbstdarstellung aufgehen. Ginge man von dieser radikalen Beurteilung aus, so Meyer, Ontrup und Schicha, dann wäre es sinnlos, nach einer Politik hinter ihrer Medienrealität zu fragen. Denn Politik wäre unter diesen Annahmen durch und durch von der Medienlogik durchdrungen, und die mediale Darstellung würde den gesamten Funktionsbereich der Politik absorbieren. »Politik ist dann von ihrer medialen Erscheinungsweise gar nicht mehr zu trennen, so daß auch die Frage der Angemessenheit der Repräsentation des Politischen in den Medien gegenstandslos wäre.«11 Die Annahme der Verschmelzung der beiden Bereiche Politik und Medien wird in ihrer Radikalität von vielen zurückgewiesen. Als unbestritten gilt allerdings eine ‘Kolonialisierung’ der Politik durch das Mediensystem, die sich in verschiedensten Ausformungen zeigt. Thomas Meyer beschreibt in seiner Analyse des politischen Systems unter Medienbedingungen die Auswirkungen, die die Anpassung des politischen Systems an die Logik des Mediensystems nach sich zieht, folgendermaßen: »[Eine] Analyse der Erfolgskarriere von Spitzenpolitikern [zeigt], daß die vermittels persönlicher Inszenierungskompetenz angesammelte mediale Macht eine der allerwichtigsten Ressourcen geworden ist. Ohne einen hohen und offensichtlich noch ausbaufähigen Rang in der Mediengunst haben Bewerber um die Spitzenämter in Parteien und Staat heute nicht nur in den USA, sondern auch in den europäischen Mediendemokratien keine Aussicht auf Erfolg. Ein hohes Maß an medialer Macht versetzt die politischen Akteure mittlerweile sogar in die Lage, weitgehend eigenmächtig, nämlich allein im Hinblick auf die Wahrung auf Mehrung dieser Machtquelle, über Programm und Politik der eigenen Partei zu verfügen, auch wenn in deren demokratischen Diskursen zuvor in ganz anderer Weise entschieden worden war (...) Die Entscheidungsmacht über Programm und Profil der im Namen einer großen Volkspartei öffentlich vertretenen Politik geht allmählich in die Küchenkabinette der Spindoctors über, die den Medien-Bonaparte beraten. Als Korrekturinstanz werden alleine noch das Er8 9 10 11
vgl. Schumann 2000:103 vgl. Röttger/Weßler 1996:251 vgl. Plasser 1985 Meyer/Ontrup/Schicha 2000:40
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gebnis von Umfragen, medial inszenierte Stimmungen und die Momentaufnahmen von Wahlentscheidungen anerkannt.«12
Zu Schlagwörtern dieser Entwicklung wurden die Begriffe Telekratie und Mediendemokratie, durch die versucht wird auszudrücken, daß Politiker in modernen Gesellschaften die Medien für ihre Zielsetzungen benutzen und benutzen müssen, daß sie damit aber auch weit stärker als früher von der Unterstützung abhängen, die die Medien gewähren oder verweigern.13 Die Frage, in welchem Ausmaß die Medien das politische System tatsächlich beeinflussen, welche Folgen die Logik der Medien für moderne Gesellschaften hat oder haben könnte und vor allem wie genau diese „Logik“ beschaffen ist, kann letztlich nur von der empirischen Forschung beantwortet werden. Die folgenden Abschnitte sollen einen kurzen Überblick darüber geben, in welchem Rahmen und Ausmaß sich die politikwissenschaftliche Forschung dieser Aufgabe stellt, aber auch, welche Defizite der Forschungspraxis attestiert werden. Damit soll verdeutlicht werden, wie die vorliegende Arbeit zum Themenbereich ‘Medienkommunikation’ in der Disziplin Politikwissenschaft einzuordnen ist und auf welche allgemeinen Erkenntnisse der Disziplin sie sich beziehen bzw. stützen kann.
2.2
Politikwissenschaftliche Medienforschung. Zur disziplinären Verortung der Forschungspraxis
Aus dem weitläufigen Wirkbereich der Medien, ihren Berührungspunkten mit den einzelnen Individuen, deren alltäglichen Lebenswelten und den sie umgebenden und gesellschaftlich einbindenden Institutionen und Organisationen ergeben sich zahlreiche Themenfelder für politikwissenschaftliche Analyse und Forschung. Es stellen sich Fragen der Machtverteilungen, nach Abhängigkeitsbeziehungen und Interdependenzen, nach Partizipationschancen und demokratiepolitischen Zukunftsszenarien. Es gilt Befunde zu erheben, Notwendigkeiten zu definieren und Zusammenhänge zu klären, und dies in allen Bereichen der akademischen Politikbetrachtung: auf der Ebene der politischen Systeme, Organisationen und Institutionen, der Ebene der politischen Prozesse und der der einzelnen Politikfelder. Aus politikwissenschaftlicher Sicht werden die mit Vermittlungsprozessen in Verbindung stehenden Thematiken vielfach unter dem Begriff ‘Politische Kommunikation’ zusammengefasst,14 ohne daß dieses Forschungsfeld als Fachgebiet innerhalb der politikwissenschaftlichen Disziplin institutionalisiert oder in seinem Problemverständnis, seinen forschungsleitenden theoretischen Konzeptionen oder seinen Forschungsdesigns und Erhebungsmethoden als einheitlich bezeichnet werden könnte.15 Politikwissenschaftliche Medienforschung ist vielmehr interdisziplinär zu sehen. Denn auch die Kommunikationswissenschaft, die Publizistik und die Medienwissenschaft behandeln politikwissenschaftlich relevante Fragestellungen dieses Themenkomplexes. Max 12 Meyer 1998:64 13 vgl. Donsbach 1995:62 14 vgl. bspw. das Überblickshandbuch Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft von Jarren/Sarcinelli/Saxer 1998, Schulz 1997, Jarren/Donges 2002 15 vgl. Jarren/Sarcinelli/Saxer 1998:13
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2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
Kaase betont, daß Massenkommunikation und politische Kommunikation sogar überwiegend außerhalb der politikwissenschaftlichen Disziplin bearbeitet würden,16 und Uli Gleich stellt fest, daß der Frage nach der Rolle der Medien im Prozeß der politischen Kommunikation eine Schlüsselposition in der Forschungstätigkeit der Medienund Kommunikationswissenschaft zukommt. Nur wenigen anderen Themen würde so viel Aufmerksamkeit gewidmet.17 Damit wird der an der politikwissenschaftlichen Medienforschung Interessierte an Disziplinen verwiesen, die ihrerseits bezüglich ihrer exakten Forschungsziele und -methoden als schwer definierbar gelten. Denn ebenso wie die Abgrenzung der politikwissenschaftlichen Medienforschung von diesen genannten Fächern erscheint auch die Unterscheidung der Disziplinen Kommunikationswissenschaft, Publizistik und Medienwissenschaft als schwierig bis unmöglich.18 Bettina Trapp verweist darauf, daß es nach heutigem Stand nicht mehr zielführend erscheint, eine Polarität zwischen einer tendenziell eher sozialwissenschaftlich orientierten Publizistik und Kommunikationswissenschaft und einer meist geistes- und literaturwissenschaftlich verorteten Medienwissenschaft fortzuschreiben.19 Die sich vielfältig abzeichnenden Divergenzen der Disziplinen stünden gegen eine Trennung in eine historisch-hermeneutisch ausgerichtete Medienwissenschaft einerseits und eine empirische Kommunikationswissenschaft andererseits. Anstelle eines wissenschaftspolitisch-taktischen Abgrenzungsstrebens sei es gewinnbringender, eine gehaltvolle Distinktion der Fächer zu ermöglichen.20 Laut Werner Faulstich hat mittlerweile eine Integration der Fächer stattgefunden; der Begriff ‘Medienforschung’ zeichne sich als übergreifende Klammer für alle zentral mit Medien befaßten Fächer ab. Statt einer bislang erfolglosen und von der Sache her wenig aussichtsreichen Verselbständigung der Medienwissenschaft zu einer eigenständigen Disziplin hätte sich verstärkt das Konzept einer Medienwissenschaft als Integrationswissenschaft angeboten, die kommunikationssoziologische, publizistikwissenschaftliche, historisch-kritische und geisteswissenschaftlich-philosophische Ansätze multiperspektivisch, methodenpluralistisch, gegenstands- und problemfeldbezogen zusammenbringt.21 16 Bei seinen Überlegungen, warum die Politikwissenschaft die Forschung zur politischen Massenkommunikation überwiegend anderen Disziplinen überläßt, zitiert Kaase Walter Lippmann, der in seinem 1922 erschienenen Werk Public Opinion die weitgehende Nichtbeachtung kommunikationswissenschaftlicher Sachverhalte in der Politikwissenschaft seiner Zeit beklagte. Lippmann führte das Desinteresse der Disziplin auf die »naive Unterstellung« zurück, Meinungsbildung würde sich in Flächenstaaten ganz ähnlich wie in der idealisierten griechischen Polis vollziehen (vgl. Lippmann 1965:202f.). Laut Kaase sei auch aus heutiger Sicht Elisabeth Noelle-Neumann zuzustimmen, die 1977 zum geringen kommunikationswissenschaftlichen Forschungsinteresse der Politikwissenschaft feststellt, die Disziplin habe eine der wichtigsten gesellschaftlichen Veränderungen der Neuzeit »verschlafen« (Noelle-Neumann:1977). Unter strukturellem Blickwinkel sei für das geringe Interesse der Politikwissenschaft an institutionellen wie an mikrosozialwissenschaftlichen Fragen der politischen Kommunikation laut Kaase auch die makroskopische Orientierung der klassischen Politikwissenschaft als comparative government verantwortlich zu machen (vgl. Kaase 1998:99f.). 17 vgl. Gleich 1998:54 18 Als Überblick zur Entwicklung der ‘medienwissenschaftlichen’ Disziplinen siehe etwa Faulstich 2000; ausführlich aus internationaler Sicht: Reimann 1989 19 Diese Trennung findet sich beispielsweise bei Hans-Bernd Brosius, der die Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft und die Medienwissenschaft als Kultur- oder Literaturwissenschaft allerdings als »zwei Seiten einer Medaille« bezeichnet (vgl. Brosius 2002:6). 20 vgl. Trapp 2002:9 21 vgl. Faulstich 2000:14; Heidemarie Schumacher stellt fest, es habe sich seit den 80er Jahren eine Unterscheidung der Begriffe Medienwissenschaften und Publizistikforschung nach ihren Forschungs-
2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
25
Gerhard Malatzke hingegen definiert Publizistik- und Medienwissenschaften als Teilbereiche der empirischen Sozialwissenschaft Kommunikationswissenschaft.22 Festgestellt werden kann also, daß die Fächer Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Publizistik und Medienwissenschaft bezüglich politikwissenschaftlich relevanter Medienforschung einen gemeinsamen „Wissenspool“ speisen. Für diesen werden darüber hinaus auch noch Fragestellungen, methodische Zugänge und Forschungsergebnisse aus den Disziplinen Soziologie, Psychologie, Linguistik, Kybernetik, Anthropologie, Philosophie und anderen bezogen.23 Eine klare Abgrenzung der politikwissenschaftlichen Medienforschung von der Forschungstätigkeit anderer mit Medien befaßten Disziplinen erscheint somit weder möglich noch sinnvoll.24
2.3
Zur Definition des Forschungsgegenstandes ‘Medium’
Nicht nur die fachliche Abgrenzung und Definition als eigene Disziplin, auch die nähere Bestimmung ihres zentralen Forschungsgegenstandes fällt der Medienforschung schwer. Etymologisch auf das lateinische medius zurückgeführt bezeichnet der Begriff ‘Medium’ das in der Mitte Befindliche, das dazwischen Liegende. Später entwickeln sich aus dem in der deutschen Sprache seit dem 17. Jahrhundert nachweisbaren Fremdwort zwei unterschiedliche Bedeutungsfelder. Zum einen steht der Begriff nun für etwas zwischen zwei Dingen Vermittelndes, wird also im Sinne von Mitte, Mittler und vermittelndes Element gebraucht. In der zweiten Bedeutung fungiert ‘Medium’ als Begriff für etwas, das dem Erreichen eines Zweckes dient, wird also im Sinne von Mittel, Hilfsmittel und Werkzeug verwendet. Diese Doppeldeutigkeit zeigt sich auch in der Verwendung der Begriffe ‘Medium’ und ‘Massenmedien’, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts etabliert haben, gegenständen eingebürgert. So seien die Medienwissenschaften Film und TV zugewandt, die Publizistikforschung habe hingegen Radio und Print zum Gegenstand. Diese offenbar auf die Ausführungen Thomas Koebners in seinem Beitrag Medienwissenschaft als Lehrfach. Erfahrungen und Ansichten (1988) zurückgehende Abgrenzung der Fächer kann allerdings aus heutiger Sicht nicht als etabliert gelten. Hans Bohrmann zeichnet unter dem Titel Das Fach mit den vielen Namen die chronologische Entwicklung der Namensgebung der akademischen Medienforschung in Deutschland nach: Auf die Fächerbenennung mit Journalistik zur Jahrhundertwende wäre die Bezeichnung Zeitungskunde gefolgt. Anschließend finden sich laut Bohrmann in chronologischer Abfolge die Bezeichnungen Zeitungswissenschaft, Publizistik, Publizistikwissenschaft, Publizistik- und Zeitungswissenschaft, Publizistik und Kommunikationswissenschaft (oder lediglich Kommunikationswissenschaft) und neuerdings Medienwissenschaft (vgl. Bohrmann 2002:30). 22 vgl. Malatzke 1998:13; eine interessante aktuelle Auseinandersetzung mit der Thematik ‘Bestimmung der Disziplin’ findet sich in der Publikation Medien-Journal 2/2002: Im Berufungsverfahren zur Bestellung der Nachfolge von Prof. Michael Schmolke am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg dazu aufgefordert, beziehen acht Wissenschafter aus dem Fachbereich ausführlich Stellung zur Frage nach den Kernbereichen einer modernen Kommunikationswissenschaft. 23 vgl. dazu Silbermann 1982:231; wertvolle Forschungsergebnisse beziehen die akademischen Disziplinen auch aus der sogenannten praktischen Mediaforschung, also von der Publikums- und Werbeträgerforschung, die von den Medien selbst zur Erfolgsmessung und Planungsorientierung ausgeht. Die so gewonnenen Daten werden allerdings aus teilweise verständlichen Gründen vielfach nicht umfassend oder nur mit Verspätung öffentlich zugänglich gemacht; vgl. zur außerwissenschaftlichen Medienforschung allgemein: Volkmer 2001; zu den Forschungsperspektiven und Fragestellungen der einzelnen mit Bildforschung befaßten Disziplinen siehe die umfassende Überblicksdarstellung von Müller 2003. 24 vgl. dazu auch Jarren/Sarcinelli/Saxer 1998:13; Schenk/Döbler 1998:138
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2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
nämlich zum einen als Bezeichnung für Kommunikationsmittel, zum anderen als Begriff für Informationsvermittler bzw. Information vermittelnde Einrichtung.25 Doch die Begriffsunklarheit reicht weit über diesen zweifachen Verwendungskontext des Begriffs hinaus. So stellt der Kommunikationssoziologe Ulrich Saxer zur anhaltenden Schwierigkeit der mit Medien befaßten Fächer, zu einer verbindlichen begrifflichen Definition ihres Gegenstandes zu gelangen, fest: »Es ist schwer zu glauben, aber wahr, daß die mit Medien prioritär befaßten Disziplinen, nennen sie sich Kommunikationswissenschaft oder Medienwissenschaft, über ihr Basiskonzept „Medium“ keineswegs einig, ja kaum im klaren sind.«26
Auch Roman Hummel stellt fest, daß sich im Rahmen der Disziplin keine konsentrierte Definition von ‘Medium’ findet: »Die meisten der einschlägigen Standardwerke scheinen die Bedeutung dieses Begriffes stillschweigend vorauszusetzen.«27 Eine Begriffsbestimmung, die immer wieder für die nähere Bestimmung des Gegenstands ‘Medium’ herangezogen wird, geht auf Helge Pross zurück, der eine Einteilung in primäre Medien, sekundäre Medien und tertiäre Medien vornimmt.28 Dabei sind unter ‘primäre Medien’ Darstellungsmittel zu verstehen, die Nachrichtenübermittlung im direkten zwischenmenschlichen Kontakt ermöglichen. Die Übertragung der Information findet ohne technische Hilfsmittel statt, wobei die Informationen sowohl aus sprachlichen als auch aus nicht-sprachlichen Einheiten wie mimischen oder gestischen Zeichen bestehen können. Die Verwendung primärer Medien erfordert die persönliche Anwesenheit der Kommunikationspartner und hat somit räumliche und zeitliche Grenzen. Als ‘sekundär’ bezeichnet Pross die Medien, die zwar für die Herstellung der wahrnehmbaren Zeichen der Kommunikation einen technischen Vorgang benötigen, die Aufnahme der Information durch den Empfänger kommt aber ohne technisches Gerät aus. Unter diese Kategorie fallen etwa Rauchsignale oder Flaggenzeichen, aber auch alle schriftlichen Mitteilungen wie Briefe, Flugblätter, Zeitungen oder Bücher. ‘Tertiäre’ Medien schließlich sind gekennzeichnet durch eine notwendige Geräteverwendung sowohl bei Erstellung als auch bei Empfang der Nachricht. Damit sind die Medien Telefon, Fernschreiber, Schallplatte, Radio, Fernsehen und die sogenannten ‘neuen Medien’ – wie Internet – in einer Kategorie zusammengefaßt. Bei Mike Sandbothe findet sich eine andere topologische Ausdifferenzierung des Begriffs, indem er sinnliche Wahrnehmungsmedien wie Raum und Zeit, semiotische Kommunikationsmedien wie Bild, Sprache, Schrift und Musik von technischen Verbreitungsmedien – etwa Stimme, Buchdruck, Radio und Fernsehen – unterscheidet.29 Werner Faulstich verweist auf den unterschiedlichen Medienbegriff je nach einzelnen mit der Thematik befaßten Disziplinen: Die Informationstheorie und Kybernetik würden unter ‘Medium’ einen Zeichenvorrat verstehen, die Kommunikationssoziologie und die Massenkommunikationsforschung einen technischen Kanal, die
25 26 27 28
vgl. Sandbothe 2001:110 Saxer 1999:30 Hummel 2002:27 vgl. Pross 1972:10; Faulstich bezeichnet die Begriffsbestimmung von Pross als die, die sich im Fachbereich Medienwissenschaft weitgehend durchgesetzt habe (vgl. Faulstich 2000:21). 29 vgl. Sandbothe 2001:12
2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
27
Einzelmedientheorie und Medienwissenschaft ein ästhetisches Kommunikationsmittel, und die Soziologie fokussiere auf Medien als gesellschaftliche Interaktion.30 Auch Ulrich Saxer verweist auf die differierende Bedeutung des Begriffs in unterschiedlichen Disziplinen, legt sich dann aber auf eine Definition fest, die er als umfassend gültig verstanden wissen will, wenn er schreibt: »Als Medien werden generell Kommunikationskanäle bezeichnet, die bestimmte Zeichensysteme transportieren. Die jeweilige Medientechnik (z.B. Fernsehen, Zeitung) bestimmt die Organisationsform als zweckerfüllendes Sozialsystem. Weil Medienkommunikation das Resultat von Herstellungs-, Bereitstellungsund Empfangsvorgängen ist, bilden Medien unterschiedlich komplexe Systeme, die gemäß ihren vielfältigen individuellen Wirkungen gesellschaftlich geregelt, institutionalisiert werden. Für die politische Kommunikation in modernen Gesellschaften sind Medien unverzichtbare Träger.«31
Gemeinsam ist all diesen Definitions- und Typologisierungsansätzen, daß Medien als Phänomene verstanden werden, die ihre Eigenheit aus ihrer Verwendung im Prozeß der Informationsvermittlung beziehen.32 Als grundlegendes Thema der zentral mit Medien befaßten Wissenschaften kann somit der Themenbereich Kommunikation oder Bedeutungsvermittlung gesehen werden. Ein Prozeß, den der Mediensoziologe Peter Hunziker als sowohl intendierte als auch als nicht-beabsichtigte Begleiterscheinung sozialer Interaktion beschreibt: »Die Bedeutungsvermittlung kann entweder ein beiläufiger Nebeneffekt sozialer Handlungen sein, sie kann aber auch bewußt angestrebt und zielgerichtet durchgeführt werden. In diesem zweiten Fall spricht man von ‘kommunikativem Handeln’. Das Ziel solchen Handelns ist Verständigung. Der kommunikativ Handelnde – auch Kommunikator genannt – möchte, daß seine Mitteilung von dem oder den Adressaten verstanden wird, dies häufig im Blick auf die Verwirklichung spezieller Beeinflussungsinteressen.«33
Versteht man Kommunikation mit Merten als Prozeß der Verständigung, Mitteilung, Interaktion und Übertragung,34 so stellen beide von Hunziker benannten Akte der Bedeutungsvermittlung Kommunikationsvorgänge dar, auch wenn nicht beide auf eine Intention zur Kommunikation zurückgeführt werden können. Kommunikation kann also sowohl als beiläufiger Nebeneffekt als auch als zentrales Ziel sozialen Handelns stattfinden. Nach diesen sehr weit gefaßten Definitionen kann politikwissenschaftlich relevante Medienforschung ganz allgemein als Untersuchung jeglicher Art von Kommunikation verstanden werden, die den Themenbereich Politik berührt.35 30 vgl. Faulstich 2000:22 31 Saxer 1998:687; an anderer Stelle bezeichnet Saxer seinen Medienbegriff als »fünfdimensionale Nominaldefinition«, für die er nachdrücklich plädiere, da diese geeignet sei, einerseits der Komplexität des Phänomens gerecht zu werden und andererseits die Rezeption von Medienkommunikation stringent auf Medien bezöge. ‘Medien’ seien demnach zu konzipieren als »komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen« (Saxer 1999:30). 32 Diese Definition ist nur schwer auf einen sehr weit gefaßten Medienbegriff zu übertragen, wie er sich etwa bei McLuhan findet, der dafür plädiert, Technik generell als Medium zu verstehen. Der Begriff ‘Medien’ wird von McLuhan bekanntlich für jede Form von technischer Erweiterung des Körpers und des Nervensystems verwendet, womit auch das elektrische Licht, Waffen, Kleidung oder das Rad unter diesen Terminus fallen (vgl. McLuhan 1964/1995:15f.). 33 Hunziker 1988:1 34 vgl. Merten 1977 35 Dies wirft freilich die Frage auf, wann ein Kommunikationsinhalt als ‘politisch’ zu verstehen ist. Frank Marcinkowski führt aus, daß Medieninhalte immer dann als politisch verstanden werden können, »wenn sie den Rezipienten direkt oder indirekt zu politisch folgenreichem gesellschaftlichem Handeln veranlassen«. Diese Effekte könnten nicht nur von politischer Berichterstattung im engeren Sinne ausgelöst werden, sondern möglicherweise auch durch Unterhaltungsprogramme, »soweit die-
28 2.4
2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
Medienforschung als Massenkommunikations- und Wirkungsforschung
Auch wenn sich in den zentral mit Medien befaßten Disziplinen keine durchgängige definitorische Festlegung des Forschungsgegenstandes ‘Medium’ findet, zeigt der Blick auf den Forschungsstand, daß die Disziplinen implizit bereits eine Einschränkung des Medienbegriffs – und somit auch ihres Kommunikationsbegriffs – vorgenommen haben: Der allergrößte Teil der Forschungsarbeiten setzt sich mit sogenannten ‘Massenmedien‘ auseinander.36 Die Forschungstätigkeit konzentriert sich somit auf Kommunikationsträger, die laut einer Definition von Ulrich Saxer geeignet sind, Prozesse der Massenkommunikation in Gang zu bringen,37 sich also im Unterschied zu Spezialmedien an ein unbegrenztes Publikum wenden. Unter diesen nach Reichweiten differenzierten Medienbegriff fallen offensichtlich nur Medien, die laut der bereits zitierten Klassifikation von Pross unter den Begriffen ‘sekundäre Medien’ und ‘tertiäre Medien’ gefaßt sind. Die von Pross als ‘primäre Medien’ bezeichneten Kommunikationsträger, also diejenigen, die eine räumliche und zeitliche Anwesenheit von Kommunikator und Rezipient erfordern, können nicht als ‘Massenmedien‘ verstanden werden. Dies zeigt sich auch an Saxers Konkretisierung seiner Definition durch die Aufzählung folgender Beispiele: »Zeitung, Hörfunk und Fernsehen, ggf. auch Buch, Plakate, Flugblatt, Kinofilm und entsprechende Bild- und Tonträger«.38 Andere Ausführungen zum Terminus benennen ein zusätzliches Merkmal von ‘Massenkommunikation’, das der Einseitigkeit. Dazu zwei sehr ähnlich lautende vielfach zitierte Definitionen: »Unter Massenkommunikation verstehen wir jene Form von Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich, durch technische Verbreitungsmittel indirekt und einseitig an ein desperates Publikum vermittelt werden.«39 »Massenmedien sind alle technischen Instrumente oder Apparaturen, mit denen Aussagen öffentlich, direkt und einseitig an ein desperates Publikum verbreitet werden.«40
Die Konzentration der Medienforschung auf die Massenmedien läßt sich aus ihren Wurzeln in der Propagandaforschung erklären, die Anfang des 20. Jahrhunderts unter den Vorzeichen des Ersten Weltkrieges und später des Zweiten Weltkrieges an Bedeutung ge-
36
37 38 39 40
se die politisch relevanten Orientierungsmuster und Werthaltungen der Rezipienten zu strukturieren vermögen« (Marcinkowski 1998:701). Aufgrund der gleichen Einschätzung verweisen Schenk und Döbler darauf, daß es zunehmend problematischer werde, politische Kommunikation von nichtpolitischer Kommunikation trennscharf abzugrenzen (vgl. Schenk/Döbler 1998:150). Eine vielzitierte Definition stammt von Leonhard Neidhard: »Politisch werden Kommunikationsprozesse dann, wenn sie die Machtverteilung in einer Gesellschaft, die Gestaltung ihrer Ordnung und die Herstellung einer bindenden Entscheidung beeinflussen« (Neidhard 1982:14). Auf die Begriffsdefinition, die der vorliegenden Untersuchung zugrunde gelegt wurde, wird in den folgenden Ausführungen genauer eingegangen werden. Die Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), der die meisten deutschen Wissenschafter der Disziplin angehören, weist ‘Massenmedien’ dezidiert als Hauptgegenstand ihres Forschungsinteresses aus, wenn sie in ihrem Papier zum Selbstverständnis der Gesellschaft festhält: »Im Zentrum des Fachs steht die indirekte, durch Massenmedien vermittelte, öffentliche Kommunikation« (zitiert nach Brosius 2002:5). Saxer 1998:678 ebd. Malatzke 1978:32 Silbermann 1982:294
2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
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wann.41 Sie aktualisierte die Rolle von Rhetorik und Persuasion als Wirkmechanismen im politischen Prozeß und brachte den Begriff ‘Masse’ ins Zentrum sozialtheoretischer Debatten. Laut Halbach und Faßler entdeckte mit Beginn des Ersten Weltkriegs jeder Staat und jedes Militär „seine Masse“, wobei damals wie heute unklar geblieben sei, was unter dem Begriff eigentlich zu verstehen ist, was soziale Massen zusammenhält oder welche Bedeutung sie im Gefüge der sozialen Systeme haben. Der Begriff ‘Masse’ sei neben dem Begriff ‘Klasse’ – mit dem spezifische integrative Kulturen verbunden wurden – eingeführt worden und habe Verwendung in den Wortschöpfungen Massenproduktion, Massenkonsum und Massenware gefunden.42 Und obwohl es nicht gelungen sei, das Phänomen ‘Masse’ zu erklären oder trennscharf zu definieren, habe sich zunehmend die Auffassung durchgesetzt, daß Massenlenkung einen speziellen Vermittlungsmodus erfordere. In der propagandistischen Politik der nationalistischen und faschistischen Gruppierungen schien schließlich der Modus der Vermittlung an „die Massen“ gefunden worden zu sein: manipulierende, zentralistisch organisierte Einwegversorgung durch Zeitungen und ab den 30er Jahren durch Rundfunk sowie Propaganda- und Spielfilm. Damit sei aber auch die Basis für eine theoretisch folgenreiche Verkopplung geschaffen worden, nämlich die zwischen gegenaufklärerischer, menschenverachtender Massenlenkung und modernen Medien.43 Halbach und Faßler verweisen darauf, daß bei der Verwendung des Begriffs ‘Massenmedien’ dessen historische Entstehung kritisch zu bedenken sei, und dies vor allem aus zwei Gründen: »Zum einen werden Medien wie Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen über die Auflagenhöhe oder die potentielle Empfängerrate quantitativ zu ‘Massenmedien’ gemacht. Dadurch entfällt eine detailreiche Betrachtung der verwendeten Medialität. Zugleich wird so getan, als gäbe es noch mediale Bereiche, die, wenn nicht der Kommerzialisierung entzogen, so doch nicht an ‘Masse’ (als unklar strukturierte, aber weitgehend ungebildete Bevölkerungsgruppe) und nicht Masse (im Sinne einer inhaltlichen Ödnis) seien.«44
Der Begriff ‘Massenmedium’ kann also zum einen quantitativ gelesen werden und so auf die Vielzahl der Personen verweisen, an welche sich die Kommunikation richtet. In einer qualitativen Lesart verweist ‘Masse’ auf Eigenschaften des sozialen Umfeldes der medial vermittelten Kommunikation, und zwar mit einem kritischen oder auchabwertenden Beiklang, nämlich indem der Begriff ‘Masse’ als Gegensatz zu ‘Elite’ verwendet wird. Auch Heidemarie Schumacher übt Kritik an der unreflektierten Verwendung der Begriffe ‘Massenmedien’ und ‘Massenkommunikation’, da diese hinsichtlich mehrerer Faktoren »verschleiernd« wirken würden:
41 Wann genau die Medienforschung im deutschsprachigen Raum ihre Anfänge nahm, gilt bis heute als nicht geklärt. Bereits 1910 formulierte Max Weber ein Forschungsvorhaben, das der Frage nachgehen sollte, welche kulturellen Auswirkungen Medien – insbesondere die Presse – auf die Gesellschaft und den modernen Menschen haben (vgl. Volkmer 2001:229). 42 vgl. Halbach/Faßler 1998:38 43 vgl. ebd.:40 44 ebd.:38; Hans Bohrmann verweist darauf, daß sich der Begriff ‘Masse’ in der Bezeichnung des Faches Medienforschung – obwohl vom angloamerikanischen mass communication research abgeleitet – aus eben dem Grund, daß dem Begriff im deutschen Sprachraum ein stark abwertender Beigeschmack anhaftet, nicht findet (vgl. Bohrmann 2002:30).
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2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung »Mit der Bezeichnung ‘Massenkommunikation’ werden mithin wichtige Faktoren verschleiert, einmal die Produktion von Mitteln zum privaten Gebrauch (Radioapparate, TV-Sets), die zwar massenhaft (d.h. industriell hergestellt), dennoch aber individuell genutzt und privat konsumiert werden, zweitens die Unterschiedlichkeit der Nutzergruppen in einer Gesellschaft (Sozialhilfeempfänger und Bankdirektoren sehen das gleiche Programm), drittens die zentralisierte Herstellung der Programme, die nicht ‘für die Massen’ sondern aus spezifischen (programmpolitischen oder kommerziellen) Interessen erfolgt.«45
Historisch gesehen legte bereits die Erfindung des Buchdrucks die Basis für Massenkommunikation, als durch sie die Qualität der Informationsmedien insofern verändert wurde, daß schriftlich fixierte Kommunikationsinhalte massenhaft hergestellt und verbreitet werden konnten.46 Die Auswirkungen beschränkten sich jedoch auf die damals relativ kleine Bevölkerungsgruppe der Lesekundigen, die sich erst im 18. Jahrhundert deutlich verbreitete. Und mit der zunehmenden Literalität der Bevölkerung setzte dann schließlich auch ein Aufschwung in der Presselandschaft ein – erstmals erreichen die durch ein Medium verbreiteten Informationen die ‘Massen’. Peter Hunziker beschreibt die Besonderheit von Massenkommunikation nicht über deren Reichweite, sondern über die dem Phänomen eigene Asymmetrie.47 Diese findet sich laut Hunziker bereits im unterschiedlich hohen Organisationsgrad von Sender und Rezipient: Der Sender sei in der Regel eine komplex aufgebaute Organisation, bestehend aus Spezialisten, die arbeitsteilig sowie unter Einsatz vielfältiger technischer Hilfsmittel und fachlicher Kompetenz routinemäßig Kommunikationsinhalte hervorbringen. Diesem Sender stünden die im Vergleich dazu äußerst niedrig organisierten Rezipienten gegenüber. Die Asymmetrie finde sich auch in der praktisch einseitig verlaufenden Kommunikation, in der die Rollen von Kommunikator und Rezipient festgeschrieben sind. Aus dieser fixierten Rollenverteilung resultiere ein erhebliches Machtgefälle zwischen den aktiv Gestaltenden und den mehr oder weniger passiv darauf Reagierenden.48 Diese offensichtliche Asymmetrie der medialen Kommunikation legt der Medienforschung ein Forschungsinteresse besonders nahe: die Frage nach der Wirkung der Medien auf das Denken, Handeln und Fühlen ihrer Rezipienten – in der frühen Phase der Disziplin ausgedrückt in der Frage ‘Was machen die Medien mit den Menschen?’. Der Blick auf das Forschungs-Output der Medienforschung zeigt, daß die Frage nach den Effekten der Medien auf ihre Rezipienten nach wie vor die zentrale Fragestellung der Medienforschung darstellt. Die akademische Auseinandersetzung mit der ökonomischen, rechtlichen, technischen oder internen Organisiertheit von Medien und deren gesellschaftspolitischen Folgen und Voraussetzungen, also mit Medienpolitik in einem umfassenden Sinne,49 fällt vergleichsweise sehr gering aus.50 45 46 47 48 49
Schumacher 2000:146f. vgl. Hunziker 1988:6 vgl. ebd.: 7f. ebd.: 23 Otfried Jarren faßt unter dem Begriff ‘Medienpolitik’ jene Interaktionen, »die auf die Realisierung und die Veränderung der gesellschaftlichen Kommunikation (Strukturen, Prozesse, Inhalte) – also im wesentlichen auf Medien – gerichtet sind. Ihr Ziel besteht in demokratischen Systemen im weitesten Sinne darin, Aufbau, Erhalt sowie die Weiterentwicklung einer demokratischen Kommunikationsordnung im Sinne eines Regelwerks zur Normierung der Massenkommunikation – und nachrangig auch der Individualkommunikation – zu fördern« (Jarren 1998:616). Einen weiter gefaßten Begriff verwendet Werner Faulstich, der Medienpolitik in fünf Bereiche unterteilt, die er aus der Zugehörigkeit derer, die Medienpolitik betreiben, zu einer bestimmten Interessensgruppe bildet. Faulstich unterscheidet somit (1) die Medienpolitik des Staates, die in demokratischen Gesellschaften auf be-
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Zusammenfassend kann festgestellt werden: In der Forschungspraxis definiert sich Medienforschung vor allem als Massenmedien-Wirkungsforschung.51 Diese wiederum wird auch in den Dimensionen, in der ihr politikwissenschaftliche Bedeutung zukommt, nicht innerhalb der Disziplin Politikwissenschaft, sondern von der Kommunikationswissenschaft und den mit ihr verbundenen Nachbardisziplinen betrieben.52 Wie kurz dargestellt, ist die Geschichte der akademischen Medienforschung im Vergleich zu anderen Disziplinen eine sehr kurze. Sie brachte allerdings wesentliche, jede Forschungsarbeit zum Gegenstand Medien nach wie vor zentral bestimmende Erkenntnisse hervor. Mit ihnen wird sich der nächste Abschnitt eingehend befassen.
stimmte Aufgaben der Massenmedien bei der Information, Meinungsäußerung und Meinungsbildung im Sinne demokratischer Öffentlichkeit zielt. Hier sei wiederum zu differenzieren in nationale, internationale, und schließlich weltweite Medienpolitik; (2) die Medienpolitik der politischen Parteien, die auf die Nutzung der Medien für die jeweiligen parteipolitischen Interessen und Ziele gerichtet ist; (3) die Medienpolitik der Medien selbst, die sich bevorzugt am Angebot der Medien, am Medienpublikum und zugleich auch an der eigenen Stabilisierung und Optimierung, d.h. der ökonomischen wie publizistischen Ausweitung, orientiert; (4) die Medienpolitik der Wirtschaft, die auf die wirtschaftliche Nutzung der Medien zielt. Dies kann einerseits die Werbewirtschaft sein, die auf eine Verbesserung des Warenabsatzes oder Dienstleistungsangebots hofft, oder aber die Geräteindustrie, die neue Fernseher, Computer, Software, Antennen, Platten, Bücher etc. herstellen und verkaufen will; (5) die Medienpolitik weiterer Institutionen, Körperschaften und Gruppen, die zur Durchsetzung ihrer je spezifischen Interessen explizit Medienpolitik betreiben, etwa Kirchen, Verbände, Gewerkschaften, Kommunen (vgl. Faulstich 2000:55f); vgl. dazu auch Hunziker 1985:42ff., der auf mehrere Ansatzpunkte der politikwissenschaftlichen Medienforschung zum Thema ‘Verregelung’ verweist, wie etwa die Frage des gesellschaftlichen Umgangs mit der Tendenz zur und den Folgen von Medienkonzentration und Cross-Ownership; dazu auch: Meyer 2001:57ff. Ausführlich zum Thema Medienpolitik bspw. Bruck 1994; Stender-Monhemius 1999; Kamps 2003 50 Aufschlußreich ist etwa der Blick in die für das anerkannte Nachschlagewerk Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation zusammengestellte umfangreiche Bibliografie zur Disziplin (NoelleNeumann/Schulz/Wilke 1999:584–676). Unter dem Titel Kommunikationspolitik finden sich 43 und unter Medienrecht 27 Einträge. Medienökonomie kommt als Stichwort nicht vor, aber unter Pressewirtschaft werden 28 Titel aufgeführt. Im Vergleich dazu finden sich unter Wirkung der Medien auf die Öffentliche Meinung 177 Titel, unter Wirkung von Gewaltdarstellungen 45 und unter Darstellungseffekte 88 Einträge; zusammengenommen also 310 Titel zu Stichworten der Medienwirkung. (Zur Ergänzung: Kommunikationstheorie: 77; Methoden: 63; Mediaforschung – also Untersuchungen des Umfangs der Mediennutzung, die von den Medien selbst ausgehen: 48). 51 vgl. auch Stark 1992:82; zwar finden sich unter der politikwissenschaftlich relevanten Medienforschung zahlreiche Arbeiten, die der Medieninhaltsforschung oder der Mediennutzungsforschung zugerechnet werden können, doch auch das Forschungsinteresse des Großteils dieser Arbeiten basiert bei näherer Betrachtung auf Medienwirkungshypothesen. So werden etwa Medieninhalte auf Gewaltdarstellung untersucht, weil medial dargestellter Gewalt eine bestimmte Wirkung bei den Rezipienten unterstellt wird. Trotzdem werden die Bereiche oft voneinander abgehoben. So sieht Brosius das Fach Kommunikationsforschung als sinnvollerweise vielfach in die Teilbereiche (1) Struktur- und Organisationsforschung, (2) Kommunikatorforschung, (3) Inhaltsforschung, (4) Nutzungsforschung und (5) Wirkungsforschung gegliedert (vgl. Brosius 2002:5). In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe ‘Medienforschung’ und ‘Medienwirkungsforschung’, wenn nicht anders ausgewiesen, synonym verwendet werden. 52 Bei Christoph Kuhlmann findet sich allerdings eine Feststellung, die ein aus Sicht der Politikwissenschaft wesentliches Manko der „Disziplinen-Kooperation“ benennt: Einerseits würden Medienaspekte in der Politikwissenschaft wenig beachtet, andererseits seien medien- bzw. kommunikationswissenschaftliche Studien des öfteren »politologisch unterbelichtet« (Kuhlmann 2003:220).
32 2.5
2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
Vom Stimulus-Respons-Paradigma zur differenzierten Medienkommunikations-Betrachtung. Zentrale Modellannahmen der Medienwirkungsforschung
Die Wurzeln der Medienforschung in der Propagandaforschung waren für die Disziplin auch hinsichtlich ihrer Paradigmen folgenreich, denn damit ging eine Medienwirkungsauffassung einher, die der Disziplin eine verkürzte Auffassung der modellhaften Wirkzusammenhänge der Medienkommunikation nahelegte: das so genannte Stimulus-Response-Modell, ein theoretisches Konzept, das bis heute seine „Spuren“ in der Medienwirkungsdebatte hinterlassen hat. In dieser allgemein als erste von drei Phasen53 der Medienforschung bezeichneten Auffassung der Wirkung von Massenmedien wurden diese als nahezu „allmächtig“ hinsichtlich ihres Beeinflussungspotentials gesehen: Die medial vermittelten Botschaften würden von einem isolierten und wehrlosen Publikum unhinterfragt aufgenommen und bei diesem zu uniformen Reaktionen führen. Dieser Annahme liegt eine Auffassung eines linearen und kausal verknüpften Zusammenhangs zwischen gesendeter Botschaft und Rezipientenreaktion zugrunde. Sie findet sich wieder in der von Harold D. Lasswell 1948 geprägten forschungsleitenden Formel »Who says what in which channel to whom with what effect?«.54.Laut Gregor Halff ist das in dieser Frage ausgedrückte Grundmuster der Linearität und der kausalen Abhängigkeit in der heutigen Kommunikationsforschung als Wirkungsansatz nach wie vor erhalten.55 Zwar sei das ihm zugrunde liegende behavioristische Rezipientenbild um individualpsychologische und soziologische Selektionsmechanismen erweitert worden, trotzdem würden Medieninhalte immer noch vielfach als unabhängige Variablen innerhalb von Kausalhypothesen herangezogen. »Innerhalb des derzeitigen Wirkungsansatzes werden Medienstimuli (und damit die Persuasionsabsichten der Kommunikatoren) durch Selektivität gebrochen, also durch einen ‘störenden’ Interdependenzverband soziodemografischer Merkmale, individueller Vor- und Einstellungen, Erwartungen und psychischer Dispositionen (...) Das Individuum ist daher (entgegen früheren Wirkungsstudien) als einzelner Rezipient oder als Mitglied einer sozialen Gruppe zwar zu einer selektierenden, wirkungsbegrenzenden Instanz aufgewertet. Aber Medienwirkung bleibt dennoch (zumindest implizit in den meisten empirischen Studien) verstanden als durch Einwirkung verursachte und wahrnehmbare Änderung von Publikumsmerkmalen (z.B. Meinungen, Einstellungen, Verhalten), die ursächlich auf Medieninhalte zurückzuführen ist.«56
Bleibt man bei der chronologischen Entwicklungsgeschichte der Medienforschung, so folgt auf die erste Phase der Annahme einer direkten, starken Wirkung von Medieninhalten auf ihre Rezipienten eine „Gegenbewegung“, das sogenannte Ohnmachts-Paradigma, das die Disziplin von den 50er bis in die 70er Jahre bestimmte. Dieses folgte aus der Erkenntnis, daß sich weder der eindeutige Propaganda-Manipulations-Effekt, noch die ungestörte Rezeption empirisch belegen ließen. Die bis dato forschungsleitende Fragestellung ‘Was machen die Medien mit den Menschen?’ wurde zur Frage ‘Was machen die Menschen mit den Medien?’. 53 Die Einteilung der Massenkommunikationsforschung in drei Phasen geht auf das Lehrbuch Mass Communication Theory – An Introduction (1987) des Kommunikationswissenschafters Denis McQuail zurück und findet sich seither in zahlreichen Publikationen der Disziplin. 54 Lasswell 1948:37 55 vgl. Halff 1998:19 56 ebd.: 20
2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
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Dem durch diese Fragestellung geleiteten sogenannten Nutzen-Ansatz liegt eine in Halffs Ausführungen bereits angeklungene neue Auffassung von Rezipienten zugrunde: Bestimmt durch seine jeweiligen Interessen und mit Rücksicht auf seine (bewußten und unbewußten) Bedürfnisse „holt“ er sich von den Medien, was er braucht oder will. Er selektiert die an ihn herangetragenen Medienbotschaften, womit den Medien keine „Macht“ mehr zugeschrieben werden kann, denn der Rezipient verfügt laut dieser Auffassung über ein „Schutzschild“, mit Hilfe dessen er sich davor bewahrt, durch Medieninhalte, die seinen eigenen Auffassungen und Interessen entgegenstehen, tangiert zu werden. Diese sogenannte Limited-Effects-Theorie wurde also psychologisch durch Bezugnahme auf kognitive Konsistenzmechanismen begründet. Ergänzt wurde sie durch soziologische Konzepte, die auf den die Einflußmacht der Medien übersteigenden Einfluß der sozialen Gruppe verwiesen: Die bedeutendste Rolle im Meinungsbildungsprozeß einzelner käme demnach den sogenannten ‘Meinungsführern’ und nicht den Medien zu.57 Diese einander widersprechenden Medienwirkungseinschätzungen der ersten und zweiten Phase – als einerseits allmächtig und andererseits als ohnmächtig – wirkten laut Wolfgang Donsbach für die Disziplin lange Jahre lähmend.58 Erst in einer dritten Phase, fünfundzwanzig Jahre nach dem Erscheinen der für die Ohnmachts-These entscheidenden Arbeit der Forschergruppe um Paul F. Lazarsfeld The People’s Choice,59 wurde die Blickrichtung wieder umgekehrt. Eine der programmatischen Arbeiten für diese abermalige Revision der Einschätzungen stammt von Elisabeth Noelle-Neumann und trägt den bezeichnenden Titel Return to the Concept of Powerful Media.60 Drei Merkmale gelten als kennzeichnend für diese dritte – aktuelle – Phase der Medienwirkungsforschung: bescheidenere Hypothesen, ausgefeiltere Methoden und differen-
57 vgl. Schenk 1999:181ff. 58 vgl. Donsbach 1995:52; eine interessante Diskussion zur Forschungs- und Paradigmentradition der Wirkungsforschung, findet sich bei Brosius/Esser 1998, als Entgegnung darauf: Bussemer 2003. Brosius und Esser werfen in ihrem Artikel Mythen der Wirkungsforschung: Auf der Suche nach dem Stimulus-Response-Modell der Disziplin vor, sie würde in bezug auf die frühe Phase der Forschungstätigkeit verallgemeinernd vorgehen, wenn sie den Forschern dieser Zeit ein einheitliches Verständnis der Medienwirkung in Form des Stimulus-Response-Modells zuschreibe. Die frühen Studien und Theorien seien viel differenzierter gewesen, als heute deutlich werde. Die gängige Annahme, die frühe Phase der Medienwirkungsforschung sei maßgeblich durch das Stimulus-Response-Modell geprägt worden, beruhe auf einem Mythos. »Die frühe Medienforschung ist eindeutig nicht von einer naiven Betrachtung des Wirkungsprozesses im Sinne einer Determination der Reaktion durch den Medienstimulus ausgegangen.« (Brosius/Esser 1998:351) Thymian Bussemer greift die Kritik von Brosius und Esser auf und unternimmt unter dem Titel Gesucht und gefunden: Das StimulusResponse-Modell in der Wirkungsforschung eine eingehende Sichtung von frühen Arbeiten zur Medienwirkung. Bussemer differenziert das Paradigma „Stimulus-Response“ und attestiert ihm einen „rationalen Kern“, sieht das Modell aber als wissenschaftstheoretisch überholt. Doch trotz seiner Unzulänglichkeiten erfreue sich das Modell immer noch einer gewissen Beliebtheit in Fach- und Laienöffentlichkeiten. Laut Bussemer könne die Forschung auch gar nicht gänzlich ohne das Modell auskommen, und zwar schon deshalb, weil die wesentlich komplexeren Wirkungsmodelle, wie sie beispielsweise aus dem Umfeld der Cultural Studies hervorgingen, nicht zur Erklärung alltäglicher Kommunikationssituationen taugen würden (vgl. Bussemer 2003:187). Seine Ausführungen abschließend, bezieht sich Bussemer dann nochmals auf den Ausgang seiner Untersuchung, die Arbeit von Brosius und Esser, und stellt fest: »Eines jedoch sollte allen Diskurs-Beteiligten klar sein: Das Stimulus-Response-Modell steht als erstes signifikantes Konzept am Anfang der systematischen Theoriebildung der Kommunikationswissenschaft« (ebd.:187). 59 vgl. Lazarsfeld u.a. 1944 60 vgl. Noelle-Neumann 1973
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2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
ziertere Ansätze.61 Die „neue Bescheidenheit“ zeigt sich in einer differenzierteren Fragestellungen der Forschung, die nun nicht mehr versucht nachzuweisen, ob Medien beispielsweise Wahlen entscheiden können. Die Fragestellungen beziehen sich vielmehr darauf, wie die Medien uns dazu bringen, daß wir uns über bestimmte Themen überhaupt eine Meinung bilden, Images von Politikern entwickeln oder Vorstellungen von der Meinungsverteilung bei den Mitmenschen haben.62 Die Aspekte, auf die sich die differenzierteren Fragestellungen beziehen, lassen sich zu Leitfragen der aktuellen Medienforschung bündeln. Heinz Bonfadelli unterteilt die zu untersuchenden Phänomene beispielsweise in solche, die vor, während und nach der Kommunikation zur Wirkung kommen. Daraus ergeben sich Fragen nach den Einflußfaktoren auf den Umfang der Mediennutzung und nach den Motiven der Mediennutzung als vor der Rezeption relevante Aspekte; Untersuchungen der Aufmerksamkeit, des Verständnisses und der Affekte als Effekte während der Rezeption und Fragen nach dem Auftreten und der Art der Effekte, die die Mediennutzung hervorbringt – etwa Änderung von Einstellungen und Verhaltensweisen und der Informationsaufnahme –, als nach dem Kommunikationsprozeß einsetzende.63 Mit den differenzierteren Fragestellungen geht auch ein differenzierteres Modell des medialen Kommunikationsprozesses einher: In der dritten Phase der Wirkungsforschung wird die Perspektive der direkten Medienwirkung mit der der selektiven Nutzung zum sogenannten Transaktionellen Ansatz verbunden. Unter Anerkennung der Stimulus-These der frühen Forschung werden verschiedene Bedingungen und Faktoren als die Wirkung beeinflußend in die Untersuchungen aufgenommen und der „Schutzschild“ des selektiven Rezipienten weicht einer Auffassung des Publikums, dessen Beeinflußbarkeit zwar von verschiedenen Faktoren abhängt, das aber nicht in der Lage ist, sich bestimmten Medienwirkungen zu entziehen. Als Rezipient der Medienkommunikation wird dabei nicht länger „die Masse“ gesehen, es wird vielmehr in die Untersuchungsdesigns aufgenommen, daß medial vermittelte Informationen bestimmte Menschen mit bestimmten Bedürfnissen und Eigenschaften in konkreten Situationen erreichen.64 Ein angemessenes Vorgehen gegenüber dieser Vielschichtigkeit der Medienkommunikation wurde erst durch den Einsatz von komplexen Forschungsdesigns wie etwa Langzeit- oder Panelstudien möglich, die Verknüpfung von kontinuierlich erhobenen Trend-Daten der Meinungsforschung mit Resultaten von Inhaltsanalysen sowie dem Einbeziehen von Befunden anderer Disziplinen wie etwa der Psychologie und der Soziologie. Erst durch diese Verfahrensweisen konnten verschiedene Medienwirkungen erfaßt werden, die in früheren Forschungsperioden nicht evident wurden. Genau diese für die dritte Phase der Disziplin kennzeichnende breite Fächerung der Fragestellungen und Vorgehensweisen hat der Medienwirkungsforschung aber auch immer wieder Vorwürfe aus den eigenen Reihen eingebracht. Zu viele untereinander nicht verbundene Untersuchungen lägen vor, die Erkenntnislage sei disparat, den Arbeiten und der Disziplin als Ganzem fehle es an durchgängigen Theoriegebäuden, die 61 Als weiteres Merkmal der aktuellen Medienwirkungsforschung bezeichnet Elisabeth NoelleNeumann die Tendenz, sich verstärkt der Rolle der Journalisten und deren Einfluß auf die Berichterstattung zuzuwenden (vgl. Noelle-Neumann 1999b:554ff.), ein Forschungsbereich, auf den im weiteren noch ausführlich einzugehen sein wird. 62 vgl. Donsbach 1995:53 63 vgl. Bonfadelli 2000:16 64 vgl. Noelle-Neumann 1999b:529
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Arbeiten seien theoretisch nur schwach fundiert, Einzelstudien seien untereinander nicht vergleichbar, Replikationsstudien, Anschlußstudien und Falsifikationsversuche würden fehlen, die Forschung sei zuwenig auf internationalen Vergleich angelegt.65 Gleichzeitig gibt es zahllose – manche Kritikpunkte zumindest implizit relativierende – Verweise darauf, wie umfangreich und vielschichtig die Forschungsaufgabe der Disziplin ist. Siegfried J. Schmidt stellt etwa fest, es gehe in der Kommunikations- und Medienwissenschaft um nicht weniger als um eine forschungstechnisch machbare und problemadäquate Analyse des Zusammenwirkens von vier komplexen Dimensionen: Kognition, Kommunikation, Kultur und Medien. Diese Dimensionen könnten zwar von der Disziplin nicht gleichermaßen umfassend und detailliert behandelt werden wie von den je zuständigen Spezialdisziplinen (etwa der Kognitionspsychologie), sie müssten aber argumentativ selektiv im Hinblick auf Themen wie Information, Wissen, Verstehen, Sinn und Bedeutung einbezogen werden, wobei darüber hinaus jeweils genetisch-historische und strukturelle Aspekte zu berücksichtigen seien.66 Auch Gregor Halff verweist auf die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes, sieht aber die Malaise der Medienwirkungsforschung nicht nur in forschungspraktischer, methodischer oder theoretischer Hinsicht gegeben. Halff glaubt vielmehr, daß der Komplexität des Mediensystems und den mit ihm verbundenen Kommunikationsvorgängen an sich empirisch nicht beizukommen sei. Es müsse vielmehr die Forschungstradition des kritischen Rationalismus, die den gängigen Modellannahmen der Wirkungsforschung zugrunde liege, grundsätzlich in ihrer Tauglichkeit für die Disziplin in Frage gestellt werden. Denn es läge an den dem Kritischen Rationalismus eigenen Gesetzmäßigkeiten, daß die Medienwirkungsforschung ihren Gegenstand zerstückle. Sie müsse den komplexen Gegenstand ‘Medienwirkungen’ auf immer feinere, nomologische „wenn-dann“ bzw. „jedesto“ Hypothesen reduzieren, um zu einem Erkenntnisfortschritt zu gelangen, allerdings dann um den Preis der nahezu infiniten Parzellierung des ursprünglichen Forschungsgegenstandes. Sie könne aber auf diesem Weg seinen zentralen Wesensmerkmalen (Interdependenz der Wirkungskomponenten und Prozeßhaftigkeit von Medienwirkung) nicht gerecht werden und deshalb könne die Medienwirkungsforschung, ohne von ihrer Forschungstradition abzugehen, ihrem Erkenntnisobjekt nicht näherkommen.67 Auch Marion Müller problematisiert die weitgehend empirisch ausgerichtete Annäherung der Disziplin an ihren Forschungsgegenstand. Sie warnt, die Dominanz empirischer, durch den Rational-Choice-Ansatz beeinflußter Methoden könnte zu einer Umkehrung des Forschungsprozesses führen. Bereits jetzt werde häufig nicht mehr zuerst nach den konkreten Problemen und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen gefragt. Am Anfang von konkreten Projekten stehe vielfach die Frage, welche Forschungsfrage mit dem gewählten Ansatz und den empirischen Möglichkeiten bewältigt werden kann. Ein verbessertes Verständnis der Wahrnehmungs- und Kommunikationsstrukturen von Politik sei aber vielfach nur durch eine hermeneutische Annäherung an diese Fragestellungen erreichbar und bliebe durch das gängige Vorgehen in der Forschungspraxis der wissenschaftlichen Analyse verschlossen:
65 vgl. etwa DFG 1986, Graber 1993, Hejl 1999:112 66 vgl. Schmidt 1996:4 67 vgl. Halff 1998:22ff.; 241ff.
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»Der Bereich politischer Vorstellung wird so auf empirisch meßbare Einstellungen reduziert. Forschungsbereiche, die sich einer empirischen Erfassung verschließen, geraten ins Hintertreffen. So auch der lediglich hermeneutisch zu erschließende Bereich politischer Sinneszuweisungen und politischer Ideen inklusive ihrer populären Verbreitung und Rezeption.«68
2.6
Zusammenfassung
Faßt man die Ausführungen der letzten Abschnitte zusammen, so ergibt sich folgendes Bild des Fachbereichs, dem die vorliegende Arbeit zuzuordnen ist: Der Bereich Medien muß als im Rahmen der akademischen Disziplin Politikwissenschaft äußerst wenig erforscht beurteilt werden. Der Großteil der Forschungsarbeiten, denen ein politikwissenschaftlicher Fokus zugeschrieben werden kann, wird in den Disziplinen erstellt, die unter der Bezeichnung Medienwissenschaften gefaßt werden. Diese bauen in ihrer Forschungstätigkeit wiederum auf die Erkenntnisse anderer Disziplinen auf, wie etwa auf Befunde der Kognitionspsychologie. Innerhalb der Forschungspraxis der Medienwissenschaften kann eine eindeutige Schwerpunktsetzung in der Themenwahl festgestellt werden: Der Großteil der Arbeiten konzentriert sich auf die Wirkung von massenmedial vermittelten Nachrichten auf deren Rezipienten. Die Ergebnisse dieser Forschungstätigkeit werden in mehrerer Hinsicht als unzureichend beurteilt. Zwar kann sich die aktuelle akademische Forschung auf Ergebnisse stützen, die zu einem differenzierten Bild der Wirkungsweise ihres Gegenstandes führten, es wird aber kritisiert, daß die einzelnen vorliegenden Befunde sowohl in theoretischer, als auch in methodischer Hinsicht als nur unzureichend gestützt gelten müssen. Darüber hinaus wird den medienwissenschaftlichen Disziplinen vorgeworfen, Themen, die mit dem bisherigen Forschungsinstrumentarium nur schwer oder nicht zu bewältigen sind, tendenziell auszusparen und so wesentliche Themenbereiche ihres Forschungsgebietes nicht ausreichend zu beleuchten. Für die Einordnung der vorliegenden Arbeit ergibt sich folgendes: Es wurden bei der Bearbeitung des Themas alle Forschungsergebnisse einbezogen, die hinsichtlich der Fragestellung als aussagekräftig und relevant beurteilt wurden, unabhängig von der Disziplin, der sie entstammen. In ihren Ausgangsthesen stützt sich die Arbeit auf relativ allgemeine Befunde der Medienforschung, die innerhalb der Disziplin als weitgehend anerkannt gelten und die kurz vorgestellt werden. Daß sich diese Wissensbestände teilweise nur auf einzelne Untersuchungen stützen können, muß dabei in Kauf genommen werden. Ohne direkt durch die Methoden des Experiments, der Befragung oder der Beobachtung die Effekte von Medieninhalten auf Rezipienten zu untersuchen, kann sich die vorliegende Arbeit im zuvor beschriebenen Sinne als Beitrag zur Medienwirkungsforschung verstehen: Ziel der Arbeit ist es, zu analysieren, in welcher Art und Weise und in welcher Absicht politische Nachrichtenmagazine visuell gestaltet werden, und dies unter Berücksichtigung der Frage, welche Effekte die verschiedenen Darstellungsweisen möglicherweise auf die Politikwahrnehmung der Rezipienten haben können. Das spezielle Interesse gilt dabei der Thematik ‘Medienkompetenz’ im Sinne von visueller Zeichenkompetenz. Basierend auf Erkenntnissen unterschiedlicher Disziplinen werden Thesen zur Frage erarbeitet, in 68 Müller 1999:20
2 Politik, Medien und politikwissenschaftliche Forschung
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welcher Wirkungsabsicht die visuelle Präsentation von Politik in Nachrichtenmagazinen erfolgt, und es wird versucht zu klären, welche Wege beschritten werden, um diese Wirkung zu erzielen. Dabei werden visuelle Darstellungen als Zeichen aufgefaßt, die von Seiten der Mediengestalter kompetent und zielgerichtet eingesetzt werden, der wissenschaftlichen Forschung allerdings größte Schwierigkeiten bereiten. Die konkrete Verwendung dieser Zeichen näher zu beleuchten kann als Grundlage für nachfolgende empirische Prüfungen, ob die jeweiligen Wirkungsabsichten die gewünschten Effekte bei den Rezipienten hervorrufen und welche zusätzlichen Wirkungen verursacht werden, gesehen werden. Insofern kann die vorliegende Arbeit als Beitrag zur Medienwirkungsforschung gesehen werden. Im nächsten Abschnitt wird ein knapper Überblick darüber gegeben, welche Fragestellungen sich für das Fach Politikwissenschaft aus dem für die vorliegende Arbeit zentralen Phänomen der visuellen Medienkommunikation ergeben und welche Erkenntnisse zu diesen Fragestellungen erarbeitet wurden. Damit soll zum einen die Relevanz des Untersuchungsthemas ‘visuelle Politikvermittlung’ veranschaulicht werden. Zum anderen werden Forschungsergebnisse vorgestellt, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit Bezug genommen wird und die die theoretische und empirische Basis der vorliegenden Arbeit darstellen.
3
Schlüsselbilder, Bezugsrahmen und Darstellungseffekte. Visuelle Politikvermittlung und politikwissenschaftliche Forschung
3.1
Einleitung
Die grundsätzliche Vorraussetzung jeder Medienwirkung ist Mediennutzung. Und ebenso wie der Begriff ‘Medium’ sehr verschiedene Phänomene beschreiben kann, so kann auch unter Mediennutzung ein breites Spektrum von Vorgängen gefaßt werden, bezeichnet der Begriff doch ganz allgemein jede Situation oder Tätigkeit, bei der Individuen mit Medienangeboten in Kontakt kommen: »Die konzentrierte Lektüre eines längeren Hintergrundberichtes gehört ebenso [zur Mediennutzung] wie das Überfliegen der Schlagzeilen der Boulevard-Zeitung in der Hand des U-Bahn-Nachbarn, die mit Spannung erwartete Fußball-Übertragung ebenso wie das den Hausputz begleitende Musikprogramm im Hörfunk. Streng genommen handelt es sich auch um Mediennutzung, wenn während des Einkaufs ein Musikband läuft oder wenn ein Fußgänger einen mit Werbung bemalten Bus vorbeifahren sieht, nicht zu vergessen ein Besuch im Kino oder die Lektüre eines Buches.«1
Der Großteil der Medienforschung konzentriert sich allerdings, wie bereits ausgeführt, auf die sogenannten ‘Massenmedien’, also die Nutzung von Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen und Radio, und fragt nach den Einflüssen und Wirkungen, die von der Existenz dieser Medien auf Individuum und Gesellschaft ausgehen. Daß von den Medien Wirkungen ausgehen, ist unbestritten, denn – wie Wolfgang Donsbach mit Verweis auf Schulz ausführt – per se entsteht Wirkung bereits dadurch, daß durch eine kommunikative Handlung etwas von einem Sender zu einem Rezipienten transferiert wird.2 Darüber hinaus ist aber davon auszugehen, daß jeder Medienkommunikation eine Wirkungsabsicht zugeordnet werden kann. Laut einer Einteilung von Michael Schenk können die Intentionen, die von seiten der Kommunikatoren mit Medienbotschaften verbunden sind, drei grundsätzlichen Ebenen zugeordnet werden: (1) der Persuasion – etwa im Falle von Werbung oder Kampagnen; (2) der Information und (3) der Unterhaltung. Der Schwierigkeit, zwischen Information und Unterhaltung zu differenzieren, kann laut Schenk dadurch begegnet werden, daß auf Fiktionen beruhende Inhalte im Unterschied zu realitätsnahen Nachrichten als unterhaltende Beiträge bezeichnet werden3 Unabhängig davon, welche Wirkungsabsicht jeweils hinter bestimmten Medieninhalten steht, ist der wesentliche Ansatzpunkt der Medienforschung in dem Phänomen zu sehen, daß Kommunikationsinhalte, wenn sie durch Medien vermittelt wer1 2 3
Hasebrink 1995:16 vgl. Donsbach 1995:67 vgl. Schenk 1998:686; auf die Thematik ‘Information’ vs. ‘Unterhaltung’ wird in Abschnitt 5.3 näher einzugehen sein.
3 Schlüsselbilder, Bezugsrahmen und Darstellungseffekte
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den, ganz besondere Formen annehmen.4 Eine Beobachtung, die die Forschung seit der Einführung des Fernsehens vor allem mit zwei zentralen Fragestellungen beschäftigt: ‘Welche Besonderheiten weisen fernsehvermittelte Nachrichten gegenüber anderer Medienkommunikation auf?’ und: ‘Welche Folgen ergeben sich aus der Leitstellung des bildorientierten Mediums Fernsehen gegenüber anderen Medien für Gesellschaft und Politik?’5 Denn das Fernsehen – aufgrund seiner Vormachtstellung gegenüber anderen Medien von Meyer/Kampmann als »Kulturmetapher, die alles prägt«6 und von Ulrich Beck als der politische Ort der Weltrisikogesellschaft bezeichnet7 – gilt als Auslöser eines gesellschaftlichen Prozesses, der allgemein als ‘Visualisierung’ bezeichnet wird und der als die wesentlichste Entwicklung im Bereich der gesellschaftlichen Verständigungsprozesse gesehen wird.8 Meyer, Ontrup und Schicha bezeichnen die vom Medium ‘Fernsehen’ ausgelöste Dynamik hin zur bildhaften Kommunikation aufgrund ihrer Bedeutung gar als einen Prozeß »der Aufrüstung der Reizmuster, die sich an das Auge wenden«.9 Die politikwissenschaftliche Medienforschung muß sich nun auf verschiedenen Analyseebenen mit der Frage auseinandersetzen, welche Kosten und Gewinne dieser Druck zur Visualisierung für die Vermittlung zwischen Staat und Gesellschaft mit sich bringt. Denn politische Kommunikation in der Fernsehgesellschaft ist eine »Seh-Welt«,10 in der fortwährend kalkulierte Bilder produziert werden, die sich sowohl für die Stabilisierung als auch für die Infragestellung von Herrschaftsverhältnissen eignen.11 Doch was bereits allgemein für das politikwissenschaftliche Interesse an Medienkommunikation festgestellt werden mußte, gilt noch mehr für deren 4 5
vgl. Hunziker 1985:23 Siegfried Frey berichtet von der Aufregung, die die stürmische Verbreitung des Mediums ‘Fernsehen’ in den 40er Jahren in den USA auslöste. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei kaum zu übersehen gewesen, daß – ein halbes Jahrhundert nach der Erfindung des Buchdrucks – eine visuelle Zeitenwende bevorstand, in deren Folge sich die Balance zwischen Auge und Ohr im Kommunikationsprozeß völlig verschieben würde. Nachdem innerhalb kürzester Zeit 108 TV-Stationen entstanden und hunderte weitere Anträge auf Genehmigungen eingereicht worden seien, habe die Federal Communication Commission (FCC) im Sommer 1948 gewissermaßen als Sofortmaßnahme gegenüber dem neuen Phänomen einen totalen Bann für die Vergabe neuer Sendelizenzen ausgesprochen. Das Ziel dieses Einfrierens der Lizenzvergabe auf unbestimmte Zeit sei laut Frey gewesen, zu einer umfassenden Abklärung der technologischen und gesellschaftlichen Konsequenzen zu gelangen, die die explosionsartige Verbreitung der TV-Technologie nach sich ziehen würde. Der Bann, der mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung von der Möglichkeit des Fernsehens ausgeschlossen hätte, sei trotz massiver Interventionen von seiten der Industrie rund vier Jahre in Kraft gewesen. Während dieser Zeit seien eine Vielzahl von Experten-Hearings veranstaltet worden, um den Implikationen nachzugehen, die aus dem kometenhaften Aufstieg des neuen visuellen Mediums resultierten. Schließlich war man offenbar zu dem Schluß gelangt, daß die Entwicklung zum einen nicht aufzuhalten sei und zum anderen enorme Möglichkeiten für Bildungszwecke biete, und so wurde der Bann im September 1952 aufgehoben. Die Entwicklung hat in den Jahren des Banns unaufhaltbar ihren Lauf genommen, ohne daß ihre Konsequenzen vorhergesagt werden konnten: Trotz enormer Anschaffungskosten ist die Zahl der TV Geräte in den US-amerikanischen Haushalten von 8000 Geräten zu Beginn des Jahres 1947 auf beachtliche 19.124.900 zum Zeitpunkt der Lizenzfreigabe angestiegen (vgl. Frey 1999:27ff.). 6 Meyer 1998:41 7 vgl. Beck 1995 8 Eine kritische Auseinandersetzung damit, ob wirklich von einer Wende zum Visuellen gesprochen werden kann, bietet aus philosophischer Sicht Ferdinand Fellmann (vgl. Fellmann 1995). 9 Meyer/Ontrup/Schicha 2000:75 10 Meyer 1998:35 11 vgl. Schiller 1999:151
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3 Schlüsselbilder, Bezugsrahmen und Darstellungseffekte
visuelle Komponente: Trotz der erfaßten Tendenz einer „Revisualisierung“ der Gesellschaft wendet sich die Politikwissenschaft der bildhaften Kommunikation als Forschungsgegenstand nur zögerlich und – wie immer wieder kritisiert wird –ungenügend zu.12 Dabei wird durchaus erkannt, daß bei der beobachtbaren gesellschaftlichen Veränderung hin zu einer „Politik der Bilder“ gängige Politikbegriffe der liberalen Diskursgemeinschaft für ein adäquates Verständnis der Politik der Gegenwart nicht mehr ausreichen.13 Georg Schütte und Peter Ludes schreiben die Vernachlässigung der visuellen Komponente in der bisherigen Forschung zwei Gründen zu: Zum einen sei die Ursache in der Tradition des wissenschaftlichen Arbeitens zu finden, die als wort- und schriftorientiert bezeichnet werden muß. Zum anderen erweise sich der nicht nur beschreibende, rationale, sondern auch appellative, emotionale Charakter von Bildern und Bildsequenzen als »sperriger« für die wissenschaftliche Analyse.14 Die Einschätzung der Politologin Marion Müller ergänzt diesen Befund durch die Inblicknahme der Auswirkung der vorherrschenden Selbstdefinition moderner Gesellschaften auf die Forschungspraxis: »In der Demokratie, die sich mit Vorliebe als rationale Herrschaftsform sieht, gelten visuelle Kommunikationsstrategien als unliebsame Propaganda, deren Funktionsweise vielen immer noch ein Rätsel ist.«15
Als Schlüsselwerk dieser Verknüpfung von Bildkommunikation mit „magischen“ Kräften wird vielfach Gustave Le Bons 1895 erschienene Psychologie des foules gesehen, in der Bilder als das geeignete Medium zur Massenmanipulation bezeichnet werden. Zwar kann man beobachten, daß unter den Herrschenden zu allen Zeiten die Meinung vertreten war, Bilder stellten ein geeignetes Mittel dar, um Untertanen zu beeindrucken – weshalb immer beträchtliche Mittel in die Umsetzung politischer Botschaften investiert worden sind16 –, die Verbreitung des audiovisuellen Mediums Film und sein Einsatz für die politische Propaganda stellten jedoch eine Zäsur in der visuellen politischen Vermittlung dar. Wurde dem Film auch in seiner Anfangszeit durchaus aufklärerisches Potential und sogar eine subversive bis revolutionäre Kraft für die Befreiung der unterdrückten Massen zugeschrieben,17 so sicherte die Art und Weise des Einsatzes des Mediums durch das nationalsozialistische Regime der audiovisuellen Bildkommunikation den Status als Massenmanipulationsinstrument. Eine Zuschreibung, die sich trotz der späteren Einsicht, daß das Allmachtsparadig-
12 vgl. etwa Detlef Kannapins Bericht über die Forderungen der DVPW Gruppe Politik und Film (Kannapin 1998). 13 vgl. Hofmann (1999:7), der es für berechtigt hält, angesichts der Durchdringung sowohl der Lebenswelten als auch des wissenschaftlichen Subsystems durch primär visuelle Medien von einem Paradigmenwechsel von der ‘logozentrischen’ zur ‘ikonozentrischen Politik’ zu sprechen; dazu auch Müller 2001. 14 vgl. Schütte/Ludes 1996 15 Müller 1996:247 16 vgl. Warnke 1994:176 17 vgl. dazu etwa Detlef Kannapins Ausführungen zur Filmtheorie als politischer Theorie (1999), auch Meyer 1998:38; als Beispiel für den Einsatz von Bildern für den „Kampf von unten“ verweist Warnke auf die erstaunliche Resonanz, die studentische Gruppen in den 70er Jahren mit dem Bild Che Guevaras erzielten (vgl. Warnke 1994:176).
3 Schlüsselbilder, Bezugsrahmen und Darstellungseffekte
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ma der frühen Medienwirkungsforschung nicht zu halten ist, nachhaltig auf die Forschungstätigkeit zum Thema ‘Bild’ auswirkte. Müller plädiert für eine kritische Auseinandersetzung der Disziplin mit dieser nach wie vor vorherrschenden Zuschreibung, in der sie einen wesentlichen Grund für die unzureichende Zuwendung zum Forschungsgegenstand ‘Bild’ sieht: »Vor solchen Verschwörungstheorien ist zu warnen, denn sie unterstellen dem Medium Bild eine Macht, die es erst dank Autosuggestion [...], durch den fortgesetzten Glauben an bildmagische Kräfte, gewinnt. Tatsache ist, daß visuelle Kommunikation ebenso kritisch analytisch zu erfassen ist wie jede andere politische Kommunikation auch.«18
Doch auch wenn weitgehend Einigkeit herrscht, daß die visuelle Kommunikation gemessen an ihrer Bedeutung innerhalb moderner Gesellschaften als zu wenig beforscht zu bewerten ist, kann die politikwissenschaftliche Medienforschung ihre Forschungstätigkeit zum Gegenstand auf wesentliche Untersuchungsansätze und Befunde zur Rolle des Bildes für den politischen Prozeß stützen. Zentrale Befunde dieser Forschung sollen in den folgenden Abschnitten zusammengefaßt werden, um sie im weiteren Verlauf der Arbeit aufzugreifen und zu diskutieren.
3.2
Schlagbilder, Schlüsselbilder und: Unterhaltung statt Information? Die Abstraktion von Politik im medialen Bild
Die Entwicklung der Visualisierung wird in bezug auf politische Kommunikation, wie bereits angesprochen, in mehrerer Hinsicht problematisiert. So wird vielfach als Folge der Zunahme bildbetonter Medienkommunikation19 eine vergrößerte Manipulierbarkeit der Rezipienten befürchtet: »Die gegenwärtige Bilderkritik setzt hierbei voraus, daß ein zunehmender Verfall der traditionellen Schriftkultur (gegen deren Entstehung in der Antike allerdings ganz ähnliche Bedenken erhoben worden waren) auch die Fähigkeit kritischer Rationalität untergrabe. Für diesen Prozeß werden vor allem die bewegten Bilder in Film und Fernsehen verantwortlich gemacht.«20
Denn obwohl medienvermittelte Informationen immer „erzählte“ – also bereits selektierte, interpretierte und aufbereitete – Inhalte sind, erzeugt Fernsehen offensichtlich eine gewisse »Aura der Authentizität«,21 und bildvermittelte Nachrichten werden so tendenziell als Spiegelungen der objektiven Wirklichkeit wahrgenommen. Dabei können audiovisuelle Medien genauso wie alle anderen Medien den Rezipienten nur eine ganz bestimmte, unter anderem durch die Gesetzmäßigkeiten ihres Vermittlungsmodus geprägte Sicht der Welt vorführen. Für das Fernsehen etwa besteht durch seine audiovisuelle Ausrichtung eine „Abhängigkeit“ von der Visualisierbarkeit der zu vermittelnden Inhalte. ‘Was nicht bebildert werden kann, kommt in den
18 Müller 1996:247 19 Allgemein wird zu den bilddominierten Medien Film und Fernsehen inzwischen auch das Internet gerechnet. Interessanterweise zählen Werner Koeber-Riel und Franz Rudolf Esch auch den Rundfunk zu den bildbetonten Medien, indem sie Musik als akustisches Bild interpretieren (vgl. KoeberRiel/Esch 2000:14). Mit dieser Zuordnung stellen die Autoren allerdings eine Ausnahme dar. 20 Die Bilder der Wissenschaft und der Kunst würden hingegen deutlich weniger in den Blick kommen, so die Autoren weiter (vgl. Sachs-Hombach/Schirra 1999:28). 21 Meyer/Ontrup/Schicha 2000:85
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Fernsehnachrichten nicht vor’ ist daher ein früher und zentraler Befund der Medienforschung. Doch Politik als Phänomen der gesellschaftlichen Einigung über allgemein geltende Verregelungen ist in seiner Abstraktheit und der Komplexität seiner Vorgänge visuell nicht abbildbar. Da sich politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse im Gegensatz zu „konkreten“ Ereignissen wie Unfällen, Katastrophen und Sportereignissen nicht filmen lassen, muß sowohl von seiten der Nachrichtenproduzenten als auch von seiten der politischen Akteure zu Mechanismen und Strategien gegriffen werden, um Politikvermittlung zu gewährleisten.22 Eine dieser Strategien besteht darin, Sinnzusammenhänge verdichtet in Symbolen und in symbolhaften Handlungen zum Ausdruck zu bringen. Für die Bilder, die so geschaffen werden, hat Michael Diers in Anlehnung an die ‘Schlagzeile’ den Begriff des Schlagbildes geprägt, vielfach wird das Phänomen auch mit dem Begriff des Schlüsselbildes bezeichnet.23 Unter Schlüsselbildern sind laut Schütte/Ludes Bilder oder Bildsequenzen zu verstehen, die den „Schlüssel“ zu bestimmten dargestellten Ereignissen bieten, die also ein Ereignis auf eine kurze Formel bringen. Ein Beispiel für Schlüsselbilder seien etwa Aufnahmen von leeren Autobahnen während der Ölkrisen der siebziger Jahre, also Bilder, die aufgrund ihrer Exklusivität und der historischen Bedeutung der symbolisierten Ereignisse besonders lange erinnert würden. Darüber hinaus gibt es aber auch Schlüsselbilder, denen keine solch exklusiven Ereignisse zugrunde liegen. Diese werden nach Aussagen von FernsehnachrichtenJournalisten bewußt durch den wiederholten Einsatz bestimmter Images in der Routineberichterstattung konventionalisiert.24 Den somit geschaffenen Schlüsselbildern liegen vielfach rituelle Handlungen zugrunde, wie etwa Händeschütteln, oder die Unterzeichnung eines Vertrages. In der Summe stellten diese Abbildungen einen ‘Formenschatz der politischen Bildsprache’ dar, auf den nachweislich immer wieder zurückgegriffen wird.25 Eine Praxis, die aber auch häufig kritisch dokumentiert wird. So faßt etwa Andreas Wittwen die Problematik folgendermaßen zusammen: »Da ist zum einen das einfallslose Abfilmen von Politikerritualen: Um einer vermeintlichen Anschaulichkeit willen flieht man immer wieder in stereotyp abgedrehte, beliebig austauschbare ‘Schnittmusterszenen’: Allabendlich steigen Magistraten Flugzeugtreppen auf und ab, fahren in Staatskarossen vor, verschwinden in irgendwelchen Gebäuden, schütteln sich die Hände, nehmen am Konferenztisch Platz oder unterschreiben Verträge. Politik erhält durch diese Darstellung etwas Feierliches und Dekoratives, Extrovertiertes und Geschäftiges. Was verhandelt wird, sieht man nicht, nur dass verhandelt wird. Bildstereotypen erzeugen also nur die Fiktion des Dabei-Seins und prägen gerade beim unaufgeklärten Zuschauer ein Welt- und Politikverständnis, das mit der Realität nichts gemeinsam hat.«26
George Schütte und Peter Ludes gehen in ihrer Untersuchung der Thematik unter dem Titel Medienvertrauen und Schlüsselbilderlebnisse27 davon aus, daß Schlüssel-
22 vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000:169 23 Eine eingehende Bestimmung des Begriffes ‘Schlüsselbild’, besonders in Abgrenzung zu Untersuchungsmodellen wie ‘visuelle Stereotypen’ oder ‘Images’, nimmt Ludes vor (2001:67ff.). 24 vgl. Schütte/Ludes 1996:214 25 vgl. Müller 1996:232 26 Wittwen 1995:102 27 vgl. Schütte/Ludes 1996
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bilder eine visuelle Basis für die Wahrnehmung und das Verstehen von Politik sowie die Vertrauenszuweisungen in modernen Gesellschaften bilden. Ihre These ist, daß die Wiederholung und Standardisierung von Schlüsselbildern und Schlüsselbildsequenzen eine Grundlage dafür bieten, daß den derart bekannt gemachten Ereignistypen, Personen und Problemlösungsstrategien eher Vertrauen entgegengebracht wird als anderen. In diesem Sinne sei eine Rekonstruktion der Entwicklung von Schlüsselbildern grundlegend für das Verständnis und die Erklärung der Möglichkeit, Vertrauen in prominente Politiker, bestimmte nationale Symbole, Anchorpersonen bzw. Sprecher oder das Medium Fernsehen bzw. die Medien insgesamt aufzubauen. Nationale und internationale Politik, Kriege und Katastrophen würden von den Menschen in Westeuropa und den USA mit zunehmender Ausschließlichkeit am Bildschirm wahrgenommen werden, deshalb sei es wesentlich, das Repertoire visueller Symbole und deren Entwicklung genauer zu beschreiben und zu erkennen, wie sie Handlungsrelevanz gewinnen. Mit diesem Ziel wurde von den Autoren eine vergleichende Inhaltsanalyse durchgeführt, die die Bebilderung von Nachrichtensendungen aus Deutschland und den USA entlang einer Zeitachse (1976, 1983, 1989) ihrem Inhalt nach untersucht und verschiedenen Kategorien zuordnet. Damit wurde es möglich, Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Entwicklungen des Bildrepertoires zu analysieren. Die Autoren konnten anhand ihres quantitativen Forschungsdesigns beispielsweise feststellen, daß die untersuchten Berichterstattungen aus den USA eher aktionsgeladene und dramatisierende Bilder in den Vordergrund stellten (etwa rennende und schießende Soldaten in der Kriegsberichterstattung), die deutschen Nachrichtensendungen hingegen bei ihren Berichten über Kriegshandlungen eher das Ausmaß der Zerstörung zeigten. Gemeinsamkeiten wurden hinsichtlich einer ähnlichen Beschränkung der Sender in der Politikerdarstellung auf Ausschnitte von offiziellen Treffen, von Statements und von Auftritten bei Großveranstaltungen festgestellt.28 Einen anderen Schwerpunkt setzt Andreas Wittwen, indem er unter dem Titel Infotainment die Nachrichtenberichterstattung auf die qualitativen Merkmale Unterhaltung und Information untersucht. Er nimmt damit eine zentrale Fragestellung der Bildkommunikation auf, die er in der Einleitung zu seiner Arbeit mit Rückgriff auf zahlreiche bildmedienkritische Theoretiker pointiert formuliert: »Ist es also wahr, dass Fernsehen kein Bildungsmedium, sondern ein Unterhaltungsmöbel ist, das zum Zeitvertrieb und zur Wirklichkeitsflucht, als Einsamkeitsvertreiber und als Geräuschkulisse dient, nicht aber, um etwas über sich selbst oder die Umwelt zu lernen? Bestätigen sich damit kulturkritische Ansätze von Mander, Winn, Adorno oder schon früher Enzensberger, welche die Fernsehzukunft im Seichten wähnten, Schreckensszenarien eines ‘Kulturverfalls’ zeichneten, vor dem ‘Abstieg in die grenzenlose Trivialität’ durch ein ‘Nullmedium’ warnten, welches aufgrund ‘quasireligiöser Verehrung’ in eine ‘einlullende Illusionswelt’ lockt und uns ‘verblödet’? Stimmt also die provokante Behauptung von Neil Postman ‘Wir amüsieren uns zu Tode’?«29
Stellt sich die Frage nach der Gestaltung von Informationsübermittlung als entweder tendenziell unterhaltend oder tendenziell informativ, so ist die Art ihrer visuellen Aufbereitung und Umsetzung freilich nur ein Faktor neben anderen (etwa der The28 Zum Thema ‘Schlüsselbilder’ und ‘visuelle Habitualisierung’ siehe auch Ludes 2001. 29 Wittwen 1995:11f.
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menwahl). Wittwens Fragestellung stellt aber eine interessante Wiederaufnahme eines Themas dar, das nach seiner ersten ausführlichen quantitativen Bearbeitung durch Bernward Wember 197630 wesentliche empirische Resonanz erfuhr. Laut Wember würde der Fernsehjournalismus Bilder nämlich kaum dafür benutzen, um zu informieren, sondern vor allem, um die Zuschauer zu fesseln. Als Folge hätten die Rezipienten zwar subjektiv das Gefühl, informiert zu sein, hätten tatsächlich aber praktisch keine Informationen aufgenommen. Bilder würden die Verständlichkeit schwieriger Zusammenhänge nämlich nicht nur nicht befördern, sondern im Gegenteil, sie würden ihr sogar entgegenarbeiten. Wember konnte diese Befunde durch seine Fallstudie anhand 850 beteiligter Rezipienten bestätigen, doch seinen Ergebnissen wurde durch nachfolgende Arbeiten teilweise widersprochen, und die Einschätzung der Informationsleistung von TV-Nachrichtenbildern wurde aufgrund weiterer Untersuchungen differenzierter interpretiert.31 Bonfadelli faßt den inzwischen erreichten Stand der Forschung zur Informationsleistung von Bildern in TVNachrichtensendungen mit Verweis auf die Multiple-Resource-Theorie von Basil (1994) und Lang (1995) folgendermaßen zusammen: »Die Wirkung von Visualisierung ist also von bestimmten Randbedingungen abzuhängen, bzw. Bilder müssen zum Text ‘passen’ bzw. die Textinformation unterstützen [...]. Weil nach dem Ressourcenansatz [...] die für die Verarbeitung der visuellen und verbalen Informationen vorhandenen kognitiven Ressourcen beschränkt sind, vermindern Bilder, die vom Text ablenken – formal: Text-BildSchere; inhaltlich: Gewalt –, die Verstehensleistungen.«32
Klaus Merten kam mit seiner Untersuchung der Frage, welche Faktoren die Erinnerungsleistung von Nachrichteninformationen positiv beeinflussen, zu einem Ergebnis, das den Blick von der formalen Aufmachung der Informationen weg auf ein gänzlich anderes, entscheidendes Merkmal von Nachrichten lenkt: die Relevanz des Ereignisses, definiert über Nachrichtenfaktoren.33 Laut Mertens Ergebnissen erinnern Fernsehnachrichten-Rezipienten 22% der von ihnen gesehenen Berichte. Diese werden wiederum zu 66% korrekt wiedergegeben. Die Faktoren, denen Einfluß auf die Erinnerungsleistung zugeschrieben werden kann, seien: 7% Person (Bildung), 3% Situation und 5% Form der Präsenta-
30 vgl. Bonfadelli 2000:51f. 31 Einen Überblick zur aktuellen Forschungslage bietet Bonfadelli (2000:51ff.), der etwa eine Studie von Hans-Bernd Brosius (1994) zitiert, die, von der These ausgehend, daß in den TV-Nachrichten ein »Zwang zum Bild« bestehe, weil diese Authentizität suggerierten und Aktualität vermittelten, gleichzeitig aber ein Großteil der abendlich gesendeten Bilder sogenannte Standardnachrichtenbilder (oder eben ‘Schlüsselbilder’ bzw. ‘visuelle Zitate’, siehe oben) ohne konkreten Bezug zum jeweiligen Thema seien, folgendes erbrachte: Standardbilder, die zwar Authentizität und Aktualität suggerieren, aber nicht mit der Textinformation korrespondieren, beeinflussen das Behalten der Nachrichteninhalte nicht positiv. Am besten würden die Beiträge mit den textillustrierenden Bildern, am schlechtesten jene mit den sogenannten ‘Text-Bild-Scheren’, also inhaltlich nicht korrespondierenden, gleichzeitig gesendeten Texten und Bildern, erinnert. Die Text-Bild-Scheren würden sich zudem stärker auf die Bewertung der Beiträge als auf die Informationsleistung auswirken. 32 Bonfadelli 2000:53 33 Nachrichtenfaktoren bezeichnen bekanntlich jene journalistischen Kriterien, mit denen zwischen berichterstattenswerten und nichtberichterstattenswerten Ereignissen unterschieden wird. Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge (1965) haben diese Kriterien umfassend beschrieben. Auf dieses wesentliche Konzept wird nachfolgend noch ausführlicher einzugehen sein.
3 Schlüsselbilder, Bezugsrahmen und Darstellungseffekte
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tion. Die über den Nachrichtenwert definierte Relevanz der Ereignisse sei aber mit 24% weitaus wichtiger als alle übrigen Einflußgrößen.34 Neben dieser Relativierung der Bedeutung visueller Darstellungen für das Erinnern oder Nicht-Erinnern von Medieninhalten bietet das Konzept der Untersuchungen zur Informationsleistung von Medien, wie es etwa von Wember und Merten angelegt wurde, Ansatzpunkte für einige Kritik. So bringt beispielsweise Bertram Scheufele Argumente vor, die die Messung der Informationsleistung von Medien im allgemeinen in Frage stellen. Scheufele bezieht sich auf eine Aussage von Werner Früh, der formulierte, es sei gewiß kein Verlust, wenn die Kommunikationswissenschaft die fast absurde Vorstellung aufgebe, Nachrichten seien zum „Auswendiglernen“ da,35 und knüpft seine kritischen Ausführungen zu den Untersuchungsdesigns daran an. So sei es grundsätzlich zu bezweifeln, daß die Informationsleistung der Medien in reiner Faktenvermittlung bestehe, wie sie in den meisten Studien anhand von Fragen nach Personen, Namen oder Orten ermittelt werde. Entscheidender als die Frage, wie viele der in Medienbeiträgen präsentierten Informationen bzw. Fakten in welchem Ausmaß behalten würden, sei, welche Schlüsse von den Rezipienten gezogen würden: »Selbst wenn nur der Bruchteil der Medieninhalte [erinnert oder verstanden wird], ist im Hinblick auf politische Meinungsbildung entscheidender, welche Perspektiven diese wenigen Informationen transportieren, welche Schlußfolgerungen Rezipienten aus ihnen ziehen, welche Meinungen sie davon ausgehend bilden oder welche Kausalattributionen sie vornehmen.«36
Als für diese Fragestellungen fruchtbar hätten sich, so Scheufele, kognitionspsychologische Befunde erwiesen, wie sie etwa in Arbeiten von Brosius (1995), Früh (1994), Graber (1994), Iyengar/Kinder (1987), Iyengar (1991), Ruhrmann (1989), Scherer (1997), Wicks (1992) oder van Dijk (1988) aufgenommen und weitergeführt wurden. Aus diesen Arbeiten ergibt sich laut Scheufele weitgehend übereinstimmend folgendes, für die Entwicklung zielführender Analysekonzepte zur Kommunikationsleistung visueller Darstellungen wesentliches Bild: Rezipienten übernehmen Informationen in Medienbeiträgen nicht eins zu eins, sondern verarbeiten sie mit Hilfe eigener Schemata und integrieren sie in bereits bestehende Vorstellungen. Es werden nicht sämtliche Informationen erfaßt und verarbeitet, sondern diese werden selektiert, verkürzt und verallgemeinert. Rezipienten kommen somit weniger zu einem rationalistischen als zu einem heuristischen Urteil. Scheufele kommt gestützt auf diese Befunde zu dem Schluß, daß für die Untersuchung des Meinungsbildungsprozesses sinnvollerweise ein Konzept zur Anwendung komme, das allgemein unter dem Begriff Framing gefaßt wird, ein Analysekonzept, das laut Helmut Scherer als ‘Agenda-Setting auf der zweiten Ebene’37 bezeichnet werden kann: Während im Rahmen des Agenda Settings bestimmte Themen und Probleme auf die Tagesordnung gebracht würden, bezeichne ‘Framing’ die Art und Weise, wie einzelne Themen behandelt werden.
34 35 36 37
vgl. Merten 1985 Früh 1994:401, zitiert nach Scheufele 1999:91 Scheufele 1999:92 vgl. Scherer 1998:651
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»Framing bezeichnet den Prozeß, durch den ein spezielles Thema oder Problem mittels Attribuierung bestimmter Merkmale und Betonungen einzelner thematischer Aspekte in den Medien genauer definiert und in dieser Form dem Publikum vermittelt wird.«38
Damit wird der Blick von einer grundsätzlichen Frage nach den Unterschieden zwischen visueller und verbaler Vermittlung auf eine spezielle Vermittlungsstrategie und die Folgen ihres Einsatzes auf die Politikrezeption gelenkt. Obwohl nicht speziell für die Untersuchung von bildhafter Kommunikation entwickelt, stellt die Framing-Theorie ein interessantes Untersuchungskonzept für die politikwissenschaftliche Forschung zu visueller Kommunikation dar und soll im folgenden Abschnitt als zentrales Konzept der vorliegenden Arbeit kurz umrissen werden.
3.3
Bedeutungszuweisung durch ‘Rahmung’. Das Framing-Konzept in der Untersuchung von visueller Politikvermittlung
Wie Winfried Schulz formuliert, sind Ereignisse in der natürlichen Umwelt nicht „roh“ vorfindbar. Sie könnten deshalb auch nicht roh im Sinne von ungestaltet in der Medienberichterstattung wiedergegeben werden.39 Es muß somit für die mediale Wiedergabe von Ereignissen darüber entschieden werden, wie über diese berichtet werden soll. Das Ergebnis der Entscheidung, in welcher Art und Weise die Wiedergabe erfolgen soll, wird in der Medienforschung allgemein mit dem Begriff Framing benannt. Unmittelbar einleuchtend erscheint, daß die Entscheidung darüber, wie über ein Ereignis berichtet wird, in ihrer Realisierung einen Einfluß darauf hat, wie die kommunizierte Information von ihren Rezipienten verstanden, zugeordnet und interpretiert wird. So konnte etwa Iyengar durch eine Reihe von Experimenten nachweisen, daß je nachdem, ob Nachrichtenbeiträge Problemstellungen anhand von konkreten Einzelfällen (episodic framing) oder mit abstraktem Fokus (thematic framing) vermittelten, die Rezipienten zu anderen Einschätzungen von Sachlage, Ursachen oder Lösungsmöglichkeiten gelangten.40 Da jeder Wiedergabe von Ereignissen ein Entscheidungsprozeß über die Erzählweise zugrunde gelegt werden muß, kann jede Berichterstattung hinsichtlich ihres Framings analysiert werden. Für die Untersuchung von medialer Politikvermittlung ist die Beobachtung wesentlich, daß bestimmte Formen des Framings in der Nachrichtenvermittlung besonders oft ausgemacht werden können. Einen Hinweis auf mögliche Gründe für die häufige Wahl bestimmter Framings geben die bereits im Zusammenhang mit der Untersuchung von Merten (1985) erwähnten ‘Nachrichtenwerte’. Die Nachrichtenwerttheorie, die, auf Walter Lippmann41 zurückgehend, von Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge ausformuliert wurde,42 besagt in erster Linie, daß Journalisten vor allem Ereignisse für ihre Berichterstattung auswählen, die bestimmte Eigenschaften aufweisen, eben die sogenannten ‘Nachrichtenwerte’ oder 38 39 40 41 42
ebd. vgl. Schulz 1999:337 vgl. Iyengar 1991 vgl. Lippmann 1922 (deutsch 1964) vgl. Galtung/Ruge 1965
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‘Nachrichtenfaktoren’, da diese ein besonderes Publikumsinteresse hervorrufen. Einige dieser Eigenschaften wären etwa Bezogenheit auf Elite-Personen, Negativität (Konflikte, Aggressionen, Zerstörung), Personenbezogenheit, Eindeutigkeit oder Überraschung. In bezug auf Framing ist nun interessant, daß gezeigt werden konnte, daß berichteten Ereignissen diese Faktoren vielfach nicht „von jeher“ objektiv zugesprochen werden können, sondern sie durch die berichtenden Journalisten „zugewiesen“ oder durch besondere Betonung verstärkt werden.43 Die Erzählweise wird auf die gewünschten Nachrichtenwerte abgestimmt – die Ereignisse werden gerahmt. Es ist davon auszugehen, daß zahlreiche Faktoren bestimmen, welche der möglichen Rahmungen realisiert wird. Die besondere Eignung der Erzählweise für ein bestimmtes Medium oder die Annahme von bestimmten Zuschauerpräferenzen (Zielgruppenorientierung) sind als wesentliche Entscheidungskriterien zu nennen. Claudia Wegener zitiert in ihrer Arbeit mit dem Titel Informationsvermittlung im Zeitalter der Unterhaltung44 eine Untersuchung zu Nachrichtenwerten aus dem Jahre 1925, in der bereits vier der Kriterien, die sich auch bei Galtung und Ruge finden, aufgezählt wurden: Konflikt, Prominenz, Spannung und Personalisierung. Diese Kriterien konnten bei allen Nachrichten gefunden werden, die als zehn wichtigste des Untersuchungsjahres galten. Damit wiesen alle „wichtigen“ Nachrichten auch die vier Eigenschaften auf, die nachweislich auf besonderes Publikumsinteresse hoffen können. Das Wissen darum, daß bestimmte Erzählweisen auf ein besonderes Publikumsinteresse stoßen, legt es nahe, diese Frames zur Anwendung zu bringen. Für jeden Ereignisbericht stehen aber grundsätzlich mehrere verschiedene „dramaturgische Ebenen“ zur Verfügung. Es können also auch mehrere Rahmungen innerhalb einer Nachricht vorgenommen werden. So kann eine Wahlkampfberichterstattung im Fernsehen thematisch oder personenbezogen gestaltet werden, zusätzlich können entweder emotionale oder sachliche Aspekte besonders herausgestellt werden, der Wahlkampf kann in der Berichterstattung als Wettkampf mit Gewinnern und Verlierern oder als demokratisches Verfahren der Aufgabenzuweisung inszeniert werden. Außerdem können die zu berichtenden Ereignisse positiv oder negativ attribuiert werden. Da aber auf jeder dieser Gestaltungsebenen eine Entscheidung für eine bestimmte Darstellung und damit gleichzeitig eine gegen andere ebenfalls mögliche Darstellungsweisen getroffen wird, stellt Framing einen Vorgang dar, durch den mehrdeutige Realitäten in einer bestimmten Art und Weise ausgelegt werden. Eine Reduzierung der komplexen Umwelt45 wird vorgenommen, und den Rezipienten werden durch diese „Engführung“ bestimmte Deutungsmuster und Interpretationsweisen nahegelegt. Damit ist Framing in theoretischer Nähe des sogenannten Priming angesiedelt, einem Theoriekonzept, das im Rahmen der Politikvermittlung die Fähigkeit der Medien benennt, die Kriterien zu beeinflussen, nach denen Politiker,
43 vgl. Staab 1990 44 vgl. Wegener 2001:111 45 vgl. Luhmann 1984
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3 Schlüsselbilder, Bezugsrahmen und Darstellungseffekte
Regierungen, politische Handlungen oder politische Vorhaben durch die Bevölkerung beurteilt werden.46 In den bisherigen Ausführungen wurde Framing als Prozeß beschrieben, dem Nachrichten von seiten des Kommunikators unterworfen werden, indem sie von diesem in einer speziellen Art und Weise aufbereitet werden. Doch das Konzept geht in seinem Analyseanspruch darüber hinaus. Die Framing-Theorie wendet sich auch der Rezipientenseite zu und versucht von dieser Perspektive aus, zum Verständnis von medialen Informationsvermittlungsprozessen beizutragen. Bertram Scheufele beschreibt für den gesellschaftspolitischen Kontext drei relevante Handlungsebenen, auf denen Framing stattfindet, und damit drei Analyseebenen. Einerseits werden Vorkommnisse durch den Berichterstatter mit Bezugsrahmen versehen, andererseits werden diese Informationen vom Publikum mit bereits vorhandenem Wissen in Beziehung gesetzt, und zum dritten versuchen die Akteure, deren Handlungen zum Thema der Berichterstattung werden könnten, auf diese vorhersehbaren Prozesse zu reagieren, indem sie ihrerseits bereits im Vorfeld der Berichterstattung bestimmte Kontexte herstellen und betonen. »Framing betrifft letztlich alle Akteure im Prozeß politischer bzw. öffentlicher Kommunikation: Journalisten, deren Rezipienten sowie politisch-gesellschaftliche Akteure. Framing bezieht sich also auf die journalistische Strukturierung von Ereignissen und Sachverhalten in bedeutungsvolle Einheiten des Medieninhalts, auf die subjektive Verarbeitung der Medieninhalte durch Rezipienten [...] sowie auf Versuche politischer und gesellschaftlicher Akteure, Ereignisse und Sachverhalte in bestimmte Bezugsrahmen zu stellen, um damit politische Prozesse und Entscheidungen zu präformieren.«47
In der Beleuchtung der subjektiven Verarbeitung von Medieninhalten schließt die Framing-Theorie eng an die aus der Kognitions- und Sozialpsychologie stammende sogenannte Schema-Theorie und die ihr verwandten Ansätze an.48 Eine Theorie, die für die Analyse der Verarbeitung sowohl von verbalen als auch von visuellen Informationen wesentliche Erkenntnisse bringt. Informationsverarbeitung wird in diesem Modell als von zwei Seiten gleichzeitig determiniert betrachtet, von den Signalen einerseits und vom kognitiven System des Rezipienten andererseits. Mitteilung und Rezipient werden also als miteinander interagierend verstanden, so daß die durch 46 vgl. Scherer 1998:711; vgl. dazu bspw. auch eine Forschungsarbeit von Iyengar und Kindler, die empirisch zeigen konnten, daß Bürger bei Wahlentscheidungen meist nicht ihr gesamtes Wissen in den Entscheidungsprozeß einbeziehen, sondern sich als Maßstab vielmehr auf das stützen, was ihnen gerade einfällt oder leicht erinnert wird. Die Medienberichterstattung kann diesen Prozeß laut Iyengars und Kindlers Befunden beeinflussen, indem sie durch Priming bestimmte Aspekte des politischen Geschehens in den Vordergrund bringt und andere vernachlässigt. Durch die so vorgenommene Wertung würden die Kriterien beeinflusst, nach denen Entscheidungen für oder gegen einen Kandidaten gefällt werden. Würden etwa im Rahmen einer Wahlkampfberichterstattung Wirtschaftsprobleme prominent dargestellt, so erfolge die allgemeine Beurteilung der Wahlkampfkandidaten nachweisbar weitgehend auf der Dimension ‘Wirtschaftspolitik’ (vgl. Iyengar/Kindler 1987); zum aktuellen Stand der Forschung und theoretischen Auseinandersetzung zum Thema ‘Medien-Priming’ vgl. Peter 2002. 47 Scheufele 1999:92f.; für den Versuch der politischen Akteure, Themen, Ereignisse und Sachverhalte mit Blick auf die mediale Berichterstattung mit bestimmten Frames zu versehen, wurde der Begriff Spin geprägt. Auch die politische Inszenierung – oftmals unter dem Begriff der Theatralität kritisiert (vgl. etwa Meyer 1998; Meyer/Ontrup/Schicha 2000) – ist in diesem Kontext zu sehen. 48 Einen Überblick über die grundsätzlichen Annahmen der Schema-Theorie aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive bietet Schulz (1999:155ff.); eine Prüfung der Schema-Theorie auf ihr Analysepotential innerhalb der Medienwirkungsforschung unternimmt Brosius (1991).
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den Rezipienten aufgenommene Information als Resultat der von außen herangetragenen Information der Signale und der internen Information des kognitiven Systems zu sehen ist. Neue Informationen treffen in diesem Prozeß auf bereits vorhandene, denen eine entscheidende Rolle dabei zukommt, welche Teile der externen Information aufgenommen und welche ausgefiltert werden und wie die aufgenommenen Informationen eingeordnet und bewertet werden. Wahrnehmung vollzieht sich so gesehen hypothesengeleitet. Die Hypothesen werden aufgrund von Erwartungen und Vorstellungen gebildet, die sich als Schemata49 beschreiben lassen. Sie entwickeln sich im Laufe der Zeit in Auseinandersetzung mit der Umwelt, organisieren äußere Eindrücke und werden gleichzeitig durch äußere Eindrücke selbst laufend modifiziert.50 Für die Framing-Theorie ist nun entscheidend, daß unterschiedliche Frames unterschiedliche Schemata zu aktivieren vermögen. Gleichzeitig wird eben davon ausgegangen, daß jede Information vom jeweiligen Rezipienten je nach Vorwissen und vorhandenen Einstellungen selektiv wahrgenommen und neu gerahmt wird.51 Eine Nachricht wird aus dieser Sicht – sehr vereinfacht gesagt – nicht entweder aufgenommen oder nicht aufgenommen, behalten oder nicht behalten, sondern aufgrund vorhandener Dispositionen jeweils gefiltert, gerahmt, integriert – also verarbeitet. Das kann bedeuten, daß sie nicht als „Input ist gleich Output“-Faktenwissen erinnert und abgerufen werden kann.52 Hierauf berufen sich nun die Kritiker von Untersuchungsreihen, in denen versucht wird, die Wirkung von Medienvermittlungsprozessen anhand von Erinnerungswissen zu messen. Gleichzeitig sehen sich aber wiederum die Ansätze der Medienwirkungsforschung, die auf den Erkenntnissen der Schema-Theorie aufbauen, dem Problem gegenüber, daß eine Reihe konzeptueller Probleme von forschungspraktischer Relevanz ungelöst erscheint. HansBernd Brosius verweist beispielsweise darauf, daß bisher in der angewandten Forschung nicht festgestellt werden konnte, wann eine Person ein Schema zur Informationsverarbeitung verwendet und wann nicht. Darüber hinaus löse sich der Begriff des Schemas letztlich zugunsten eines allgemeinen Zugeständnisses auf, daß die Erfahrungen und Verarbeitungspraktiken des Rezipienten die Umsetzung von Stimuli beeinflussen würden. »Eine solch allgemeine Fassung des Schema-Begriffs entzieht sich jedoch jedweder empirischen Prüfbarkeit und damit der Brauchbarkeit vor allem in der angewandten Forschung, etwa in der Medienwirkungsforschung.«53
49 ‘Schemata’ werden in kognitionspsychologischen Studien beschrieben als »kognitiv verallgemeinerte Repräsentationen von Attributen, die an jeweils ähnlichen Objekten der wahrgenommenen Wirklichkeit festgestellt wurden« (Seidl 2001:13). Andere der Schema-Theorie weitgehend ähnliche Konzepte verwenden für den Begriff ‘Schema’ andere Bezeichnungen, etwa Präposition, Skript oder Prototyp (vgl. Scheufele 1999:93). 50 vgl. Brosius 1991 51 Wolfgang Donsbach faßt drei wesentliche Annahmen der Schema-Theorie zusammen: (1) Informationen, für die wir kein Schema besitzen, können wir nicht verarbeiten; (2) bei der Zuordnung neuer Informationen zu einem Schema gehen immer Einzelaspekte verloren; (3) bestätigende Ereignisse werden stärker gewichtet als nicht-bestätigende Ereignisse (vgl. Donsbach 1991:41). 52 vgl. etwa: van Dijk 1985; van Dijk 1988 53 Brosius 1991:290
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Einfacher als der Nachweis von Framing-Prozessen auf seiten der Rezipienten stellt sich die empirische Erfassung von Frames dar, in die Botschaften von seiten der Sender eingebettet werden. Bertram Scheufele bietet hierzu eine Aufzählung der unterschiedlichen Operationalisierungsansätze: So werden Frames in der empirischen Forschung verbaler Darstellungen beispielsweise erfaßt als Gewichtung einzelner Aspekte eines übergeordneten Sachverhaltes, in Form sprachlich-rhetorischer bzw. metaphorischer Mittel, als Argumentationsmuster, oder als thematisch-semantische Strukturierung.54 Als gegenüber diesen Ansätzen wenig befriedigend stuft Scheufele Untersuchungsansätze ein, die sich nicht dem verbalen, sondern dem visuellen Framing zuwenden. Sie seien entweder nur einzelfallbezogen, durch ihre hermeneutische Ausrichtung nur begrenzt aussagekräftig oder würden sich bei quantitativ-empirischer Ausrichtung nur an der Oberfläche bewegen, sich etwa mit bloßer Auszählung von visuellen Darstellungen begnügen. In den grundsätzlichen Arbeiten zu Framing würde zwar einhellig die Bedeutung visueller Elemente innerhalb der Berichterstattung betont, es fehle aber sowohl an theoretischen als auch an empirischen Arbeiten zu visuellem Framing.55 Scheufele seinerseits versucht in seinem Beitrag (Visual) Media Framing und Politik, die theoretische Ausgangslage des Framing-Ansatzes für die Untersuchung visueller Darstellungen zu klären, und zeigt darüber hinaus, von Arbeiten zu verbalem Framing ausgehend, Ansatzpunkte für die Untersuchung visueller Frames.56 Es sei beispielsweise zu beachten, daß Fotos, Grafiken oder Karikaturen in Printmedien immer in kontextuelle Zusammenhänge gesetzt würden, und auch für Bildsequenzen der Fernsehberichterstattung gelte es mehrere Relationen zwischen einzelnen Bestandteilen von Nachrichten zu unterscheiden: Einzelbilder enthalten mehrere Bestandteile, die füreinander die Funktion eines Bezugsrahmens erfüllen können, Bilder und Texte können in unterschiedlichen Relationen zueinander stehen (der Text bildet den Bezugsrahmen für das visuelle Format; Standbilder oder Filmbeiträge bilden den Bezugsrahmen für den gesprochenen Text; Text und Bild ergänzen sich gegenseitig zu einer bestimmten Perspektive, oder Text und Bild schaffen unterschiedliche Bezugsrahmen). Weiters können mehrere Bilder einer Filmsequenz, mehrere Sequenzen eines Beitrags bzw. mehrere Meldungen innerhalb einer Nachrichtensendung füreinander Bezugsrahmen bilden. Die so geschaffenen Frames können nun wiederum – parallel zu verbalem Framing – verschiedenster Natur sein, beispielsweise nach einer Typologie von Fiske und Taylor57 personenbezogen, selbstbezogen, rollenbezogen oder ereignisbezogen. Laut Scheufele lassen sich zahlreiche Befunde finden, die darauf verweisen, daß die verschiedenen Formen der optischen Rahmung in der Nachrichtenrezeption empirisch erfaßbare Effekte hervorbringen. So würde etwa die durch die gewählte Rei-
54 vgl. Scheufele 1999:94 55 vgl. ebd. 56 Scheufele faßt in einem Überblick die in die Framing-Theorie eingehenden unterschiedlichen Konzepte zusammen und verweist auf zahlreiche für die Thematik relevante Forschungsarbeiten und Untersuchungsergebnisse (vgl. Scheufele:1999). 57 vgl. Fiske/Taylor 1991:118ff., übernommen von Scheufele 2001:147
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henfolge der Bilder oder Bildsequenzen erfolgte Rahmung bestimmte KausalAttribuierungen der dargestellten Vorgänge nahelegen. »Sieht man einmal vom gesprochenen Wort ab, kann man zwei fiktive Beiträge in den Abendnachrichten zum selben Thema gegenüberstellen: Im einen Beitrag wird in der ersten Filmsequenz eine Demonstration von Umweltschützern gezeigt, die vor Gefahren durch die Chemieindustrie warnen; in der zweiten Sequenz folgen Bilder von einem Störfall in einem Chemiewerk und seinen Folgen für die Umwelt. Ein solcher Beitrag kann die Vorstellung wecken, der Störfall sei vorhersehbar gewesen, schließlich sei bereits vor solchen Gefahren gewarnt worden. In einer anderen Meldung werden die Geschehnisse in umgekehrter Reihenfolge präsentiert; dies kann den Eindruck nahelegen, daß nach dem Störfall vermehrt Forderungen nach verstärkten Umweltschutzauflagen für die Chemieindustrie laut werden.«58
Werner Früh hat diesen Effekt mit seinem Experiment anhand eines in seiner Berichterstattungsabfolge modifizierten Beitrags zu einer Produktionsstockung in einem Automobilwerk nachgewiesen. Je nach gezeigter Version kamen die Rezipienten zu unterschiedlichen Einschätzungen, wer für diese Verzögerung verantwortlich zu machen sei.59 Stellt man zusammenfassend den hier kurz skizzierten Framing-Ansatz den im Abschnitt zuvor vorgestellten Schlüsselbild-Untersuchungen gegenüber, so wird deutlich: Beide Theorien thematisieren, daß ein Medienbild oder eine Medienbildsequenz das jeweilige reale Ereignis seiner Berichterstattung vereinfacht, es sozusagen auf „einen Nenner bringt“. Es kann sogar gesagt werden, daß im Grunde genommen auch das Schlüsselbild-Konzept auf Framing-Prozesse zurückzuführen ist. Denn Schlüsselbilder können auch als Bilder verstanden werden, die durch eine wiederholte Anwendung einiger weniger markanter Frames auf einander ähnliche Ereignisse entstehen. So wird etwa die Erreichung einer diplomatischen Lösung eines Konfliktes durch personal framing und episodic framing zum Bild eines Handschlages zweier sich im dunklen Anzug präsentierender Akteure. Vergleichbare politische Vorgänge, wiederholt auf dieselbe Art gerahmt, bringen schließlich den Handschlag als Schlüsselbild für – teilweise sehr langwierige, auf verschiedenen Handlungsebenen in komplexen Verfahren erreichte – diplomatische Einigungsprozesse hervor. Dieser Zusammenhang zwischen den beiden Untersuchungskonzepten verweist allerdings auch auf eine wesentliche Schwäche des Framing-Ansatzes: Das Konzept an sich ist nur sehr bedingt aussagekräftig. Denn im Prinzip kann jede Form der Darstellung inhaltlich und formal als Rahmung definiert werden. Die Analyse des Framings einer Nachricht bedeutet demnach nichts anderes als die Benennung des in der jeweiligen Darstellung gesetzten formalen Schwerpunktes in Gegenüberstellung zu anderen ebenfalls möglichen Darstellungsformen. Analytischen Gehalt gewinnt eine Framing-Analyse erst in ihrer Operationalisierung, also durch die Festlegung und Begründung der Parameter, an denen das jeweilige Framing erkannt werden kann, sowie durch die Einbeziehung der durch das jeweilige Framing erwarteten Folgen. Einem für die Aussagekraft des Framing-Ansatzes innerhalb der Forschung zu visuellen Botschaften und ihrer Rezeption wesentlichen Phänomen wird im Rahmen 58 Scheufele 1999:96f. 59 vgl. Früh 1991
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der politikwissenschaftlichen Forschung besonders viel Interesse entgegengebracht. Es könnte unter Einsatz von Scheufeles Typologie zur Kategorie visuelles Framing durch Bestandteile eines einzelnen Bildes oder einer Bildsequenz gezählt werden und wird allgemein unter dem Begriff Darstellungseffekte gefaßt. Ausgangspunkt der Theorie der Darstellungseffekte ist die Beobachtung, daß bestimmte Darstellungs-, Aufnahme- und Editiertechniken einen Einfluß darauf haben, welche Eigenschaften einer dargestellten Person von Rezipienten zugeschrieben werden.60 Diese Effekte visueller Darstellungsweisen wurden in zahlreichen Arbeiten untersucht und anhand unterschiedlicher Forschungsdesigns nachgewiesen.61
3.4
Darstellungseffekte, Personalisierung und das öffentliche Bild von Politik. Der Einfluß nonverbaler Darstellung auf die politische Urteilsbildung
Als für die Untersuchung von sogenannten Darstellungseffekten richtungsweisend gilt die Untersuchung des Einflusses von Kameraperspektiven auf Personenwahrnehmungen von Hans Mathias Kepplinger. Kepplinger konnte in dieser Studie zum deutschen Wahlkampf 1976 zeigen, daß durch Kameratechniken wie Vogel- oder Froschperspektive optische Kommentierungen in die mediale Berichterstattung einflossen, die im untersuchten Fall – angesichts des damals äußerst knappen Wahlergebnisses – laut Kepplinger sogar für das Ergebnis der Wahl eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben könnten. Diese Arbeit Kepplingers sorgte sowohl innerhalb als auch außerhalb des Wissenschaftsbetriebes für großes Aufsehen und zog zahlreiche Forschungsarbeiten zu der Thematik nach sich.62 Basis der Arbeiten zum Einfluß von visueller Darstellung auf die Eigenschaftszuschreibung von Personen bilden Untersuchungen, die nachweisen, daß Sympathie-, Charakter- und Kompetenzzuschreibungen aufgrund von nonverbalem, bildhaftem Gebaren fast reflexartig und innerhalb von Sekundenbruchteilen vorgenommen werden. Siegfried Frey berichtet beispielsweise von einer Untersuchung Jendraczyks 60 Kepplinger definiert Darstellungseffekte folgendermaßen: »Als Darstellungseffekte werden alle Wirkungen von Fernsehfilmen und Pressefotos betrachtet, die auf der nonverbalen Selbstdarstellung der abgebildeten Person sowie ihrer visuellen Darstellung durch Fotografen, Kameraleute, Beleuchter, Tontechniker, Cutter, Monteure und Journalisten beruhen. Im wesentlichen handelt es sich dabei um die Vorstellung, die die Betrachter von den Eigenschaften der Abgebildeten gewinnen und die Folgerungen, die sie daraus ziehen« (Kepplinger 1987:9). 61 Eine Übersicht gibt Kepplinger (1987) bspw. für die Bedeutung von Gestik und Mimik für die Beurteilung von Politikern in der Fernsehdarstellung; den Einfluß von Kameraeinstellung und Perspektivenwechsel auf die Wahrnehmung von Rednern; die Generalisierung der Personenwahrnehmung anhand von Fotos; Asymmetrien der Foto- bzw. Textwahrnehmung anhand bebildeter Meldungen; Charakterfiktionen von Politikern in Nachrichtenmagazinen u.a.; vgl. dazu auch die Übersichtsdarstellung über den aktuellen Forschungsstand in Kepplinger 1999. 62 Kepplingers Untersuchung bzw. die Schlüsse, die aus ihr gezogen wurden, wurden teilweise sehr emotional kommentiert und kritisiert; vgl. die Berichterstattung in: Der Spiegel 6/1983: 97ff. oder auch Alt 1980:204f.; Habermann 1984:55. Kepplinger wiederholte seine Untersuchung unter Berücksichtigung der sachlich begründeten Kritik und konnte seine Kernbefunde bestätigen (Kepplinger 1980 und Kepplinger 1987); vgl. zum Einfluß, die Kepplingers Arbeit innerhalb der deutschen Medienwirkungsforschung hatte, etwa Frey 1999 (81ff.), der an dieser Stelle auch auf deren methodische Schwachpunkte näher eingeht.
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aus dem Jahre 1991, in der sechzehn Bewerbungsfotos, eingereicht von Studenten einer Schauspielschule, einer Gruppe von neunzehn Beurteilern mit variierten Expositionszeiten präsentiert wurden: »[Es] zeigte sich, daß eine Expositionszeit von 250 Millisekunden genügte, um ein höchst nuanciertes Bild vom anderen entstehen zu lassen, bei dem sich u.a. entscheidet, ob jemand als ‘autoritär’, ‘sympathisch’, ‘gefühlsbetont’, ‘hinterhältig’, ‘intelligent’, ‘langweilig’ eingestuft wird. Ebenso blitzschnell wurden aufgrund solcher optischen Eindrücke Einstellungen geschaffen, ob man die wahrgenommene Person gerne als ‘Kollegen’, ‘Vorgesetzten’, ‘Partner’, oder ‘Bekannten’ haben möchte.«63
Die durch nonverbale Stimuli ausgelösten Urteilsprozesse seien, so Frey weiter, innerhalb einer Viertelsekunde praktisch abgeschlossen. Stellte man diesen Eindrücken Aufzeichnungen von Eindrucksurteilen gegenüber, so korrelierten die ermittelten Werte in sehr hohem Maße. Eine Replikationsstudie anhand von insgesamt 45 Politikerportraits erbrachte nahezu dieselben Ergebnisse.64 Laut Kepplinger sind Darstellungseffekte das Ergebnis eines mehrstufigen Wirkungsprozesses. An seinem Beginn stehe das reale Verhalten einer Person, ihre Sprechweise, Gestik und Mimik.65 Diese können davon beeinflußt sein, daß sich die jeweilige Person dessen bewußt ist, daß sie Gegenstand einer medialen Berichterstattung ist oder sein könnte. Verändert die Aufnahmesituation das Verhalten der Person, so wird ihr modifiziertes Verhalten als ‘reziproker Effekt’ bezeichnet.66 Es folgt laut Kepplingers modellhafter Darstellung das dargestellte Verhalten, das Ergebnis von Aufnahmetechniken wie Beleuchtung, Kameraperspektive und Einstellungsgröße sowie von Editionstechniken wie Filmentwicklung, Auswahl der Aufnahmen, Schnitt und Montage ist. Die dritte Stufe bildet das wahrgenommene Verhalten, das etwa durch Merkmale der Betrachter, deren Einstellungen zur gezeigten Person, ihre Sensibilität für Darstellungstechniken und nonverbale Verhaltensweisen sowie durch das Image der Darstellung in den Augen der Betrachter gebrochen ist. Das wahrgenommene Verhalten umfaßt die Sprechweise, die Gestik, die Mimik sowie den Gesamteindruck, den eine Person bzw. ihre Darstellung hervorruft, vor allem den Eindruck von ihrem sozialen Verhalten, ihrer Qualifikation und ihrem Durchsetzungsvermögen. Auf der vierten Stufe schließlich folgt das attribuierte Verhalten. Hierbei handelt es sich – so Kepplinger – um Glaubwürdigkeit, Intention 63 Frey 1999:135 64 ebd. 65 Hier gilt es, zwischen verbalem und non-verbalem realem Verhalten zu unterscheiden, wobei Untersuchungen von Darstellungseffekten zum einen besonders auf das non-verbale Verhalten fokussieren, zum anderen aber auch das Verhältnis der nonverbalen zu den sprachlichen Informationen thematisieren. Scherer/Walbott/Scherer typologisieren in ihrer Arbeit Methoden zur Klassifikation von Bewegungsverhalten die non-verbalen Signale der Kommunikation und beschreiben fünf Kommunikationsfunktionen, die durch Hand-, Kopf oder Rumpfbewegungen ausgeführt werden: (1) Illustratoren – das Gesagte wird durch non-verbale Signale ergänzt, verdeutlicht oder pointiert (z.B. eine Handbewegung, um die Größe eines Gegenstandes zu verdeutlichen); (2) Adaptoren – Verhaltenselemente, die der Erregungsabfuhr oder Bedürfnisbefriedigung dienen (z.B. Handbewegung an den Nasenrücken); (3) Embleme – Bewegungsabläufe, die über eine eindeutig festgelegte Bedeutung verfügen, die auch mit Wörtern ausgedrückt werden könnte (z.B. Kopfnicken anstelle einer gesprochenen Zustimmung); (4) Regulatoren – sie regeln den Gesprächsablauf (z.B. den Wechsel der Sprecher-HörerRolle); (5) Affektdarbietungen – sie drücken eine Stimmung bzw. einen Affekt aus (z.B. Lachen); (vgl. Scherer/Walbott/Scherer 1979). 66 vgl. dazu Meyer/Ontrup/Schicha 2000:88ff.
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und mögliche Verhaltensweisen, die einer Person aufgrund ihrer Wahrnehmung anhand von Pressefotos und Fernsehaufnahmen zugesprochen oder abgesprochen werden. Attributionen werden hier als bewußte und unbewußte Folgerungen aus den Wahrnehmungen verstanden. Folgt man diesen Erkenntnissen, so gehen Darstellungseffekte weit über das reale Verhalten und seine Darstellung hinaus, obwohl sie aus ihnen hervorgehen.67 Ein wesentlicher Einfluß innerhalb dieses Wirkungsmodells kommt, wie bereits erwähnt, den Präsentationstechniken zu. Wolfgang Donsbach verweist darauf, daß sich ihre Effekte anhand experimenteller Forschung, bei der von ein und demselben Ereignis (z.B. einer Politikerdiskussion) mehrere Fernsehfassungen hergestellt werden, genau ermitteln lassen. »Selbst kleinste Veränderungen in der Darstellung – z.B. das Zeigen oder Nicht-Zeigen von Nervosität, Zoomen auf einen Sprecher, das Einschneiden von positiven oder negativen Publikumsreaktionen – kreieren beim Publikum völlig verschiedene Eindrücke von einer Person [...]. Die Möglichkeiten des Fernsehens, mit Hilfe von Darstellungstechniken Images von Politikern zu beeinflussen, sind praktisch unbegrenzt.«68
Ein Hintergrund für diese Wirkungsstärke sei unter anderem die Tatsache, daß solche Darstellungselemente dem Rezipienten Anhaltspunkte für die Interpretation von Äußerungen und die Bewertung der Person geben würden, so Donsbach weiter. Die Zuschauer seien häufig mit dieser Aufgabe überfordert und daher – unbewußt – besonders aufnahmebereit für solche „cues“, die ihnen dabei helfen, eine Situation zu kontrollieren. Diese Kontrolle sei jedoch eine Illusion, weil sie eben von der Darstellung des Mediums und von den Personen abhänge, die über die Darstellung entscheiden.69 Klaus Merten verweist ebenfalls auf den Versuch von Rezipienten, die Bedeutung von Gesagtem anhand von nonverbalen Informationen zu entschlüsseln. Er geht davon aus, daß der nonverbale Kanal eine mitlaufende Verstehenskontrolle darstellt, der Kommunikationsteilnehmern ermöglicht herauszufinden, was der Sender einer Nachricht „eigentlich“ mitteilen will. Die Bedeutung des Gesagten könne nämlich durch nonverbale Information unterstützt, pointiert, kontrastiert oder eventuell auch aufgehoben werden. »Die nonverbal produzierten Zeichen vermitteln keine zusätzliche Information zum verbalen Kanal auf Text-Ebene, sondern sie vermitteln einen Meta-Text, der permanent für die Steuerung des verba-
67 vgl. Kepplinger 1987:9f. 68 Donsbach 1995:64; Mehrere empirische Befunde weisen etwa nach, daß Redner im Fernsehen unter anderem unbeliebter, uninteressanter, unkundiger und verwirrter erscheinen, wenn in ihre Ausführungen Aufnahmen eines gelangweilten statt eines interessierten Publikums geschnitten werden. Werden die Redner ausdrücklich als sachkundig und erfahren vorgestellt, dann jedoch mit gelangweiltem Publikum gezeigt, wirken sie uninteressanter und unbeliebter, als wenn sie ausdrücklich als unkundig und unerfahren vorgestellt, dann jedoch mit einem interessierten Publikum gezeigt werden (vgl. Kepplinger 1999:360f.). 69 vgl. ebd.:65f.; Hans Mathias Kepplinger verweist in seinem Überblick der aktuellen Forschungsarbeit auf eine weitere Dimension von Darstellungseffekten, die in diesem Zusammenhang interessant erscheint: So wurde anhand einer Untersuchung der Fernsehberichterstattung über den amerikanischen Wahlkampf 1976 von Friedman/Mertz/Dimatteo festgestellt, daß drei Nachrichtensprecher bei der Erwähnung des Namens Carter einen positiveren Gesichtsausdruck zeigten als bei der Erwähnung des Namens Ford. Ein Nachrichtensprecher verhielt sich umgekehrt, die einzige Nachrichtensprecherin ließ keinen Unterschied erkennen. Der Gesichtsausdruck hing nicht mit den mehr oder weniger positiven Inhalten der Nachrichten zusammen (vgl. Kepplinger 1999:342).
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len Kanals eingesetzt werden kann, derart, daß dieser den eigentlichen, verbalen Text kommentiert und damit in bezug auf angemessene Interpretation und Rezeption steuert.«70
Ein besonderes politikwissenschaftliches Interesse kommt den Darstellungseffekten im Zusammenhang mit der Zunahme der sogenannten Personalisierung von Politik zu. Ein Phänomen, für das laut Frank Marcinkowski und Volker Greger mehrere Gründe zu finden sind, die die Autoren auf zwei Handlungsebenen ansiedeln: Zum einen würden Menschen angesichts einer Welt komplexer politischer und gesellschaftlicher Problemlagen verstärkt Orientierungs- und Identifikationsangebote verlangen, und Personalisierung stelle eine strategische Möglichkeit für politische Parteien dar, auf dieses Bedürfnis zu reagieren. Das Konzept biete darüber hinaus in Zeiten des stetigen Rückgangs von festen Parteibindungen einen Weg, politische Programme zu kommunizieren. Parteien seien daher in ihrer Außendarstellung dazu übergegangen, die Gewichte zwischen Programmen und Personen merklich zu verschieben, Kandidaten mehr Bedeutung beizumessen als Parteiapparaten, Personalfragen mindestens so intensiv zu diskutieren wie Sachfragen. Auf der anderen Seite würden die Aufmerksamkeitsregeln und Darstellungszwänge der publizistischen Massenmedien als zentraler Träger der politischen Kommunikation zu der Entwicklung beitragen.71 Als personalisiert kann politische Kommunikation dann bezeichnet werden, wenn politische Organisationen, staatliche Institutionen und sachpolitische Maßnahmen nicht mehr für sich stehen, sondern von einer kleinen Zahl von Politikern repräsentiert werden, die ihnen Gesicht und Stimme verleihen. Strukturen, Prozesse, und Inhalte treten in den Hintergrund, Personen treten in den Vordergrund und liefern die Oberflächenansicht von Politik. Das Ansehen dieser Akteure strahlt auf die von ihnen repräsentierten Organisationen aus, namentlich auf die politischen Parteien, ihre Sachkompetenz steht für die Güte der getroffenen Entscheidungen.72 »Als Ablenkung von ‘eigentlicher Politik’ kann man Personalisierung insoweit bezeichnen, als es in der Demokratie zentral auf das Funktionieren, die Offenheit und die Transparenz politischer Institutionen ankommt und erst in zweiter Linie darauf, welche Personen in ihnen handeln. Außerdem ist die Qualität politischer Problemlösungen für die Betroffenen wichtiger als die Frage, welche Menschen sie vertreten. Die Befürchtungen gehen folgerichtig dahin, daß die politische Kommunikation zunehmend die (politischen wie persönlichen) Eigenschaften von Menschen thematisiert, seltener die Angemessenheit politischer Maßnahmen.«73
70 Merten 1985:27; Scherer bezeichnet diese Funktionen der non-verbalen Kommunikation als parasemantisch: »Die parasemantischen Funktionen kann man auffassen als Beziehungen spezifischer nonverbaler Verhaltensweisen zu den Bedeutungsinhalten der sie begleitenden verbalen Äußerungen« (Scherer 1977:279). Scherer unterscheidet folgende parasemantischen Funktionen: (1) Modifikation – verbale Äußerungen können durch non-verbales Verhalten abgeschwächt bzw. verändert werden, etwa bei durch unstetes Blickverhalten oder entschuldigendes Lächeln non-verbal ausgedrücktem Zweifel; (2) Kontradiktoren – Ein Sprecher kann das von ihm Gesagte entwerten, so daß sein Verhalten der Bedeutung des Gesagten nicht angemessen ist, es liegt also ein Widerspruch zwischen verbaler und non-verbaler Aussage vor; (3) Amplifikation – das Gesprochene wird durch Bewegungsverhalten betont, verdeutlicht oder illustriert; (4) Substitution – so werden von Scherer Verhaltensweisen bezeichnet, die sprachliche Äußerungen ersetzen können (bspw. „Nicken“ anstelle von sprachlicher Zustimmung). 71 vgl. Marcinkowski/Greger 2000:179f. 72 vgl. ebd.:181 73 ebd.:182
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Sieht man davon ab, daß das vermittelte Bild von politischem Geschehen mittels einzelner Personen der Realität nicht gerecht wird, da dieses nicht das Werk einzelner Akteure, sondern Ergebnis komplexer Prozesse innerhalb institutionalisierter vielschichtiger Strukturen ist, so wird vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Befunde deutlich, warum Darstellungseffekten eine wesentliche Rolle in der Analyse politischer Vermittlungsprozesse zukommt: Selbst den politischen Akteuren, die es bewerkstelligen, durch personalisierte Politik und Politikberichterstattung ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit zu gelangen, kann es offensichtlich nur sehr begrenzt gelingen, Sachinhalte zu vermitteln, da nonverbale Informationen kommunizierte verbale Inhalte überlagern können. Die nonverbalen Informationen ihrerseits gehen aber wiederum nur in sehr begrenztem Ausmaße auf das reale Verhalten der Akteure zurück. So wird kameragerechte Darstellungskompetenz74 einerseits zur politischen Schlüsselkompetenz, gleichzeitig unterliegt diese einem zusätzlichen Prozeß der möglichen Bedeutungsveränderung durch die der rezipierbaren Abbildung vorausgeschalteten Filter. Der Einsatz dieser Filter wiederum liegt für den Akteur außerhalb jeglicher Beeinflussung und Kontrolle.75 So zeigt sich die „Macht der Bilder“. Es zeigt sich aber auch die Macht derer, in deren Hand es liegt, dieser Bilder zu kreieren. Denn wie bereits deutlich wurde: Mediale Bilder können niemals „reines“ Abbild des Realen sein.
3.5
Begrenzte Wahrnehmungskapazitäten und selektive Zuwendung. Zur Dominanz der bildlichen über die verbale Darstellungsform
Die beschriebenen Problembereiche des ‘Abbildens’ von realem politischen Geschehen in der Medienberichterstattung sind keine Themen, die sich allein und grundsätzlich auf den visuellen Modus beziehen. Viele der angesprochenen Zusammenhänge und Problemlagen der politischen Kommunikation zeigen sich auch im sprachlichen Modus, der ja auch eine Form des Abbildens, also der Repräsentation, darstellt. Man denke etwa an die vielfältigen Möglichkeiten der Journalisten, durch Nachrichtenselektion oder bestimmte Formulierungen eine mediale Realität zu schaffen, die sich von der „wirklichen“ Welt unterscheidet. Unter dem Begriff der Nachrichtenwerte wurde bereits auf sie verwiesen. Der visuellen Informationsvermittlung kommt aber besondere Bedeutung zu, da sie offenbar in der Lage ist, verbale Informationen in gewisser Weise zu dominieren. Dieses bereits angesprochene Potential bildhafter Darstellung, prominenter zu wirken als verbale Information, kann in mehrere Dimensionen unterteilt werden und wurde in unterschiedlichsten Kontexten untersucht und belegt.
74 Hier verstanden als die Fähigkeit bzw. die personale Präsentationstechnik, in der medialen Darstellung positiv zu erscheinen und dafür Mimik, Gestik, Stil und „Outfit“ in einer Stilisierung der eigenen Person auf das jeweilige mediale Präsentationsformat abzustimmen (vgl. Plasser 1993:410–415). 75 In diesem Sinne werden Politiker – frei nach Meyer/Ontrup/Schicha formuliert – von Konstrukteuren zu Zuschauern ihres eigenen Images (vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000:93).
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Thomas Schierl faßt die Ebenen, auf denen Bilder Texten „überlegen“ sind, in seiner Untersuchung zu bildhafter Kommunikation im Kontext von Werbemaßnahmen mit Verweis auf zahlreiche Forschungsbefunde zusammen: (a) Bilder werden früher, häufiger und länger beachtet als andere Gestaltungselemente, (b) Bilder werden nicht nur zuerst fixiert, sondern auch schneller erfaßt als Texte, (c) Bilder eignen sich besonders gut für einen Emotionstransfer, (d) Bilder werden besser behalten als verbale Informationen.76 Anhand dieser vier Merkmale werden vier Wirkungsdimensionen im Vergleich von verbaler und visueller Informationsvermittlung angesprochen: (1) Aktivierungswirkungen, (2) gedankliche Verarbeitungswirkungen, (3) Erlebniswirkungen, (4) Gedächtniswirkungen.77 Erklärungsmodelle für diese Wirkungsphänomene gehen auf unterschiedliche Erkenntnisse über die Bedingungen menschlicher Wahrnehmung zurück. Zentraler Ausgangspunkt dieser Erkenntnisse ist die Feststellung, daß die menschliche Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, begrenzt ist. Eine empirische Beobachtung, die zu einer Bezifferung der Aufnahmeleistung mit 102 bit/sec geführt hat. Dies stellt einen Wert dar, der angesichts der Information, die ein Mensch in Form von Sprache, Mimik und anderen Ausdrucksweisen an seine Umwelt abgeben kann und die mit 107 bit/sec beziffert wird, als sehr gering eingeschätzt werden muß und zur Bezeichnung des Wahrnehmungsprozesses als ‘Defizitprozeß’ geführt hat.78 Wolfgang Donsbach führt zu den Folgerungen, die die Medienwirkungsforschung aus der Kenntnis der geringen Aufnahmekapazität der Rezipienten ziehen mußte, aus: »Dieser Sachverhalt führt direkt zu grundlegenden Phänomenen der Informationsselektion, die auch für die Zuwendung zu Medieninhalten von Bedeutung sind. Bei jedem Rezeptionsprozeß sieht sich der Mensch vor dem Problem, aus einem Angebot an Informationen auszuwählen, das seine Aufnahmekapazitäten und seine Aufnahmebereitschaft um ein Vielfaches übersteigt. Die Prozesse, in denen die Selektionsentscheidungen ablaufen, sind zum großen Teil unbewußt.«79
Doch nicht nur die Aufnahme, auch die Speicherung von Information geschieht offenbar selektiv. Dies führt unmittelbar zur Frage, welche Faktoren diese Selektionsvorgänge beeinflussen,80 was genauer heißt, daß zur Beantwortung der Fragestel76 vgl. Schierl 2001; einen sehr umfassenden Überblick über die Erkenntnisse der Fächer Psychologie und Neurophysiologie, die diesen Befunden zugrunde liegen, geben aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive und unter Berücksichtigung des Forschungsinteresses der Medienwirkungsforschung auch bspw. Donsbach 1991 und Holicki 1993; zur höheren Behalteleistung von Bildern gegenüber Texten siehe auch Engelkamp 1998:227ff.; einen Überblick über die „Vorteile“ der bildhaften gegenüber der verbalen Kommunikation und die Möglichkeiten, die sich daraus für persuasive Kommunikation ergeben, bieten bspw. Kroeber-Riel/Esch 2000:132ff. 77 vgl. Kroeber-Riel/Esch 2000:143f. 78 vgl. Donsbach 1991:32 79 ebd.:32f. 80 Wolfgang Donsbach unterscheidet Selektion nach zeitlichem Ablauf, bezogen auf mögliche Rezeption: (1) präkommunikativ – Auswahl des Mediums: Selektionseinheit ist hier ein abgeschlossenes Medienangebot. Kriterium der Selektion ist die dauerhafte oder zumindest habituelle Auswahl eines Mediums oder Medientyps aus einem Angebot von substituierbaren Medienprodukten. Dabei unterscheidet Donsbach nochmals zwischen einer intermediären und einer intramediären Ebene. Die intermediäre Selektion bezeichnet die Auswahl aus verschiedenen Typen von Medien, also etwa Zei-
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lung untersucht werden muß, was den Rezipienten zu Hinwendung, Aufnahme und Speicherung bestimmter Informationen bewegt und durch welche Eigenschaften einer Nachricht eventuelle Selektionsbarrieren überwunden werden können. Als wesentlich in diesem Zusammenhang kann die im Rahmen der Zusammenfassung der Entwicklung der Forschungsparadigmen bereits angesprochene Erkenntnis gewertet werden, daß diese Fragen grundsätzlich nur bezogen auf einzelne Rezipientengruppen beantwortet werden können. Eines der wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale zur Differenzierung von Medienrezipienten wird im sogenannten Involvement gesehen, ein Analysekonstrukt, das auf Ausführungen von H.E. Krugman aus dem Jahr 1965 zurückgeht.81 Laut Michael Schenk beschreibt ‘Involvement’ das Engagement, mit dem sich eine Person einem Gegenstand, Thema oder einer Aktivität zuwendet. Im deutschen als Ich-Beteiligung bezeichnet, umfaßt ‘Involvement’ nach Schenk mehrere Aspekte: »Involvement drückt zum einen die Intensität eines Standpunktes aus, den eine Person gegenüber einem Gegenstand oder Thema einnimmt, zum anderen wird darunter auch das Ausmaß an gedanklicher Anstrengungen verstanden, mit denen Personen Bezüge zwischen einem Thema und ihrem eigenen Leben bzw. den Situationen herstellen (z.B. Betroffenheit, persönliche Relevanz). Involvement ist schließlich ein Gradmesser für die Aktivierung bei der Informationsverarbeitung.«82
Die Unterscheidung von Rezipientengruppen erfolgt nun im Involvement-Modell nach der Ausprägung des Grades der individuellen Involviertheit in hohe bzw. geringe Involviertheit. Es erscheint nun als unmittelbar einsichtig, daß sich ein Rezipient in seiner Nachrichtenauswahl davon leiten läßt, ob er für die behandelte Thematik aus bestimmten persönlichen Gründen ein besonderes Interesse aufbringt, oder daß er sich besonders diejenigen Inhalte merkt, die für ihn von besonderer Relevanz sind. Gerade aber persönliche Betroffenheit ist ein Faktor, der offensichtlich auch durch bestimmte Eigenschaften einer Information herbeigeführt werden kann. Als wesentlich in diesem Zusammenhang wird das Phänomen der Emotionalisierung gesehen. Die leitende Prämisse der Ansätze, die sich mit den Bedingungen und Folgen von Emotionalisierung im Rahmen der Medienforschung auseinandersetzen – die sogenannten Emotionalen Aktivierungstheorien –, ist, daß Menschen ein bestimmtes Ausmaß an physiologischer Erregung als angenehm empfinden und diesen optimalen Zustand aufrechtzuerhalten versuchen.83 Claudia Wegener beschreibt drei verschiedene Vorgehensweisen, durch die Emotionalisierung im Rahtung versus Fernsehen; bei der intramediären Selektion geht es um die Auswahl eines Mediums innerhalb des gleichen Medientyps, bspw. Abonnent einer konservativen statt einer linken Tageszeitung; (2) kommunikativ – Auswahl bestimmter redaktioneller Angebote: Selektionseinheit ist hier eine geschlossene Kommunikationseinheit innerhalb eines Mediums, also etwa ein redaktioneller Beitrag; (3) kommunikativ – Selektion von Informationseinheiten: Im Gegensatz zum vorausgegangenen Fall ist die Selektionseinheit hier eine semantische und nicht eine formale Einheit, also bspw. ein Faktum, ein Argument oder eine Wertung; (4) postkommunikativ – Selektion von Informationseinheiten: gleichzusetzen mit Behalten oder Vergessen der rezipierten Fakten, Argumente oder Wertungen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich dieser Typologie nach auf Selektionsvorgänge der zweiten, dritten und vierten Art, da die Faktoren, die die Entscheidung bedingen, ob man Nachrichten durch Lesen, Hören oder Zuschauen konsumieren will und welcher Art von Tageszeitung oder Nachrichtensendung man sich zuwendet (sogenannte Quellenselektion), auf einer anderen Analyseebene anzusiedeln sind (vgl. Donsbach 1991:24ff.). 81 vgl. Krugman 1965 82 Schenk 1998:665 83 vgl. Bonfadelli 2000:19
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men von Medienberichterstattung erreicht werden kann. Zum einen werde Emotionalisierung durch die Präsentation von Themen erreicht, die gemeinhin als die menschlichen Gefühle ansprechend gelten, etwa gewalthaltige, furchtauslösende und ekelerregende Bilder sowie die Darstellung von Sexualität. Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, menschliche Emotionen abzubilden. »Indem weinende oder sich freuende Personen im Bild gezeigt werden, wird dem Rezipienten die emotionale Seite eines Themas deutlich vor Augen geführt; er kann sich mit der weinenden Person freuen oder mit ihr leiden.«84
Die Präsentation der Emotion müsse aber nicht durch explizite Darstellung erfolgen, sie könne auch durch die Verbalisierung seitens eines Journalisten oder des betroffenen Protagonisten selbst geschehen. Weiters manifestiere sich Emotionalisierung schließlich in der dramaturgischen Gestaltung eines Beitrags, indem beispielsweise durch Kameraeinstellung oder -perspektive der Blick auf bestimmte Bilder gelenkt wird und/oder durch entsprechenden Musikeinsatz gezeigt wird, welche Gefühle beim Rezipienten im Hinblick auf das berichtete Ereignis bzw. die dargestellte Person angemessen sind.85 Eine weitere Möglichkeit der Emotionalisierung besteht in der Dramatisierung von Medienberichten, durch Darstellungstechniken, wie sie Andreas Wittwen anhand eines Medienberichts über Menschen beschreibt, die an Angst vor Gewittern leiden (hier als stormphobia bezeichnet): »Den Auftakt machen elf äußerst kurze Einstellungen eines nächtlichen Gewitters. Blitze, die für Sekundenbruchteile den Himmel grell erleuchten sowie heftiges Donnergrollen sorgen für einen spektakulären Szeneneinstieg [...]. Die [nächsten] Einstellungen zeigen das stormphobia-Opfer Rebecca Prescott. Ein Gewitter zieht auf, Rebecca verdunkelt den Raum, legt sich auf ihr Bett und versucht, das Gesicht hinter dem Kissen zu verbergen. Um diesen Teil eindringlicher zu gestalten, wurde die Hauptakteurin offensichtlich angehalten, die Szene nachzustellen [...]. Die [darauf folgenden] Einstellungen zeigen mehrheitlich Experten (inkl. dem Reporter selbst), die das Phänomen ‘stormphobia’ beschreiben und ansatzweise erklären. Optisch anregende Einstellungen wie die nächtlichen Gewitterblitze [...] oder weitere gestellte Szenen [...] werden immer wieder dazwischen geschnitten. Der Schlußteil fast das Vorhergehende zusammen. Die sich auf dem Bett wälzende Rebecca wird in Zeitlupe gezeigt [...]. Als voice-over schildert ein Experte ihre Leiden. Die Schlußeinstellung korrespondiert mit dem Filmeinstieg. Begleitet von einem gewaltigen Donnerknall zuckt ein Gewitterblitz durch die Nacht.«86
Neben dieser Beschreibung benennt Wittwen auch die von Bernward Wember in der bereits zitierten Studie Wie informiert das Fernsehen?87 als Augenkitzel bezeichneten formalen Mittel, die der Gestalter des Beitrages verwendete, um die Bildinhalte zu intensivieren: ständiger Wechsel des Bildausschnittes, durch den der Eindruck von Bewegung und Hektik entstehe; schnelle, ebenfalls Hektik vermittelnde Schwenks und schnelle Lichtwechsel, die beunruhigend wirken würden; auffallend häufige Verwendung von emotionalisierenden Detailaufnahmen (wie etwa die zitternde Hand einer Betroffenen); Aufnahmen aus ungewöhnlichen Kameraperspektiven (beispielsweise aus der Froschperspektive), die den Eindruck des Beängstigenden
84 85 86 87
Wegener 2001:132 vgl. ebd. Wittwen 1995:110 vgl. Wember 1976
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und Bedrohlichen verstärken würden. Darüber hinaus dramatisiere ein hoher Bildrhythmus, erreicht durch geringe Einstellungslängen, den Bericht zusätzlich.88 Susanne Stark unternimmt für ihre Untersuchung eine Operationalisierung der dramaturgischen Gestaltung von Bildern in Printmedien und unterscheidet mehrere Ebenen für die Möglichkeit einer emotionalisierenden Gestaltung: Einsatz von Farbe und kontrastreicher Gestaltung (etwa hell-dunkel-Kontrast), dynamische Bildgestaltung (durch Stilmittel wie gezielte Unschärfe und betonte Fluchtlinien innerhalb des Bildes könne eine erhöhte Dynamik des Bildgehalts erreicht werden), Wahl dynamischer Bildinhalte (bewegte Motive wie Darstellungen von fahrenden oder fliegenden Gegenständen, Menschen beim Sport, Tiere beim Laufen etc. hätten einen weitaus dynamischeren Charakter als Motive der Ruhe wie beispielsweise Stilleben), Wahl einer realitätsnahen Darstellungsart (realitätsnahen Abbildungen, denen wie fotografischen Bildern ‘Augenzeugenqualität’ zugesprochen werde, könne ein höherer Emotionalisierungsgrad zugeschrieben werden als Grafiken und Zeichnungen), Wahl eines detailbetonten Bildausschnittes (durch Wirkungsanalysen sei nachgewiesen, daß Detailaufnahmen intensiver wirken würden als sogenannte Totalaufnahmen), Wahl einer ungewöhnlichen Perspektive, aus der das Motiv gezeigt wird (durch die Setzung der Bildachse könne eine positive oder negative Assoziation ausgelöst werden) sowie Wahl eines „belebten“ Bildmotivs (es sei davon auszugehen, daß Motive von Menschen und Tieren emotionaler bewertet werden als Naturbilder und daß diese wiederum emotionaler wirken würden als „leblose“ Gegenstände).89 Zu diesen Möglichkeiten von Bildern, durch ihre spezifischen Wirkweisen Selektionsbarrieren zu überwinden, und den in den Abschnitten zuvor kurz zusammengefaßten Besonderheiten visueller Medienkommunikation kommen zwei weitere Effekte bildhafter Darstellung, die in bezug auf die politikwissenschaftliche Forschung als relevant einzustufen sind: Bilder sind offenbar unter bestimmten Bedingungen in der Lage, die Wahrnehmung und Beurteilung nachfolgender Texte zu beeinflussen, eine Erkenntnis, die unter dem Begriff Transfer-Effekt gefaßt wird, und: Tendenziöse Darstellungen werden bei der Rezeption von Bildern im Vergleich zur Rezeption von Texten weniger erkannt – ein Phänomen, für dessen Untersuchung im deutschsprachigen Raum vor allem die Arbeit von Sabine Holicki mit dem Titel Pressefoto und Pressetext im Wirkungsvergleich als grundlegend gilt. Beide Phänomene sollen im folgenden näher erörtert werden.
88 vgl. ebd. 109ff.; Herta Sturm hat in bezug auf eine schnelle Abfolge von Einstellungslängen darauf hingewiesen, daß diese zwar zur physiologischen Erregung von Rezipienten beizutragen vermögen, gleichzeitig aber deren Verständnisleistung nachweisbar reduzieren würden. Diese unter dem Titel Fehlende Halbsekunde in den Forschungsstand eingegangene Erkenntnis verweist darauf, daß es dem Rezipienten durch die schnittechnische Abfolge der Einstellungen nicht möglich ist, sich auf das Kommende einzustellen. Bei lebensrealen Wahrnehmungen dagegen stünden dem Wahrnehmenden ein paar Halbsekunden mehr an Zeit zur Verfügung, während dessen eigene Erfahrungen und Erwartungen eingebracht werden könnten. Angesichts der schnellen Bildfolge, wie sie vielfach durch Fernsehpräsentationen geboten werden, verstumme der Rezipient in seiner inneren Verbalisierung. Dieses „Nicht-mehr-mitkommen“ führe oftmals zu Erinnerungsblockaden und emotionalem Unbefriedigtsein (vgl. Sturm 1984:58ff.). 89 vgl. Stark 1992:103ff.
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3.6
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Transfer-Effekte und Tendenzen der Darstellung. Zum Problem der journalistischen Qualität in der medialen Bildkommunikation
Wie bereits angesprochen wurde, besagt eine zentrale Erkenntnis der Medienforschung in bezug auf die Einschätzung der „Macht“ der Medien, daß Rezipienten über verschiedene bewußte und unbewußte Mechanismen verfügen, die eine direkte Beeinflussung durch Medieninhalte, wie sie in der ersten Phase der Wirkungsforschung angenommen wurde, verhindern. Als wichtige Theorie in diesem Zusammenhang ist die sogenannte Dissonanz-Theorie zu sehen, ein der Psychologie entstammendes Analysekonzept, dessen Akzeptanz laut Wolfgang Donsbach „wellenförmig“ verlief und die wissenschaftliche Gemeinschaft zeitweise sogar in zwei Lager spaltete.90 Als „Vater“ der Theorie der kognitiven Dissonanz gilt Leon Festinger mit seiner 1957 unter dem Titel A Theory of Cognitive Dissonance veröffentlichten Forschungsarbeit.91 Leitende Prämisse der auf Festinger zurückgehenden Theorie ist, daß Menschen grundsätzlich dazu tendieren, ein Gleichgewicht in ihrem kognitiven System anzustreben. Dieses Bestreben nach innerer Harmonie betrifft einerseits die mit einem bestimmten Einstellungsobjekt verbundenen Kognitionen, andererseits die kognitiven und die affektiven Komponenten einer Einstellung und darüber hinaus die Abstimmung von Einstellung und Verhalten.92 Leon Festinger führt aus, daß die Dissonanz durch Informationsaufnahme aufgrund von vier unterschiedlichen Konstellationen erfolgen kann: (1) zufällige Informationsaufnahme (‘accidental exposure’); (2) Zuwendung zu Informationen, die man zunächst als irrelevant für das eigene Einstellungsgefüge ansah (‘exposure on a irrelevant basis’); (3) erzwungene Informationsaufnahme (‘forced exposure’); sowie (4) Informationsaufnahme durch soziale Interaktion (‘interaction with other people’).93 Damit wird deutlich, daß sich die Bedeutung des Erklärungsmodells nicht auf medienvermittelte Information beschränkt. Wesentlich allerdings für die Medienwirkungsforschung ist die Auslegung der Theorie dahingehend, daß der Rezipient, wenn sein Gleichgewicht durch neue (Medien-)Informationen in Frage gestellt werden könnte, versucht, diese als Streß erlebte Dissonanz oder Inkonsistenz zu reduzieren. Dafür würden verschiedene Mechanismen angewendet: Zum einen die bereits angesprochene selektive Wahrnehmung, zum anderen selektive Speicherung sowie Interpretation.94
90 vgl. Donsbach 1991:45; die Kritik an Festingers Theorie bezog sich sowohl auf theoretische als auch methodische Aspekte seiner Ausführungen. Die Arbeit zog eine Unmenge von Untersuchungen zu der Thematik nach sich, aus deren Erkenntnissen sich die Annahmen ableiten, die die Basis der inzwischen sehr differenzierten Auslegung der Dissonanztheorie bilden (siehe ausführlich dazu: Donsbach 1991). 91 Die Anfänge der Entwicklung des auch Konsistenz-Theorie genannten Theoriegebäudes können bereits auf 1940, das Jahr der Veröffentlichung von Fritz Heiders Balance-Theorie, datiert werden. Als wesentlich für die Theorieentwicklung wird weiters Charles E. Osgoods und Percy H. Tannenbaums 1955 publiziertes Kongruenzmodell gesehen (vgl. Schenk 1999:178). 92 vgl. Bonfadelli 2000:20 93 vgl. Donsbach 1991:44 94 vgl. ebd.
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Wolfgang Donsbach unterzog in seiner 1991 unter dem Titel Medienwirkung trotz Selektion veröffentlichten Untersuchung die Theorie einer eingehenden empirischen Prüfung und gelangte zu sehr differenzierten Ergebnissen bezüglich des selektiven Verhaltens von Rezipienten im Sinne der Dissonanzvermeidung. Grundsätzlich sieht Donsbach die Tendenz der Rezipienten, sich gemäß der Dissonanzthese zu verhalten, auf mehreren Ebenen bestätigt: Es gelte allerdings, so Donsbach, verschiedene Relativierungen zu treffen: Zum einen zeige sich, daß sich Leser gegenüber Artikeln, die stark betont waren, und gegenüber Artikeln, in denen viele Nachrichtenfaktoren vorkamen, nicht selektiv entsprechend ihrer eigenen Meinung verhielten. Zum anderen fand er mehrere Hinweise darauf, daß negative Berichterstattung zu einem Thema oder einer Person auch von jenen Personen wahrgenommen wurde, die eine grundsätzlich tendenziell positive Einstellung zu dem Berichtsthema aufwiesen. Der Autor faßt aufgrund seiner Ergebnisse folgende Interpretationen zusammen: »Unabhängig von [den ausgeführten@ analytischen Überlegungen sprechen mehrere kommunikationstheoretische Annahmen dafür, daß die Befunde eher eine partielle Ausschaltung der Selektivität des Lesers bei negativen Informationen anzeigen. Erstens hatte sich bei der Analyse des Leseanreizes, den die Nachrichtenfaktoren ausüben, gezeigt, daß der Faktor ‘Negativität’ relativ stark mit der Artikelnutzung korreliert. Zweitens kann man vermuten, daß die Leser negativen Informationen eher den Charakter ‘objektiver’ Nachrichten zusprechen, denen man sich nicht verweigern kann, auch dann nicht, wenn sie nicht zur eigenen Meinung passen.«95
Negative Entwicklungen nicht wahrzunehmen wäre wohl – so Donsbach weiter – aus Sicht der Rezipienten ein irrationales Verhalten, denn der kurzfristige Schutz des eigenen Einstellungssystems vor dissonanten Informationen könnte sich langfristig als dysfunktional für die Verhaltenskompetenz in der sozialen Umwelt auswirken. Bei positiven Mitteilungen scheine diese Gefahr deutlich weniger gegeben zu sein. Donsbach fährt fort: »Mit anderen Worten: Mit der Unkenntnis einer politischen Affäre kann man sich eher sozial isolieren als mit der Unkenntnis einer Auszeichnung, die ein Politiker erhalten hat.«96
Zusammenfassend stellt Wolfgang Donsbach fest, daß eine Selektivität der Rezipienten entsprechend ihrer bereits vorhandenen Einstellungen zwar empirisch nachweisbar sei, diese aber aufgrund der vielen einschränkenden Rahmenbedingungen und der Möglichkeiten des Mediums, sie auszuschalten, keinen wirksamen Schutz gegen Meinungsänderungen darstelle. Die Erkenntnis, daß die These des selektiven Publikums nicht aufrechterhalten werden kann und daß gewisse journalistische Gestaltungsmittel dafür eingesetzt werden können, Selektionsfilter zu unterlaufen, wird vielfach dazu herangezogen, um auf die journalistische Verpflichtung zur objektiven Berichterstattung zu verweisen.97 Dabei wird die Einmahnung journalistischer Objektivität auf Ebene der verba95 vgl. ebd.:204 96 ebd.; Donsbach betont im Zusammenhang mit dieser Feststellung ausdrücklich, daß es sich hierbei um eine Interpretation handle, die über die empirischen Daten hinausweise. 97 Laut Elisabeth Noelle-Neumann ist nachweisbar, daß diejenigen Forschungsarbeiten, die nachweisen, daß die These des aktiven Rezipienten nicht aufrechterhalten werden kann, vom Journalismus entweder totgeschwiegen oder kritisiert werden, um so einen Legitimationszwang abwehren zu können, der aus einer starken Rolle der Medien im Willensbildungsprozeß abzuleiten wäre (vgl. Noelle-Neumann 1982).
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len Vermittlung meist mit der Forderung nach Trennung und Kennzeichnung von Nachricht und Meinungsbeitrag verknüpft. Sabine Holicki weist nun auf die Parallelen zwischen Pressetexten und Pressebildern bezüglich ihrer Aufgabe innerhalb der Medienberichterstattung hin, um im weiteren den Blick darauf zu lenken, daß die Ansprüche, die gegenüber verbaler Nachrichtenberichterstattung erhoben werden, auf der Ebene der visuellen Berichterstattung nicht zu finden sind. »Die Aufgabe des Pressefotos innerhalb der Berichterstattung weist Parallelen zum Wortjournalismus auf. Sie besteht in erster Linie in der Vermittlung von ‘Informationen über Vorgänge, Ereignisse und Sachverhalte mit visuellen Mitteln’. Die genuin journalistische Informationsfunktion der Pressefotos wird insbesondere in der praxisorientierten Literatur zum Bildjournalismus hervorgehoben. Dort erscheint das Pressefoto vor allem als Nachrichtenstilform, deren Qualität in der unbedingten Gebundenheit an sichtbare Fakten liegt. Damit kommt es den berichtenden journalistischen Textgattungen nahe. Die Beschränkung auf wenige, prägnante Informationen, die das Wesentliche eines Ereignisses unmittelbar erfassen sollen, erinnert an die Stilform der Nachricht – wenn auch dort die Informationsauswahl und -präsentation eine andere ist.«98
Allerdings ließen sich Nachricht und Pressefoto nicht ohne weiteres gleichsetzen. Ein wichtiger Unterschied bestünde darin, daß das Foto nicht klar auf eine sachliche Faktenberichterstattung festgelegt sei: »Während es im Wortjournalismus eine Reihe expliziter Normen gibt, deren Ziel eine Annäherung an eine objektive Berichterstattung ist, fehlen solche Regeln für den Bildjournalismus weitgehend.«99
Die Trennung zwischen Berichterstattung und Kommentierung, grundlegend für den Wortjournalismus, spiele für den Bildjournalismus kaum eine Rolle, so Holicki weiter. Ein Grund dafür könne darin vermutet werden, daß das Pressefoto, da es nur sichtbare Dinge zeigen kann, nicht für eine meinungsbetonte oder interpretierende Darstellungsform gehalten wird – das Pressefoto profitiere also von seinem Bonus an Glaubwürdigkeit. Doch diese Zuschreibung von Objektivität erfolgt zu Unrecht, wie Holicki im weiteren ausführt: Bilder würden nämlich in der medialen Berichterstattung mit unterschiedlichen Absichten zum Einsatz gebracht und die ihnen zugedachte Aufgabe würde dem Auftrag „sachliche Berichterstattung“ teilweise sogar widersprechen. Zur Konkretisierung unterscheidet die Autorin folgende drei Funktionsbereiche des Pressefotos: (1) Die dramaturgische Funktion, in der der Bildeinsatz darauf abzielt, das Layout aufzulockern, die Seite zu strukturieren, Spannung zu erzeugen und Neugier zu wecken. Bestimmte Artikel könnten so optisch hervorgehoben werden und der Berichterstattung könnten emotionale Elemente hinzugefügt werden. In dieser Hinsicht würden Bilder an die Schlagzeile erinnern, der sie jedoch den bildlichen Charakter voraushätten. (2) Die illustrative Funktion, mit der die Unterstützung der Textberichterstattung mit bildlichen Mitteln erreicht werden soll. Fotografien in dieser Funktion würden dafür eingesetzt werden, die Richtigkeit von Informationen zu untermauern, Details zu veranschaulichen oder Einzelheiten hervorzuheben. Das Bild würde also dafür herangezogen, die Textbotschaft bildlich umzusetzen. 98 Holicki 1993:33 99 ebd.
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(3) Schließlich die journalistische Funktion, d.h. die eigenständige Vermittlung von Botschaften durch Pressefotos. Dabei könne das Bild dem dazugehörigen Text jeweils entsprechende, widersprechende oder auch neue, im Text nicht enthaltene Botschaften hinzufügen und ihn damit ergänzen. Dieser Bereich schließe die Informationsfunktion des Pressefotos mit ein, so Holicki. Die Autorin schließt daran die Erwägungen an: »Wenn man bedenkt, daß Pressefotos in der Regel mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen sollen, wird der Widerspruch offensichtlich. Eine sachliche, durch Objektivitätsnormen regulierte Faktenberichterstattung im Bildjournalismus stünde zumindest teilweise den übrigen Anforderungen entgegen. Vor allem dramaturgische Momente wie ein spannungsreicher Bildaufbau, ein spektakulärer Augenblick, die Konzentration auf ein rührendes, erschütterndes, belustigendes oder ästhetisch bildwirksames Detail entsprechen nicht der im Wortjournalismus verankerten Vorstellung von Sachlichkeit und Ausgewogenheit, weil sie Einzelheiten überbetonen und an Gefühle zu appellieren suchen. Ein in solcher Weise „objektives Pressefoto“ wäre langweilig.«100
Wesentlich ist nun, daß die Tatsache, daß Pressebilder mit unterschiedlicher Wirkungsabsicht verwendet (und auch produziert) werden, bei der Rezeption meist nicht berücksichtigt wird. Zu folgendem Schluß gelangt Holicki bei ihrer Untersuchung: Der Inhalt von Pressebildern werde ‘für bare Münze genommen’ und die Anzeichen einer Tendenz damit häufig nicht erkannt.101 Holicki kommt mit dieser Aussage, die sie durch eine methodisch innovativ angelegte Studie belegen konnte, zum selben Ergebnis wie etwa Hans Mathias Kepplinger: Im Rahmen einer Untersuchung der Asymmetrien der Foto- und Textrezeption zeigten sich bezüglich der Frage nach der Wahrnehmung von Tendenzen, daß die Versuchspersonen zwar negative Texte als ungünstige Aussagen beurteilten, negative Fotos aber nicht im gleichen Maße als unvorteilhafte Darstellungen erkannten.102 Dies wirkte sich wiederum bei der Akzeptanz der vorgelegten Informationen aus: »Die Akzeptanz der Fotos war weitgehend unabhängig von der Tendenz der Aufnahmen. Die Akzeptanz der Texte hing dagegen eindeutig von der Tendenz der Texte ab. Je negativer die Tendenz der Texte war, desto geringer war ihre Akzeptanz. Das galt für die Anhänger mehr als für die Gegner der charakterisierten Person. Die verschiedenartige Beurteilung der Akzeptanz von Fotos und Texten kam vor allem dadurch zustande, daß die Versuchspersonen negative Texte für kaum akzeptabel, negative Fotos aber für durchaus akzeptabel hielten.«103
Thomas Hartmann baut in seiner Untersuchung auf diese Erkenntnisse auf und geht in seiner Fragestellung einen Schritt weiter. Er untersucht in seiner Studie anhand von Fotos und Texten, die unbekannte und prominente Personen vorteilhaft und unvorteilhaft darstellen, inwieweit Fotos die Wirkung nachfolgender Texte beeinflussen.104 Dabei kommt Hartmann zu sehr differenzierten Ergebnissen, je nachdem, ob es sich beim Rezipienten um eine Person handelte, die vor dem Experiment eine grundsätzlich positive, oder grundsätzlich negative Haltung zur dargestellten Person einnahm. Auch wurde in der Untersuchung zwischen langfristigen und kurzfristigen Effekten unterschieden. Als Gesamtbild zeigte sich aber, daß Rezipienten Bild- und 100 ebd.:35f. 101 vgl. ebd. 102 vgl. Kepplinger 1987:299 103 ebd. 104 vgl. Hartmann 1995
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Textinformationen sowie die daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen über die Persönlichkeit der Dargestellten im Gedächtnis zusammenspielten. »Dies öffnet den Blick auf kumulative Wirkungen von Pressefotos und Pressemeldungen. Zum einen im Fall von übereinstimmenden Tendenzen der Darstellungen, wenn beispielsweise negative Meldungen die Wirksamkeit nachfolgender negativer Fotos oder positive Fotos die Wirksamkeit nachfolgender positiver Meldungen verstärken, selbst über die Distanz mehrerer Tage hinweg. Zum anderen im Fall wechselnder Tendenzen der Darstellungen, wenn etwa unvorteilhafte Fotos vorteilhafte Texte oder vorteilhafte Fotos unvorteilhafte Texte konterkarieren und so deren Wirksamkeit mindern.«105
Es zeige sich, so Hartmann weiter, daß Pressefotos auch Aussagen transportieren können, die, würden sie in Worten ausgedrückt, auf erhebliche Widerstände stoßen würden. Die so gewonnenen Eindrücke würden auch nicht aufgrund ihrer optischen Herkunft an Gewicht verlieren. Sie würden vielmehr im Gedächtnis mit Textinformationen zusammengespielt und so weiterverarbeitet werden, daß sie selbst die Wirkungschancen nachfolgender Darstellungen verstärken bzw. vermindern könnten.106
3.7
Zusammenfassung
Die in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellten Untersuchungsergebnisse zeigen, daß im Rahmen der Medienwirkungsforschung mehrere Ebenen benannt werden können, auf denen die Forschungsbereiche Politik und Bild einander berühren. Dabei wurde deutlich, daß von einer gesellschaftlichen Entwicklung, in der bildhafte Kommunikation aus verschiedensten, miteinander verwobenen Gründen an Wichtigkeit gewinnt, ein bedeutender Anpassungsdruck auf den Systembereich Politik ausgeht. Forschungsergebnisse verweisen auf verschiedene Effekte der bildorientierten Informationsvermittlung: (1) Die Wahrnehmung des politischen Systems und der in diesem System geleisteten Arbeit kann in stark auf visueller Vermittlung basierenden Öffentlichkeiten in gewisser Weise als abstrakt beschrieben werden: Sie wird der Komplexität der realen Vorgänge nicht gerecht. (2) Die Kategorien, die für die Beurteilung der Leistungen des Systems herangezogen werden, rekurrieren in einem durch Visualisierung geprägten Kommunikationssystem auf Wahrnehmungsdimensionen, die visuell nicht darstellbare Vorgänge weitgehend unberücksichtigt lassen. Die Urteilsbildung zu Sachthemen wird daher vielfach im Zuge einer Einschätzung des persönlichen Verhaltens und der charakterlichen Eigenschaften von Personen getroffen, denen aufgrund medialer Darstellung besondere Bedeutung im Zusammenhang mit den einzelnen Problembereichen zugeschrieben wird. Da die Begegnung mit diesen Personen jedoch wiederum zum allergrößten Teil nur über die Medien und nicht im face-to-face-Kontakt möglich ist, unterliegt diese Einschätzung Einflüssen, die als Wahrnehmungsfilter gesehen werden müssen, da sie bedeutungsverändernd in bezug auf reales Verhalten wirken können.
105 ebd.:274 106 ebd.
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(3) Diesen Wahrnehmungsfiltern kommt besondere Bedeutung zu, weil sie meist unerkannt bleiben und in den Ansprüchen, die von modernen Gesellschaften an ihr Mediensystem gestellt werden, nicht erfaßt werden. Dadurch, daß bildhaft vermittelten Nachrichten im Vergleich zu verbal vermittelten Informationen auf mehreren Ebenen ein höheres Wirkpotential zugeschrieben werden kann und daß Informationen, die aus Bildern gewonnen wurden, diejenigen, die aus Texten gewonnen wurden, sogar überlagern können, wird die Relevanz von visuellen Kommunikationsvorgängen zusätzlich gesteigert. Trotz dieser bisher skizzierten Bedeutsamkeit von Bildern für den Prozeß der Politikvermittlung, ihre Rückwirkung auf die politischen Akteure und das allgemeine Politikverständnis stellt visuelle Nachrichtenvermittlung – wie bereits angesprochen – noch immer ein wenig beforschtes Gebiet der Politikwissenschaft und ihrer Nachbardisziplinen dar. Zwar liegen, wie gezeigt wurde, bedeutsame Befunde über die entscheidenden Wirkungen von bildhafter Kommunikation vor, doch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen bleibt weit hinter ihrer Stellung innerhalb des kommunikativen Geschehens zurück. Dieser Mangel an theoretischer Auseinandersetzung mit dem Bildhaften bringt die Gefahr mit sich, in der wissenschaftlichen Gesellschaftsreflexion ins Hintertreffen gegenüber realen Entwicklungen zu geraten – mit weitreichenden Folgen, wie von mancher Seite befürchtet wird. Es brauche neue Begriffe von ‘Wahrnehmung’ und ‘Kommunikation’, wenn man sich mit unserer Medienwirklichkeit zurechtfinden wolle, meinen etwa Norbert Bolz und Ulrich Rüffer im Vorwort zu ihrem Buch Das große stille Bild.107 Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Thema ‘visuelle Politikvermittlung’ anhand des Untersuchungsgegenstandes ‘Nachrichtenmagazin’ auseinander. Nach den bisherigen Ausführungen ist anzunehmen, daß Nachrichtenmagazine aufgrund zweier Merkmale ein bisher wenig beforschtes Medium darstellen: Zum einen, weil sich die Forschung, wie dargelegt wurde, auf das Medium konzentriert, dem aufgrund seiner Reichweite und der daraus resultierenden Dominanz am meisten ‘Wirkung’ zugesprochen wird – dem Fernsehen. Zum anderen, weil das Medium ‘Nachrichtenmagazin’ kein tagesaktuelles Medium ist, die Presseforschung sich aber eher den für das Tagesgeschehen relevanteren Zeitungen zuwendet. Betrachtet man Daten zur Mediennutzung, so erscheint es einsichtig, daß Zeitschriften allgemein anderen Medien in der Forschungspraxis nachgereiht werden: Vergleichsstudien weisen aus, daß etwa Deutschlands Erwachsene ab 14 Jahren durchschnittlich 215 Minuten pro Tag das Fernsehen nutzen, 202 Minuten den Hörfunk, 35 Minuten das Internet und 30 Minuten das Medium ‘Tageszeitung’. Und sogar noch weniger lang als Büchern (18 Minuten) wendet sich der durchschnittliche Rezipient verschiedenen Zeitschriften zu, nämlich nur 10 Minuten.108 Doch die nachfolgenden Ausführungen werden zeigen, daß die Gründe für das geringe Forschungsaufkommen zum Medium ‘Zeitschrift’ nicht unbedingt in einer Einschätzung des Mediums begründet ist, die
107 vgl. Bolz/Rüffer1996:11 108 vgl. die Übersichtsdarstellung Mediennutzung in Deutschland 2002 des Bayrischen Rundfunks [http://www.br-online.de/br-intern/medienforschung/md_allgemein/mednutz.html], in die Daten aus folgenden Quellen aufgenommen wurden: Gfk-PC#TV, MA 2002 Radio II, Massenkommunikation 2000, ARD-/ZDF-Online-Studie 2002.
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es als für die öffentliche Kommunikation nicht relevant genug erachtet. Die Zeitschriftenforschung weist vielmehr andere Besonderheiten auf, die für die geringe Forschungstätigkeit verantwortlich gemacht werden. Da die vorliegende Arbeit dem Bereich ‘Zeitschriftenforschung’ zuzurechnen ist, soll im folgenden ein kurzer Blick auf diese Teildisziplin der Medienforschung unternommen werden. Im Zuge dessen wird eine begriffliche Klärung des Mediums ‘Zeitschrift’ vorgenommen werden, die eine später vorzunehmende systematische Einordnung des Mediums ‘Nachrichtenmagazin’ ermöglichen soll.
4
Ein ‘randständiges’ Thema. Zeitschriften als Thema der Medienforschung
4.1
Einleitung
Der fachwissenschaftliche Diskurs über die Thematik ‘Zeitschriften’ sei heute in der Kommunikationswissenschaft nicht der lebhafteste, stellen Andreas Vogel und Christina Holtz-Bacha im Vorwort des von ihnen herausgegebenen Sonderheftes Publizistik zum Thema Zeitschriften und Zeitschriftenforschung fest. Doch das sei er zu keiner Zeit gewesen: Insgesamt hätten Zeitschriften in der gesamten Nachkriegsgeschichte zu den ‘randständigen’ Themen der Presse- und Kommunikationsforschung gehört.1 Die vorliegende Untersuchung ist durch die Wahl ihres Untersuchungsbeispieles Nachrichtenmagazin dem bisher offensichtlich wenig beforschten Themenfeld Zeitschrift zuzuordnen. Im folgenden Abschnitt soll daher das Fachgebiet mit seinen grundsätzlichen Anliegen und Problemen kurz umrissen werden, um daran anschließend in den Blick zu nehmen, welche Arbeiten sich im Forschungsfeld finden lassen, die sich im weitesten Sinne mit der Thematik der vorliegenden Arbeit befassen: der visuellen Nachrichtenvermittlung.
4.2
Zeitschriftenforschung heute
Die Begriffe Zeitung und Zeitschrift sind dem Oberbegriff Presse zuzuordnen, und dieser steht als Gattungsbegriff den Medienbezeichnungen Rundfunk, Buch und Film gegenüber.2 Der erste, der nachweislich den Begriff ‘Zeitschrift’ verwendete, war laut Rudolf Stöber Peter Freiherr von Hohenthal, der Herausgeber der Oeconomischen Nachrichten (1749–1763).3 Zu dieser Zeit, als der Begriff in Anlehnung an das englische und französische journal geprägt wurde, hatte er auch die reinste und engste Bedeutung, denn schon im 18. Jahrhundert entstanden aus den zunächst nur politischen Zeitschriften, moralischen Wochenschriften und Gelehrtenzeitschriften eine Vielzahl von Fachzeitschriften der Theologie, Geschichte, Jurisprudenz usw., kulturelle, philosophische und pädagogische Zeitschriften ebenso wie Jugend- und Frauenpresse. Im 19. Jahrhundert wurde dieses breite Angebot ergänzt durch Illustrierte und Rundschauzeitschriften.4 Seither entstanden alle möglichen Formen bis 1 2 3 4
vgl. ebd. vgl. Vogel 2002:15 vgl. Stöber 2002:46 vgl. ebd.; für Überblicksdarstellungen zur Zeitschriftengeschichte siehe auch Straßner 1997; Wilke 1999:427ff.
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hin zu Special-Interest-Magazinen. Neben dem Begriff ‘Zeitschrift’ behaupteten sich auch die Bezeichnungen ‘Journal’, ‘Magazin’ oder auch ‘Wochen’- bzw. ‘Monatsschrift’. Diese begriffliche Vielfalt, aber vor allem das breite Spektrum an Schriften, die unter Zeitschrift subsumiert wurden, führte dazu, daß in der wissenschaftlichen Diskussion um den definitorischen Kern des Begriffs unter den ausgewiesenen Presseforschern immer wieder die Frage aufgeworfen wurde, ob dieser Terminus als Medienbegriff überhaupt tauge.5 Der Kommunikationswissenschaftler Rudolf Stöber stellt fest, die Zeitschrift selbst habe sich allen Definitionsversuchen erfolgreich widersetzt. Der Begriff sei darum – nicht unwidersprochen – als ‘Verlegenheits-’ oder ‘Hilfsbegriff’ bezeichnet worden, dessen Wortbedeutung die Vielfalt der Erscheinungen, die er umgreifen soll, nicht mehr erfassen könne.6 Brielmaier und Wolf bezeichnen Zeitschriften als eine Synthese aus Buchproduktion, Zeitungsjournalismus, Illustration und Fotografie, deren besondere Komponente die Entwicklung der Druck- und Reproduktionstechnik sei. Zumindest die Zeitschrift, wie wir sie heute kennen, würde es ohne diese Fortschritte nicht geben. Dieser über das Erscheinungsbild definierte Zeitschriftenbegriff kann durch eine Beschreibung über den Nutzen von Zeitschriften für deren Rezipienten ergänzt werden: »Die Zeitschrift ist Dienstleistung und Gebrauchsgegenstand in einem. Sie kann ordnend Überblicke und Einblicke auf Vorder-, Hinter- und Tiefgründiges verschaffen.«7 Durch diese Definition ist die Zeitschrift allerdings nicht grundsätzlich von anderen Druckerzeugnissen unterschieden. Diese Unterscheidung bringt – wenn auch nur unscharf – die Definition von Stöber: »[Eine Zeitschrift] ist ein Periodikum, und damit ist sie vom Buch zu unterscheiden. Und jedes Periodikum, das nicht als Zeitung gelten kann, kann als Zeitschrift angesprochen werden.«8
Damit fehlt zur näheren Bestimmung eine Definition der Gattung ‘Zeitung’, und Stöber ergänzt seine „Negativdefinition“ durch die weitgehend anerkannte und viel rezipierte Bestimmung des Zeitungsbegriffs durch Emil Dovifat. Laut Dovifat ist bei einem Presseerzeugnis von einer Zeitung zu sprechen, wenn dieses »jüngstes Gegenwartsgeschehen in kürzester regelmäßiger Folge der breitesten Öffentlichkeit vermittelt«.9 Damit sei alles, so Stöber, das nicht die Kriterien Aktualität, Periodizität, Universalität und Publizität zugleich aufweisen kann, nicht ‘Zeitung’, sondern ‘Zeitschrift’. Thomas Bleis legt eine differenzierte Definition der Mediengattung vor, wenn er Zeitschriften als Druckwerke beschreibt, die (1) regelmäßig, mindestens viermal pro Jahr, mit gleicher Aufmachung, gleichem Titel, demselben Herausgeber und auf zunächst unbestimmte Dauer erscheinen; sich (2) an die Öffentlichkeit richten und potentiell für jedermann zugänglich sind; (3) einen Gegenwartsbezug, aber keine Tagesaktualität wie die Zeitung haben; (4) eine gewisse Einheitlichkeit des Inhalts aufweisen und (5) im Prinzip eine universelle und uneingeschränkte Berichterstat5 6 7 8 9
vgl. Vogel 2002:13 vgl. Stöber 2002:42 Göbel 2002:219 Stöber 2002:42 vgl. Dovifat 1931:9, zitiert nach Stöber 2002:42
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4 Zeitschriften als Thema der Medienforschung
tung bieten, die aufgrund eines thematisch vorgegebenen begrenzten Aufgaben- und Stoffgebietes jedoch eingeschränkt sein kann.10 Mit dieser Begriffsdefinition hofft Bleis, über die bis dato relativ grobe Beschreibung der Gattung sowie über deren Negativabgrenzung zur Zeitung hinauszukommen. Andreas Vogel plädiert dafür, daß der schwierigen Bestimmung des Zeitschriftenbegriffs ein Ende gesetzt wird; die Fachdiskussion solle ihre ergebnislose Umwälzung einer behaupteten Dichotomie von Zeitschrift und Zeitung endlich beenden. Vogel fragt: Warum überhaupt weiterhin am Zeitungsbegriff als Gattungsbezeichnung festhalten? »Hierfür gibt es keinen ersichtlichen Grund. Der Oberbegriff ‘Presse’ ist als ganzheitliche Beschreibung des Mediums in Abgrenzung zu ‘Rundfunk’, ‘Buch’ oder ‘Film’ längst etabliert und bündelt sinnvoll alle Arten periodischer Druckerzeugnisse. ‘Zeitung’ wurde in den letzten 80 Jahren von den Fachwissenschaftlern schon immer weitgehend synonym mit ‘Tagespresse’ verwendet, so daß einer konsequenten Verwendung dieses Terminus als Gattungsbezeichnung nichts entgegensteht. Der Begriff ‘Tagespresse’ verweist allerdings in seiner Zusammensetzung auch darauf, daß es verschiedene Pressegattungen gibt, unter denen die bislang als unbegrenzt definierten Zeitungen Gleiche neben Gleichen sind. Die wissenschaftlich-systematische Heraushebung der täglichen Universalzeitung aus der Vielzahl der Presse in der Tradition der alten Zeitungswissenschaft ist damit beendet – was verständlicherweise die Zeitungsforscher mit einigem Unbehagen zur Kenntnis nehmen.«11
Statt einer fruchtlosen Diskussion über mögliche Abgrenzungen der beiden Begriffe wäre es viel wesentlicher, so Vogel, daß sich die Fachdiskussion einer längst überfälligen zentralen Thematik zuwende, die die Vorraussetzung für eine systematische gegenwartsbezogene Presseforschung darstelle: Die Disziplin müsse die Frage klären, welchen Gattungen und Typen die heute vorfindbaren vielfältigen Presseprodukte zugeordnet werden sollten und nach welchen Kriterien und unter welchen Benennungen dies geschehen könnte.12 Eine derzeit gängige Unterteilung des unübersichtlich großen Angebots an periodischen Publikationen, die unter den – abgesehen von seiner Abgrenzung zur Tagespresse – nicht näher bestimmten Sammelbegriff ‘Zeitschrift’ fallen, ist eine Systematisierung nach Fachzeitschriften und Publikumszeitschriften.13 Dabei wird unter 10 vgl. Bleis 1996:23f. 11 Vogel 2002:15 12 Vogel geht in diesem Zusammenhang auch auf die „Entgrenzung“ des Begriffs ‘Zeitschrift’ als Druckwerk durch die Verwendung des Terminus Online-Zeitschrift ein. Dieser hätte sich zwar bereits in einigen Köpfen festgesetzt, er sei aber – obwohl bequem – höchst problematisch: »Denn selbst wer der Position nicht folgen will, ‘Zeitschrift’ lediglich als Hinweis auf die Ausstattungsmerkmale von Printprodukten und nicht als Gattungsbegriff zu verwenden, dem zeigt sich: Viele Onlineangebote, die unter einem bekannten Zeitschriftenlabel erscheinen, enthalten allgemeine, tagesaktuelle Meldungen als Bestandteile. Auch sind zunehmend Onlineshops des Electronic-Commerce integriert. Solche Bestandteile sind aber selbst den hergebrachten Definitionen von Zeitschriften wesensfremd, sie entgrenzen den Begriff und entwerten ihn somit zugleich ins Beliebige« (Vogel 2002:25). OnlinePublikationen würden sich als eigenständige Medien mit vielen Besonderheiten entwickeln, fährt Vogel fort. Bereits ihre Aktualisierung geschehe quer zu allem, was die Kommunikationswissenschaft bislang unter Periodizität faßte, die Arbeitweise von Onlineredaktionen sei inzwischen eher jenen von aktuellen Redaktionen in Hörfunksendern vergleichbar. »Onlinepublikationen sollten daher auch ihre eigenen Terminologien erhalten. Eine korrekte Möglichkeit wäre es, statt von ‘Onlinezeitschriften’ und ‘Onlinezeitungen’ von ‘publizistischen Sites’ im Internet zu sprechen – Tages-Sites, Fach-Sites, Populär-Sites, und so fort« (ebd.). 13 Auch diese Unterteilung ist nicht einheitlich, so finden sich bei Bleis neben den Publikumszeitschriften: Wissenschaftliche Fachzeitschriften, andere Fachzeitschriften, Kundenzeitschriften, Anzeigeblätter, sonstige Zeitschriften und Blätter (vgl. Bleis 1996:24).
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dem Terminus ‘Fachzeitschriften’ jene Vielzahl von Publikationen gezählt, denen gemeinsam ist, daß ihr Inhalt spezialisiert ist und daß sie sich in der Regel an einen kleinen, meist begrenzten Leserkreis wenden. Sie erreichen folglich meist nur eine geringe Auflage, sieht man von den Blättern von Organisationen mit sehr großen Mitgliederzahlen wie Kirchen, Gewerkschaften und Automobilclubs ab. Damit fallen unter diese Rubrik Standes-, Berufs-, und Verbandszeitschriften sowie Kunden-, Haus- und Werkszeitschriften.14 All diesen Publikationen ist weiters gemeinsam, daß sie der fachlichen, insbesondere der beruflichen Unterrichtung dienen.15 Unter die Bezeichnung ‘Publikumszeitschriften’ fallen alle periodischen Publikationen, deren Inhalt gar nicht oder doch nur so weit eingeschränkt ist, daß er auch von NichtFachleuten und Außenstehenden noch verstanden werden kann. Sie wenden sich prinzipiell an eine Leserschaft, die nicht durch Beruf, Stand oder Mitgliedschaft begrenzt ist, und dienen weniger der Bildung und Unterrichtung, sondern mehr der Beschäftigung ohne Anstrengung, der Unterhaltung oder Beratung.16 Andreas Vogel weist darauf hin, daß diese prinzipielle Unterscheidung wiederum bedeutende Unschärfen aufweist: »So weist der alljährlich zur Frankfurter Buchmesse erscheinende Zeitschriftenkatalog der Fachpresse auch eine Abteilung ‘1400 Freizeit und Hobby’ aus. Die hier verzeichneten Titel sind allesamt keine berufsbezogenen Publikationen. Ebenso finden sich in der Kategorie ‘Fachzeitschriften’ der IVW-Auflagenliste17 in letzter Zeit sogar zunehmend Modellbau-Zeitschriften für Hobbyeisenbahner und andere Modell-Liebhaber. Groth bezeichnet solche Titel übrigens als ‘populäre oder DilettantenFachzeitschriften’ [...]. Eine solche Erweiterung beschädigt aber die Homogenität des eng gefaßten Fachpresse-Gattungsbegriffs, der das Merkmal der disziplinären Weiterentwicklung [im Sinne der Ergänzung und Fortsetzung der Berufsausbildung; Anm. C.M.W.] in das Zentrum stellt.«18
Noch vager sei die Gattung Publikumszeitschriften. Die Kommunikationswissenschaft habe diese Formulierung im Laufe der Jahre in ihre Terminologie übernommen und damit die früheren Bezeichnungen ‘Unterhaltungszeitschriften’ bzw. ‘Freizeitzeitschriften’ ersetzt. Allerdings gab und gibt es laut Vogel in der Wissenschaft auch Stimmen gegen die Einbindung des Terminus ‘Publikum’, weil dieser Wortsinn irreführend bzw. ohne jedes Spezifikum sei – denn sein Publikum fände letztlich jedes Medium. Da zugleich die unter ‘Publikumszeitschriften’ gefaßten Titel nicht nur redaktionell hergestellte Periodika, sondern auch Comics, Romanhefte, Rätselhefte, Partworks etc. seien, hat Vogel bereits 1998 für eine engere homogene Gruppenbildung den Begriff der Populärpresse vorgeschlagen. Diese sei durch ihre intendierte Hauptfunktion näher zu beschreiben, die darin zu sehen sei, den Lesern durch eine redaktionell erarbeitete Themenmischung Erlebnisse zu verschaffen und Orientierung zu ermöglichen. Mit diesen Eigenschaften würden auch die zur Beschreibung der Gattung gängigen Bezeichnungen Magazin oder Illustrierte konnotiert.19 Doch mit der grundsätzlichen Klärung des Oberbegriffs ‘Publikumszeitschrift’ allein ist der Wirrnis nicht beizukommen, bedarf es doch einer weiteren sy14 15 16 17
vgl. Wilke 1999:401 vgl. ebd.:410 vgl. ebd.:403 Auflagenliste der Informationsgemeinschaft zu Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (Anm. C.M.W.) 18 Vogel 2002:22 19 vgl. Vogel 2002:23
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stematischen Spezifizierung der Vielheit der Zeitschriften, die sich in dieser Gattung finden. Diese fällt wiederum uneinheitlich aus. Unterteilt Vogel die Vielfalt der „Nicht-Fachzeitschriften“ ähnlich wie die deutsche Pressestatistik in zehn Typen, so weist die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) 21 Sachgruppen aus. Jürgen Heinrich wiederum schlägt eine allgemeine Differenzierung des Pressetypus ‘Zeitschrift’ vor, die im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit aufgrund ihrer Übersichtlichkeit sinnvoll und ausreichend erscheint, auch wenn sie im weiteren noch näher zu beleuchten sein wird. Heinrich unterscheidet nur vier Typen, die er aufgrund der ökonomischen Funktion der einzelnen Titel gewinnt: (1) Zeitschriften, die allgemeine, überwiegend politische und universelle Informationen für das breite Publikum bieten und den Rezipienten in seiner Rolle als Staatsbürger ansprechen. Diese könnten laut Heinrich Politische Zeitschriften genannt werden. Heinrich bringt als Beispiele für diesen Zeitschriftentypus Die Zeit, Der Spiegel, Focus, Stern, Welt am Sonntag und Super illu. (2) Zeitschriften, die spezielle Informationen für den Rezipienten in seiner Rolle als Konsument im weitesten Sinne liefern. Diese könnten laut Heinrich in Anlehnung an den in den USA üblichen Begriff ‘consumer magazine’ Konsumentenzeitschriften genannt werden. (3) Für Druckwerke, die ihren Rezipienten spezielle Informationen in ihrer Berufsrolle bieten und die in den USA unter ‘trade magazine’ fallen, schlägt Heinrich vor, den Begriff Fachzeitschrift beizubehalten. (4) Von diesen drei Typen sei ein weiterer zu unterscheiden, der aufgrund seiner primären Funktionen, nämlich den Interessen der Herausgeber zu dienen und Öffentlichkeitsarbeit sowie Werbung für bestimmte Institutionen zu machen, PR-Zeitschriften genannt werden könnte. Zu diesem Typus seien im einzelnen Kundenzeitschriften, Mitarbeiterzeitschriften, Aktionärsbriefe usw. und auch die sogenannte konfessionelle Presse zu zählen. In den USA sei für diesen Zeitschriftentypus der Begriff ‘public relation magazine’ gebräuchlich.20 Andreas Vogel geht davon aus, daß die Unübersichtlichkeit und die fehlende begriffliche Systematisierung des Themenbereichs ‘Zeitschrift’ einen Hauptgrund dafür darstellen, daß die Forschungstätigkeit auf dem Gebiet ‘Zeitschriften’ als marginal bezeichnet werden muß.21 Es gäbe keine ausreichende Klarheit über die Strukturiertheit der Presselandschaft, die über die Tagespresse hinausgeht; es fehle grundsätzlich an wissenschaftlichen Strukturuntersuchungen sowie an Gesamtdarstellungen über Veränderungen und Entwicklungen. »Die Forschungsökonomie zwingt daher geradezu jedes wissenschaftliche Projekt, auf den vielfältigen Arbeiten im Kontext der elektronischen Medien und der Tagespresse aufzubauen und das seit Jahrzehnten unübersichtliche Forschungs-Trümmerfeld „Zeitschriftenpresse“ zu umgehen.«22
20 vgl. Heinrich 2002:62f. 21 vgl. dazu auch Bohrmann 2002:28 22 Vogel 2002:17
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Dabei wird der Mediengattung ‘Zeitschrift’ durchaus hohe gesellschaftliche Relevanz zugesprochen. Und Hans Bohrmann gibt zu bedenken, daß die Frage gestellt werden muß, ob die Wissenschaft recht daran tut, den Medientypus derart zu vernachlässigen, obwohl die Bedeutung der Zeitschriftenpresse in den vergangenen Jahrzehnten eher noch weiter zugenommen als abgenommen habe.23 Jürgen Heinrich bietet Zahlen zum Marktvolumen des Sektors Zeitschriften. Diese belegen zwar (aus ökonomischer Sicht) Bohrmanns Einschätzung nicht, sie weisen aber aus, daß der Umsatz, der in Deutschland im Zeitschriftensektor erzielt wird, mit 16,5 Milliarden DM für das Jahr 1996 nahezu gleich hoch ist wie der im selben Jahr erwirtschaftete Umsatz der Tagespresse mit 16,9 Milliarden DM. Die Zahl der Vollbeschäftigten weist die Branche laut Heinrich als recht kleinen Wirtschaftszweig aus, sie beträgt einschließlich Teilzeitbeschäftigten rund 39 000. Der Vergleich des Umsatzes dieses Sektors mit dem Bruttoinlandsprodukt (+66,1% gegenüber 64,8% im Jahreszeitraum 1980–1990, ohne nennenswerte Veränderungen nach 1990) weist den Zeitschriftensektor weder als Wachstums- noch als schrumpfende Branche aus.24 Jürgen Wilke faßt die Entwicklungen der letzten Jahre dahingehend zusammen, daß sich eine signifikante Auflageneinbuße bei etablierten Publikationen bei gleichzeitiger erheblicher überproportionaler Vermehrung der Titelanzahl feststellen lasse.25 Abgesehen von der Bedeutsamkeit der Branche, die sich in volks- und betriebswirtschaftlichen Zahlen zeigt, finden sich laut aktueller Einschätzung einige Argumente, die den Sektor Zeitschrift (und die Mediengattung Presse allgemein) der wissenschaftlichen Auseinandersetzung empfehlen würden – weit über den bisher geleisteten Umfang hinaus: »Lesen als Schlüsselqualifikation für Printmedien, aber auch für die neuen Medien bis hin zum Internet sollte wieder in den Vordergrund gestellt werden. Da keine Rede davon sein kann, dass wir alles wichtige übers Lesen bereits wissen, ergibt sich die Aufgabe, gerade die Presse (Zeitungen und Zeitschriften) zu untersuchen. Denn soviel ist deutlich: Zeitungen sind das wichtigste Medium der politischen Information. Die Presse insgesamt erreicht langfristig die meisten Rezipienten. Und mit den Printmedien wird noch immer das meiste Geld verdient. Es scheint auch so zu sein, dass dauerhafte
23 vgl. Bohrmann 2002:29 24 vgl. Heinrich 2002:63 25 vgl. Wilke 1999b:405; laut Andreas Vogel hat sich kein anderes Medienprodukt im selben Umfang ausdifferenziert wie die Gattung Zeitschrift. Dies liege vor allem daran, daß die Barrieren zur Herausgabe einer Zeitschrift in Deutschland sehr niedrig seien: Es gibt keine Lizenzpflicht; Umfang, Auflage, Verbreitungsgebiet und Periodizität sind frei wählbar. Zeitschriften könnten darüber hinaus auch als nichtkommerzielle Produkte mit geringen Ressourcen gegründet werden. Die große Zahl an Schüler- und Vereinszeitschriften seien Beleg dafür (vgl. Vogel 2002:11). Die Entwicklungen im Bereich Druckvorstufe/Herstellung in den letzten beiden Jahrzehnten haben darüber hinaus die Kostenund Spezialwissen-Aufwendungen für die Herausgabe einer Zeitschrift deutlich gesenkt. Jürgen Wilke formuliert bezüglich der zu beobachtenden Ausdifferenzierung, es könne inzwischen nicht mehr nur von ‘Special-Interest-Zeitschriften’, sondern sogar schon von ‘Very-Special-Interest’-Titeln gesprochen werden. So würden die Rezipienten nicht nur über ihre allgemeinen Interessen angesprochen, sondern diese würden nach weiteren Kategorien ausdifferenziert, abzulesen etwa an Zeitschriften für Oldtimer-Fahrer, Cabrio-Fahrer usf. (vgl. Wilke 1999b:409).
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4 Zeitschriften als Thema der Medienforschung Eindrücke und sogar Meinungswechsel durch Printinformationen erzielt werden können [...],26 so sie denn aufgenommen werden.«27
Auch Vogel weist auf die hohe Relevanz der Lesemedien hin. Zeitschriften würden weitreichend rezipiert, es bedürfe weder einer Anmeldung noch eines technischen Empfangsgerätes zu ihrer Rezeption. Auch wer kein Geld für Zeitschriften ausgeben möchte, habe kostenlosen Zugriff auf Kundenzeitschriften, Amtsblätter oder Stadtillustrierte, aber auch auf Lesezirkel-Exemplare bei Ärzten, beim Friseur oder in Gaststätten. »Als These kann zudem aufgestellt werden: Die Zeitschrift ist dasjenige Medienprodukt, in dem frühzeitig, intensiv und mit großer Tiefe über alle anderen Medien berichtet und debattiert wird. Jedes neue Medium bewirkt die Gründung von Spezialzeitschriften [...] Auf diese Weise hat sich auch gezeigt: Computer und Internet leiten nicht das Ende der Zeitschriften ein. Vielmehr ist eine Fülle von Zeitschriften neu entstanden, deren Inhalte rund um diese Themen kreisen [...].«28
Darüber hinaus lasse sich feststellen, daß uns Zeitschriften im außerhäuslichen Alltag deutlich häufiger begegneten als Fernsehgeräte, Radios oder Zeitungen. Dies einerseits aufgrund eines dichten Netzes von Presseverkaufsstellen und andererseits eben durch ihre Auslage in Fachgeschäften, Büros, Ämtern, Praxen und Gaststätten: Deshalb seien Zeitschriften „omnipräsent“.29 Daß das Medium ‘Zeitschrift’ nicht seiner Verbreitung und Relevanz entsprechend untersucht wird, dafür finden sich in der aktuellen Besprechung des Forschungsfeldes weitere Gründe neben der festgestellten Unübersichtlichkeit und fehlenden (begrifflichen) Systematik. So würden etwa Daten bezüglich Nutzung und Produktion teilweise nicht erhoben, teilweise nicht zugänglich gemacht, vorhandene Zahlen seien vielfach uneinheitlich und schwer vergleichbar.30 Systematische Strukturdarstellungen und Strukturuntersuchungen, die das Forschungsfeld zugänglicher und übersichtlicher machen könnten, würden in dem von der Publizistik zur Kommunikationswissenschaft gewandelten Fach an sich eher gering geschätzt. Obwohl für die wissenschaftliche Abhandlung als Basis für eine Einordnung des Untersuchungsgegenstandes notwendig, würden sie im heutigen Wert-Ranking wissenschaftlicher Aufgabenstellungen häufig als „bloße Marktübersichten“ niedrig eingestuft. Diejenigen, die sich (trotzdem) der kontinuierlichen wissenschaftlichen Erforschung von zeitgenössischen Presseprodukten widmen, seien – und dies ist laut Andreas Vogel in diesem Zusammenhang vielleicht kein Zufall – zumeist
26 Hier verweist Bohrmann auf eine Untersuchung von Klaus Schönbach: Das unterschätzte Medium. Politische Wirkungen von Presse und Fernsehen im Vergleich (1983). 27 Bohrmann 2002:38; zur Bedeutung der Lesekompetenz als entscheidender funktionaler Voraussetzung für die kompetente Nutzung anderer Medien vgl. auch Hurrelmann 1998. 28 Vogel 2002:12 29 vgl. ebd.; relativierend räumt Vogel ein, daß die Nutzungsdauer von Zeitschriften im Vergleich zu Hörfunk und Fernsehen deutlich geringer sei. Er bezweifelt allerdings, daß die Reichweitenstudien, die die Nutzung von Zeitschriften im Vergleich zu anderen Medienprodukten abfragen, wirklich korrekte Werte ermitteln können, da die ungestützte Erinnerung vieler Menschen einer gewissen Täuschung unterliege (vgl. ebd.). 30 vgl. etwa Wilke 1999b:403, 411; auch Vogel 2002:19; sehr ausführlich zum Problem der Datenquellen, die Angaben über Zeitschriften (speziell politische Zeitschriften) enthalten: Pütter 1997:77ff.
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außerhalb der kommunikationswissenschaftlichen Hochschulinstitute tätig oder tätig gewesen.31 Jürgen Heinrich faßt den Status quo der Zeitschriftenforschung aus Sicht des Medienökonomen zusammen; auch er sieht die Unübersichtlichkeit des Forschungsfeldes sowie mangelhaftes Datenmaterial als Hauptgründe für die fehlenden Forschungsarbeiten zu dem Gebiet ‘Zeitschriften’. »Die geringe Beachtung in der medienökonomischen Forschung, die insgesamt schon als äußerst lückenhaft bezeichnet werden kann, ist ansatzweise erklärlich: Die Zeitschrift an sich ist abstrakt kaum zu denken, vielmehr zeichnet sich der Zeitschriftensektor durch eine ungeheure Vielfalt von Typen aus, die in ganz unterschiedlicher Weise den Systemen von Wirtschaft, Wissenschaft, Journalistik oder Kunst zuzuordnen sind; die Datenlage ist in Deutschland mit dem Einstellen der amtlichen Pressestatistik äußerst unbefriedigend geworden; der Sektor Zeitschriften ist quantitativ zwar dem Zeitungssektor vergleichbar, qualitativ aber von weitaus geringerer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung, und schließlich ist die Zeitschrift ein recht altes Medium, das mit spektakulären Innovationen nicht aufwarten kann und auch keine Wachstumsbranche ist. Ein Rest an Erstaunen bleibt gleichwohl.«32
Andreas Vogel und Christina Holtz-Bacha bilanzieren den Stand der Disziplin und die »vielfältigen weißen Flecken« der Zeitschriftenforschung folgendermaßen: »In Deutschland besteht [...] eine auffällige Diskrepanz des Umfangs wissenschaftlicher Grundlagenforschung zur vorfindbaren Fülle an periodischen Zeitschriften aller Art, zum Engagement der Pressewirtschaft in der Vermarktung von Zeitschriften, zum Kartellrechtlichen Regelungsbedarf von Pressemärkten und schließlich zur Relevanz von Zeitschriften für die Vermittlung jüngster Moden, Trends, Tendenzen und Entwicklungen in allen Lebens- und Berufsbereichen.«33
Für die vorliegende Arbeit kann folgendes festgehalten werden: Mit Jürgen Heinrich können Nachrichtenmagazine als Zeitschriften definiert werden, die allgemeine, überwiegend politische und universelle Informationen für das breite Publikum bieten und den Rezipienten in der Rolle des Staatsbürgers ansprechen. Durch diese Rolle ist das Medium ein geeigneter Forschungsgegenstand, um darüber Auskunft zu erhalten, wie Politik medial vermittelt wird. Nachrichtenmagazine richten sich nicht grundsätzlich an einen eingeschränkten Publikumskreis, sondern an „den Bürger“. Manche der Erkenntnisse können damit mit Einschränkungen über die massenmediale politische Berichterstattung an sich Auskunft geben. Wie in den weiteren Ausführungen zum Zeitschriftentyp ‘Nachrichtenmagazin’ noch festzustellen sein wird, behaupten sich Nachrichtenmagazine mit Erfolg am Medienmarkt, was darauf schließen läßt, daß sie im Rahmen der öffentlichen Kommunikationsprozesse eine sehr spezifische Funktion übernehmen. Dies macht sie für eine politikwissenschaftliche Untersuchung besonders interessant. Durch die Wahl des Untersuchungsgegenstandes kann darüber hinaus ein Beitrag zu einem Forschungsfeld geleistet werden, das als bisher nicht seiner gesellschaftlichen Bedeutung entsprechend bearbeitet gilt. Aufgrund der erfolgten Darstellung des Forschungsbereichs Zeitschrift und der zuvor festgestellten geringen akademischen Aufmerksamkeit gegenüber dem Untersuchungsfeld Visuelle Kommunikation verwundert es nicht, daß sich in deren Über31 Vogel führt in diesem Zusammenhang als Beispiele auf: Helmut H. Diederichs (Pressewesen), Walter J. Schütz (Tagespresse) und Horst Röper (Tages- und Publikumspresse, Verlagsstrukturen), vgl. Vogel 2002:24. 32 Heinrich 2002:62 33 Vogel/Holtz-Bacha 2002:7
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schneidungsbereich (dem Forschungsfeld Visuelle Kommunikation in Zeitschriften) nur äußerst wenige wissenschaftliche Analysen finden. Im nächsten Abschnitt soll in einem Überblick dargestellt werden, welche Untersuchungen zur Thematik aktuell vorliegen, um in einem späteren Schritt zusammenzufassen, welche Schlüsse aus den Forschungsergebnissen und -defiziten für die Untersuchung der visuellen Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen gezogen werden können.
4.3
Zeitschriftenforschung und visuelle Darstellungsformen. Ein Überblick zur aktuellen Forschung
In den letzten Jahren sind zwei umfangreichere annotierte Bibliographien zum Thema Medien/Medienkommunikation erschienen. Da die Herausgeber beider Werke es sich zum Ziel setzen, einen Überblick zu den wesentlichen aktuellen Werken des Themenbereichs zu geben, kann ein Blick auf die in den Verzeichnissen angeführten Arbeiten einen ersten Aufschluß darüber geben, welche Forschungsarbeiten zur Thematik visuelle Vermittlung in Printmedien/Zeitschriften vorliegen. Gerfried W. Hunold ist der Herausgeber der Bibliographie Medien, Wahrnehmung, Ethik – Eine annotierte Bibliografie.34 Hunold möchte mit diesem Werk, für das deutsch-, französisch- und englischsprachige Monographien, bibliographische Hilfsmittel, Datenbanken und Zeitschriften umfassend ausgewertet wurden, einen Überblick über die medienwissenschaftliche Literatur der letzten 15 Jahre geben, wobei sowohl kommunikationswissenschaftliche als auch psychologische, philosophische und anderen Disziplinen entstammende Werke berücksichtigt wurden. In dieser alphabetisch geordneten Übersicht über relevante Forschungsbeiträge findet sich keine Untersuchung, die sich erkennbar mit dem Medium ‘Zeitschrift’ auseinandersetzt. Alle Arbeiten, die sich auf die Thematik visuelle Vermittlung beziehen lassen, widmen sich diesem Themenfeld entweder aus sehr allgemeinem Blickwinkel, wie etwa Bernd Weidemanns Arbeit psychische prozesse beim verstehen von bildern (1988) oder Gernot Wersings bausteine zu einer theorie der nachmodernen visuellen kommunikation (in Bentele/Rühl 1993), oder sie beziehen sich auf die Bildverwendung in Fernsehen oder Film wie beispielsweise Hans-Bernd Brosius’ Arbeit Bebilderung von Fernsehnachrichten: Unter welchen Bedingungen ist sie von Vorteil? in der Zeitschrift Rundfunk und Fernsehen (37/1989) oder Ursula Oomens Artikel Bildfunktionen und Kommunikationsstrategien in Fernsehnachrichten (in Bentele/Hess-Lüttich 1985). Darüber hinaus finden sich Arbeiten zu Bildwirkungen im Zusammenhang mit Werbemaßnahmen wie z.B. Werner Koeber-Riehls Bildkommunikation (1993). Christian Filk und Michael Griske strukturieren ihre Bibliographie Einführung in die Medienliteratur. Eine kritische Sichtung35 thematisch. Ziel der Autoren ist es, dem Leser eine ausgewählte Übersicht über einschlägige Veröffentlichungen zu medienwissenschaftlichen Fragestellungen zur Verfügung zu stellen, die wichtige wissenschaftliche Positionen der Disziplin in Geschichte und Gegenwart markieren. 34 vgl. Hunold 2001 35 vgl. Filk/Griske 2002
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Bei der Sichtung des Abschnittes zur Mediengattung ‘Printmedien’ ergibt sich folgendes: Interessanterweise berücksichtigt Christoph Barth, der Autor des Kapitels ‘Pressemedien’, im Gegensatz zu Hunold in seinem Literaturüberblick zur Thematik mehrere Werke zur Gestaltung von Printmedien. Dabei fällt auf: Die Mehrzahl dieser Werke beleuchtet das Themenfeld ‘visuelle Vermittlung in Printmedien’ aus der Perspektive der Herstellungspraxis, so etwa Sammye Johnsons und Patricia Prijatels The Magazine from Cover to Cover: Inside a Dynamic Industry (2000). Die Autoren besprechen zum einen die verschiedenen Aspekte der Zeitschriftenproduktion, zum anderen betrachten sie Zeitschriften aus unterschiedlichen Blickwinkeln: aus historischer Perspektive (etwa als Spiegel verschiedener gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen), oder sie beleuchten Thematiken wie ‘Rassismus und Zeitschrift’. Zeitschriften-Design als Layout-, Typografie- und Farbgestaltung sowie deren technische Bedingungen werden als ein herstellungsrelevanter Faktor in die Besprechung des Mediums aufgenommen. Andere in die Bibliographie aufgenommene Titel entstammen der Fachliteratur des Bereichs Grafik-Design, so etwa die beiden „Klassiker“ des US-amerikanischen Grafik-Designers Mario R. Garcia36 Eyes on the News (gemeinsam mit Pegie Stark 1991) und Contemporary Newspaper Design (1993). In Eyes on the News geben Mario Garcia und Pegie Stark die Ergebnisse einer Blickaufzeichnungsstudie wieder, in der die Lese- und Orientierungsgewohnheiten von Zeitungslesern untersucht wurden. In der Studie wurden drei in Layout, Bildverwendung und Farbgestaltung unterschiedliche Prototypen in drei unterschiedlichen Regionen der USA getestet. Ziel der Studie war es, festzustellen, wie Zeitungen gestaltet werden müssen, um die Aufmerksamkeit der Leser optimal zu steuern. Die Autoren der Studie gehen davon aus, daß anhand der Befunde die Plazierung und Gestaltung von Beiträgen, Fotos, Promoboxen und Überschriften nicht nur nach ästhetischen Gesichtspunkten, sondern auch auf der Basis empirischer Ergebnisse vorgenommen werden können.37 Das ebenfalls von Barth in seine Besprechung aufgenommene Werk Seeing the Newspaper von Kevin G. Barnhurst (1994) setzt es sich zum Ziel, einen (historischen) Überblick über die Entwicklung der Zeitungsgestaltung zu geben. Gunther Kress und Theo van Leeuwen nimmt Barth mit ihrem Artikel Front Pages: The Critical Analysis of Newspaper Layout (in Bell/Garrett 1998) in sein Verzeichnis auf, womit sich eine weitere Arbeit zur Tagespresse findet.38 Nicht näher bespro36 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde mit Mario R. Garcia ein Interview zum Thema ‘visuelle Nachrichtenvermittlung’ geführt. Erkenntnisse aus diesem Gespräch, das im Jahr 2001 in Berlin geführt wurde, sowie für diese Arbeit relevante Ansichten Garcias aus seinen Werken finden sich im weiteren Verlauf der Arbeit. 37 Auf diese Ergebnisse wird im weiteren noch zurückzukommen sein. 38 Zu aktuell, um in die Überblicksdarstellung Barths Eingang gefunden zu haben, ist eine Arbeit, die sich ebenfalls mit der Titelseitengestaltung eines tagesaktuellen Mediums auseinandersetzt: Stefan Schirmers Die Titelseiten-Aufmacher der ‘Bild’-Zeitung im Wandel. Eine Inhaltsanalyse unter Berücksichtigung von Merkmalen journalistischer Qualität (1997). Die ursprünglich als Diplomarbeit im Fach Kommunikationswissenschaft erstellte Untersuchung fragt nach den Veränderungen des Boulevardstils auf textlicher und bildlicher Ebene, konzentriert sich dabei aber ausschließlich auf die Titelseitengestaltung der Tageszeitung Bild. Schirmer stellt einen Trend zur Personalisierung fest, der Einsatz von Fotos in den Aufmachern der Zeitung habe sich reduziert – an erster Stelle steht laut Schirmer eindeutig die Schlagzeile. Aktivierende Bildinhalte wie Sex oder Gewalt fänden sich im Vergleich eher selten, die meisten Bilder zeigten Menschen „pur“: Im Laufe der Zeit wurden die An-
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chen, aber in der Auswahlbibliographie angeführt findet sich Rudi Rengers und Franz Rests Artikel zum Thema visuelle Mediengestaltung Design als Vision. Zur analytischen Auseinandersetzung mit printmedialen Produkten.39 Renger und Rest gehen in ihrer theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik ‘Presse-Design’ davon aus, daß die redaktionelle und gestalterische Arbeit für ein Printmedium eine untrennbare Einheit aus gleichwertigen Teilen darstellt. Daraus leiten sie einen Anspruch an printmediale Qualität im Bereich der Visualisierung ab, der ihrer Auffassung nach als erfüllt gewertet werden kann, wenn drei Punkte umgesetzt werden: (1) Aufmerksamkeit des Publikums gewinnen; (2) Leser-Dienlichkeit, d.h. es werden Auswahlmöglichkeiten und angenehmes „Handling“ geboten, und (3) Visualisierung, d.h. Veranschaulichung von Inhalten durch vermehrten Einsatz visueller Elemente. Von diesen drei Zielen ausgehend formulieren die Autoren „Zehn Grundsätze eines modernen und qualitätsvollen Kommunikationsdesigns“. Diese als Gestaltungsmaximen postulierten Punkte spiegeln in der Art, wie sie von Renger und Rest formuliert werden, wider, daß die beiden Autoren am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg unter anderem praktische Mediengestaltung lehren. Ihre Arbeit kann als „begründete Handlungsanweisung“ gesehen werden und gliedert sich so in die Reihe der oben angeführten Werke zur ‘praktischen Mediengestaltung’ ein – eine Informationsquelle zum Thema ‘visuelle Informationsvermittlung’, auf die im weiteren eingehend Bezug genommen werden wird. Der Kommunikationswissenschaftler Thomas Knieper und die Politologin Marion G. Müller sind die Autoren eines 2001 erschienenen Sammelbandes mit dem Titel Kommunikation visuell. Das Bild als Forschungsgegenstand – Grundlagen und Perspektiven.40 Dieser Band ist aus der Gründungstagung der Fachgruppe Visuelle Kommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) im Jahr 2000 hervorgegangen und setzt es sich zum Ziel, »das noch ungeordnete und disparate Forschungspanorama zu sichten«.41 Unter den äußerst interessanten (hier teils bereits mehrfach zitierten) Beiträgen finden sich zwei Arbeiten, die „Schlüsselwörter“ für die hier behandelte Fragestellung im Titel tragen. Es erweist sich aber bei beiden, daß sie die Thematik nur sehr peripher berühren: David R. Thomson und Birgit Wassmuth behandeln das Thema Kulturunterschiede bei visuellen Darstellungen im Netz. Ein Vergleich des digitalen Zeitungsdesigns in Deutschland und den USA. Ihre Fragestellung zielt darauf ab zu klären, ob Online-Zeitungen in ihrer visuellen Gestaltung nationale Eigenschaften aufweisen. Die Autoren stützen sich auf die Zeichentheorie von Charles Morris und versuchen vor diesem theoretischen Hintergrund, die beim Auftritt von Online-Zeitungen verwendeten Zeichen hinsichtlich deren kultureller Besonderheiten zu untersuchen. Da Thomson und Wassmuth unter „Zeichen“ Icons und Symbole verstehen, die dem Online-Zeitungsrezipienten die Orientierung und „Navigation“ bei der Nutzung des Angebots erleichtern sollen, geht aus dieser Arbeit – unabhängig von der im vorigen
zahl der abgebildeten Menschen sowie der Bildausschnitt zunehmend verengt (vgl. Schirmer 2001:135ff.). 39 vgl. Renger/Rest 1997 40 vgl. Müller/Knieper 2001 41 ebd. 2001:7
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Kapitel angeführten „Ausschließung“ von Online-Produkten aus dem Zeitschriftenund Zeitungsbegriff – kein nennenswerter Informationsgehalt für die hier zu behandelnde Fragestellung hervor. C. Zoe Smith nimmt sich im gleichen Band eine Bildagentur zum Thema. Unter dem Titel Die Bildagentur Black Star. Inspirationen für eine neue Magazinfotografie in den USA bietet Smith eine Darstellung des Arbeitszusammenhangs der Bildagentur Black Star, die in den USA der 1930er Jahre gegründet wurde. Die Autorin fokussiert ihre Untersuchung auf die Fragestellung, wie sich in den USA zu dieser Zeit ein neuer stilistischer Zugang zur Illustrierten-Fotografie entwickelt hat, der auf den Abdruck authentischer Momentaufnahmen sowie Bildreportagen setzte und vor allem im US-amerikanischen Bildmagazin Life realisiert wurde. Interessant ist, daß diese Form des Bildjournalismus nachweislich den Stil des Nachrichtenmagazins Time beeinflußte. Zoe zeichnet anhand der Methoden der „Oral History“ und der klassischen Archivrecherche die Entstehungsgeschichte der Bildagentur Black Star nach und stellt kurz die bei der Agentur beschäftigten Fotografen vor. Die Arbeit kann dem Forschungsbereich ‘Geschichte des Foto-Journalismus’ zugeordnet werden, bringt aber als solche keine nennenswerten Ergebnisse für die vorliegende Arbeit. Ursula E. Koch und Thomas Knieper wenden sich im selben Sammelband ebenfalls im weitesten Sinne den Printmedien zu: Koch gibt einen Überblick zum Forschungsbereich ‘politische Karikatur’ unter historischer Perspektive, und Knieper wirft zum selben Thema einen Blick in die Zukunft. Unter dem Titel Die Zukunft der politischen Karikatur behandelt der Autor die Frage nach der Bedeutung der politischen Karikatur im (zukünftigen) politischen Kommunikationsprozeß. Karikaturen werden als Abbildungen in der vorliegenden Arbeit zwar thematisch berührt werden, die Fragestellung Kniepers weist jedoch in eine völlig andere Richtung als die hier zu behandelnde. In dem vom Politikwissenschaftler Wilhelm Hofmann 1999 herausgegebenen Übersichtswerk Die Sichtbarkeit der Macht. Theoretische und empirische Untersuchungen zur visuellen Politik42 findet sich eine Arbeit zu visueller Kommunikation in Printmedien: Jürgen Wilkes Die Visualisierung von Politik und politische Macht durch Nachrichtenbilder. Wilkes Untersuchung soll aufgrund iher Nähe zu dem in der vorliegenden Arbeit Angesprochenen ausführlicher vorgestellt werden. Dies auch aus dem Grund, daß Wilkes Forschungsprojekt ein Kategoriensystem zugrunde liegt, das in verschiedenen – teils bereits zitierten – Arbeiten in ähnlicher Form angewandt wurde und das im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung diskutiert werden wird. Bei der Anlage seines Untersuchungs-Designs geht Wilke davon aus, daß ein gewinnbringender Weg, um die Visualisierung von Politik und politischer Macht zu untersuchen, darin besteht, sich dem Bildangebot der Nachrichtenagenturen zuzuwenden, die die tagesaktuellen Massenmedien mit Fotos beliefern. Wilke untersucht das Bildangebot dreier deutscher Bilderdienste, das dem Ressort Politik zugeordnet werden konnte,43 inhaltsanalytisch auf die Merkmale Format, Einstellungsgrößen, 42 vgl. Hofmann 1999 43 Untersuchungszeitraum: eine Woche, Anzahl der untersuchten Bilder: 732
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Perspektive der Aufnahme, Bildinhalte und Bildmotive, diese wiederum unterschieden nach situativem Inhalt und inszeniertem Inhalt. Darüber hinaus erfaßt Wilke die auf den Bildern dargestellten Akteure nach den Merkmalen nationale Zugehörigkeit (Deutschland/Nicht-Deutschland) und politisches Amt/Tätigkeitsfeld. Zusätzlich differenziert er die innenpolitischen Akteure nach Regierungs- oder Oppositionszugehörigkeit und vergleicht, ob sich Unterschiede zeigen bezüglich der Kategorien Darstellungsweise (situatives Bildmotiv/inszeniertes Bildmotiv), Zahl der abgebildeten Hauptakteure (Einzelperson/zwei Personen/Gruppenbild), Geschlecht, Bekanntheit (international/national), Darstellung (Ganzkörper/Oberkörper/Portrait), Wertgehalt (positiv/negativ/ambivalent). Anhand der Ergebnisse seiner Untersuchung stellt Wilke zum einen fest, daß auf den von ihm untersuchten Bildern hauptsächlich Personen abgebildet wurden – und dies im höheren Maße als in anderen Ressorts. Die Auszählung nach Darstellungsweise ergab laut Wilke, daß rund 20% der Nachrichtenbilder inszenierte Situationen wiedergeben, die bevorzugte Einstellungsgröße der Bilder mit situativen Inhalten sei die Totale, bei inszenierten Inhalten würde die Halbtotale überwiegen. Der Großteil der Bilder würde aus Augenhöhe aufgenommen. Darüber hinaus überwiegen Bilder mit Einzeldarstellungen, mit über 90% meist Männer, auf 70% der Bilder ist der Oberkörper der Abgebildeten zu erkennen, nur jedes zehnte Bild ist eine Portraitaufnahme. Bei den Dargestellten handelt es sich meist um politische Akteure gehobener Position, wie etwa Staatsoberhäupter oder Mitglieder der Exekutive. Etwa zwei Drittel der Abgebildeten gehören der Regierung an – es bestätige sich laut Wilke somit der in der journalistischen Berichterstattung zumeist vorherrschende Amtsbonus. Wilke zeigt auch auf, daß die Abbildungen von Regierungs- und Oppositionsmitgliedern im Vergleich der Darstellungsweisen Unterschiede in manchen Kategorien aufweisen. Bezüglich nationaler Zuordnung der Bildmotive zeigt sich laut Wilke, daß zwei Drittel der Bilder der Rubrik ‘Ausland’ zuzuordnen sind. Über diese Merkmale hinausgehend versuchte Wilke, den „Bild- und Wertgehalt“ der Fotografien zu erfassen. Der Autor räumt ein, daß die Zuordnungen innerhalb dieser Kategorien „höchst subjektiv“ und von individuellen Anmutungen abhängig seien. Das Ergebnis, zu dem der Autor der Untersuchung durch seine Auszählung kam, ist, daß nur 23 von 731 Bildern des Ressorts Politik attestiert werden konnte, Gefühle in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn dies der Fall war, dann seien laut Wilke zumeist negative Emotionen geweckt worden. Positive Emotionen würden sich vor allem bei jenen Bildern finden lassen, die auch der Kategorie ‘inszenierte Bilder’ zugerechnet wurden.44 In einem letzten Vergleich stellt Wilke die Frage, ob sich Unterschiede zwischen den Bilddiensten in der Visualisierung von Politik und Macht feststellen ließen. Diese erwiesen sich allerdings als geringfügig 44 Eine umfangreiche Untersuchung zur emotionalen Aussage von Bildern, die anhand eines sehr ausdifferenzierten Analyseschemas vorgenommen wurde, legen Ulrich Saxer und Martina MärkiKoepp vor. Neben ähnlichen Kategorien, wie sie sich auch bei Wilke finden, werden Merkmale der Gefühlsmimik, der Körpersprache sowie der emotionalen Interaktion/körperlichen Berührung erhoben. Darüber hinaus beziehen Saxer/Märki-Koepp etwa auch „Kleiderbotschaften“ der abgebildeten Personen in ihre Untersuchung ein. Die Untersuchung analysiert allerdings vier Schweizer Zeitschriften (Magma, Schweizer Illustrierte, Schweizer Familie, Glückspost), die sich vor allem des Fotogenres Publicity-Foto/Prominenten-Fotografie bedienen (vgl. Saxer/Märki-Koepp 1992).
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und zeigten sich am ehesten darin, daß die Bilddienste AP und Reuters im Gegensatz zu dpa ihren Schwerpunkt bei Auslandsbildern setzen. Wilke schließt aus seiner Untersuchung, daß Politik und Macht durch Nachrichtenbilder in spezifischer Weise visualisiert werden. Dabei würde es sowohl eine Rolle spielen, was gezeigt wird, als auch, wie es gezeigt wird. Es sei feststellbar: Bestimmte Bildinhalte werden bevorzugt in bestimmten Bildformen wiedergegeben. Es dürfe laut Wilke unterstellt werden, daß diese Visualisierung, insbesondere die Personalisierung, die Wahrnehmung von Politik und politischer Macht beeinflußt. Relativierend räumt Wilke ein, daß in seiner Studie das Bildmaterial untersucht wurde, das den einzelnen Redaktionen von den Bildagenturen zur Verfügung gestellt wird. Welche Auswahl die Redaktionen aus diesem Angebot treffen und wie sie die Bilder für die Veröffentlichung weiterverarbeiten (Bildausschnitt), wurde von der Untersuchung nicht erfaßt. Darüber hinaus sei zu bedenken, daß Nachrichtenbilder in der Regel nicht isoliert gebracht werden, sondern mit Unterschriften versehen seien oder im Rahmen eines gedruckten oder gesprochenen Textes präsentiert würden. Wilkes Untersuchung bestätigt im Gesamtbild die bereits angesprochenen Befunde, die allgemein zur thematischen und formalen Darstellung von Politik in Medien vorliegen. Die Untersuchung setzte sich nicht zum Ziel, zeitliche Entwicklungen zu dokumentieren; es bleibt somit unklar, ob sich Veränderungen in der Art und Weise, wie Bildagenturen Politik visuell darstellen, vollziehen. Ein aktuelles Forschungsprojekt von Jürgen Wilke45 fokussiert in seiner Fragestellung sehr wohl auf Veränderungen in der visuellen Presseberichterstattung entlang der Zeitachse: Unter dem Titel Zeitungsbilder in der Wahlkampfberichterstattung 1949 bis 2002 untersucht Wilke, wie sich die Entwicklung der medialen Nachrichtenvermittlung hin zu mehr „visuellem Gesicht“ auf die Wahlkampfberichterstattung in Deutschland niedergeschlagen hat. Gegenstand der Untersuchung waren die Frankfurter Rundschau, die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt (1949: Der Tagesspiegel anstelle der FAZ). Für die Untersuchung herangezogen wurden die jeweils letzten vier Wochen vor dem Wahltag, aus diesem Zeitraum wurde jede zweite Ausgabe der Zeitung ausgewählt. Es ergab sich laut Wilke folgendes Bild: »Nicht überraschend ist, daß die Anzahl der Fotos in der Wahlkampfberichterstattung zugenommen hat. 1949 war es im Untersuchungszeitraum lediglich ein Foto, 2002 dagegen wurden 70 veröffentlicht. Allerdings gab es von Wahl zu Wahl Schwankungen. Schon 1976 und dann wieder 1998 gab es besonders viele Fotos. Doch der Gipfel wurde erst bei der jüngsten Bundestagswahl erreicht, nie zuvor gab es so viele Bilder. Allerdings geht dieser Anstieg überwiegend auf das Konto einer Zeitung, und zwar der Welt. Sie war 2002 nicht nur das Blatt mit den meisten (Kandidaten-)Fotos, sondern auch das kreativste hinsichtlich der Bildgestaltung. An den Fotos, mit denen die Zeitungen ihre journalistischen Beiträge illustriert haben, lassen sich mehrere Entwicklungen festmachen. Technisch sind die Bilder variantenreicher und perfekter geworden. Einfache Portraitaufnahmen standen am Anfang, seit den 1980er Jahren kamen Groß- und Nahaufnahmen auf. Ferner zeigt sich langfristig ein Motivwechsel, der auf Veränderungen in der Wahlkampfführung zurückweist. Auch nutzen die Parteien seitdem die Möglichkeit, ihre Slogans über die Fotos der Kandidaten zu vermitteln. Zudem gibt 45 Das Projekt wurde laut Projektbericht 2003 fertiggestellt; die Veröffentlichung der Ergebnisse im einzelnen war im Dezember 2003 noch in Vorbereitung. Die hier präsentierte knappe Skizze der Ergebnisse konnte dem Forschungsbericht der Datenbank Presseforschung entnommen werden (vgl. Wilke 2003).
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4 Zeitschriften als Thema der Medienforschung es zunehmend expressivere und auch private Bilder der Kanzlerkandidaten. Neuerdings findet man ferner synkretistische Bilder sowie auch Beispiele für visuelle Selbstreferenz.«46
Das Untersuchungsthema von Wilkes Arbeit ist nicht so sehr die Veränderung der medialen Berichterstattung an sich, sondern die Veränderung der Wahlkampfberichterstattung – seine Ergebnisse können deshalb sicherlich nicht eins zu eins auf die redaktionelle politische Berichterstattung an sich umgelegt werden. Allerdings ist anzunehmen, daß die Redaktionen nicht aufgrund einer bevorstehenden Nationalratswahl einen plötzlichen Bruch in ihrer Darstellungsweise vornehmen – vor dem Hintergrund dieser Annahme kann man also sicherlich allgemeine Trends der visuellen Vermittlung in Zeitungen aus der Untersuchung ablesen.47 Wie Wilkes Untersuchung (2003) zielt auch eine Arbeit von Susanne Stark auf die Beantwortung der Fragestellung nach Veränderung in der visuellen Darstellungsweise. Dabei wählt Stark aber nicht wie Wilke die tagesaktuelle Presse, sondern Zeitschriften als Untersuchungsgegenstand. Starks Arbeit wurde ursprünglich im Rahmen eines Promotionsverfahrens am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung der Universität des Saarlands erstellt. Die Autorin ordnet ihre Arbeit als Medienanalyse der Kommunikationsforschung zu. Die Untersuchung mit dem Titel Stilwandel von Zeitschriften und Zeitschriftenwerbung. Analyse zur Anpassung des Medienstils an geänderte Kommunikationsbedingungen (1992) wird aber vor allem dahingehend ausgewertet, welche Folgerungen aus den Befunden für das Marketing von Zeitschriften zu ziehen sind. Stark bearbeitet anhand einer umfangreichen Inhaltsanalyse einige für die vorliegende Arbeit sehr interessante Hypothesen, auch diese Arbeit soll deshalb ausführlicher vorgestellt werden.48 Stark nimmt den Ausgangspunkt für ihre Arbeit bei der Feststellung, daß Kommunikation, wenn sie die direkte persönliche Ebene verläßt und die Arena der Massenkommunikation betritt, maßgeblich durch das für den Kommunikationsprozeß gewählte Medium geprägt wird. Diese besondere Prägung nennt Stark Medienstil. »Das ‘Was’ der Kommunikation besteht in den gewählten Themen und Inhalten, das ‘Wie’ der massenmedialen Kommunikation wird mit dem Begriff Medienstil umschrieben.«49
Dieses Phänomen ‘Medienstil’ nennt Susanne Stark den zentralen Forschungsgegenstand ihrer Arbeit. Näher definiert wird das Phänomen Medienstil als visuell wahrnehmbare Präsentationsform in Schrift und Bild,50 woraus deutlich wird, daß Starks 46 Wilke 2003:[www] 47 Hier sei auf eine ältere Untersuchung zur Bildverwendung in Zeitschriften von Hans Mathias Kepplinger (1987) verwiesen. Unter dem Titel Charakterfiktionen von Reagan, Breschnew, Schmidt und Genscher in Stern und Time macht Kepplinger anhand verschiedener Untersuchungsergebnisse deutlich, daß die Daten darauf hinweisen, daß die Redaktionen dazu tendieren, Pressefotos entsprechend der jeweiligen Linie der Blätter auszuwählen. Auf diese Ergebnisse wird noch zurückzukommen sein. 48 Laut der bereits dargelegten Typisierung von Zeitschriften nach Heinrich ist die Zeitschrift Stern, wie auch die in die vorliegende Untersuchung einbezogenen Nachrichtenmagazine, der Kategorie Politische Zeitschriften zuzuordnen (vgl. Heinrich 2002:62f.). Dieser Aspekt macht die umfangreiche Studie für die zu beantwortende Forschungsfrage besonders interessant, obwohl Stern nicht in die noch vorzustellende empirische Analyse einbezogen wurde. Warum die deutsche Zeitschrift Stern wie auch das Österreichische Magazin News nicht in die vergleichende Untersuchung einbezogen wurden, wird im weiteren noch zu begründen sein. 49 Stark 1992:4 50 ebd.:14
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Arbeit visuelle Medienkommunikation (im hier definierten Sinne) zum Thema hat. Sie unternimmt es, anhand einer theoretischen und empirischen Analyse einerseits die Rahmenbedingungen des Medienstils und andererseits den Medienstil selbst zu untersuchen, wobei die Forscherin eine Einschränkung auf das Medium ‘Zeitschrift’ vornimmt, das in der empirischen Untersuchung von der Zeitschrift Stern repräsentiert wird. Im theoretischen Teil ihrer Arbeit beschreibt Stark Entwicklungen, Veränderungen und Trends des Mediensystems in modernen Gesellschaften wie die steigende Konkurrenz zwischen den Medienangeboten und die damit einhergehende Informationsüberlastung. Außerdem sei ein Wandel von Inhalt und Form der Massenkommunikation festzustellen, an dem sich laut Stark ‘Metatendenzen’ des gesellschaftlichen Wandels abbilden: (1) Die erkennbare Wertepluralisierung auf gesellschaftlicher und persönlicher Ebene zeigt sich in der Pluralisierung der Themen der medialen Berichterstattung: Eine pluralistische Gesellschaft bedarf eines pluralistischen Mediensystems und erzeugt dieses auch. Es gilt, viele verschiedene Werte zum Inhalt der Kommunikation werden zu lassen. Der Themenpluralismus äußert sich zum einen darin, daß einzelne Medien viele verschiedene Themen behandeln, zum anderen darin, daß für einzelne Themengruppen, Lebenssphären und/oder Zielgruppen spezielle Programme und Titel entwickelt werden. Die Antwort auf die zunehmende Wertedynamik ist also der schnelle Wechsel der Themen in den Massenmedien – dieser dynamisiert wiederum die Werteentwicklung. (2) Sich schnell verändernde Umwelten führen vielfach zu Desorientierung, und in Zeiten von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit verstärkt sich das Bedürfnis nach Bestätigung. Als Konsequenz treffen Massenmedien vermehrt explizite Wertaussagen, verbunden mit einer Verminderung von ‘objektiver’ Berichterstattung mit Hintergrundinformationen oder allgemein unterhaltenden „Stories“. (3) Bezogen auf gesellschaftliche Werte und persönliche Lebenswerte kann der Trend zur aktiveren und kritischeren Gesellschaft (Beispiel Umwelt- und Gesundheitsbewußtsein) und der Trend zur Aufwertung von Selbstentfaltungswerten bei gleichzeitiger Abwertung von Pflicht- und Akzeptanzwerten festgestellt werden. Dies wird vielfach als Zunahme der Hedonismusorientierung registriert. Für die Medienkommunikation bedeutet dies: Die Medien wenden sich verstärkt unterhaltsamen Medieninhalten zu und verlangen einen unterhaltsamen Medienstil; zunehmend sensualistische Präsentation soll einen „lustbetonten“ Medienkonsum ermöglichen. (4) Technische Entwicklungen prägen und verstärken den Trend zu mehr Bildkommunikation: Das Leitmedium Fernsehen ist Motor des dominanten Trends der Änderung formaler Darstellungsmuster hin zu wachsender Bildorientierung.51 Aus diesen Entwicklungen der technischen und werteorientierten Rahmenbedingungen des Mediensystems leitet Stark die Grundannahmen ihrer Untersuchung ab: Der
51 vgl. ebd.:57ff.
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aus den veränderten Lebenszusammenhängen und -bedingungen hervorgehende „Erlebnishunger“ hat Folgen für jede kommerzielle Vermarktung und damit für das Marketing aller Produkte und Dienstleistungen unserer Zeit. Ersichtlich wird dies beispielsweise in der Entwicklung und Gestaltung von erlebnisbetonten Einkaufsstätten, erlebnisbezogenem Design, von sogenannter Erlebnisgastronomie usf. Diese aktuellen Bedingungen zwingen auch die Anbieter, deren „Ware“ Information und Unterhaltung ist, die Medienkonzerne also, ihre Produkte ebenso professionell anzubieten wie Produktions- und Dienstleistungsunternehmen. Damit prägt die zunehmende Erlebnisorientierung den Stil der Medien.52 »Gezieltes Marketing beinhaltet die bewußte Gestaltung des Medienstils. Dabei kann eine bewußte Anpassung an die aktuellen Marktbedingungen – hier: an die Kommunikationsbedingungen einer Informationsgesellschaft – bewußt im Sinne von vorausschauender konzeptioneller Planung erfolgen oder durch schrittweises Adaptieren situativer Erfordernisse. Letztere „Strategie“ hat oftmals weniger Bewusstes, sondern viel mehr von „Versuch und Irrtum“; das heißt, ist eher als intuitive Anpassung („aus dem Bauch heraus“) zu bezeichnen – Dinge werden gemacht, einfach weil externe Einflüsse dominant werden.«53
Damit lautet Starks Basishypothese: ‘Der Stil von Zeitschriften und Zeitschriftenwerbung ist durch zunehmende Erlebnisorientierung geprägt. Emotionale Erlebniswertvermittlung wird zur Superdimension des Stils.’ Für die empirische Überprüfung dieser Hypothese nimmt Stark eine literaturgestützte Operationalisierung vor, die es ermöglichen soll, den Erlebnisstil54 einer Zeitschrift zu erfassen. Dabei wird das Untersuchungsdesign als Zeitreihe angelegt, um anhand von inhaltsanalytisch erfaßbaren Veränderungen eine etwaige Verschiebung der Zeitschriftengestaltung in Richtung von mehr Erlebnisorientierung messen zu können. Erfaßt werden dazu sowohl makrotypografische als auch bildliche und textuelle Stilmerkmale. Folgende Indikatoren würden laut Stark erlebnisorientierte Gestaltung ausweisen: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11)
Die Bild-Text-Relation hat sich zugunsten des Bildanteils verschoben – es werden zunehmend größere (großformatige) Bilder eingesetzt. Es werden zunehmend Farbe und Kontraste als reizstarke Stilelemente eingesetzt. Es werden zunehmend formale Stilelemente zur Dynamisierung eingesetzt. Der kognitive Stil erfährt auf syntaktischer Ebene eine zunehmende Vereinfachung. Themen werden zunehmend pluralistischer. Insbesondere hedonistische Themen werden Schwerpunkt. Der Werbeanteil ist gestiegen. Es werden zunehmend emotional aktivierende Stilelemente eingesetzt. Es werden zunehmend inhaltlich dynamische Stilelemente eingesetzt. Der kognitive Stil erfährt auf semantischer Ebene eine zunehmende Vereinfachung. Die Anzahl wertender Stilelemente steigt.
52 vgl. ebd.:92 53 ebd.:93 54 »Wird vom ‘Erlebnisstil’ einer Zeitschrift gesprochen, so berührt dies den Beitrag, den die Zeitschrift zur subjektiv empfundenen Lebensqualität seiner Leser leistet« (ebd.:96).
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Die Anzahl der Negativwertungen in redaktionellen Beiträgen steigt. Der Stil übernimmt zunehmend eine Polarisierungsfunktion. Die Anzahl emotionaler Erlebnisse in Text und Bild steigt.
Für die hier zu behandelnde Frage nach der visuellen Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen sind die Analysen und Thesen von Susanne Stark sehr aufschlußreich, beschreiben sie doch eine Kommunikations- und Marktrealität, in der sich auch das Medium ‘Nachrichtenmagazin’ bewegen und behaupten muß. Starks Untersuchung kann eine besondere Aussagekraft auch deshalb zugesprochen werden, weil in ihrem Rahmen eine sehr umfangreiche Datenmenge erhoben und ausgewertet wurde; ähnlich wie auf Wilkes Kategoriensystem wird auch auf Starks Untersuchungsdesign zurückzukommen sein, deshalb auch hier eine detailliertere Zusammenfassung der Anlage ihre Erhebung: Stark erarbeitete für die Untersuchung ihrer Hypothesen ein Codierbuch, das die Merkmalsausprägungen von 150 Variablen beschreibt. Dieser Fragenkatalog wurde von zwölf studentischen Codierern und der Autorin als Leiterin des Projektes an dem gewählten Untersuchungsbeispiel – die Illustrierte Stern – abgearbeitet. Anhand unterschiedlich großer Stichproben wurden Titelausgaben aus den Jahren 1960 bis 1990 untersucht.55 Es wurde erfaßt: - die Anzahl der schwarz-weißen, einfarbigen und mehrfarbigen Seiten eines Heftes einschließlich des gesamten Heftumfangs - die Anzahl der Bilder nach Größenklassen - die Anzahl der Anzeigen nach Größenklassen - die Anzahl der Bilder nach Farbklassen (schwarz-weiß, einfarbig, mehrfarbig) - die Anzahl der Bilder klassifiziert nach Kontraststärke - die Textlängen der redaktionellen Artikel und Anzeigenfließtexte - der thematische Inhalt der redaktionellen Texte - der Aktualitätsgrad der Artikel - das Verhältnis von Werbeteil zu redaktionellem Teil - die Zahl der Abbildungen nach Bildtechnik (Fotografie, Illustration, Grafik) - die Zahl der Abbildungen nach Bildausschnittsstufen (Detail, nah, halbnah, total, weit) - die Zahl der Abbildungen nach Bildperspektive (Vogel-, Frosch-, Normalperspektive) - die Art der Satzkonstruktionen (Fragen, Appelle, Metaphern, Zitate) - der Grad der Bewegung in fotografischen Darstellungen (bewegte Motive, Stilleben) 55 Stark unterscheidet für die Erhebung die makrotypografische Ebene von der Bildebene und der Textebene. Für die Untersuchung der makrotypografischen Ebene wurden 273 Hefte aus 10 verschiedenen Jahrgängen nach 35 Erhebungskategorien untersucht; auf Bildebene aus 195 Heften aus 3 Jahrgängen zwischen 1960 und 1990 3900 Bilder für die Untersuchung gewonnen und auf 46 Merkmale untersucht; auf Textebene wurden aus drei Jahrgängen 117 Hefte ausgewählt, daraus je 234 Headlines und 234 Artikel inhaltsanalytisch nach 52 bzw. 17 Erhebungskategorien analysiert. Damit wurden laut Stark insgesamt ca. 350.000 Einzeldaten erhoben, die in die Ergebnisse der drei Analyseebenen einfließen. Darüber hinaus wurde auf einer vierten Ebene der Bildstil und der Textstil von 520 Bildern aus 26 Heften aus 2 Jahrgängen bzw. 4475 Worte aus 117 Heften aus 3 Jahrgängen ausgewertet (vgl. Stark 1992:113ff.).
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- die Anzahl von Bewegung anzeigenden Substantiven, Adjektiven und Verben - die Anzahl von Fremd- und Fachworten sowie von adverbialen Bestimmungen - die Anzahl von wertenden Aussagen in redaktionellen und Werbe-Headlines (positiv, negativ) - die Anzahl von Superlativen - die Anzahl von wertenden Adjektiven (kennzeichnend/feststellend, urteilend) - die Erlebnisqualität von Bildern (stark, mittel, schwach – induktiv erhoben über Assoziation). Stark kommt anhand dieser umfangreichen empirischen Analyse des Stilwandels von Zeitschriften und Zeitschriftenwerbung zu einem eindeutigen Ergebnis: Eine Gestaltung des Stils im Sinne zunehmender Erlebnisorientierung erfolgt nicht. Der Bildstil zeige zwar eine zunehmende Aktivierung hinsichtlich seiner rein technisch bedingten Faktoren (bessere Aufnahme- und Drucktechniken), bezüglich der Indikatoren einer gezielten Gestaltung auf anderer Ebene würden sich aber keine oder nur schwache Trends zeigen.56 Auch der Textstil zeigt laut Stark keine oder nur sehr wenig Veränderung. Auf makrotypologischer Ebene zeigt sich eine entlang der Zeitachse zunehmend klarere Gliederung der Hefte, auch eine Pluralisierung der Themen der Berichterstattung konnte festgestellt werden. Die These der zunehmenden Erlebnisorientierung mußte aber auch auf dieser Ebene abgelehnt werden.57 Zwar konnte allgemein eine zunehmende Bildorientierung festgestellt werden, aber zentrale Komponenten eines Erlebnisstils wie Emotionalisierung der Sprache, Konzentration auf bewegte, „interaktive“ Bilder, Angebot eindeutiger Wertungen und Richtungen, vielfältige und wechselnde Erlebnisse etc. würden offensichtlich nicht gezielt vermehrt eingesetzt.58 Stark zeigt sich von diesen Ergebnissen überrascht und kommentiert sie folgendermaßen.59 »Dieses enttäuschende – oder ‘entlarvende’ – Ergebnis führt direkt zur Frage, was es mit dem scheinbar intuitiv erfaßbaren Wandel im Stil von Zeitschriften auf sich hat. Ist es allein das Mehr an technischen Möglichkeiten – und nicht die Professionalität der Mediengestalter, die zur These des Wandels zum Erlebnisstil führt?«60
Einige Absätze später fährt Stark fort: »Insgesamt zeichnet sich wenig Stilwandel im Stern ab. Überspitzt formuliert führt dies zu der Feststellung, daß der Stern ‘heute noch so formuliert und unterhält wie vor dreißig Jahren’. Vielleicht ist dies mit ein Grund für die Schwierigkeiten der Publikumszeitschriften, sich auf dem hart umkämpften Markt zu halten – alle großen Illustrierten zeigen seit Jahren rückläufige Verkaufszahlen.«61
56 57 58 59
vgl. ebd.:201 vgl. ebd.:203 vgl. ebd.:204 An Starks Besprechung der Ergebnisse ihrer Untersuchung ist erkennbar, daß sie eine marketingorientierte Perspektive einnimmt. Von diesem Blickwinkel aus wäre eine zunehmende Erlebnisorientierung der Zeitschriftengestaltung wünschenswert, da diese Starks Analyse nach einem Trend der Zeit entspräche. Einer gewissen Anpassung an diesen Trend von seiten der Zeitschriftenanbieter könne deshalb gewinnerhöhendes Potential zugesprochen werden (vgl. dazu vor allem das Kapitel Folgerungen für das Zeitschriftenmarketing ebd.:213ff.). 60 ebd.:201f. 61 ebd.:202
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Doch nochmals einige Absätze später relativiert die Autorin ihre Untersuchungsergebnisse, indem sie einräumt, daß möglicherweise der theoretische Bezugsrahmen, auf den sich die Entwicklung des aufwendigen Kategoriensystems stützt, nicht geeignet war, um neue Aspekte stilistischer Entwicklungen der Zeitschriftengestaltung aufzudecken: »Die Ergebnisse der Stern-Analyse zeigen deutlich: Eine Gestaltung des Stils im Sinne zunehmender Erlebnisorientierung erfolgt nicht. Fraglich ist, ob die redaktionellen und werblichen Zeitschriftenmacher den Medienstil auf andere, hier nicht erfaßte Art gezielt gestalten – wobei es auf den Aspekt des Gezielten und Bewußten in der Gestaltung ankommt. Theoretisch wäre dies denkbar.«62
Doch auch andere Erklärungen für die Ergebnisse wären laut Stark möglich: Da festgestellt hätte werden können, daß sich vor allem die Facetten des Stilphänomens in einem konsequenten Trend weiterentwickelt hätten, der technisch bedingt sei – was eine Offenheit für technische Neuerungen erkennen lasse –, dränge sich die Vermutung auf, daß der These Ogburns vom ‘Hinterherhinken der Menschen hinter den technischen Entwicklungen’ eventuell recht gegeben werden müsse, so Stark. Dies wäre allerdings unter dem Aspekt problematisch, daß die Technik ja nicht auf den Menschen „wartet“, sondern sich ständig mit immanenter Dynamik weiterentwickle. Damit gerät für Stark das Ausbildungssystem der Mediengestalter in den Blickpunkt. »Hohe Technik erfordert ein immenses Mehr an Professionalität. Die Anforderungen wachsen [...] Die gestiegenen Anforderungen und Aufgaben können nicht vom Einzelnen bewältigt werden – fraglich ist, inwieweit sich die teils schwerfälligen Systeme konsequent auf die neuen Anforderungen einstellen. Dazu gehört zum Beispiel die gezielte Ausbildung der Mediengestalter. Meine Einschätzung diesbezüglich ist eher negativ – die Erfahrung zeigt, daß das Bildungswesen typischerweise zu den kulturellen Bereichen gehört, die „hinterherhinken“ (dies nicht nur bezogen auf die Medien). Eine gezielte Schulung über Medien, Medienstil, Gestaltungsmöglichkeiten und Medienwirkungen findet aktuell kaum statt. In den Ausbildungsplänen der Journalisten findet sich nicht das Wort „Medienstil“ – in den Plänen der Werbekreativen genausowenig. [Ich habe] die Frage aufgeworfen, inwieweit die moderne Medientechnik unreflektiert eingesetzt wird, wobei sich die Frage anschließt, wer der „Diener“ und wer der „Herr“ ist – die Technik oder der Mensch? Diese Vermutung – oder Befürchtung – scheint sich in den Ergebnissen der durchgeführten Analyse zu bestätigen.«63
Susanne Stark läßt es in der Folge nicht unerwähnt, daß sich die aus MarketingPerspektive zu ziehenden Schlußfolgerungen für die Redaktionen aufgrund deren gesellschaftlicher Verantwortung nur in bestimmten Grenzen umsetzen ließen. Sie unterstreicht in diesem Zusammenhang nachdrücklich, daß die Gestalter von Zeitschriften nicht nur nach dem optimalen Verkauf ihrer Produkte gemessen werden können. Denn Zeitschriften hätten eben auch eine demokratische Verantwortung als Organ der gesellschaftlichen Information und Kommunikation. Starks Empfehlung an die Zeitschriftengestalter lautet deshalb: mehr gezielte Erlebnisorientierung in Bild und Text, wo sie inhaltlich entspricht, und ein klarer nüchterner Stil dort, wo die Inhalte es erfordern. Show und Aktivierung sei also nicht immer und für alles zu empfehlen, doch insgesamt mehr Erlebnisorientierung hält Stark aus Sicht des Zeitschriftenmarketing für dringend angebracht. Eine sehr aktuelle Untersuchung von Zeitschriftengestaltung im Wandel findet sich im bereits angesprochenen Sonderheft der Vierteljahreshefte für Kommunikati62 ebd.:204 63 ebd.:206
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onsforschung Publizistik (3/2002). Der Autor, Uwe Göbel, ist Professor für visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Bielefeld und kommt somit aus dem Fachbereich der künstlerisch-praktischen Gestaltung.64 Göbel geht in seiner Analyse exemplarisch vor. Ausgehend von der Beschreibung der Grundelemente der Zeitschriftengestaltung (Typographie, Raster, Abbildungen) thematisiert er kurz Titelblattgestaltung und Werbeanzeigen und beschreibt anschließend kurz die Aufgaben des Zeitschriftengestalters. Als kurze Einzelbesprechungen folgen darauf die Zeitschriftentitel Der Spiegel, Die Zeit, Stern, Twen, Frankfurter Allgemeine Magazin und Die Woche. Göbel schließt seine Besprechung mit einer Zusammenfassung der beobachtbaren Trends der Zeitschriftengestaltung der letzten zwei Jahrzehnte.65 Dabei sieht Göbel eine grundsätzliche Tendenz in der Entwicklung: Design wird chic.66 Für die vorliegende Arbeit ist Göbels (sehr kurzer) Artikel von Interesse, da er den Blick auf die Mediengestalter lenkt. In diesem Zusammenhang wird im weiteren noch auf Göbel Bezug genommen werden.
4.4
Zusammenfassung
Das Kapitel 4 stellte sich zur Aufgabe, eine medienspezifische Einordnung der vorliegenden Untersuchung zu ermöglichen. Im Rahmen der Sichtung des allgemeinen Forschungsstandes der aktuellen Zeitschriftenforschung wurde zum einen näher beleuchtet, wie Zeitschriften begrifflich gefaßt werden, und zum anderen wurde anhand der Problembereiche, die in dieser Teildisziplin der Medienforschung beschrieben werden, verdeutlicht, daß fehlende Forschungsarbeiten zum Medium ‘Zeitschrift’ nicht auf eine geringe gesellschaftliche Relevanz des Mediums verweisen. Eine umfassendere Zuwendung zum Forschungsgegenstand Zeitschrift scheint vielmehr an der Unübersichtlichkeit des Forschungsfeldes, fehlenden Begriffssystemen und einer allgemein schwierigen Datenlage zu scheitern. Gleichzeitig scheint es, daß Forschungsarbeiten, die in der Lage wären, diese Defizite zu verringern, nur mit wenig akademischer Anerkennung rechnen können, weil deskriptive Arbeiten 64 Eine ähnliche exemplarische Besprechung der Veränderung der visuellen Gestaltung aus Sicht des professionell mit visueller Gestaltung Befaßten findet sich im von Gunnar Roters und Walter Klingler herausgegebenen Band Information und Informationsrezeption (1999). Unter dem Titel Nachrichtenverpackung im Printbereich – Der Spiegel bespricht Rainer Sennewald die Veränderungen der visuellen Gestaltung des Nachrichtenmagazins der Spiegel. Allerdings ist Sennewalds Arbeit weniger als Analyse denn als „Insider-Information“ über die optische Nachrichtenaufbereitung des Nachrichtenmagazins zu sehen: Sennewald ist seit 1991 Leiter der Abteilung Grafik Design und seit 1997 Leiter der Abteilung Layout im Hause Spiegel. Auf seine Ausführungen wird im Verlauf der Arbeit nochmals eingegangen werden. 65 Interessanterweise findet sich bei Göbels Besprechung der Zeitschrift Stern eine Textstelle, die in bemerkenswertem Bezug zu Susanne Starks Untersuchungsergebnissen steht. Starks Zeitreihenuntersuchung umfaßte, wie besprochen wurde, die Jahre1960 bis 1990 – Göbel schreibt folgendes: »Zum Anfang der 90er Jahre erschien dem Verlag der Gesamtauftritt des Stern nicht mehr zeitgemäß. Unter dem Artdirector Wolfgang Behnken wurde das Projekt „Stern 2000“ mit einem Finanzvolumen von 17 Millionen DM durchgeführt. In mehreren Stufen veränderte sich das Heftkonzept im Zeitraum von 1991 bis 1994. Ob Schrifttypen, Farbwahl oder Inhaltsverzeichnis, alles kam auf den Prüfstand. Schließlich hatte sich das Erscheinungsbild des Stern bis auf die Titelseite in den wesentlichen Elementen erneuert: Ein ‘verjüngter’, durchgängig vierfarbiger Stern war entstanden.« (Göbel 2002:228) 66 vgl. Göbel 2002:232
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im Vergleich zu Wirkungsstudien in der Medienforschung nur wenig geschätzt würden, so der Befund von Vogel. Da bereits ausgeführt wurde, daß der Themenbereich ‘visuelle Kommunikationsforschung’ bisher innerhalb der Medienforschung als wenig bearbeitet gelten muß, verwundert es nicht, daß sich im Bereich des Mediums ‘Zeitschriften’ nur wenige aktuelle Forschungsarbeiten zur Thematik finden. Einige Arbeiten der letzten Jahre weisen allerdings eine Nähe zum Thema der vorliegenden Untersuchung auf und wurden deshalb ausführlicher vorgestellt. Dies wurde mit dem Ziel unternommen, zu verdeutlichen, anhand welcher Überlegungen und mit Hilfe welcher methodischen Zugänge die Thematik der visuellen Kommunikation in Zeitschriften bisher untersucht wurde. Im folgenden Abschnitt soll das Untersuchungsbeispiel ‘Nachrichtenmagazin’ näher vorgestellt werden. Dabei soll zum einen gezeigt werden, in welchen Eigenschaften sich dieses Medium von anderen Medien der politischen Informationsvermittlung unterscheidet, es sollen aber vor allem auch die Rahmenbedingungen näher beschrieben werden, in denen sich das Medium bewähren muß. Dabei werden verschiedene Faktoren angesprochen, auf die in späteren Abschnitten, etwa dem Abschnitt Medienästethik, unter dem speziellen Fokus der visuellen Berichterstattung zurückzukommen sein wird.
5
Nachrichten gedruckt und wöchentlich. zin Das politische Nachrichtenmagaz
5.1
Einleitung
Laut Klaus Peter Landgrebe stammt der Begriff ‘Magazin’ aus dem Arabischen, gelangte von dort unter anderem ins Italienische und wurde dann im 16. Jahrhundert ins Deutsche übernommen. Nahe der ursprünglichen Bedeutung des Wortes – Speicher, Warenlager – sei ein Magazin ein Umschlagplatz für Waren, also auch für schnell verderbliche, weil rasch veraltende Nachrichtenware: »Der Zeuge eines Ereignisses übermittelt die Nachricht in eine Art Zwischenlager – das Nachrichtenmagazin. Von dort geben die Redakteure eine Nachrichtenauswahl weiter, von der sie annehmen, daß sie den Leser interessiert.«1 Dieser Beschreibung nach erfüllen Nachrichtenmagazine die gesellschaftlichen Funktionen, die Theo Sommer als die ‘seit jeher vornehmsten Aufgaben des Journalismus’ bezeichnet: die Wirklichkeit zu registrieren, zu sortieren und zu analysieren.2 Jörg Bartussek – wie Theo Sommer selbst Journalist – definiert die Aufgabenstellung des Presse-Journalismus ähnlich, stellt bei seiner Formulierung allerdings den Leser dezidiert ins Zentrum. Unter dem Titel Vom Newspaper zum Newsfilter schreibt er: »Die Funktion von Zeitungen und Zeitschriften ist zuallererst die eines Filters, der die Schnittstelle zwischen dem täglich maximal vorhandenen Informationsangebot von Agenturen, Korrespondenten und anderen Informationsquellen sowie dem Informationsbedürfnis der Leser bildet. Allein aus den Nachrichtenagenturen fließen mehrere hundert Meldungen pro Stunde in die Redaktionen. Es ist die Aufgabe der Presse, daraus die Informationen zu filtern, die (1) die Leser interessieren, (2) für sie von Nutzen sind, (3) auf einer beschränkten Zahl von Zeitungsseiten Platz haben.«3
Der letzte Punkt sei deshalb wichtig, so Bartussek, weil er die begrenzte Aufnahmefähigkeit der Rezipienten berücksichtige, und diese begrenzte Rezeptionsfähigkeit bringe es mit sich, daß die Rolle des Journalisten auch in der Zeit des World-WideWeb als die des Sortierers und Aufbereiters wesentlich bleiben werde. Der Begriff ‘Magazin’, den fünf der sieben im weiteren als Fallbeispiele vorzustellenden Nachrichtenmagazine in ihrem Titel tragen, bleibt nicht dem Genre ‘Pressemedien’ vorbehalten. Obwohl doch meist mit diesem assoziiert, findet sich die Magazin-Form auch im Hörfunk und im Fernsehen. Handelt es sich bei MagazinSendungen des Hörfunks um locker zusammengefügte, moderierte Teile unterhaltender bzw. informierender Art innerhalb eines Rahmenprogramms von Werbung und/oder Musik,4 so sind Fernseh-Magazine Sendungen mit folgenden Kennzeichen: 1 2 3 4
Landgrebe 1994:13 vgl. Sommer 2001:28 Bartussek 2001:63 Kreuzer 1988:9, zitiert nach Wegener 2001:54
5 Nachrichten gedruckt und wöchentlich
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(1) Periodizität hinsichtlich der Erscheinungsweise der einzelnen Magazinausgaben; (2) Baukastenprinzip als typisches Element der Magazinstruktur und (3) Moderation als verbindende Komponente zwischen den einzelnen Magazinbeiträgen.5 Die Parallele, die zwischen den „klassischen“ Nachrichtenmagazinen – also den Print-Titeln – und den Fernseh-Magazinen gesehen werden kann, liegt in ihrer speziellen Aktualität und in dem daraus sich ergebenden thematischen Feld. Im Unterschied zu den tagesaktuellen Nachrichtenmedien ist den Magazinen keine „brandaktuelle“ Berichterstattung möglich, dafür bleibt durch die meist ein- (Print) bis zweiwöchentliche (TV) Erscheinungsweise mehr Zeit für eingehende Recherche und die Möglichkeit der thematischen Vorausschau. Daraus ergibt sich eine eigene Form von „Aktualität“, die von den Magazinen angeboten werden kann. Denn obwohl nicht ‘tagesaktuell’ oder gar ‘live’ berichtet werden kann, besteht doch die Möglichkeit, im Sinne von ‘wesentlich’ zu informieren. Klaus Peter Landgrebe stellt für die Print-Magazine fest: »Nicht die Übermittlung, sondern das Ereignis muß aktuell sein; also bedeutsam für den Empfänger und damit wirksam bei ihm«.6 Darüber hinaus kann auch aktuell sein, was das Nachrichtenmagazin selber aktuell macht, nämlich die Ergebnisse eigener Recherche über Sachverhalte, von denen nahezu niemand ahnte, daß sie existieren. Durch oft lange Vorarbeit wird an die Öffentlichkeit gebracht, was ob seiner Brisanz schließlich als ‘Enthüllung’ bezeichnet wird. »Wenn Journalisten solche Fälle aufgreifen und recherchieren, dann leisten sie meist die Detektivarbeit, für die eigentlich Polizei, Staatsanwälte und Untersuchungsrichter zuständig wären [...] Niemand außer einer kleinen Gruppe von recherchierenden, fotografierenden, schreibenden Journalisten weiß vorab, daß etwas enthüllt werden soll. Was zum Vorschein kommen wird ist nichts Ästhetisches, sondern ein möglichst handfester Skandal, ein Aufsehen erregendes Ereignis, unglaublich, unerhört, anstößig.«7
Politische Nachrichtenmagazine erfüllen also die journalistischen Aufgaben des Registrierens, Sortierens und Analysierens in sehr spezieller Weise. Dabei stehen sie in mehrfacher Konkurrenz und sehen sich verschiedenen Herausforderungen gegenüber, denen sie auf je spezifische Art begegnen. Diese Rahmenbedingungen werden im folgenden beleuchtet. Denn es ist davon auszugehen, daß die Rolle, die ein Medium zu erfüllen hat, und die Rahmenbedingungen, unter denen es agiert und sich bewähren muß, Auswirkungen darauf zeigen, in welcher Form das jeweilige Medium kommuniziert. Damit gilt es, diese Rahmenbedingungen auch bei der Betrachtung der visuellen Vermittlung von Inhalten zu berücksichtigen.
5.2
Nichtrivalisierender Konsum und umkämpfte Märkte. Die Bewährung des Mediums ‘Nachrichtenmagazin’ auf relevanten Absatzmärkten
Als Nachrichtenmedium weist das politische Magazin eine betriebswirtschaftliche Eigenschaft auf, die es mit anderen Nachrichtenmedien teilt: Sein Unternehmensziel besteht in der Beschaffung, Selektion, Aufbereitung, Bündelung und Verbreitung von
5 6 7
vgl. Wegener 2001:55 Landgrebe 1994:25 ebd.:27
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5 Nachrichten gedruckt und wöchentlich
Information.8 Laut Hanno Beck ist deshalb jedes Medienunternehmen ein Unternehmen wie jedes andere auch: Es gibt verschiedene Produktionsstufen, und am Ende des Produktionsprozesses steht ein fertiges Produkt wie eine Zeitung oder auch eine Rundfunksendung; dieses Produkt wird dann mit der Absicht, Gewinne zu erzielen, verkauft.9 Was nun aber Medienunternehmen von anderen Unternehmen unterscheidet, ist, daß das von ihnen „hergestellte“ und vertriebene Produkt eine besondere Eigenschaft aufweist, die Ökonomen mit dem Begriff Nichtrivalität im Konsum umschreiben. »Stellen sie sich einmal vor, sie kaufen ein herkömmliches Produkt, beispielsweise eine Hose. Wenn Sie diese Hose anziehen, bedeutet dies in der Regel, daß niemand anderes außer Ihnen diese Hose tragen kann. Die Tatsache, dass Sie die Hose tragen, sie sozusagen konsumieren, verhindert, dass ein anderer die Hose trägt, respektive konsumiert. Noch deutlicher wird dieses Beispiel, wenn Sie einmal den Kauf eines Brötchens überdenken: Ein Brötchen, das Sie essen, kann kein zweiter zu sich nehmen. Wenn Sie diesen Gedanken auf das Gut Information übertragen, so kommen Sie sicher ins Schleudern [...] Eine Nachricht kann von vielen Personen gleichzeitig wahrgenommen und konsumiert werden, ohne daß sich diese im Konsum der Nachricht gegenseitig ausschließen oder stören.«10
Zu dieser ‘Nichtrivalität’ kommt nun noch eine weitere entscheidende Besonderheit von Information, die in der Ökonomie mit dem Begriff ‘Nichtausschlußprinzip’ ausgedrückt wird – eine Bezeichnung, die schon benennt, was sie meint: Die Rechte an bestimmten Nachrichten lassen sich nicht einfach erwerben und rechtlich schützen, ein Phänomen, das Hanno Beck mit folgendem Beispiel veranschaulicht: »Nehmen wir einmal an, der Finanzminister des Landes tritt überraschend zurück. Das ist natürlich eine Sensationsnachricht, die jeder Sender oder jede Zeitung gerne hätte [...]. Doch wenn die Nachricht einmal bekannt geworden ist, dann hat sie sich schnell verbreitet, und der Sender, der sie zuerst ausgegraben hat, kann schließlich nicht die Exklusivrechte darauf beanspruchen. Die Personen, welche nicht den hauseigenen schauen oder die betreffende Zeitung lesen, können vom Konsum der Nachricht nicht ausgeschlossen werden, sei es, sie erfahren die Information von der Bundesregierung, die es bekannt gibt, oder von dem Nachbarn, der die Zeitung gelesen oder den Sender geschaut hat.«11
Bestimmte Informationen lassen sich also nicht schützen. Entweder weil es niemanden gibt, der ein Recht daran beanspruchen kann (wer etwa hat das Recht an der Nachricht über ein Zugunglück oder eine Umweltkatastrophe? fragt Beck zur Veranschaulichung), oder weil sich eine Nachricht nicht exklusiv halten läßt (der leere Sessel des Finanzministers würde bemerkt), oder aber weil es ein öffentliches Interesse an der Information gibt und der Staat deshalb keine Monopolisierung der Nachricht zulässt.12 Neben ‘Nichtrivalität’ und ‘Nichtausschließbarkeit’ weist die Ware ‘Information’ noch zwei spezielle Eigenschaften auf, die den Handel mit ihr beeinflussen: Sie hat zum Großteil eine begrenzte „Haltbarkeitsdauer“ und kann nicht in beliebig kleinen Einheiten verkauft werden. Der letztgenannte Punkt ergibt sich daraus, daß Konsumenten von Informationen diese in der Regel nicht einzeln, sondern in Bün8
Laut Hanno Beck zählt auch die von Medien bereitgestellte ‘Unterhaltung’ zu ‘Information’, denn auch diese bestehe aus Informationen, die »in der ein oder anderen Weise zuvor bearbeitet oder neu zusammengesetzt wurden und eventuell mit anderen Informationen kombiniert worden sind« (Beck 2002:6). 9 vgl. Beck 2002:6 10 vgl. ebd.:7 11 ebd.:9 12 vgl. ebd.:10ff.
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deln beziehen wollen, d.h. sie wollen sie nicht einzeln zusammensuchen müssen. In der Sprache der Ökonomen weist Information somit die Eigenschaft Notwendigkeit zur Mindestangebotsmenge auf. Die begrenzte „Haltbarkeit“ von Informationen ergibt sich daraus, daß sich der Wert von Nachrichten gemeinhin aus zwei Eigenschaften ergibt, aus Aktualität und Exklusivität. Denn nur was wir noch nicht wissen und/oder was eine gewisse Relevanz für unser gegenwärtiges Leben besitzt, ist für uns als Nachricht wertvoll.13 Aus diesen kurz umrissenen Merkmalen ist erkennbar, daß sich für Nachrichtenmedien aus ihrem „Produkt“ sehr spezifische Bedingungen für das wirtschaftliche Handeln ergeben. Diese unterscheiden sich grundlegend von den Rahmenbedingungen, die üblicherweise am „freien Markt“ herrschen, weshalb Medienökonomie meist vor dem Hintergrund des Paradigmas des Marktversagens analysiert wird. Laut Jürgen Heinrich wird von ‘Marktversagen’ gesprochen, wenn die Bedingungen für gut funktionierende Märkte nicht hinreichend erfüllt sind. Als Ursachen für ein Marktversagen würden insbesondere folgende Insuffizienzsyndrome gelten.14 (1) Eigentumsrechte können nicht hinreichend definiert und durchgesetzt werden, (2) es bestehen Informationsmängel insbesondere der Konsumenten, (3) und kontinuierlich sinkende Durchschnittskosten der Produktion begründen Strukturprobleme des Wettbewerbs. Auf den erstgenannten Punkt wurde bereits eingegangen. Zum Punkt des Informationsmangels vergleicht Heinrich den Medienkonsum mit Gütern wie Gesundheitsvorsorge, Alterssicherung oder Bildung bzw. Alkohol und Rauschgift. Auch diesen werde unterstellt, daß ihr zukünftiger Nutzen bzw. Schaden im individuellen Entscheidungskalkül aus Unkenntnis heraus zu stark abdiskontiert wird. Zwar bestünden in der Regel bei allen Tauschprozessen Informationsmängel über die Qualität und den Nutzen der zu kaufenden Produkte, doch bei Medienprodukten sei die Qualitätstransparenz besonders gering, da es sich bei ihnen um sehr komplexe Erfahrungsgüter bzw. Vertrauensgüter handle, deren Qualität nur sehr schwer beurteilt werden könne. »Informationsmängel sind [in der Regel] asymmetrisch verteilt: Der Produzent und Anbieter kann die Qualität meist viel besser beurteilen als der Konsument und Nachfrager. Solche asymmetrischen Informationsmängel stehen, wenn sie erheblich sind, einer ausreichenden Kontrolle der Qualität der Produktion durch die Nachfrager entgegen. Und gerade im Mediensystem, in dem die Qualität der Produktion, also die Qualität der Berichterstattung, eine zentrale gesellschaftliche Rolle spielt, ist die Qualitätstransparenz und die Nutzentransparenz der Rezipienten sehr gering. Die Nutzenunkenntnis ist für die Medienproduktionen recht groß, weil der Medienkonsum sich über einen sehr langen Zeitraum erstreckt und weil die Inhalte sehr komplex sind.«15
Der dritte der drei angeführten Problembereiche der Marktsituation für Medien, die Strukturprobleme des Wettbewerbs, ist bereits unter den Punkten Nichtrivalität im und Nichtausschließbarkeit vom Konsum angeklungen. Geht normalerweise am 13 vgl. dazu ausführlich Beck 2001:13ff.; auch Karmasin/Winter 2000:30ff. Bei beiden findet sich an dieser Stelle auch eine Diskussion der Frage, inwieweit aufgrund beschriebener Merkmale davon gesprochen werden kann, daß Medien mit ‘öffentlichen Gütern’ handeln. 14 vgl. Heinrich 2002:65 15 vgl. Heinrich 2002:67
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freien Markt mit der Hinterlegung des Preises eines Gutes die Verfügungsgewalt oder das Nutzungsrecht an diesem an den Käufer über, so ist dies im Falle des Gutes Information nicht möglich. Dies bedeutet aber, daß bei der „Produktion“ des Gutes Information Kosten entstehen, die nicht über die üblichen Marktmechanismen gedeckt werden. Regelt sich der Preis eines Produktes am freien Markt üblicherweise über die Nachfrage, die nach diesem Produkt besteht, so funktioniert dies aus den dargestellten Gründen für den Informationsmarkt nicht. Zum einen liegt ein öffentliches Interesse daran vor, daß bestimmte Informationen für alle Bürger zugänglich sind – der Staat müßte somit auf jeden Fall verhindern, daß diese Informationen so teuer gehandelt werden, daß sie nur von wenigen erworben werden können – zum anderen würde es nicht oder nur unter extrem hohem Kostenaufwand gelingen, Nichtzahlende von der Information auszuschließen. Darüber hinaus besteht eine Eigenheit des Gutes ‘Information’ auch darin, daß die Herstellungskosten sich nicht daraus ergeben, für wie viele Abnehmer das Gut bereitgestellt wird. Die Kosten für das Sammeln, Sortieren und Aufbereiten von Nachrichten bleiben dieselben, ganz egal wie viele Rezipienten diese konsumieren. Wesentlich ist, daß es für Medien sogar kontraproduktiv wäre, nichtzahlende Kunden von der Nachrichtenrezeption auszuschließen, denn diese verursachen, wie festgestellt wurde, keine zusätzlichen Kosten, bringen aber in der Regel zusätzliche Einnahmen – eine weitere Eigenheit des „medialen Informationshandels“: Medien „handeln“ auf zwei Märkten – dem Rezipientenmarkt und dem Werbekundenmarkt. Dies bedeutet aber auch, daß sie ihr Angebot auf zwei unterschiedliche Märkte abstimmen müssen. Diese beiden Märkte sind allerdings eng miteinander verknüpft, und diese Verknüpfung führt zu einem im Rahmen des Informationshandels wesentlichen Phänomen, das vielfach mit dem Ausdruck „Anzeigen-Auflagen-Spirale“ beschrieben wird. Laut Hanno Beck stellt sich dieses Phänomen etwa folgendermaßen dar: »Nimmt man einmal an, daß von einem gegebenen Standpunkt aus die Auflage einer Zeitung oder Zeitschrift aus welchem Grund auch immer steigt. Damit steigen nicht nur die Einnahmen aus dem direkten Verkauf; in einem ersten Schritt sinken damit die Tausenderkontakt-Preise [...] – zu den gleichen Preisen kann der inserierende Kunde jetzt mehr Leser erreichen. Das dürfte zu einem Anstieg der Werbeaufträge führen und die Einnahmen weiter erhöhen. Allerdings läßt sich der Platz für Werbung nicht unbegrenzt ausdehnen, weswegen in einem nächsten Schritt der Verlag die Preise für seine Werbeflächen erhöhen wird. Am Ende des Prozesses stehen höhere Einnahmen. Nutzt die Zeitung diese nun, um das Blatt attraktiver zu machen, indem sie beispielsweise in einen größeren Redaktionsstab investiert, so schafft sie die Voraussetzungen für weitere Auflagensteigerungen und damit auch wiederum steigende Einnahmen.«16
Die Angaben darüber, wie hoch die Anteile der Einnahmen sind, die von Zeitschriften jeweils am Rezipienten- und am Werbemarkt erzielt werden, sind sehr unterschiedlich. Mark Wössner, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG, spricht beispielsweise von einer durchschnittlichen Verteilung von 66 Prozent des Erlöses aus Verkauf und 34 Prozent aus Werbeeinnahmen;17 der Ökonom Jürgen Heinrich hingegen beziffert den Einnahmeanteil, den Zeitschriften mit ihren Werbe-
16 Beck 2002:131 17 vgl. Wössner 2001:22
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kunden erwirtschaften, auf durchschnittlich 55 Prozent.18 Bernd Pütter differenziert die große Gruppe der Zeitschriften und weist für die Gruppe der politischen Zeitschriften vier Untergruppen aus, für die er wiederum fünf verschiedene Einnahmequellen unterscheidet: Vertriebserlös, Anzeigenerlös, Spenden bzw. Förderungen, öffentliche Zuschüsse und ‘andere Einnahmen’. Bei einer Gegenüberstellung ergibt sich für die einzelnen Untergruppen ein sehr unterschiedliches Bild, wobei sich zeigt, daß der Anteil der Anzeigenerlöse an den Gesamteinnahmen umso höher liegt, je höher die Auflage des einzelnen Titels beziffert werden kann.19 Die Titel Der Spiegel, Stern und Focus können laut Pütter als ‘Flaggschiffe im Anzeigentrend’ bezeichnet werden – sie würden am meisten am Verkauf von Werbeflächen verdienen. Dabei profitierten die großen politischen Wochenzeitschriften, so Pütter weiter, vom hohen Anteil kaufkräftiger Leserinnen und Leser und von ihrem Image. »Mit dem Schlagwort von der Info-Elite ist es dem Burda-Konzern gelungen, Focus bei den Markenartikel-Herstellern und Dienstleistern positiv einzuführen. Tango ist nicht zuletzt an der Mischung aus Politik und Esoterik gescheitert. Bei passablen Verkaufserlösen stand es am Ende ganz ohne Anzeigenerlöse da. Probleme, die Der Spiegel eine gewisse Zeit lang mit einigen Industriezweigen wegen seiner kritischen Berichterstattung hatte, sind mittlerweile überwunden. Großbanken und Chemiekonzerne werben wieder in Deutschlands erstem Nachrichtenmagazin. In der ersten Hälfte des Jahres 1996 konnte Der Spiegel zu Deutschlands umsatzstärkster Zeitschrift avancieren. Mit diesem Ergebnis hat er den Stern verdrängt, der 1995 einen Brutto-Werbeumsatz von 430 Millionen Mark erwirtschaften konnte. Damit Stern auch künftig für Versicherungen oder Automobilhersteller ein interessanter Partner bleibt, müht sich Chefredakteur Funk, sein Blatt im Kreis der politischen Zeitschriften zu halten: Er möchte die Illustrierte auf einer Stufe mit den Nachrichtenmagazinen sehen, Vergleiche des Stern mit der Bunten lehnt er daher ab.«20
Aus den bisherigen Ausführungen kann man folgern: Für die Nachrichtenmagazine ist es von der Erlösseite her gesehen nicht in erster Linie relevant, daß sie möglichst viele Exemplare an Leser verkaufen, wichtiger ist es, Werbekunden ein attraktives Werbeumfeld zu bieten.21 Und dafür ist es wiederum notwendig, nachweisen zu können, daß möglichst viele Leser eines bestimmten Segments durch das Angebot der Zeitschrift erreicht werden.22 Hermann Meyn veranschaulicht das am Beispiel von sogenannten ‘Frauenzeitschriften’-Titeln:
18 vgl. Heinrich 2002:69; Michaela Pieler bringt eine interessante Zusammenschau von Kalkulationen, die versuchen einzuschätzen, wie hoch der Verkaufspreis eines werbungsfreien Titels sein müßte, um den redaktionellen Teil dieser Titel vollständig zu finanzieren. Demnach müßten die Leser des Stern oder der Welt das nahezu Dreieinhalbfache der jeweils geltenden Heftpreise zahlen, um die Herstellungskosten zu decken; die Wirtschaftswoche würde mehr als das Sechsfache ihres bisherigen Preises kosten. Der Bezugspreis für regionale Abonnementzeitungen würde sich beim Verzicht auf Anzeigen mindestens verdoppeln (vgl. Pieler 2000:349). 19 vgl. Pütter 1997:144 20 ebd.:145 21 Dieses Phänomen nennt Michaela Pieler allgemein „Primärorientierung am Anzeigenmarkt“ (vgl. ausführlich dazu: Pieler 2000:351ff.). 22 Am Anzeigenkundenmarkt wird generell zwischen quantitativer Reichweite und qualitativer Reichweite unterschieden, wobei die quantitative oder ‘globale’ Reichweite den Anteil der von einem Medium erreichten Personen an der Gesamtbevölkerung erfaßt, ohne deren soziodemographische Merkmale näher zu spezifizieren. Die qualitative Reichweite hingegen benennt die so differenzierten Lesergruppen eines Titels. Da nahezu jede Werbekampagne auf eine räumlich oder soziodemographisch eingegrenzte Bevölkerungsgruppe zielt, gilt die qualitative Reichweite am Anzeigenmarkt als in aller Regel ranghöchstes Qualitätskriterium. Beide Reichweiten fallen zusammen, sobald es sich bei der Zielgruppe um die Allgemeinheit handelt (vgl. Pieler 2000:350).
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»Eine für Frauen der konsumfreudigen Oberschicht entworfene Zeitschrift muss im redaktionellen Teil jene Themen aufgreifen, die bei ihr Anklang finden. Kaufen mehr und mehr Frauen der Unterschicht das Blatt, muss die Redaktion sich sagen lassen, sie arbeite laufend am Markt vorbei. Die Folge des Fehlkonzepts: Die Werbung macht nicht mehr mit, weil ihr die Streuverluste zu hoch erscheinen, wenn Inserate etwa für Orientteppiche, Platinarmbanduhren und Nerzmäntel nicht die Leserinnen erreichen, die sich solche Produkte leisten können.«23
Für die Wirtschaft stellen Printmedien eine speziell wichtige Mediengruppe dar. Dies wird etwa aus einer Umfrage deutlich, die im Auftrag der Zeitschrift Absatzwirtschaft durchgeführt wurde. Befragt wurden 300 führende Markenartikelhersteller nach ihren Erfahrungen mit der Einführung von jungen Marken. Unter den rund 160 Unternehmen, die zu den Fragen Stellung bezogen, sind etwa Adidas, Aldi und Vaillant zu finden. Aus den Antworten auf die Frage, welchen Medien ihrer Einschätzung nach bei der Markeneinführung eine wichtige Rolle zukäme, entstand folgende Wertung: Printmedien 30,3%, TV 15%, Funk 7,2% und Online 7,5%.24 Ein Vorteil der Printmedien gegenüber anderen Mediengattungen liegt in der bereits erwähnten Streu-Genauigkeit. Unger, Durante, Gabrys u.a. führen in ihrem Standardwerk zur Mediaplanung aus, was Publikumszeitschriften – die Zeitschriftengattung, der Nachrichtenmagazine zugeordnet werden können – für Werbende attraktiv macht: Publikumszeitschriften würden vor allem in der Freizeit konsumiert, die Nutzung liege vollständig im Ermessen der Leser, Ort, Dauer und Zeitpunkt seien von den Rezipienten frei wählbar, und die Zeitschrift könne somit mehrmals und über einen längeren Zeitraum genutzt werden. Dies ermögliche einen mehrmaligen Kontakt der Leser mit der in der jeweiligen Zeitschrift geschalteten Werbung. Darüber hinaus würden sich die Leser mit den von ihnen gelesenen Zeitschriften in der Regel sehr bewußt und intensiv beschäftigen. Die Hinwendung zum Medium würde dabei kaum durch Nebenbeschäftigungen gestört. Da für Publikumszeitschriften sehr genau ermittelt werden könne, welche Personen welche Zeitschriften nutzen, sei es möglich, Werbemaßnahmen zielgruppenspezifisch nach soziodemographischen Merkmalen wie Alter, Einkommen, Geschlecht, Beruf, Ausbildung usw. durchzuführen. Kein anderes Medium der Massenkommunikation würde eine vergleichbare Vielfalt und Genauigkeit der Zielgruppenselektion aufgrund soziodemographischer Kriterien bieten.25 Den Informationsanbietern wird nun vielfach vorgeworfen, daß sie, um den Bedarf ihres Zielmarktes ‘Anzeigenkunde’ möglichst optimal erfüllen zu können, zu große Zugeständnisse an vermeintliche „Marktgesetze“ machen würden. Dieser Punkt wurde bereits angesprochen und findet sich immer wieder in der Diskussion um journalistische Qualität und unter dem Schlagwort ‘Infotainment’. Im folgenden Abschnitt soll auf die Thematik nochmals konkreter im Zusammenhang mit der Nachrichtenaufbereitung in Nachrichtenmagazinen eingegangen werden. Darüber hinaus soll versucht werden, die Spezifika des Mediums ‘Nachrichtenmagazin’ noch genauer zu fassen.
23 Meyn 2001:111 24 vgl. Absatzwirtschaft Sonderheft März 2002:21 25 vgl. Unger, Durante, Gabrys u.a. 2002:160
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Von ‘Inseln im Meer des Schwachsinns’, von Lustprinzip und Realitätsprinzip. Nachrichtenmagazine und journalistische Qualität
Nachrichtenmedien wird zunehmend vorgeworfen, die Auswahl und die Aufbereitung ihrer Inhalte sei nicht mehr journalistisch bestimmt, sondern würde von Marketing-Überlegungen geleitet vorgenommen. Laut Dieter Prokop sei aus dieser Marketing-Orientierung eine neue Richtung des Journalismus hervorgegangen, der Public Journalism, für den exemplarisch die Titel erfolgreicher US-amerikanischer Tageszeitungen wie USA Today oder Los Angeles Times stünden.26 Für Rudi Renger, der ein umfassendes Werk zum Phänomen ‘Populärer Journalismus’ verfaßt hat, zeigt sich in diesem Medientrend aber eher eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung, für die ihm Georg Ritzers Begriff der „McDonaldisierung der Gesellschaft“ (1995) treffend erscheint. »Nicht von ungefähr wurde z.B. die amerikanische Zeitung USA Today bald nach ihrer Einführung 1982 als „McPaper“ gehänselt – eine Zeitung wie ein TV-Programm, für KundInnen, die beim Lesen wie beim Essen unter dem Zwang der Zeitökonomie stehen [...] Und so wie ein McDonalds-Menü ein Mahl suggeriert, so könnte man dem Populären Journalismus von heute unterstellen, er würde objektive Berichterstattung und Information suggerieren, indem er sie unterhaltend inszeniert und gleichzeitig fiktionalisiert: Zeitungen, die wie Seifenopern ablaufen, wobei nach außenhin meist der traditionelle Schein der Informationsproduktion gewahrt bleibt.«27
Die österreichische Kulturjournalistin Sigrid Löffler erhebt einen in dieselbe Richtung weisenden Befund für die Entwicklungen am Nachrichtenmagazin-Markt. Die in den 1990er Jahren neu eingeführten Titel Focus und News zielten laut Löffler beide darauf, den alteingesessenen Nachrichtenmagazinen Der Spiegel und Profil direkt Konkurrenz sowie Anzeigen und Leser streitig zu machen. »Der Spiegel hat seinen anfänglichen Schock inzwischen überwunden. Er hat begriffen, daß ein Vernichtungskrieg um die – nicht vermehrbaren – Werbegelder der Inserenten geführt wird. Er hat erkannt, daß er, wenn er diesen Krieg nicht verlieren will, Gegenstrategien braucht.«
Diese Gegenstrategien müßten dafür tauglich sein, sich gegen das Erfolgsgeheimnis der Newcomer zu behaupten. Diese wären nämlich gerade dabei, den Journalismus zu revolutionieren, so wie das Privatfernsehen in den 1980er Jahren das Fernsehen revolutioniert habe. Das medienstrategische Konzept, das hinter den Neugründungen stünde, sei – so Löffler – ‘gedrucktes Fernsehen’. »Das Fernsehen ist das Leitmedium all dieser Print-Schöpfungen. Was sie bieten, ist gedrucktes Reality-TV, sofern sie sich Nachrichten-Magazine nennen, kombiniert mit dem Formprinzip des Videoclips und des Werbespots. Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten wird mit den Mitteln des Fernsehens geführt [...] Informationsdichte wird hektisch vorgetäuscht. Aber was beim Konsumenten entsteht, ist ein Gefühl der Völle, nicht von Fülle. Die Hierarchie der Ereignisse nach ihrer Wichtigkeit und Wertigkeit, nach ihrer Bedeutung, ist abgeschafft. Alles ist bunter Lärm, nichts bedeutet noch etwas. An die Stelle der Wertungs-Hierarchie, die stets das Kennzeichen einer guten Zeitung war und ist, tritt die totale Enthierarchisierung der Meldungen. Das Sparpaket hat den gleichen Stellenwert wie Nadja Auermanns Frisuren, das Massaker im Libanon wird genauso üppig bebildert wie die Studenten-Beach-Party in Florida. Schließlich mündet die Enthierarchisierung der Meldungen ein in ein Chaos gleichgültiger News-Partikel.«28
26 vgl. Prokop 2000:84 27 Renger 2000:34 28 Löffler 1996:15ff.
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Folgt man Rudi Renger, der grundsätzlich zwei divergierende Standpunkte in der Diskussion der aktuellen Presseentwicklungen ortet, so ist Löffler sicherlich der ersteren der beiden Positionen zuzuordnen. Von dieser aus gesehen werde laut Renger qualitätsvoller Informationsjournalismus im traditionellen Sinn als ‘Insel im Meer des Schwachsinns’ interpretiert. Die Gefahr der Popularisierung des Journalismus werde in der Auflösung der Politik in der Unterhaltung gesehen. Es werde eine zunehmende Krise des öffentlichen Lebens, welche eine Erosion der demokratischen Grundlagen nach sich ziehe, diagnostiziert und mit den Entwicklungen am Informationsmarkt in Verbindung gebracht.29 Vom zweiten Standpunkt aus werde Journalismus als ‘Literatur für den Tag’ reflektiert. Zeitungslesen und Nachrichtenhören bzw. -schauen wären längst zu Alltagshobbies geworden, würden die Vertreter dieser Auffassung feststellen. Die Politisierung der Journalisten-Generation der „68er“ hätte Emotionen und Unterhaltung in der massenmedialen Information weitgehend verhindert und damit die Nachrichtenmedien „menschenleer“ gemacht. Doch Information würde heute nur mehr über das Transportmittel ‘Stimmung’ funktionieren. Außerdem würden sich populäre Medien an eine breite Öffentlichkeit richten und so einen Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft liefern, während die traditionellen Informationsmedien lediglich Eliten bedienten und den Großteil der Bevölkerung – vor allem Frauen und niedere Gesellschaftsschichten – von der Information ausschlössen, so die Befürworter des „neuen Journalismus“.30 Die von Renger zusammengefaßten Standpunkte offenbaren eine sehr grundsätzliche Wertediskussion. Die Frage, inwieweit durch Markt- und Umfrageforschung erhoben werden soll, was „das Volk“ will, und wie und inwieweit darauf eingegangen werden soll, findet sich auch auf einer anderen Ebene der gesellschaftspolitischen Diskussion: Auch den politischen Akteuren wird vorgeworfen, sie würden ihre Programme, Aussagen und Entscheidungen zu sehr davon bestimmen lassen, was als „Volksmeinung“ in Umfrageforschungen erhoben wird. Der Journalist Armin Thurnher ist einer der Kritiker der Entwicklung, die für Medienprodukte eine umfassende Test- und Adaptierungsphase vorsieht, bevor sie sich auf dem Markt zur Bewährung stellen: »Bei einem klassischen Medium gibt es einen Verleger, der etwas zu sagen hat und der das seinem Publikum dann selbst sagt oder sich Journalisten sucht, die das für ihn erledigen. Dieses Gegenüber ist vollkommen abhanden gekommen und durch das Diktat des Marktplatzes ersetzt worden.«31
Doch die Ausrichtung einzelner Medienprodukte am Wunsch und/oder Bedarf ihrer Kunden muß nicht per se zu einer Verflachung und Vereinheitlichung der politischen Information führen. Gerade für politische Nachrichtenmagazine erscheint dies nach den bisherigen Ausführungen besonders deutlich: Geht man davon aus, daß die Orientierung an den Wünschen der Anzeigenkunden tatsächlich das Erscheinungsbild der einzelnen Titel prägt, so kann sich daraus folgendes ergeben: Bestimmte Unternehmen wollen, wie festgestellt wurde, bestimmte Zielgruppen erreichen. Je exklusiver und hochpreisiger die Angebote dieser Unternehmen sind, desto wichtiger ist es, daß gutverdienende, qualitätsbewußte Zielgruppen angesprochen werden 29 vgl. Renger 2000:295 30 vgl. ebd.:296 31 Thurnher 1997:50
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können. Betrachtet man, in welchen beruflichen oder gesellschaftlichen Positionen solche Zielgruppen angesiedelt sind, so sind dies sicherlich im weitesten Sinne „Machtpositionen“. Daraus ergibt sich aber auch: Wer sich in der gesellschaftlichen bzw. beruflichen Situation befindet, qualifizierte Entscheidungen treffen zu müssen oder Entscheidungen anderer fundiert beurteilen zu können oder zu müssen, sucht verläßliche und umfassende Informationen zu verschiedensten Thematiken. Als der beste Weg, diese Zielgruppen mit einer Werbebotschaft zu erreichen, erscheint nun, diese in einem Umfeld zu positionieren, in dem den potentiellen Kunden der von ihnen gesuchte bzw. benötigte Nutzen geboten wird. Das heißt aber dann, daß die vielfach kritisch vorgebrachte Ausrichtung am Inserentenbedarf nicht „Boulevardisierung“ bedeuten muß, eine Marketing-Ausrichtung würde in diesem Fall vielmehr sogar eine gewisse Qualitätssicherung ergeben.32 Dies kann zwar nicht gegen grundsätzliche Bedenken vorgebracht werden, die sich auf allgemeine Veränderungen des Mediensystems beziehen, in bezug auf die hier zu besprechenden Nachrichtenmagazine sollte es aber bedacht werden.33 Unbestritten ist, das dem Phänomen „Unterhaltung“ in unserer heutigen Gesellschaft eine wesentliche Bedeutung zugesprochen werden muß – dies wurde auch in den zitierten Untersuchungsüberlegungen von Susanne Stark unter dem Begriff „Erlebnisgesellschaft“ deutlich. Angesprochen wurde auch bereits, daß Information und Unterhaltung vielfach als einander ausschließende Eigenschaften von medialen Angeboten erscheinen. Dies muß vor allem für Nachrichtenmagazine relevant sein, wird doch gerade Nachrichtenmedien vorgeworfen, der Erfolg von unterhaltungsorientierten Tabloids, Reality-TV und sogenanntem ‘Trash-TV’ hätte deutliche Spuren im „seriösen“ Nachrichtenjournalismus hinterlassen.34 Wesentlich erscheint aber auch in diesem Punkt eine Differenzierung. Dafür sei in einem ersten Schritt an eine bereits erwähnte zentrale Erkenntnis der neueren Medienwirkungsforschung erinnert: Die Rezipienten kann es für die Medienforschung nicht geben, da sich Rezipienten immer aufgrund ihrer soziodemographischen Merkmale unterscheiden. Und dies ist auch relevant, bezogen auf die offensichtliche Tendenz der Medien, sich hin zu mehr unterhaltenden Elementen zu entwickeln, denn wie Rudi Renger feststellt: »Es existiert kein massenmediales Produkt, das endgültig als unterhaltsam bezeichnet werden kann. Vergnüglich ist ein massenmediales Angebot dann, wenn sich das Publikum dabei unterhält – was unterhaltsam ist, unterscheidet sich also je nach Zielgruppen, Interessen und Lebensstilen.«35
32 Michaela Pieler spricht in ihrem Artikel Qualität auf dem Anzeigenmarkt und ihre publizistischen Implikationen in Anlehnung an Bartling (1981:151ff.) sehr allgemein von der permanenten „Selbstheilung“ von Presseprodukten (vgl. Pieler 2000:358). 33 Grundsätzliche Überlegungen zur Problematik bietet überblicksmäßig Pieler 2000. 34 vgl. Wittwen 1995:19ff. 35 Renger 2000:295; Interessant erscheint zu dieser Überlegung auch, was Wolfgang Donsbach in anderem Zusammenhang über Wilbur Schramm schreibt, den er als frühen Vertreter des im Abschnitt 2.5 kurz vorgestellten sogenannten Nutzenansatzes (uses-and-gratifications-Ansatz) der Wirkungsforschung sieht: »Im Grunde geht dieser Ende der sechziger und zu Beginn der siebziger Jahre entwickelte Ansatz auf einen bereits 1949 geschriebenen Aufsatz von Wilbur Schramm zurück. Darin heißt es: ‘Es versteht sich von selbst, daß Menschen Nachrichten deshalb lesen, weil sie sich davon eine Belohnung erwarten.’ [...] Er unterschied zwei Arten von Belohnung, die an die Freudsche Unterteilung in ‘Lustprinzip’ und ‘Realitätsprinzip’ angelehnt sind: direkte (‘immediate’) und verzögerte Belohnung (‘delayed rewards’). Zur ersten Kategorie zählt er Nachrichten über Verbrechen, Unfälle, Sport und Freizeit, zur zweiten solche über Politik und öffentliche Angelegenheiten,
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Erklärungsansätze, warum sich Unterhaltung zu einem so wesentlichen Faktor entwickelt hat, gibt es mehrere. Bereits Siegfried Kracauer befaßte sich in seinem 1963 erschienenen Text Kult der Zerstreuung – Über die Berliner Lichtspielhäuser mit dem Phänomen. Er meinte damals dazu, die Zerstreuung entspreche der Welt der modernen Großstadt, denn sie gebe den Mangel an Zusammenhang und die Zufallserscheinungen exakt wieder.36 Heutige Erklärungsansätze weisen vielfach in die Richtung, daß in der Informationsfülle, die den Rezipienten unserer Tage umgibt, dieser immer wieder neu gewonnen werden muß, wenn er sich bestimmten Inhalten zuwenden soll.37 Dies zeige sich laut Gunther Kress und Theo van Leeuwen sogar bis in Schul- und Lehrbücher: »[The students] are addressed, seemingly, as people whose interests need to be solicited and won, the readers need to be entertained, humoured«.38 Immer wieder neu gewonnen werden muß der Leser auch dann, wenn von seiner Seite nur eine geringe Bereitschaft besteht, sich an ein Blatt zu „binden“. Bindung als Verhaltensmuster scheint nun in modernen Gesellschaften allgemein abzunehWirtschaft, soziale Themen, Wissenschaft, Bildung und Gesundheit. Die direkten Belohnungen bestehen darin, daß sie sofort eine ‘Triebbefriedigung’ oder eine ‘künstliche Erfahrung’ vermitteln, die indirekten Belohnungen darin, daß für spätere Lebenssituationen ein bestimmtes Wissen bereitgestellt wird« (Donsbach 1995:56). Auch hier wird deutlich: Belohnung bzw. Nutzen ist, was der jeweilige Rezipient als solche empfindet oder für sich als solche wertet. Ebenfalls erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang Peter M. Hejls Arbeit Unterhaltung als Information, Information als Unterhaltung. Hejl argumentiert, daß das Interesse für Information und für Unterhaltung zumindest teilweise auf eine gemeinsame Aufmerksamkeitsstruktur zurückginge, die anthropologischen Ursprungs sei. Obwohl die zahlreichen Parallelen und Kontinuitäten zwischen Unterhaltung und Information und damit Politik noch keineswegs erschöpfend und vor allem noch nicht empirisch befriedigend untersucht seien, ließe sich feststellen: »Ein erheblicher Teil der Information unterhält uns, ebenso wie uns ein erheblicher Teil der Unterhaltung informiert« (Hejl 1999:121). Die Behandlung von Information als Unterhaltung und von Unterhaltung als Information gehe dabei vom einzelnen Rezipienten aus (vgl. ebd.:119f.); vgl. dazu auch Werner Wirth, der für eine differenzierte Betrachtung des Phänomens Unterhaltung appelliert, da Unterhaltung nicht automatisch weg von Integration, Information und anderen Medienfunktionen führe, die in der Regel als wünschenswert angesehen würden, sondern auf Wege verweise, sich solchen Zielen zu nähern (vgl. Wirth 2002:83). 36 vgl. Kracauer 1991; der Kommunikationswissenschafter Rudi Renger befaßt sich ausführlich mit dem Thema ‘Funktion von Unterhaltung’ und stellt mehrere theoretische Ansätze vor, die sich mit dem Phänomen befassen. Hier finden sich nochmals die Theorie der ‘Kultur der Erlebnisorientierung’ und darüber hinaus Ausführungen zu ‘Unterhaltung als Ferien vom Über-Ich’, ‘Lachen als lustvoller Abfuhrvorgang’, ‘Unterhaltung als genrespezifisches Beziehungssystem’ u.a. (vgl. Renger 2000:280ff.). Zum Thema ‘Unterhaltung’ als zentrales Forschungsanliegen einer zeitgemäßen Kommunikationswissenschaft siehe Werner Wirths Artikel Spannungsfelder der Kommunikationswissenschaft am Beispiel der Unterhaltungsforschung (vgl. Wirth 2002). 37 Laut Wolfgang Donsbach würden von allen Informationen, die in den aktuellen Massenmedien in Deutschland täglich veröffentlicht werden, im Durchschnitt nur rund 1,7 Prozent von den Bürgern aufgenommen. Studien aus den USA würden auf eine ähnliche Überlastung hinweisen (vgl. Donsbach 1991:15). Werner Kroeber-Riel und Franz Rudolf Esch stellen fest, die Informationsüberlastung würde noch immer verniedlicht und verharmlost. Man komme jedoch nicht an der Tatsache vorbei, daß fast alle angebotenen Informationen die vorgesehenen Rezipienten nicht erreichen und unwirksam bleiben würden. Neue Anbieter von Informationen und die Entwicklung neuer Medien führten zu einem Überangebot von Information. Gleichzeitig nehme aber der Konsum von Information nur geringfügig zu, weil der Informationsaufnahme von seiten der Empfänger natürliche, nämlich biologische, Grenzen gesetzt seien. Amerikanische Studien würden zeigen, daß das Informationsangebot während der letzten zwei Jahrzehnte jährlich um 260 Prozent über der Zunahme des Informationskonsums gelegen habe, für Deutschland sei von ähnlichen Zahlen auszugehen (vgl. KroeberRiel/Esch 2000:13). 38 Kress/Leeuwen 1996:30
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men – eine Tendenz, von der vielfach als ‘Entideologisierung’ gesprochen wird und die von verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen als neue Herausforderung erlebt wird. Mit dieser allgemeinen Lockerung der ideologischen Bindungen geht eine Hybridisierung der Lebensstile und Verhaltensweisen einher. Hubert Burda – „Vater“ des Nachrichtenmagazins Focus und langjähriger ehemaliger Chefredakteur der Illustrierten Bunte – beschrieb in einem Interview die Veränderung, die heute das Erscheinungsbild von Zeitschriften bestimmt, unter anderem damit, daß es inzwischen weniger Berührungsängste von „Seriösen“ mit früher als ‘unseriös’ eingestuften Inhalten gäbe – „Klatschzeitschriften“ wie die Bunte zu lesen gelte inzwischen auch für Geschäftsleute und Banker als selbstverständlich.39 Wie erwähnt finden sich in der Diskussion um die Frage, welche qualitativen Veränderungen der Umstand mit sich bringt, daß Nachrichtenmedien sich auf Märkten behaupten müssen, auf denen der Konkurrenzdruck zunehmend steigt, nicht nur Kritiker der beobachtbaren Entwicklungen. Andreas Dörner etwa stellt in den Schlußbetrachtungen seines Buches zum Thema ‘Politainment’ zusammenfassend die Frage, wie sich das Politische in der Unterhaltung zeige, und kommt auf folgende Befunde: Zum einen sei festzuhalten, daß Politik im Unterhaltungsformat immer eine personalisierte und auf einfache Grundkonstellationen reduzierte Wirklichkeit darstellt. In dieser Reduktion lägen zweifellos Verzerrungen und Verkürzungen dessen, was die Komplexität politischer Prozesse in der außermedialen Realität ausmache. Diesem Manko stehe jedoch eine Veranschaulichung und Verlebendigung der politischen Welt gegenüber. »Unterhaltsame Anekdoten und fiktionale Erzählungen können politische Probleme und auch Lösungsperspektiven mit einer Reichweite vermitteln, die sonst unvorstellbar wäre. Politainment bewirkt eine Visualisierung des Politischen. Nicht nur politische Akteure, sondern auch Positionen und Konfliktlinien werden etwa in der Talk-Kultur sichtbar gemacht. Damit ist eine nicht geringzuschätzende Orientierungsleistung für das Publikum verbunden. [...] Politainment ist somit ein relevanter Teil des gesellschaftlichen Interdiskurses, der Kommunikationsräume über die Grenzen von Subsystemen, ideologischen Milieus und sozialstrukturellen Formationen hinweg öffnet. Der Marktmechanismus des Entertainment bewirtschaftet Aufmerksamkeiten, setzt Themen und ermöglicht darüber Konsonanzbildungsprozesse im Bereich der öffentlichen Meinung. Die große Reichweite wiederum ist in der symbolischen Struktur des Politainment sowohl für Medienmacher als auch für politische Akteure von erheblichem Vorteil: Die einen steigern ihre Quoten und Marktanteile, die anderen erreichen einen Teil der Wählerschaft, der über die traditionellen Kommunikationskanäle nicht mehr zu erreichen wäre.«40
Darüber hinaus wäre es möglich, das Politische im Rahmen von Unterhaltung im Modus des ‘Feel Good’ darzubieten und dadurch eine positive Grundstimmung zu produzieren, die Entfremdungs- und Ablehnungstendenzen im Sinne der weit verbreiteten Politikverdrossenheit durchaus entgegenwirken könne. Neben weiteren Ausführungen, die besonders das Fernsehen und dessen Unterhaltungsformate wie etwa Serien betreffen, stellt Dörner fest, daß die Veränderungen der medialen Kommunikations- und Vermittlungsbedingungen nicht immer auch als Verfall zu interpretieren seien. Eine auf Unterhaltung ausgerichtete Öffentlichkeit sei zwar nicht primär eine aufklärerische Öffentlichkeit – wer dies erwarte, gehe von falschen Funktionsbedingungen aus –, und doch: Für apokalyptische Verfallsszenarien sei kein Grund ge39 vgl. Hubert Burda im Interview mit Patricia Riekel in: Bunte 7/2000, S. 78–81 40 Dörner 2001:240
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geben, auch wenn sich das Politische in der medialen Erlebnisgesellschaft verändert habe.41 Auch Meyer, Ontrup und Schicha vertreten die Ansicht, daß eine unterhaltsame Aufbereitung von politischen Inhalten unter demokratiepolitischen Aspekten nicht an sich negativ zu sehen sei: »Dramaturgische Gestaltungsmittel wie ungewöhnliche Kamerabewegungen und Schnitte, Anreicherung des Bildinhalts durch Archivaufnahmen, auf emotionale und symbolische Motive fokussierende Einstellungen können zum ästhetischen Träger für gezielte Hintergrundinformationen werden und dadurch die politische Meinungs- und Willensbildung der Rezipienten durchaus bereichern.«42
Wolfgang Donsbach läßt ebenfalls erkennen, daß er die Entwicklung hin zu mehr unterhaltsam vermittelter Politik nicht als rein negative Entwicklung sieht. Zwar sei es schwierig zu beurteilen, aus welchem Interesse genau sich die Bevölkerung politischen Inhalten zuwende und wie sich die Teilhabe am Politischen per Medien auf das profunde politische Wissen der Rezipienten auswirke, beobachtbar sei allerdings ein deutlicher Anstieg des allgemeinen Interesses an Politik. »Der Anteil derjenigen Bürger, die sich als „politisch interessiert“ bezeichnen, stieg in Deutschland von 27 Prozent im Jahr 1952 auf 47 Prozent im Jahr 1992 [...]. Noch Mitte der sechziger Jahre lag diese Zahl bei unter 30 Prozent. Vor allem die dann folgende Ausbreitung des Fernsehens hat die Menschen politisch interessierter gemacht, weil dieses Medium die oft spröden politischen Themen personalisiert und emotionalisiert.«43
Klaus Peter Landgrebe glaubt, daß Nachrichtenmagazine bei emotionalisierenden Themen wie Katastrophen oder menschlichen Schicksalen eine grundlegend andere journalistische Aufbereitung zeigen als die vielfach für ihre Skandal-Orientierung kritisierte ‘Boulevardpresse’, aber auch eine andere als die sogenannte ‘Qualitätspresse’. Freilich fände sich auch in Nachrichtenmagazinen Sensationelles, Empörendes, Erschütterndes, Aufwühlendes – doch wenn Magazine über Kriege, Naturkatastrophen und Unglücksfälle berichteten, würden sie neben der vordergründigen Suche nach den Schuldigen auch Analysen liefern, die darauf zielten aufzuzeigen, wie solche Ereignisse und ihre Folgen in Zukunft vermieden werden könnten. Die Redakteure der meisten Nachrichtenmagazine tendierten zum Tadel und ihre vielfach negativen Kommentare würden häufig Positives bewirken. Die Leser würden diese schätzen, und für die Nachrichtenmagazine liege in dieser oft scharfsinnigen und aggressiv vorgetragenen Kritik Macht.44 Kritik ist laut Landgrebe ein Kernthema der Nachrichtenmagazine, und für die Ausübung stünden ihren Journalisten eine Vielzahl von Stilmitteln zur Verfügung. Zwei dieser Stilmittel seien in Nachrichtenmagazinen besonders häufig anzutreffen und könnten deshalb als typisch bezeichnet werden: Ironie und Zynismus. Der Leser fände sich durch die sprachliche Gewandtheit der professionellen Kritiker gut vertreten und freue sich an der Fortentwicklung, die sich ergebe. 41 42 43 44
vgl. ebd.:243f. Meyer/Ontrup/Schicha 2000:28 Donsbach 1995:63 vgl. Landgrebe 1994:20; Klaus Peter Landgrebe erstellte zur Einführung des deutschen Nachrichtenmagazins Focus in Zusammenarbeit mit der Burda-Marktforschung eine Vergleichsstudie zu europäischen und US-amerikanischen Nachrichtenmagazinen. Teile dieser Untersuchung wurden 1994 unter dem Titel Nachrichtenmagazine – ihr Stil, ihr Erfolg. In Europa und den USA veröffentlicht. Nachfolgende Zitate unter dem Kurzverweis ‘Landgrebe 1994’ entstammen dieser Studie.
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»Journalisten formulieren [die] Auffassungen, die [der Leser] selbst nicht zu artikulieren vermag. Er ist befriedigt, wenn ‘die’ es denen da oben mal wieder ordentlich gegeben haben. Die von der Kritik betroffenen Gestalter in Politik und Wirtschaft reagieren unmittelbar, verteidigen sich, erklären, widersprechen in aller Öffentlichkeit. In Sorge, wer in der nächsten Woche ‘dran ist’, welche ‘Sau dann durchs Dorf getrieben wird’ (Adenauer), ist der Erscheinungstag eines Nachrichtenmagazins – nicht in allen Ländern der Montag – ein Tag der Spannung, den die Objekte der Kritik der Lektüre der wichtigsten Beiträge widmen.«45
Doch nicht nur negativ Kritisches würde sich traditionell in den Berichten der Nachrichtenmagazine finden, so Landgrebe weiter. Es könnten vielmehr drei Formen von Geschichten unterschieden werden – kritische, neutrale und begeisternde –, deren jeweiliger Anteil am Gesamtumfang weitgehend den Charakter des jeweiligen Magazins präge. Diese Verbindung von positiven und negativen Geschichten sei typisch für alle Nachrichtenmagazine und existiere bereits in den frühen Ausgaben des Magazins Time. Denn die Symbiose von Niederdrückendem und Aufmunterndem hätte, so Landgrebe, dem „Zeitgeist“ in der USA nach dem Ersten Weltkrieg entsprochen: Einerseits sei man skeptisch gegenüber den etablierten Konventionen und voll Verachtung gegenüber den allgemein akzeptierten Normen gewesen, andererseits hätte es bei den Amerikanern dieses Jahrzehnts auch eine große Überzeugtheit von der Leistungsfähigkeit des Einzelnen gegeben. Daß es dem Nachrichtenmagazin Time gelungen sei, die vorherrschenden demokratischen Ideale – Respektlosigkeit gegenüber der Autorität und Ehrfurcht vor dem Erfolg – in sein Konzept aufzunehmen, hätte laut Joseph Firebaugh schließlich den Erfolg des Magazins begründet.46 Chistian Rainer, Herausgeber des österreichischen Nachrichtenmagazins Profil, geht davon aus, daß sich die Rolle von Nachrichtenmagazinen in den letzten Jahrzehnten geändert hat. Negativgeschichten und Skandale würden das Heft nicht mehr verkaufen, das habe man inzwischen bei Profil gelernt. Die Gründe dafür lägen nicht nur in den Veränderungen der Medienlandschaft, sondern auch darin, daß die Gesellschaft eine „normalere“ geworden sei. Die großen Skandale seien aufgearbeitet, die kleinen Skandale seltener geworden. Deshalb seien beispielsweise Enthüllungen nicht mehr die große Aufgabe von Nachrichtenmagazinen. Außerdem sehe sich Profil heute weniger als Kampforgan als früher. Nach wie vor sieht Rainer aber sein Magazin in der Rolle des ‘Gewissens der Nation’.47 Klaus Peter Landgrebe sieht für heutige Nachrichtenmagazine eine Erfolgsformel, und zwar im Zusammenspiel von drei Faktoren: (1) Themen – diese müßten ein vielseitig interessiertes Publikum ansprechen; (2) Kritik – durch sie sollte es den Lesern möglich sein, einen eigenen Standpunkt zu finden, und (3) Sprache – sie sollte ein intellektuelles Vergnügen sein und den amüsieren, der selbst mit ihr als Werkzeug umgeht. Alle anderen möglichen Erfolgsfaktoren wie Aufmachung, Illustration, Fotos seien – so Landgrebe weiter – lediglich Mittel zum Zweck und dafür da, den Blätterer dazu zu verführen, sich einem Beitrag zu widmen.48 45 ebd.:24 46 vgl. ebd.:33 47 vgl. Christian Rainer im Interview mit Johann Oberauer und Georg Taitl zum ersten Jahrestag des Zusammenschlusses der Kurier-Magazine (Nachrichtenmagazin Profil) und des News-Konzerns (Nachrichtenmagazin Format). Formil: Ein Jahr der Feind im eigenen Bett. In: Der österreichische Journalist 2/2002:30–34 48 Landgrebe 1994:35f.
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Dieser von Landgrebe eher nebenbei angesprochene Punkt des „Verführens“ ist ein interessanter Aspekt, auf den kurz näher eingegangen werden soll. Mit einer Betrachtung von Werner Früh führt er nämlich zurück zum Ausgangspunkt, daß es die Rolle der Nachrichtenmedien sei, zwischen den Bürgern und dem politischen System zu vermitteln. Wie bereits ausgeführt wurde, wird die Aufgabe der Medien innerhalb des demokratischen Systems idealtypisch darin gesehen, durch die Bereitstellung von Informationen dazu beizutragen, daß der „mündige Staatsbürger“ seine Interessen erkennen und vertreten kann, er in der Lage ist, größere gesellschaftliche Zusammenhänge zu durchschauen und schließlich nach kritischer Abwägung einer möglichst großen Zahl relevanter Fakten zweckrationale Entscheidungen treffen zu können49. Früh weist nun darauf hin, daß dieser Auftrag nicht alleine damit erfüllt werden kann, die Informationen, die dazu geeignet sind, den Bürger bei seiner Aufgabe als Staatsbürger zu unterstützen, zur Verfügung zu stellen. Es sei vielmehr so, daß diese auch derart aufbereitet werden müßten, daß der Rezipient sich ihnen auch zuwenden will. Es genüge nicht, eine im demokratiepolitischen Sinne möglichst „brauchbare“ (also umfassende und differenzierte) Berichterstattung zu bieten. »Damit der „mündige Staatsbürger“ tatsächlich umfassend und sachgerecht informiert sein kann, müssen mindestens zwei weitere Voraussetzungen erfüllt sein: Er muß das Informationsangebot nutzen können und nutzen wollen. Die erste Bedingung betrifft neben der physischen Zugänglichkeit (leichte Erreichbarkeit, geringe Kosten) als wichtigen zweiten Aspekt die Verständlichkeit der Information. Die zweite Bedingung bezieht sich dagegen auf deren Attraktivität für den Rezipienten; was nutzt schließlich der verständlichste Zeitungsartikel, wenn er nicht gelesen wird?«50
Nun sei es zwar nicht die Aufgabe der Massenmedien, beim Publikum ein Informationsbedürfnis zu wecken, das sie dazu befähigt, ihre staatsbürgerlichen Aufgaben wahrzunehmen – hierfür sei in erster Linie das institutionalisierte Bildungswesen verantwortlich –, trotzdem sollten und könnten die Medien durch die Art der Aufbereitung ihres Angebots zu einem größeren Interesse beitragen. »Die beste Medienaussage ist demnach diejenige, die einen komplexen thematischen Zusammenhang formal am reizvollsten und zugleich am verständlichsten darstellt.«51
Folgt man Früh, der sich in seiner Argumentation auf Erkenntnisse der amerikanischen Readability-Forschung stützt, in seinen Ausführungen, so wird die visuelle Gestaltung von medialen Nachrichten zu einem Kennzeichen journalistischer Qualität – und zwar in einem anderen Sinne, als dies bisher ausgeführt wurde. Denn „verlockende“ Aufbereitung von Information steht damit nicht nur in keinem Gegensatz zu journalistischer Qualität, sie wird auch nicht als „kleineres Übel“ in dem Sinne gesehen, daß es allemal besser sei, Rezipienten würden sich „seichter“ Information zuwenden als gar keiner. Ästhetische Informationsaufbereitung wird vielmehr als maßgeblicher Faktor des Informationstransfers angesehen.52 Dieser Blickwinkel stellt allerdings die wissenschaftliche Untersuchung von medialer Kommunikation vor eine Herausforderung, die bereits in einem früheren Kapitel angesprochen wurde: Es fehlt an Kriterien, an denen sich die journalistische Qualität von Informati49 50 51 52
vgl. Früh 1980:16 ebd.:17 ebd. Früh bezieht in seinen Ausführungen ‘Ästhetik’ auf generell alle Anmutungsaspekte eines Textes, also sowohl auf seine sprachliche als auch seine visuelle Aufbereitung (vgl. ebd.).
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onsaufbereitung auf visueller Ebene beurteilen läßt. Das nächste Kapitel setzt sich mit diesem Punkt unter dem Stichwort ‘visuelle Zeichenkompetenz’ näher auseinander. Zuvor sollen aber die wesentlichen Punkte des vorliegenden Kapitels kurz zusammengefaßt werden.
5.4
Zusammenfassung
Ziel dieses Kapitels war es, das Medium ‘Nachrichtenmagazin’ näher zu beschreiben. Dabei wurden neben einer Klärung der Charakteristika dieses Mediums zwei Schwerpunkte gesetzt: Es wurde (1) versucht zu verdeutlichen, welche generellen marktspezifischen Bedingungen das Medium als Nachrichtenmedium, als Printmedium und als wöchentliches Magazin bestimmen, und es wurde (2) darauf eingegangen, daß sich Nachrichtenmagazine wie auch andere Nachrichtenmedien in einer Konkurrenzsituation bewähren müssen, die sich aufgrund der Entwicklung der letzten Dekaden durch neue Qualitätsmaßstäbe auszeichnet. Auf beide Punkte wird im weiteren zurückzukommen sein, da davon ausgegangen wird, daß diese Faktoren entscheidenden Einfluß auf das visuelle Erscheinungsbild – und damit auf die visuelle Darstellung des Politischen – von Nachrichtenmagazinen haben. Drei Punkte sollen nochmals als zentral hervorgehoben werden: (1) Nachrichtenmagazine sind qua Informationsmedien als komplexe Erfahrungsgüter bzw. Vertrauensgüter zu sehen, deren Qualität von den Konsumenten nur sehr schwer beurteilt werden kann; (2) durch die sogenannte ‘Mischfinanzierung’ entsteht für die Magazine die Situation, daß es nicht ihr zentrales unternehmerisches Ziel ist, möglichst viele Hefte einer jeweiligen Auflage zu verkaufen. Es geht vielmehr darum, möglichst viele Leser einer bestimmten definierten Rezipientengruppe zu erreichen. Wie sich diese Gruppe zusammensetzt, ergibt sich aus den Bevölkerungssegmenten, die von den Unternehmen angesprochen werden wollen und die neben den Lesern die zweite Zielgruppe der Nachrichtenmagazine darstellen. Daraus ergibt sich eine spezielle Nutzenerwartung, die Nachrichtenmagazine erfüllen müssen, um sich auf den für sie relevanten Märkten zu bewähren; diese lassen sich (3) nur ungenügend mit den allgemeinen Begriffen ‘Information’ und ‘Unterhaltung’ qualifizieren, da diese Phänomene, wie gezeigt wurde, rezipientenspezifisch definiert werden müssen. Alle diese Punkte werden in den Abschnitten Medienästhetik und visuelle Markenkommunikation nochmals aufgenommen werden, um zu verdeutlichen, inwiefern diese Faktoren für die Untersuchung visueller Politikvermittlung in Nachrichtenmagazinen zu berücksichtigen sind. Für die Darstellung dieser Zusammenhänge wird auf Prämissen zurückgegriffen werden, die verschiedenen theoretischen Konzepten der Bildforschung entnommen sind. Diese Theoriekonzepte sollen im folgenden Kapitel vorgestellt werden.
6
Bilder sprechen nicht in Worten. Das Verstehen visueller Kommunikation als Problem der wissenschaftlichen Analyse
6.1
Einleitung
Bilder gelten vielfach als ‘die Sprache der Sprachlosen’.1 Als solche wird die Bildsprache der Wortsprache nachgereiht, damit abgewertet und der als hochkulturell gesehenen Literalität als trivial-kulturell gegenübergestellt.2 Es gilt die Auffassung, daß das Konkrete, also das durch äußere Sinne Wahrnehmbare, geringer zu schätzen ist als das Abstrakte, dessen Erfassung durch Denken und Theoretisieren auf Kulturtechniken beruht, die innerhalb einer ausgedehnten Bildungssozialisation dem einzelnen erst vermittelt werden müssen. In dieser nach wie vor vorherrschenden Auffassung zeige sich laut Frank Hartmann die Tradition der Aufklärung: Die Vertreter der Aufklärung richteten sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts explizit gegen die Bildkommunikation, da nur dem gedruckten Text der Nimbus höherer Erkenntnis anhaftete. Abbildungen wurden lediglich als Mittel zum Zweck einfacher Pädagogik gesehen. »Bildung und Wissen manifestieren sich in gedruckten Buchstaben, konkrete Bilder hingegen lenken nach traditioneller Vorstellung nur vom Wesentlichen ab: Sie vermögen der Anschauung zu dienen, taugen aber nicht zur Erkenntnis.«3
Doch die vorherrschende Abwertung der bildhaften Ausdrucksformen entspringe dem Defizit an Bildwissen, meint Annemarie Lange-Seidl: »Nur solange eine zeichenphilosophische und wissenschaftstheoretische Zusammenschau fehlen, wird man es wagen, abwertend von präsprachlichen Zeichen zu sprechen. Die Zeichenkompetenz ist ebenso eine Theoretisierung wert wie die kommunikative Kompetenz, die keine rein sprachliche werden darf, wenn sie nicht homo-loquens-orientiert an der Wirklichkeit vorbeigehen soll.«4
Nun kommt aber Bildern seit Jahrhunderten weniger theoretische Aufmerksamkeit zu als dem Wort. Der Philosoph Hans Jonas stellt fest, man würde vergeblich nach einer entwickelten Bildtheorie oder Bildwissenschaft fahnden. Denn während sich die Sprache besonders seit der Romantik einer intensiven theoretischen Debatte erfreue, die sich in Sprachphilosophie, allgemeiner Sprachwissenschaft, Linguistik, Übersetzungstheorie etc. institutionalisiert hätte, sei dem Medium ‘Bild’ keine ähnliche Aufmerksamkeit zuteil geworden.5
1 2 3 4 5
vgl. Jansen/Scharfe 1999:54 vgl. Meckel 2001:29 Hartmann 2002:18 Lange-Seidl 1975:255 vgl. Jonas 1995:114
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Aus heutiger Sicht seien die Vorbehalte gegenüber Bildern und bildorientierten Medien nicht so sehr auf eine grundsätzliche Opposition gegenüber den Bildmedien zurückzuführen, glauben Gunther Kress und Theo van Leeuwen, als vielmehr auf eine Konkurrenz zwischen Wort und Bild im Sinne eines Verdrängungswettbewerbs: »[T]he opposition to the emergence of a new visual literacy is not based on an opposition to the visual media as such, but on an opposition to the visual media in situations where they form an alternative to writing and can therefore be seen as a potentional threat to the present dominance of verbal literacy among elite groups.«6
Doch bildhafte Darstellung ist ein wesentlicher Vermittlungsmodus unserer Zeit und fordert spezielle Fähigkeiten. Schon Walter Benjamin hat in seinem Werk Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit auf die Notwendigkeit einer visuellen Alphabetisierung verwiesen, und zwar auf eine Alphabetisierung nicht nur derer, die mit produzierten Bildern konfrontiert sind, sondern auch derer, die diese Bilder produzieren und sie dabei selbst nicht verstehen: »Nicht der Schrift-, sondern der Photographieunkundige wird, so hat man gesagt, der Analphabet der Zukunft sein. Aber muß nicht weniger als ein Analphabet ein Photograph gelten, der seine eigenen Bilder nicht lesen kann?«7
Aber in einer Gesellschaft, die sich über Jahrhunderte über ihre verbale Literalität definierte, die das Beherrschen der Fähigkeit des Lesens und Schreibens zum zentralen gesellschaftlichen Bildungsziel erhob, die am Grad der Alphabetisierung der Bevölkerung den Entwicklungsstand von Staaten mißt und auf diese Art zwischen fortgeschrittenen und „primitiven“ Völkern unterscheidet, muß es die Forderung nach Fortschritt in Form von mehr Bildkompetenz schwer haben.8 Denn von den Bildskeptikern wird eben nicht Fortschritt, sondern Kulturverfall gewittert. Doch wenn – wie Annemarie Lange-Seidl ausführt – ein Zusammenhang besteht zwischen der Skepsis gegenüber Bildern und dem Mangel an theoretischem und methodischem Instrumentarium im Umgang mit Bildern, dann stellt sich die Frage, wie das Wissen um Bilder vergrößert werden kann, um jenseits von normativen Bildungsund Kulturansprüchen den kommunikativen Vorgängen unserer Zeit gerecht werden zu können. Die Medienwissenschaften interessieren sich für Bilder, weil sie ein so bedeutendes Kommunikationsmittel unserer Zeit darstellen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit visueller Kommunikation zielt dabei auf die Vertiefung und Ausdehnung von Bildkompetenz, sieht sich aber bei diesem Vorhaben einem wesentlichen Problem gegenüber, für das sie – genauso wie andere Disziplinen – bisher keine befriedigende Lösung finden konnte: Einerseits spielen Bilder eine zentrale Rolle in allen gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen, andererseits gelten Bilder nach wie vor als nicht eindeutig und damit als der empirischen Analyse nicht zugänglich. Die folgenden Ausführungen wenden sich diesem Problem zu. Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten wird auch in den folgenden eine Gegenüberstel6 7 8
Kress/Leeuwen 1996:16 Benjamin 1977:64 vgl. Kress/Leeuwen 1996:15
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lung von Bild und Wort, von visueller und verbaler Kommunikation vorgenommen werden. Wurde in den bisherigen Ausführungen darauf eingegangen, welche empirisch nachweisbaren unterschiedlichen Wirkungen verbale und visuelle Nachrichten auf Rezipienten haben, so geht es im folgenden darum, die Funktionsweise der beiden Vermittlungsmodi aus theoretischer Sicht zu beleuchten: Was unterscheidet die Sprache der Bilder von der Wortsprache und welche Schlüsse können aus den Unterschieden und Gemeinsamkeiten allgemein für die Anlage des methodischen Vorgehens bei der Erforschung von Bildkommunikation gezogen werden? Von dieser allgemeinen Betrachtung sollen im weiteren Schlußfolgerungen für die Untersuchung von medialer Medienkommunikation anhand des Untersuchungsbeispiels ‘Nachrichtenmagazin’ abgeleitet werden. Die grundsätzliche theoretische Betrachtung der Thematik ist folgendermaßen aufgebaut: Der erste Abschnitt der Ausführung widmet sich der Diskussion des für die Betrachtung von visueller Kommunikation grundlegenden Begriffs: dem Bildbegriff. Wovon genau sprechen wir, wenn wir von Bildern sprechen? Wie sich zeigen wird, ist diese Diskussion für die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand zentral, weil sich aus ihr ableiten läßt, welche theoretische Annäherung für die Entschlüsselung von Bildinhalten gewinnbringend erscheint. Dabei wird versucht werden zu zeigen, daß viele Gründe dafür sprechen, sich dem Thema aus zeichentheoretischer Perspektive zu nähern – ein Weg, der in der vorliegenden Arbeit verfolgt wird und der in diesem Kapitel ausführlich dargelegt werden soll. Dafür gilt es aber, in einem ersten Schritt zu klären, inwiefern bei Bildern von Zeichen gesprochen werden kann. Dies soll im zweiten Abschnitt unternommen werden. Der darauffolgende Abschnitt wendet sich einem für die Entschlüsselung von Zeichen zentralen Punkt zu: der Regelhaftigkeit von Zeichen. Wie bereits angesprochen wurde, gilt als grundlegendes Problem der wissenschaftlichen Bildanalyse die fehlende Eindeutigkeit von Bildern. Dieser Punkt soll deshalb ausführlich behandelt werden. Dabei wird gezeigt werden, daß Bilder, sobald sie in kommunikativer Absicht verwendet werden – was auf Medienbilder jedenfalls zutrifft –, nur begrenzt vieldeutig sind. Wodurch die Vieldeutigkeit von Bildern eingeschränkt wird und welche theoretischen und methodischen Konzepte für die Bestimmung des kommunikativen Gehalts von Bildern fruchtbar gemacht werden können, ist Thema des letzten Abschnittes dieses Kapitels.
6.2
Wovon sprechen wir, wenn wir von Bildern sprechen?
Laut einer Definition der Politikwissenschaftlerin Marion Müller untersucht die ‘Visuelle Kommunikationsforschung’ visuelle Phänomene, die sich in Form von Bildern materialisieren. Damit grenze sich die visuelle Kommunikationsforschung von dem Forschungsbereich ab, der sich der interpersonalen nonverbalen Kommunikation widme und dabei nicht zur Bedingung habe, daß diese durch ein materialisiertes Bild visualisiert werde.9 Die Gesten oder die Mimik eines Politikers während eines Interviews werden laut dieser Definition erst dann zum Gegenstand des
9
vgl. Müller 2003:14
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Fachbereichs ‘Visuelle Kommunikationsforschung’, wenn sie abgebildet werden, also durch Öl, Stein, Zelluloid oder in Pixel zum Bild werden. Damit stellt sich aber die zentrale Frage: Was genau ist ein Bild? Wie eine Aufzählung von Martina Plümacher verdeutlicht, erstreckt sich der Bildbegriff auf einen außerordentlich heterogenen Phänomenbereich: »Gemälde, Reliefs, Zeichnungen im Bereich der Kunst, Konstruktionsplanung, Skizzen, schematische Darstellungen, Diagramme etc. in Technik, Wissenschaften, Berufspraxis und Alltag, Fotos, Infrarotaufnahmen, tomografische Bilder, geografische Karten, Piktogramme, Computersimulationen und -modulationen und manches mehr [umfaßt der Begriff] an materiellen Bildern. Auf Bilder, insbesondere immaterielle Bilder, verweist die Rede von Weltbildern, Selbstbildern, Leitbildern, musikalischen Klangbildern, bildhafte Sprache etc.«10
Plümacher trifft in ihrer Aufzählung die zentrale Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Bildern, die sich bereits in Müllers Definition findet, indem diese davon spricht, daß sich visuelle Phänomene in Bildern materialisieren müßten, um Gegenstand des Fachs ‘Visuelle Kommunikationsforschung’ zu sein. Allgemein werden immaterielle Bilder im Rahmen kommunikationswissenschaftlicher Bilduntersuchungen von der theoretischen Betrachtung häufig mit dem Hinweis vom „engen“ Bildbegriff ausgeschlossen, daß sie auf inneren und damit privaten Vorgängen basieren. Oliver Scholz, der sich dem Thema Bild über den Vorgang des Verstehens nähert, meint, daß etwas nur dann als Bild zu sehen sei, wenn mindestens drei Stufen des Verstehens für das gemeinte Phänomen angemessen seien: (1) perzeptives Verstehen, (2) Verstehen als Zeichen und (3) Verstehen als bildhaftes Zeichen – diese Voraussetzung sei aber bei inneren Bildern nicht erfüllbar, denn: »Da es kein inneres Sehen gibt, kann es auch kein inneres perzeptives Verstehen geben. Noch voraussetzungsreicher sind offenbar die weiteren Stufen«.11 Marion Müller verweist im Zusammenhang mit der Unterscheidung von materiellen und immateriellen Bildern auf ein Dilemma des Fachs ‘Visuelle Kommunikationsforschung’: Integriere diese die nicht-materiell greifbaren Bilder in ihre Betrachtung, so riskiere sie laut Müller eine allzu große begriffliche Unschärfe. Schließt sie sie aber kategorisch aus, so reduziere sie sich zur reinen Materialkunde.12 Diese Befürchtung erscheint zwar angesichts der Themenfülle, die die „handfesten“ Bilder der theoretischen Auseinandersetzung bieten, als sehr skeptisch, gleichzeitig ist Müller in ihrer Einschätzung der Wichtigkeit von Denkbildern für das umfassende Verständnis gesellschaftlicher Vorgänge rechtzugeben. Eine interessante Definition des Phänomens Bild, die auch Marion Müller erwähnt, findet sich bei Christian Doelker: »Das Bild könnte [...] definiert werden als eine zum Zweck der Betrachtung hergestellte visuelle Konfiguration. In diese Definition sind die Kriterien der Begrenztheit, der Transferierbarkeit und der Reproduzierbarkeit eingeschlossen. Eine optisch anregende Konstellation aus großer Höhe betrachtet ist noch kein Bild; erst die fotografische Aufnahme, die die Bedingung ‘Herstellung’ erfüllt [...] und die Darbietung vor Betrachtern macht die Konfiguration zum Bild.«13
10 11 12 13
Plümacher 1998:50f. Scholz 1998:117 vgl. Müller 2001:18 Doelker 1997:187
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Die derart eingegrenzte Kategorie Bild läßt sich nun weiter untergliedern. Scholz nennt folgende Kriterien, nach denen Bilder qualifiziert werden können: verwendete Materialien, Format, angewandte Techniken, Stilrichtung und Epoche; weiters: nach dem Künstler, der das Bild geschaffen hat und nach Inhalts- und Sujetgesichtspunkten.14 An diesen Qualifikationskriterien läßt sich gut erkennen, daß die Themen Bildverstehen und Bildinterpretation kunsttheoretische Schwerpunktthemen darstellen. Und doch ist Scholz’ Untergliederung nicht nur für das Bild, das als Kunstwerk geschaffen wurde, gültig. Was kann nun als gemeinsame Eigenschaft der unterschiedlichen Bildphänomene gesehen werden? Ein offensichtlich zentrales Wesensmerkmal eines Dings, das ein Bild sein will, ist dessen Möglichkeit, etwas sichtbar werden zu lassen, ohne dieses Sichtbare zu sein. »Es gibt keinen anderen Gegenstand, der diese Leistung erbringen könnte, ohne selbst ein Bild zu sein«, stellt Lambert Wiesing fest.15 Außerdem sei es nicht der Informationsgehalt an sich, der das Bild so unersetzbar für den Menschen machen würde, so Wiesing weiter, denn zur Wissens- und Informationsübermittlung und deren Aufbewahrung stünden uns noch andere Zeichensysteme zur Verfügung. Was allerdings für immer verloren wäre, wenn der Mensch keine Bilder mehr hätte, wäre die Sichtbarkeit des Abwesenden. Mit dieser Eigenschaft, das Abwesende sichtbar zu machen, wird oft eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen dem am Bild Wahrnehmbaren und dem im Bild Abgebildeten verbunden, doch hier liegt die Gefahr eines Mißverständnisses, denn wäre die Ähnlichkeit zwischen dem am Bild Sichtbaren und dem im Bild Abgebildeten ein Wesensmerkmal des Bildes an sich, so müßte ja beispielweise abstrakten Bildern ihr Bildcharakter abgesprochen werden. Hier liege, so Ferdinand Fellmann, eine Fehlinterpretation der sogenannten Ähnlichkeitstheorie vor, denn genaugenommen sehe ein Bild nicht einem Gegenstand ähnlich, sondern der Ansicht eines solchen. »Dazu genügt es, daß es sich um eine Ansicht von ‘etwas überhaupt’ handelt, das trifft auch für abstrakte Bilder zu. Insofern kann man sagen, die Ansicht von etwas ist das allen Bildern gemeinsame Sujet. Alle Bilder sind Ansichten.«16
Auch Sachs-Hombach und Rehkämper vertreten den Standpunkt, daß Ähnlichkeit weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für bildhafte Darstellung sei, denn zwei Gegenstände könnten einander ähneln, ohne daß der eine ein Bild des anderen sei. Und der Gegenstand B könne eben ein Bild von A sein, ohne daß B A ähnelt oder umgekehrt, »[u]nd damit ist die Ähnlichkeit als wirksames Kriterium 14 vgl. Scholz 1998:111 sowie die näheren Ausführungen zu Scholz’ Theorie in Abschnitt 6.5.3. 15 Wiesing 1998:101 16 Fellmann 1998:189; Lambert Wiesing sieht das ähnlich und erläutert seine Einschätzung, indem er darauf hinweist, daß ein Bild nicht nur dafür verwendet werden kann, um auf einen bestimmten Gegenstand zu verweisen, sondern auch als Zeichen für eine bestimmte Sichtweise oder Perspektive auf sichtbare Gegenstände. Ein Bild könne einen Gegenstand aus traurig-pessimistischer Sichtweise darstellen oder „wie durch eine rosarote Brille“; die Darstellung beziehe sich in diesem Fall nicht auf die Gegenstände, sondern würde symbolisch verwendet (vgl. Wiesing 1998). Fellmann führt weiter aus, daß obwohl alle Bilder Ansichten seien, doch nicht alle Ansichten Bilder seien: »Man kann die Ansicht als Grenze zwischen Gegenstand und Betrachter bezeichnen. Die Ansicht verbindet Subjekt und Objekt der Wahrnehmung. [...] Eine Ansicht wird zum Bild, wenn sie von der raum-zeitlichen Wirklichkeit isoliert ist« (Fellmann 1998:190).
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disqualifiziert«.17 Folgt man dieser Argumentation, so bleibt als zentrales Wesensmerkmal von Bildern ihr Abbildcharakter, das Auf-etwas-anderes-verweisen, das Darstellen. Und ein Etwas, das ein anderes Etwas darstellt – es repräsentiert –, wird im allgemeinen Zeichen18 genannt. Für die Fragestellungen, die hier behandelt werden sollen, ist diese Definition zentral. Sie besagt, daß Bilder Zeichen sind, also etwas sinnlich Wahrnehmbares, das für etwas anderes steht oder auf etwas anderes verweist. In kommunikativen Zusammenhängen kann ein Zeichen aber nur sinnvoll verwendet werden, wenn die an dem Kommunikationsprozeß Beteiligten wissen, wofür das Zeichen steht, was es ihnen sagen soll, wie es zu verstehen ist.19 Diese Regelhaftigkeit von Zeichen muß als ihre zentrale Eigenschaft gesehen werden. »Sobald ich an jemanden das Wort, eine Geste, ein gezeichnetes Zeichen oder einen Laut richte (damit dieser erfährt, was ich vorher erfahren habe und den anderen wissen lassen will), [stütze] ich mich auf eine Reihe von irgendwie verabredeten Regeln [...], die mein Zeichen verständlich machen.«20
Die Entschlüsselung dessen, wofür ein verwendetes Zeichen jeweils steht oder worauf es verweist, also die auf einem Regelsystem basierende Decodierung, kann von seiten des Rezipienten aufgrund unterschiedlicher Wissensbestände erfolgen: Beim natürlichen Zeichen etwa aufgrund der Kenntnis von bestimmten kausalen Zusammenhängen (z.B. Wolken als Zeichen für möglichen Regen), beim konventionellen Zeichen aufgrund der Kenntnis der Übereinkunft, auf der das Zeichen beruht (z.B. Verkehrszeichen) und bei symbolhaften Zeichen aufgrund der Wahrnehmung einer gewissen Ähnlichkeit des Zeichens mit dem Bezeichneten (wenn etwa der Hinweis in einem Supermarkt „Hier finden Sie Obst und Gemüse“ durch die – mehr oder weniger gelungene – Zeichnung von Äpfeln, Birnen und Karotten auf einem über der Ausgabestelle angebrachten Schild erfolgt). Basiert Bildkommunikation also zwingend auf Codes und Regeln – die offensichtlich auch verstanden werden, sonst könnte nicht von Kommunikation gesprochen werden –, so ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, worin das methodische Problem der empirischen Bildkommunikationsforschung besteht. Wie noch näher auszuführen sein wird, wird die zentrale Schwierigkeit darin gesehen, daß Bilder – im Vergleich zu Wörtern – als Zeichen nicht eindeutig seien. Um auf diesen Punkt näher eingehen zu können, soll zunächst eine wichtige Frage geklärt werden, näm-
17 Sachs-Hombach/Rehkämper 1998:123; ausführlich widmet sich Oliver R. Scholz der Ähnlichkeitstheorie, wobei er systematisch deren Unzulänglichkeiten aufzeigt (vgl. Scholz 1991:16–63). 18 Laut Charles Sanders Peirce sind Zeichen als die konkreten Vermittlungsinstrumente zwischen der Subjektwelt und der Objektwelt zu sehen, ohne die es keine zielgerichteten Denk- und Erkenntnisprozesse geben kann (vgl. Köller 1988:155). 19 Interessant erscheint Marcel Danesis Differenzierung zwischen der kommunikationswissenschaftlichen Beschäftigung mit Zeichen und der im engeren Sinne zeichentheoretischen Analyse, auf die hier ergänzend hingewiesen werden soll: »Communication theorists generally focus more on the study of message-making as a process, whereas semioticans center their attention more on what a message means and on how it creates meaning« (Danesi 1994:94). Damit wird auch deutlich, daß für das Verstehen von der Funktionsweise von Bildern als das Verstehen von den Phänomenen, aus denen die Bilder die von ihnen vermittelten Aussagen gewinnen, ein zeichentheoretischer Ansatz gewinnbringend sein kann. 20 Eco 1972:20
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lich, ob aus der Tatsache, daß Bilder als Zeichen definiert werden konnten, auch folgt, daß alle Bilder Zeichen sind.
6.3
Sind alle Bilder Zeichen?
Laut Lambert Wiesing betrifft die Frage, ob Bilder Zeichen sind, eine Grundsatzentscheidung. Denn davon, wie diese Frage beantwortet wird, hänge es ab, in welcher philosophischen Richtung man das angemessene begriffliche Instrumentarium zur Beschreibung moderner Bilderwelten finde.21 Wiesing spricht hier an, daß in der Auseinandersetzung mit Bildern zwei grundsätzliche Zugangsweisen unterschieden werden können. Eine dieser Annäherungen an das Phänomen kann als die semiologische bezeichnet werden. In ihr findet sich der Argumentationsstrang, der hier bisher ausgeführt wurde: Jedes Bild wird als Zeichen verstanden. »Die Auffassung von Bildern als Zeichen ist nicht nur plausibel, sondern auch äußerst praktisch. Die Bildtheorie läßt sich nämlich damit unter die Semiologie subsumieren, eine gut entwickelte, instrumentenreiche Disziplin.«22
Doch der empirische Tatbestand, daß Bilder oft als Zeichen verwendet oder gedeutet werden, reiche laut Wiesing nicht aus zur Begründung der These, »daß die Dinge, die man Zeichen nennt, immer Zeichen sein müssen, um Bilder zu sein«.23 Denn selbst dann, wenn der Zeichencharakter immer bei Bildern nachweisbar wäre, würde dies nicht zwingend bedeuten, daß der Zeichencharakter eine wesentliche Eigenschaft des Bildes sei – also eine Eigenschaft, auf die kein Bild verzichten kann. Es könne nämlich sein, so Wiesing, daß der feststellbare Zeichencharakter erstens nur für bestimmte Bilder zutreffe und zweitens für das Phänomen der Bildlichkeit irrelevant sei. Die Kontroverse, die hier deutlich wird, ergibt sich also aus den unterschiedlichen Bildbegriffen, die bisweilen zwei verschiedenen philosophischen Richtungen zugeordnet werden: der analytischen, in der eine zeichentheoretische Annäherung an das Phänomen Bild zu finden ist, und der hermeneutischen Richtung, die sich dem Bild aus phänomenologischer Perspektive nähert. Paradigmatisch vertreten finden sich die beiden Ansätze einerseits in den theoretischen Abhandlungen des USamerikanischen Philosophen Nelson Goodman und andererseits in den Arbeiten des französischen Phänomenologen Maurice Merleau-Ponty.24 Eine besondere Bedeutung erlangte die Diskussion in der kunstwissenschaftlichen Disziplin durch die Auseinandersetzung mit abstrakter Kunst. Aus phänomenologischer Sicht wird dem zeichentheoretischen Ansatz entgegengehalten, daß das Bild gerade im 20. Jahrhundert in einer Weise auftritt, die den Zeichencharakter gänzlich ablegt und jegliche Informationsabsicht unwichtig werden läßt. Nach dieser Konzeption wird nicht
21 22 23 24
vgl. Wiesing 1998:95 Böhme 1999:28 Wiesing 1998:98 (Hvh. C.M.W.) vgl. Sachs-Hombach 1999:186
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die Lesbarkeit, sondern vielmehr die reine Sichtbarkeit als die wesentliche Eigenschaft aller Bilder gesehen.25 Diese Diskussion führt zurück in die bereits weiter oben angesprochene Problematik der Ähnlichkeitsbeziehung. Laut Klaus Sachs-Hombach ist zwar bisher keine die beiden Standpunkte vereinende Theorie ausgearbeitet worden, doch es sei festzustellen, daß die beiden unterschiedlichen Bildbegriffe einander nicht unvereinbar gegenüberstünden, auch wenn mitunter der Eindruck eines schroffen Gegensatzes entstünde.26 Interessant für die hier behandelten Fragestellungen ist folgender Gedanke, der aus den Überlegungen, ob jedes Bild zwingend ein Zeichen sei, hervorgeht: Bilder können – so man den Begriff auf materielle Bilder einschränkt (was aufgrund weiter oben angeführter Argumente hier so sein soll) – aus zeichentheoretischer Sicht definiert werden als »in der Regel flächige und klar begrenzte Gegenstände [...], die innerhalb eines kommunikativen Aktes zur sinnlichen Darstellung eines Sachverhaltes dienen«.27 Einleuchtend ist aber, daß wir die flächigen Gegenstände, die wir allgemein Bilder nennen, auch in einem ganz anderen Sinne als dem beschriebenen verwenden können – denn »[m]an kann ein Poster als Einpackpapier und ein Tafelbild als Tischplatte benutzen«.28 Dieser Hinweis zur Phänomenologie des Gegenstandes Bild verdeutlicht auf sehr anschauliche Weise, daß ein Bild nur durch seine Nutzung als Zeichen zum Zeichen wird.29 Denn die Funktion als Zeichen wohnt allgemein gesehen dem Zeichen nicht inne, sie wird ihm durch den Zeichennutzer „verliehen“30: Ein Zeichen braucht immer einen Kontext, um überhaupt ein Zeichen zu sein.31
25 vgl. Wiesing 1998:99 26 vgl. Sachs-Hombach/Schirra 1999:185; auch: Sachs-Hombach 1998:11; auch Wilhelm Köller weist darauf hin, daß die Theorien Berührungspunkte aufweisen. So sei die Semiotik mit der Phänomenologie insofern verflochten, als diese aufzuklären hat, wie wir uns Sachverhalte als wahrnehmbare Phänomene konstruieren und welche anthropologischen und kulturellen Faktoren dabei eine Rolle spielen. In verstehenstheoretischer Sicht sei die Semiotik insofern mit der Hermeneutik verflochten, als diese aufzuklären hat, welcher Sinngehalt mit den jeweils verwendeten Zeichen verbunden ist und in welchen Interpretationshorizonten uns die Phänomene durch die jeweils verwendeten Zeichen wahrnehmbar werden (vgl. Köller 1988:41). 27 Sachs-Hombach 1999:186 28 Wiesing 1998:98 29 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Anmerkung von Lambert Wiesing zu Ähnlichkeit: »Nicht alles, was mit etwas anderem Ähnlichkeit hat, ist ein Zeichen von diesem anderen. Ein Ei ist ja auch nicht ein Zeichen eines anderen Eis. Zu einem Zeichen wird ein Gegenstand eben erst durch seine Verwendung« (vgl. Wiesing 1998:98). 30 oder „aufgeprägt“, wie es Ernst Cassirer nennt, der den für die Zeichenhaftigkeit nötigen Gebrauchsund Handlungskontext grundlegend behandelt (vgl. Cassirer 1994:232). 31 vgl. Böhme 1999:31; damit ist die zentrale Differenz, die sich aus der semiotischen und der phänomenologischen Bilddefinition ergibt, so weit überbrückt, wie es für die vorliegende Arbeit notwendig erscheint: Das Thema der Arbeit ist visuelle Kommunikation – bildhafte Darstellungen, die in keinerlei Informationsabsicht erstellt werden (wie es für Bilder der Kunst vorkommen kann, so ein häufiger Einwand von Vertretern des phänomenologischen Ansatzes), sind also in die Betrachtung nicht eingeschlossen. Und bildhaften Darstellungen, die in der medialen Nachrichtenvermittlung verwendet werden, kann unterstellt werden, daß ihnen eine Informationsabsicht zugrunde liegt – und durch diese werden sie zu Zeichen. Carlos Colón schreibt: »I consider information to be raw material for message construction and the creation of meaning. Signs are a collection of bits and pieces of information. Information is what we decipher from signs« (Colón 2003:[www]).
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Beide bisher angesprochenen „Gesetzmäßigkeiten“ der Bildkommunikation – ihre Regelhaftigkeit und ihre Kontextgebundenheit – stellen für das Ziel der vorliegenden Untersuchung, die Logik der visuellen Aufbereitung von medialen Nachrichten modellhaft zu erfassen, wesentliche Ansatzpunkte dar. Um die Implikationen zu klären, die diese beiden zentralen Eigenschaften von Bildern auf methodischer Ebene mit sich bringen, werden sie im folgenden nochmals näher betrachtet. Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten wird die visuelle Kommunikation der verbalen vergleichend gegenübergestellt. Dies ergibt sich nicht nur daraus, daß die beiden Vermittlungsmodi Wort und Bild, wie gezeigt wurde, in einer gewissen Konkurrenz zueinander stehen, es ist auch deshalb gewinnbringend, weil die Wortsprache als das am besten untersuchte Zeichensystem gilt32 und die Bildkommunikation in ihren Funktionsweisen deshalb über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Systeme erfaßt werden kann.
6.4
Eindeutigkeit, kleinste Einheiten und grammatische Verknüpfungen. Über die Regelhaftigkeit verbaler und visueller Zeichensysteme
Katie Harris geht davon aus, daß ein bestimmtes Phänomen, das als eine Form von Kommunikation beschrieben werden kann, auch als Sprache bezeichnet werden kann. In ihrem Artikel Is Television like a Language Which we Read? schreibt sie: »If television can be described as a form of communication, then it seems fair to say that it can also be described as a language, as in order to communicate, for example through a verbal language, we need to learn its rules of grammar«33.
Von sehr vielen Theoretikern wird aber nun bestritten, daß sich bei nicht-wortsprachlichen Zeichensystemen etwas der „klassischen” Grammatik Vergleichbares finden läßt. Darüber hinaus wird vielfach argumentiert, daß es, da bildhafte Zeichen viele Möglichkeiten, die verbale Zeichen bieten würden, nicht zur Verfügung hätten, abzulehnen sei, im Zusammenhang mit Bildkommunikation überhaupt von Sprache zu sprechen. Diese Auffassung wird besonders häufig in der Linguistik vertreten, die als Wissenschaft der Sprache traditionell eine skeptische Haltung gegenüber allen Zeichensystemen einnimmt, die nicht wortsprachlich sind. »Die meisten Linguisten erschrecken sichtlich beim Gedanken an nichtverbale Zeichen: Gibt uns doch die menschliche Sprache genug Probleme; haben wir doch seit Saussure 60 Jahre gebraucht, um Ordnung in diese Problematik zu bringen, heuristische Prinzipien und pragmatische Ansprüche auseinanderzuhalten, sozio- und psycholinguistische Ansätze mit naturwissenschaftlichen Methoden zu 32 Die Zeichentheorie unterscheidet bekanntlich zahlreiche Zeichensysteme, von denen Wort- und Bildsprache nur zwei sind. So trifft Umberto Eco folgende Unterscheidungen: Geruchssignale, Kommunikation durch Berührung, Geschmackcodes, paralinguistische Zeichen, medizinische Zeichen (Symptome), Kinesik und Proxemik (Haltung, Bewegung), musikalische Codes; natürliche Sprachen, formalisierte Zeichensysteme (z.B. Algebra und Chemie), geschriebene Sprachen, unbekannte Alphabete, Geheimcodes, visuelle Kommunikation im weiteren Sinne (etwa graphische Systeme, topographische Karten), Objektsysteme (z.B. architektonische Zeichen), Strukturen der Intrige (etwa ausgehend von Mythen, Märchen oder Spielen), kulturelle Codes wie Verhaltens- oder Wertsysteme, ästhetische Botschaften (vgl. Eco 1972:20). Alle diese Zeichensysteme weisen die Gemeinsamkeit auf, daß sie auf Regeln – oder Codes – beruhen und daß sie insofern Zeichen sind, als sie als Zeichen verwendet werden. 33 Harris 2003:[www] (Hvh. C.M.W.)
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konfrontieren. Die theoretische Auseinandersetzung an der Grenze von Logik und Kommunikationstheorien steht uns noch bevor. Die sich im Zusammenhang mit der Untersuchung nichtverbaler Zeichen ergebenden interdisziplinären Verflechtungen sind unübersehbar. Man befürchtet von seiten der Linguistik eine Verwässerung der eben gewonnenen klaren Abgrenzungen.«34
Geht es um das Phänomen Bildsprache, finden sich von Seiten einer linguistisch orientierten Zeichenlehre vielleicht aus diesem Grund einige inzwischen schon „klassische“ Argumente, warum Bilder als Kommunikationssystem der Sprache derart weit unterlegen seien, daß sie nicht als ‘Sprache’ bezeichnet werden sollten: Bilder seien nicht eindeutig – es fehle ihnen an Exaktheit; mit Bildern könne man keine Aussagen machen – es fehle daher an Diskursivität; Bilder könnten sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen, da ihnen die Möglichkeit der Metasprachlichkeit fehle; mit Bildern könne man keine negativen Aussagen treffen – die Fähigkeit zur Negation gehe ihnen vollständig ab. Diese Argumente betreffen die Aussagefähigkeit von Bildern. Ein weiteres oft vorgebrachtes Argument, nämlich das der fehlenden doppelten Gliederung, zielt auf den strukturellen Aufbau von Bildaussagen und steht so im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Thematik Bildgrammatik. Keines dieser Argumente blieb in der interdisziplinär geführten Diskussion unwidersprochen und es gibt zahlreiche Theoretiker, die gute Argumente dafür finden, daß im Zusammenhang mit Bildkommunikation sehr wohl von sprachlicher Kommunikation gesprochen werden kann. Einige davon werden in den folgenden Ausführungen angesprochen. Ob Bilder eine „Sprache sprechen“, ist allerdings nicht Thema dieser Ausführungen. Zentral ist vielmehr, daß, wie argumentiert wurde, beide Modi als Zeichensysteme analysiert werden können. Die Gegenüberstellung der Funktionsweisen der beiden Systeme wird also nur insofern unternommen, als sie Aufschluß für die methodische Bearbeitung von Bildkommunikation verspricht. Die im hier behandelten Zusammenhang zentrale Besonderheit des Zeichensystems Wortsprache liegt darin, daß sie aus einer relativ überschaubaren Anzahl von Elementen und Regeln besteht. Wortsprache funktioniert linear, da die einzelnen Elemente (Buchstaben) aneinandergereiht werden, um Worte zu bilden, und diese wiederum werden hintereinandergestellt zu Sätzen, die in derselben Art zu Texten werden. In welcher Reihenfolge diese Elemente aufeinanderfolgen müssen, um den gewünschten Sinn zu ergeben, wird in Regelsystemen wie Orthographie und Satzgrammatik beschrieben. Zwar lernen wir die meisten dieser Regeln für die eigene Muttersprache unbewußt, aber spätestens im Deutsch- oder Fremdsprachenunterricht wird klar, daß es diese Regeln gibt. In diesen Zusammenhängen wird einem Sprachlernenden oft auch zum erstenmal deutlich, wie abstrakt die vertraute Sprache sein kann und daß man nicht nur Namen für konkrete Gegenstände wie ‘Tische’ oder für bestimmte Vorgänge wie ‘Laufen’ durch den Sprachgebrauch gelernt hat, sondern auch „seltsame“ kleine Worte wie Artikel, Präpositionen oder Konjunktionen: Worte, die keinen eigenen Gegenstandsbezug haben, sich nicht auf bestimmte Lebewesen oder Sachverhalte beziehen, sondern bestimmte Rollen für, zwischen und mit anderen Worten ausfüllen; Funktionen, die wir als reine Sprach-„Anwender“ meist nicht benennen können, sondern einfach „mitgelernt“ haben. Diese sogenannten Funktionswörter erlauben es bekanntlich, im 34 Lange-Seidl 1975:242
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Zusammenhang mit anderen Wörtern sehr klare Aussagen zu machen: Aus dem allgemeinen Gegenstand ‘Tisch’ wird dieser Tisch, am Wörtchen weil kann erkannt werden, daß eine begründende Aussage folgen wird, und durch das Wort kein kann aus einem Fahrrad ein nicht vorhandenes Fahrrad werden. Die Wortsprache ist abstrakt, und genau diese Eigenschaft macht es ihr möglich, sehr konkret zu werden. Ein Wort ist nichts als ein Wort und hat als solches eine oder mehrere zugewiesenen Bedeutungen, die wiederum jeweils durch andere Wörter innerhalb eines Textes aktualisiert werden. Harald Weinrich beschreibt den Vorteil der Abstraktheit des Wortes am Substantiv Blume und am Gegenstand Blume: »Welche Armut an Information in dem Wort ‘Blume’, welcher Reichtum an Merkmalen in jeder einzelnen Blume! Aber umgekehrt auch – welche Begrenztheit im einzelnen Ding, welche Evolutionskraft im Wort! [...] Die Blume als Wort, die man in keinem Strauß finden kann, ist jeder wirklichen Blume überlegen. Sie enthält mehr Geheimnisse.«35
Im Gegensatz zu diesem abstrakten Zeichensystem ‘Wortsprache’, das durch seine Linearität und seinen festgeschriebenen, rein auf konventionellen Regeln beruhenden Aufbau besonders konkrete und differenzierte Kommunikationsleistungen erbringen kann, hat Nelson Goodman Bilder als syntaktisch dichtes Zeichensystem mit hoher Fülle beschrieben36 – eine der größten Herausforderungen für die Bildinterpretation. Laut Goodman ist ein Zeichensystem syntaktisch dicht, wenn es unbegrenzt viele Zeichencharaktere zuläßt, die so geordnet werden können, daß zwischen zwei gegebenen immer noch ein weiterer liegt und wenn jeder – oder fast jeder – Unterschied in punkto Farbe, Textur, Form usf. einen Unterschied für die Zeichenbewandtnis macht – oder machen kann.37 Mit dem von Goodman eingeführten Begriff ist es aber nicht nur möglich, eine wesentliche Eigenheit von Bildern zu beschreiben, der Begriff der syntaktischen Dichte liefert darüber hinaus ein Kriterium zur Klassifikation bildhafter Darstellungen. Demnach sind beispielsweise Diagramme und Landkarten gemischte Symbole, die nur wenige syntaktisch dichte Bereiche aufweisen, Gemälde hingegen weisen eine relative syntaktische Fülle auf.38 Für Oliver Scholz stellt Goodmans Kategorie der syntaktischen Dichte eine zentrale Eigenschaft aller Bilder dar, aus der er folgendes Fazit ableitet: »Wer mit bildhaften Symbolen konfrontiert ist, aber nach syntaktisch disjunkten und differenzierbaren Einheiten, intuitiv gesprochen: nach einem Alphabet und Vokabular sucht, versteht die Objekte nicht als Bilder.«39
Mit dieser Meinung, daß die „Bildsprache“ weder Alphabet noch Vokabular aufweist, steht Scholz nicht alleine, doch die Einschätzung wird von manchen differenziert, etwa von Daniel Chandler, der schreibt: »There can probably never be an alphabet for images. Nevertheless, the brain does respond to an image’s basic visual elements of color, form, depth and movement. Although these elements may not have the simple symbolic meaning of alphabetic characters, a difficulty in finding an alphabet for images indicates the richness of communication possibilities of pictures over words.«
35 36 37 38 39
Weinrich 1974:18f. vgl. Goodman 1968 vgl. Scholz 1998:110 vgl. Sachs-Hombach 1999:187 Scholz 1998:110
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Der zentrale „Vorteil“, den die Wortsprache gegenüber der von Chandler als „reich an Kommunikationsmöglichkeiten“ bezeichneten Bildsprache hat, ist, daß das verbale Zeichensystem auf rein konventionell festgelegten Regeln beruht. Jede Buchstabenkombination ist per Vereinbarung mit einer (oder auch mehreren) Sinndimensionen fest verknüpft. Deshalb kann es auch Wörterbücher geben, und aus demselben Grund kann man sich auch auf einen genauen Wortlaut einer Aussage berufen, unabhängig von der „Färbung“, die diese durch Betonung, Lautstärke etc. in einer konkreten Situation verliehen bekommt. Es gilt als möglich, von diesen Kontexten zu abstrahieren – jemanden „beim Wort zu nehmen“, ihn „Buchstabe für Buchstabe“ wiederzugeben –, und so gilt die Wortsprache als exaktes Zeichensystem. Dabei sieht sich die Wortsprache in bezug auf Exaktheit durchaus Zeichensystemen gegenüber, denen mehr Eindeutigkeit zugesprochen werden kann. Denn Wortsprachen sind natürliche Sprachen, Zeichenschöpfungen entstehen also quasi vorerst „unbegründet“ im alltäglichen Gebrauch und werden erst in einem nächsten Schritt in das „offizielle“ Sprachsystem aufgenommen. Künstliche Sprachen, wie die Zeichensprache der Logik und der Mathematik, sind einem solchen „Wildwuchs“ nicht ausgesetzt. Die Bedeutungen ihrer Zeichen werden vor ihrer erstmaligen Verwendung eindeutig festgesetzt und sind darüber hinaus vollkommen unabhängig von sinnverleihenden Phänomenen wie etwa dem bereits erwähnten Tonfall. Wie wenig exakt der verbale Ausdruck an sich ist, wird auch deutlich, nimmt man in den Blick, wie sehr sich die Wissenschaft darum bemühen muß, exakte Begriffsbestimmungen vorzunehmen. Und schon Wilhelm von Humboldt stellte ganz allgemein zum verbalen Austausch fest: »Keiner denkt bei dem Wort gerade das, was der andere denkt, und die noch so kleine Unterschiedenheit zittert wie ein Kreis im Wasser durch die ganze Sprache fort. Alles Verstehen ist daher immer zugleich ein Nicht-Verstehen, alle Übereinstimmung in Gedanken und Gefühlen zugleich ein Auseinandergehen.«40
Als wesentlichste Hilfe, um die „Lücken“ zu schließen, die das System trotz seiner im Vergleich zu Bildern hohen Verregeltheit in Sachen Eindeutigkeit aufweist, gilt der Kontext. Durch die jeweilige Eingebundenheit der einzelnen Wörter in Sätze und (im Idealfall) über weitere Sätze in ganze Texte werden die einzelnen Ausdrücke in ihrer Bedeutung nochmals näher bestimmt. Harald Weinrich unterscheidet in diesem Zusammenhang die Bedeutung eines Wortes (also die Sinn-Dimension des Begriffs, die in einem Wörterbuch angegeben werden kann) und die Meinung eines Wortes, die durch den Verwendungskontext des Begriffs verdeutlicht wird: »[W]ährend die Bedeutung des Wortes ‘Liebe’ immer gleich ist, sind die Meinungen des Wortes ‘Liebe’ in allen Sätzen verschieden. Nicht in zweien sind sie gleich. Der Satz ist die Brücke zwischen Bedeutung und Meinung. Der Satz, mitsamt dem weiteren Kontext und der umgebenden Situation, grenzt die (weitgespannte, vage, soziale, abstrakte) Bedeutung auf die (engumgrenzte, präzise, individuelle, konkrete) Meinung ein. Wenn man ein isoliertes Wort hört, kann der Geist im ganzen Umkreis der Bedeutung schweifen. Hört man das Wort im Text, geht das nicht mehr. Der Kontext stellt fest. Er stellt nämlich die Bedeutung fest. Die Wörter des Textes begrenzen sich gegenseitig und schränken sich ein, und zwar je wirksamer, je vollständiger der Text ist.«41
40 Wilhelm von Humboldt (Gesammelte Schriften Bd. IX:64), zitiert nach Bolz 1993:17 41 Weinrich 1974:23
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Doch selbst diese Spezifizierung der Bedeutung von verwendeten Worten durch den sie umgebenden Kontext kann nicht durchgängig verhindern, daß verbale Kommunikation mißverständlich, also uneindeutig verläuft.42 Denn verbaler Ausdruck tritt je nach gesellschaftlichem Kontext in vielfältigen Formen und Ausdifferenzierungen auf und findet in einzelnen Sprechakten unterschiedliche Anwendungen. Diese Möglichkeiten der Variation haben zur Folge, daß Mißverständnisse auftreten können, denen nicht selten „Sprachbarrieren“ zugrunde liegen. Peter Hunziker weist darauf hin, daß diese Verständigungsprobleme in komplexen Situationen mit stark ausdifferenzierten sozialen Rollen und Schichten, Organisationen und Institutionen sogar besonders zahlreich seien.43 Daß verbale Kommunikation gegenüber visueller Kommunikation trotz dieser zahlreichen Möglichkeiten der Wortsprache, sich als uneindeutig zu erweisen, als exakter gilt, liegt also weniger an den mangelnden Möglichkeiten zur Fehlinterpretation als an der formalen Bestimmtheit der Wortverwendung. Diese liegt für die visuelle Kommunikation nicht vor. Einerseits entstammen bildhafte Zeichen im Gegensatz zu verbalen Zeichen keinem rein konventionellen Zeichensystem – ein Bildzeichen kann auch durch Ähnlichkeit mit dem von ihm Repräsentierten verknüpft sein, und es kann auch in kausalem Bezug zu ihm stehen. Außerdem ist für Bilder nicht festgelegt, in welcher Reihenfolge die in ihnen enthaltenen Elemente wahrgenommen werden sollen, und es fehlt darüber hinaus die generelle Festlegung, was als einzelnes Zeichen, was als Sinneinheit wahrzunehmen ist und welche „Rolle“ der jeweiligen Sinneinheit im Gesamtgeschehen des Bildes zuerkannt werden muß, um die Botschaft der Informationseinheit zu verstehen. Und doch: Wenn davon ausgegangen wird, daß bildhafte Darstellungen in kommunikativer Absicht verwendet werden, so liegt darin der entscheidende Hinweis für die Entschlüsselung dieser Darstellungen, denn: Wer etwas mitteilen will, muß dafür verständliche Zeichen wählen. »Communication requires that participants make their messages maximally understandable in a particular context. They therefore choose forms of expression which they believe to be maximally transparent to other participants.«44
Zu dieser Auffassung kam bereits der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein, der in bezug auf die verbale Kommunikation ausführte, daß die Willkür der Sprachhandhabung dort eine Grenze findet, wo sie an die Aufnahme der beabsichtigten Information und an das Gelingen von Kommunikation gebunden wird: »Wir halten uns sozusagen in Schach und gewöhnen einander die bizarren Regeln ab.«45 Dies kann auch auf andere Zeichensysteme übertragen werden: Mit der Verwendung von Zeichen ist immer eine Intention verbunden, Zeichen wollen verstanden werden. Sie werden nicht um ihrer selbst willen verwendet, sondern stets zu etwas. In diesem Sinne bezeichnete Wittgenstein die Sprache wiederholt als Instrument. Gunther Kress und Theo van Leeuwen geben dazu allerdings zu bedenken, daß Kommuni42 »Die Sprachen sind die typischen menschlichen Möglichkeiten des Einander-Verstehens und des Einander-Mißverstehens, die alle menschlichen Affären in Gang bringen.« (H. Wein, zitiert nach Schmidt 1968:179). 43 vgl. Hunziker 1985:2f. 44 Kress/Leeuwen 1996:11 45 Wittgenstein 1953:20
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kation immer innerhalb eines sozialen Gefüges vollzogen werde, was Auswirkungen auf den Kommunikationsvorgang und die Sorgfalt der Zeichenauswahl zeige: »[...] communication takes place in social structures which are inevitably marked by power differences and this affects how each participant understands the notion of ‘maximal understanding’. Participants in positions of power can force other participants into greater efforts of interpretation.«46
Doch auch hier gilt, daß bizarre Zeichenanwendungen bald ihr Ende finden, wenn Information durch sie vermittelt werden soll. Nachrichtenvermittlung kann nur erfolgen, wenn bei den am Kommunikationsvorgang Beteiligten eine Zeichenkompetenz vorliegt und zur Anwendung kommt, die als befriedigend erlebt wird. Dies schließt zwar nicht ein, daß die absichtsvoll übertragene Botschaft vom Rezipienten auch in dem Sinne aufgenommen wird, wie sie vom Sender intendiert ist, es bedeutet aber, daß – bewußt oder unbewußt – die Annahme getroffen wird, daß die Verständigung mit den gewählten Zeichen erfolgreich stattfindet.47 Aus dem bisher Erläuterten ergibt sich folgendes: Bilder können als Zeichen verstanden werden, wenn sie als Zeichen verwendet werden. Dies ist dann gegeben, wenn sie in kommunikativer Absicht eingesetzt werden. Aus der Kommunikationsabsicht ergibt sich die Regelgebundenheit der bildhaften Botschaft und damit auch das Vorhandensein eines Decodierungsschlüssels. Dieser gilt folglich nicht für jede bildhafte Darstellung unabhängig von ihrem Verwendungskontext. Vielmehr geben der Verwendungszusammenhang und die Kommunikationsabsicht des Senders den Hinweis darauf, von wem die Botschaft unter bestimmten Bedingungen verstanden werden kann. In diesen kurz zusammengefaßten Punkten unterscheidet sich die Bildkommunikation – wie weiter oben ausgeführt wurde – nicht von der verbalen Kommunikation. Beide Modi sind als Zeichensysteme regel- und kontextgebunden. Dabei ergibt sich allerdings für die bildhaften Zeichen, daß das Regelsystem, durch das ihr Sinn erschlossen werden kann, sich stärker aus ihrem jeweiligen Verwendungszusammenhang ableitet, als bei verbalen Zeichen, die grundsätzlich dem Regelsystem der Sprache (Englisch, Japanisch, Hebräisch etc.) unterliegen, der sie jeweils zuzuord46 Kress/Leeuwen 1996:11; Walter Ong nennt die notwendige Sorgfalt der Zeichenauswahl ‘antizipiertes Feedback’. Wer sich in kommunikativer Absicht an einen anderen wende, nehme dessen Antwort in bestimmter Weise bereits vorweg. Er fühle sich in den Rezipienten seiner Botschaft ein, um daraus Schlüsse für seine Zeichenwahl zu ziehen. »The sender has to be not only in the sender position but also in the receiver position before he or she can send anything.« (W. Ong, zitiert nach Bolz 1993:41) Ähnliches findet sich in der Theorie der objektiven Bedeutung sozialen Handelns von George Herbert Mead (1975). Verschiedene Theorien gehen in Anlehnung an den Radikalen Konstruktivismus davon aus, daß Menschen als ‘informationsdicht’ gesehen werden müssen, es also nicht zu einem Austausch von Informationen kommen kann (vgl. Schmidt 1996:24). Der Vorgang der parallelen Konstruktion als Kommunikationsvorgang, von der diesen Auffassungen nach ausgegangen werden muß, kommt allerdings ebenfalls nicht ohne die Annahme ähnlicher Interpretationsmuster bei den an der Kommunikation Beteiligten aus. 47 Wilhelm Köller schreibt zum Verstehensprozeß (hier auf verbale Kommunikation bezogen, aber auch auf andere Kommunikationsmodi übertragbar): »Zumindest in der polyfunktionalen natürlichen Sprache ist der Sinn von sprachlichen Äußerungen meist so komplex, daß er immer nur annäherungsweise ganz erfaßt werden kann. Deshalb muß davon ausgegangen werden, daß es unterschiedliche Ebenen, Reichweiten und Prägnanzgrade des Verstehens gibt und daß der Verstehensprozeß eigentlich nie zu einem natürlichen Abschluß kommt, sondern daß er in der Regel abgebrochen wird, wenn die jeweils aktuellen Verstehensbedürfnisse als befriedigt betrachtet werden« (Köller 1988:335).
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nen sind. Damit verweist der Verwendungskontext von verbalen Zeichen nur mehr auf Bedeutungsunterschiede, die bereits in einem vorliegenden Regelsystem festgeschrieben sind. Die Bedeutung eines bildhaften Zeichens kann erst entschlüsselt werden, wenn das dazugehörige Regelsystem erkannt wird. Interessant ist, daß sich auch methodische Ansätze der Bildanalyse, die nicht im engeren Sinne zeichentheoretisch argumentieren, auf die Phänomene ‘Regelhaftigkeit’ und ‘Kontextgebundenheit’ beziehen. Im folgenden soll auf verschiedene Theorien zur systematischen Bildanalyse kurz eingegangen werden. Dies wird mit dem Ziel unternommen, zu klären, welche Wege von verschiedenen Forschungsansätzen eingeschlagen werden, um einzelne Bilder bestimmten Gesetzmäßigkeiten zuzuordnen, deren decodierende Anwendung es erlaubt, von der jeweiligen bildhaften Darstellung auf ihre Aussage zu schließen. Diese Ansätze sollen dann im späteren Verlauf der Arbeit darauf überprüft werden, was aus ihnen für die Untersuchung von Medienbildern – und hier genauer für die Analyse der visuellen Politikvermittlung in Nachrichtenmagazinen – abgeleitet werden kann.
6.5
‘Bedeutung ist nicht im Bild wie Wasser im Eimer’.48 Systematische und methodische Konzepte der Bildanalyse
Die Politikwissenschaftlerin Marion Müller sieht in einer aus der Kunstbetrachtung stammenden Methode der Bildanalyse – der Ikonologie – ein geeignetes methodisches Instrumentarium für die visuelle Kommunikationsforschung. Bereichert um die Problemdimension – also in Absicht einer Problemerörterung und Problemklärung – könne die Bildwissenschaft der Kunstgeschichte auch eine sozialwissenschaftliche Methode sein.49 Zentrales Ziel der Ikonologie ist es, den versteckten Bedeutungsgehalt von bildhaften Darstellungen offenzulegen – eine Aufgabe, der sich die Kommunikationswissenschaft immer wieder gegenübersieht, wenn sie sich der bildhaften Informationsvermittlung zuwendet. Zwar werden in den Forschungsarbeiten zu den weiter oben beschriebenen Themenfeldern, in denen sich politikwissenschaftliche Fragestellungen auf Bildkommunikation beziehen, vielfach sogenannte „harte“ Erhebungsmethoden eingesetzt, doch auch diese stützen sich in ihren Hypothesen auf Annahmen über Bildaussagen, die sich nur äußerst begrenzt durch empirisches Messen bestimmen lassen. Denn bereits die Zuordnung von einzelnen Bildern zu Untersuchungskategorien wie ‘Gewaltdarstellung’ oder ‘Brustbild einer einzelnen Person’ setzt voraus, daß einerseits geklärt wird, welche Aussage der Rezipient den so bezeichneten Inhalten entnimmt, und andererseits, ob durch diese thematischen Einordnungen überhaupt die jeweils zentrale Aussage des jeweiligen Bildes erfaßt wird.50 Auch in experimentellen Anordnungen ist es von zentraler Be-
48 vgl. Fellmann 1998:191 49 vgl. Müller 2003:260 50 Winfried Schulz weist darauf hin, daß zahlreiche Forschungsarbeiten innerhalb der Medienwirkungsforschung sich auf die Analyse des Medieninhalts beschränken und von diesem Schlußfolgerungen auf Medienwirkungen ziehen (vgl. Schulz in DFG 1986:113). Wenn von Inhalten auf Wirkungen geschlossen wird, kann es für den Forschungserfolg (neben einer theoretisch fundierten Ableitung der
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deutung, daß korrekte Annahmen darüber getroffen werden können, welche Parameteränderungen jeweils welche Sinnänderungen nach sich ziehen. So mußten etwa Brosius/Holicki/Hartmann bei der Auswertung der Ergebnisse ihrer Untersuchung des Einflusses der Gestaltungsmerkmale von Wahlplakaten auf Personenwahrnehmung und Kompetenzzuschreibung einräumen: »Vielleicht aber waren sich die Plakatversionen insgesamt zu ähnlich, um unterschiedliche Beurteilungen hervorzurufen, bzw. waren die von uns gewählten und variierten Gestaltungsmerkmale für die Erzeugung unterschiedlicher Eindrücke irrelevant.«51
Die wesentlichen Gründe für die Schwierigkeiten, die Aussagen von bildhaften Darstellungen zu erfassen, wurden im vorangegangenen Abschnitt im Vergleich von visueller und verbaler Kommunikation beschrieben und es wurde auch darauf eingegangen, daß die Schwierigkeit der fehlenden Eindeutigkeit kein Problembereich ist, der nur die bildhafte Kommunikation betrifft. Der Umgang mit den Herausforderungen, die die Wortsprache im Kommunikationsprozeß bereithält, kann allerdings als weitaus routinierter bezeichnet werden, als der mit den Problembereichen der Bildkommunikation.52 Zwar muß die traditionell „wortgewandte“ wissenschaftliche Forschung einräumen, daß sie sich bei der Analyse von Inhalten komplexer und hintergründiger Texte ähnlichen Herausforderungen gegenübersieht wie bei der Analyse von Bildern,53 doch es gilt die Auffassung, daß die Bildkommunikation einer „assoziativen“ Logik unterliegt, die sich von der „argumentativen“ Logik von Texten diametral unterscheidet54 und der mit empirischen Methoden schwerer beizu-
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jeweiligen Wirkungsannahmen) als zentral angesehen werden, die für die Untersuchung herangezogenen Inhalte möglichst genau bestimmen zu können. Brosius/Holicki/Hartmann 1987:351; interessant ist in diesem Zusammenhang auch die bereits erwähnte Arbeit von Werner Früh (1980). Früh widmet sich in seiner Untersuchung unter anderem der Frage, welche visuellen Gestaltungsmittel sich bei der Rezeption eines Textes als verständlichkeitsfördernd und rezeptionsmotivierend zeigen. Wenn nun die in der Publikation der Studie gezeigte Aufbereitung der Texte mit der tatsächlich in der Untersuchung verwendeten übereinstimmt (und Früh läßt in seinen Ausführungen nichts anderes vermuten), so ist anzumerken, daß die Gestaltung der Texte wenig „grafische Professionalität“ erkennen läßt. Die Ergebnisse zu diesem Punkt der insgesamt äußerst interessanten Studie – Früh konnte keine signifikaten Unterschiede bei der Rezeption der grafisch unterschiedlich strukturierten Texte feststellen – erscheinen daher als wenig aussagekräftig (vgl. Früh 1980; insbesondere die Untersuchungsbeispiele auf Seite 241ff.). Auf amüsante Weise wird das anhand eines Beispieles verdeutlicht, das Klaus Niedermair in seiner Überblicksarbeit zum Stand der Metaphernanalyse anführt. Niedermair zitiert Karl Valentin, der in diesem kurzen Text die Selbstverständlichkeit des ‘man sagt halt so’ aufbricht: »Weil wir grad vom Aquarium redn, ich hab nämlich früher – nicht im Frühjahr – früher in der Sendlinger Straße gewohnt, nicht in der Sendlinger Straße, das wär ja lächerlich, in der Sendlinger Straße könnte man ja gar nicht wohnen, weil immer die Straßenbahn durchfährt, in den Häusern hab ich gewohnt in der Sendlinger Straße. Nicht in allen Häusern, in einem davon, in dem, das zwischen den anderen so drin steckt, ich weiß nit, ob sie das Haus kennen. Und da wohn ich, aber nicht im ganzen Haus, sondern nur im ersten Stock, der ist unterm zweiten Stock und ober dem Parterre, so zwischen drin, und da geht in den zweiten Stock eine Stiege nauf, die geht schon wieder runter auch, die Stiege geht nicht nur nauf, wir gehen die Stiege nauf, man sagt halt so« (Niedermair 2001:156). Metaphern, Humor, Sarkasmus und Ironie stellen die großen Herausforderungen der Inhaltserfassung von Texten dar. Ferber verweist auf die Bedeutung von Erfahrung und Nachdenken für den Umgang mit Texten: »Entscheidend ist [...], daß es kein mechanisches Verfahren gibt, das uns gestattet, von der Form oder dem Inhalt eines Satzes auf dessen Funktion zu schließen. Dies ist vielmehr Sache der nur durch Erfahrung und Nachdenken zu erlernenden Auslegung der Bedeutung der einzelnen Sprech- bzw. Schreibhandlungen. Erst diese Auslegungen sagen uns, was Sprechhandlungen bedeuten« (Ferber 1998:37). vgl. Müller 1999:19; Müller 2003:91
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kommen sei. Darüber hinaus würden Bilder eben kein allgemeines Konzept, sondern immer jeweils einen Prototypen darstellen.55 Doch trotz der aufgeführten Unterschiede zwischen Bild- und Wortkommunikation weisen verschiedene Erkenntnisse darauf hin, daß man, wenn man davon ausgeht, daß Sätze einen objektiven Bedeutungsgehalt besitzen, auch davon ausgehen kann, daß Bildern ebenfalls ein solcher innewohnt und er durch systematisches Vorgehen auch offengelegt werden kann.56
6.5.1 Ulrich Oevermanns Objektive Hermeneutik Von dieser grundlegenden Annahme geht beispielsweise die Objektive Hermeneutik aus, die alle Objektivationen von Menschen – also neben sprachlichen Handlungen und Bildern auch Musik, Interaktionen, Ereignisse usw. – als Texte versteht und die sich in ihren zentralen Thesen auf verschiedene empirische Theorien zur Entwicklung des menschlichen Geistes stützen kann. Als die wesentlichsten können genannt werden: die Theorie der generativen Linguistik von Noam Chomsky; die genetische Erkenntnistheorie Jean Piagets; die psychoanalytische Theorie Sigmund Freuds und die Theorie der objektiven Bedeutung sozialen Handelns von George Herbert Mead.57 Das Konzept der Objektiven (oder Strukturalen) Hermeneutik, das von Ulrich Oevermann ausformuliert wurde und das als das differenzierteste Verfahren qualitativer Dateninterpretation gilt,58 geht aufgrund der Erkenntnisse der genannten Theorien davon aus, daß eine Dialektik zwischen gesellschaftlicher Wirklichkeit und individuellem Dasein angenommen werden kann: Das Individuum wird in seiner Qualität durch die Gesellschaft und umgekehrt bestimmt, woraus sich gegenseitig wieder eine neue Qualität ergibt. Dabei geht jedoch die Strukturiertheit der Sozialität der Konstitution des Subjekts voraus und liegt ihr zugrunde, denn die Wirklichkeit ist gesellschaftlich konstruiert, sie ist „vorgefertigt“ durch die Gesellschaft. Die Strukturen des Subjekts sind das Ergebnis einer Rekonstruktion, die es an der Wirklichkeit der Gesellschaft vornimmt. Die Sinnstrukturen, nach denen das Subjekt handelt, sind Bestandteile der objektiven gesellschaftlichen Bedingungen und existieren schon vor ihm. Meist sind sie ihm nicht bewußt.59 Trotzdem „wirken“ sie, d.h. sie bleiben latent. Diese objektiven Sinnstrukturen sind das Ergebnis des Sozialisationsprozesses und bestimmen als Regeln unser Handeln. Als diese werden sie von der objektiven Hermeneutik methodologisch in Anspruch genommen.60 55 56 57 58 59
vgl. Hartmann 1995:63 vgl. Englisch 1991:139 vgl. Heinze-Prause/Heinze 1996:17 vgl. Hugl 2001:361 Der Idealfall des vollkommen aufgeklärten Subjekts läge laut Oevermann vor, wenn diesem beide Realitätsbereiche der sozialen Interaktion bewußt wären: die Realität der mentalen, intentionalen Repräsentanzen, die die Vorstellungen des Subjekts beinhalten, die von diesem beabsichtigt sind und nach denen die Subjekte im allgemeinen ihre Handlungen auszurichten meinen, sowie die Realität der ‘latenten Sinnstruktur’ und der ‘objektiven Bedeutungen’, die es im Laufe des Sozialisierungsprozeß unbewußt übernommen hat, und die meist unbewußt bleiben (vgl. Heinze-Prause/Heinze 1996:23). 60 vgl. ebd.:24
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Das ‘Objektive’ von Oevermanns Hermeneutik bezieht sich nun auf diese durch die Sozialisierungsprozesse vermittelten Sinnstrukturen: Der Analysegegenstand ist nicht der intendierte Sinn des Akteurs, sondern die latente Sinnstruktur, die der Forscher als objektive Bedeutungskomponente hinter manifesten Einzelhandlungen beteiligter Einzelakteure erschließt. Das wesentlichste Analyseinstrumentarium, das dem Forschenden dabei zur Verfügung steht, ist der sogenannte Normalkontext. Unter ‘Normalkontext’ ist dabei jeder mögliche Handlungskontext zu verstehen, in dem die zu analysierende Sinnfigur als normale auftauchen kann. Dabei ist ‘normal’ nicht moralisch wertend gemeint, sondern drückt die Faktizität der Normalität aus. »Was normal ist, regelt sich über Erwartbarkeit, Gewohnheit und Definitionsmacht; d.h. was normal ist, wird durchgesetzt über symbolische Gewalt, konditioniert über Gewohnheit und geprüft über eintretende oder ausbleibende Irritation. Auch wer sich die Freiheit nimmt abzuweichen, registriert zumeist sein eigenes Verhalten immer noch als Abweichung.«61
Der Forscher kann nun laut Oevermann davon ausgehen, daß er als Normalmitglied der Gesellschaft, sein Normalitätsempfinden und sein Sich-Auskennen in der Welt anwendend, in methodischer Schrittfolge aus den möglichen Lesarten einer Sinneinheit deren objektiven Gehalt erfassen kann. Wesentlich dafür ist allerdings, daß der Normalkontext der Sinneinheit korrekt angenommen wird, denn nur wenn die Regeln, die unterstellt werden, in der Realität an der Erzeugung der Sinnstrukturen beteiligt waren, können sie methodologisch in Anspruch genommen werden. Damit bedarf die objektive Hermeneutik zur Rekonstruktion der latenten Sinnstrukturen wie auch zur Begründung der Geltung dieser Rekonstruktionen eines gesicherten Wissens von den geltenden Regeln. Oevermann unternimmt es deshalb, Typen von Regeln zu unterscheiden und sie nach dem Grad ihrer Reichweite zu differenzieren. Dabei nimmt er eine gleitende Skala abnehmender Reichweite der Geltung der Regeln an, von kulturellen Universalien über ethische Maximen bis zu lebensweltlich konkreten sozialen Normen.62 Obwohl Oevermann selbst bei der Benennung der Kompetenz des Forschenden, die diesem diese Regeln erschließt, bei der Bezeichnung „Alltagskompetenz“ verbleibt und diese nicht näher definiert, wird in der akademischen Auseinandersetzung mit der Methode der Objektiven Hermeneutik und ihrer Weiterentwicklung dieses Wissen, auf dem die systematische Freilegung der Sinnstruktur basiert, näher erörtert und etwa als „Kontextwissen“ beschrieben.63 Auch die zweite bereits erwähnte Methode der Bildanalyse, die Ikonologie, geht davon aus, daß in ein Werk grundlegende Prinzipien seines Entstehungszusammenhangs eingehen und daß durch die Kenntnis des spezifischen sozio-kulturellen Bildkontexts und das Wissen über die Gestaltungs-, Typen- und Motivgeschichte des zu interpretierenden Bildes die Aussage einer konkreten Darstellung erschlossen werden kann.64 61 Englisch 1991:134 62 vgl. Heinze-Prause/Heinze 1996:24 63 vgl. ebd.:45 64 Wie alle sozialwissenschaftlich zur Anwendung gebrachten Methoden sind auch die objektive Hermeneutik und die Ikonologie Gegenstand umfassender Diskussionen über ihre Einsetzbarkeit in der Forschungspraxis. Auf diese Diskurse soll hier nicht näher eingegangen werden. Als wissenschaftliche Methoden müssen sich beide Ansätze qualitativen Ansprüchen wie etwa der Forderung nach Interkoderreliabilität stellen, also der Forderung, daß unterschiedliche Interpretatoren zu denselben Untersuchungsergebnissen gelangen sollen. Ob dies gegeben ist, kann nur bei der Beurteilung konkreter
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6.5.2 Erwin Panofskys Ikonologie Die Ikonologie ist als eine auf die ausschließlich themenbeschreibende Ikonographie65 aufbauende Forschungsrichtung zu sehen, die sich von Beginn an – und in Abgrenzung zu ihren „Wurzeln“ – verstand als »historisch-hermeneutisch argumentierende Wissenschaft, die auf eine umfassende kulturwissenschaftliche Interpretation des Kunstwerkes abzielt, ohne in eine solche Interpretation allerdings auch Werturteile über den Kunstcharakter des betreffenden Werks miteinzubeziehen«.66 Die Aufgaben, denen sich die ikonologische Bildforschung angesichts eines Werkes gegenübersieht, sind laut Ekkehard Kaemmerling folgende: »Indem man auf Philosophie, Psychologie, Anthropologie, Religionsgeschichte, Musik- und Literaturgeschichte, auf die Wissenschaftsgeschichte der Naturwissenschaften in gleichem Maße zurückgreift wie auf Astrologie oder die Kenntnis der heidnischen Mythen, sucht man zu erklären, welche religiösen, mythischen, gesellschaftlichen, politischen u.a. Vorstellungen einer bestimmten geschichtlichen Epoche, einer Gruppe von Menschen oder auch des einzelnen in dem Motiv, dem Thema, der Komposition, ja selbst auch dem Material des Kunstwerks vermittelt durch den Künstler – und im künstlerischen Handeln zugleich verdichtet – zum Tragen kommen.«67
Die ikonologische Bildforschung sieht somit von einer rein deskriptiven Bildbeschreibung ab, oder sieht vielmehr die formale Bildbeschreibung an sich sogar als Ding der Unmöglichkeit. Erwin Panofsky, der zentrale Theoretiker der Ikonologie,68 geht nämlich davon aus, daß jede Deskription, gewissermaßen noch ehe sie überhaupt zu beschreiben anfängt, die rein formalen Darstellungsfaktoren bereits zu Symbolen von etwas Dargestelltem umgedeutet haben müsse, »und damit wächst sie bereits, sie mag es machen, wie sie will, aus einer rein formalen Sphäre in die Sinnregion hinauf«69. Die Ikonologie Panofskys ihrerseits fragt explizit nach den Sinn-
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Anwendungen der Methoden gesagt werden – beide Konzepte stellen diesen Anspruch an sich. Im vorliegenden Zusammenhang interessiert die Zusammenschau verschiedener Konzepte der Bildforschung vor allem in der Hinsicht, in der sie Erkenntnisgewinn im Zusammenhang mit der Regelhaftigkeit visueller Kommunikation versprechen. Sie sollen die zeichentheoretische Sicht ergänzen und es ermöglichen, die Plausibilität des im Verlauf der vorliegenden Arbeit skizzierten Modells der Logik der visuellen Vermittlung von Nachrichten in Nachrichtenmagazinen zu prüfen. Aus heutiger Sicht stellt sich die Ikonographie als eigenständiger Forschungsbereich der Kunstgeschichte dar, dessen Gegenstand es war, das Thema eines Kunstwerkes offenzulegen. Dieser Forschungsbereich entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts aus der Tatsache, daß das jeweilige Thema eines Werkes sich nicht mehr – wie noch in den Jahrhunderten zuvor – ohne eine besondere wissenschaftliche Anstrengung begreifen ließ. Siehe dazu Ekkehard Kaemmerlings Einführung zu der von ihm herausgegebenen Sammlung von Schlüsseltexten der Ikonographie und Ikonologie, Bildende Kunst als Zeichensystem (vgl. Kaemmerling 1979). ebd.:9; Oskar Bätschmann sieht Erwin Panofskys Ikonologie als die bedeutendste fachspezifische Auslegung der kunstgeschichtlichen Hermeneutik. Daß trotzdem von der Ikonologie gesprochen werde, als wäre kunstgeschichtliche Hermeneutik etwas anderes als sie, etwas, in das erst überzugehen wäre, liegt laut Bätschmann in der wissenschaftlichen Rezeption der Theorien begründet (vgl. Bätschmann 1979:460). Beide hier angesprochenen Theorien, die Oevermanns und die Panofskys, sind also Hermeneutik im Sinne der Kunst des hermeneúein: des Aussagens, des Auslegens und des Übersetzens. Die Parallelen der Theorien sind offensichtlich. Kaemmerling 1979:9 Erwin Panofsky, der im Mai 1968 starb, konnte in seinen Überlegungen auf den Arbeiten des Kulturwissenschaftlers Aby Warburg (1866–1929) und dessen „Kreis“ aufbauen, dem auch Panofsky zuzurechnen ist. Bahnbrechend war Warburgs Zugang, die Aussage und die Bedeutung eines Bildes vor dessen ästhetische und künstlerische Qualität zu stellen. Panofsky 1979a:187
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dimensionen einer Darstellung, die sie wiederum in (1) Phänomensinn – zusammengesetzt aus (a) Sachsinn (etwa die Darstellung eines Menschen) und (b) Ausdruckssinn (Darstellung des Menschen als schöner, trauriger usw. Mensch) – und in (2) Bedeutungssinn unterteilt. Eine deskriptive Beschreibung eines Bildes würde sich laut dieser Unterscheidung auf die bloße Aufdeckung des Phänomensinns beschränken, und dies – wie bereits bemerkt – auf eine an sich nicht als rein „beschreibend“ zu verstehende Art und Weise. Panofsky verdeutlicht seine Gedanken in bezug auf die Unterschiede zwischen Sujet, Form und Bedeutung mit einem Beispiel aus dem alltäglichen Lebenszusammenhang, dem viel zitierten Panofsky’schen Mann mit dem Hut: »Grüßt mich ein Bekannter auf der Straße durch Hutziehen, ist das, was ich unter einem formalen Blickwinkel sehe, nichts als die Veränderung gewisser Einzelheiten innerhalb einer Konfiguration. [...@ Wenn ich, wie ich es automatisch tue, diese Konfiguration als ein Objekt (Herr) und die Detailveränderung als Ereignis (Hutziehen) identifiziere, habe ich bereits die Grenzen der rein formalen Wahrnehmung überschritten und eine erste Sphäre des Sujethaften oder der Bedeutung betreten. [...@ Nun werden natürlich die dergestalt identifizierbaren Gegenstände und Ereignisse eine bestimmte Reaktion in mir hervorrufen [...@ ich [kann@ vielleicht erkennen, ob er in guter oder schlechter Stimmung ist. >...] Diese psychologischen Nuancen werden die Gebärden meines Bekannten mit einer weiteren Bedeutung erfüllen, die wir ausdruckshaft nennen werden. >...] Meine Erkenntnis jedoch, daß das Hutziehen für ein Grüßen steht, gehört einem völlig anderen Interpretationsbereich an. [...] Um das Tun des Herren in dieser Bedeutung zu verstehen, muß ich nicht nur mit der praktischen Welt von Gegenständen und Ereignissen vertraut sein. [...] Wenn ich daher das Hutziehen als ein höfliches Grüßen interpretiere, erkenne ich darin die Bedeutung, die sekundär oder konventional heißen mag.«70
Auf die Analyse eines Bildsujets kann dieses Beispiel zusammenfassend folgendermaßen umgelegt werden: Ein Bildsujet ist im ikonologischen Sinne als aus drei Schichten aufgebaut zu sehen und demnach auch zu analysieren: (1) Das primäre oder natürliche Sujet – in diesem Schritt werden (a) die reinen Formen identifiziert (etwa als Häuser, Menschen usf.), und es werden (b) die gegenseitigen Beziehungen dieser Formen als Ereignisse identifiziert (etwa indem die Häuser als alte Häuser erkannt werden). (2) Das sekundäre oder konventionelle Sujet wird dadurch erfaßt, indem man etwa eine dargestellte Gruppe von Menschen als Darstellung des Letzten Abendmahls erkennt. Es werden also bestimmte Motive als Anekdoten oder Allegorien erkannt und verstanden. (3) Die dritte Schicht, die eigentliche Bedeutung oder der Gehalt des Sujets, verdichtet all diese Formen, Motive, Anekdoten und Allegorien als Manifestation zugrunde liegender Prinzipien und führt auf die Ebene der symbolischen Werte, auf der ein Sujet als Symptom von etwas anderem zu sehen ist. »Die Entdeckung und die Interpretation dieser ‘symbolischen’ Werte (die dem Künstler selbst häufig unbekannt sind und die sogar entschieden von dem abweichen können, was er bewußt auszudrücken versuchte) sind der Gegenstand dessen, was wir – im Gegensatz zur ‘Ikonographie’ – ‘Ikonologie’ nennen können.«71
Ikonologie sucht also in Bildern – oder vielleicht besser „anhand von Bildern“ – nach einem bestimmten Gehalt, da dieser auf besondere Weise über ‘Realität’ informieren könne.72 70 Panofsky 1979b:209ff. 71 Panofsky 1979b:212 72 Gehalt scheint hier besser geeignet als der Begriff Bedeutung, um zu verdeutlichen, daß es nicht das Ziel der aktuellen Ikonologie ist, eine ‘eigentliche Bedeutung’ künstlerischer Werke offenzulegen,
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In Anlehnung an Panofsky entwickelt Marion Müller die Methodik der Ikonologie weiter, um sie für die Forschungspraxis der visuellen Kommunikationsforschung fruchtbar zu machen. Da Bilder innerhalb der visuellen Kommunikationsforschung als Kommunikate analysiert würden, um den Kommunikationsprozeß und die kommunizierte Bildbedeutung zu erforschen, dürfe die Analyse nicht als „Einbahnstraße“ aufgefaßt werden: »Bilder haben grundsätzlich viele Bedeutungs- und Sinnschichten«.73 Um diese offenlegen zu können, wird laut Müller auf drei Ebenen operiert. Auf jeder Ebene nähert sich der Forschende einer Sinndimension. Dabei muß er auf jeweils unterschiedliche subjektive Quellen zurückgreifen, denen wiederum jeweils ein objektives Korrektiv gegenüberzustellen ist. Auf der ersten Ebene wird die vitale Daseinserfahrung herangezogen, um den Phänomensinn des Bildes zu erfassen, als Korrektiv gilt die Gestaltungsgeschichte: »Als Handwerkszeug reicht [auf der Ebene des Phänomensinns] die ‘vitale Daseinserfahrung’, die jedoch in der Gestaltungsgeschichte – das bedeutet in Vergleichen mit ähnlichen Motiven und Darstellungsstilen – ihr Korrektiv findet. Denn das Ziel der wissenschaftlichen Bildbeschreibung ist keine subjektive Deskription, sondern eine objektivierbare, sprich für dritte nachvollziehbare Beschreibung.«74
Auf der zweiten Ebene, die den Bedeutungssinn eines Bildes offenlegen soll, erfolgt die Entschlüsselung aufgrund von literarischem Wissen (Schriftquellen) und findet ihr Korrektiv in der Typengeschichte. Auf der dritten Ebene schließlich erfolgt die Interpretation des Bildes – es wird sein Dokumentsinn erschlossen. Um diesen Schritt gewinnbringend durchführen zu können, müsse auf subjektiver Ebene auf weltanschauliches, politisches und soziales Handeln und Verhalten zurückgegriffen werden; der politischen, Sozial-, Wirtschafts- und Geistesgeschichte entstamme das objektive Korrektiv der Interpretation.75 Betrachtet man nun die von Müller in Anlehnung an Panofsky vorgeschlagenen Arbeitschritte, so wird deutlich, daß eine gewisse Ähnlichkeit in ihren Grundannahmen mit den paradigmatischen Annahmen der Objektiven Hermeneutik zu finden ist: Beide Methoden gehen davon aus, daß in Alltags- und Kontextwissen die Regeln eingeschrieben sind, die notwendig – aber auch ausreichend – sind, um die „Sprache der Bilder“ decodierend verstehen zu können. Durch ein systematisches Vorgehen in einzelnen Analyseschritten wird versucht, der relativen syntaktischen Dichte beizukommen, die bildhaften Zeichen laut Goodman eigen ist. »Ein Bild sagt zwar mehr als 1000 Worte, aber gerade deshalb sagt es manchmal zuviel«, so formuliert Ferdinand Fellmann die Schwierigkeit, die die Informationsfülle einer bildhaften Darstellung für die Analyse bereithält. Die Methoden Oevermanns und Panofskys machen deutlich, daß dieses „Zuviel“ nicht vorliegt, wenn man vermeidet, es sich zum Ziel zu stecken, die Aussage eines Bildes „an sich“ entschlüsseln zu wollen. Die Aussage eines Bildes kann sich nämlich, folgt man dem bisher Gesagten, nur aus seinem Erstellungs- und Verwendungskontext ergeben und
sondern eben vielmehr »die Erforschung ihres historischen, künstlerischen und sozialen Zusammenhangs« (Bätschmann 1993:256). 73 Müller 2003:34 74 ebd. 75 vgl. ebd.
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deshalb auch nur durch die korrekte Einordnung in dieses „Kontextnetz“ erschlossen werden. Auch Oliver Scholz betont, daß das Phänomen ‘ein Bild verstehen’ äußerst differenziert gesehen werden muß, da für die Verständnisleistung das Erbringen von verschiedenen Teilleistungen vonnöten ist. Scholz knüpft in dieser Hinsicht an die vorgestellten Grundgedanken der Objektiven Hermeneutik und der Ikonologie an, indem er davon ausgeht, daß sich Verstehen in einer Aufeinanderfolge von Stufen und Ebenen vollzieht. Er unternimmt es nun, diese Stufen des Verstehens systematisch nach den Teilleistungen zu ordnen, die jeweils erbracht werden müssen, und entwickelt ein für die systematische Durchdringung der Komplexität der visuellen Kommunikation m.E. höchst gewinnbringendes Modell. Scholz’ Thesen sollen im folgenden kurz zusammengefaßt werden, um anschließend darauf aufbauend zwei weitere Methoden der Bildanalyse vorzustellen, die für das Verständnis von medialer Bildkommunikation wertvolle analytische Zugänge bieten.
6.5.3 Oliver R. Scholz: Bildverstehen als prozeßhaftes Erbringen von Teilleistungen Die grundsätzliche Feststellung, von der der Philosoph Oliver R. Scholz in seiner Arbeit Was heißt es, ein Bild zu verstehen?76 ausgeht, ist, daß Sprachkompetenz zwar seit langem ein vieldiskutiertes Thema sei, man aber kaum Untersuchungen zu der Frage finde, was genau man unter Bildkompetenz verstehen könne. Und dies, obwohl wir in vielfältigen praktischen Zusammenhängen darauf angewiesen seien, Illustrationen, Piktogramme, Fotografien, Filmaufnahmen, Fernsehbilder und andere bildhafte Darstellungen zu verstehen. Eine wesentliche Aufgabe jeder Theorie der Bildkompetenz sei es, zu klären, wie wir neue Bilder verstehen können – dieser Frage wendet sich Scholz zu. Grundsätzliche Voraussetzung für die Klärung der Frage, wie wir Bilder verstehen können, sei eine nähere Bestimmung des Begriffs ‘Verstehen’. Dieser grundsätzlichen Klärung widmet sich Richard Schaeffler und umreißt die Dimensionen des Begriffs dabei folgendermaßen: »Das Wort ‘Verstehen’ bezeichnet eine Erkenntnisbemühung eigener Art. Mit der Wahrnehmung und exakten Beschreibung einer Erscheinung sowie mit ihrer Unterscheidung von Trug und Fiktion (Tatsachenfeststellung) oder mit dem Entwurf einer Möglichkeit, der Analyse ihrer Implikationen und der Angabe ihrer Realisationsbedingungen (Programm-Artikulation) ist die Aufgabe des Verstehens noch nicht geleistet, sondern erst gestellt. Man kann ‘hören’ (wahrnehmen) ‘und doch nicht verstehen’, und man kann bei aller Deutlichkeit der Handlungsplanung ‘sich selbst mißverstehen’. Die Kenntnis des Objekts, das verstanden werden soll, ist die Voraussetzung allen Verstehens, nicht schon dieses selbst. Das hat das Verstehen mit dem Erklären gemeinsam. Aber das Erklären geht über die bloße Kenntnis des Objekts dadurch hinaus, daß es den Zusammenhang nachzeichnet, innerhalb dessen ein gegebenes Phänomen aus anderen nach Regeln hervorgeht. Das Verstehen aber macht ein Wirkliches oder Mögliches ‘transparent’ für einen Sinn. Darum sind die Aufgaben des Verstehens ebenso vielfältig wie die Intentionen der Frage nach dem Sinn; und diese Aufgabe reicht so weit, wie die Sinnfrage anwendbar ist.«77
76 vgl. Scholz 1998 77 Schaeffler 1973:1628f.
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Oliver R. Scholz konkretisiert in seiner Arbeit das Phänomen ‘Verstehen’ im Zusammenhang mit dem Verstehen von Bildern: »Die Begriffe Verstehen und Bildverstehen sind in ihrem episodischen wie in ihrem dispositionalen Sinne sog. Erfolgsausdrücke. Ohne besonderen Zusatz bedeutet ‘verstehen’ eo ipso ‘richtig verstehen’. Daß jemand etwas verstanden hat, heißt, daß er es richtig verstanden hat. Wer dagegen etwas falsch oder inkorrekt verstanden hat, von dem sagen wir auch, er habe es nicht verstanden. Erfolg oder Gelingen kann auf Glück oder Zufall beruhen. Nicht alle Erfolge sind Leistungen. Entsprechend sind nicht alle Erfolgswörter auch Leistungswörter. ‘Verstehen’ ist in seiner Kernbedeutung ein Erfolgs- und ein Leistungsverb. Wer etwas verstanden hat, hat etwas richtig gemacht, etwas geleistet, bzw. er ist in der Lage, etwas richtig zu machen. Wer Bilder verstanden hat oder versteht, hat im Umgang mit Bildern etwas richtig gemacht bzw. ist in der Lage, im Umgang mit Bildern gewisse Dinge richtig zu machen.«78
Der Leitgedanke, den Scholz aus dieser Begriffsanalyse ableitet, ist, daß sich aus der Frage nach den charakteristischen Formen des Nichtverstehens abgrenzbare Typen erkennen lassen, denen wiederum entsprechende Verstehensleistungen zugeordnet werden können. Diese Teilkompetenzen können entweder angeborene oder erworbene Kompetenzen sein und werden von Scholz in drei Bereiche zusammengefaßt, die die Bedingungen für gelingendes oder optimales Verstehen ausmachen: (1) äußere Rahmenbedingungen, (2) subjektbezogene oder individuelle Bedingungen und (3) soziale Bedingungen. Innerhalb dieser Bereiche vollzieht sich Bildverstehen laut Scholz in acht Stufen. Zum ersten sei es für das Verstehen eines konkreten Bildes nötig, dieses unter geeigneten Bedingungen wahrzunehmen, d.h. der Versuch, ein Bild zu verstehen, könnte bereits an widrigen Umständen scheitern. Dem Bereich ‘äußere Rahmenbedingungen’ können hier Lichtverhältnisse, Betrachtungsabstand und -winkel u.ä. zugeordnet werden. Die subjektbezogenen Bedingungen betreffen einschlägige Fähigkeiten wie hinreichende Sehfähigkeit oder farbenbezogene Distinktionsfähigkeit. Auch der Faktor Zeit sei auf dieser Stufe einzuordnen, denn entgegen einer verbreiteten Legende würden Bilder nicht perzeptiv auf einen Schlag erfaßt, sondern nach und nach von den wandernden und hin und her springenden Blicken des Betrachters abgetastet. Unterschreite die Zeit der Wahrnehmung eine bestimmte Schwelle, so sei ein vollständiges Verstehen nicht mehr möglich – dies betreffe auch die weiteren Stufen des Bildverstehens. Auf die erste Stufe, die Scholz als perzeptives Bildverstehen bezeichnet, folge das Verstehen des Bildes als Zeichen. Auf dieser Ebene sieht Scholz zwei grundsätzliche Möglichkeiten des Nichtverstehens von Bildern. So könne etwas, das korrekterweise als Bild aufzufassen sei, einerseits für einen vollkommen gehalt- und bedeutungslosen Gegenstand gehalten werden – man sieht etwa nur eine farbige Fläche, die man aber als farbiges Objekt keinem Zeichensystem zuordnet und der man keinerlei semantische Eigenschaften zuschreibt. Andererseits könne es vorkommen, daß man das Bild eines Gegenstandes fälschlicherweise für diesen Gegenstand selbst hält, also nicht erkennt, daß dieser Gegenstand durch das Bild repräsentiert wird, selbst aber nicht vorhanden ist (etwa wenn ein Gemälde, das Menschen in Lebensgröße darstellt, aus der Entfernung als Bild verkannt wird und angenommen wird, daß die dargestellten Personen sich vor Ort befinden). 78 Scholz 1998:107
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Stufe drei des Bildverstehens nennt Scholz Verstehen des Bildes als bildhaftes Zeichen. Diese Stufe folge auf die vorangegangene und könne nicht entfallen, wenn ein Bild verstanden werden soll. Denn es könne zwar deutlich sein, daß ein gegebenes Objekt ein Zeichen oder ein Symbol ist, dabei aber ungeklärt bleiben, zu welcher Art von Zeichensystem es gehört, d.h. was für ein Zeichen es ist. »Auch diese Stufe kann leicht übersehen werden, da das Wahrnehmen eines Gegenstandes, das Auffassen als Zeichen und als Bild in vielen Fällen automatisch, in Bruchteilen von Sekunden und meist ohne bewußtes, als zeitliches Nacheinander strukturiertes Erleben von Verstehensschritten erfolgt. Daß hier gleichwohl eine eigene kognitive Leistung begrifflich zu unterscheiden ist, lehrt wiederum die Betrachtung möglicher Verstehensschwierigkeiten sowie von Möglichkeiten des Nichtverstehens. Frühgeschichtler stehen nicht selten vor der handfesten Frage, ob eine bestimmte Figur, Form oder Markierung (auf einem Stein etwa) ein sprachliches Symbol, ein Zahlzeichen, eine Karte, ein Bild oder etwas anderes ist. Und es kann entsprechend die Spielart des Nichtverstehens vorkommen, daß etwas für ein Bild gehalten wird, was in der Gruppe, welche das Symbol verwendet hat, eindeutig als Zeichen eines anderen Typs galt. Zu welchem Symbolsystem eine gegebene Zeichenmarke gehört, kann man einem einzelnen Gegenstand grundsätzlich nicht ansehen.«79
Den vierten Schritt im Prozeß des Bildverstehens sieht Scholz im Verstehen des Bildinhalts. Bei diesem geht es darum, den Inhalt eines Bildes klassifizieren zu können. Im Umgang mit Bildern würden wir als Rezipienten eine ganze Reihe unterschiedlicher Arten erlernen, ein Bild zu qualifizieren: nach den verwendeten Materialien, nach den Formaten, nach den angewandten Techniken, nach Stilrichtungen, nach Epochen, nach Künstlern und nach vielen anderen Gesichtspunkten, insbesondere eben auch nach inhalts- oder sujetbestimmten. Je spezifischer nun das Prädikat ‘F-Bild’ (und nicht ‘G-Bild’) sei, mit dem der Interpret den Inhalt zutreffend charakterisieren kann, desto genauer hätte er es (auf dieser Ebene!) verstanden. Dies könne aber nun dem Rezipienten aus verschiedenen Gründen Schwierigkeiten bereiten, und zwar wenn (1) dem Betrachter das Sujet vollkommen unvertraut ist; (2) er mit den gegenstandsunspezifischen Darstellungskonventionen nicht vertraut ist und (3) ein dem Betrachter durchaus vertrauter Gegenstand unter Zugrundelegung eines ihm fremden Schemas (d.h. einer ihm fremden gegenstandsspezifischen Darstellungskonvention) dargestellt sein mag. Darüber hinaus könnten Bilder auch „semiotisch unselbständig“ sein, in diesem Falle wäre die korrekte Bestimmung ihres Inhalts nur unter Rückgriff auf dem Bild zugrunde liegende vorgängige Text- und Bildquellen möglich.80 Auf der fünften Stufe erfolgt das Erfassen des denotativen Sachbezugs, bei dem es laut Scholz zwei Dimensionen zu unterscheiden gilt: (1) singulär denotierende und (2) generell oder multipel denotierende Bilder. Dies ist so zu verstehen, daß Bilder entweder „Portraits“ eines ganz bestimmten Gegenstandes, einer bestimmten Person sein können („dieser ganz spezielle Baum in unserem Garten“), sie können 79 Scholz 1998:110f.; in diesem Zusammenhang verweist Scholz auf die bereits erwähnte Definition von Goodman, der Bilder als einem syntaktisch dichten Zeichensystem zugehörig beschrieb (vgl. Scholz 1998:111f.). Wie bereits ausgeführt, läßt sich Goodmans Grundidee folgendermaßen formulieren: Ein Symbolsystem hat desto mehr syntaktische Fülle, je mehr Züge der Zeichenträger symbolische Funktion besitzen (Goodman 1968). Bei einem konkreten Bild ist es nun wesentlich, über die korrekte Typisierung des Zeichensystems, dem es entstammt, differenzieren zu können, welche Züge des Zeichens syntaktische Funktionen besitzen. 80 Hier führt Scholz zur näheren Erläuterung ein Beispiel an, das von Erwin Panofsky (1979:194ff.) geschildert wird, nämlich den Fall, bei dem ein Judith-und-Holofernes-Bild längere Zeit als Salomeund-Johannes-Bild mißverstanden wurde.
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aber auch „Allgemeinbilder“ von Gegenständen/Personen sein, d.h., als Dinge eine bestimmte Klasse darstellen (etwa Abbildungen in Lehrbüchern, Enzyklopädien – dargestellt wird mit der Abbildung einer Fichte nicht eine spezielle Fichte, sondern die Spezies an sich). Es sei aber auch festzuhalten, daß nicht jedes Bild einen Sachbezug haben muß; was etwa anhand des Beispieles von einem Bild deutlich wird, das als Sujet ein Einhorn darstellt. Erschlossen werden könne der denotative Sachbezug des Bildes nur aus dem Kontext, in dem die bildliche Darstellung verwendet wird, und auch hier gilt es laut Scholz mehrere Punkte zu berücksichtigen. »Grundsätzlich ist die Festlegung des Sachbezugs von Bildern gebrauchs- und umgebungsabhängig. Für die entsprechenden Zuschreibungen können eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle spielen. Ich möchte an dieser Stelle nur die wichtigsten aufzählen: Neben den im engeren Sinne bildhaften Eigenschaften (grobgesprochen, welche farbigen Punkte und Flächen sich an welchen Stellen befinden), neben dem Typ des Bildes und gewissen kausalen Antezedenzien können weitere Merkmale der räumlichen, zeitlichen und semiotischen Umgebung des Bildes für die Bestimmung des Bezugs relevant werden.«81
Das Verstehen der nicht-denotativen Bezüge stellt die sechste Stufe des Bildverstehens dar, die auch als ‘Erfassen der Exemplifikationsfunktion’ bezeichnet werden kann. Auch auf dieser Ebene ist das Bildverstehen nur über das Einbeziehen seines Verwendungskontextes möglich. Wesentlich ist die Berücksichtigung der exemplifizierenden Bezugnahme von Bildern vor allem auch in der bereits angesprochenen Debatte zur „Ähnlichkeitsbeziehung“ von Bildern. Wie dargelegt wurde, können sowohl darstellende als auch nicht-darstellende Bilder etwas ausdrücken – etwa ein Gefühl wie Trauer oder Freude. Welche Prädikate von einem Bild (oder auch von jedem anderen Zeichen) jeweils exemplifiziert werden, hängt laut Scholz von seiner Funktion ab, und diese kann wiederum mit der Umgebung, den Interessen usw., die die Verwendung genauer bestimmen, variieren. Oliver R. Scholz veranschaulicht die Selektivität der Exemplifikationsfunktion von Zeichen mit folgendem Beispiel: »Ein und dasselbe Objekt, ein Stein, sagen wir, mag in unterschiedlichen Umgebungen radikal verschiedene symbolische Funktionen haben: Solange er im Straßengraben lag, exemplifizierte er womöglich gar nicht. Im Schaukasten eines geologischen Museums kann er sein Alter, seine chemische Zusammensetzung oder seine spezifische Härte exemplifizieren. Als „objet trouvé“ in einer Ausstellung moderner Kunst mag er bestimmte taktile und visuelle, z.B. gestalthafte Qualitäten, exemplifizieren.«82
Grundsätzlich, so Scholz weiter, gehörten zum Verstehen exemplifizierender Symbole zwei Momente: Es muß erfaßt werden, ob der fragliche Gegenstand in der gegebenen Situation überhaupt etwas exemplifiziert, und es muß beurteilt werden, welche Prädikate er im einzelnen exemplifiziert. »Da bei dieser Eingrenzung gröbere und feinere Zuschreibungen möglich sind, läßt dieser Aspekt des Verstehens Grade zu«.83 Man könne nun aber sowohl den Bildinhalt, die direkten und indirekten Bezüge und auch die denotativen und nicht-denotativen Bezüge eines Bildes kennen und es trotzdem mißverstehen. So würde etwa das Bild eines Hundes mit gebleckten Zähnen auf einem Gartenzaun, das als Portrait eines Hundes aufgefaßt wird, offenkundig mißverstanden werden. Um ein Bild auf dieser siebten Stufe verstehen zu kön81 Scholz 1998:114 82 ebd.:115 83 ebd.
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nen, sei es notwendig, die jeweilige kommunikative Rolle eines Bildes zu erfassen. Denn wie mit sprachlichen Ausdrücken könne eben auch mit bildhaften Darstellungen eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungen vollzogen werden. »Wie man sich leicht vergegenwärtigen kann, wird mit Bildern gewarnt, geworben, verboten und vieles andere mehr.«84 Was allerdings alles mit Bildern im Rahmen von kommunikativen Handlungen vermittelt werden kann, so Scholz weiter, das zu klären wäre eine wesentliche Aufgabe einer noch zu entwickelnden ausgebauten Bildsemiotik, die sinnvollerweise auch die historische Perspektive einbeziehen müßte, um darüber berichten zu können, in welche Handlungsmuster, Zeichenspiele, Institutionen und Rituale Bilder zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Kulturen und Gruppen eingebettet waren. Die achte und letzte Stufe des Verstehens siedelt Scholz im Verstehen des indirekt Mitgeteilten an. Denn eine Bildverwendung könne unpassend, überflüssig oder irrelevant erscheinen, wenn es in ironischer oder ähnlicher Weise seine Verwendung findet, ohne daß dies erkannt wird. »Diese Art des Nichtverstehens kann oft dadurch behoben werden, daß man die Zeichenhandlung als einen Fall von Ironie, Metapher, Übertreibung o.ä. zu verstehen versucht. Besonders häufig sind die verschiedenen Arten von Bildmetaphern. Neben den indirekten Sachbezügen (wörtliche, direkte Denotation) kommen bei vielen Bildern indirekte, vor allem metaphorische Bezugnahmen dazu. Der größte Teil solcher Bildmetaphern hat wiederum einen literarischen Hintergrund.«85
Mit dieser systematischen Differenzierung der einzelnen Dimensionen von Bildverstehen verdeutlicht Oliver R. Scholz, daß Bildkompetenz zwar äußerst umfassende Teilleistungen einschließt, daß Bildkommunikation aber trotz ihrer Vielschichtigkeit systematisch bearbeitet werden kann. Denn auch der bildhaften Kommunikation liegt eine Logik zugrunde, die erfaßt werden kann. Laut Marion Müller ist diese Logik im Gegensatz zur Logik des verbalen Ausdrucks eine assoziative.86 Folgt man al84 ebd. 85 ebd.:116; interessant ist, welche Schlußfolgerungen Oliver R. Scholz aus seiner Analyse für die Definition von Bildern zieht, wenn es um die Frage nach geistigen Bildern geht. Seine Einschätzung wurde bereits im Abschnitt 6.2 kurz wiedergegeben und ist nach dieser ausführlicheren Darstellung der von ihm verwendeten Begrifflichkeit sicherlich noch besser nachvollziehbar. Sie soll hier deshalb nochmals in ihrem Gesamtwortlaut zitiert werden: »Ein Gegenstand ist nur dann ein Bild, wenn mindestens die ersten drei Verstehensstufen – perzeptives Verstehen, Verstehen als Zeichen, Verstehen als bildhaftes Zeichen – für ihn angemessen sind (bei gegenständlichen Bildern kommt zumindest die Stufe 4, manchmal auch 5, hinzu). Aus begrifflichen Gründen können innere, private Einzeldinge oder Phänomene nicht (im wörtlichen Sinne) Bilder sein. – Die Begründung ist einfach: Die für Bilder charakteristischen Verstehensstufen kommen für innere, private Einzeldinge oder Phänomene nicht in Betracht. Das wird bereits an den ersten drei Ebenen überdeutlich« (ebd.:117). Dies trifft auf andere nicht-gegenständliche Bilder – wie etwa Projektionen – nicht zu, denn sie können sowohl perzeptiv verstanden werden als auch als Zeichen und als bildhafte Zeichen; auch die weiteren Stufen können im selben Ausmaß wie bei gegenständlichen Bildern von Bedeutung für den Verstehensprozeß sein. 86 vgl. Müller 1999:19; Texte sieht Müller von ihrer Logik her als grundsätzlich ‘rationalargumentativ’. Bei solch grundsätzlicher Zuschreibung stellt sich die Frage, wie der Gefahr entgangen werden kann, Pauschalierungen festzuschreiben, die im Diskurs um das Leistungsvermögen von Bildern und Worttexten vielfach anklingen. Denn: Zwar kann im verbalen Ausdruck ‘rationalargumentativ’ vorgegangen werden, sehr viele Textsorten und Einzeltexte haben dies aber entweder nicht zum Ziel oder nutzen diese Potenz der verbalen Sprache aus anderen Gründen nicht. Wie sich in der Auseinandersetzung der linguistischen Disziplin mit manifesten und latenten Textinhalten außerdem zeigt, wird auch im verbalen Modus „assoziativ“ kommuniziert. Als Beispiel können neben Metaphern usw. auch sogenannte ‘Reiz-’ oder ‘Schlagwörter’ dienen, deren Eigenheit daher rührt, daß sie Assoziationen in Gang setzen (vgl. dazu Früh 1980:45). In Sachen Bildkommunikation gilt es
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lerdings Scholz in seinen Ausführungen, so könnte man schlußfolgern, daß der Eindruck der Assoziativität von Bildern weniger eine Eigenschaft visueller Kommunikation ist als vielmehr ein Hinweis darauf, daß im alltäglichen Bilderleben die einzelnen Verstehensschritte nicht als Abfolge erlebt werden, sondern als simultaner Prozeß. Dieser bringt ein Ergebnis hervor, das vom Rezipienten als Bildaussage angenommen wird, die er meist weder detailliert beschreiben noch detailliert begründen kann. Dies verweist aber möglicherweise in erster Linie auf einen Mangel an bestimmten Fähigkeiten und weniger auf eine Eigenschaft bildhafter Darstellungen. Für jedes Bild gibt es ohne Zweifel eine Unzahl von Interpretationsmöglichkeiten. Wenn man jedoch davon ausgeht, daß Bilder in kommunikativer Absicht eingesetzt werden, so führen die bisherigen Ausführungen zu folgendem: Für die meisten der Bilder, denen wir uns gegenübersehen, kann der überwiegende Teil der Interpretationen, die man für sie finden mag, als nicht-plausibel ausgeschlossen werden. Denn als Teil einer zielgerichteten Handlung unter konkreten Handlungsbedingungen ist eine visuelle Informationsübertragung – wie eine verbale Informationsübertragung auch – jeweils nur sehr beschränkt mehrdeutig. Sie wird durch ihren Verwendungskontext näher bestimmt. Deshalb kann sie auch nur unter Verlust aus diesem gelöst werden. Je weitreichender die Reduktion des originären Bildumfeldes, desto schwerwiegender wirkt sich diese auf das Verständnis der Aussage des jeweiligen Bildes aus, und desto weniger „Stufen des Verstehens“ können erfolgreich genommen werden. Gleichzeitig bedarf es für das korrekte Erfassen einer Aussage unterschiedlicher Wissensbestände, aber auch hier unterscheidet sich die bildhafte im Prinzip nicht von der verbalen Kommunikation.87 Marion Müller faßt den zentralen Punkt bezüglich der Kenntnisse, die für das Verständnis von Bildkommunikation notwendig sind, im folgenden knappen Satz zusammen: »In der Moderne gibt es keine allgemein gültige Ikonografie, sondern eine Vielzahl von Ikonografien.«88 Der Bedeutungsgehalt der einzelnen in diesen Ikonografien enthaltenen Zeichen entsteht, wie bereits ausgeführt wurde, im Verlauf von kooperativem Gruppenhandeln, und jede Gruppe entwickelt in ihrem eigenen Ausmaß ein eigenes System von zu bedenken, daß bspw. professionelle Illustratoren offensichtlich in der Lage sind, Zeichnungen anzufertigen, die linear und als Argumente gelesen werden können („wenn-dann“ Beziehungen, „weil“Begründungen usw. sind aus dem Alltag etwa in Form von anleitenden Zeichnungen bekannt, auch in Cartoons und Comics werden Folgebeziehungen und Begründungen dargestellt, die auch „ohne Worte“ dem Rezipienten verständlich sind). An dieser Stelle soll auch die Beobachtung eingebracht werden, daß in Auseinandersetzungen um Ausdrucks- und Ansprechkapazitäten von Bildern im Vergleich zu Texten vielfach ausgespart bleibt, daß es eine große Anzahl von bildhaften Darstellungen gibt, die den pauschalen Zuschreibungen an Bilder nicht genügen: Sehr viele Bilder, auch Fotografien, sprechen uns emotional nicht an, lösen keine bemerkenswerten Assoziationen bei uns aus, langweilen uns, bleiben uns nicht nachdrücklich im Gedächtnis, und dies aus verschiedenen Gründen. Daß mit Bildern vielfach äußerst effektiv kommuniziert wird, liegt dann aber in einzelnen konkreten Fällen folgerichtig vor allem am Vermögen derer, die die Möglichkeiten der visuellen Kommunikation auf so hohem Niveau nutzen, und ist deshalb wahrscheinlich eher bestimmten Eigenschaften und Merkmalen der Kommunikatoren zuzuschreibe, als dem Medium ‘Bild’ an sich. 87 Bezüglich der wissenschaftlichen Analyse von Bildern und der Frage der „Gewißheit“ über die Korrektheit einer Bildinterpretation muß Geltung haben, was auch in allen anderen Bereichen der wissenschaftlichen Forschung gilt: Das Plausible wird im Sinne des Erkenntnisgewinns in dem Maße für wahr angenommen, in dem es begründet und nachvollziehbar vorgebracht wird, solange es logisch bzw. widerspruchsfrei erscheint und unwiderlegt bleibt. 88 Müller 2003:252
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Zeichen – also im weitesten Sinne eine eigene Ikonografie.89 Der Kunsttheoretiker Gerhard Charles Rump lenkt nun den Blick darauf, daß es neben diesen im sozialen Zusammenhang erlernten Bedeutungen von einzelnen Zeichen auch Zuschreibungen von Bedeutung gibt, die nicht auf erlerntem Wissen beruhen. Seine auf Erkenntnissen der Physiologie und Anthropologie aufbauende Argumentation soll im folgenden vorgestellt werden.
6.5.4 Gerhard C. Rump: Bildverstehen und biologische Normengruppen Gerhard C. Rumps zentrale Aussage in seinen Arbeiten über die Berührungspunkte von Kunstwissenschaft und Verhaltensforschung ist, daß es eine biologische Dimension des Ästhetischen gebe.90 Diesen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung verschiedener Anmutungsqualitäten und den aus ihr „instinktiv“ hervorgehenden Wertungen oder Charakterisierungen belegt Rump anhand zahlreicher Forschungsergebnisse und verdeutlicht ihn durch anschauliche Beispiele. Laut Rump müssen viele ästhetische Bewertungen als angeborene Anpassung an die natürliche Umwelt vor unserer Zivilisation gesehen werden, etwa Einstufungen von bestimmten Farben als ‘warm’ oder ‘kalt’, das Empfinden von Formen als ‘aggressiv’ oder ‘sanft’ oder das Erkennen einer Figur als ‘weiblich’ oder ‘männlich’. Diese Fähigkeiten zur Interpretation visueller Darstellungen werden durch die individuelle Lerngeschichte ergänzt, so daß das Entschlüsseln visueller Botschaften als Zusammenwirken zweier Normengruppen gesehen werden muß: der biologischen und der kulturellen (sozialen). Der biologische Zusammenhang des menschlichen Sinns für Ästhetik lasse sich, so Rump, an gegenständlichen Darstellungen nachweisen, zeige sich aber auch anhand von abstrakten Kunstwerken. »Betrachten wir etwa ein Gemälde einer expressionistischen Richtung – gleichgültig, ob es sich um ein neoexpressives Werk handelt [...] oder ein Bild vom Beginn des Jahrhunderts [...] –, die leuchtenden Farben und ihre schroffen Kontraste werden dem Betrachter eine bestimmte Wertung oder Charakterisierung nahelegen. Ohne eine zu enge Festlegung zu treffen: Es ist sehr viel wahrscheinlicher, daß die Charakterisierung mit Begriffen wie ‘wirkungsvoll’, ‘ausdruckshaft’, ‘energiereich’, ‘intensiv’, ‘kräftig’ oder ‘aggressiv’ erfolgt als mit Begriffen wie ‘zart’, ‘zurückhaltend’ oder gar ‘friedlich’.«91
Doch es gebe zunächst keinen vernünftigen Grund, einen ‘harten’ Kontrast zwischen Farben wie Rot, Gelb, Schwarz und Weiß als aggressiver zu bewerten als einen ‘weichen’ Übergang von Grün zu Blau oder Beige zu Braun – dennoch sei eine nahezu universal anzutreffende Bewertung unausweichlich. Der Grund dafür ließe sich im ursprünglichen natürlichen Umfeld des Menschen finden. In der Natur hätten solche intensive Färbungen und Kontraste nämlich zumeist eine Warnfunktion. Dies könne die Warnung vor der eigenen Aggressivität sein (etwa bei Buntbarschen und Korallenfischen zu finden), vor der eigenen Wehrhaftigkeit (etwa die Gelb-SchwarzRingelung bei Wespen) oder vor Giftigkeit und schlechtem Eigengeschmack, eine 89 Im folgenden soll Müllers Schreibweise Ikonografie übernommen werden, um so die Unterscheidung zur traditionellen Ikonographie deutlich zu machen. 90 vgl. Rump 1989 91 ebd.:83
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Warnung, die sich an Freßfeinde richtet. Doch nicht jede intensive Farbigkeit könne in ihrer Bewertung auf die Warnung zurückgeführt werden. Was wir als attraktiv und prächtig beurteilen, hänge, wie bereits Konrad Lorenz (1963) aufgezeigt habe, meist von der natürlichen Ausbildung prächtiger Farbigkeit im Zusammenhang mit der geschlechtlichen Zuchtwahl zusammen, so z.B. beim Brautkleid des Stockerpels, bei der Mandarinente oder beim Paradiesvogel. Im Rahmen einer tiefverwurzelten Anlage, auf Farben zu reagieren, seien Farben auch in ein weites Spektrum von Umweltereignissen einzuordnen. »Das Farberleben in der Kunst läuft sowohl stammesgeschichtlich gewachsenem wie individuell erlerntem Farberleben parallel. Farben im natürlichen Umfeld bewegen sich auch parallel zu sinnlichen Erfahrungen, und diese grundlegenden Erfahrungen mit unserer Umwelt nehmen Einfluß auf die semantischen Assoziationen, die sich zu Farben einstellen. Wenn also etwa rote oder orange Töne als ‘warm’, bläulich-weiße als ‘kalt’ empfunden werden, so spiegelt sich darin die Sonne bzw. die Gluthitze des Feuers wider und das kühlende Weißblau des sprudelnden Wassers, in dem sich der Himmel spiegelt.«92
Und sind es nicht die Bewertungen selbst – so Rump weiter –, die als ererbt zu betrachten sind, so sei es auf jeden Fall die Disposition, in der geschilderten Art auf die Umwelt zu reagieren bzw. sie so zu strukturieren. Ähnliche ästhetische Grundsatzurteile gebe es über die Dimension der Farbe hinaus auch in bezug auf die Form, Größe und die Beschaffenheit der Oberfläche eines Gegenstandes. So ließen sich bezüglich der Form eines Objektes physiologische Erregungspotentiale messen, die den Empfindungen ähnlich korrelieren wie bei der Farbe. Dabei sei die menschliche Wahrnehmung mit sehr einfachen Reizbildern „zufriedenzustellen“. Allgemein könne davon gesprochen werden, daß zackige Formen einen höheren Aufmerksamkeitswert haben als runde, aber nicht so positiv bewertet werden. Eine gewisse Ausnahme hätte Desmond Morris (1965) für alles, das nach „Schlange“ aussieht, nachgewiesen – hier sei ein hoher Aufmerksamkeitswert zu finden, da es eine angeborene Schlangenfurcht bei Menschen gibt. Das Erregende an zackigen, spitzigen Formen sei anthropologisch auf die spitzigen Formen von Raubtieren zurückgeführt worden. Ähnlich lasse sich die positive Bewertung von glatten Oberflächen mit geringer Verletzungsgefahr erklären und etwa der Eindruck von monumentaler Größe durch einen Vergleich mit der eigenen Größe. Die Reize, die dem Verhalten zugrunde liegen, könnten nun aber eben auch auf Träger übertragen werden, denen sie „eigentlich“ nicht zukommen – die Bewertung würde im Zuge dessen automatisch mitübertragen.93 Solche zum Teil als feststehendes Repertoire verfügbare Zusammenstellungen zwischen Reiz und Verhalten werden als angeborener auslösender Mechanismus (AAM) bezeichnet.94 Rump geht nun davon aus, daß dieses Wissen gewinnbringend für die Analyse von Bildinhalten und Bildbedeutungen angewandt werden kann. »Die Mischung aus erlerntem und angeborenem Erkennen in der Bildkommunikation betrifft bei den angeborenen Anteilen sowohl allgemein angeborene Wahrnehmungsfähigkeiten als auch speziell die 92 ebd.:84 93 Rump 1989:85 94 Der wohl bekannteste AAM ist das sogenannte Kindchenschema: Allgemeine Rundlichkeit verbunden mit einem zugunsten des Kopfs verschobenen Kopf-Rumpf-Maßverhältnis wird als optisches Klischee mit einer Bewertung der Bedeutung von ‘niedlich’ versehen (in diesem Zusammenhang verweist Rump auf Lorenz 1967).
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Wahrnehmung von Signalzusammenhängen, die dann inhaltlich wichtig werden. Umgekehrt gesagt: Der Versuch, das Thema darzustellen ohne Zugriff auf das direkte Ansprechen von Signalen, könnte nicht gelingen – wenigstens erfordert er einen sehr großen Aufwand in der Vermehrung des „gelernten“ Anteils, der versuchen müßte, das, was das fast automatische Bewerten von Bildeigenschaften leistet, auf andere Weise verfügbar zu machen.«95
In der Bildkommunikation, so Rump weiter, hätten wir es aufgrund von ererbten Wahrnehmungsstrukturen zunächst – wie mit jeglichem anderen Gegenstand auch – mit unmittelbaren Wirkungen zu tun. Und obwohl etwa ein gemaltes Bild kein „Gesicht“ hat, sähen wir es deshalb an, als hätte es eines. Denn zunächst stünde uns keine andere Möglichkeit zur Verfügung. »In einem unbewußten Prozeß suchen wir nach Merkmalen mit Auslöserfunktion, wobei schon der geringste Anhaltspunkt zum ‘Anspringen’ des Mechanismus ausreicht.«96 Aus diesem Mechanismus ergeben sich laut Rump „Normen der Kommunikation“, die für gegenständliche Darstellungen in zwei Sätze unterteilt werden können: (1) ein Satz von Abbildungsnormen, der die Wiedererkennbarkeit von Abbildungen betrifft, zu ihm seien beispielsweise Perspektivensysteme und Lichtführung der Abbildung zu zählen; (2) ein Satz von Normen, der die Wirkung der Bildteile betrifft: Diese Normen sind laut Rump ethnologisch bestimmt und betreffen die besondere Empfänglichkeit des Betrachters für bestimmte Merkmalsgruppen. »So ist die Darstellung am wirkungsvollsten, die am besten auf auslösende Mechanismen trifft.«97 Von diesen beiden Normsätzen seien nun die Wirkungsnormen die wichtigeren, denn Verstöße gegen sie, die selbst nicht Thema der Darstellung sind, könnten durch die Wahrnehmung nicht ausgeglichen werden – genau dies sei das Problem eines schlechten Malers. In einem nächsten Schritt geschehe die Zuordnung von Teilen und ihren Bedeutungen. Hier trete zutage, daß Bilder die Gliederung einer Sprache besitzen, die deren Inhalt unserem Verständnis durch Ordnung zugänglich machen. »Hierzu gehören nicht nur der Aufbau von Figuren und anderen Bildteilen aus einzelnen Elementen (auch wenn diese nicht scharf begrenzt sind), sondern auch die Einrichtung von Beziehungen zwischen Gegenständen durch Parallelisierungen, Nebeneinanderstellen, Farb- und Formwiederholungen usw.«98
Von besonderer Wichtigkeit seien dabei die „suprasegmentellen“ Einheiten der Bildsprache (also Einheiten, die sich nicht einfach herausschälen und als feste Ganzheit darstellen lassen),99 die sich aus verhaltensbiologisch festgelegten Merkmalen herleiten. Denn in ihnen erweise sich die Grammatik des Bildes als Widerspiegelung verhaltensmäßig vorgegebener Strukturen, auch wenn diese kulturell modifiziert wären. So sei etwa der Bedeutungsmaßstab in seiner geschichtlichen Ausformung von verhaltensbiologischen Grundstellungen her bestimmt; er erkläre es beispielsweise, warum Nebenfiguren auf mittelalterlichen Bildern sehr viel kleiner dargestellt wurden. »Es ist unserem Verhalten und dessen Verständnis in Abbildungen gemäß, wichtige Figuren größer als unwichtige zu sehen. Solche grundlegenden Verhaltensneigungen überstehen schadlos die Über-
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ebd.:88 ebd. ebd. ebd.:89 In der Lautsprache sind suprasegmentelle Einheiten z.B. die Intonation oder Betonung. Betonung als bedeutungsunterscheidende Einheit tritt in Fällen auf wie z.B. „übersetzen“ im Vergleich zu „übersetzen“ (vgl. dazu ausführlicher: Rump 1982).
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tragung in andere Medien – sie sind „textualisierbar“, können in (Bild-)Text umgesetzt werden. Das ist Grundbedingung für die Wiedererkennbarkeit in Abbildungen.«100
Die dargestellte Auffassung Rumps, daß wir in der bildhaften Kommunikation aufgrund von Wahrnehmungsnormen Sinneinheiten differenzieren können, bestätigt die weiter oben zitierte Auffassung Daniel Chandlers, der ebenfalls darauf hinweist, daß wir – wenn auch die Bildsprache keine ähnlich einfache symbolische Struktur aufweist wie die Wortsprache mit dem Alphabet – von Farbe und Form usw. Bedeutung und Aussage ableiten.101 Sie macht auch nochmals deutlich, daß Bilder – auch wenn diese, wie bereits erwähnt, laut Hartmann102 jeweils „Prototypen“ darstellen – als Kommunikationssystem deshalb funktionieren, weil sie sich in einem gewissen Sinne wiederholen. Darauf wies bereits Roland Barthes hin: Ohne Wiederholung gibt es kein Zeichen, denn man könnte es nicht wiedererkennen – die Wiederholung begründet das Zeichen.103 Nun unterscheiden sich bildhafte Darstellungen zwar in unendlich vielen Details voneinander – darauf verweist Goodmans Begriff der relativen syntaktischen Dichte –, doch bestimmte formale Merkmale drängen uns – so Rump – bestimmte Botschaften auf. Diese Wahrnehmungs-Stereotypen (bei Rump ‘Anmutungsqualitäten’) müssen beachtet werden, wenn erfolgreich visuell kommuniziert werden will. Rump fokussiert nun in seiner Arbeit auf angeborene Dispositionen der Zeicheninterpretation, verweist aber auch auf die kulturellen Lernprozesse, die unsere visuelle Kommunikation mitprägen, und ist damit einig mit den dargestellten Grundauffassungen der hermeneutischen und ikonologischen Bildanalyse. Der Sprachtheoretiker Gunther Kress und der Kommunikationstheoretiker Theo van Leeuwen haben sich ebenfalls ausführlich mit der Funktionsweise der visuellen Kommunikation auseinandergesetzt. Auch sie gehen wie Rump von Wahrnehmungsstereotypen aus, untersuchen diese aber als kulturelle Phänomene und beschränken sich in ihrer ausführlichen Arbeit mit dem Titel Reading IMAGES – The Grammar of Visual Design ausdrücklich auf „westlich“ geprägte Darstellungskonventionen. Bedeutsam ist Kress/Leeuwens Ansatz insofern, als die Autoren ähnlich wie Rump davon ausgehen, daß neben der „Typenlehre“, die von der Hermeneutik und der Ikonologie zur Aufdeckung des Bedeutungssinns einer bildlichen Darstellung herangezogen wird, eine allgemeine Grammatik in der visuellen Kommunikation ihre Anwendung findet. Diese Grammatik ist es, die es dem Bildrezipienten beispielsweise ermöglicht zu erkennen, wer oder was in einer Darstellung als Subjekt einer Handlung und wer oder was als Objekt einer Handlung zu sehen ist; auch „action verbs“ könnten für viele bildhafte Darstellungen bestimmt werden, so die These von Kress und Leeuwen. Im folgenden sollen die Grundzüge ihrer Theorie kurz umrissen werden, um daran anschließend zusammenzufassen, inwiefern diese Analyse der Funktionsweise visueller Kommunikation die bereits skizzierten Ansätze mit Blick auf die wissenschaftliche Bildanalyse gewinnbringend ergänzt.
100 Rump 1989:89 101 Chandler 2003:[www] 102 Hartmann 1995:63 103 vgl. Joly 2002:162
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6.5.5 Reading Images – Die Grammatik der visuellen Kommunikation nach Gunther Kress und Theo van Leeuwen Der Titel des Buches von Gunther Kress und Theo van Leeuven The Grammar of Visual Design läßt aufhorchen – bewußt nehmen die Autoren mit dieser Formulierung den bereits mehrfach angesprochenen Diskurs zum Vergleich von Bildsprache und Wortsprache auf: Gerade ‘Grammatik’ ist es, was den nonverbalen Zeichensystemen abgesprochen wird. David Chandler faßt zusammen: »Linguistic theorists categorically assert that since pictures are presentational and not discursive, they have no formal grammar. Without a grammar, images cannot be considered a language. Without a language, pictures cannot be read. [...] Words are the basis for human understanding, because of their narrative structure. Philosopher Susan Sontag writes ‘only that which narrates can make us understand’.«104
Kress und Leeuwen setzen sich in ihrer Arbeit mit den Einwänden von seiten der Linguistik gegen die Auffassung des bildhaften Zeichenmodus als ‘Sprache’ auseinander, machen aber ihre Sicht in einer kurzen Formulierung deutlich: »Describing a ‘language’ is describing what people do with words, or images, or music.«105 Dabei ginge es aber nicht darum, von allen „Sprachen“ dasselbe Ausdrucksrepertoire zu erwarten – manche Informationen könnten in manchen Modi besser zum Ausdruck gebracht werden als in anderen106 –, wesentlich ist den Autoren, daß sich für „Sprachen“ eruieren läßt, wie einzelne Elemente zu einer Aussage (meaningful whole) zusammengefügt werden. Daraus folgert auch, was Kress und Leeuwen unter ‘Grammatik’ verstehen. Wilhelm Köller stellt fest, daß sich innerhalb der Sprachwissenschaft keine allgemeine und verbindliche Definition des Begriffs ‘Grammatik’ finden läßt. Ein solcher einheitlicher Begriff wäre seiner Ansicht nach auch weder möglich noch wünschenswert, da in der Sprachwissenschaft die Forschungsperspektiven auf die Grammatik inzwischen so vielfältig und disparat geworden seien, daß die Suche nach einem einheitlichen Begriff sinnlos wäre.107 Selbst die begriffliche Unschärfe von ‘Grammatik’ ansprechend, umreißen Kress/Leeuwen ihr Verständnis des Begriffs bereits auf Seite eins ihres Werks: »In our view, most accounts of visual semiotics have concentrated on what linguists would call ‘lexis’ rather than ‘grammar’, on the ‘vocabulary’ – for instance, on the ‘denotative’ and ‘connotative’, the ‘iconographical’ and ‘iconological’ of the individual people, places and things (including abstract things) depicted in images. [...] we will concentrate, by contrast, on ‘grammar’, on the way in which these depicted people, places and things are combined in a meaningful whole. Just as grammar of language describes how words combine in clauses, sentences and texts, so our visual ‘grammar’ will
104 Chandler 2003a:[www] 105 Kress/Leeuwen 1996:8 106 Die Autoren führen aus: »The analogy with language does not imply, however, that visual structures are like linguistic structures. The relation is much more general. Visual structures realize meanings as linguistic structures do also, and thereby point to different interpretations of experience and different forms of social interaction. The meanings which can be realized in language and in visual communication overlap in part, that is, some things can be expressed both visually and verbally; and in part they diverge – some things can be ‘said’ only visually others only verbally. But even when something can be ‘said’ both visually and verbally the way in which it will be said is different« (Kress/Leeuwen 1996:56). 107 Köller 1988:5
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describe the way in which depicted people, places and things combine in visual ‘statements’ of greater or lesser complexity and extension.«108
Es gehe ihnen mit ihrem Blick auf die „Grammatik” der visuellen Gestaltung nicht darum, die Funktionsweisen von Wort- und Bildsprache einander gegenüberzustellen. Sie verfolgten vielmehr das Ziel, zu beleuchten, welche Darstellungskonventionen sich im Laufe der Geschichte etabliert hätten, und zu analysieren, »how they are used to produce meaning by contemporary image makers«.109 Kress und Leeuwen führen nun ausführlich und anhand vieler Bildbeispiele aus, wie Bilder „gelesen“ werden können. Dabei gehen sie davon aus, daß der sinnhafte Ausdruck, der in der Wortsprache etwa durch die Verwendung von Hauptwörtern und Verben erreicht wird, im Bildmodus seine Entsprechung in der Verwendung von Massen (volumes) und Vektoren (vectors) findet. Sie stützen sich dabei auf eine Anleitung Rudolf Arnheims zum Thema Bildverstehen: »We shall distinguish between volumes and vectors, between being and acting.«110 Kress und Leeuwen widmen sich Schritt für Schritt den „Erzählweisen“ der bildlichen Darstellung. Sie fragen: Wie werden Ähnlichkeit und Gleichheit bildhaft zum Ausdruck gebracht – verschiedene Dinge also einer sie umschreibenden Kategorie zugeordnet? Wie wird von Handlungen erzählt, und in welcher Form werden Handelnde (actors) von Handlungszielen (goals) visuell unterschieden? Durch welche Darstellungsformen wird Aktivität von Passivität, Dynamik von Statik differenziert? Dabei legen Kress und Leeuwen Wert darauf, daß diese formalen Ausdrucksweisen für verschiedene Handlungsbeteiligte und unterschiedliche Handlungsweisen (nicht nur in gegenständlichen Darstellungen, sondern auch beispielsweise in Diagrammen und abstrakten Kunstwerken) die Grundstruktur des kommunikativen Verständnisses bilden. Daß dies so sei – die Basis des visuellen Verständnisses also für alle Formen der bildhaften Darstellung dieselbe sei, lasse sich mithilfe der formalen Kunsttheorie, geprägt durch den bereits erwähnten Kunsttheoretiker Rudolf Arnheim, erklären. »The language of this kind of theory is, for the most part, formalistic, and grounded in the psychology of perception. Participants are called ‘volumes’ or ‘masses’, each with a distinct ‘weight’ or ‘gravitational pull’. Processes are called ‘vectors’ or ‘tensions’ or ‘dynamic forces’. But, and this is what matters for the purpose of identifying participants, these ‘volumes’ are perceived as distinct entities which are salient (‘heavy’ to different degrees because of their different sizes, shapes, colour, and so on). Thus the two men [...] [hier verweisen Kress/Leeuwen auf ein von ihnen ausführlich besprochenes Untersuchungsbeispiel] stand out as distinct entities because of the tonal contrast between their silhouettes and the light of the fire. And what is more, we recognize their shapes on the basis of visual schemes not unlike those that are realized in diagrams. Artists have long learned their craft by reducing the visible world to simple geometric forms.«111
Laut Arnheims Theorie würden wir bereits im Kindesalter lernen, dieses Repertoire von Basisformen in der Anfertigung von bildlichen Darstellungen einzusetzen. In visuellen Darstellungen verwendet, beziehen die einzelnen geometrischen Grundfor-
108 Kress/Leeuwen 1996:1 109 ebd. 110 Arnheim 1982:154 zitiert nach Kress/Leeuwen 1996:48 111 Kress/Leeuwen 1996:47
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men112 ihren Bedeutungsgehalt – und damit die von ihnen kommunizierte Aussage – aus zwei Dimensionen: »First, they derive from the properties of the shapes, or rather, from the values given to these properties in specific social and cultural contexts [...] Second, these meanings derive from the common qualities we may detect in such objects in our environment as would be circular or rectangular when abstracted to their underlying basic shape, and from the values attached to these qualities in different social contexts.«113
Kress/Leeuwen veranschaulichen ihre Aussage mit verschiedenen Beispielen. Der auf dem ersten Wege erreichte Bedeutungsgehalt finde sich etwa bei der Verwendung von Geraden (straight lines). Diese würden in der visuellen Darstellung nun genau das bedeuten, was sie „buchstäblich“ sind: ‘gerade’. Diese ‘Geradlinigkeit’ (straightness) transportiere eine große Anzahl von Bedeutungen, die mit ‘Geradlinigkeit’ verbunden werden (‘straight’ etwa in der Bedeutung von ‘direkt’ oder ‘geordnet’; Anm. C.M.W.). Den zweiten Bedeutungsgehalt beziehen die basalen Formen der visuellen Darstellung laut Kress/Leeuwen aus den symbolischen Bedeutungen, die ihnen in sozialen Kontexten zugeschrieben werden – in dieser Hinsicht könnten dieselben Grundformen in verschiedenen (kulturellen oder sozialen) Kontexten unterschiedlich gelesen werden. Dies gelte nicht nur für die geometrischen Grundformen, sondern auch für den Bedeutungsgehalt, der durch Anordnungsweisen entstehe. »Vertical elongation creates a more pronounced distinction between top and bottom, and hence a bias towards hierarchy, and towards ‘opposition’ generally (what is most important or otherwise dominant goes on top, what is less important or dominant is relegated to the bottom). Horizontal elongation causes a shape to lean towards the kind of structure in which what is positioned on the left is presented as ‘Given’, as information that is already familiar to the reader and serves as a ‘departure point’ for the message, while what is positioned on the right is presented as ‘New’, as information not yet known to the reader, and hence deserving his or her special attention.”114
Die „Erzählung” werde darüber hinaus durch die bereits erwähnten Vektoren geführt. »When participants are connected by a vector, they are represented as doing something to or for each other.«115 Dadurch ließen sich auch erzählende von abstrakten Darstellungen unterscheiden: In erzählenden Abbildungen (narrative structures) ist immer ein Vektor zu finden, in abstrakten Darstellungen (conceptual structures) nie. Vektoren repräsentieren laut Kress/Leeuwen also immer Handlungen und entstehen durch Darstellungen, die wie richtungsangebende Linien im Bild wirken. Diese „Linien“ können von Blicken ausgehen oder durch dargestellte Körperhaltungen, Körperbewegungen oder Geräte in Anwendung entstehen. Der so gebildete Vektor lasse nicht nur die Art der ausgesagten Handlung erkennen, er mache auch deutlich, von wem diese Handlung ausgeht und wem sie „zugefügt“ wird. »When a narrative visual proposition has two participants, one is the Actor, the other the Goal. The Goal is the participant at whom the vector is directed, hence it is also the participant to whom the action is done, or at whom the action is aimed.« 112 Unter geometrischen Formen sind hier nicht nur „reine“ geometrische Formen zu verstehen, sondern auch diejenigen Formen, die sich als Umrisse etwa aus Darstellungen von Menschen oder Dingen ergeben, die aufgrund der gewählten Darstellungsweise (wie bereits beschrieben) als Entitäten wahrgenommen werden. 113 Kress/Leeuwen 1996:54 114 ebd.:55 115 ebd.:56
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Kress und Leeuwen nehmen in den Ausführungen, die diesen grundsätzlichen Feststellungen folgen, eine eingehende und sehr differenzierte Untersuchung der verschiedensten Formen von visuellem „meaning making“ vor, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Im hier zu behandelnden Zusammenhang ist wesentlich, daß auch durch die Ausführungen von Kress und Leeuwen deutlich wird, daß visuelle Darstellungen nur begrenzt vieldeutig sind. Darstellungskonventionen legen „Schreib-“ und „Leseregeln“ für bildhafte Darstellungen fest, die in der Rezeption – und hier ergänzen die Ergebnisse von Kress und Leeuwen die bisher vorgestellten Ansätze – weitgehend unabhängig von thematischen Bildinhalten, umgebenden Kontexten und Darstellungstechniken sinnerschließend Anwendung finden. Laut Gunther Kress und Theo van Leeuwen ergibt sich im visuellen Modus ähnlich wie im verbalen Modus Sinn durch formale Strukturen.
6.6
Zusammenfassung
Den Ausgangspunkt des Kapitels bildete die Frage, worin sich die „Sprache“ der Bilder von der Wortsprache unterscheidet und welche Folgen sich aus Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Funktionsweise der beiden Modi für das methodische Vorgehen bei der Analyse von bildhafter Kommunikation ergeben. Damit schlossen die Betrachtungen an die zuvor präsentierten Ausführungen an, die den Blick darauf richteten, welche Effekte die hohe Bedeutung der visuellen Nachrichtenvermittlung auf das politische System, seine Akteure und seine gesellschaftliche Wahrnehmung und Beurteilung empirisch zeigt. Aus der Wichtigkeit, die der visuellen Kommunikation in modernen Gesellschaften zukommt, ergibt sich, daß „Sprachkompetenz“ durch „Bildkompetenz“ ergänzt werden muß. Für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Bildern bedeutet dies, daß verschiedene Konzepte, die dabei helfen könnten, bildhafte Kommunikation besser zu verstehen, für die methodische Bewältigung konkreter Fragestellungen fruchtbar gemacht werden müssen. Der vorliegenden Arbeit zum Thema ‘visuelle Vermittlung von Politik in Nachrichtenmagazinen’ liegt ein zeichentheoretischer Blickwinkel zugrunde, und es wurde dargelegt, warum diese theoretische Herangehensweise für die Bearbeitung der Fragestellung als gewinnbringend betrachtet wird. In einem ersten Schritt wurde eine nähere Bestimmung des Begriffs ‘Bild’ vorgenommen, um daran anschließend zu klären, inwiefern bildhafte Darstellungen als Zeichen verstanden werden können. Im nächsten Schritt wurden das verbale und das visuelle Zeichensystem einander gegenübergestellt, um anhand dieser Gegenüberstellung zwei zentrale Eigenschaften von Zeichen zu verdeutlichen: Zeichen sind regel- und kontextgebunden. Diese beiden Merkmale von Zeichen sind, wie argumentiert wurde, für die Erschließung ihrer jeweiligen Aussage zentral und bieten somit einen wesentlichen Ansatzpunkt für die wissenschaftliche Analyse von visueller Kommunikation. Damit kommt die Frage in den Blickpunkt, wie das Regelsystem, das in der visuellen Zeichenverwendung seine Anwendung findet, näher beschrieben werden kann und wie die Kontexte, die die Bedeutung von Zeichen näher bestimmen, systematisch erschlossen werden können. Für die Beantwortung
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dieser Fragestellungen wurden verschiedene Zugänge der verstehensorientierten Bildanalyse kurz vorgestellt. Es ergab sich folgendes Bild: Aus den Ausführungen Gerhard C. Rumps wurde deutlich, daß sich die Decodierung von visuellen Zeichen aus dem Zusammenwirken von zwei Normengruppen ergibt: (1) der biologischen und (2) der kulturellen bzw. sozialen. Rump konzentriert sich in seiner Arbeit darauf darzulegen, welche Bedeutung die auf ererbten Strukturen gründenden unmittelbaren Eindrücke für die Bildkommunikation haben, und veranschaulicht, daß Bilder die Gliederung einer Sprache besitzen, die deren Inhalt unserem Verständnis zugänglich macht. Die Methode der Objektiven Hermeneutik stützt sich in ihren grundsätzlichen Annahmen auf die Erkenntnisse verschiedener Disziplinen, die darauf verweisen, daß im sozialen Zusammenleben Regeln erlernt werden, die als latente Sinnstruktur in alle soziale Abläufe und alle Objektivationen des Menschen eingehen. Über diese Regelgeleitetheit allen Handelns kann der „Gehalt“ von Bildern systematisch erschlossen werden. Der Forschende muß allerdings über ein der konkreten Aufgabe angemessenes Alltags- und Fachwissen verfügen, um von diesem ausgehend die „korrekte“ Lesart eines Bildes über die einzelnen in der Methode vorgegebenen Verfahrensschritte freilegen zu können, d.h. er muß die lebensweltlichen Normen kennen, die in das Bild eingeflossen sein können. Auch das vorgestellte ikonologische Verfahren der Bildanalyse geht davon aus, daß ein Bild nicht „an sich“, sondern nur in seinem Verwendungszusammenhang verstanden werden kann. Der Grundgedanke der aus der Kunstgeschichte stammenden Methode des Bildverstehens ist, daß Bilder aus drei verschiedenen „Schichten“ aufgebaut sind, und daß der Gehalt eines Bildes über das systematische „Abarbeiten“ dieser Schichten unter Einsatz bestimmter Wissensbestände freigelegt werden kann. Anhand der Arbeit von Oliver R. Scholz zu der Frage ‘Was heißt es, ein Bild zu verstehen?’ wurde deutlich, daß für das Verständnis von Bildern verschiedene Teilleistungen erbracht werden müssen. Diese können gegeneinander abgegrenzt und als „Stufen des Verstehens“ allgemein beschrieben werden. Scholz legt dar, daß eine bildhafte Darstellung nicht entweder verstanden oder nicht verstanden wird. Bildverstehen sei vielmehr als Aufeinanderfolge von Stufen und Ebenen des Verstehens vorstellbar – darin folgt Scholz den Grundideen der Ikonologie und der Hermeneutik. Besonders interessant an Scholz’ Systematisierung der Teilleistungen, aus denen sich „Bildkompetenz“ zusammensetzt, ist sein Verweis darauf, daß jedes Bild in unterschiedlicher kommunikativer Rolle verwendet werden kann. Diese kommunikative Rolle ergibt sich für Scholz nicht unmittelbar daraus, daß das jeweilige Bild als bildhaftes Zeichen mit seinen jeweiligen denotativen und nicht-denotativen Bezügen verstanden wurde. Und nur, wenn diese Stufe des Bildverstehens sowie die darauf aufbauende Stufe des Erschließens des indirekt Mitgeteilten erklommen wurden, kann ein Bild als umfassend verstanden gelten. Gunther Kress’ und Theo van Leeuwens Theorie der Grammatik der visuellen Gestaltung schließlich verweist auf den kommunikativen Gehalt der formalen Strukturen, die sich in bildhaften Darstellungen zeigen. Diese würden die Basis des Erfassens von Bildaussagen darstellen und unabhängig davon, ob wir auf abstrakte oder gegenständliche, schematische oder naturalistische Abbildungen treffen, als kulturell gelernte „Leseregeln“ allgemeine Gültigkeit haben.
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Aufgrund dieser Ausführungen wurde deutlich, daß die Uneindeutigkeit von Bildkommunikation auf mehreren Ebenen begrenzt wird, da sie auf mehreren beschreibbaren Regelsystemen beruht. Dabei können grundsätzlich die Normengruppen biologisch und sozial/kulturell voneinander unterschieden werden. Die Regeln, die sozial gelernt werden, sind einerseits davon abhängig, welchen Lebenswelten man jeweils zugehörig ist, und andererseits danach zu unterscheiden, zu welcher Verstehensstufe sie uns Zugang geben. Weiters wurde deutlich, daß wir den Gehalt von Bildern nicht nur aus unterschiedlichen Bedeutungsschichten und auf unterschiedlichen Bedeutungsstufen erschließen, wir erschließen ihn auch aus unterschiedlichen Bedeutungsträgern: nicht nur dem konkret Abgebildeten, auch den mit dem Abgebildeten realisierten Anmutungsqualitäten und Formalstrukturen entnehmen wir kommunikativen Gehalt und damit jeweils relativ eindeutige Bedeutung. Im weiteren wird versucht werden, die in den bisherigen Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse für die Analyse der Logik der visuellen Nachrichtenvermittlung in Nachrichtenmagazinen zur Anwendung zu bringen.
7
Schlußfolgerungen für das Verständnis der visuellen Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen
7.1
Einleitung
Bisher wurden verschiedenste theoretische Stränge aufgenommen, um (1) zu klären, in welchem akademischen Zusammenhang die vorliegende Untersuchung steht, und um (2) von verschiedenen Perspektiven aus den Blick auf den Untersuchungsgegenstand zu konkretisieren. Im folgenden Abschnitt wird nun nochmals auf die einzelnen Stränge zurückgegriffen und versucht, sie in Hypothesen zur visuellen Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen zusammenzufassen. Wie bereits mehrmals ausgeführt, ist es das Ziel dieser Arbeit, zum Verständnis von medialer Bildkommunikation beizutragen. Daß Bildverstehen als komplexer Prozeß verstanden werden muß, wenn man ihm gerecht werden will, wurde im letzten Kapitel anhand verschiedener theoretischer und methodischer Überlegungen deutlich. Es erscheint daher sinnvoll für die Zusammenfassung der Faktoren, die für das Verstehen von bildhafter Kommunikation in Nachrichtenmagazinen relevant sein könnten, eine Anordnung auf verschiedenen Ebenen zu versuchen. Eine Möglichkeit dafür bietet das im Abschnitt 6.5.3 vorgestellte Modell von Oliver R. Scholz, denn seine stufenhafte Anordnung der einzelnen Verstehensschritte hält interessante Anhaltspunkte bereit, die helfen können, Erklärungsfaktoren systematisch zu ordnen.1 Dabei kann Scholz’ Modell freilich nur Anhaltspunkte liefern, geht es in ihm doch um die theoretische Benennung von Vorgängen, die bei der Betrachtung einzelner Bilder für deren Verstehen relevant sind, und nicht um eine generelle Theorie des Verstehens von medialer visueller Kommunikation. Trotzdem erscheint eine Umsetzung des Modells auf das hier gewählte Untersuchungsbeispiel im Sinne eines Überblicks gewinnbringend. Anschließend an die an Scholz orientierte Zusammenschau soll auf die Faktoren, die für das Verstehen der visuellen Informationsaufbereitung in Nachrichtenmagazinen besonders relevant erscheinen, nochmals im einzelnen eingegangen werden.
7.2
Thesen zum Verständnis der visuellen Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen – Ein Überblick entlang Scholz’ Modell des Bildverstehens.
An erster Stelle für das Verständnis eines Bildes steht für Oliver R. Scholz, daß bestimmte Bedingungen gegeben sein müssen, die überhaupt eine entsprechende Wahrnehmung des Gegenstandes, der ein Bild sein könnte, ermöglichen. Diese als 1
vgl. Scholz 1998
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7 Schlußfolgerungen für das Verständnis der visuellen Darstellungslogik
‘perzeptives Bildverstehen’ bezeichneten Voraussetzungen, wie geeignete Lichtverhältnisse und hinreichendes Sehvermögen, müssen erfüllt sein, um überhaupt zur nächsten Stufe des Verstehens gelangen zu können – auf sie muß hier nicht näher eingegangen werden. Den zweiten Schritt sieht Scholz im Verstehen des Bildes als Zeichen. Diese Stufe wird für das Verstehen der visuellen Kommunikation in Nachrichtenmagazinen genommen, indem ein zeichentheoretischer Zugang gewählt wurde. Es wurde argumentiert, daß Bilder, sobald sie für Kommunikation eingesetzt werden, Zeichencharakter aufweisen – auf diesem beruht, wie gezeigt wurde, ihr kommunikatives Potential. Und doch ergeben sich hier und im Zusammenhang mit der dritten Verstehensstufe, dem Verstehen eines Bildes als bildhaftes Zeichen, bereits Anhaltspunkte, die auf zu klärende Punkte verweisen. Als besonders wesentlich erscheint es, darauf einzugehen, was genau im Untersuchungskontext als ‘Bild’ oder ‘bildhaftes Zeichen’ verstanden werden kann. Anhand von im Laufe der vorliegenden Arbeit vorgestellten Forschungsarbeiten wurde deutlich, daß Untersuchungen der visuellen Medienkommunikation meist auf fotografische Bilder fokussieren, teilweise werden auch Illustrationen (Karikaturen) zum Gegenstand der Forschung. Dieser Bildbegriff erscheint jedoch für die Untersuchung von Bildkommunikation in Nachrichtenmagazinen überdenkenswert, und zwar vor allem aus drei Gründen: (1) Es wurde gezeigt, daß sowohl visuelle Kommunikation als auch verbale Kommunikation als „kontextual“ gesehen werden muß. Ebenso wie einzelne Worte ihren Sinn aus dem Kontext (Text) beziehen, in dem sie verwendet werden, erhalten auch Bilder ihren Sinn durch ihren Verwendungszusammenhang. In Zeitschriften sind einzelne Bilder über ein bestimmtes ‘Layout’ in eine Seite eingebunden, auf der sich in der Regel noch andere Elemente wie Textblöcke oder andere Bilder finden. Beziehen Zeichen nun ihre Bedeutung aus dem sie umgebenden Kontext, so muß das Verstehen von Bildern, die aus diesem Kontext isoliert wurden, zwangsläufig auf höheren Verstehensstufen Schwierigkeiten bereiten. Auf diesen Umstand gehen die Untersuchenden auch meist ein, indem sie betonen, daß der Untersuchungsgegenstand aus seinem Zusammenhang isoliert wurde und damit eine Sinnverfälschung nicht ausgeschlossen werden könne. Gleichzeitig muß freilich für eine wissenschaftliche Untersuchung eine Reduktion von Komplexität immer in Kauf genommen werden. Punkt eins führt aber zu einem damit unmittelbar in Zusammenhang stehenden Punkt: Es ist (2) davon auszugehen, daß auf seiten der Kommunikatoren ein anderer Bildbegriff zu finden ist, als ihn Untersuchungen zugrunde legen, die einzelne Fotografien untersuchen. Auch dies ist über das bereits angesprochene ‘Layout’ einer Zeitschriftenseite zu verstehen. Denn das Layout, also das Zusammenfügen der einzelnen Elemente, die auf einer Seite bzw. in einem Heft präsentiert werden sollen, wird inzwischen aufgrund der technischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte für alle Zeitschriften mittels Computersystemen erstellt. Diese ermöglichen ein unmittelbares gestalterisches Zusammenfügen von Bild und Text auf den Seitenformaten. Der Unterschied zu früheren Verfahren besteht darin, daß Bildausschnitte, Positionierungen, Farbgebung usf. ohne größeren Aufwand geändert und aufeinander abgestimmt werden können. Damit werden aber die einzelnen Elemente zu Be-
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standteilen einer „Collage“, also eines Bildes. So gesehen ist das Bild, mit dem von seiten des Kommunikators Inhalt vermittelt wird, die Zeitschriften-Doppelseite.2 Dies ist wesentlich, insofern es zu einem weiteren Punkt führt: (3) Bilder sind, wie mit Goodman (1968) argumentiert wurde, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Zeichen eine hohe syntaktische Fülle aufweisen. Zur Veranschaulichung wurde bereits in einem früheren Abschnitt folgende Textstelle zitiert: »Wenn jeder – oder fast jeder – Unterschied in puncto Farbe, Form, Textur etc. einen Unterschied für die Zeichenbewandtnis macht oder machen kann, dann spricht vieles dafür, die fraglichen Gebilde zu den Bildern zu rechnen.«3
Für die Betrachtung einer Doppelseite einer Zeitschrift heißt das, daß es dann sinnvoll ist, sie als Bild zu betrachten, wenn Veränderungen, wie etwa die Positionsänderung einer auf der Seite gezeigten Fotografie, eine Sinnänderung bewirken. Es wird nun im weiteren gezeigt werden, daß von einer solchen Sinnänderung auszugehen ist. Dafür kann beispielsweise auf die bereits vorgestellte Framing-Theorie und die Theorie der Bildgrammatik von Kress und Leeuwen (1996) zurückgegriffen werden. All diese Punkte sollen im weiteren genauer ausgeführt werden. Auf der vierten Stufe von Scholz’ Modell des Bildverstehens wird deutlich, daß die Erweiterung des Bildbegriffs weg vom Einzelbild hin zu der Betrachtung der Gesamtgestaltung weitere Klärungen erfordert.4 Scholz spricht auf dieser vierten Ebene vom Verstehen des Bildinhalts, d.h. es geht darum, das Bildsujet zu erkennen. Einige der vorgestellten Untersuchungen zu visueller Politikvermittlung entnehmen dieser Inhaltsebene relevante Informationen – etwa wenn es darum geht, anhand von bestimmten Bildsujets ‘Schlüsselbilder’ der Politikberichterstattung zu erheben. Bei der definitorischen Klärung der Frage, was genau unter einem Bild zu verstehen ist, wurde erläutert, daß das Bildsujet keinen Abbildcharakter aufweisen muß – Ähnlichkeit wurde als Bildmerkmal verworfen, Bilder wurden vielmehr als ‘Ansichten’ von etwas definiert. Wenn aber bei der Untersuchung der visuellen Politikvermittlung durch Nachrichtenmagazine die einzelne Seitengestaltung als Bild aufgefaßt werden soll, stellt sich die Frage, wovon dieses eine Ansicht liefert. Was stellt die Seitengestaltung als Bild dar? Eine mögliche Antwort auf diese Frage ist – und dies ist zugleich eine zentrale These der vorliegenden Arbeit: Die einzelne Doppelseite eines Nachrichtenmagazins mit den auf ihr angeordneten Elementen stellt nicht primär Politik oder politisches Geschehen dar, sie stellt vielmehr das Medium Nachrichtenmagazin dar. Dies ist zum einen naheliegend und einleuchtend und gleichzeitig doch mit Blick auf den Gewinn, den diese Feststellung für die empirische Untersuchung von visueller Politikvermittlung haben kann, erläuterungsbedürftig. Es wird deshalb in späteren Abschnitten auf diese These unter zwei Aspekten näher
2 3 4
Freilich wurde auch in früheren, nicht digitalen Verfahrensweisen eine Gestaltung der Gesamtseite vorgenommen. Der sogenannte ‘Klebeumbruch’ ermöglicht allerdings aufgrund seiner Arbeitsteiligkeit im Vergleich zum digitalen Umbruch weitaus geringere Gestaltungsmöglichkeiten. Scholz 1998:111 Die Argumentation, daß von seiten der Nachrichtenmagazin-Gestalter Information weniger über einzelne Bilder als vielmehr über Bild- und Elementkombinationen transportiert wird, kann natürlich auch in die Richtung ausgedehnt werden, daß längere Berichte als sogenannte ‘Strecken’ gestaltet werden, einzelne Doppelseiten von diesen also wiederum nur einen Ausschnitt darstellen. Auf diesen Punkt wird im weiteren auch noch näher einzugehen sein.
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7 Schlußfolgerungen für das Verständnis der visuellen Darstellungslogik
eingegangen werden: zum einen unter dem Titel Medienästhetik, zum anderen unter dem Titel visuelle Markenkommunikation. Der Gedanke, der hinter dieser These steht, ist kurz zusammengefaßt der, den der Kommunikationstheoretiker Friedemann Schulz von Thun in seinem Modell der quadratischen Struktur zwischenmenschlicher Kommunikation5 veranschaulicht hat: Jede Nachricht enthält neben einem Sachinhalt auch noch andere Botschaften. Diese hat von Thun in Selbstkundgabe, Appell und Beziehungsdefinition unterteilt. Unterstellt man medialer Kommunikation eine ähnliche Vielschichtigkeit, so eröffnet dies für die Betrachtung visueller Kommunikation zusätzliche Aspekte. Für die vorliegende Untersuchung soll der Gedanke aufgenommen werden. Die visuelle Gestaltung der Nachrichtenmagazine wird unter der Annahme betrachtet, daß die in ihr verwendeten Elemente nicht ausschließlich dazu verwendet werden, eine bestimmte Sicht der politischen Wirklichkeit zu repräsentieren, sondern darüber hinaus – und in noch zu beurteilendem Maße – dazu, den „Charakter“ des Kommunikators im Sinne einer Selbstkundgabe zu vermitteln.6 Dies führt zu Punkt fünf des Scholz’schen Modells: Das Verstehen des denotativen Sachbezugs. Wie bereits erläutert wurde, schließt laut Scholz das Verstehen eines Sujets das Erfassen des Sachbezuges eines Bildes noch nicht ein, und nicht jedes Bild, welches ein erkennbares Thema hat, muß auch einen Sachbezug haben. Dies wurde am Beispiel eines Einhorn-Bildes verdeutlicht. Die Unterscheidung von singulär denotierenden und generell bzw. multipel denotierenden Bildern weist – will man sie auf die hier zu veranschaulichenden Überlegungen übertragen – zurück auf die bereits erwähnten Faktoren ‘Medienästhetik’ und ‘visuelle Markenkommunikation’. D.h., es kann zum einen kommuniziert werden: ‘Das ist ein Nachrichtenmagazin’, zum anderen kann kommuniziert werden: ‘Das ist das Nachrichtenmagazin XY’. Das Verstehen nicht-denotativer Bezüge siedelt Scholz auf Verstehensstufe sechs an. Auf dieser Ebene geht es darum, zu verstehen, welche Prädikate durch eine Darstellung exemplifiziert werden. Diesem Punkt kann man sich für das Verstehen von Nachrichtenmagazin-Bildern von zwei Richtungen nähern: (1) Es ist davon auszugehen, daß das Medium ‘Nachrichtenmagazin’ als Kommunikator verstanden werden will. Wie gezeigt wurde, kann daraus geschlossen werden, daß für die Kommunikation Zeichen eingesetzt werden, die vom Rezipienten verstanden werden. (2) Das Medium ‘Nachrichtenmagazin’ ist über bestimmte Funktionen bzw. Qualitäten definiert. Diese ergeben sich zum einen aus seiner Rolle als Nachrichtenmedium, zum anderen daraus, in welcher Weise das Medium diese Rolle aufgrund seiner spezifischen Merkmale (etwa seines wöchentlichen Erscheinens) auszufüllen vermag. Eine weitere These ist nun, daß sich so bestimmte Prädikate ergeben, die durch die vi5 6
vgl. Schulz von Thun 1985; vgl. dazu auch die Modelle der Funktionen von Sprache von Alan H. Gardiner (1932); Karl Bühler (1934); sowie für einen Überblick zu Jakobson und Bühler: Busse 1975. In diesem Sinne argumentiert auf allgemeiner Ebene auch Andreas Heinrich, wenn er in seinem Artikel Information und Verpackung zum Thema ‘Informationsgestaltung in Medien’ schreibt: »Eine besondere Rolle, die der äußeren Einkleidung zukommt, ist die, daß sie wesentlich für die Beziehung der Kommunikationspartner untereinander verantwortlich ist – sie gestaltet und definiert diese Beziehung. Sie kennzeichnet und vermittelt nicht nur den Absender oder Produzenten einer Information, sie schafft auch die Voraussetzungen für Glaubwürdigkeit, Identifikation, Nähe oder Distanz« (Heinrich 1999:170).
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suelle Gestaltung von Informationen in Nachrichtenmagazinen im Sinne der Selbstkundgabe visuell umgesetzt werden – und zwar, Punkt (1) folgend, auf „allgemein“ verständliche Art und Weise, was in der vorliegenden Arbeit zum Thema ‘Codierung’ zurückführen wird. Der Verstehensstufe sieben – dem Erfassen der kommunikativen Rolle des Bildes – liegt die Überlegung zugrunde, daß man trotz des Verstehens der zuvor genannten Bildbezüge ein Bild mißverstehen kann, wenn nicht erkannt wird, ob mit einer bildhaften Darstellung gewarnt, geworben, verboten usf. werden soll. Und wenn auf Stufe acht nicht erkannt wird, ob die Zeichenhandlung als Fall von Ironie, Metapher, Übertreibung o.ä. zu sehen ist, kann laut Scholz das Verstehen einer bildhaften Darstellung auch auf der letzten Stufe noch scheitern. Dieser Teilschritt des Bildverstehens bedarf – wie die anderen Teilschritte auch – eines bestimmten Wissens: einer Voraussetzung des konkreten Bildverstehens, auf die auch die Theorie der objektiven Hermeneutik sowie die Ikonologie, auf die Scholz seine Theorie des Bildverstehens aufbaut, verweisen. Im folgenden sollen die zentralen Faktoren des Bildverstehens, soweit sie die visuelle Informationsvermittlung durch Nachrichtenmagazine betreffen, umfassender beleuchtet werden. Zentraler Aspekt bleibt dabei immer folgender: Wie gezeigt wurde, erbrachten verschiedene Untersuchungen, daß die visuelle Aufbereitung von Nachrichten unterschiedlichste Folgen auf die Rezeption von Politik zeigt. Gleichzeitig wird bildhafte Nachrichtenvermittlung in weit geringerem Ausmaß als verbale Vermittlung bestimmten journalistischen Maßstäben unterworfen. Dies auch, weil es an solchen Maßstäben für Bildkommunikation fehlt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nun nicht, Maßstäbe für die Qualität visueller Berichterstattung zu entwickeln. Es wird vielmehr davon ausgegangen, daß die Beleuchtung von Aspekten, die bisher in der akademischen Auseinandersetzung wenig Berücksichtigung erfahren haben, zur Erweiterung eines „kritischen Potentials“ beitragen kann. Dieses kann wiederum in Qualitätsüberlegungen münden. Bei näherer Betrachtung scheint ein Widerspruch vorzuliegen, wenn in der vorliegenden Arbeit einerseits argumentiert wird, daß bildhafte Kommunikation deshalb gegeben ist – und zeichentheoretisch analysiert werden kann –, weil sie auf Regeln beruht, die allen am Kommunikationsprozeß Beteiligten geläufig sind. Gleichzeitig wird aufgezeigt, daß ein bedeutender Mangel an „Zeichenkompetenz“ festzustellen ist, und das Ziel formuliert, zu deren Erweiterung beizutragen. Klärend für diese scheinbare Diskrepanz kann ein neuerlicher Rückgriff auf den Vergleich von Bildsprache und Wortsprache sein: Für die Beschreibung von Fremdsprachenkompetenz ist es geläufig, eine Unterscheidung zwischen „aktivem“ und „passivem“ Wortschatz zu treffen, und dieses Bild liegt einer weiteren These der vorliegenden Arbeit zugrunde: Es gilt, zwischen aktiv und passiv „Bildkompetenten“ zu unterscheiden. Dabei kann genausowenig von einer Bildsprache ausgegangen werden, wie von einer Wortsprache ausgegangen wird. Diese Differenzierung findet sich auch in der bereits zitierten Feststellung von Marion Müller, die davon spricht, daß es nicht eine, sondern viele Ikonografien gibt. Deshalb kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß es eine Bildkompetenz „an sich“ gibt. Das Verständnis von visueller Kom-
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munikation kann konkret nur jeweils für einzelne Verwendungsbereiche verbessert werden. Ein Schritt in diese Richtung ist der Versuch, den „Wortschatz“ und die „grammatikalischen Regeln“ der Bildsprache der Nachrichtenmagazine zu beleuchten. Dabei nimmt die vorliegende Arbeit die Idee einer bereits vorgestellten Untersuchung von Hans Mathias Kepplinger auf.7 Kepplinger ermittelte für die erwähnte Studie mit einer Befragung unter Kameramännern, mit welchen Stilmitteln sich eine optische Kommentierung erreichen läßt. Das Resultat war, wie bereits ausgeführt wurde, daß nach Ansicht der Kameramänner eine Aufnahme aus der Vogelperspektive oder auch eine Aufnahme aus der extremen Untersicht, der Froschperspektive, die abgebildete Person weniger vorteilhaft erscheinen läßt als eine Aufnahme aus Augenhöhe. Diese durch eine Expertenbefragung gewonnene Erkenntnis fand über die Studie Kepplingers hinaus Einzug in zahlreiche Untersuchungen. Laut Thomas Petersen wurde nun dieser vielversprechende Ansatz Kepplingers, durch eine Erhebung von Praktikerwissen Bildmerkmale zu sammeln, um sie später in weiterführenden Untersuchungen zur Anwendung bzw. Überprüfung bringen zu können, zu wenig weiterverfolgt.8 Die vorliegende Arbeit nimmt Kepplingers Ansatz auf, indem sie ebenfalls davon ausgeht, daß Praktiker über einen „aktiven Wortschatz“ verfügen, der von den Rezipienten zwar verstanden wird, gleichzeitig können diese aber vielfach nicht benennen, wie oder woraus genau sie den Sinn der Nachricht erschlossen haben. Auch dieser Punkt wird im folgenden näher ausgeführt werden.
7.3
‘Kontext’ als Ansatzpunkt empirischer Bildforschung
Wie bereits im vorangestellten Abschnitt angesprochen wurde, ist es ein zentrales Anliegen dieser Arbeit, den Blick der politikwissenschaftlichen Forschung zu visueller Kommunikation von einzelnen Bildern/Fotografien auf den Verwendungskontext dieser Darstellungen zu lenken. Denn aus zeichentheoretischer Perspektive ist den Zeichen ihre Bedeutung nie inhärent, sondern sie wird ihnen erst durch den Zeichennutzer aufgeprägt; die Isolierung eines Zeichens aus seinem Verwendungskontext kann deshalb zu bedeutsamen Mißverständnissen bei der Bedeutungsinterpretation führen. Dies verdeutlichte Ernst Cassirer an einem Beispiel: den möglichen Interpretationen einer mit Graphitstift gezogenen Linie. Martina Plümacher bezieht 7 8
vgl. Kepplinger 1980; 1987 vgl. Petersen 2001:161; Petersen greift Kepplingers Erkenntnisse auf, um sie durch sogenannte SplitBallot-Experimente (auch: Feldexperimente) auf ihre tatsächlichen Effekte bei Rezipienten zu überprüfen. Petersen testet auch andere Annahmen über Bildwirkungen und schlägt im Zusammenhang der Vorstellung der Ergebnisse seiner Untersuchungen ein breit angelegtes Forschungsprogramm zur Erforschung der Wirkung einzelner Bildelemente vor: »[...] Dies ist also das methodische Vorgehen zur Erforschung von Bildsignalen, das sich für die Medienwirkungsforschung als hilfreich erweisen könnte. Es besteht aus drei Schritten. 1. Definition von einzelnen, leicht erkennbaren Bildsignalen unter der Zuhilfenahme der Forschungsergebnisse benachbarter Disziplinen wie der Psychologie und der Verhaltensbiologie. [...] 2. Überprüfung der Reaktionen auf diese Bildsignale mit Feldexperimenten [...] 3. Aufnahme der Kategorien, die sich als wirkungsvoll erwiesen haben, in Codebücher zur Medieninhaltsanalyse. Es ist denkbar, daß die Korrelationen zwischen dem so erfaßten Medieninhalt und der Bevölkerungsmeinung noch stärker sein werden als die jetzt schon imposanten Korrelationen zwischen den Ergebnissen von Text-Inhaltsanalysen und der Bevölkerungsmeinung« (ebd.:172f.).
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sich auf Cassirers Beispiel und führt aus, daß die Form dieses Linienzugs z.B. als Ornament betrachtet werden könne, wobei unter Umständen nicht nur ihre Symmetrie in den Blick genommen würde, sondern die Zeichnung als Repräsentation eines bestimmten Ornamenttyps. In einem anderen Symbolhorizont würde dieselbe Linie vielleicht als mystisches Wahrzeichen begriffen. Es gibt aber noch zahlreiche andere Interpretationsmöglichkeiten: »Gegenstand der Aufmerksamkeit können in einer wiederum anderen Blickrichtung die „Dynamik“ der Linie im Raum und der Abdruck des Graphits als Spur von Schwung und Kraft des Zeichenakts sein. Unter Umständen ist es möglich, daß dieselbe Linie als – vielleicht grobe – Zeichnung einer mathematischen Funktion oder Abbildung im Kontext einer geometrischen Beweisführung fungiert.«9
Wesentlich ist, und darauf weist Cassirer in diesem Zusammenhang hin, daß der Perspektivenwechsel sich als relevant für die interpretierten Phänomene selbst erweisen kann. Denn soweit die Zeichnung in einem mathematischen Kontext betrachtet werde, würden andere Phänomene (wie beispielsweise die Abschürfung des Graphits) übersehen.10 Und so zeige sich, daß Zeichen stets durch eine bestimmte Perspektive der Sicht, einen Handlungs- und Gebrauchskontext geprägt und insofern einem Symbolsystem und Wissenskomplex eingegliedert seien.11 In der Medienforschung wird die Problematik, die durch diesen Umstand für das Verständnis von Bildern aufgeworfen wird, besonders in der Dokumentation der entscheidenden Bedeutung von Bildtexten für die Rezeption von Fotografien deutlich. Erich Straßner veranschaulicht die Inhaltsänderungen, die ein Pressebild durch die ihm beigestellten Textzeilen erfahren kann: »Insgesamt kann die Bildaussage durch den Text ergänzt, damit aussagekräftiger und wahrer werden. Sie kann aber auch eingeengt oder gar verfälscht werden. Ein gravierendes Beispiel ist das Bild von der Schauspielerin Ida Ehre, Direktorin der Hamburger Kammerspiele. Es erschien am 11.11.1988 auf Seite 1 der Frankfurter Rundschau und zeigte Ida Ehre, den gesenkten Kopf in die Hände gestützt und anscheinend fassungslos über die Gedenkrede des Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger am 10. November vor dem Deutschen Bundestag zum 50. Jahrestag der faschistischen Pogromnacht. Ida Ehre hatte vor der Rede Paul Celans Gedicht Todesfuge vorgetragen. Die Frankfurter Rundschau schrieb zum Bild: „ENTSETZEN über die Rede von Bundestagspräsident Philipp Jenninger. Ida Ehre [...] schlägt die Hände vor das Gesicht. Sie ist eine der wenigen Jüdinnen, die den Nazi-Terror in Deutschland überlebten“. Nach eigener Aussage hatte Frau Ehre aber von der im Bundestagsplenum und in der Öffentlichkeit Anstoß erregenden Rede Jenningers nichts mitbekommen, da sie von ihrem Gedichtvortrag so aufgewühlt war, daß sie nur noch weinte.«12
In welcher Form der Untertitel einer Fotografie die Interpretation dieses Bildes beeinflußt, untersuchte etwa Jean S. Kerrick in einer Studie von 1959, die Hans Mathias Kepplinger in seiner Untersuchung zur Asymmetrie der Foto- und Textrezeption zitiert. Als Testmaterial stellte Kerrick zwei Mappen mit je fünf Illustrierten-Fotos zusammen. Zu den einzelnen Bildern verfaßte die Autorin der Studie jeweils eine positive und eine negative Bildunterschrift. So charakterisierten die Bildunterschriften zu einer Darstellung eines impressionistischen Kunstwerks dieses einmal als 9 Plümacher 1998:51 10 Ähnliches findet sich, bezogen auf die Interpretation von Kunstwerken, bei E.H. Gombrich, der formuliert: »Denn jegliche ikonologische Untersuchung hängt von unserer vorhergehenden Überzeugung ab, wonach wir Ausschau halten wollen« (Gombrich 1972:7, zitiert nach Mannings 1979:441). 11 vgl. Plümacher 1998:51, mit Verweis auf Cassirer 1994:232 12 Straßner 2002:25
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Werk Claude Monets oder als Schmiererei eines Schimpansen. Die so kommentierten Bilder wurden in unterschiedlichen Zusammenstellungen 50 Versuchspersonen vorgelegt, die mithilfe eines Semantischen Differenzials ihre Interpretationen der Fotos, der Bildunterschriften sowie der Foto-Text-Kombinationen wiedergaben. Das Ergebnis zeigte, daß die Bildunterschriften die Interpretation der Fotos veränderten. Diese Veränderungen betrafen vor allem die Bewertung der dargestellten Sachverhalte und weniger den Eindruck von Kraft und Aktivität, den sie vermittelten. Die Fotos veränderten darüber hinaus die Interpretation der Bildunterschriften. Diese Veränderungen betrafen vor allem den Eindruck von Kraft, den sie vermittelten, in geringerem Maße die Bewertung der dargestellten Sachverhalte und damit ihre Tendenz. Als Drittes zeigte sich, daß die Richtung der Veränderung von den Urteilen über die einzelnen Fotos und Bildunterschriften abhing: Lagen die Urteile über die Fotos und Bildunterschriften in der gleichen Richtung, verstärkte sich dieser Eindruck bei der Kombination. Wurden die Fotos und Bildunterschriften jedoch einzeln divergierend beurteilt, bildeten sich bei der Kombination mittlere Urteile, die zwischen den ursprünglichen Extremen lagen. Interessant ist, daß es den Forschern gelang, die Interpretationen der Bild-Text-Kombinationen theoriegeleitet vorauszusagen, wenn die Interpretationen der Fotos und Bildunterschriften bekannt waren. Für die Forscher ergab sich aus den Ergebnissen ihre Untersuchung, daß Fotos vor allem den Eindruck von Dynamik und Kraft von Bildunterschriften beeinflussen, während Bildunterschriften vor allem die Bewertung von Personen und Sachen steuern, die auf Fotografien abgebildet sind.13 Wolfgang Preisendanz unterscheidet zwei Arten von Bildtext: den denotativen Bildtext und den signifikanten Bildtext, wobei der denotative Text das Abgebildete benennt oder zumindest auf dieses schließen läßt; der signifikante Text hingegen legt bestimmte Konnotationen nahe. Laut Preisendanz wolle dieser Bilduntertitel dem Foto eine bestimmte Bedeutung zulegen, und damit laufe er auf eine Reduzierung der Anschauung oder ein Gängeln der Wahrnehmung hinaus.14 Erich Straßner meint zu Bilderläuterungen von Pressebildern, daß diese nicht den Sinn ikonischer Bildinhalte dechiffrierten, sondern versuchten diesen auszudeuten. Durch Bildtexte würden Bilder von Produzenten auf Wege gebracht, die von diesen vorgedacht seien und die von den Betrachtern wieder durch ähnlich gelagerte Denkprozesse nachvollzogen würden. Texte und Bilder könnten generell als Interpretationskontext für das jeweils andere dienen. Und so würden sie insgesamt zum Verständnis des Text-Bild-Angebots gesteigert beitragen.15 Darüber, daß der Bildtext für die Rezeption und die Sinninterpretation von fotografischen Bildern entscheidend ist, besteht weitgehend Einigkeit, auch wenn die genauen Wirkzusammenhänge trotz interessanter Einzelbefunde als weitgehend unbeforscht gelten müssen.16 Bildtexte sind als Interpretationsangebot zu verstehen. Allerdings als ein „Angebot“, dem sich mancher Rezipient nicht entziehen kann, da es sich nicht als solches zu erkennen gibt, sondern durch seine direkte Verknüpfung 13 14 15 16
vgl. Jean S. Karrick (1959), zitiert nach Kepplinger 1987:268f. vgl. Preisendanz 1971:3f. vgl. Straßner 1002:19f. vgl. Rutschky 1993
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mit der bildhaften Darstellung, der es beigefügt wurde, einen gewissen Geltungsanspruch erhebt.17 In der vorliegenden Arbeit wird nun davon ausgegangen, daß einem (etwa in einem Nachrichtenmagazin veröffentlichten) Pressebild neben dem Bildtext noch weitere Interpretationsangebote zur Seite gestellt werden. Diese sind genauso wie Bildtexte als von bestimmten Intentionen getragen zu sehen. Die Grafik-Designer Peter Bonnici und Linda Proud erläutern dies in ihrem Anleitungsbuch für visuelle Gestalter Designing with Photographs folgendermaßen: »An image is rarely used on its own and does not have to remain ‘raw’. Once it is put into the context of grid, type, space, colour, etc., the whole will convey the required quality. The image is but one element of the visual language.«18
Und im selben Zusammenhang führen die Autoren aus: »Image, tone, colour, type, shape, size, proportion, position, juxtaposition... these are some of the elements that make the visual language. The visual language is the ‘tone of the voice’ of the message. As when in answer to: ‘How are you?’ we get back ‘I’m okay,’ spoken in a gloomy voice, we believe the tone and not the words, so too with the visual language – people believe the tone!«19
Dieser Vergleich zwischen der Art der Präsentation von Wortsprache und Bildsprache als Anmutung, die uns unabhängig vom tatsächlich gesprochenen oder visualisierten Inhalt eine bestimmte Botschaft übermittelt, die die „eigentliche“ Nachricht auch übertönen kann, erscheint einleuchtend. Die Art der Bild- bzw. Textpräsentation legt die Leseart fest, in der das für die Kommunikation Aufbereitete wahrgenommen werden will. Noch mehr als für die alltägliche zwischenmenschliche Kommunikation gilt dies heute für Mediennachrichten. Denn hier kann von einer hochentwickelten Professionalität in der Informationsaufbereitung ausgegangen werden, auf die im folgenden noch einzugehen sein wird. Klaus Sachs-Hombach und Klaus Rehkämper weisen aus theoretischer Sicht darauf hin, daß innerhalb des Feldes der bildhaften Darstellung nicht nur die Fotografie an sich als Zeichen zu interpretieren ist. Vielmehr sei auch das Layout oder die Kalligraphie zeichenhaft zu sehen, denn in diesen Bereichen der visuellen Ausgestaltung würden – oft in verblüffend einfacher Weise, wie die Autoren betonen – interne Ordnungen geschaffen, in denen der Rezipient z.B. verschiedene Einträge intuitiv als Einheit erkennen oder in bestimmter Weise einander zuordnen und entsprechend interpretieren würde. Für ein angemessenes Verständnis bildhafter Darstellung wäre es deshalb notwendig, die spezifischen Formen des Bildaufbaus, der Kontext- und Funktionsbestimmungen und der Bedeutungsbildung zu analysieren, und dies sowohl hinsichtlich der Produktion als auch hinsichtlich der Rezeption.20 Sachs-Hombachs und Rehkämpers Auffassung stimmt insofern mit der bereits dargestellten Auffassung von Kress und van Leeuwen überein, als auch sie davon ausgehen, daß es bildspezifische Regeln für die Konstruktion von Bedeutung gibt. Sachs-Hombach und Rehkämper dürften allerdings Kress und van Leeuwens umfangreiche Bearbei17 vgl. dazu die interessante Betrachtung von Bildunterschriften im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel aus dem Jahr 1972 von Edzard Krückeberg, in der der Autor die Problematik der Bild-TextMontage aus der Perspektive der Tradition der Emblemik des 16. und 17. Jahrhunderts analysiert (vgl. Krückeberg 1979). 18 Bonnici/Proud 1998:12 19 vgl. ebd. 20 vgl. Sachs-Hombach/Rehkämper 1998:121
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tung der Thematik unter dem Titel The Grammar of Visual Design bei der Abfassung ihrer Analyse nicht gekannt haben, denn sie attestieren ein durchgängiges Defizit an Forschungsarbeiten zu dieser Thematik: »Die Sinnhaftigkeit einer Analyse der syntaktischen Ebene, in der es um eine Bildgrammatik geht, ist weder in Kunstwissenschaft noch in Psychologie kontrovers, wenn die konkrete Ausarbeitung einer Bildsyntax auch noch aussteht.«21
In diesem Zusammenhang soll nochmals betont werden, daß nur in begrenztem Maße von der Bildsprache gesprochen werden kann. Es scheint vielmehr sinnvoll sich zu vergegenwärtigen, daß sich auf der Ebene der visuellen Kommunikation genauso wie auf der Ebene der verbalen Kommunikation sehr verschiedene „Sprachen“ oder „Dialekte“ finden lassen. Diese werden – auch hier eine Parallele zur Wortsprache – entweder in ihrem jeweiligen Verwendungszusammenhang in direkter Konfrontation oder aber anhand deskriptiver Anleitungen erlernt. Diese Form der Aneignung bedeutet, daß dem Sprachvermögen ein eingehender Reflexionsprozeß vorausgeht. Dieser muß jedoch nicht von jedem Lernenden in vollem Umfang selbst erbracht werden – er findet seinen Eingang in die anleitende Sprachbeschreibung. Für den Bereich der visuellen Medienkommunikation ist die Annahme von unterschiedlichen „Bildsprachendialekten“ leicht nachvollziehbar, steht doch jedem Medium ein unterschiedliches Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung. Man stelle sich etwa vor, man würde es unternehmen wollen, über verschiedene Medien eine bestimmte Nachricht zu verbreiten. Wäre nun die Information darüber, wie diese Nachricht zu „lesen“ ist, beispielsweise ‘zur Unterhaltung’ oder ‘mit hoher Dringlichkeit’, so könnte je nach Medium aus einem bestimmten Arsenal an formalen Instrumenten gewählt werden, um diese „Leseanleitung“ der Information beizustellen: Für das Hörmedium Radio beispielsweise der Tonfall des Sprechers und die Art der verwendeten Begleitmusik; für die Medien Film und TV zusätzlich zu den Tonelementen etwa die Wahl der Bilder und die Schnittfrequenz; für Printmedien ebenfalls die Wahl der Bilder sowie die Wahl der visuellen Ausgestaltung des bereits angesprochenen Layouts etc. Durch diese Auswahl werden die zu vermittelnden Informationen entsprechend der Intention des Kommunikators „gerahmt“.22 Die Möglichkeiten, die dem jeweiligen Medium für diese Ausgestaltung
21 vgl. ebd.; interessant ist auch, wie die Autoren mit ihrer Zusammenschau des wissenschaftlichen Diskurses zu hier bereits behandelten Zusammenhängen fortfahren: »Die pragmatische Ebene, in der die möglichen Funktionen bildhafter Darstellung und ihr Einsatz in verschiedenen Handlungskontexten behandelt werden, ist ebenfalls nicht strittig. Diskussionen gibt es zur Zeit vor allem um die Frage, ob bildhafte Darstellungen sich von sprachlichen Darstellungen auch auf der semantischen Ebene unterscheiden lassen. Hier vertrat die traditionelle Theorie die Ansicht, daß die bildliche Bedeutung durch eine Ähnlichkeitsbeziehung konstituiert wird, während modernere Theorien nicht nur die Brauchbarkeit des Ähnlichkeitskriteriums, sondern oft eine bildspezifische Semantik generell in Frage stellen« (Sachs-Hombach/Rehkämper 1998:121). Wie der traditionelle – auf Ähnlichkeitsbeziehung beruhende – Bildbegriff argumentativ in einen „modernen“ Bildbegriff überführt werden kann, wurde hier, soweit für die zu behandelnde Fragestellung relevant, bereits ausgeführt. Wie gezeigt wurde, liegt diesem neuen Bildbegriff eine erweiterte Auslegung des Begriffs ‘Ansicht’ zugrunde. 22 Dies wurde im Abschnitt 3.3 ausführlich dargestellt, wobei Frames ganz allgemein als Interpretationsmuster definiert wurden, die helfen, Informationen sinnvoll einzuordnen und effizient zu verarbeiten. In dieser Rolle strukturieren Frames die Beurteilung von Sachverhalten, indem sie bestimmte Aspekte in den Vordergrund rücken und andere vernachlässigen (vgl. Scheufele 2001:144). Dies
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zur Verfügung stehen, bilden seinen Formenschatz, mit dem nach bestimmten Mustern verfahren werden kann, um unterschiedlichen Ausdruck und Sinn zu vermitteln. Dieser Formenschatz sowie die musterhaften Variationsmöglichkeiten, mit ihm zu verfahren, ergeben sich aus verschiedenen Komponenten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem jeweiligen Medium stehen, etwa dem Stand der technischen Möglichkeiten, die im Rahmen des Mediums zum Einsatz gelangen. So entwickeln sich innerhalb der grundsätzlichen Ausdrucksform „Bildsprache“ unterschiedliche Sprachen oder eben „Dialekte“. Ferdinand Fellmann betont den Zusammenhang einzelner spezifischer Ausdrucksformen und ihrer grundsätzlichen Eingegliedertheit in ein Ausdrucks- (oder Zeichen-)System. Fellmann bezeichnet seine Bildtheorie als „semiotischen Realismus“, da er davon ausgeht, daß jedes Bild zum einen Zeichencharakter aufweist und so Darstellungskonventionen unterliegen muß, bildhafte Darstellungen aber zum andern in spezieller Weise einem bestimmten Zeichensystem zuzurechnen sind. »Mein semiotischer Realismus hat mit dem Einwand zu rechnen, daß zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Kulturen verschiedene Arten von Bildern hergestellt und auf verschiedene Weise gesehen werden. Dieser Einwand bezieht sich auf die nicht zu leugnende Vielfalt in den Stilen der Darstellung, die aber keineswegs auf Verschiedenheiten in der Art und Weise, die Welt zu sehen oder gar zu erzeugen, schließen läßt [...] Natürlich akzentuiere ich andere Dinge, je nachdem, ob ich ein Bild zur religiösen Erbauung, zur Belehrung oder zur Wiedererkennung herstelle. Die Verschiedenheit der Zwecke und der daraus resultierenden Stile ändert aber nichts an der fundamentalen Einheit der Bildsyntax, die alle Bildarten miteinander verbindet und von anderen Zeichensystemen unterscheidet. Eine Bestätigung dafür liefert der heutige Pluralismus der Zwecke und Stile der Bilderzeugung, der die angeblich inkommensurablen Weisen der Welterzeugung auf den trivialen Sachverhalt reduziert, daß dem einen in der Welt etwas anderes wichtiger erscheint als dem anderen.«23
Auch bei Susanne Starks Untersuchung der visuellen Aufbereitung von Informationen in Zeitschriften findet sich der Gedanke der Vielfalt der Ausdrucksstile, wenn sie – wie bereits zitiert wurde – feststellt, daß Kommunikation, wenn sie die Arena der Massenkommunikation betritt, maßgeblich durch das für den Kommunikationsprozeß gewählte Medium geprägt wird. Diese besondere Prägung nennt Stark Medienstil.24 Der Medienstil, der im Gegensatz zum inhaltlichen ‘Was’ das formale ‘Wie’ beschreibt, setzt sich, wie erwähnt, aus zahlreichen Komponenten zusammen. Sollen diese nun aufgrund ihrer Wichtigkeit als visueller Kontext in eine Untersuchung von visueller medialer Informationsvermittlung in eine Untersuchung aufgenommen werden, so müssen die Wesensmerkmale dieser Komponenten und ihr funktionales Zusammenspiel erkannt und erfaßt werden – folgt man dem bisher Ausgeführten, so muß dies sinnvollerweise unter Berücksichtigung verschiedener Zusammenhänge erfolgen. So wurde gezeigt, daß es eine Ebene gibt, die für jede Vermittlung von Information im visuellen Modus grundlegend ist, eben deshalb, weil Bildsprache als spezielles Zeichensystem beschreibbar ist und als solches über ein zwar begrenztes, aber variantenreiches Ausdrucksrepertoire verfügt. Für das hier zu untersuchende Printmedium ‘Zeitschrift’ ergibt sich daraus ein ‘Formenschatz’, der aus den grundsätzlikann nun sowohl durch inhaltliche als auch durch formale Mittel, auf visueller Ebene ebenso wie auf verbaler Ebene erreicht werden. 23 Fellmann 1998:189f. 24 vgl. Stark 1992:4
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chen Möglichkeiten der visuellen Gestaltung Form, Farbe und Position hervorgeht. Es wurde weiters ausgeführt, daß der Formenschatz der visuellen Gestaltung davon abhängt, über welches Medium eine bestimmte Information kommuniziert werden soll. Damit ergeben sich für das Mediengenre ‘Zeitschrift’ aufgrund seiner speziellen Beschaffenheit als Printmedium die ‘Werkstoffe’ Foto, Typographie und Grafik. Das funktionale Zusammenspiel dieser Komponenten, also das Regelsystem, nach dem die genannten Komponenten miteinander zu sinnhaften Einheiten verknüpft werden können, leiten sich nun zum Teil aus den erstgenannten Punkten ab: Wie gezeigt wurde, kann sich kein visuelles Zeichen bestimmten Lesarten entziehen, womit jegliche Typographie bzw. Fotografie bzw. Grafik, um als solche gelten zu können, dem jeweiligen Zeichentypus entsprechend verwendet werden muß. Dies schließt bestimmte Einsatzweisen aus: Beispielsweise würde ein Text bei einer bestimmten Form von Präsentation nicht als Text, sondern als Dekor „gelesen“. Zum anderen Teil besteht dieses Regelsystem aus Kommunikationskonventionen, die sich (1) aus seiner Spezifizierung als spezielles Medium ergeben (so ist ein Nachrichtenmagazin eine Zeitschrift und als Zeitschrift ein Printmedium) und sich (2) daraus ableiten, welche kommunikativen Inhalte visuell vermittelt werden sollen. Denn für jeden zu transportierenden Inhalt stehen einem Printmedium zwar die Elemente Typographie, Fotografie und Grafik zur Verfügung, die wiederum in punkto Farbigkeit, Form und Position variantenreich ausgestaltet werden können,25 welche Variationen aber realisiert und in welcher Bandbreite diese differenziert eingesetzt werden können, wird durch die Kommunikations-Intention, also durch den zu kommunizierenden Inhalt, festgelegt. Damit wird nochmals der Punkt ‘Codierung’ angesprochen, ein Themenbereich, dem sich der folgende Abschnitt ausführlich zuwendet.
7.4
‘Codierung’ als Ansatzpunkt empirischer Bildforschung
Laut Elisabeth Noelle-Neumann besteht das Wesen des Kommunikationsprozesses darin, daß ein Bewußtseinsinhalt zunächst vom Kommunikator verschlüsselt und dann vom Rezipienten wieder entschlüsselt wird,26 und Kurt Reumann unterstreicht, daß diese Verschlüsselung innerhalb medialer Kommunikation nicht nur sprachlich vollzogen wird, sondern in zunehmendem Maße technisch komplizierte optische und 25 Es können auch andere Dimensionen visueller Gestaltung benannt werden, etwa Kontrast oder Dynamik. Diese können aber auf die genannten Dimensionen reduziert werden – so wird beispielsweise kontrasthafte oder dynamische Gestaltung durch einen bestimmten Einsatz von Farbe und/oder Positionierung und/oder Form bei der Ausgestaltung von Typographie, Fotografie und Grafik und deren Kombinationen erreicht. Uwe Göbel nennt als grundsätzliche Elemente der Printmediengestaltung Typographie, Raster und Abbildungen, vernachlässigt dabei aber die wesentlichen Ausdrucksmöglichkeiten, die dem Gestalter anhand von Formgebung (etwa der Wahl des Bildausschnittes bzw. der Wahl des Bildformates) und Farbgebung (etwa Wahl zwischen Schwarzweiß- und Farbabbildungen) offenstehen (vgl. Göbel 2002:219). Stark nennt als grundsätzliche Komponenten der Printmediengestaltung Schrift, Bild und Farbe und beschreibt deren Verwendungsmöglichkeiten: »Die Darstellungsmöglichkeiten im Print beschränken sich auf den Einsatz der Schrift, mit unterschiedlichen Schrifttypen und -größen, auf den Einsatz von Bildern und auf den Farbeinsatz. Aus der Gesamtzusammensetzung dieser Komponenten ergibt sich eine makrotypographische Struktur, das GesamtLayout« (Stark 1992:14). 26 vgl. Noelle-Neumann 1999c:270
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akustische Zeichensysteme zur Codierung und Gestaltung publizistischer Aussagen eingesetzt werden.27 Die Wahl der Zeichen im Prozeß der Nachrichtencodierung ist äußerst bedeutungsvoll, da mit der zweimaligen Umwandlung einer Mitteilung stets das Risiko eines Inhaltsverlustes und einer Bedeutungsveränderung verbunden ist.28 Die inhaltliche Veränderung der Botschaft durch die Wahl ihrer Codierung kann dabei unabsichtlich vor sich gehen – also im engsten Sinne ein Mißverständnis sein –, sie kann aber auch absichtsvoll geschehen. Wesentlich ist, daß bei diesem Prozeß der Codierung nicht nur die Wahl des jeweiligen einzelnen Zeichens, sondern auch die Wahl der Verknüpfung der Zeichen untereinander zum Sinnträger – also zum Code – wird. Gunther Kress und Theo van Leeuwen verdeutlichen dies an einem (wortsprachlichen) Beispiel, das von Tony Trew untersucht wurde: »Tony Trew [...] has described how, when the Harare police, in what was in 1975 still Rhodesia, fired into a crowd of unarmed people and shot thirteen of them, The Rhodesia Herold wrote ‘A political clash has led to death and injury’ while the Tanzanian Daily News wrote ‘Rhodesia’s white supremacist police ... opened fire and killed thirteen unarmed Africans’. In other words, the political views of newspapers are not only encoded through different vocabularies (of the well-known ‘terrorist’ vs. ‘freedom fighter’ type), but also through different grammatical structures, that is, through the choice between coding an event as a noun (‘death’, ‘injury’) or a verb (‘kill’) which, for its grammatical completion requires an active subject (‘police’) and an object (‘unarmed Africans’).«29
In diesem Beispiel zeigen Kress und Leeuwen zwei verschiedene Verschlüsselungsebenen der sprachlichen Informationscodierung auf: einerseits die Wahl des Vokabulars für die Kommunikation einer Botschaft, andererseits die Wahl einer bestimmten Verknüpfungsform.30 Auf beiden Ebenen wird durch die Wahl der Darstellungsform der Nachricht eine Auslegung beigefügt – sie wird durch ihre Übersetzung in jeweils bestimmte Zeichen eines Zeichensystems mit Bedeutung versehen. So wird nachvollziehbar, daß Tom Streeter ‘Codes’ als maps of meaning sowie systems that people use to interpret their own and others’ behaviour definiert. Codes glichen damit den Phänomenen, die in anderen (nicht zeichentheoretisch argumentierenden) Zusammenhängen Frames oder Schemas genannt würden.31 Wie diese sind Codes kulturell geprägt und müssen, damit sie verstanden und angewandt werden können, erlernt werden. Dies gilt auch für die Codes der medialen Kommunikation. Katie Harris zeigt dies am Beispiel TV auf. Um Fernsehen verstehen zu können, müsse laut Harris erst seine Sprache gelernt werden. Dies geschehe im Kindesalter vergleichbar mit dem Lernen der Interpretation von sozialen Situationen.32 Paul Carter geht von denselben Annahmen aus wie Harris, veranschaulicht 27 vgl. Reumann 1999:92 28 vgl. Noelle-Neumann 1999c:270 29 Kress/Leeuwen 1996:2, unter Rückgriff auf eine Arbeit von Tony Trew aus dem Jahr 1979 im Band Language and Control, herausgegeben von Fowler et al. 30 Mit Umberto Eco formuliert findet sich der Begriff ‘Code’ in diesem Beispiel in seinen beiden Dimensionen veranschaulicht: als System von syntaktischen Regeln und als System von semantischen Regeln (vgl. Eco 2002:57ff.). Hier wird auch deutlich, welche Überschneidungen die gewählten Begriffe ‘Kontext’ und ‘Code’ aufweisen – jeder Kontext ist für die Zeicheninterpretation insofern von Bedeutung, als er wiederum einen Code darstellt. Im Sinne der Analyse erscheint es jedoch sinnvoll, die Begriffe voneinander zu trennen. 31 vgl. Streeter 2003:[www] 32 vgl. Harris 2003:[www]; siehe dazu auch Sol Worths Artikel The Development of a Semiotic of Film (vgl. Worth 1969).
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den Gedanken aber an einem Beispiel, das sich auf das „Decodieren“ von fotografischen Botschaften bezieht: »The shot size used in a photograph is one of the most obvious codes inherent in the image. Basically, the size of the shot ranges from a close-up to an extreme long shot. The closer the shot is to an object the more intimate the viewer/reader is to the object and the more subjective the view, from the close-up to the long shot the move is also from private to public.«33
Und an anderer Stelle fährt Carter fort: »A standard lens gives a balanced image, connoting everydayness and normality, a telephoto lens allows us to get closer to an object and therefore become more intimate (it also has connotations with voyeurism). Finally the wide angle lens makes the image more dramatic as the distance between objects is exaggerated. The angle of the shot enhances these two codes [shot size and type of lens; Anm. C.M.W.] as it gives the viewer/reader a sense of position in observing the scene. The paradigms here are broadly: high, low and eye-level and connote respectively power or authority, weakness or powerless, and equality.«34
Daß diese visuellen Codierungen der medialen Kommunikation vielfach in so nahem Bezug zu unseren Alltagserfahrungen stehen, macht es oft schwierig, sie als Codes zu erkennen. Dabei ist jede mediale Nachricht zwangsläufig codiert, weil jeder Form von Kommunikation – auch der visuellen – ein Verschlüsselungsprozeß zugrunde liegt. Doch je vertrauter uns der im Kommunikationsvorgang präsentierte Code ist, je leichter es uns fällt, ihn zu entschlüsseln, desto schwerer fällt es uns, ihn von einer direkten Wahrnehmung zu unterscheiden. »[Visual communication] seems transparent only because we know the code already, at least passively – but without knowing what it is we know, without having the means for telling about what it is we do when we read the image.«35
Bewußt wird uns das Problem der Codierung erst, wenn wir uns Nachrichten gegenübersehen, die für uns geheimnisvoll bleiben, obwohl wir erkennen können, daß ihnen ein gewisses Regelsystem zugrunde liegt. Als Beispiel für ein solches Zeichensystem nennt Daniel Chandler Graffiti-Nachrichten: »These visual messages are actually a complex written form of communication [...] As with any symbolic communicative system, if you do not know the language, you will have trouble deciphering the message.«36
Es kann nun davon ausgegangen werden, daß professionelle Kommunikatoren über einen Wissensbestand verfügen, der es ihnen erlaubt, Nachrichten so zu codieren, daß diese auch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in ihrem Sinne verstanden werden. Denn an sich sind die Codes, die in der alltäglichen und medialen Kommunikation verwendet werden, nicht „geheimnisvoll“, sie werden uns nur eben meist nicht bewußt. Und auch wenn es für keine Form von Kommunikation eine letzte Gewißheit darüber gibt, was genau der Rezipient einer codierten Botschaft entnommen hat, genügt es für eine Verständigung meist, wenn über einen bestimmten Code eine weitreichend übereinstimmende Vorstellung ausgelöst werden kann. Denn jede einzelne Botschaft, egal in welchem Zeichensystem sie übermittelt wird, ist durch ihren Entstehungszusammenhang in einen Kontext eingebettet, der in die Richtung 33 34 35 36
Carter 2003:[www] ebd. Kress/Leeuwen 1996:32 Chandler 2003a:[www]
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unterstützend wirkt, daß für eine an sich mehrdeutige Nachricht eine gewisse Eindeutigkeit – oder sehr eingeschränkte Mehrdeutigkeit – erreicht wird.37 Allerdings muß dafür, wie bereits angesprochen, bei den am Kommunikationsprozeß Beteiligten zumindest eine passive Kenntnis des Zeichensystems vorhanden sein. Professionelle Kommunikatoren38 haben nun ein hohes Interesse daran, verstanden zu werden, und es ist anzunehmen, daß, sobald ein erhöhtes Interesse und eine hohe Frequenz an Kommunikation besteht, diese durch Beobachtung, Reflexion und Optimierung der Intention der Kommunikatoren entsprechend verbessert wird. Die passive Zeichenkompetenz wird so zur aktiven Zeichenkompetenz. Für die Analyse der visuellen Politikvermittlung durch Nachrichtenmagazine kann daraus der Schluß gezogen werden, daß es gewinnbringend sein kann, sich jenen zuzuwenden, die die Codierung dieser Nachrichten professionell übernommen haben: den visuellen Gestaltern der Zeitschriften. Denn von ihnen kann angenommen werden, daß sie über einen Wissenstand verfügen, der für das Verständnis des Vermittlungsprozesses wesentlich ist: den „aktiven Wortschatz der visuellen Kommunikation“ und zwar im „Dialekt“ des Mediums Nachrichtenmagazin. Uwe Göbel umschreibt den Aufgabenbereich des Zeitschriftengestalters folgendermaßen: »Der Gestalter kann in unterschiedlichen Phasen einer Zeitschriftengründung hinzugezogen werden. Im idealen Fall ist der Gestalter bereits Miterfinder eines Blattes, dann wirkt er in jedem Fall neben dem Herausgeber und dem Chefredakteur als Artdirector in einer herausgehobenen Stellung. Der Artdirector bestimmt im Team das inhaltliche und gestalterische Profil der Zeitschrift; dabei ist er hauptverantwortlich für die gesamte Optik. Er bestimmt das Format und entwickelt das Raster. Er überblickt die Heftstruktur, reagiert mit Gestaltungsideen auf die Plazierung von Anzeigen, erfindet Bildideen und läßt sie fotografisch oder auch illustrativ umsetzen. Er konzipiert Bildgeschichten und setzt dafür Textpassagen. Er vermittelt dem Layouter die Vorstellung einer Seitengestaltung, greift korrigierend in den Gestaltungsprozess ein und koordiniert die Seiten zu einer stimmigen Heftdramaturgie [...] Der Cheflayouter vertritt das Layouterteam in der Redaktionskonferenz, er präsentiert und begründet die Seitenlayouts und gibt Änderungs- und Ergänzungswünsche an das Gestalterteam zurück. Der Layouter darf sich nicht auf die formale Gestaltung der Zeitschrift beschränken, er muß sich auch mit den Textinhalten auseinandersetzen. Denn in den meisten Fällen ist nicht das raf-
37 Humberto R. Maturana schreibt in seinem Werk Der Baum der Erkenntnis, das Phänomen der Kommunikation hänge nicht von dem ab, was übermittelt wird, sondern von dem, was im Empfänger geschieht. Dies hätte nur wenig zu tun mit „übertragener Information“ (1984:210f.); und Norbert Bolz betont in Übereinstimmung mit Maturana »[W]as ein Menschenwesen hört, sieht oder liest, wird von seiner eigenen Struktur bestimmt« (Bolz 1993:40). Doch auch unter dieser Prämisse bleibt richtig: Solange die am Kommunikationsprozeß Beteiligten glauben, einander verstanden zu haben und nicht durch Ereignisse darauf gestoßen werden, daß ein Mißverständnis vorliegt, bleibt es für das soziale Geschehen letztlich unwesentlich, was im einzelnen bei den an der Kommunikation Beteiligten durch einen ausgetauschten Code ausgelöst wurde. Wittgenstein erläuterte dies für den Gebrauch der Wortsprache, indem er schreibt: »Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.« Verbale Verständigung funktioniert deshalb laut Wittgenstein nur als ‘Sprachspiel’, in dem wir anwenden, was wir bisher gelernt haben, bis wir durch Irritation darauf aufmerksam werden, daß das Gelernte unzureichend ist. »Man bringt etwa einem Kind die Farbwörter bei, indem man auf Muster zeigt. Dann muß das Kind ‘rot’ auf viele rote Gegenstände anwenden, bevor man sagen kann, es habe das Farbwort gelernt. Vielleicht stellt sich aber irgendwann heraus, daß es eine rote Glasscheibe nicht ‘rot’ nennt, weil sie durchsichtig ist. So labil ist die Verknüpfung von Sprache und Wirklichkeit, und deshalb funktioniert sie nur als Sprachspiel« (Wittgenstein, zitiert nach Maurer 1995:928). 38 Die hier verwendete Bezeichnung ‘professionell’ kann in einem sehr allgemeinen Sinn verstanden werden als von Berufs wegen, als Erwerbsquelle nutzend, fachmännisch.
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finierte und auffällige Layout gefragt, sondern ein harmonisches, durchaus spannungsreiches und in der Abfolge der inhaltlichen Elemente gut erfaßbares Seitenlayout.«39
Nimmt man die Einteilung der Berufsgruppen der modernen Medienorganisationen von Denis McQuail, so ist aus heutiger Sicht nicht eindeutig, in welcher Gruppe die visuellen Gestalter von Zeitschriften einzuordnen wären. McQuail unterscheidet (1) Management- und Verwaltungsberufe; (2) künstlerische Berufe: Autoren, Komponisten, Darsteller etc.; (3) journalistische Berufe: z.B. Reporter, Korrespondenten, Redakteure und (4) technische Berufe.40 Uneindeutig ist eine Zuordnung deshalb, weil – betrachtet man das Aufgabengebiet des Gestalters und die besprochene entscheidende Rolle der visuellen Ausgestaltung einer Nachricht für deren Rezeption und Bewertung – Editorial-Designer eher als journalistisch denn als künstlerisch tätig gesehen werden müßten. Dies würde eine Entsprechung zur Auffassung der Pressefotografen als Bildjournalisten darstellen. Laut Mario Garcia – selbst als Gestalter von Printmedien tätig – hätte es die heutige Arbeitspraxis mit sich gebracht, daß sich aus der Berufsgruppe der Editorial-Designer die journalistische Berufsgruppe der Informationsdesigner entwickelt habe .41 Für die Auffassung, den Beruf des visuellen Gestalters von Mediennachrichten als journalistische Tätigkeit zu sehen, würde durchaus sprechen, was Gui Bonsiepe – selbst Dozent im Fach Design – definierend zum Phänomen ‘Design’ im allgemeinen und zu den Aufgaben von Designern schreibt: »Ebenso wie die Sprache neue Wirklichkeiten schafft, bringt auch das Design neue Wirklichkeiten hervor. Sprache und Design gleichen sich nicht nur strukturell, sondern das Design ist auch eng mit der Sprache verknüpft. Design gründet in Sprache. Nach herkömmlicher Auffassung trägt der Designer dazu bei, Objekte und Botschaften zu formen, um eine Reihe von Funktionen pragmatischer, semantischer, affektiver und wirtschaftlicher Art zu prüfen. Zu diesem Zweck analysiert er Bedürfnisse, formuliert Spezifikationen.«42
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Göbel 2002:222 vgl. McQuail 1983:107 vgl. Garcia 1993:o.S. Bonsiepe 1996:233; die Kunsthistorikerin und Design-Theoretikerin Cordula Meier zieht einen ähnlichen Vergleich zwischen Design und Sprache: »Die Belange des Design haben sich gewandelt. Design tangiert sämtliche Bereiche kommunikativer sozialer Praxis. Ähnlich wie die Sprache ist Design ein Grundmodus des Handelns in der Welt und zu der Welt. Es greift ontologisch in die Mikrosphäre alltäglicher Stände und Umstände ein, makrotheoretisch ist das Design bestimmend für methodologische Systemanforderungen und theoretische Rahmenbedingungen, d.h. Design ist Orientierung« (Meier 2001:12). Bei Meier findet sich auch ein Versuch der Begriffsdefinition von ‘Design’, wobei die Autorin aufzeigt, daß bisher keine weitreichende Bestimmung des Begriffs vorliegt, ebenso wie keine ‘Design-Theorie’ auszumachen sei (als Design-Theorie versteht Meier dabei eine umfassende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Design, die sich, so Meier, von der Arbeit eines Designers ebenso unterscheiden würde, wie sich die Arbeit eines Kunstwissenschafters von der eines Malers unterscheidet). Etymologisch sei der Begriff ‘Design’ aus dem italienischen desegno abgeleitet, der seit der Renaissance den Entwurf, die Zeichnung und darüber hinaus ganz allgemein die einer Arbeit zugrunde liegende Idee bezeichne. Dementsprechend wäre der Begriff im England des 16. Jahrhunderts als ein Plan von etwas, das realisiert werden soll verwendet worden, für einen ersten zeichnerischen Entwurf für ein Kunstwerk, aber auch schon für ein Objekt der angewandten Kunst. Seit der postmodernen Diskussion und Situation sei der Begriff ‘Design’ im Gegensatz zum Begriff ‘Gestaltung’ in eine eher oberflächliche, kaufreizästhetisierende Richtung gebracht worden (vgl. Meier 2001:20). Peter Zec, Professor für Wirtschaftskommunikation an der FHTW-Berlin, definiert den Begriff ‘Design’ folgendermaßen: »Beim Design handelt es sich um eine formbestimmende Entwurfsdisziplin. Immer geht es dabei um die Suche nach der (end-)gültigen Bestimmung einer bis dahin unbestimmten Form. Auf eine einfache Formel gebracht, kann man sagen: ‘Design ist die Be-
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Diese Auffassung von Design betont zum einen die Vermittlerrolle des Designers zwischen Bedarf und Realität, gleichzeitig wird aber auch deutlich, daß durch Design etwas hervorgebracht wird, das in seiner Eigenständigkeit dem zu Gestaltenden etwas hinzufügt. Die Bezeichnung ‘Journalist’ ist eine in den meisten Ländern nicht geschützte Berufsbezeichnung, d.h. rein rechtlich kann sich in diesen Ländern jeder als Journalist bezeichnen. Laut Berufsbild des Deutschen Journalisten-Verbandes ist ein Journalist, wer hauptberuflich an der Verbreitung von Information, Meinung und Unterhaltung durch Massenmedien beteiligt ist. Diese noch sehr weit gefaßte Definition wird konkretisiert, indem etwa der Kern der journalistischen Tätigkeit als »eigenschöpferisch produktive oder dispositive« Leistung beschrieben wird, die »unmittelbar der Herstellung journalistischer Produkte vornehmlich durch Sammeln, Prüfen, Auswählen, Bearbeiten, Berichten, Analysieren« dient.43 Als Darstellungsmittel, die dabei zur Anwendung kommen, werden Wort, Bild, Ton sowie Kombinationen dieser Ausdrucksformen genannt. Nach dieser Definition könnten die Gestalter von Medienprodukten wohl als Journalisten bezeichnet werden. Interessant ist, daß die visuellen Gestalter im Gegensatz zu der in herkömmlicher Weise als Journalisten bezeichneten Berufsgruppe bisher kaum in den Blickpunkt der Medienforschung gelangt sind.44 Zwar wandte sich die Kommunikationsforschung auch erst mit Verzögerung der Rolle der Journalisten im medialen Kommunikationsprozeß zu – Noelle-Neumann sieht diese Zuwendung wie erwähnt als eines der Merkmale der sogenannten dritten Phase der Wirkungsforschung45 –, doch inzwischen gelten Faktoren wie das Selbstverständnis, die Arbeitsroutine, die Darstellungsformen und die Entscheidungsmechanismen von Journalisten als zentral für das Verständnis des Prozesses der medialen Vermittlung. Die Medienwirkungsforschung habe gezeigt, so etwa Wolfgang Donsbach, daß in modernen Mediendemokratien vor allem Journalisten, Produzenten und Programmverantwortliche über ein starkes gesellschaftliches Einflußpotential verfügten, sei es im politischen oder gesellschaftlich-moralischen Bereich.46 An anderer Stelle faßt Donsbach diesen Befund folgendermaßen zusammen:
43 44
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stimmung der unbestimmten Form einer Erscheinung’« (Zec 2001:241). In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff ‘Design’ im Sinne von visueller Gestaltung und mit dieser Bezeichnung synonym verwendet. vgl. Donsbach 1999:64 Interessanterweise liegen Untersuchungsergebnisse zu der Berufsgruppe der Informations-Grafiker vor: Thomas Knieper stellt in seiner umfangreichen Arbeit zum Thema ‘Infografik’ zwei USamerikanische Forschungsarbeiten zu dieser Berufsgruppe vor. Die Ergebnisse dieser Studien faßt Knieper folgendermaßen zusammen: »Für die USA besteht aufgrund der beiden vorgestellten Studien ein relativ klares Bild über die Rolle und den Status, den Infografiker dort innerhalb einer Tageszeitungsredaktion einnehmen. Sie sind im Redaktionsteam gut eingegliedert, besitzen ein hohes Mitspracherecht und relativ große Autorität, sind in der Redaktionshierarchie eher weiter oben angesiedelt, sind von der Qualität ihrer Arbeit relativ überzeugt [...]. Erstaunlich ist, daß die redaktionsinterne Infografikerstellung weitgehend eine Männerdomäne ist. Ein beachtlicher Anteil USamerikanischer Infografiker verfügt über eine fundierte journalistische Ausbildung. [...] Bei der Arbeit lassen sie sich durch die puristischen Ansprüche von Statistikern nicht von einer kreativen Umsetzung eines Themas abhalten, versuchen dabei jedoch, die Prinzipien der Datentreue und der Klarheit der Darstellung zu wahren« (Knieper 1995:143f.). vgl. Noelle-Neumann 1999b:554 vgl. Donsbach 1995:67
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»Man kann sich die moderne Informationsgesellschaft [...] als einen Markt vorstellen, auf dem es immer schwieriger wird, seine Produkte in Form von Information, Themen, Argumenten und Werturteilen abzusetzen. Die Selektionsmechanismen der Bürger zu kennen und diese Kenntnisse gezielt einzusetzen, kann einen entscheidenden Marktvorteil bedeuten. Für die Politik läßt sich ein solcher Marktvorteil in Macht, für die Wirtschaft in Geld und für die Medien in beides ummünzen. Journalisten sind ohnehin die Oligopolisten dieses Marktes. Sie entscheiden erstens über die Weitergabe der Informationen aller anderen Gruppen und Institutionen an die Öffentlichkeit. Und sie wissen zweitens am besten, wie man seine Chancen maximieren kann, gehört, gelesen oder gesehen zu werden. Für alle übrigen Informationsanbieter bedeutet dies, daß ihr Angebot davon abhängt, was Journalisten daraus machen. Für das breite Publikum bedeutet dies, daß sich seine Markttransparenz nur auf das erstreckt, was den Filter der Medien passiert hat.«47
Donsbach spricht in dieser Aussage einerseits die sogenannte ‘Gatekeeper’-Funktion der Journalisten an, andererseits aber auch die entscheidende Bedeutung der Kommunikationskompetenz, über die Journalisten „von Berufs wegen“ verfügen. Wesentlich ist aber in diesem Zusammenhang auch, daß verschiedene Untersuchungen gezeigt haben, daß es sich bei Journalisten um eine Berufsgruppe handelt, die aufgrund ihrer Profession eine sehr spezielle Charakteristik aufweist. Diese bestimmt – über die zuvor genannten Faktoren hinaus – die gesellschaftliche Rolle von Journalisten. So schilderte bereits Warren Breed in einer inzwischen als klassisch zu bezeichnenden Studie aus dem Jahr 1955 Journalisten als eine von Elitebewußtsein geprägte Berufsgruppe mit starkem ‘in-group‘-Bewußtsein, die mehr auf das Kollegenurteil fixiert ist als auf das Urteil des Publikums.48 Darüber hinaus stünden sich Journalisten in ihren politischen Einstellungen deutlich näher als beispielsweise Ärzte oder Rechtsanwälte.49 Dies wird im Sinne der Bedeutsamkeit ihrer Rolle im Mediensystem dadurch verschärft, daß – wie Untersuchungen zum Berufsrollenverständnis von Journalisten zeigen – es rund 70 Prozent der deutschen Journalisten für wichtig erachten, sich im Rahmen ihrer Berufsausübung für »Werte und Ideen« einzusetzen.50 Laut Elisabeth Noelle-Neumann würde nun jede dieser charakteristischen Eigenschaften, die die journalistische Berufsgruppe kennzeichnen, tendenziell eine Konsonanz der Medieninhalte fördern und so einer größeren publizistischen Vielfalt, wie sie vom deutschen Verfassungsgerichtshof als oberster Wert des Mediensystems bezeichnet wurde, entgegenstehen.51 Gleichzeitig weisen Journalisten ein ihrer Rolle und ihren Einflußmöglichkeiten gegenüber idealisiertes Selbstverständnis auf. Eindrucksvoll schildert Elisabeth Noelle-Neumann in ihrem Artikel Der Konflikt zwischen Wirkungsforschung und Journalisten, in welcher Form in der journalistischen Berichterstattung Befunde, die auf eine hohe gesellschaftliche Einflußmöglichkeit von Medien und Journalisten verweisen, abgewehrt würden.52 Doch auch wenn die Berufsgruppe der Journalisten die Forschungsergebnisse zu ihrer Rolle und gesellschaftlichen Bedeutung anzweifelt, stellt alleine die Thematisierung 47 48 49 50
Donsbach 1991:15 (Hvh. C.M.W.) vgl. Noelle-Neumann 1999b:556 vgl. ebd. Hierin unterscheiden sich deutsche Journalisten beispielsweise von ihren englischen oder amerikanischen Kollegen, denn nur 45 Prozent der englischen und 21 Prozent der amerikanischen Journalisten sehen ihre Rolle ähnlich (vgl. ebd.:557). 51 vgl. ebd.; zum Selektionsverhalten von Journalisten vgl. auch Donsbach 1991:105 52 vgl. Noelle-Neumann 1982; zum idealisierten Selbstverständnis von Journalisten auch Scholl 2001:214; zu Journalismusforschung allgemein (mit starkem Österreichbezug) siehe z.B. Huber 1998
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möglicher Einflußchancen eine Aufmerksamkeit gegenüber diesen her und ermöglicht so eine gewisse Kontrolle eines an sich nicht verregelbaren Bereichs gesellschaftlicher Einflußnahme. Eine zentrale These der vorliegenden Arbeit ist nun, daß den visuellen Gestaltern der Medienberichterstattung eine ähnliche Rolle zukommt wie ihren Kollegen aus dem „Wort-Journalismus“. Es wird davon ausgegangen, daß sich diese Ähnlichkeit in der Bedeutung vor allem während der letzten Jahre aus verschiedenen Entwicklungen ergeben hat, wobei die Ähnlichkeit zwischen Journalisten und visuellen Gestaltern auf allen vier der für die Rolle der Journalisten angesprochenen Dimensionen gesehen werden kann: (1) Editorial-Designern muß ein beträchtlicher Einfluß darauf zugeschrieben werden, was in welcher Form in ihrem Medium vermittelt wird. (2) Sie verfügen über das nötige Fachwissen darüber, wie man die Chancen, daß bestimmte Inhalte gelesen oder gesehen werden, maximieren kann. (3) Sie weisen ein spezifisches Berufsverständnis auf. (4) Sie vertreten zumindest nach außen ein idealisiertes Verständnis ihrer Rolle in der medialen Berichterstattung. Beachtlicherweise finden sich in der Literatur, die sich an visuelle Mediengestalter richtet, immer wieder Definitionen der Rolle des Mediengestalters, die sehr wohl auf dessen Wichtigkeit innerhalb der gesellschaftlichen Kommunikationsprozesse verweisen. So beschreiben etwa die Design-Dozentinnen Susanne P. Radtke, Patricia Pisani und Walburga Wolters in ihrem umfangreichen Lehr- und Handbuch Visuelle Mediengestaltung die Rolle des Medien-Designers folgendermaßen: »Bei der Verarbeitung [von] Informationen kommt dem Designer eine umfassende Steuerungsfunktion innerhalb der Mediengesellschaft zu. Seine Aufgabe ist nicht, schöne Oberflächen zu gestalten, sondern Wahrnehmungsprozesse zu beeinflussen.«53
Und laut Cordula Meier fällt dem Gestalter »die vornehme, weil seltene Funktion zu, Informationen zu sortieren, zu selektieren, zu strukturieren, zu organisieren, zu ordnen, zu reduzieren, zu orientieren und [im Lachmannschen Sinne] zu ‘vernichten’«.54 Darüber hinaus sieht sie das Design der Zukunft als weitgehend verantwortlich für die Organisation des Wissens und der Information sowie für deren spezifische Transformation in konkretes Entscheidungshandeln.55 Es stellt sich die Frage, warum die Rolle des visuellen Mediengestalters bisher von der Medienforschung nicht näher beleuchtet wurde, gleichzeitig liegt die Antwort auf diese Frage sehr nahe. Denn da – wie gezeigt wurde – nach wie vor ein Defizit an Forschungsaufmerksamkeit gegenüber bildhafter Darstellung im allgemeinen festzustellen ist, welches durch Faktoren wie Tradition und methodisch schwer zu bewältigende Herausforderungen bestimmt wird, wundert es nicht, wenn es auch an Aufmerksamkeit gegenüber den Akteuren der bildhaften Darstellung mangelt. Dabei fehlt es – und auch das wurde bereits angesprochen – nicht an Aufforderungen an die Medienforschung, sich dem Bereich der Gestaltung zuzuwenden. So stellt etwa Herta Sturm 1989 fest, das ‘Wie der Präsentation’ sei bisher von den
53 Radtke/Pisani/Wolters 2001:Vorwort o.S. 54 Meier 2001:33 55 vgl. ebd.:15
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7 Schlußfolgerungen für das Verständnis der visuellen Darstellungslogik
Medienwissenschaften »sträflich vernachlässigt« worden,56 und Hans Bohrmann läßt im Jahr 2002 erkennen, daß sich daran wenig geändert hat, wenn er schreibt, die Publizistik und Kommunikationswissenschaft seien vor allem für die ästhetische Seite der Medienbotschaften bisher oft blind gewesen.57 Der Zeithistoriker und Politikwissenschafter Detlef Kannapin sieht den Grund für die mangelnde Auseinandersetzung der Politikwissenschaft mit der „künstlerischen Komponente“ von Filmund Medienprodukten als Kompetenzproblematik, wenn er schreibt: »Als erster Zusammenhang in den Beziehungen von Film-/Medientheorie und politischer Theorie kann festgehalten werden, daß die öffentliche Verfaßtheit des Film-/Mediums einerseits und des Politischen andererseits gleichermaßen für beide theoretischen Felder bedeutsam ist. [...] Ein entscheidendes Grundproblem besteht jedoch darin, daß Film-/Medien zumindest potentiell die künstlerische Komponente in ihren Produktionen mitbeachten müssen. Film-/Medien sind an sich deshalb selbstverständlich einer wissenschaftlichen Behandlung nicht weniger zugänglich wie die Politik, aber beide Disziplinen folgen in der wissenschaftlichen Erfassung relativ klar abgegrenzten Regeln, so daß die Theoretiker ihres eigenen Gebietes in Fragen des anderen mit einigen Kompetenzproblemen belastet sind, nicht zuletzt, um für die Politikwissenschaft das komplizierteste Beispiel zu nennen, in der Interpretation ästhetischer Fragen.«58
Die Zeichentheoretikerin Annemarie Lange-Seidl stellt die Vermutung an, daß die fehlende Kompetenz gegenüber visueller Gestaltung daher rühren könnte, daß es wenig Interesse von seiten der aktiv Zeichenkompetenten gebe, das Codierwissen der visuellen Zeichensysteme offenzulegen. Eine Annahme, mit der Lange-Seidls 1975 veröffentlichte Analyse vielleicht auf die zur damaligen Zeit mit viel Aufmerksamkeit bedachte Arbeit von Vance Packard The Hidden Persuaders verweist. Es findet sich in Lange-Seidls Überlegungen aber auch ein Gedanke, der bereits angesprochen wurde, als Thomas Petersens Vorschlag zur Erstellung eines Katalogs von Bildsignalen und ihrer Wirkung vorgestellt wurde.59 »Was die Wirkung von Zeichen betrifft, stehen wir an einem Schnittpunkt von bewußter, geradezu manipulativer Zeichengebung und krampfhaft aufrechterhaltener unbewußter Zeichenaufnahme. Wie weit hier Gewöhnung sich mit Interpretation schneidet, wäre neu aufzurollen und bewußt theoretisch für die Wirkung nichtverbaler Zeichen zu akzentuieren. Bisher waren solche Untersuchungen im Bereich der Ästhetik zu finden [...]. In einer Art Zeichenrhetorik könnten die Zeichenwirkung und ihre Methoden erfaßt werden. Sie würden aus dem Bereich der Psychologie in den der Pragmatik hinüberreichen. Es fragt sich nur, ob dieses Wissen nicht stets von Kunst und Werbung nach außen hermetisch abgeschirmt werden wird, da eine zu große Transparenz die Wirkung auf den Empfänger vermindern statt verstärken könnte.«60
Greift man im Zusammenhang mit der von Lange-Seidl gemutmaßten Abschirmung des Fachwissens auf das zurück, was die Forschung bisher hinsichtlich der journalistischen Tätigkeit im allgemeinen aufzeigen konnte, so scheint es eher wahrscheinlich, daß eine Reflexion der eigenen Tätigkeit und der damit einhergehenden Möglichkeiten und Einflußchancen von seiten der Mediengestalter abgewehrt wird, um den im Zusammenhang mit der Macht der Medien bekannten Legitimationsüberlegungen zu entgehen. Außerdem muß berücksichtigt werden, daß auch im Falle von aktiver Zeichenkompetenz zwischen implizitem und explizitem Wissen im Sinne von Michael Pola56 57 58 59 60
vgl. Sturm 1989:48 vgl. Bohrmann 2002:39 Kannapin 1999:41 vgl. Petersen 2001 Lange-Seidl 1975
7 Schlußfolgerungen für das Verständnis der visuellen Darstellungslogik
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nyis tacit knowledge unterschieden werden muß.61 Der Gestalter kann somit bei der Erfüllung seiner Aufgabe auf einen Wissensbestand zurückgreifen, diese somit fachkompetent ausführen und gleichzeitig diesem Fachwissen gegenüber unbewußt bleiben – vergleichbar etwa mit einer Fremdsprachenkompetenz, die zwar ein aktives Sprachvermögen einschließt, aber nicht so weit ausgeprägt ist, daß der so Sprachfähige sein Wissen auch strukturiert vermitteln und/oder über die Regeln, die seiner Sprachanwendung zugrunde liegen, reflektieren könnte.62 Auf dieses persönliche Schlüsselwissen verweist beispielsweise auch Marion Müller, wenn sie feststellt, daß die Selektionskriterien von Fotografen und Bildjournalisten Tag für Tag aufgrund professioneller Routinen praktiziert würden,63 oder Siegfried Frey, wenn er im Zusammenhang mit der visuellen Aufbereitung von Fernsehnachrichten ausführt: »Da die Auswahl und medientechnische Aufbereitung der dem Auge des Zuschauers präsentierten visuellen Information allein schon wegen des Zeitdrucks, unter dem die tägliche Medienberichterstattung steht, intuitiv, oder zumindest ohne explizite formale Entscheidungsregeln, erfolgen muß, kann man annehmen, daß die Prinzipien, die die visuelle Präsentation von Politikern im Fernsehen regeln, wohl noch nicht einmal den Nachrichtenredakteuren selbst voll bewußt sind. Dies freilich schwächt die von der Bildkommunikation ausgehende potentielle Wirkung keineswegs, sondern kann sie u. U. sogar noch erheblich verstärken.«64
Für die Erhebung des „Codierwissens“ der visuellen Gestalter von Medienbotschaften im Sinne der Erweiterung von Medienkompetenz stellen die angesprochenen Faktoren eine Herausforderung dar. Die in der Medienforschung sehr verbreitete Methode der Befragung etwa stößt hier an entscheidende Grenzen. Denn die Befragung erfordert, um wissenschaftlich aussagekräftige Ergebnisse hervorbringen zu können, einerseits Kooperationsbereitschaft und Ehrlichkeit bei der Beantwortung von Fragen innerhalb eines wissenschaftlichen Interviews und andererseits eine gewisse Bewußtheit der eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen bei den Befragten.65 Diese Anforderungen werden um so mehr zum Problem, wenn auf seiten des Interviewers nicht genügend Vorwissen vorhanden ist, um durch eine gezielte Fragestellung Wissensbestände beim Befragten differenzieren und die so erhaltenen Aussagen gewinnbringend einordnen zu können. Da gezeigt wurde, daß Zeichenverwendung und damit Zeichenverständnis durch verschiedene Faktoren entscheidend beeinflußt werden, heißt dies, konkret auf die Untersuchung der visuellen Nachrichtenaufbereitung in Nachrichtenmagazinen angewandt, daß der Weg zur Erhebung der relevanten Codes dieser Vermittlung über ein Vorverständnis dieser Faktoren führen muß. Dieses kann zwar nur thesenhaft formuliert werden, ist aber unter den beschriebenen Annahmen – etwa daß die Faktoren Kontext und Kommunikationsintention die (kompetente) Codewahl bestimmen – unerläßlich. Die folgenden Abschnitte sollen nun weitere Elemente in das Modell der Logik der visuellen Dar-
61 vgl. Polanyi 1966 62 vgl. Wilhelm Köller zum Thema Zeichenkompetenz: »[Es] ist zu berücksichtigen, daß wir keineswegs immer ein explizites Bewußtsein all der Zeichen haben, die in einer Kommunikationsgemeinschaft wirksam sind, und daß wir keineswegs die kognitive Qualität einzelner Zeichen immer zureichend genau bestimmen können« (Köller 1988:28). 63 vgl. Müller 2003:271 64 Frey 1999 65 vgl. Scholl 2001:213
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stellung von Politik in Nachrichtenmagazinen einfügen und so das „thesenhafte Vorverständnis“ dieser speziellen Nachrichtencodierung weiter konkretisieren. Dafür kommen zwei Faktoren in den Blickpunkt, von denen in der vorliegenden Arbeit angenommen wird, daß sie für das Verständnis des Erscheinungsbilds von Medieninhalten (also der konkreten Wahl visueller Zeichencodes) grundlegend sind: die Faktoren Medienästhetik und visuelle Markenkommunikation. Beide Phänomene müssen, um einen spezifischen Erklärungswert bezüglich der Fragestellung der vorliegenden Arbeit zu bekommen, begrifflich näher bestimmt werden, und ihre angenommene Relevanz für die visuelle Gestaltung von Nachrichtenmagazinen muß argumentativ abgeleitet werden. Dies soll – aufbauend auf das bisher Ausgeführte – in den nächsten Abschnitten geschehen.
7.5
‘Medienästhetik’ als Faktor für das Verständnis der visuellen Politikvermittlung
Uwe Göbel stellt fest, es sei in den 1980er Jahren gewesen, daß die Medien den Begriff ‘Design’ aufgegriffen hätten. In dieser Zeit wären neue designte Zeitschriften entstanden und hätten Trends gesetzt. Doch obwohl diese „zeitgeistigen“ Magazine mit ihren durchgestalteten Erscheinungsbildern bei der Gruppe der ‘young urban consumer’ großen Anklang gefunden hätten, würden weite Teile der Bevölkerung mit ‘Design’ nach wie vor nur „oberflächliche Erscheinung“ verbinden und den Begriff weiterhin ausschließlich mit Schmuck, Mode und Dekoration assoziieren.66 Doch wenn der Begriff ‘Design’ visuelle Gestaltung meint – und in diesem Sinne soll er hier verwendet werden –, so stehen Medien und Design schon immer in einem engen Zusammenhang. Denn mediale Inhalte bedürfen einer Präsentationsform und sind so immer schon mit dem Prozeß der Ausgestaltung verknüpft. Daraus ergibt sich, was bereits angesprochen wurde: Eine Auseinandersetzung mit Medieninhalten ist immer auch eine Auseinandersetzung mit Medienästhetik, auch wenn sie nicht explizit erfolgt. Denn – wie Lorenz Engell es ausdrückt –: »Ein Sechstel des Medienhimmels gehört der Medienästhetik«,67 und zwar aus folgendem Grund: »Auch eingefleischten Kunstverweigerern, Schönheit und sinnlicher Anschauung gegenüber resistenten Kommunikationswissenschaftern ist das Bühler-Jakobsche Funktionsmodell der Sprache mit seinen berühmten sechs Funktionen bekannt. In ihm fungiert, vollkommen gleichberechtigt, neben etwa der conativen, der expressiven und der referentiellen Funktion der Sprache ausdrücklich ihre ästhetische Dimension, nicht als Nachtrag oder Extra, sondern als Gründungsbestandteil kommunikativen Geschehens überhaupt.«68
Denn während die referentielle Funktion laut diesem Modell die Wahrheit einer Aussage konstituiere, die expressive Funktion ihre Aufrichtigkeit, die conative Funktion ihre Wirksamkeit, die phatische Funktion ihre technische Abwicklung und die metasprachliche Funktion ihre Richtigkeit, beschreibe die ästhetische Funktion nicht nur die Schönheit, sondern, funktional gewendet, vor allem die Selbstreferenzialität der Kommunikation: »Als ästhetische Mitteilung teilt sich eine Mitteilung 66 vgl. Göbel 2002:232 67 Engell 2002:337 68 ebd.:336
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selbst mit«. Und was für eine Sprache gelte, gelte selbstverständlich überhaupt für alle Kommunikationsmedien, so Engell.69 Ohne auf systemtheoretische oder konstruktivistische Kommunikationstheorien in diesem Zusammenhang näher einzugehen, kann eines festgestellt werden: Befaßt man sich mit bildhafter Informationsvermittlung durch Medien, so bewegt man sich unwillkürlich im Feld der Ästhetik. Für die Behandlung der Fragestellung der vorliegenden Arbeit soll der weite Bereich des Ästhetischen sehr eng abgesteckt werden, d.h. die Auseinandersetzung mit der Thematik bleibt unmittelbar auf die bereits angesprochenen Themenbereiche bezogen: Bisher wurde davon ausgegangen, daß es für das Verständnis der visuellen Informationsvermittlung gewinnbringend sein kann, Bilder als Zeichen aufzufassen. Dafür wurde sowohl der Begriff des Bildes als auch der Begriff des Zeichens näher definiert. Als für das Verständnis von bildhaften Zeichen zentral wurden die Faktoren ‘Kontext’ und ‘Codierung’ bestimmt. Beide Faktoren bieten den Zugang zum Verständnis der an sich vieldeutigen bildhaften Zeichen, da beide mit der Kommunikationsintention verknüpft sind: Die Kommunikationsintention bedingt die Wahl des Zeichencodes, dieser muß je nach Kommunikationskontext unterschiedlich gewählt werden und wird so durch diesen näher bestimmt. Wenn für das Verständnis der visuellen Politikvermittlung in Nachrichtenmedien nun die Thematik der Medienästhetik angesprochen wird, dann aus der Überlegung, daß sie als ein Faktor gesehen werden muß, der die nahezu unendlich vielen Möglichkeiten bei der Wahl der visuellen Ausgestaltung eines Mediums nochmals entscheidend einschränkt. Bisher wurde bereits der visuelle Formenschatz des Mediums ‘Nachrichtenmagazin’ als Printmedium näher bestimmt: Farbe, Form und Position sowie Foto, Grafik und Typographie. Nun soll anhand des Phänomens ‘Medienästhetik’ das Regelsystem konkretisiert werden, unter dem diese Ausdrucksmöglichkeiten zur Anwendung gebracht werden. Der Grund dafür ist ebenso naheliegend wie einleuchtend: Die Wahl der Zeichen und der Zeichenverwendung bei der visuellen Gestaltung des Mediums ‘Nachrichtenmagazin’ ist entscheidend dadurch bestimmt, daß es als Nachrichtenmagazin erkannt werden will. Auf diese an sich unspektakuläre Annahme näher einzugehen, erscheint unter mehreren Aspekten interessant: (1) Sie wurde bisher in der politikwissenschaftlichen/medienwissenschaftlichen Analyse vernachlässigt. Dies zeigt sich vor allem daran, daß bei der Analyse der Entscheidungsmechanismen, die die Auswahl von Bildmaterial in der Nachrichtenvermittlung bedingen, nahezu ausschließlich zwei Faktoren benannt werden: Nachrichtenwert und redaktionelle Linie (verstanden als politische Meinung bzw. Präferenz). Der Bereich der Medienästhetik wird nur insofern angesprochen, als es um Trends der Mediengestaltung geht, also etwa um den Trend hin zu mehr Bild. Damit wird aber vernachlässigt, was (2) im Verstehensmodell von Scholz angesprochen wurde, nämlich, daß wir ein Bild nur verstehen können, wenn wir erkennen, welche Prädikate durch dieses exemplifiziert werden sollen. Geht es einem bestimmten Medium also zentral darum, als ein Medium einer bestimmten Art erkannt zu werden, so findet dies seinen Ausdruck in der Wahl seiner
69 ebd.:338
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Zeichen, und die beiden Faktoren ‘Nachrichtenwert’ und ‘redaktionelle Linie’ beispielsweise können dann auch nur unter dieser Prämisse bedient werden. Was konkret bedeutet, daß etwa der Trend zu mehr Bildern nur insofern vollzogen werden kann, als dies einem Nachrichtenmagazin „zukommt“, es also nicht Gefahr läuft, etwa als Illustrierte definiert zu werden; der Nachrichtenfaktor ‘Personalisierung’ kann nur innerhalb der Grenzen berücksichtigt werden, welche durch andere Medien, etwa sogenannte People-Magazine, gesteckt werden. Darüber, daß diese Faktoren einem Wandel unterliegen, besteht kein Zweifel – doch auch dieser Wandel ist in den Begriff der Medienästhetik eingeschlossen. Es soll daher später auf ihn zurückgekommen werden. Vorerst soll festgehalten werden, daß es einen Schritt zum besseren Verständnis der visuellen Sprache von Nachrichtenmagazinen bedeutet, berücksichtigt man, daß Nachrichtenmagazine nicht nur bezüglich ihres „Formenschatzes“, sondern auch in der Anwendung bzw. Verknüpfung dieser Ausdrucksmittel begrenzt sind. Damit weisen sie untereinander eine Ähnlichkeit auf, die als visuelle Ästhetik von Nachrichtenmagazinen bezeichnet werden kann. Eine Feststellung, die auf den angesprochenen Punkt der ‘Bildsprachendialekte’ verweist. Betrachtet man den Begriff der ‘Ästhetik’ allgemein, so wird deutlich, daß dieser mehrere Bedeutungsdimensionen aufweist. Einmal wird er im Sinne einer Theorie der Kunst verstanden, also als methodische Reflexion auf Kunstwerke, auf das Kunstschaffen und die künstlerische Tätigkeit und damit fokussierend auf das, was gemeinhin als ‘Kunst’ bezeichnet wird.70 Zum anderen bezeichnet ‘Ästhetik’ die sinnliche Gegebenheit, Anschauung, Wahrnehmung, meint also die Form und die Möglichkeitsbedingungen der Wahrnehmung.71 Der Begriff ‘Ästhetik’ steht in seiner alltagssprachlichen Verwendung aber auch in einem engen Zusammenhang mit einem Werturteil, was deutlich wird bei der Adjektivierung des Begriffs und der Feststellung, etwas sei – oder sei nicht – „ästhetisch“. Damit kommt Ästhetik in die Nähe des Begriffs ‘Geschmack’. Wie eng diese Bedeutungsdimensionen des Begriffs zusammenspielen, wird in den Zeilen deutlich, die Gisèle Freund an den Anfang ihrer berühmten Arbeit Photografie und Gesellschaft stellt: »Jede historische Epoche hat ihre eigenen künstlerischen Ausdrucksformen, die dem politischen Charakter der Zeit, ihrem Denken und ihrem Geschmack entsprechen. Geschmack ist kein unerklärbarer Ausdruck der menschlichen Natur. Er bildet sich vielmehr an den Lebensbedingungen aus, die auch die Sozialstruktur in jeder Phase ihrer Entwicklung prägen [...] So erzeugt jede Gesellschaft, weitgehend durch ihre Lebensweise und Tradition selbst, bestimmte künstlerische Ausdrucksformen, die nun ihrerseits ihre Zeit widerspiegeln. Jede Veränderung im gesellschaftlichen Raum beeinflußt das Thema und die Art der künstlerischen Darstellung.«72
Aufgrund dieses Zusammenwirkens kann im Zusammenhang mit Zeitepochen von einem bestimmten vorherrschenden Stil – und noch weiter gefaßt – von einer bestimmten Ästhetik gesprochen werden. Eine spezielle Erscheinungsform kann aber auch zum Kennzeichen von einzelnen Phänomenen werden. Sie beruht in diesem Fall nicht so sehr auf der unmittelbaren Wahrnehmung eines konkreten Gegenstandes, sondern auf Erfahrungslernen: In einer Welt, die sich dem Betrachter als eine Vielzahl einfacher und komplexer 70 vgl. Engell 2002:339 71 vgl. ebd. 72 Freund 1976:5
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Sinneseindrücke darbietet, schaffen spezifische Merkmale die Möglichkeit, Ereignisse und Objekte einzuschätzen und durch Erfahrung die Kompetenz zu erwerben, angemessen auf unsere Umwelt reagieren zu können. Dafür ist es allerdings notwendig, daß Objekte für den Betrachter in verschiedenen Situationen ihre Identität behalten. Einzelne, zunächst unzusammenhängende Sinneseindrücke, hervorgerufen von bestimmten Situationen oder Objekten, bleiben deshalb nicht voneinander isoliert. Das wahrnehmende Individuum faßt sie vielmehr zu Klassen zusammen und ordnet sie. Dabei identifiziert und abstrahiert es an den Objekten gemeinsame, relevante Merkmale und bildet einen Klassenbegriff oder ein Klassenschema.73 In diesem Sinne der gemeinsamen relevanten Merkmale soll hier von Medienästhetik oder genauer von der Ästhetik der Nachrichtenmagazine gesprochen werden. In einer ähnlichen Weise könnte auch von ‘Medienstil’ gesprochen werden,74 doch scheint der Begriff der Ästhetik treffender. Denn auf das griechische aísthƝsis (Sinneswahrnehmung) zurückgehend, verweist ‘Ästhetik’ ursprünglich auf alles sinnlich Wahrnehmbare, verdeutlicht also, daß jeder Inhalt, wenn er ausgedrückt werden will, den Bereich der Gestaltung berührt: Er erhält seine sinnlich wahrnehmbare Form. Dies ist der Punkt, an dem laut Lorenz Engell die Forschung zur Medienästhetik einsetzen muß. Denn auch wenn die Medienästhetik sich, so sie das Themenfeld ‘Medien und Kunst’ berührt, zweifelsohne mit einem Kernstück ihres Fachs befaßt, ist es laut Engell wesentlich, sich vor Augen zu führen, daß der übergroße Anteil der Medienprodukte, besonders der massenmedialen Produkte, sich nicht als Kunst versteht, als solche auch nicht wahrgenommen wird und sogar als ausgesprochener Gegenentwurf zum Kunstschaffen durch die Welt zirkuliert. Und doch seien Medien und Medienprodukte nicht von Ästhetik zu trennen. »Medien und Ästhetik treten stets zugleich auf; wo keine Ästhetik, da kein Medium; und jede Medienforschung, die glaubt, ohne die Ästhetik auf die ästhetische Dimension des Medialen auszukommen zu können, geht in die Irre. Die verschiedenen Medien und ihr Zusammenspiel sind geradezu durch ihre Ästhetiken und deren Zusammenspiel zu kennzeichnen und zu differenzieren.«75
Bei Dietrich Ratzke findet sich eine der wenigen Auseinandersetzungen mit dem Thema ‘Ästhetik’ im direkten Zusammenhang mit Journalismus. Ratzke definiert in seinem Aufsatz Ästhetik und Ökonomie im Journalismus – Widerspruch oder gegenseitige Bedingtheit? Ästhetik als Wahrnehmung, erläutert den Zusammenhang zwischen der Thematik ‘Ästhetik’ und dem Bereich ‘Kunst’ und spannt dann den Argumentationsbogen hin zu einer formalen Ästhetik der Medien. Dabei kommt Ratzke zu einem ähnlichen Ergebnis wie Engell: Die Auseinandersetzung mit dem Themenbereich ‘Medienästhetik’ nämlich müsse sich über die Verknüpfung von Ästhetik, Medien und Kunst hinausbewegen.76 73 vgl. Früh 1980:49 74 Susanne Stark beschäftigt sich in ihrer Arbeit ausführlich mit dem Begriff ‘Stil’, und es zeigen sich zahlreiche Überschneidungen mit dem hier mit dem Begriff ‘Ästhetik’ Benannten. Stark verwendet ‘Stil’ aber schließlich, um die konkrete, konsequente visuelle Ausgestaltung eines einzelnen Magazintitels zu bezeichnen, also in dem Sinne, in dem in der vorliegenden Arbeit im weiteren von visueller Markenkommunikation gesprochen werden wird (vgl. Stark 1992:13). 75 Engell 2002:341 76 Eine eingehende Auseinandersetzung mit Medienästhetik, die stark den Themenbereich ‘Kunst’ fokussiert, findet sich etwa bei Bolz 1993:137–182; Marion Müller sieht in der aktuellen visuellen Kommunikationsforschung zwei Forschungsrichtungen, die sich mit der Thematik ‘Ästhetik’ ausei-
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»Setzt man [...] ästhetische Erfahrung mit Kunst in eins, so wären die Medien, zumindest was ihre Erscheinungsform angeht, Kunstwerke. In der Tat behaupten das einige Autoren wie zum Beispiel Peter A. Bruck (1994). Allerdings dienen Medien als Kunstwerke nicht der ästhetischen Selbstbefriedigung der Macher, sondern der Verstärkung ihrer Akzeptanz durch den potenziellen Nutzer. Das heißt bei kommerziellen Medien: Die formale Ästhetik der Medien dient vor allem ihrer eigenen Vermarktung. Denn nach der Intensität der Wahrnehmung und dem daraus resultierenden höchstmöglichen Nutzen für den Leser, Hörer und Zuschauer bemißt sich in Heller und Pfennig der Wert des jeweiligen Mediums. Medienästhetik ist in einer kommerziellen Medienwelt also der entscheidende Konsumptionsfaktor der ‘Ware’ Medien.«77
Ratzke – selbst viele Jahre als Journalist tätig – setzt seine Ausführungen fort, indem er verdeutlicht, dass die Sinnhaftigkeit der Ästhetik für die Vermarktung von Medienprodukten nicht nur als materialistische Betrachtungsweise gelten dürfe. So verweist er etwa auf die Notwendigkeit des professionellen Einsatzes ästhetischer Gestaltungsmittel im Sinne der besseren Dechiffrierbarkeit der zu vermittelnden Botschaften. Anhand Ratzkes Verständnisses von Medienästhetik soll nun eine Unterscheidung getroffen werden, die in der vorliegenden Arbeit als gewinnbringend für das Verständnis der visuellen medialen Politikvermittlung erscheint: Es wird vorgeschlagen, drei Bedeutungsdimensionen, die in Ratzkes Begriff ‘Medienästhetik’ aufscheinen, voneinander abzuheben. Zwei dieser Dimensionen möchte ich, bezogen auf das hier zu behandelnde Untersuchungsbeispiel, als ‘innere’ bzw. ‘äußere Grenze’ der visuellen Gestaltung von Nachrichtenmagazinen bezeichnen. Dies ist folgendermaßen zu verstehen: Es ist davon auszugehen, daß Nachrichtenmagazine sich in ihrer Ausgestaltung zwischen zwei Polen bewegen müssen. So muß es einerseits darum gehen, sich als ‘Nachrichtenmagazin’ zu präsentieren, also im Sinne der angesprochenen Wiedererkennbarkeit der Gattung bestimmte allgemeine Merkmale aufzuweisen. Diese Merkmale ergeben sich aus verschiedenen Faktoren wie technischer Realisierbarkeit und Funktion. Es ist naheliegend, daß diese Merkmale, wenn es darum geht, sich auf Märkten gegen andere Medienprodukte durchzusetzen, als Qualitäten mit Nutzen für den Rezipienten kommuniziert werden. Soweit ist Ratzkes Definition zuzustimmen. Dabei sollte aber nicht in den Hintergrund treten, daß die so definierte Ästhetik auch vorliegt, wenn sie nicht als Qualität in Szene gesetzt wird. Dies führt zum zweiten Aspekt, der in Ratzkes Ästhetikbegriff eingeschlossen ist, hier aber vom ersten angesprochenen Punkt abgehoben werden soll, denn er betrifft im Gegensatz zur technisch bzw. funktional bestimmten Ästhetik die verkaufsorientierte Gestaltung von einzelnen Medienprodukten. Diese Unterscheidung kann vielleicht verdeutlicht werden anhand des Bildes von ‘ästhetischer Pflicht’ und ‘ästhetischer Kür’: Manche visuellen Kriterien müssen erfüllt werden, wenn ein Nachrichtenmedium als ein bestimmtes Nachrichtenmedium gelten will – eben beispielsweise als ‘Nachrichtenmagazin’. Andere Kriterien – und dies wäre, um im Bild zu bleiben, die „Kür“ – sollte es erfüllen, um als besonderes nandersetzen: (1) die Rezeptionsästhetik und (2) die Produktionsästhetik, geht aber in diesem Zusammenhang nicht näher auf konkrete Forschungsergebnisse ein, die von diesen Richtungen hervorgebracht worden wären oder die diesen zuzuordnen wären. Allerdings bietet Müller in ihrem überaus interessanten Übersichtswerk Grundlagen der visuellen Kommunikation in einem Abschnitt zum Thema ‘Ästhetik’ einen kurzen Abriß der philosophischen Auseinandersetzung mit der Thematik (vgl. Müller 2003:130ff.). 77 Ratzke 2000:195
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Nachrichtenmagazin gelten zu können (und sich als dieses am Markt zu behaupten). Dieser zweite Aspekt soll in der vorliegenden Arbeit nun vom ersten abgehoben werden, indem im ersten Sinne von Medienästhetik gesprochen wird, im zweiten Sinne von visueller Markenkommunikation. Auf diese zweite Dimension soll im nächsten Abschnitt dieser Arbeit unter dem Titel visuelle Markenkommunikation näher eingegangen werden. Es bleibt aber auszuführen, warum diese Differenzierung in ‘Medienästhetik’ und ‘Markenkommunikation’ für die Analyse der visuellen Politikvermittlung in Nachrichtenmagazinen als gewinnbringend betrachtet wird. Ein Hinweis darauf ergibt sich aus dem angesprochenen dritten Aspekt der Medienästhetik, der in den Ausführungen von Dietrich Ratzke aufscheint: Ratzke führt in seiner Arbeit aus, in welcher Bedeutung die ästhetische Gestaltung von Medienprodukten für den Rezipienten zu sehen ist, etwa in der einfacheren Dechiffrierbarkeit von Nachrichten. Mit diesem Punkt spricht Ratzke einen Nutzen visueller Aufbereitung an. Wie argumentiert wurde, ist Ästhetik aber unabhängig von ‘Nutzen’ zu betrachten, da sie immer vorliegt, sobald ein Inhalt zum Ausdruck gebracht wird.78 So läßt ein aufgrund seiner Gestaltung schlecht lesbarer Text im Sinne des bestimmten Nutzens zwar eine spezifische (funktional wünschenswerte) Ästhetik vermissen, aber nicht Ästhetik an sich. In bezug auf die von Ratzke betonte Funktionalität von Gestaltung ist nun zu berücksichtigen, daß zwischen Anmutung und tatsächlicher Wirkweise unterschieden werden muß. Denn wie gezeigt wurde, verweisen Zeichen nicht zwingend auf Realität. Dies würde auf das Beispiel von Lesbarkeit angewandt besagen: Daß wir gelernt haben, eine bestimmte visuelle Aufbereitung beispielsweise als ‘übersichtlich’ und somit als leicht lesbar und verständlich zu interpretieren, bedeutet nicht, daß diese Aufbereitung auch tatsächlich in diese Richtung wirkt. Dieser Punkt soll festgehalten werden, denn er erscheint für das Verständnis von visueller Nachrichtenaufbereitung relevant. Dazu folgendes Beispiel: Seit den Zeiten moderner Schreibmaschinen und vor allem seit der Verbreitung des Computers ist es allgemein vertraut, zwischen linksbündig gesetztem Text (also Text mit am rechten Schreibrand ungleich langen Zeilen) und bündig bzw. blockhaft gesetztem Text (der immer identische Zeilenlängen aufweist) zu unterscheiden. Vor der Zeit der Verbreitung von Computern waren bündig gesetzte Texte nur von Schriftstücken mit „Öffentlichkeitscharakter“ bekannt, denn sie mußten aufwendig mithilfe von Schriftsatzsystemen (erst händisch, später maschinell) erzeugt werden. Blocksatz fand sich also in Büchern oder Zeitschriften, nicht aber in „privaten“ Schriftstücken. Diese wurden handschriftlich und später auch auf Schreibmaschinen verfaßt und wiesen immer eine linksbündige Anordnung auf. Dieses formale – technisch bedingte – Merkmal prägte neben anderen die Ästhetik der Schriftstücke. Diese Ästhetik kann nun zeichenhaft verwendet werden. Wie im weiteren noch genauer auszuführen sein wird, besagt das „Codierwissen“ des Mediengestalters, daß linksbündig gesetzte 78 Darauf verweist auch Andreas Heinrich: »Text oder Bild, Grafik oder Film, Sprache oder Klang, sind untrennbarer Teil der Botschaft und müssen als solche begriffen, hergestellt und rezipiert werden. Dies ist auch dann der Fall, wenn kein besonderes Augenmerk auf die Form gerichtet wird. Auch dann spricht sie eine beredte Sprache, ganz im Sinne des kommunikativen Axioms von Watzlawick: ‘Man kann nicht nicht kommunizieren.’ So ist jede Hülle, gestaltet oder ungestaltet, eine Verpackung mit Konsequenzen« (Heinrich 1999:170).
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Texte aus oben angeführten Gründen den Charakter des Persönlichen aufweisen. Scheint es also angebracht, einem Text dieses Prädikat „zu verleihen“, so ist es zielführend, den Text in dieser typographischen Form zu präsentieren – worin der Grund zu sehen ist, warum Meinungsbeiträge und Kommentare oder auch Texte, die den Charakter ‘brandaktuell’, des ‘in-der-letzten-Minute-noch-für-Sie-eingefangen’ aufweisen sollen, in Zeitungen und Zeitschriften vielfach linksbündig gesetzt werden. Technisch gesehen liegt heute zwischen der Herstellung von linksbündig oder blockhaft ausgerichteten Texten nur noch ein Tastendruck und die Aktualität oder der Inhalt eines Textes wird von dieser formalen Ausgestaltung logischerweise nicht verändert. Ob er tatsächlich persönlicher bzw. aktueller wirkt, bedürfte einer empirischen Überprüfung.79 Nun ist es nicht Sinn der hier vorgenommenen Differenzierung des visuellen Erscheinungsbildes von Nachrichtenmagazinen in ‘Ästhetik’ und ‘visuelle Markenkommunikation’, den jeweiligen Ursprung von einzelnen formalen Merkmalen auszumachen, technisch bedingte formale Gestaltung also von nicht-technisch bedingter Gestaltung zu unterscheiden. Mit dem erwähnten Beispiel sollte an den Medienästhetik-Begriff von Ratzke anschließend vielmehr verdeutlicht werden, wo für die vorliegende Arbeit die Berührungspunkte der Themenfelder ‘Ästhetik’ und ‘Zeichen’ zu sehen sind. Und hier ist auf die Formulierung zurückzukommen, daß ‘Medienästhetik’ und ‘visuelle Markenkommunikation’ als die innere und äußere Grenze der Verwendung von visuellen Zeichen gesehen werden können: Auf der Ebene der Medienästhetik werden visuelle Zeichen dafür eingesetzt, eine Ansicht eines Nachrichtenmagazins zu bieten, auf der Ebene der visuellen Markenkommunikation dafür, die Prädikatierungen, die aus dieser Intention hervorgehen, auf bestimmte Weise zu gewichten, um dadurch zu einem bestimmten Nachrichtenmagazin zu werden. Für das Verständnis der visuellen Politikvermittlung in Nachrichtenmagazinen ist dies nun insofern relevant, als den einzelnen Nachrichtenmagazinen für diese Mitteilungen bei der konkreten Gestaltung der Hefte kein anderer Formenschatz zur Verfügung steht als der, mit dem sie auch Politik bzw. eine bestimmte Sicht von Politik vermitteln. D.h., das Medium muß, um sich selbst in beiden angesprochenen Rollen zu inszenieren, politische Inhalte in einer diesen beiden Rolleninszenierungen dienlichen Form aufbereiten. Sich dies vor Augen zu halten kann helfen, die mediale Bildkommunikation im Sinne Scholz’ besser zu verstehen – vorausgesetzt man folgt
79 Der Ursprung dieser ästhetischen Form wird irgendwann freilich zur Nebensache. Denn werden – um bei dem Beispiel zu verbleiben – Meinungsbeiträge über einen längeren Zeitraum vorwiegend mit bestimmten formalen Merkmalen versehen, so werden diese irgendwann in anderer Form als der oben dargestellten mit der Charakteristik des Persönlichen verknüpft: Die linksbündige Textauszeichnung wird zum Merkmal von persönlich gehaltenen Texten, ohne daß dafür eine technische Begründung vorliegt (und so auch für diejenigen zum Zeichen, die den technisch bedingten Unterschied zwischen persönlichen und offiziellen Schriftstücken nicht mehr als solchen erfahren haben). Natürlich ist davon auszugehen, daß die linksbündige Textsetzung in der aktuellen Gestaltung von Zeitschriften auch dazu verwendet wird, um durch eine größere gestalterische Vielfalt mehr Abwechslung bzw. visuelle Unterscheidbarkeit realisieren zu können. Darauf, daß der Zeichencharakter dieser Gestaltungsform im hier beschriebenen Sinne zum „Code-Repertoire“ der visuellen Gestalter gehört, und auch dementsprechend eingesetzt wird, wird in einem späteren Abschnitt noch zurückzukommen sein.
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dem Gedanken, daß die Kommunikationsintention die Wahl der Zeichen, also die Informationscodierung, zentral beeinflußt. Daß von seiten der Kommunikatoren – im hier besprochenen Falle der visuellen Mediengestalter – davon ausgegangen wird, daß bewußte Zeichenverwendung die erfolgreiche Vermittlung von intendierten Inhalten ermöglicht, verdeutlicht ein Zitat aus einem umfangreichen aktuellen Lehrbuch für visuelle Mediengestalter, auf das im weiteren noch wiederholt zurückgegriffen werden wird. Andreas Maxbauer und Regina Maxbauer, die Autoren dieses Werks, führen dem Leser vor, wie durch bewußte Auswahl und bewußten Einsatz von visuellen Gestaltungsmitteln gezielt Aussagen getroffen werden können. Als Grundlage der erfolgreichen Botschaftsvermittlung sehen sie die bei den Rezipienten passiv vorhandene Zeichenkompetenz, wenn sie schreiben: »Einer der wirksamsten Wege, die gewünschte Wirkung zu erzielen, liegt in der Auswahl und Zusammenstellung des Bildmaterials. Wir können uns bei der Motivwahl, dem Bildaufbau und der Bildanordnung darauf verlassen, daß die meisten Menschen in ihrer persönlichen Medienrezeptionsgeschichte gelernt haben, Bilder in unserem Sinne zu interpretieren. Die Betrachter haben gelernt, ohne lange über das Warum zu reflektieren, daß ein angeschnittenes Portrait Aktivität und Kraft ausstrahlt oder daß sich ähnliche, nebeneinander stehende Motive harmonisch ergänzen.«80
Und einige Absätze später kommen die Autoren nochmals auf die durch Medienkonsum erworbene Zeichenkompetenz zurück: »Alle Menschen haben aufgrund ihrer jeweiligen Mediensozialisation eine Menge über Darstellungsformen gelernt, die sie ‘verstehen’ können, ohne sich intensiv mit ihrer Bedeutung in der visuellen Kommunikation auseinandersetzen zu müssen. Auf den vorhergehenden Seiten wurde es mehrfach erwähnt, und wir wissen es aus unserer Naturerfahrung, daß Waagrechtes ruhiger als Senkrechtes ist. Auf die Bildrezeption übertragen haben wir gelernt, dass ein Querformat in der Regel mehr Ruhe ausstrahlt als ein hochformatiges Bild. Ähnliche Wahrnehmungsparameter gelten für die Positionierung im Layout, die Helligkeit der Bilder, ihren Aufbau usw. Diese Wahrnehmungskonditionierung ist beim Layouten sehr hilfreich, weil sie dazu beiträgt, dass die Betrachter unsere Werke richtig verstehen. Bei der Wahl der Formatlage ist es daher sinnvoll, neben dem Drucksachenformat auch das Motiv selbst und natürlich die Gestaltungsabsicht zu berücksichtigen. Wird ein ausgeglichenes, stimmiges Layout angestrebt, sollten alle Ausrichtungen übereinstimmen [...].«81
Maxbauer und Maxbauer fahren an dieser Stelle fort, zahlreiche Hinweise dafür zu geben, wie die jeweilige Botschaft, die vermittelt werden soll, visuell zu codieren ist, um unter Berücksichtigung der Wahrnehmungskonditionierung die gewünschten Effekte zu erzielen. Wie erwähnt wird auf diese Ausführungen zurückzukommen sein, wenn es im folgenden darum geht, die „Ikonografie der Nachrichtenmagazine“ näher zu erfassen. An dieser Stelle soll mit diesen Textstellen in den Blick gerückt werden, daß ein Mißverständnis vorliegen kann, wenn bestimmte formale Darstellungen als Botschaften über bestimmte abgebildete Sachverhalte oder Personen interpretiert werden. Denn um bei den Beispielen von Maxbauer und Maxbauer zu bleiben: Die Anmutung von Ausgeglichenheit, Harmonie oder Kraft sagt vielleicht weniger darüber, welche Eigenschaften der Kommunikator über den dargestellten Sachverhalt oder die dargestellten Personen vermitteln will, als darüber, was er über sich selbst vermitteln will. Das ändert zwar nichts daran, daß der Rezipient diese 80 Maxbauer/Maxbauer 2002:163; interessant im Zusammenhang von Mediensozialisation und medialem Lernen von visuellen Codes ist auch Jürgen Raabs Bezeichnung der Medien als »Sehschulen« (Raab 2001:42). 81 Maxbauer/Maxbauer 2002:168
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Eigenschaften vielleicht den abgebildeten Objekten oder Subjekten zuschreibt, es würde sich aber trotzdem um ein Mißverständnis handeln. Geht man nun davon aus, daß es dem kompetenten visuellen Gestalter bewußt ist, wo die Möglichkeiten zum Mißverständnis seiner Gestaltung liegen, so kann angenommen werden, daß diese Vieldeutigkeit des Ausdrucks nicht dazu führen wird, daß auf der Sachebene Inhalte vermittelt werden, die der Intention des Kommunikators/Journalisten, bestimmte Informationen über ein politisches Thema oder einen politischen Akteur zu vermitteln, zuwiderlaufen. Das würde heißen, daß zwar möglicherweise ein Mißverständnis über die genauen Motive des Kommunikators vorliegt, dieses aber vernachlässigbar ist, da die Sachinformation davon unberührt bleibt. Damit würden sowohl Medienästhetik als auch visuelle Markenkommunikation keine wesentliche Rolle für die Analyse der visuellen Politikvermittlung spielen. Für diese Annahme müßten aber zwei Voraussetzungen gegeben sein, von denen hier argumentiert wird, daß es erst einer näheren Betrachtung bedarf, um beurteilen zu können, ob sie vorliegen: (1) Dem Kommunikator ist die Sachbotschaft genauso wichtig wie die Selbstdarstellung; (2) beide Botschaften stammen von einem Kommunikator oder zumindest von Kommunikatoren, die über dieselbe visuelle Zeichenkompetenz verfügen und dieselbe Kommunikationsintention verfolgen. Beide Faktoren sollen im Verlauf der weiteren Ausführungen näher diskutiert werden. In Gesprächen mit Zeitschriften-Gestaltern fällt auf, daß die Antworten auf die Frage, welche Aufgaben dem visuellen Gestalter eines Heftes zufallen, vorwiegend dahingehend lauten, es gehe darum, dem Leser Navigation durch das Heft zu bieten, und darum, den Leser durch ansprechende Aufmachung zum Lesen einer Geschichte zu motivieren.82 Dabei erscheint bemerkenswert, daß die Frage danach, welche Verantwortung dem Gestalter durch die Aussagekraft visueller Aufbereitung – etwa die Bildwahl – zukommt, tendenziell mit dem Hinweis zurückgewiesen wird, es ginge tatsächlich ausschließlich um die optische Unterstützung der Leser und der Aussage des jeweiligen Berichts. Die auffällige Parallele zu Aussagen von Journalisten, die den Standpunkt einnehmen, sie würden dem Leser lediglich berichten, was passiert, läßt aufhorchen. Dies vor allem vor dem Hintergrund des bisher Ausgeführten, etwa, daß Tendenzen in Texten eher wahrgenommen werden als Tendenzen bei Bildern; daß visuelle Darstellungen von Körperhaltung oder mimischem Ausdruck Zuschreibungen charakterlicher Eigenschaften und fachlicher Kompetenz bedingen können; 82 So etwa die Aussage in Gesprächen, die ich zum Thema dieser Arbeit mit Erik Turek (ehemaliger Art-Director des österreichischen Nachrichtenmagazins Profil), Erich Schillinger (derzeitiger ArtDirector von Profil), Mario R. Garcia (visuelle Gestaltung von Die Zeit, Wall Street Journal, u.a.) führen konnte (vgl. Quellenverzeichnis). Eine ähnliche Beurteilung findet sich auch bei Landgrebe, der in der Aufmachung von Nachrichtenmagazinen, dem Einsatz von Illustrationen und fotografischen Bildern lediglich ein Mittel zum Zweck sieht, »den Blätterer dazu [zu] verführen, sich einem Beitrag zu widmen« (Landgrebe 1994:35f.). Auch Rainer Sennewald, seit 1991 Leiter der Abteilung Grafik-Design beim deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel, seit 1997 Leiter von dessen Abteilung Layout, spricht bei einer Präsentation des neuen Spiegel-Designs davon, daß die visuelle Gestaltung des Heftes nicht „Selbstzweck“ sein solle, sondern zur Unterstützung der Inhalte der Berichterstattung eingesetzt würde. Diese Aussage kann aber im Widerspruch zu manchen Detailerläuterungen gesehen werden, die Sennewald in seiner Besprechung der Layoutentwicklung bei seinem Blatt gibt. So erklärte er anhand einer konkreten Berichtgestaltung, deren Bildverwendung zeige als weiteres Beispiel, »daß Fotos im Spiegel mittlerweile zuweilen ihre eigene Sprache sprechen« (vgl. Sennewald 1999:156;154).
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daß Bildaussagen besser behalten werden als verbale Aussagen; oder daß Bilder mit größerer Wahrscheinlichkeit rezipiert werden als Texte. All diese Punkte scheinen bisher in die Objektivitäts-Debatte der medialen Berichterstattung auf Ebene der professionellen Berichterstatter wenig Eingang gefunden zu haben. Die Bildrezeption wird in ihrem Aussagewert der Textrezeption untergeordnet oder gleichgestellt („dasselbe mit anderen Mitteln sagen“), und Bilder werden als geeignetes Mittel gesehen, Textaussagen bzw. Textrelevanz zu illustrieren. Diese Einschätzung der Rolle der bildhaften Darstellung findet sich etwa in einem Interview, daß Gerlinde Rausch mit Christian Guth führte, der zur Zeit des Interviews Art-Director des österreichischen Nachrichtenmagazins Profil war. Auf die Frage, welche Vorstellung Guth mit einem Nachrichtenmagazin verbinde, antwortete dieser, sein Vorbild sei das amerikanische Nachrichtenmagazin Time, um anschließend fortzufahren: »Im Nachrichtenmagazin, so behaupte ich, ist das geschriebene Wort im Endeffekt wichtiger als das Bild, was jedoch nicht heißen soll, daß das Foto deshalb uninteressant ist. Es geht in erster Linie darum, in welcher Aufmachung das Foto gebracht wird. Fotos, deren Wirkung nur auf ihrer Sinnlichkeit beruht, haben in einem Nachrichtenmagazin keinen Platz. Bei uns geht es weniger um den Unterhaltungswert eines Fotos als vielmehr um die Nachricht, die sie übermitteln. Anders ist die Sache bei Portraitfotos, also bei Abbildungen von Personen, die einer Geschichte beigegeben sind, die ein Portrait eines Menschen zeichnen. Hier ist die Subjektivität gewünscht und hier soll auch das Foto in entsprechender Weise konzipiert sein. Das Portrait ist im Profil die einzige Form der Fotografie, die bewußt subjektiv sein darf. Deshalb habe ich für diese Fotos auch ein bestimmtes Format – das Mittelformat – gewählt, damit sie sich auch optisch von den anderen Personenabbildungen absetzen.«83
Auf die anschließende Frage, ob hier nicht die Gefahr bestehe, daß diese Abbildungen bewußt ästhetisiert würden und somit eigentlich Manipulation bedeuten würden, antwortet Guth: »Wenn die Geschichte über den porträtierten Menschen Positives erzählt, so darf auch das Foto entsprechend gestaltet sein. Das Bild darf jedoch durch seine optische oder inhaltliche Gestaltung dem Inhalt der Geschichte nicht zuwiderlaufen. Es wäre also falsch, einen Menschen besonders anziehend zu fotografieren, wenn in der Geschichte Dinge vorkommen, die diesem Bild nicht entsprechen. Dies bedeutet nun aber nicht, daß es darum geht, jemanden zu ‘verreißen’ oder zu kompromittieren. Fotos, die einen Menschen in einer äußerst unvorteilhaften Haltung zeigen – es gibt solche Momente – finden in unseren Heften ganz bewußt keine Verwendung.«84
Auf die Frage, welche Funktion das fotografische Bild in Profil habe, antwortet Guth: »Es kommt die ganze Bandbreite vor: vom Lückenfüller, wenn einmal zuwenig geschrieben worden ist – von allen trivialen Gründen die verabscheuungswürdigste Verwendung eines Bildes – bis hin zum Bild, durch das der Text, der Inhalt des Textes, visuell dargestellt wird. Es ist die ganze Bandbreite vorhanden – ich muß fast sagen leider –, denn am schönsten wäre natürlich, man hätte immer die Fotos, die die Sache beschreiben. Man schreibt zum Beispiel eine Geschichte über den Zerfall des Tito-Jugoslawiens, und dort gibt es ein Bild von einem Soldaten, der triumphierend auf einem riesigen Tito-Bild steht. Es ist die Illustration sehr wichtig. Beim ganzen Ressort Innenpolitik arbeitet man beispielsweise mit Mimik, Gesichtsausdruck und Körperhaltung der Leute, um bestimmte Situationen zu beschreiben. Natürlich hat das Bild auch die Funktion, Interesse zu erzeugen.«85
Eine Möglichkeit, Interesse zu erzeugen, sieht Guth nun darin, besonders originelle Bilder für die jeweiligen Berichte auszuwählen:
83 Rausch 1992 o.S. 84 ebd. o.S. 85 ebd. o.S.
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»[...] Dabei ist es die Aufgabe, aus den zur Auswahl stehenden Fotos die besten auszusuchen. Es gibt dabei auch gewisse Kriterien, nach denen man vorgeht. Man versucht immer originell zu sein, wenn dies in hundert Fällen nur zehnmal glückt. Ein Beispiel: Wenn ich etwa Fotografien des Sozialministers vor mir habe, wird er auf den meisten Fotos auf die gleiche Art und Weise abgebildet sein. Wir versuchen nun beim Fotografieren von Politikern, die Menschen symbolisch darzustellen, Gesten oder ähnliches zu erfassen.«86
Die Suche nach der originellen Darstellung einer Person führt nun, wie sich in mehreren Aussagen von visuellen Berichterstattern findet, zum Wunsch des Auftraggebers der Berichterstattung nach dem anderen Bild. Was man sich unter dem ‘anderen Bild’ vorstellen kann, beschreibt etwa Tim Brakmeier, Bildjounalist der dpa, in einem Interview mit Herlinde Koelbl, wenn er ausführt, inwiefern heute ein Umbruch in der Fotoverwendung in Zeitschriften und Zeitungen festzustellen ist: »Immer mehr Zeitungen [bevorzugen] das sogenannte ‘andere Bild’. Es sind heute oft nur noch die kleinen Zeitungen, die keine eigene Bildredaktion haben, die auf typische Agenturbilder zurückgreifen. Die größeren Zeitungen dagegen wollen nicht mehr die Standards wie: drei Minister unterhalten sich und stehen dabei möglichst kompakt zusammen, sondern dass man zum Beispiel ein bisschen mit leeren Räumen spielt, also quasi kompositorisch anders arbeitet. So ein Bild wäre etwa, wenn man als extremes Panorama die ganze Ehrenfront abbildet und an einem Ende davon, ganz klein, die beiden Staatsgäste.«87
Und Nicole Maskus, freie Fotografin mit Schwerpunkt Politik, antwortet auf die Frage Koelbls, was ihre Auftraggeber von ihr erwarten würden: »Gefragt ist immer das andere Bild. Aber das will jeder, das ist ein großes Wort, und keiner weiß, wie denn das andere Bild genau aussehen soll. Es ist eben nicht das alltägliche Bild, wie man es immer sieht, sondern es zeigt einen neuen Blickwinkel oder eine neue Situation.«88
Matthias Cremer, Fotochef der österreichischen Tageszeitung Der Standard, führt diesen Trend zum ‘anderen Bild’ vor allem auf zwei Ursachen zurück. Zum einen führe die umfassende Fernsehberichterstattung dazu, daß maßgebliche politische Akteure so oft gezeigt würden, daß eine Abbildung dieser Personen langweilig erscheint, wenn sie nicht eine besondere Aussage oder ein spezielles Motiv bietet. Der zweite wesentliche Grund wäre darin zu sehen, daß die spezielle Aufbereitung von politischen Ereignissen wie beispielsweise Pressekonferenzen von seiten der politischen Akteure und ihrer Mitarbeiter dazu führe, daß man versucht sei, diesen Inszenierungen zu entgehen und sie eben nicht abzubilden.89 Auch habe der Mut zum ‘anderen Bild’ über die Jahre zugenommen – auf den Standard treffe dies jedenfalls zu. Cremer illustriert seine Aussage mit folgenden Beispielen, die ich aufgrund ihrer Aussagekraft zum Trend ‘anderes Bild’ praktisch ungekürzt wiedergeben möchte: [Teilweise] sind wirklich ganz abstruse Bilder auf Seite Eins gekommen, einfach deshalb, weil es auch wirklich schöne Fotos waren, die in irgend einer Form etwas widergespiegelt haben, was auch immer. An zwei Sachen kann ich mich erinnern: Das eine Bild war von Waldheims Neujahrsempfang – den gibt es jedes Jahr zu Neujahr, meistens um den Zehnten oder Vierzehnten herum. Da empfängt er Diplomaten aus der ganzen Welt, und sie kommen normalerweise alle im Frack, aber die aus den
86 87 88 89
ebd. o.S. Koelbl 2001:149 ebd.:124 Matthias Cremer in einem Interview, das ich im Februar 2000 bei der Vorarbeit zu dieser Arbeit mit ihm führen konnte (siehe Quellenverzeichnis).
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exotischen Ländern kommen in ihren jeweiligen Landestrachten. Damals bin ich ein bißchen früher gekommen und mit mir gleichzeitig ein wunderschöner Typ in weißen wallenden Gewändern mit einem Turban. Der hat ausgeschaut wie aus Tausend-und-einer-Nacht und ist durch die Hofburg gegangen, durch den langen Gang und in die diversen Säle, die ausschauen wie in Schönbrunn ungefähr. Da gibt es einen Saal, der ist voll mit Spiegeln, und da ist der durchgeweht. Da hab ich mich genau hinter ihn gestellt, ganz in der Achse, ein ganz strenges Bild: Er genau in der Mitte und rundherum der ganze Pomp. Das hat eigentlich mit Waldheim nichts zu tun gehabt. Man hat auch nicht gesehen, daß er ihm die Hand gibt und daß das der Neujahrsempfang ist. Man hat das eigentlich nur erahnen können. Und das ist auf der Seite Eins erschienen. ‘Superbild, nehmen wir’, hatte ja auch etwas von dieser seltsamen Stimmung – dieses Präsidentenamt hat ja immer noch so was aus der k.u.k. Monarchie. Das andere Bild entstand bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft öffentlicher Dienst im Festsaal vom Palais Ferstl [...]. Da war auch Koalition, damals Vranitzky und Busek, und die beiden sitzen in Sitzreihen, die waren genau in der Mitte geteilt. In der Mitte ein ziemlich breiter Gang, links eine Partie, rechts eine Partie, und genau auf dem einen inneren Eck ist Vranitzky gesessen, auf dem anderen Busek. Irgendwer hinter mir hat eine Rede gehalten, die ich eigentlich hätte fotografieren sollen. Da hab ich mir gedacht, nein danke, jetzt nehm’ ich einmal die zwei und mach’ ein Foto, wie sie so ganz links und rechts sitzen, und dann schauen wir. Ich sitz’ da und fotografiere und in dem Moment hört der Redner hinter mir mit seiner Ansprache auf, d.h. die Anwesenden applaudieren zwangsweise. Ich sitze aber dort und fotografiere genau in den Gang hinein. Sowohl Busek als auch Vranitzky denken sich offensichtlich: ‘Was ist denn das eigentlich, was der da in der Mitte fotografiert?’. Die dahinter schauen auch so, und alle schauen in die Mitte hinein – und in der Mitte – nichts. Im Endeffekt: Ein Bild auf dem sie sich quasi anschauen und applaudieren. Und das Ganze in einem sehr hübschen Saal.«90
Diese Aussagen verdeutlichen, daß es bei der aktuellen Bildberichterstattung sowohl um eine sachlich inhaltliche Dimension der „neuen Bildästhetik“ geht als auch um einen Wert darüber hinaus. Es ist der Blick „hinter die Kulissen“, der Blick „hinter die Inszenierung“, der dem Leser eine bestimmte Sicht von Politik vermitteln soll. Diese Art der Information findet sich sehr wohl auch in der verbalen Berichterstattung, vor allem in Nachrichtenmagazinen, einer Medienart, die den Journalisten ausreichend Platz bietet, um auch Stimmung und Atmosphäre, wenn sie dem Berichterstatter wesentlich erscheint, an den Leser zu vermitteln. Gertraud Lessing, langjährige Österreich-Korrespondentin des amerikanischen Nachrichtenmagazins Time, beschreibt etwa die sprachliche Zeichnung von Stimmungsbildern als traditionelles Stilmittel von Time. So hätte sie in ihren frühen Jahren bei Time gelernt, daß eine in echtem „Timese“ geschriebene Geschichte mit einer tatsächlichen Beobachtung beginnen würde, idealerweise mit der Nennung der Uhrzeit des Ereignisses oder mit einer kennzeichnenden zeitangebenden Formulierung. Der erste Schritt der Berichterstattung sei somit, eine Situation oder eine Stimmung zu etablieren. Lessing weist aber auch darauf hin, was ihrer Meinung nach der Grund dieser Art von Berichterstattung ist – auf diese Weise vermittle man Glaubwürdigkeit und Aktualität. »Eine Time-Story fängt an mit einer tatsächlichen Beobachtung: An jenem 6. Juli war es sehr heiß, als der Premierminister sich den Schweiß abwischte – wir waren dabei. So ist das ungefähr. Damit etabliert man Glaubwürdigkeit, wenn man weiß, daß der Premierminister sich den Schweiß abgewischt hat. Unerhört, der Time-Mann stand daneben.«91
90 ebd. 91 Gertraud Lessing in einem Interview, das ich mit ihr zum Thema dieser Arbeit im April 2002 führen konnte (siehe Quellenverzeichnis).
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Anhand dieser Ausführungen zeigt sich nochmals, daß die ästhetische Seite von Nachrichtenvermittlung sowohl eine sprachliche als auch eine visuelle Ebene aufweist, und auch, daß diese Ebenen sowohl für inhaltliche Aussagen als auch für „Selbstaussagen“ genutzt werden. Es wird also versucht, einerseits bestimmte sachliche Informationen zu vermitteln, andererseits wird aber durch die Art der Aufbereitung dieser Nachrichten auch vermittelt, wie der Kommunikator gesehen werden will, etwa, wie aus den Aussagen zum ‘anderen Bild’ hervorgeht, als originell oder auch als besonders glaubwürdig oder informiert.92 Hier zeigen sich Berührungspunkte zu zwei bereits mehrmals angesprochenen Theorien der Analyse von Medieninhalten: der Framing-Theorie und der Nachrichtenwerttheorie. Wobei die FramingTheorie eher eine Technik der Nachrichtenbehandlung beschreibt – durch den Einsatz bestimmter Darstellungsmittel werden jeweils bestimmte WahrnehmungsSchemata aktualisiert; die Nachrichtenwerttheorie beschreibt hingegen, welche Schemata bezüglich Nachrichtenrezeption als besonders „publikumswirksam“ angesehen werden. Dabei weist sie speziell darauf hin, daß vor allem diejenigen Nachrichten eine große Chance haben, in die Berichterstattung von Massenmedien aufgenommen zu werden, die mehrere Nachrichtenfaktoren aufweisen; beide Theorien machen bewußt, daß diese Eigenschaften nicht als „genuine“ Merkmale dieser Nachrichten gesehen werden können, sondern daß diese Eigenschaften durch die Art der Aufbereitung einzelnen Nachrichten „verliehen“ werden. Gezeigt werden sollte nun, daß es für die Untersuchung der visuellen Berichterstattung gewinnbringend sein kann, zusätzlich zu berücksichtigen, daß der Kommunikator für die erfolgreiche Kommunikation auch sich selbst definieren muß und daß er dafür dieselben Möglichkeiten nutzt (verbale bzw. visuelle Vermittlung und Frauming), die er auch für die zu vermittelnde Sachinformation verwendet. Dies ist relevant, da sich daraus, wie angesprochen, neue Untersuchungskategorien ergeben können, d.h. daß die bisher in der empirischen Untersuchung von Nachrichtenbildern herangezogenen Formen der Rahmung, die sich aus der Nachrichtenwerttheorie ergeben, in ihrer Bedeutung eventuell neu gewichtet werden müssen.93 So scheint 92 Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine Aussage von Alex Hefter, Designer und Leiter der Stabsstelle CorporateDesign des ZDF, zum Re-Design der ZDF Nachrichtensendung heute, der erkennen läßt, wie ästhetische Aufbereitung im Sinne des Glaubwürdigkeitsgewinns nicht nur auf Sachebene, sondern auch auf der Ebene der Selbstbeschreibung des Kommunikators eingesetzt wird (der von Hefter gewählten Formulierung nach zu schließen, geschähe dies aus seiner Sicht offenbar ausschließlich zum Nutzen des Rezipienten): »[...] Der Krieg im Kosovo wurde im Fernsehen aus Mangel an realen Bildern fast schon wie ein Videospiel verpackt – strategische Truppenbewegungen, Raketenabschüsse von Kriegsschiffen, Einschläge im Feindesgebiet: Die 3D-Computersimulation macht es nachvollziehbar. An dieser Stelle zeigt sich die Macht der Bilder. Was dem Zuschauer in dieser Form als Information ‘vor Augen geführt’ wird, erscheint ihm glaubwürdig und wahrhaft. Er kann sich – wenn auch nur mithilfe einer Simulation – ein Bild von den Geschehnissen machen, die einer vermeintlichen Wirklichkeit näher sind als jeder reine Text. Hier sind Glaubwürdigkeit und gut recherchierte Information aus redaktioneller Sicht für einen Nachrichtensender von größter Bedeutung. Grafische Verpackung kann diese Inhalte im positiven Sinne dem Zuschauer eingängiger vermitteln« (vgl. Hefter 1999:158). 93 Jürgen Raab führt in seiner Arbeit Medialisierung, Bildästhetik, Vergemeinschaftung aus, warum unter medialer Konkurrenz visuelle Codes laufend Veränderungen unterliegen. »Wo ein heterogenes Massenpublikum dauerhaft medial bedient werden muß, besteht die Konkurrenz der Bildanbieter auch darin, visuelle Mehrwerte zu erzeugen, was den pikturalen Code in Bewegung hält, eine Potentialisierung und Pluralisierung der Ordnung bewirkt und den Betrachter regelmäßig mit neuen und
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sich beispielsweise aus den Ausführungen über den Trend zum ‘anderen Bild’ zu ergeben, daß der Nachrichtenwert Überraschung (im Sinne von ‘Originalität’) höher bewertet wird als der Nachrichtenwert Prominenz oder Personalisierung. Darüber hinaus scheinen die Untersuchungskategorien, die sich aus dem vorgestellten Untersuchungskonzept zu ‘Schlüsselbildern’ ergeben, überdenkenswert, wenn das Ziel Vermittlung von Originalität genau dazu führt, die Verwendung von ‘Schlüsselbildern’ zu vermeiden und statt dessen durch neue ästhetische Mittel Alternativen zu „klassischen“ Pressebildern zu präsentieren. Der in der vorliegenden Arbeit verwendete Begriff Medienästhetik soll darüber hinaus darauf verweisen, daß sich die Wahl der Frames der Berichterstattung sowie die Selektion nach Nachrichtenwerten von Medium zu Medium unterscheiden. Denn bestimmte Traditionen sowie dem Medium eigene Möglichkeiten und Funktionen gestatten und begründen sowohl auf Sachebene als auch auf der Ebene der Selbstdefinition die Verwendung ganz bestimmter Frames und eine spezielle Gewichtung bei der Selektion nach Nachrichtenfaktoren.94 So wird dem Medium durch seine wöchentliche Erscheinungsweise, wie gezeigt wurde, ein spezielles Verständnis von Aktualität „aufgezwungen“, das sich nicht nur in der Themenwahl, sondern auch in der Art der Themenaufbereitung spiegelt – und dies, wie aufgrund bisheriger Ausführungen anzunehmen ist, sowohl auf verbaler als auch auf visueller Ebene. Gleichzeitig ergibt sich aus dem wöchentlichen Erscheinen eine zeitliche Ressource, die insofern von Bedeutung für die ästhetische Ebene ist, als daraus folgt, daß unter geringerem Zeitdruck eine größere Sorgfalt bei der Wahl und der Bearbeitung dieser Ebene möglich ist. Die spezielle Funktion des Mediums, die ebenfalls auf seinem wöchentlichen Erscheinen basiert, die sogenannte ‘Hintergrundberichterstattung’, bringt mit sich, daß einzelnen Berichten mehr Raum zur Verfügung gestellt wird. Auf ästhetischer Ebene bedeutet dies, daß bestimmten Aspekten der Darstellung – etwa der Vermittlung von Stimmung bzw. Atmosphäre – größere Bedeutung zuerkannt werden kann. Damit kommen andere visuelle Darstellungsstrategien zum Einsatz als bei tagesaktuellen Printmedien. Hinzu kommen spezielle technische und traditions- bzw. trendbedingte Gestaltungsweisen. So ist es im verschiedenartigen Sehweisen konfrontiert« (Raab 2001:57). Ein Beispiel dafür wurde mit den Ausführungen zum Trend ‘anderes Bild’ gegeben. 94 Auf die Sinnhaftigkeit, Nachrichtenfaktoren für die empirische Untersuchung ressortspezifisch zu gewichten, verweist Joachim Friedrich Staab (1976:111ff.); sie medienspezifisch zu gewichten schlägt Bartel vor (1997:262); bei Klaus Schönbach (1980) findet sich ein Hinweis darauf, daß die Bedeutung der Nachrichtenfaktoren je nach Wettbewerbsstrategie des Kommunikators variiert (zitiert nach Bartel 1997:262). Bei Claudia Wegener findet sich ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Nachrichtenfaktoren und Wettbewerbsstrategie, und zwar in dem Sinne, auf den im folgenden unter dem Titel Visuelle Markenkommunikation näher eingegangen werden soll. Wegener schreibt in ihrer Arbeit Informationsvermittlung im Zeitalter der Unterhaltung: »Die Absichten, die [...] Journalisten mit der Betonung spezifischer Nachrichtenfaktoren verfolgen, können [...] vielfältig sein. So sind politische Motivationen denkbar, die dem Publikum bestimmte Einstellungen nahelegen sollen [hier verweist Wegener auf Kepplinger 1989, vgl. Literaturverzeichnis]. Im Rahmen informationsorientierter Magazine kann die Betonung einzelner Nachrichtenfaktoren darüber hinaus der Generierung eines individuellen Magazin-Profils dienen, das sich von anderen Magazinen auf diese Art unterscheiden soll. Das unverwechselbare Image einer Sendung kann bei einer zunehmenden Programmvielfalt und der damit verbundenen Quotenorientierung von wachsender Bedeutung sein. Die Betonung einzelner Nachrichtenfaktoren als übergeordnetes Kennzeichen einer Sendung stellt zudem eine Möglichkeit der Zielgruppenorientierung dar, die die Bindung spezifischer Rezipientengruppen unterstützen kann« (Wegener 2001:110).
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inzwischen durchgängig in Vierfarbendruck produzierten Nachrichtenmagazin beispielsweise möglich, auch Texte farblich zu gestalten, typographische Lösungen zu finden, die für den Zeitungsdruck nicht geeignet wären, zusätzliche Gestaltungselemente wie farbige Balken zu verwenden oder fotografische Bilder einander überlappend anzuordnen. Berücksichtigt man, daß auch diese Gestaltungsformen zeichenhaft verwendet werden, so wird deutlich, warum die Analyse der visuellen Nachrichtenaufbereitung unter medienästhetischem Aspekt zielführend erscheint. Medienspezifisch kann die visuelle Aufbereitung von Nachrichtenmagazinen auch als bedingt durch die Zielgruppen gesehen werden, an die sich das Medium richtet. Diese Zielgruppen sind, wie ausgeführt wurde, sowohl am Leser- als auch am Inserentenmarkt angesiedelt und bedingen einander auf wesentliche Weise. So muß ein Medium, das bestimmte Inserentengruppen ansprechen will, eine diesen Inserenten entsprechende Leserschaft aufweisen. Klaus Peter Landgrebe beschreibt die Leserschaft von Nachrichtenmagazinen als beispielsweise durchwegs besser ausgebildet als der Bevölkerungsdurchschnitt insgesamt.95 Sie ist daher vorwiegend einer oberen sozialen Schicht zuzuordnen.96 Außerdem ist der größere Teil der Leserschaft männlich, auch wenn dieser Anteil pro Nachrichtenmagazin-Titel relativ stark schwankt.97 Da Zeichen, ihre Verwendung und ihre Bedeutungszuschreibung als sozial bedingt betrachtet werden müssen, ist davon auszugehen, daß Medienprodukte eine zielgruppenspezifische Ästhetik aufweisen.98 Das bedeutet, ein Medium, das bestimmte Zielgruppen erreichen will, muß sich gegenüber manchen ästhetischen Codes aufgeschlossen zeigen und sich gegenüber anderen verschließen. So werden beispielsweise Modernität oder Qualität und damit auch Kategorien wie Glaubwürdigkeit je nach sozialer Zugehörigkeit visuell unterschiedlich codiert. Uwe Göbel zeigt etwa am Beispiel des visuellen Aufbaus von Zeitschriften-Titelblättern auf, daß ein Zusammenhang zwischen Verkaufspreis und der Menge der im Cover präsentierten Themen festzustellen sei: »Die Titelgestaltung muss den unterschiedlichen Käufer-Zielgruppen Rechnung tragen. Je hochpreisiger eine Zeitschrift angeboten wird, desto aufgeräumter und eleganter ist ihr Titel gestaltet. Umgekehrt kann gelten: Je niedriger der Verkaufspreis einer Zeitschrift ist, desto voller und geradezu ‘zugepflastert’ wirkt ihr Titelbild durch Texte und Fotos. Die Erfahrung hat die Zeitschriftenmacher gelehrt: Ein Großteil der Käufer niedrigpreisiger Zeitschriften geht davon aus, daß der Fülle der Titelthemen eine besondere Vielzahl von inhaltlichen Beiträgen entspricht.«99
95 vgl. Landgrebe 1994:33 96 Aus dieser Spezifikation der Leserschaft (sogenannte A+B Schicht) und daraus resultierenden Schwerpunktsetzungen erklärt sich auch, warum manche Magazintitel, die sich selbst als Nachrichtenmagazine sehen (etwa das österreichische Magazin News oder das deutsche Magazin Stern), nicht Nachrichtenmagazinen wie beispielsweise Der Spiegel, Profil oder Time gleichgestellt werden. 97 vgl. Landgrebe 1994:33 98 In diesem Zusammenhang wurde der Begriff der Tribalisierung der Gesellschaft geprägt. Ein Phänomen, das vor allem in der Gestaltung von Werbebotschaften seine Berücksichtigung findet. So findet sich bspw. im Vorwort der Werbetrendanalyse der Akademie Bildsprache aus dem Jahr 2000 (Seite 3) folgende Feststellung: »Über Konsumorientierungen und deren Ästhetik bilden sich alternative Systeme aus, welche existierende soziale und politische Gruppen mehr und mehr überlagern. Communities of Choice, Stilgruppen, die auf diese Weise entstehen, bieten über LifestyleOrientierungen soziale Integrität an«; eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik findet sich etwa bei Schwender 2001:179ff. 99 Göbel 2002:221
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Eine bekannte ästhetische Kategorie stellt die visuelle Gestaltung der Boulevardpresse dar, die sich durch eben diese von Göbel beschriebene Fülle sowie durch einen durchgängigen Mangel an ästhetischer Qualität (lack of aesthetic qualtity)100 auszeichnet. Dies scheint auf den bereits angesprochenen Punkt zu verweisen, daß bestimmte Lesergruppen Design bei Printprodukten nicht, andere dieses sehr wohl als Qualitätsmerkmal sehen. Für die Untersuchung von visuellen Erscheinungsbildern von Printmedienprodukten erscheinen die Kategorien ‘Boulevard’ und ‘NichtBoulevard’ als Pole allerdings als unzureichend.101 Sich die Entwicklungen der differenzierten zielgruppenorientierten Gestaltung zu vergegenwärtigen ist für die empirische Untersuchung visueller Politikvermittlung insofern wesentlich, als sie teilweise allgemeinen Medientrends zuwiderzulaufen scheinen und dadurch auch aus diesem Grund eingeführte Untersuchungsschemata eventuell unterlaufen werden. So wird etwa von theoretischer Seite allgemein von einer Zunahme fotografischer Bilder in Printmedien ausgegangen, im aktuellen ästhetischen Diskurs der praktischen Mediengestaltung findet sich hingegen ein Trend zum gestalterischen „Purismus“ und damit zum Einsatz von weniger Bildmaterial. Beispielsweise sprach der Printmedien-Gestalter Mario R. Garcia in einem Vortrag zum Thema ‘Trends der Printmedien-Gestaltung’ auf der größten europäischen Designkonferenz, der Typo Berlin, im Mai 2002, von einer Trendwende in der Printmedien-Gestaltung: »We are now going [...] into what I call a very minimalistic, simplistic period in design«.102 In einer sogenannten ‘Fallbesprechung’ im Rahmen derselben Veranstaltung zeigte Garcia seinen Zuhörern auf, wie dieser Gestaltungstrend umzusetzen sei. Er führte beispielsweise aus: »[...] if we talk about this minimalistic design, it is very simple. The formula is to have one photo per page that is five times bigger than any other photo. That is the basic ... at least three times bigger. You avoid one little photo here, another little photo there, another one there. You know, sometimes that is difficult to do because the temptation is you have the pictures, you have the technology, put it there. This is what we are trying to get away from. Make the editors be more editors. Choose. [...] It is more difficult I tell you to do this pure simple design where you have to go for one image. You put all your money on one image. It is more difficult than to have three images here. I am not saying that you don’t do pages with many photos, I am saying that you will see more of the single photo, headline and text combination.«103
Dieser Trend würde sich zwar, so Garcia, nur sehr bedingt im zukünftigen Layout etwa der Bild-Zeitung finden, doch auch hier könne mit einem gewissen Einfluß auf die visuelle Gestaltung des Blattes gerechnet werden.
100 vgl. Carter 2003:[www] 101 Stefan Schirmer bietet eine Untersuchung zum Thema ‘Boulevardstil’ am Beispiel der TitelseitenAufmacher der Bild-Zeitung (vgl. Schirmer 2001). Eine andere, ebenfalls „klassische“ ästhetische Kategorie ist die der sogenannten ‘Goldenen Blätter’, von Dietrich Ratzke knapp folgendermaßen beschrieben: »Leicht und heiter sei das Leben, ‘schön’ im weitesten Sinne, lautet das Postulat« (Ratzke 2000:198). Ulrich Saxer und Martina Märki-Koepp widmen sich der eingehenden Untersuchung der Bildsprache dieses Medientyps in ihrer Arbeit Mediengefühlskultur – Zielgruppenspezifische Grfühlsdramaturgie als journalistische Produktionsroutine (1992). 102 Transkript einer Aufzeichnung des Vortrags vom Mai 2002 (siehe Quellenverzeichnis; vgl. auch http://www.fontshop.de/typo2002/docu/frameset_day2.php). 103 Transkript einer Aufzeichnung des Workshop-Vortrags vom Mai 2002 (siehe Quellenverzeichnis; vgl. auch http://www.fontshop.de/typo2002/docu/frameset_day2.php).
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Durch den Aspekt der zielgruppengerechten Gestaltung von Nachrichtenmagazinen kommt nochmals die Gruppe der Editorial-Designer in den Blickpunkt, denn ihr wird die spezielle Kompetenz zugesprochen, Inhalte dem ästhetischen Empfinden einer bestimmten Publikumsschicht entsprechend aufzubereiten. Von GrafikDesignern wird also erwartet und angenommen, daß sie in der Lage sind, die Bildsprache in verschiedenen Dialekten zu sprechen.104 Hier trifft sich die Medienästhetik als jeweils bestimmter Bildsprachendialekt mit dem ästhetischen Bewußtsein sozialer Gruppen als ebenfalls bestimmter Dialekt – damit eine Verständigung möglich ist, muß es Überlappungen geben. Ein besonders hohes Bewußtsein dieser Notwendigkeit gibt es im Kommunikationsbereich ‘Werbung’. Clemens Schwender bringt es in seiner Arbeit Medien und Emotion, in der er unter anderem die evolutionspsychologischen Wurzeln des ästhetischen Empfindens untersucht, auf den folgenden Punkt: »Produktwerbung nutzt die gleichen Mittel wie Partnerwerbung, nämlich ästhetische. Der Gebrauchswert eines Produktes muss vor dem Gebrauch vermittelt werden. Die Oberfläche wird gestaltet und die Ware entsprechend verpackt. Das Image und die Umgebung erhalten eine aufwendige Gestaltung. Verpackung und Produkt müssen dabei nicht einmal in funktionaler Verbindung stehen.«105
Nun ist das laut Schwender durch die Verpackung vermittelte Image für Nachrichtenkommunikatoren besonders wesentlich. Wer mit dem Produkt ‘Nachrichten’ handelt, ist darauf angewiesen, daß ihm ein bestimmter Ruf „vorauseilt“. Nur wem geglaubt wird, daß er informiert, kompetent und glaubwürdig ist, dem wird auch eine Nachricht als Nachricht im engeren Sinne abgenommen. Hier unterscheidet sich das Produkt ‘Nachricht’ von anderen Produkten wie etwa ‘Unterhaltung’, und dies spiegelt sich auf ästhetischer Ebene. Nachrichten müssen in einer speziellen Form präsentiert werden, wie beispielsweise private Fernsehanstalten zur Kenntnis nehmen mußten, als sie mit neuen Formen der Aufbereitung von ‘Nachrichtensendungen’ nicht die erwarteten Erfolge verbuchen konnten. So zitiert Ralph Bartel den ehemaligen Chefredakteur des deutschen Privatsenders RTL plus Dieter Lesche, der in einem Interview mit Bartel zum Thema Nachrichtenpräsentation unter anderem feststellte: »Nachrichten sind die schwierigste Ware überhaupt, weil die Leute jahrzehntelang die dröge Tagesschau gewöhnt sind. Und sie auf neue Pfade zu führen, ohne damit gleich in die inkompetente Ecke 104 Zur Überprüfung, ob der richtige „Ton“ getroffen wird, wird vielfach die Zielgruppenforschung herangezogen. Ein Instrumentarium, das allgemein – auch für die Ausrichtung des redaktionellen Angebots – im Medienbereich verstärkt eingesetzt wird. So beschreibt z.B. Landgrebe, daß das Nachrichtenmagazin Focus vor seiner Markteinführung von sechs renommierten Instituten „unter die Lupe genommen“ worden sei, um das visuelle und redaktionelle Konzept an den Wünschen und Bedürfnissen der Zielgruppe ausrichten zu können (vgl. Landgrebe 1994:6). 105 Schwender 2001:181; diese Aussagen führt Schwender näher aus, indem er auf Wolfgang Fritz Haugs Theorie der Werbung verweist. Haug schließt in seiner Theorie an die marxistischen Begriffe des Tausch- und Gebrauchswert an und spricht von einer Semiotisierung des Konsums, womit er ausdrücken will, daß die ästhetischen und sozialen Zeichen wichtiger werden als das Bezeichnete, also die Gebrauchsgüter selbst. Damit kann man Haug als Theoretiker der Markenkommunikation sehen, der das Phänomen Marke kritisch beleuchtete, einige Zeit bevor der Begriff Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch fand (vgl. Haug 1971, auch Haug 1986; auf Medienmarken bezogene Anmerkungen zu Haugs Kritik der Warenästhetik siehe Siegert 2001:222f.). Die Erkenntnis, daß sich der Wert einer Ware für den Konsumenten nicht nur aus seinem ursprünglichen Gebrauchswert ergibt, ist bekanntlich unter den Begriffen Grund- und Zusatznutzen in die Verkaufslehre eingegangen.
7 Schlußfolgerungen für das Verständnis der visuellen Darstellungslogik
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gerückt zu werden, das ist ein ganz schwieriges und gefährliches Unternehmen, wo wir auch in der Vergangenheit Fehler gemacht haben, wo wir das mit dem Boulevardjournalismus zu sehr übertrieben haben, wo wir mal zu witzig waren. Bei den Leuten heißt es dann sofort: Das war witzig, aber nicht kompetent! Die Zuschauer wollen ja wirklich informiert werden und Nachrichten bekommen, aber ihnen gefällt auch, das wissen wir aufgrund des Feedbacks und aufgrund von Untersuchungen, wenn Nachrichten nicht ganz so ‘heavy’, nicht ganz so ernst, nicht ganz so bürokratisch vermittelt werden wie durch die Tagesschau.«106
Mit dieser Aussage wird nochmals veranschaulicht, weshalb es sinnvoll erscheint, von zwei Dimensionen der ästhetischen Aufbereitung von Nachrichten zu sprechen. Einerseits müssen die Anbieter eine Präsentationsform wählen, durch die das vom Rezipienten im Sinne der Glaubwürdigkeit geforderte Image des Kommunikators vermittelt wird, andererseits stehen sie unter dem Druck, eine Alternative zum bereits Etablierten bieten zu müssen, um beispielsweise von „alteingesessenen“ Anbietern, die teilweise über lange Zeit genau dieses Image geprägt haben, Publikum abwerben zu können. Dieser Zwang zur Differenzierung führt nun – so die hier vertretene These – zu einer speziellen Form des Umgangs mit der aus verschiedenen Faktoren hervorgehenden Medienästhetik, die unter dem Titel visuelle Markenkommunikation nun näher besprochen wird. Dieses im Bereich Marketing beheimatete Strategiekonzept – darauf sei an dieser Stelle nochmals verwiesen – soll in der vorliegenden Arbeit nur insofern behandelt werden, als es einen Erklärungswert für die „Ikonografie von Nachrichtenmagazinen“ verspricht.
7.6
‘Visuelle Markenkommunikation’ als Faktor für das Verständnis der visuellen Politikvermittlung
Eine äußerst interessante Untersuchung zum Thema ‘Zeitschriften’ bietet Kathrin Steinbrenner, die unter dem Titel Die Bedeutung der Emotionalität bei der Zeitschriftenrezeption darauf eingeht, daß jede Zeitschrift neben ihren rational erfaßbaren bzw. sichtbaren thematischen Inhalten auch über ein emotionales Profil und einen Charakter verfügt, die das subjektiv aufgebaute Wirklichkeitskonstrukt der jeweiligen Zeitschrift selbst widerspiegeln.107 Zentraler Ausgangspunkt der Untersuchung ist für Steinbrenner, daß zwischen der Zeitschrift und ihrem Rezipienten über dieses emotionale Profil eine emotionale Verbindung aufbaut wird, die einer Beziehung zwischen Freunden und Bekannten gleicht. »Solche emotionalen ‘Links’, wie sie in diesem Rahmen genannt werden, sind jene Verbindungen, die die Rezipientin zwischen ihrer eigenen Lebens- und Gefühlswelt und der Lebens- und Gefühlswelt der Zeitschriften herstellt. Die Rezipientin gerät beim Lesen einer Zeitschrift in eine bestimmte Verfassung, sie hat bzw. schafft sich ein bestimmtes Leseerlebnis, das sich ihrem eigenen Lebensgefühl entsprechend je individuell bildet. Melchers (1995:141f.) spricht von der Rezeptionsverfassung des Rezipienten, dessen Leseverhalten psychologischen Gesetzen gehorcht, ‘von denen der Leser allerdings nicht weiß, daß sie ihn bestimmen’, da sie unbewußt stattfinden. Diese Rezeptionsverfassung bestimmt die subjektive Wahrnehmung einer Zeitschrift.«108
106 Bartel 1997:168 107 vgl. Steinbrenner 1998 108 Steinbrenner 2002:197
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Laut Steinbrenner findet im Kopf des Lesers eine ganzheitliche Wahrnehmung und Interpretation des Zeitschriftentitels statt. Aus dieser entstünde im positiven Fall ein grundlegendes Zutrauen in künftige, noch unbekannte Inhalte und Angaben der Zeitschrift sowie ein weniger kritisches Umgehen mit manchmal enttäuschenden Angeboten, die man der Lieblingszeitschrift, ähnlich wie einem guten Freund oder Bekannten, zubilligen und verzeihen würde. Der Kontakt mit der Zeitschrift erfolge, anders als bei der face-to-face-Kommunikation, mehr im Sinne einer parasozialen Interaktion. Die Zeitschrift könne dabei – so Steinbrenner – zum Kommunikationspartner abstrahiert werden, mit dem sich der Rezipient austauscht. »Je positiver dieser Kontakt ist, je mehr emotionale Links es gibt, desto stärker wird die Leser-BlattBindung und desto größer auch das Zutrauen in die informatorische Leistung der Zeitschrift, und desto glaubwürdiger erscheint sie dem Rezipienten.«109
Steinbrenner läßt nun in ihrer Untersuchung ihre Untersuchungsteilnehmerinnen Frauenzeitschriften (Brigitte, Cosmopolitan, Freundin, Petra, Tina) unter anderem als Personen beschreiben. Dabei entstanden erstaunlich genaue Bilder, wie sich etwa in den beiden folgenden Aussagen von zwei Untersuchungsteilnehmerinnen zur Zeitschrift Cosmopolitan zeigt: »Die Cosmo-Frau ist groß, sehr dünn, worauf sie auch sehr viel Wert legt. Sie ist nicht so modisch gekleidet wie die Elle-Frau, ganz und gar nicht. So eine trägt viel Schwarz oder so einen betonten Jeans- und Hemd-Look nach dem Motto, Mode bedeutet mir nichts, ich bin sehr ernsthaft. [...] Die Cosmo-Frau ist blond, naturblond.«110 »Die Frau, die ich gerne sein möchte, erfolgreich, im Leben stehend, nicht zu alt, sondern eher eigentlich kein Kind mehr, aber so im besten Frauenalter. Auf der Karrierestufe, fähig, die heutige Situation mit Beziehungen zu handhaben, [...] nicht dumm, ist noch wichtig, eine gewisse Intellektualität, also attraktiv, intelligent, relativ jung, zwischen 30 und 45.«111
Steinbrenner verweist darauf, daß die Interaktion der Rezipienten mit den fiktiven, aus Anmutungen und Eindrücken konstruierten Gegenübern im Bereich der Fernsehforschung bereits genauer erforscht wurde. Im Fernsehen gäben Moderatoren, Schauspieler und Repräsentationsfiguren der Sendeanstalt dem Rezipienten die Illusion der face-to-face-Beziehung, die die amerikanischen Soziologen Horton, Wohl und Stauss als parasoziale Kommunikation bezeichnet hätten. Im Mittelpunkt stehe die Vorstellung der Kommunikation mit der sogenannten ‘Persona’, die nicht zwangsläufig ein Star sein müsse und zu der mit wiederholtem Kontakt eine Bindung entstehe, in der der Persona schließlich als „Quasi-Freund“ immer differenziertere Charakterzüge und Eigenschaften zugesprochen würden.112
109 ebd.:198; ein Vorteil der Bindung der Kunden an einen Zeitschriftentitel aus Sicht des ZeitschriftenAnbieters liegt auf der Hand: Er kann sein Blatt regelmäßig an eine bestimmte Gruppe von Rezipienten verkaufen und durch die Größe dieser Gruppe gegebenenfalls auch bei seiner zweiten Zielgruppe, den Inserenten, punkten. Aus Sicht der Werber ist die Leser-Blatt-Bindung aber nicht nur wegen der Zahl der möglichen Rezipienten ihrer Anzeigen wesentlich, sondern auch deshalb, weil empirische Untersuchungen zeigen, daß eine hohe Leser-Blatt-Bindung die Bereitschaft der Leser fördert, sich Anzeigen zuzuwenden (vgl. Bonfadelli 2000:144). 110 Steinbrenner 2002:204 111 ebd. 112 ebd.:214; vgl. dazu auch Hans Norbert Janowskis Arbeit mit dem Titel Charisma? Die Rolle der Person in den Medien (2001).
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Ohne ausdrücklich darauf einzugehen, zeichnet Steinbrenner aus Rezipientenperspektive nach, was Medien als Unternehmen sich inzwischen als Unternehmensstrategie verschrieben haben: eine Marke – und damit eine „Persönlichkeit“ zu sein.113 An sich ist unter dem Begriff Marke ein „Vermerk“ zu verstehen (in Form eines Zeichens, eines Worts, einer Figur, einer Kerbe etc.), der dazu dient, eine Sache – egal ob Objekt oder Funktion – wiederzuerkennen, zu unterscheiden, zu identifizieren.114 Abgeleitet wurde der Begriff ‘Marke’ laut Susanne Latour aus dem französischen Wort marquer (kennzeichnen), und er lasse in seiner etymologischen Nähe zu ‘merken’ erkennen, wofür Marken und Markierungen gedacht sind: »Wir versehen etwas mit einem Zeichen, um es im Gedächtnis zu behalten und von anderen Dingen unterscheiden zu können«.115 Gleichzeitig sei eine Marke auch eine Unterschrift, ein Siegel, ein Stempel: »Ein Stempel wird auf ein Dokument gesetzt, um es authentisch zu machen«.116 Diesen Stempel- bzw. Unterschriftencharakter von ‘Marke’ betont auch Eugen Leitherer: Die Marke würde ein System darstellen, durch das sich der Hersteller oder Händler mit seinem Kunden verständige, und dies in einer Weise, die mit rationalen Mitteln nur teilweise erfaßt werden könne. Notwendig geworden sei diese Form der Kommunikation mit dem Kunden in den historischen Perioden, in denen der räumliche und somit auch semantische Abstand zwischen Hersteller und Abnehmer so groß wurde, daß zwischen diesen keine direkte Kommunikation mehr möglich war. Die Marke wurde so zum stereotypisierten und standardisierten Zeichen für einen Leistungsbereich, welcher sich dadurch gewissermaßen von den Personen – den Herstellern oder Händlern – ablösen kann.117 »Die Marke ist also der wirtschaftliche Aspekt einer „Individuation“ – modern gesprochen der Identifikation –, die der Vertrauensbildung und damit einer Einflußnahme dient. Es entstehen damit soziale 113 »Eine Marke hat eine Persönlichkeit, einen Charakter, der sich im Laufe ihres Lebens herausbildet und stabilisiert« (Schönberger 2001:17), »Eine Marke hat ein Gesicht wie ein Mensch« (Domizlaff 1982, zitiert nach Leitherer 2001:72). Gabriele Siegert stellt in ihrem Buch Medien Marken Management – Relevanz, Spezifika und Implikationen einer medienorientierten Profilierungsstrategie fest, daß durch die Formulierung einer Markenidentität anhand von demographischen Merkmalen, wie z.B. Geschlecht, Alter, sozioökonomischen Status, sowie menschlichen Eigenschaften, wie z.B. Wärme und Sensibilität, von seiten der Unternehmen versucht würde, das Identifikationsangebot an die Konsumenten zu verbessern (vgl. Siegert, 2001:52). Hier sei aufgrund der Parallele angefügt, was Christoph Fasel in seinem Artikel Die Nase ist die Nachricht unter anderem ausführt, nämlich, daß auch der Rezipientenkreis eines Mediums eine Definition als Persönlichkeit erfährt. Dies geschehe von seiten der Kommunikatoren vor allem als Schreibhilfe für die Journalisten, denen so ermöglicht werden soll, »in der Perspektive eines – zugegebenermaßen idealisierten, aber dennoch konkret definierten – Lesers, Hörers oder Zuschauers zu denken« (Fasel 2001:56). So spreche man in den Redaktionskonferenzen der Berliner Zeitung gerne von der ‘Oma vom Prenzlauer Berg’, der Berliner Kurier kapriziere sich hingegen auf den sprichwörtlichen ‘Schlosser aus Marzahn in der DreiraumPlattenwohnung’. Gleich zwei personalisierte Adressaten hätte der Gründer des deutschen Magazins Stern, Henri Nannen, seinen Schreibern präsentiert. Die erste und perfiderweise unschlagbare, weil nur ihm bekannt, sei seine berüchtigte ‘Schwiegermutter aus Hannover’ gewesen. Noch berühmter aber sei seine virtuelle Leserin ‘Lieschen Müller’ geworden. (Nannen hätte sich laut Fasel darüber hinaus auch anderen Presseorganen als Leser-Definierer angedient: Befragt, wie er im Gegensatz zum Stern die Leserschaft der deutschen Wochenzeitung Die Zeit sehe, hätte er prompt geantwortet: Das sei die Wochenzeitung für ‘Dr. Lieschen Müller’; vgl. ebd.) 114 vgl. Latour 1996:23 115 ebd. 116 ebd.:25 117 vgl. Leitherer 2001:57
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Beziehungen, denen gewissermaßen eine nach außen nicht sichtbare, hinter der Marke versteckte „geheime Kraft“ innewohnt. Ist der Symbolcharakter der Marke stark ausgeprägt, können sich um sie sogar ‘Gemeinden’ bilden, so wie sie sich um religiöse Symbole scharen [...] Die Marke kann sich sogar zum ‘Erkenntniszeichen’ eines Marktsegments entwickeln, vom Hersteller aus gesehen zu einer Zielgruppe. Solche Zielgruppen erkennen sich also – und schätzen sich ein – nach Zeichen. Auf diesem Phänomen beruht beispielsweise – neben der professionellen Qualität – der Markterfolg italienischer Designermarken. ‘Rational’ ist das, was nicht oft genug betont werden kann, nur teilweise und nur mühsam über Begriffe wie Prestige, Bandwaggon-Effekt u.ä. erklärbar.«118
Es zeigen sich also bisher zwei Dimensionen des Begriffs ‘Marke’: Einerseits bezeichnet der Begriff ein Symbol, das eine bestimmte Leistung repräsentiert, andererseits handelt es sich um eine Identität bzw. Qualität, die sich durch ein Symbol repräsentieren läßt. Es kann also beides – das Zeichen und das Bezeichnete – ‘Marke’ genannt werden, eine begriffliche Differenzierung kann durch die Begriffe ‘Markensymbol’ oder ‘Markenlogo’ einerseits und ‘Markenidentität’ oder ‘Markenpersönlichkeit’ andererseits erfolgen.119 In der vorliegenden Arbeit interessiert an diesem Zusammenhang vor allem folgendes: Wie im weiteren noch auszuführen sein wird, stellt das Konzept ‘Marke’ eine Unternehmensstrategie dar, die in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen zunehmend an Bedeutung für Medien-Unternehmen gewonnen hat. Es wird nun zu klären sein, inwiefern diese Unternehmensstrategie die bildhafte Berichterstattung von Medien berührt. Dies erscheint deshalb interessant, weil es zwar eine immer wiederkehrende Diskussion um den Themenbereich ‘Kommerzialisierung der Medien’ und deren Auswirkung auf die journalistische Berichterstattung gibt, die bildhafte Berichterstattung dabei aber eher als ne118 ebd.:58 119 Der Begriff ‘Marke’ weist darüber hinaus noch weitere Dimensionen auf, die teilweise schwer voneinander abzuheben sind, da der Begriff in nahezu allen Bezügen in uneinheitlicher Verwendung zu finden ist (vgl. Bruhn 2001:14; Kehrer 2001:199). Eine wesentliche Dimension des Begriffs ist die juristische, in der Marke ein schutzfähiges Zeichen benennt, das dazu geeignet ist, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden. Als schutzfähig gelten etwa Wörter (einschließlich Personennamen), Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder deren Verpackung sowie sonstige Aufmachungen wie Farben oder Farbzusammenstellungen (vgl. Latour 1996:19). Detailliert geregelt ist die Schutzfähigkeit einer Marke im sogenannten Markenrecht. Eine weitere wesentliche Verwendung des Begriffs erfolgt im Sinne von Markenware bzw. Markenartikel, womit einer Ware oder einem Gut bestimmte Eigenschaften zugesprochen werden, die nach Mellerowicz meist folgendermaßen zusammengefaßt werden: »Markenartikel sind die für den privaten Bedarf geschaffenen Fertigwaren, die in einem größeren Absatzraum unter einem besonderen die Herkunft kennzeichnenden Merkmal (Marke) in einheitlicher Aufmachung, gleicher Menge sowie in gleichbleibender oder verbesserter Güte erhältlich sind und sich dadurch sowie durch die für sie betriebene Werbung die Anerkennung der beteiligten Wirtschaftskreise (Verbraucher, Händler und Hersteller) erworben haben« (Mellerowicz 1963:39, zitiert nach Bruhn 2001:15). Der Betriebswissenschafter Manfred Bruhn sieht eine Markenware als Weiterentwicklung einer Marke: »Bei einer umfassenden und erfolgreichen Durchsetzung am Markt kann in einer weiteren Entwicklungsstufe die Marke zu einem Markenartikel werden, bei der ein höheres Niveau der zentralen Markeneigenschaft erreicht wurde« (Bruhn 2001:19). Im vorliegenden Zusammenhang erscheint es nicht als wesentlich, zu diskutieren, ob einzelne Nachrichtenmagazine für sich in Anspruch nehmen können, ein Markenartikel zu sein oder, wie weiter oben angesprochen, eine „Gemeinde“ um sich zu bilden. Interessant erscheint lediglich, daß Medienunternehmen offensichtlich in zunehmendem Maße eine Markenstrategie als unternehmerisches Konzept verfolgen und dafür bestimmte im vorliegenden Zusammenhang möglicherweise relevante und deshalb zu diskutierende Wege einschlagen. Zu den Themen ‘Marke’, ‘Markenpolitik’, ‘Markenmanagement’ und ‘Markenforschung’ allgemein siehe bspw. Baumgarth 2001; Bruhn (Hrsg.) 2001; Köhler/Majer/Wiezorek (Hrsg.) 2001; speziell auf Medien bezogen: Siegert 2001.
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bensächliches Randgebiet erscheint. Was angesichts der angenommenen Bedeutung bildhafter Darstellungen für die politische Urteilsbildung überrascht. In der vorliegenden Arbeit wird nun von der These ausgegangen, daß das Markenkonzept zu einer Verschiebung von Entscheidungsstrukturen innerhalb von Redaktionen geführt hat, die von der Nachrichtenforschung bisher kaum nachvollzogen wurde. Wesentlich erscheint diese Veränderung besonders für die visuelle Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen, da dieses Medium aufgrund seines wöchentlichen Erscheinens mehr zeitliche Ressourcen für die visuelle Nachrichtenaufbereitung bietet als tagesaktuelle Medien. Das Markenkonzept ist darüber hinaus ein interessanter Ansatzpunkt für die mediale Bildforschung, da es verdeutlicht, daß ein Unternehmen, das diesem Konzept folgt, auf allen ihm zur Verfügung stehenden Ebenen versucht, einen bestimmten Eindruck bei seinen Kunden zu hinterlassen. Das Unternehmen inszeniert sich somit in einer bestimmten, von ihm aus unternehmerischen Überlegungen gewählten Rolle. Nimmt man für den Begriff Inszenierung die Definition von Meyer, Ontrup und Schicha an, laut der Inszenieren »ein kalkuliertes Auswählen, Organisieren und Strukturieren von Darstellungsmitteln [bedeutet], das in besonderer Weise strategisch auf Wirkung berechnet ist«,120 so muß dies Auswirkungen auf die visuelle Berichterstattung haben, und es bleibt zu fragen, ob die Strategien dieser Inszenierung im Sinne einer „Ikonografie der Nachrichtenmagazine“ erfaßt werden können.121 Zentral bleibt dabei der angesprochene Punkt der Kommunikationsabsicht, also die weiter oben aufgeworfene Frage, ob grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, daß verbale und ihnen beigestellte visuelle Informationen dieselben zentralen Aussagen treffen bzw. zu treffen beabsichtigen. In diesem Zusammenhang soll auf eine sehr interessante Arbeit von Ralph Bartel eingegangen werden, der unter dem Titel Fernsehnachrichten im Wettbewerb – Die Strategien der öffentlich-rechtlichen und privaten Anbieter untersuchte, welche Strategien von Fernsehnachrichten-Verantwortlichen verschiedener deutscher Sender eingeschlagen werden, um unter verschärften Konkurrenzbedingungen am Markt bestehen zu können. Bartel befragte die Topmanager (Geschäftsführer, Intendanten, Programmdirektoren, Chefredakteure und Leiter der Nachrichtenredaktionen) der Fernseh-Hauptnachrichten-Anbieter ARD, ZDF, SAT.1, RTL plus, PRO 7 und Tele 5 nach den Strategien, die jeweils in den Bereichen Auswahl der Nachrichtenthemen, Präsentationsform der Nachrichten und journalistische Leistungen bei der Gestaltung der Nachrichtensendungen angewandt werden, um eine möglichst erfolgreiche Sendung zu gestalten. Bartel erhob diese unternehmerischen Konzepte einerseits in Gesprächen mit den Managern, andererseits überprüfte er deren Umsetzung inhalts-
120 Meyer/Ontrup/Schicha 2000:13 121 Damit wird unter anderem auf eine Feststellung von Meyer, Ontrup und Schicha eingegangen, die bei ihrer Klassifizierung der Pressebild-Funktionen darauf verweisen, daß Bilder unter anderem auch als Träger zur Versinnbildlichung des gewünschten Images des Senders dieser Bilder eingesetzt werden. »Das Bild übt seine Motivationsfunktion auf zwei Ebenen aus, weil es nicht nur als „Appetitanreger“ für eine bestimmte Sendung zu verstehen ist, sondern durch die Abstimmung von Formen und Farben auf das ‘Corporate Design’ des jeweiligen Senders auch auf Imageeffekte hin angelegt ist« (ebd.:302), im selben Sinne Schütte/Ludes (1996:225), die ihre Aussage auf US-Networks beziehen.
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analytisch und befragte darüber hinaus die jeweils im Rahmen der Nachrichtensendungen beschäftigten Journalisten nach deren Kenntnis dieser Strategien. Bartel konnte mit dieser Vorgehensweise mehrere Faktoren erheben, die die Wettbewerbsstrategien der einzelnen Nachrichtensender erklären: (1) Orientierung an den Zuschauerinteressen; (2) Berücksichtigung des Verhaltens der Konkurrenten; (3) zur Verfügung stehende Ressourcen; (4) die eigene Wettbewerbsposition; (5) Verhalten nach strategischen Prinzipien (6); persönliche Einschätzung und Vorlieben der Topmanager; (7) Wünsche der Werbekunden. Die Umsetzung der Strategien erfolgt laut Bartel mit verschiedener Schwerpunktsetzung der einzelnen Sender auf folgenden Wegen: (1) Schaffung spezieller technischer und organisatorischer Voraussetzungen; (2) gezielte Wahl der Nachrichtenredakteure; (3) direkte Vorgaben des Managements; (4) Bildung von Strategiebewußtsein während der täglichen Redaktionsarbeit; (5) Rolle der Chefs vom Dienst. Bartel kommt bei seiner Untersuchung schließlich zum Ergebnis, daß die von ihm erhobenen Wettbewerbsstrategien der Fernsehanbieter sich in wesentlichem Ausmaß auf die Gestaltung, Auswahl und Präsentation der Nachrichten niederschlagen, wenn sie auch nicht in allen Punkten im selben Ausmaß umgesetzt werden. Besonders interessant erscheint im vorliegenden Zusammenhang aber folgender Befund: »Die empirische Untersuchung zeigte jedoch, daß die Nachrichtenredakteure kaum etwas über die Wettbewerbsstrategien wissen. Gleichzeitig zeigte sich, daß Strategien zu einem wesentlichen Teil auf indirektem Weg umgesetzt werden.«122
Allgemein sahen die von Bartel befragten Topmanager unterschiedliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Strategien. Der damalige Vorsitzende der Geschäftsführung von SAT.1, Werner E. Klatten, erklärte, ein Hindernis in der Umsetzung der Strategien sei der Freiheitsanspruch der Journalisten und deren persönliche Empfindsamkeit: »Bei der Strategieumsetzung müssen wir fertig werden mit der Charakteristik eines Journalisten, der einen höheren Freiheitsgrad für sich beansprucht, auch mit Recht für sich beansprucht, weil er eine kreative Leistung vollbringt. Mit einem Journalisten können sie nicht so umgehen wie mit einem normalen Manager, der auch ausgebildet worden ist, Ziele von oben entgegenzunehmen und Ziele nach unten weiterzugeben. Dies ist bei Journalisten nicht der Fall. Journalisten sehen das kreative
122 Bartel 1997:245; als Beispiel für diesen indirekten Weg führt Bartel unter anderem folgendes Beispiel an: »Die Wettbewerbsstrategie, die z.B. bei PRO 7 auf dem Gebiet der Nachrichten verfolgt wurde, sah vor, sich durch attraktivere und besonders häufige und erklärende Grafiken von den Konkurrenten, insbesondere von der Tagesschau, abzuheben. Wie die Inhaltsanalyse zeigte, wurde dieses Strategieelement umgesetzt. Dies hatte aber weniger mit dem Bewußtsein der Nachrichtenredakteure zu tun, sondern die Strategieumsetzung wurde erreicht, indem spezielle Stellen für sogenannte ‘redaktionelle Graphiker’ geschaffen wurden. Diese Mitarbeiter hatten die Aufgabe, Graphiken für die Nachrichtensendung zu erstellen. Außerdem hatte man bei PRO 7 eine aufwendige technische Anlage für die Produktion von Graphiken angeschafft.« (ebd.:237). In diesem Zusammenhang soll nochmals auf den Zeichencharakter bestimmter Darstellungsweisen verwiesen werden: Informationsgrafiken gelten allgemein als die Rezeption unterstützend, sie können somit als Zeichen für Kundenfreundlichkeit eingesetzt werden. Dies bedeutet aber nicht, daß Informationsgrafiken jeder Art und in jedem Zusammenhang das Verständnis von Inhalten verbessern. Je wichtiger es dem Verwender eines Zeichens erscheint, sich durch dieses in einem bestimmten Sinne auszuweisen, desto eher könnte es aus seinem Blick geraten, ob der Nutzen und der durch das Zeichen repräsentierte Nutzen übereinstimmen. Auf diesen Punkt wird im weiteren zurückzukommen sein.
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Produkt im Vordergrund, und das beziehen sie auf sich selbst und fragen sich immer, warum sie eigentlich einen Vorgesetzten brauchen.«123
Klatten spricht mit dem Begriff des Freiheitsanspruchs von Journalisten aber auch an, was gemeinhin als gewisse Sicherung von journalistischer Qualität gesehen wird: das berufliche Standesbewußtsein von Journalisten, und damit deren Verpflichtung auf festgeschriebene Standards der journalistischen Berichterstattung.124 Dabei müssen Journalisten aber erfahren, daß sich ihre gesellschaftliche Rolle in sehr allgemeinem Sinne inzwischen geändert hat. Marlene Posner-Landsch, Professorin am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin, bringt diese Veränderung in der Feststellung zum Ausdruck, der Journalist hätte sich vom ‘Gatekeeper’ in einen Dienstleister zu verwandeln, wenn er der heutigen gesellschaftlichen Situation gerecht werden wolle. Zwar würden Journalisten und Medienmacher gerne ihre Kritik- und Kontrollfunktion betonen, die sie für die Gesellschaft ausüben würden, dieses Rollenverständnis würde aber in einer Zeit des Überangebots von Information, in der sich außerdem die Empfänger der medialen Angebote längst emanzipiert hätten, nicht mehr der tatsächlichen Situation entsprechen. »Diejenigen, die im Gefälle der Kommunikationsmodelle verharmlosend gerne als Rezipienten (recipere!), Adressaten, Empfänger oder Verbraucher, also passivisch, hingestellt werden, haben sich längst emanzipiert und sind auch in dieser Hinsicht ‘mündig’ geworden. Das Verhältnis von Kommunikator und Rezipient, Produzent und Kunde hat sich mittlerweile angeglichen. So gesehen bedingen sich Medienmarkt und Verbraucherverhalten gegenseitig. Beide treten sozusagen in eine Normalisierungsphase ein. [...] Fakten und Daten kann sich ein Rezipient theoretisch von überall herholen. Das Überangebot führt nicht nur zu neuer Unübersichtlichkeit, sondern auch zu Gleichgültigkeit gegenüber den Inhalten.«125
Aus dieser Situation ergibt sich für Posner-Landsch die neue Rolle des „dienstleistenden Journalisten“, in der dieser als ‘Guide’ des Rezipienten Fakten und Daten in dessen Dienst nicht nur sortiert, sondern in Zusammenhänge stellt und damit Sinnangebote macht. »Solche Anforderungen verändern das Berufsbild des Journalisten. Gefragt ist nicht mehr der ‘Journalist’, derjenige, der für den ‘Tag’ schreibt, bebildert und veröffentlicht, sondern – in terminolo123 ebd.:242; das Management der untersuchten Nachrichtensender scheint im Umgang mit den journalistischen Mitarbeitern den richtigen Weg gefunden zu haben. Denn es zeigte sich einerseits, wie bereits festgestellt, daß die Strategien, die es ermöglichen sollten, ein möglichst publikumswirksames und Werbekunden entsprechendes Programm zu gestalten, weitgehend umgesetzt werden, andererseits fühlt sich laut Bartel nahezu keiner der Journalisten der Nachrichtensendungen in seiner journalistischen Freiheit in irgendeiner Form eingeschränkt (vgl. ebd.:243f.). Diesen gelungenen Weg zwischen klarer Vorstellung der Unternehmensleitung von der zu produzierenden Nachrichtensendung und der Auffassung der Journalisten, die Sendungen weitgehend unbeeinflußt gestalten zu können, führt Bartel auf zwei zentrale Mechanismen zurück: Die erste Begründung sei, daß in den verschiedenen Nachrichtenredaktionen jeweils nur solche Journalisten arbeiten, bei denen die Wettbewerbsstrategie, zumindest deren Ziele für die tägliche Redaktionsarbeit, im wesentlichen mit den eigenen Vorstellungen von gutem Journalismus übereinstimmen würden. Dies sei die Folge der gezielten Personalauswahl der Fernsehanbieter. Daß sich die Journalisten vor allem dort um Arbeit bewerben würden, wo sie journalistische Freiheit nach ihren Vorstellungen erwarten, dürfte laut Bartel ebenfalls eine Rolle spielen. Die zweite Begründung für die von den Nachrichtenredakteuren empfundene relativ große Freiheit, die Bartel plausibel erscheint, ist eben die bereits erwähnte indirekte Strategieumsetzung. »Die Nachrichtenredakteure nehmen gar nicht oder nur zum Teil wahr, wie Strategien die tägliche Redaktionsarbeit beeinflussen« (ebd.:245). 124 Im Sinne der freiwilligen Selbstverpflichtung festgeschrieben etwa im sogenannten ‘Ehrenkodex’ der österreichischen Presse und dem ‘Pressekodex Deutschland’ (vgl. Pürer (Hrsg.) 1996:648ff.). 125 Posner-Landsch 2003:[www]
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gischer Anlehnung an Emil Dovifat – die ‘publizistische Persönlichkeit’ mit Charakter, Wissen, Bildung, Zivilcourage und Charisma.«126
Folgt man Posner-Landsch in dieser Einschätzung, so liefert diese einen weiteren Hinweis darauf, warum Journalisten, deren Arbeit offensichtlich auf unternehmerische Ziele ausgerichtet wird, dies nicht unbedingt so empfinden: Sich in gewissem Maße der „neuen Zeiten“ bewußt, überlassen sie sich innerhalb bestimmter Grenzen einer Inszenierung. Es ist die Einsicht, daß der Wettbewerb um Aufmerksamkeit angesichts der unendlichen Fülle medialer Informationsangebote immer bedeutsamer und in hohem Maße über die „Verpackung“ von Informationen ausgetragen wird.127 Und auch die „publizistische Persönlichkeit“ kann im massenmedialen Kommunikationsprozeß nur eine ‘Marke’, eine Inszenierung sein, die am Rezipientenmarkt mehr oder weniger glaubhaft positioniert wird. Diese Aufgabe der Inszenierung, Verpackung und zielgruppengerechten Positionierung wird nun Spezialisten überlassen, den Unternehmensstrategen und eben auch den visuellen Gestaltern.128 Damit entsteht aber eine Arbeitsteiligkeit, die es bei der Untersuchung von visueller Politikvermittlung speziell zu berücksichtigen gilt, da sie einen Hinweis darauf gibt, daß sich die verbale und visuelle Erzählebene nicht nur durch ihren Modus und dessen unterschiedliche Wirkweise voneinander unterscheiden, sondern auch in ihrem redaktionellen Auftrag, also ihrer Kommunikationsintention, unterschiedlich sein können. Unterstellt man nun – das bisher Ausgeführte auf das Untersuchungsbeispiel Nachrichtenmagazin anwendend –, daß schreibende Journalisten nicht über dieselbe Zeichenkompetenz für bildhafte Zeichen verfügen wie professionelle visuelle Gestalter, so kann es möglich sein, daß einem Textbericht eine visuelle Kommentierung beigefügt wird, die dem berichtenden Journalisten nicht im vollen Umfang deutlich wird. Und dies nicht, weil die Aussage bewußt verändert wird, sondern als Folge von (1) der unterschiedlichen Aufgabenstellung der an der Erstellung der Nachricht Beteiligten; (2) dem unterschiedlichen beruflichen Selbstverständnis der an der Erstellung Beteiligen; (3) des auf beiden Seiten gering ausgebildeten Verständnisses der unterschiedlichen Wirkweise von Bild und Text und der daraus resultierenden journalistischen Verantwortung. Es fällt nun auf, daß es zwar empirisch fundierte Hinweise darauf gibt, daß zum einen die redaktionelle Linie eines Blattes in ihrer Bildauswahl bei der Berichter-
126 ebd. 127 vgl. Heinrich 1999:170; allgemein gilt die Auffassung, daß die gesellschaftlichen Veränderungen in den westlichen Industrienationen, wie z.B. zunehmende Freizeitorientierung, wachsender Hedonismus, weitgehende Befriedigung der Grundbedürfnisse, zusammen mit verstärktem Wettbewerb mit immer austauschbareren Produkten und Leistungen, weitgehender Optimierung der funktionalen Leistungen, kürzeren Innovationszyklen und abnehmender Kundenloyalität dazu führen, daß so gut wie keine Märkte mehr als unbesetzt gelten können. Die objektive Differenzierung werde aus diesen Gründen generell immer schwieriger und die symbolische und emotionale Komponente eines Angebotes deshalb immer bedeutender (vgl. Siegert 2001:47). 128 Laut Stephan Ruß-Mohl haben sich in den letzten Jahren vier Tendenzen herausgearbeitet, die von Nachrichtenmedien eingeschlagen werden, um die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Zielgruppen zu erfüllen, also am Markt erfolgreich sein zu können: Service-Orientierung, Zweiweg-Kommunikation mit den Publika, Unterhaltung und Qualitätssicherung bzw. -kontrolle (vgl. Ruß-Mohl 1995:106ff.). Freilich müssen auch diese Angebote erst kommuniziert werden, bevor sie von den Rezipienten als solche erkannt werden – womit wiederum der Punkt ‘Verpackung’ angesprochen wird.
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stattung deutlich werden kann129 sowie daß die Bildauswahl unter anderem im Sinne eines dramatischen Aufbaus von Berichterstattung erfolgt,130 der Aspekt jedoch, daß die visuelle Aufbereitung von Nachrichten auch mit dem Ziel der visuellen Markenkommunikation erfolgt, findet sich bisher nur als Randbemerkung.131 Dabei geben Ausführungen wie die nachfolgenden des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der SPIEGELnet AG und Mitgeschäftsführers von Spiegel TV, Werner E. Klatten, zum Thema Der Spiegel als Medienmarke klare Hinweise auf den Zusammenhang zwischen der visuellen Aufbereitung von Nachrichtenmedien und der Inszenierung einer Markenpersönlichkeit. »Für die Markenführung ist die Markenpersönlichkeit von zentraler Bedeutung, denn sie ist das einzige nicht nachahmbare Element einer Marke, das vom Hersteller über Werbung und andere kommunikative Maßnahmen vermittelt wird. Zur Ausgestaltung der Markenpersönlichkeit von Zeitschriften stehen Verlagen wirkungsvollere Methoden als den Herstellern von industriellen Produkten zur Verfügung. Sie können neben Werbung und ‘Verpackung’, hier dem Titelblatt, auch über den redaktionellen Inhalt ‘kommunizieren’.«132
Diese Kommunikation der Zeitschriftenmarke funktioniert laut Klatten nun eben anders als bei Industrieprodukten, in deren Zusammenhang die Qualität von Marken vor allem durch Namen symbolisiert würde: »Für Zeitschriften als Markenartikel gilt: Insbesondere Markenname und Titelblatt dienen der Kennzeichnung und Garantie der Marke. Das grafische Gesicht einer Zeitschrift – Plazierung des Namens, Heftformat, Farbgebung, Typografie, Art des Papiers, Verhältnis von Text und Bild – fördert die Verbindung zwischen den einzelnen Ausgaben und ist nicht zuletzt der Stempel der Markenqualität.«133
Hier zeigt sich nochmals der Zusammenhang zwischen ‘Medienästhetik’ und ‘visueller Markenkommunikation’: Einerseits muß das Magazin als Nachrichtenmagazin erkennbar bleiben, andererseits muß es eine spezielle unverwechselbare Erscheinungsform finden, um sich als „Persönlichkeit“ zu präsentieren. Es stellt sich nun die Frage, wo für die Untersuchung von visueller Politikvermittlung der entscheidende Unterschied zwischen der ‘Marken-Persönlichkeit’ eines Blattes und seiner ‘redaktionellen Linie’ liegt – ist doch davon auszugehen, daß beides in engem Zusammenhang steht und aus einer spezifischen Qualitätsdefinition der Blattmacher hervorgeht. Grundsätzlich ist als ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Kategorien die „Beheimatung“ der Entscheidungsträger, die für ihre erfolgreiche Umsetzung zuständig zeichnen, zu nennen. Die redaktionelle Linie kann als journalistische Grundsatzentscheidung eines Blattes gesehen werden, eine Markenpersönlichkeit zu entwickeln obliegt meist Marketing-Spezialisten. Es erscheint mir nun wichtig, daß die Unterscheidung dieser beiden Kategorien nicht in der Unterscheidung zwischen ‘journalistischer Qualität’ einerseits und ‘verkaufsträchtiger Unterhaltung’ andererseits, zwischen ‘traditionell-aufklärerischer Textorientiertheit’ hier und ‘Kurzweil erstrebender zeitgeistiger Bildorientierung’ dort auf-
129 vgl. etwa Kepplinger 1987:307 130 vgl. etwa Schütte 1994:207 131 wie etwa bei den bereits erwähnten Arbeiten von Meyer/Ontrup/Schicha (2000:302), Schütte/Ludes (1996:225) 132 Klatten 1997:216 133 ebd.:214f.
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geht.134 Zentral scheint vielmehr etwas anderes zu sein: Das journalistische Aufgabengebiet umfaßt die Vermittlung von Sachinhalten – und diese können sowohl mit dem Ziel der Information als auch im Sinne der Unterhaltung erstellt werden, und sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit daraufhin abgestimmt werden, bei den Rezipienten Interesse zu erzeugen. Die visuelle Markenkommunikation konzentriert sich im Gegensatz dazu auf eine andere Aufgabe: Sie setzt sich offensichtlich zum Ziel, alle redaktionellen Inhalte so zu präsentieren, daß sie erstens einer „Persönlichkeit“ zugeschrieben werden und daß sie zweitens in ihrer Präsentationsform diese Persönlichkeit in ihrem Charakter bzw. ihren Eigenschaften erkennen lassen, denn eine ‘Identität’ ist niemals an sich zugänglich, sondern wird nur indirekt über Merkmale, Eigenschaften und Verhaltensweisen erfahrbar. Marlene Posner-Landsch beschreibt die Parallelen zwischen dem menschlichen und dem unternehmerischen ‘Selbst’: »Das ‘Selbst’ bezieht sich in der Regel auf natürliche Personen. Alle Eigenschaften und Merkmale, die ein Individuum nach eigener Auffassung besitzt, werden im ‘Selbst’ zusammengefasst. [...] In der Wahrnehmung können von ein und demselben Selbst unterschiedliche, ja sogar gegensätzliche Eindrücke abgeleitet werden. Wer sich z.B. selbst für glaubwürdig und zuverlässig hält und als solcher gelten will, muß Kriterien dafür liefern, daß er sich selbst und auch andere ihn für glaubwürdig und zuverlässig halten. Der Sachverhalt scheint komplizierter in der Darstellung, als er de facto ist. Wer als glaubwürdig und zuverlässig gelten will und sich selbst dafür hält, setzt Zeichen für seine Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit. Er dokumentiert diese Eigenschaften an verschiedenen Punkten. [...] Merkmale, Eigenschaften und Verhaltensweisen können zu Bündeln zusammengefasst werden. In diesem Falle spricht man in der Wissenschaft von ‘Selbsten’. Das Selbst ist ein Konstrukt aus unterschiedlichen Selbsten.«135
Je weniger diese einzelnen Selbste miteinander kollidierten, um so harmonischer und ausgeprägter sei eine Persönlichkeit und desto weniger Brüche weise sie auf, fährt Posner-Landsch fort. Für ein Unternehmen gelte nun das gleiche wie für natürliche Personen: Ein Unternehmen ist um so stabiler, je konstanter seine Selbste sind; seine Wirkung ist um so effizienter, je mehr es ihm gelingt, dieses Selbst darzustellen. Hinter dieser Persönlichkeit stehe allerdings im Falle eines Unternehmens ein ‘Wir’, ein ‘kollektives Selbst’, dessen Mitglieder in ihrer gemeinsamen Ausgangsbasis und ihren gemeinsamen Zielen verbunden seien. Sie würden gemeinsame Handlungsmuster und – im übertragenen Sinne – gemeinsame affektive Beziehungsstrukturen und Wertehaltungen aufweisen. Insofern würde sich ein kollektives Selbst 134 Die Diskussion um das Spannungsverhältnis von unternehmerischen Zielen einerseits und journalistischer Qualität andererseits entbrannte in den letzten Dekaden vor allem an den Erfolgen der 1982 gegründeten US-amerikanischen Tageszeitung USA Today. Wie bereits ausführlich angesprochen, wird ihr und ihren „Nachahmern“ von Kritikern vorgeworfen, ihr „Erfolgsgeheimnis“ bestünde darin, ihre Themenauswahl nicht an der Bedeutung einzelner Nachrichten auszurichten, sondern an den Leserwünschen, die zuvor durch Umfragen erhoben würden. Diese würden dann in gefälliger Weise visuell aufbereitet, was zu einem vermehrten Einsatz farbiger Bilder und Informationsgrafiken führe. Im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit soll nicht eingehender als im Kapitel 5.3 erfolgt auf diese Debatte über jounalistische Qualitätsmaßstäbe eingegangen werden. Dies würde den Rahmen und den Anspruch dieser Arbeit sprengen, deren zentrales Ziel es ist, zu Medienkompetenz im Sinne von Zeichenkompetenz beizutragen. D.h., es soll vor allem analysiert werden, welche visuellen Zeichen in welcher Verwendungsweise für welche Zwecke Verwendung finden können bzw. finden. Damit soll ein Schritt in die Richtung unternommen werden, eine breitere Basis für weitere empirische Untersuchungen zu schaffen, deren Inhalt unter anderem journalistische Qualitätsmaßstäbe sein könnten, die hier zwar immer wieder, doch nur am Rande berührt werden. 135 Posner-Landsch 2003:[www]
7 Schlußfolgerungen für das Verständnis der visuellen Darstellungslogik
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nicht von dem unterscheiden, was man in der Psychologie und Soziologie ‘Gruppe’ nenne – und doch sei, so Posner-Landsch, im Falle von Unternehmens-Persönlichkeiten ein Unterschied zu treffen: »‘Gruppe’ wäre allerdings ein zu schwacher Ausdruck für ‘kollektives Selbst’. Denn hinter dem kollektiven Selbst steht nicht nur wie bei einer Gruppe der Wunsch, sich selbst zu definieren und damit von anderen abzugrenzen, sondern die Notwenigkeit, Eigenschaften und Merkmale zu externalisieren, d.h. für alle sichtbar zu machen, und die eigenen Produkte ‘im Geiste dieses Selbst’ zu prägen. Corporate Design und Unternehmensleitsätze sind gute Beispiele für Ausdrucksformen kollektiver Selbste.«136
Mit diesem Zitat von Posner-Landsch soll der Abschnitt zu visueller Markenkommunikation als Aspekt der Analyse visueller Politikvermittlung abgeschlossen werden. Gezeigt werden sollte, warum es sinnvoll und notwendig erscheint, ihn als Faktor verstärkt bei der Untersuchung visueller Medienkommunikation zu berücksichtigen. In einer kurzen Zusammenfassung des Kapitels soll dies nochmals verdeutlicht werden, und es werden Schlußfolgerungen für das empirische Vorgehen bei der Analyse der visuellen Politikvermittlung in Nachrichtenmagazinen gezogen.
7.7
Fazit für die empirische Untersuchung der visuellen Politikvermittlung in Nachrichtenmagazinen
Infolge des in der vorliegenden Arbeit gewählten zeichentheoretischen Zugangs stellt die im vorigen Abschnitt behandelte Markenkommunikation eine Bedeutungsebene der visuellen Darstellungen in Nachrichtenmagazinen dar, die aufgrund der Wichtigkeit, die ihr inzwischen zugesprochen wird, im Sinne einer medienbezogenen visuellen Zeichenkompetenz „mitgedacht“ werden muß. Denn um ein Zeichen verstehen zu können, muß die Rolle spezifiziert werden, die es im Leben spielen kann.137 Versucht man, diese ‘Rolle’ am Beispiel der visuellen Darstellung in einem Nachrichtenmagazin zu differenzieren, so kann sich folgendes ergeben: Man kann annehmen, daß eine konkrete Darstellung (1) auf ein reales Ereignis verweist. Diese Bedeutungsdimension des Bildes wurde – sofern sie auf einen „objektiven“ Abbildcharakter zielt – von der Medienforschung vielfach relativiert. Dies – neben dem Argument der Möglichkeit der Bildfälschung – vor allem mit dem Argument, eine Darstellung sei immer (2) eine subjektive ausschnitthafte Sicht der Realität, bedingt durch Sichtweisen, Interpretationen usf. des Kommunikators. Die Motive, die zur Wahl eines bestimmten „Realitätsausschnittes“ führen, können nach verschiedenen Kriterien unterteilt werden: (3) die Auswahl, die dadurch bestimmt wird, was als besonders publikumswirksam erachtet wird – die Selektion nach diesem Kriterium wird allgemein mit dem Begriff Nachrichtenfaktoren beschrieben. Diese Selektion wird wiederum dadurch weiter spezifiziert, daß das Bild (4) innerhalb eines Kommunikationsprozesses eines bestimmten Medientypus Verwendung findet – ein Filter, der hier als ‘Medienästhetik’ beschrieben wurde. Weiters werden anhand des
136 ebd. 137 vgl. Mannings 1979:434, der diese Aussage bezogen auf ‘Symbol’ trifft.
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Bildes Aussagen getroffen, die (5) sachbezogen und (6) als Selbstaussage verstanden werden können. Dabei gilt es zu unterscheiden, daß ‘sachbezogen’ eben nicht im Sinne von ‘so ist es’, also der weiter oben angesprochenen ‘objektiven Realität’, zu verstehen ist, sondern als eine Aussage zum Objekt der Darstellung. Die Selbstaussage hingegen ist die durch diese Darstellung getroffene Aussage zum darstellenden Subjekt, also der kommunizierenden Person bzw. ‘Persona’. Beide Aussagen – die zum Objekt und die zum Subjekt der Mitteilung – werden abermals durch verschiedene Faktoren bestimmt, die wiederum den weiter oben genannten Punkten zugeordnet werden könnten und die auch als Entscheidungsfaktoren für die Wahl spezieller Darstellungs-Frames verstanden werden können. Ziel dieser modellhaften Darstellung ist es, die möglichen Intentionen des Kommunikators zu erfassen, denn die Kommunikationsabsicht bestimmt die Wahl des visuellen Codes, den es zu erkennen gilt, will man eine visuelle Darstellung verstehen. Dies führt allerdings zu einer zentralen Frage, die David Mannings bezogen auf die Interpretation von künstlerischen Darstellungen etwa folgendermaßen formuliert: Was, wenn wir in einem Bild etwas sehen, das zu zeigen nicht in der Absicht des Künstlers lag? Verstehen wir dann das Bild falsch?138 Oder auch: Wie entgehen wir dem Problem der Überinterpretation von bildhaften Darstellungen? Denn auf der Hand liegt, daß die oben angeführten möglichen Intentionen der bildhaften Kommunikation für die jeweils einzelne Abbildung bei der kritischen Analyse nicht voneinander zu trennen sind, wie sie auch während der Erstellung der Nachricht ineinanderfließen – der Kommunikator wird immer von mehreren Zielen der Kommunikation zur gleichen Zeit bestimmt. Diese können weder vom Kommunikator selbst noch vom Betrachter des verwendeten Zeichens definitiv und objektiv „anteilsmäßig“ bestimmt werden. So scheint die Berufung auf die Intention des Kommunikators – wieder mit Mannings gesprochen – mehr Probleme aufzuwerfen, als sie löst.139 Wie der Kunstgelehrte begibt sich auch der Medienbild-Forschende in Gefahr, der „Mystifikation“ verdächtigt zu werden, da er »eine Schranke aus dem, was Brown ‘fremdartige Ideen’ nennt, zwischen dem Betrachter und dem Bild errichtet«.140 Diese Gefahr der Überinterpretation, des Falschverstehens scheint nun speziell bei bildhafter Kommunikation gegeben, kann man doch auf das gesprochene Wort „Buchstabe für Buchstabe“ und im „eigentlichen Wortsinn“ eingehen. Die bildhafte Darstellung hingegen bietet diese Möglichkeit nicht. Eindrücke, die von einer visuellen Darstellung evoziert werden, bleiben „Gefühl“. Meist fehlt es dem Rezipienten an der Fähigkeit zu beschreiben, welchen Eindruck genau er erhalten hat; wodurch dieser Eindruck ausgelöst wurde, scheint noch schwieriger benennbar. Im Zweifelsfalle wird die eigene Wahrnehmung des Nicht-Offensichtlichen für ein Mißverständnis gehalten, der Notwendigkeit der verständnissuchenden Auseinandersetzung durch Geringschätzung der Wahrnehmung entgangen, oder das subjektive Empfinden wird zur relativierenden Not-Kategorie. 138 vgl. Mannings 1979:456 139 vgl. ebd. 140 vgl. ebd.:458; hier bezieht sich Mannings auf eine Äußerung Ford Madox Browns, eines englischen Malers des 19. Jahrhunderts, der – sich gegen Interpretationen seines Bildes The Pretty Baa-Lambs zur Wehr setzend – forderte, man solle doch nicht nach Bedeutungen seines Bildes »jenseits der augenfälligen« suchen.
7 Schlußfolgerungen für das Verständnis der visuellen Darstellungslogik
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Doch diese Unsicherheit gegenüber empfangenen Nachrichten ist auch aus der Wortsprache bekannt. Trotzdem kann sich etwa ein politischer Akteur heute kaum mehr darauf berufen, eine bestimmte Aussage ‘doch nicht so’ gemeint zu haben, dieses oder jenes ‘doch eindeutig nicht gesagt zu haben’, wenn seine Aussage zwar nicht durch ihren reinen Sachgehalt, allerdings sehr wohl durch ihren latenten Inhalt als diskriminierend, verharmlosend, zynisch usw. aufgefaßt wurde. Die Berufung auf das „reine“, „unschuldige“ Wort ist nicht mehr möglich, sobald wir einmal gelernt haben, „Subtexte“ zu lesen, von latenten Textinhalten ausgelöste Empfindungen ernstzunehmen, sie einem Auslöser zuzuordnen und diesen zu benennen. Tonfall und Körpersprache, Wortwahl und Assoziationsmöglichkeiten sind zu anerkannten Kriterien der Beurteilung von Aussagen geworden. Von öffentlichen Akteuren wird erwartet, sich auch bezüglich latenter Sinnebenen korrekt auszudrücken, und die Unkenntnis beispielsweise der Herkunft eines Sinnspruches schützt den Verwender nicht vor der Empörung, die dieser bei seiner Verwendung auslösen kann. Daß dies nicht selbstverständlich ist, zeigt etwa der Blick auf das veränderte Bewußtsein im Bereich ‘geschlechtsspezifisches Sprachverhalten’. Es zeigt sich aber auch, daß eine erhöhte Sensibilität gegenüber latenten Inhalten nicht dazu führt, daß dem Kommunikator alles und jedes unterstellt werden kann. Manche Vorwürfe werden als unhaltbar zurückgewiesen, als Mißverständnis erkannt oder als Überinterpretation verworfen. Die Sprachkompetenz zeigt sich daran, daß über Themen wie ‘Angemessenheit’ oder ‘Unangemessenheit’ eine Auseinandersetzung erfolgen kann. Denn Kompetenz beinhaltet immer auch Urteilskompetenz: Es kann über Ursachen und Wirkungen spekuliert werden, da sie benannt werden können. Im besten Falle kann auf Erkenntnisse zurückgegriffen werden, die als repräsentativ oder zumindest als anerkennungswürdig gelten können, um damit eigene Auffassungen einordenbar zu machen usf. Klar ist, daß diese Sprachkompetenz nicht allen Sprachverwendern im gleichen Ausmaß zugesprochen werden kann. Trotzdem wird sie bezüglich der Wortsprache gerne unterstellt. Peter Hunziker beschreibt die kommunikative Kompetenz sehr allgemein als ein komplexes Bündel von Fähigkeiten: »Die Voraussetzungem für die Verständigung lassen sich mit dem Begriff der ‘kommunikativen Kompetenz’ zusammenfassen. Er beinhaltet die Fähigkeit der Menschen, verstehbare sprachliche Äußerungen zu produzieren und solche dem gemeinten Sinn entsprechend aufzunehmen. Hierzu ist nicht nur Sprachbeherrschung im weitesten Sinne notwendig, sondern auch die Fähigkeit, Unterschiede im Sprachgebrauch und in der Interpretation von Sprechakten, wie sie in Kommunikationsabläufen immer wieder vorkommen, zu erkennen und metasprachlich zu thematisieren.«141
Diese Fähigkeit sei nun, so auch Hunziker, nicht allen Menschen im selben Ausmaße gegeben. Sie heranzubilden wäre aber, glaubt Hunziker, zum einen sinnvoll im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung der Individuen; zum anderen wäre davon ein wesentlicher Beitrag zum Abbau von Konflikten und Spannungen innerhalb und zwischen sozialen Gruppen, Organisationen und Gesellschaften zu erwarten.142 Nun kann man Hunzikers Definition kommunikativer Kompetenz auch auf die visuelle Kommunikation übertragen; bei der Einschätzung der Notwendigkeit bzw. der Folgen dieser Kompetenz für den einzelnen und das gesellschaftliche Zusam-
141 Hunziker 1988:4 142 vgl. ebd.:4f.
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menleben stellen sich allerdings Zweifel ein: Selbst wenn wir es für möglich erachten, daß in Sachen visueller Kommunikation ähnliche Fähigkeiten des aktiven Ausdrucks und der Rezeption entwickelt werden können wie in der Wortsprache – warum sollten diese Fähigkeiten entwickelt werden? Ist es denn das Ziel, sich als durchschnittliches Gesellschaftsmitglied mittels bildhafter Darstellungen zu verständigen? Eher ist doch davon auszugehen, daß wir in Sachen visueller Kommunikation Rezipienten bleiben werden und die Kommunikatorrolle weiterhin von Professionisten übernommen wird. Ist es also nicht unangemessen, aktive visuelle Zeichenkompetenz anzustreben? Eine Kompetenz, von der bisher offenbar angenommen wird, daß sie nur innerhalb von langwierigen Berufsausbildungen – und vor allem nur an eine bestimmte Gruppe sogenannter „künstlerisch Begabter“ zu vermitteln ist. Sollen wir bzw. können wir überhaupt visuelle Zeichenkompetenz erwerben? Und: Müßte man den Medien nicht zumindest einen „Mißbrauch“ von visuellen Zeichen, also gezielte Manipulation, unterstellen, um den Aufwand zu rechtfertigen, den es bedeutet, die Fähigkeit des visuellen Zeichengebrauchs zu erwerben? Thomas Meyer läßt in seiner Arbeit Politik als Theater. Die neue Macht der Darstellungskunst erkennen, daß es ihm wesentlich erscheint, die Mitglieder moderner Mediengesellschaften durch das Vermitteln visueller Kompetenz vor Manipulation zu schützen. Meyer stellt in den abschließenden Betrachtungen zu seinen Ausführungen über politische Inszenierung die Frage, ob die visuelle Kultur der Mediengesellschaft einer Veränderung bedürfe. Zur Beantwortung dieser Frage dreht er diese um und stellt sie in anderer Form: »Ist das, was sich bislang als visuelle Kultur eingespielt hat, zu rechtfertigen, wünschenswert oder notwendig?«143 Meyer zeigt Bedenken: Bilder und Bildinszenierungen könnten nicht nur manipulierend wirken, sie könnten darüber hinaus auch die Sprachkompetenz und die Diskursfähigkeit des einzelnen gefährden. Gleichzeitig sieht Meyer bisher keine gesellschaftlichen Bewegungen, die dieser Gefahr aktiv begegneten. »Die Institutionen unserer Gegenwartskultur sind nicht darauf eingerichtet, [die für die Bildauseinandersetzung notwendigen Kompetenzen; Anm. C.M.W.] vielen zu vermitteln. Das aber wäre Voraussetzung für das Gedeihen einer visuellen Kultur, die auch den normativen Ansprüchen gerecht wird, die unter den Gesichtspunkten der Selbstbestimmung, der Demokratie und der intersubjektiven Verständigung verteidigt werden müssen. Ein Publikum, das gutes Theater von schlechtem, den angemessenen Einsatz der Inszenierungsmittel von Feuerwerk und Klamauk unterscheiden kann, würde sich auf die Dauer nur mit anspruchsvolleren Inszenierungen zufriedengeben und vor allem auf passablen Stücken bestehen.«144
Dieser Einschätzung gemäß formuliert Meyer seine Forderung nach einer zeitgemäßen Medienerziehung, denn die Lösung der Problematik liege nicht in der Verweigerung der Rezeption des Angebotes: »Eine praxisnahe Medienpädagogik in allen Bereichen des Bildungssystems wäre ein Schritt auf dem Wege zu einer visuellen Kultur, die auch den im demokratischen Rechtsstaat unverzichtbaren normativen Bedingungen der Mündigkeit entspricht.«145
Daran anschließend führt Meyer aus, was unter visueller Kompetenz bzw. zeitgemäßer Medienkompetenz verstanden werden könnte: 143 Meyer 1998:123 144 ebd.:124 145 ebd.:126
7 Schlußfolgerungen für das Verständnis der visuellen Darstellungslogik
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»Es geht im Grunde nur um das Erlernen des zweifachen Blicks, der mit den Bildern stets die Regie erkennt, die sie ihm präsentiert, damit er deren Absichten nicht wehrlos zum Opfer fällt. Es geht um die Arbeit an einer wirklichen visuellen Kultur. Oder um das Bild von Victor Hugo und Béla Balázs wieder aufzugreifen: Die Kathedralen der neuen Medien und die Welt der Wörter müssen versöhnt werden.«146
Ich teile nun Meyers Auffassung in mehreren Punkten nicht, trotzdem erscheinen mir seine Ausführungen zur Thematik interessant. Für nicht richtig halte ich etwa Meyers Einschätzung, daß sich der Anspruch an Medienprodukte vereinheitlichen wird – oder auch soll –, indem Rezipienten Wissen zur Verfügung gestellt wird. Meyers Bild des Bürgers bzw. Rezipienten erscheint hier in bezug auf Neigung, Bedarf usf. zu vereinfacht. Den visuell nicht geschulten Medienrezipienten als „wehrloses Opfer“ zu sehen, zeigt sich mit Blick auf das bisher Ausgeführte ebenfalls als Überzeichnung der tatsächlichen Prozesse der Medien- bzw. Politik-Rezeption. Vielmehr finde ich mich bei der Einschätzung Marion Müllers, die dafür eintritt, der »Phobie vor dem Bild«,147 seiner nahezu mystischen Überhöhung bzw. einer vielleicht gerade daraus hervorgehenden Unterschätzung der Bilder, visuellen Alphabetismus entgegenzustellen. Dies kann meines Erachtens nur durch eine systematische akademische Auseinandersetzung mit der Thematik erreicht werden. Denn es ist Aufgabe der wissenschaftlichen Forschung, zu einzelnen Phänomenen Angebote argumentativ entwickelter Begriffe, Systematisierungen, Einschätzungen und Daten bereitzustellen und diese zu diskutieren, um so der Gesellschaft und ihren einzelnen Mitgliedern eine differenzierte Beschäftigung mit diesen Phänomenen zu ermöglichen, sobald sie ihren Bedarf daran erkennen. Wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgeht, halte ich es nicht für zielführend, in diesem Zusammenhang von der Bildsprache zu sprechen. Thomas Meyer spricht vom »Erlernen des zweifachen Blicks, der mit den Bildern stets die Regie erkennt«.148 Dieser „zweifache Blick“ muß meines Erachtens für jede Form der visuellen Kommunikation und bezüglich aller möglichen Zusammenhänge und Motive immer wieder neu geschult werden, auch wenn manche Erkenntnisse sinnvoll übertragen werden können. Eine Voraussetzung für diese Schulung besteht im bereits erwähnten systematischen Zusammentragen von Daten. Dabei ist der einzelne Forschende nicht vor „Überinterpretation“ einzelner Phänomene geschützt. Doch es ist bewährte akademische Praxis, im Vertrauen auf das Regulativ der diskursiven Auseinandersetzung eine Interpretation eines Phänomens vorzuschlagen, auch wenn der letztgültige Beweis und vielfach bereits ein Beweis an sich für die Richtigkeit dieser Einschätzung ausbleiben muß. Diese ertragreiche wissenschaftliche Vorgehensweise ist auch der einzige gangbare Weg bei der Erforschung des Phänomens der bildhaften Kommunikation. Dabei mediengattungsspezifisch vorzugehen, erscheint mir aus bereits ausgeführten Gründen als gewinnbringend. Die folgenden Kapitel dieser Arbeit widmen sich nun nach den bisherigen theoretischen Ausführungen dem Bereich der systematischen Datensammlung zum Untersuchungsbeispiel ‘Nachrichtenmagazin’.
146 ebd. 147 Müller 2001:14 148 Meyer 1998:126
8
Visuelle Codes und Nachrichtenaufbereitung. Erhebung zum Fachwissen der visuellen Kommunikation von Mediengestaltern
8.1
Einleitung
Das folgende Kapitel widmet sich der „Sprache“ der visuellen Nachrichten-Präsentation in Printmedien. Es wird der Versuch unternommen, einen möglichst systematischen Überblick darüber zu geben, auf welche elementaren visuellen Codes sich Gestalter von Printmedien stützen. Dabei kann, wie in den bisherigen Ausführungen bereits deutlich wurde, nur begrenzt auf wissenschaftliche Forschungsergebnisse zurückgegriffen werden. Es wird deshalb in methodischer Anlehnung etwa an Hans Mathias Kepplinger,1 der wie beschrieben das Praktikerwissen von Kameraleuten für seine Untersuchung von optischen Kommentierungen erhob, oder Dona Schwartz, die für ihre Arbeit Lehrbücher zur Praxis des Fotojournalismus heranzog,2 Fachliteratur für Mediengestalter ausgewertet. Diese Auswertung kann in ihrem systematischen Vorgehen nur begrenzt empirischen Ansprüchen genügen, da zum einen eine große Zahl an Fachbüchern vorliegt und es kein sinnvolles objektives Auswahlverfahren dafür geben kann, welche Werke in die Auswertung einbezogen werden. Ebensowenig erscheint es sinnvoll, ein normiertes Raster an die Inhalte anzulegen. Damit sind sowohl die Literaturauswahl als auch die Beurteilung der Relevanz des darin Gesagten subjektiv. Die Wahl der Fachbücher, die für die folgenden Ausführungen herangezogen wurden, war von folgenden Kriterien geleitet: (1) Es sollte Literatur ausgewertet werden, die sich primär nicht an den interessierten Laien, sondern an professionelle visuelle Gestalter oder Studierende des Fachs ‘visuelle Gestaltung’ richtet und damit an ein Publikum, das durch sein Vorwissen, seine berufliche Praxis oder seine Einbindung in eine fachbezogene Ausbildung über ein kritisches Urteilsvermögen gegenüber den Inhalten verfügt. (2) Die Auswahl wurde nach thematischen Schwerpunkten eingeschränkt auf Literatur zu den Schwerpunkten Mediendesign, Zeitungsdesign, Magazin-Design sowie auf Werke zu den Themen Visuelle Gestaltung, Typographie und Farbe, die als besonders relevant (weil mit hoher fachlicher Anerkennung ausgestattet) angesehen werden können. (3) Es wurden Werke einbezogen, die über die kommentierte Präsentation von „vorbildlichen“ Fallbeispielen (eine zentrale Vorgehensweise innerhalb der Aus- und Fortbildung von Gestaltern) hinausgehen und allgemeine Aussagen über Gestaltungsstrategien bieten. Darüber hinaus wurden (4) Werke einbezogen, die sich mit Trends der Bildsprache in der Anzei1 2
vgl. Kepplinger 1980; Kepplinger 1987 vgl. Schwartz 1992
8 Visuelle Codes und Nachrichtenaufbereitung
197
genwerbung befassen, da Werbung, wie gezeigt werden wird, als wesentlicher Impulsgeber für die visuelle Kommunikation einer Gesellschaft gesehen werden muß. Um einen Überblick über die Literatur zu diesen Themen zu erlangen, wurden Verlagsverzeichnisse,3 Literaturbesprechungen in Fachpublikationen4 und InternetRecherche genutzt. Aus den gesichteten Büchern wurden schließlich rund fünfzehn Werke in die detaillierte Auswertung einbezogen.5 Bei der Auswahl dieser Bücher aus dem umfangreichen Angebot habe ich mich auch wesentlich davon leiten lassen, welche Bücher ich selbst nach meiner gut fünfzehnjährigen Tätigkeit im Bereich der praktischen visuellen Gestaltung/Grafik-Design für eine Fortbildung heranziehen würde, wollte ich den Schwerpunkt meiner praktischen Arbeit im Bereich Nachrichtenmagazin-Design setzen. Dieses Kriterium scheint, obwohl äußerst subjektiv, durch seine Nähe zur Praxis zulässig, geht es doch im folgenden darum, der in Abschnitt 7.2 angeführten Anregung Thomas Petersens folgend, das Fachwissen von Praktikern für die wissenschaftliche Untersuchung visueller Kommunikation zugänglich zu machen.6 Die Inhalte der ausgewählten Bücher wurden vor allem unter einer zentralen Fragestellung gesichtet: Über welches Codierwissen verfügen professionelle visuelle Gestalter im Bereich Printmedien-Design? Das heißt: Welche Eigenschaften bzw. Inhalte werden laut Aussage dieser Quellen durch bestimmte visuelle Merkmale wie Form, Farbe, Position usf. repräsentiert und so in der Mediengestaltung kommuniziert? und: Welche Strategien im kommunikativen Umgang mit Form, Farbe, Position, Fotografie, Typographie und Illustration werden den Praktikern vermittelt, und wie werden diese begründet? Für die Vorbereitung der Auswertung wurden Wortfelder gebildet, die es ermöglichen sollten, für das Medium ‘Nachrichtenmagazin’ relevante Gestaltungsstrategien zu erkennen. Dabei wurde von fünf Adjektiven ausgegangen, die, abgeleitet aus den bisher ausgeführten Thesen zum Medium ‘Nachrichtenmagazin’, relevante Eigenschaften eines erfolgreichen Titels dieses Genres benennen. Es ist nach diesen Überlegungen davon auszugehen, daß ein Nachrichtenmagazin bestrebt sein muß, durch seine Gestaltung auszudrücken, daß es aktuelle, relevante, wahre, informative und unterhaltsame Inhalte bietet, auch wenn jedes Magazin unter Konkurrenzbedingungen und im beschriebenen Sinne der visuellen Markenkommunikation andere Schwerpunkte innerhalb dieses Spektrums setzen wird. Mit Hilfe eines SynonymWörterbuchs7 wurden die fünf genannten Begriffe zu Wortfeldern erweitert, die das „Wahrnehmungsraster“ bei der Auswertung der Praktiker-Literatur bildeten.8 Die folgenden Abschnitte bieten nun einen Überblick über die Ergebnisse dieses Vorgehens, ergänzt durch Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Arbeiten zu den einzelnen Themenpunkten. Die Ausführungen werden in drei Abschnitte gegliedert: (1) Form, Farbe, Position – Die Sprache formaler visueller Merkmale; (2) Fotografie, Typographie und Illustration – Die Werkstoffe der Mediengestaltung und (3) in Form 3 4 5 6 7 8
bspw. des renommierten Fachverlags für Grafikdesign Hermann Schmidt etwa. der Fachzeitschrift für digitale Gestaltung und Medienproduktion Page Eine Auflistung der Buchtitel findet sich im Quellenverzeichnis. vgl. Petersen 2001 Verwendet wurde das Wörterbuch Duden – Sinn- und sachverwandte Wörter aus dem Jahr 1997. Eine Auflistung der Begriffe, aus denen die einzelnen Wortfelder gebildet wurden, findet sich im Anhang dieser Arbeit.
8 Visuelle Codes und Nachrichtenaufbereitung
198
eines Exkurses: Ray Gun, MTV und Nike – Trends der visuellen Kommunikation als Einflußfaktoren der optischen Nachrichtenaufbereitung.
8.2
Form, Farbe und Position. Die Sprache formaler visueller Merkmale
Wie in Abschnitt 6.5 gezeigt wurde, lassen sich verschiedene Faktoren finden, die die Basis der visuellen Kommunikation bilden: Teils beruhen diese auf Darstellungskonventionen, also Versinnbildlichungen, die durch Festlegung und/oder Repetition ihre Aussagekraft erworben haben, teils scheinen sie sich auch auf ererbte Interpretationsmuster zurückführen zu lassen. Einen wesentlichen Beitrag zum kommunikativen Gehalt von visuellen Darstellungen leisten diejenigen, die durch die wiederholte Verwendung bestimmter Darstellungsweisen diese verbreiten, vereinheitlichen oder in neue Sinnzusammenhänge führen. Sie halten die visuelle Sprache und ihre „Dialekte“ lebendig und entwickeln sie ähnlich einer lebenden – im Gegensatz zu einer toten – Wortsprache weiter. Wie bereits festgestellt wurde, liegen für die visuellen Sprachen keine den Wörterbüchern ähnliche Werke vor, und doch werden Interessierte, die Kompetenz auf diesem Gebiet erwerben oder ausweiten wollen, in unserer Zeit nicht nur durch Beobachtung, Anwendung und deren Reflexion geschult, sondern auch anhand von Literatur in den „Sprachschatz“ der bildhaften Kommunikation eingewiesen. Die Literatur für visuelle Gestalter zeigt, daß visuelle Kommunikation als erlernbar aufgefaßt wird, auch wenn endgültige, strenge Regeln, wie sie sich in der Wortsprache finden, fehlen. Dieses fehlende Regelsystem bedingt auch, daß die visuelle Sprache eine „sehr lebendige“ ist, sie also eine hohe Dynamik der Veränderung, eine große Vielfalt im Gebrauch und daraus hervorgehend viele Stile bzw. Dialekte aufweist. Diese ‘Lebendigkeit’ der bildhaften Sprache ist freilich auch Autoren von Sach- und Lehrbüchern bewußt, und doch scheuen sie sich nicht, bestimmte kommunikative Wirkweisen visueller Darstellung zu benennen. In manchen Fällen ohne Erklärung darüber, welche genauen Ursachen für die jeweiligen Wirkungsweisen anzunehmen sind, und auch ohne Verpflichtung, diese Wirkweisen stichfest belegen zu müssen, geben sie Erfahrungsschätze und Einschätzungen weiter. Auf diese Art tragen sie – so sie fachliche Verbreitung und Anerkennung finden – dazu bei, daß sich Farben, Formen, Positionierungen usf. in der Art von Zeichen etablieren bzw. nicht in Vergessenheit geraten. Die Rezipienten dieser Zeichen erlernen diese, wie weiter oben ausgeführt, meist nur durch wiederholte Rezeption und nicht durch den Erwerb aktiven Wissens über die Funktionsweise des Zeichensystems. Der Lehrbeauftragte für visuelle Kommunikation Dario Zuffo stellt in seinem Werk Die Grundlagen der visuellen Gestaltung fest: »Gute Gestaltung kennt keine Regeln – nur Gesetzmäßigkeiten.«9 Diese Feststellung führt Zuffo zur Frage, ob dies bedeute, daß visuelle Gestaltung nicht objektiv beurteilt werden könne. Er selbst verneint diese Frage: Praktische visuelle Gestaltung verfolge Ziele, und damit gäbe es auch Beurteilungskriterien.
9
Zuffo 1998:5
8 Visuelle Codes und Nachrichtenaufbereitung
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»[...] jeder Gestalter ist ein Individuum und als solches berechtigt, seine ganz persönliche Interpretation zu einer Aufgabe wiederzugeben. Selbstverständlich unter Berücksichtigung der gesteckten Ziele! 2 + 2 = 4. Bei gestalterischen Aufgaben gibt es mehr als ein Resultat; so viele Ergebnisse können richtig sein, wie es Gestalter gibt! Der Kunde, der Auftraggeber oder Prüfungsexperte muss sich vergegenwärtigen, daß der Gestalter nur dem gesteckten Ziel gerecht werden kann, niemals dem Geschmack des Beurteilers. Das Ziel einer objektiven Beurteilung sollte im Extremfall so sein, daß eine Arbeit für gut befunden wird, persönlich aber nicht gefallen muß.«10
Die Frage ‘Was soll mit einer visuellen Präsentation erreicht werden?’ ist so auch zentraler Ausgangspunkt aller weiterführenden Hinweise zu visueller Kommunikation, und für viele kommunikative Ziele werden dem Interessierten in der Fachliteratur zu visueller Gestaltung „Rezepte“ angeboten. Diese können nach Aussage der lehrenden Praktiker durch die Erfüllung von Richtlinien auf verschiedenen gestalterischen Ebenen ausgeführt werden. Ziel ist die im Sinne des Kommunikationsanliegens gelungene Darstellung. »Die Arbeit ist dann gelungen, wenn der Betrachter sieht und versteht, worum es geht, ohne die Komposition wahrzunehmen. Wenn zusätzlich einer durchschaut, wie gut gestaltet wurde – um so besser für den Typographen«, stellen die Gestalter Hans Peter Willberg und Friedrich Forssman in ihrem Standardwerk der typographischen Gestaltung Lesetypographie fest.11
8.2.1 Die kommunikative Aussagekraft der Positionierung visueller Elemente Als wesentliches Mittel der visuellen Inhaltsvermittlung wird die Positionierung von Elementen innerhalb einer Seite gesehen. Dieses Gestaltungsmittel ist in besonderer Weise kulturell geprägt, denn es hängt zentral von der Schreibrichtung der Wortsprache einer Kultur ab.12 So stehe in einer Kultur, die ihre Texte von links nach rechts geführt schreibt und liest, die linke Seite für ‘Start’, die rechte Seite hingegen für ‘Ziel’. Daraus ergeben sich bei visuellen Kompositionen narrative Strukturen: Mit Abbildungen von Bewegungen von links nach rechts würde je nach Dynamik ‘Abgang’ oder ‘Flucht’ verbunden, Bewegungen von rechts nach links assoziierten ‘Kommen’ und würden kraftvoller wirken als von links nach rechts.13 Wie sehr diese Konvention der Versinnbildlichung von zeitlichen Strukturen wie Beginn und Ende geprägt ist, wird deutlich, denkt man etwa an Bilanzkurven: Je weiter eine Meßeinheit rechts in der Abbildung dargestellt ist, als desto aktueller wird sie in der Regel verstanden. Ähnliche Wirkkraft wie der kulturellen Prägung durch die Schreibrichtung wird in der visuellen Gestaltung physikalischen Gesetzen zugesprochen: In einer Welt, in der sich Dinge aufgrund der Schwerkraft von oben nach unten bewegen, wenn sie fallen, werde das, was auf einer zu gestaltenden Seite oben positioniert wird, tendenziell mit ‘leicht’ assoziiert, was unten steht, mit ‘schwer’. »Leichtigkeit läßt sich am besten über die Positionierung von Gestaltungsbestandteilen zeigen. Schweben einzelne Elemente [...] völlig schwerelos in einem großzügigen, lichten Raum, bleibt kein Interpretationsspielraum bezüglich Leichtigkeit und Schwere [...] Schwere wird ebenfalls durch die 10 11 12 13
ebd.:213 Willberg/Forssman 1997:267 vgl. Kress/Leeuwen 1996:37 vgl. Maxbauer/Maxbauer 2002:157; 165
200
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Position von Gestaltungselementen gezeigt, jedoch sind diese im Unterschied zu leichten Dingen meist großformatig und dunkel gehalten.«14
Aus denselben physikalischen Erfahrungen würden in unserer visuellen Wahrnehmung noch weitere adjektivische Zuschreibungen abgeleitet werden. So würde das oben Stehende mit ‘Aktivität’ verbunden (es birgt noch Dynamik in sich, ist noch nicht angekommen), das unten Stehende (durch den Fall bereits Angekommene) mit ‘Passivität’: »Bilder, die oben rechts im Layout stehen, wirken kraftvoller und aktiver als unten stehende. Bei vielen Zeitschriften und Zeitungen haben Konterfeis von Spitzbuben dort ihre feste Layoutposition, während die Opfer (möglichst links und aufgereiht) an der Bildunterkante stehen.«15
Diese Kompositions-Richtlinien werden aber nicht nur zur Interpretation oder Unterstützung von Bildinhalten angewandt, sie werden auch auf das Heft als solches übertragen: Falls sich nicht aus den Inhalten des Bildes oder seiner Funktion bestimmte Positionierungen auf der Seite eines Heftes ergeben, so gelte, führen die Grafikdesigner Regina Maxbauer und Andreas Maxbauer in ihrem umfangreichen Werk Praxishandbuch Gestaltungsraster – Ordnung ist das halbe Lesen aus, folgende Layoutregel: »Blicke und Bewegungen sollten zum Bund laufen, weil das Heft kompakter und ruhiger wirkt. Sind Bewegungen ein Wert für sich, zum Beispiel bei Sportzeitschriften, gilt das Gegenteil: Alle Bewegungen gehen nach außen, besonders auf der rechten Seite.«16
Ähnlich wie ‘Dynamik’ läßt sich offenbar auch ‘Ruhe’ bzw. ‘Harmonie’ durch die Position eines Gestaltungselements vermitteln: Ebenso wie die asymmetrische Stellung von Elementen (egal ob abstrakt oder gegenständlich) eine dynamische Spannung erzeuge, die in Form von Bewegung wahrgenommen würde, definiere eine symmetrische Anordnung durch gleiche Abstände in vier Richtungen Bewegungslosigkeit: »Ein Punkt in der Mitte eines Formats strahlt Ruhe aus. Er signalisiert keine Richtung.«17 Bereits nach diesen Beispielen zeigt sich, daß sich visuelle Gestalter darauf verlassen, daß wir unsere Kultur- und Alltagserfahrungen auch bei der Rezeption von zweidimensionalen Darstellungen anwenden: 14 ebd.:99 15 ebd.:155 16 ebd.:155; an dieser Stelle soll angemerkt werden, was sich durch alle ausgewerteten Fachbücher als Hinweis zieht: Keine Regel ist als absolut zu verstehen, immer sind es mehrere Faktoren, die bei einer Gestaltungsaufgabe zusammenspielen. So schreiben Willberg und Forssman im Zusammenhang mit Regeln zur Positionierung einzelner Darstellungen: »Überkommene Faustregeln wie: Die Blickrichtung eines abgebildeten Kopfes muß nach innen, zum Bund gerichtet sein, helfen nichts. Bei jedem Bild muß von seiner Form und von seiner inhaltlichen Aussage her geprüft werden, wo es plaziert wird. Ein Wolkenkratzer etwa verträgt über sich nur den weiten Himmel oder – stellvertretend im Buch – das weiße Papier, aber keine Textzeilen.« (Willberg/Forssman 1997:260). Interessant ist aber, daß trotz der jeweils auf bestimmte Aufgaben abzustimmenden und deshalb jeweils neu zu findenden Gestaltungslösung Richtlinien gegeben werden, welches gestalterische Vorgehen für welche Kommunikationsziele als eher zielführend, welches als eher kontraproduktiv zu beurteilen ist. Um diese grundsätzlichen Aussagen soll es, trotz aller notwendigen Relativierung ihrer universalen Anwendbarkeit, in den folgenden Ausführungen dieses Abschnittes gehen. Dabei werden, wie ausgeführt, besonders solche Aussagen der Gestalter aufgenommen, die als Möglichkeit gesehen werden können, die Aussagen ‘aktuell’, ‘relevant’, ‘wahr’, ‘informativ’ und ‘unterhaltsam’ in ihrer weitesten Bedeutung visuell zu vermitteln. 17 Radtke/Pisani/Wolters 2001:36
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- Wir starten links und kommen rechts an. - Was oben ist, fällt, oder ist so leicht, daß es schwebt. - Alles, was noch nicht seinen physikalischen Ruhepunkt gefunden hat, ist in Bewegung. - Was in Bewegung ist, hat Energie. - Das Ruhende ist in statischer Harmonie. - In Harmonie ist, was keine Richtung anzeigt, was symmetrisch bzw. austariert ist. Diese Interpretationsmuster dienen offensichtlich als Folie der Wahrnehmung, wenn wir, konfrontiert mit Abbildungen, (unbewußt) versuchen, diese zu verstehen – wir verwenden sie, um uns einen „Reim“ auf das Gezeigte zu machen. Wie sich die Positionierung einer Abbildung auf die Interpretation ihres Inhalts auswirken kann, das erläutern Willberg und Flossman anhand von zwei Beispielen: (1) einer Abbildung eines von der Seite gesehenen Flugzeuges und (2) einer Illustration eines wütenden Zwerges. Positioniere man das Flugzeug am unteren Rand einer Seite, so daß der Text und andere Seiteninhalte über ihm zu stehen kommen, so fliege dieses Flugzeug nicht, es wäre vielmehr abgestürzt. Rumpelstilzchen über einem Text positioniert triumphiere, zwischen den Textzeilen positioniert würde es scheinbar verzweifelt strampeln, »am Fuß der Seite muß es, wie Atlas, die ganze böse Welt tragen«.18 Auch diese beiden Autoren erläutern, wie die Anordnung von Bildern nicht nur die Interpretation der Bildaussage, sondern auch die Atmosphäre eines Heftes bzw. Buches beeinflussen kann. Wieder handelt es sich um die Gegensatzpaare ‘Ruhe und Spannung’, ‘Dynamik und Harmonie’, aber auch um ‘Verwirrung’ und ‘Langeweile’. In der Beschreibung von schematischen Positionierungsrastern führen die Autoren aus: »Gleiche Bildgrößen ergeben nicht unbedingt Gleichgewicht. Es ist nicht gleichgültig, ob schwere, dunkle, starkfarbige Bilder über oder unter leichten, pastellfarbigen Bildern stehen. Die schweren Bilder stehen unten: die Doppelseite ist stabil, aber vielleicht auch ein wenig langweilig. Die schweren Bilder stehen oben, sie lasten auf den leichten Bildern: Die Doppelseite wirkt gespannter als beim oberen Beispiel. Die schweren und die leichten Bilder sind schachbrettartig verteilt: Die Doppelseite ist labil, das Auge findet keine Ruhe.«19
Zu den genannten Faktoren, die laut den bisher zitierten Autoren in die Überlegungen einbezogen werden müssen, wenn eine visuelle Gestaltung zielgerecht erfolgen soll, kommt ein weiterer: Wesentlich in der Entscheidungsfindung bei der Positionierung von Bildern sei es, auch die reale Wahrnehmung von Dreidimensionalität bewußt in die Gestaltung zweidimensionaler Abbildungen einzubeziehen. Für die Lösung dieser Gestaltungsaufgabe gebe es zwar keine festen Regeln oder Rezepte, da jede neue Konstellation neue Probleme aufwerfe, die eigener Lösungen bedürfen würden. Dennoch könnten einige Hinweise von allgemeiner Gültigkeit gegeben werden, so etwa Willberg und Forssman in ihren Ausführungen: Die sicherste Regel bei der Positionierung von Abbildungen sei es, von der realen Seherfahrung des Menschen auszugehen, und die Fläche der zu gestaltenden Seite wie eine Landschaft oder einen Raum zu verstehen, in der der Betrachter einen 18 Willberg/Forssman 1997:260 19 ebd.:271
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festen Standpunkt hat. Daraus ergebe sich, das ‘Nahe’ an den unteren Seitenrand zu stellen und das ‘Ferne’ an den oberen Rand bzw. in den oberen Teil der zu gestaltenden Fläche. Ähnlich sei bei dargestellten Höhen vorzugehen: Was von unten gesehen wird, steht oben – was von vorne gesehen wird, steht in der Mitte – was von oben gesehen wird, steht unten. Wenn diese grundsätzlichen Gestaltungsregeln nicht befolgt würden, so hätte dies einen irritierten Rezipienten zur Folge. »Die Bildreihenfolge ist ohne Logik. Deswegen ist die Seite ohne gemeinsame Bildsprache und somit ohne Überzeugungskraft.«20 Diese Ausführungen zeigen, daß visuelle Gestalter ihre Arbeit auf der Annahme aufbauen, daß die Rezipienten ihre kulturellen Erfahrungen (Schreibrichtung als Erzählrichtung), ihr physikalisches Wissen (Schwerkrafterfahrung zur Bewegungsbzw. Gewichtsinterpretation) und ihre alltäglichen Seherfahrungen (Dreidimensionalität) unbewußt zur Bildinterpretation anwenden. Ähnliches wird sich auch für das im nächsten Abschnitt zu behandelnde Gestaltungsmittel, die ‘Farbe’, zeigen.
8.2.2 Einsatz und Wirkweise des Gestaltungsmittels ‘Farbe’ Wesentliche Eigenschaften, die sich laut den Ausführungen der Gestaltungspraktiker neben den bereits genannten durch die Wahl von bestimmten Gestaltungsmitteln vermitteln lassen, finden sich um die Begriffspaare ‘künstlich bzw. natürlich’; ‘warm und weich’ bzw. ‘kalt und hart’; ‘wahr und echt’; ‘aktiv bzw. passiv’; ‘subjektiv bzw. objektiv’. Bei all diesen durch visuelle Zeichen repräsentierbaren Eigenschaften sollte man sich immer wieder vor Augen halten, daß sie eben nicht als Charakteristik einer bestimmten Form etc. wahrgenommen werden, sondern in der Rezeption unbewußt auf die Inhalte bildhafter Darstellung oder auch auf den Kommunikator übertragen werden. Besonders deutlich wird dies anhand des Gestaltungsmittels ‘Farbe’: So ist Rot nicht einfach eine Farbe, bei der man an Wärme (Feuer) oder Gefahr (Blut) denkt. Die Wahl der Farbe Rot für eine visuelle Gestaltung kommuniziert darüber hinaus, daß es sich um ‘wichtige’, ‘dramatische’ oder auch ‘erotische’ Inhalte handelt. Denn die Farbe Rot repräsentiert nach unserer Erfahrung im weitesten Sinne „aufregende“ Inhalte. Sie stellt somit einen emotionalen bzw. sinnlichen Appell dar und wird von professionellen Gestaltern auch unter Berücksichtigung ihres Zeichencharakters eingesetzt. Dabei werden verallgemeinernde Aussagen über Farbverwendung – wie auch über andere Gestaltungsstrategien – von den Designern selbst durchaus kritisch gesehen. So schreibt Hans Peter Willberg in seinem Werk Streiflichter zur Typographical Correctness: »Ich traue auch der Farbpsychologie nicht. Da wird uns gesagt, welche Assoziation die Farbe Gelb oder Rot hervorruft, Aggressivität oder Aktivierung oder Beruhigung usw. Doch das identische Rot kann freundlich leuchten oder aggressiv wirken, je nachdem in welcher Menge, in welcher Flächengröße es auftritt. Und – noch entscheidender – in welcher Farbumgebung und wechselseitiger Flächengröße es auftritt. Je nach der Farb-Nachbarschaft kann ein Farbton seinen Charakter total verän-
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dern. ‘Das Rot’ gibt es nicht. Das weiß und praktiziert jeder Maler. Wissenschaftler wissen das offenbar nicht.«21
Damit spricht Willberg an, was bereits in früheren Abschnitten dieser Arbeit ausführlich behandelt wurde: die Wichtigkeit des Kontexts für die Interpretation eines kommunizierten Inhaltes. Wie gezeigt wurde, spielt die Art und Weise der Verwendung von Zeichen aber nicht nur für die Bedeutung bildhafter Zeichen eine entscheidende Rolle, sondern ebenso für Wortzeichen: Jede verallgemeinernde Aussage über ein aus seinem Verwendungskontext gelöstes Zeichen erscheint fragwürdig. Doch auch wenn die Verwendung von Zeichen, wie von Willberg angesprochen, sehr differenziert erfolgen kann, erscheint es im Rahmen von visueller Kommunikation wesentlich, starke Bindungen zwischen bestimmten visuellen Darstellungsformen und bestimmten Zuschreibungen zu berücksichtigen. Die Soziologin und Psychologin Eva Heller führte eine Untersuchung zur Wirkung von Farben durch. Mittels einer Befragung von 1888 Personen zwischen 14 und 83 Jahren sollte erhoben werden, durch welche Farben welche Gefühle und Eigenschaften in unserem Kulturkreis repräsentiert werden. Dafür listete Heller 13 Farben22 auf, die von den Probanden insgesamt 200 Gefühls- bzw. Eigenschaftsbegriffen zugeordnet werden sollten. Auch Heller geht darauf ein, welch wesentliche Rolle der Kontext der Farbverwendung für das Verständnis der Aussage einer Farbe spielt. »Auf die Frage ‘Welche Farbe hat die Hoffnung?’ antworten die meisten Menschen ‘Grün’. Aber auch auf die Frage ‘Welche Farbe hat das Giftige?’ antworten die meisten ‘Grün’. Zu Grün assoziiert man den Geschmack des Bitteren und des Herben. Und trotzdem: ‘Welche Farbe wirkt besonders beruhigend? ’ – ‘Grün’. [...] Haben wir zu jeder Farbe eine spezielle Empfindung? Nein, es gibt viel mehr Gefühle als Farben. Rot ist die Farbe der Liebe, aber auch des Hasses. Deshalb sind [im Rahmen der Untersuchung; Anm. C.M.W.] nicht nur Farben wichtig, die am häufigsten genannt werden – wir verbinden mit jedem Gefühl mehrere Farben, die sich gegenseitig verstärken und erklären. Das Rot der Liebe sehen wir neben Rosa, zum Rot des Hasses gehört Schwarz. Und auf die Frage ‘Welche Farbe hat das Glück?’ sind die häufigst genannten Antworten ‘Rot’ und ‘Gold’, die dritte Farbe des Glücks ist ‘Grün’. Die Nebenfarben bestimmen die Wirkung der Grundfarben.«23
Wie können nun Farben so verschiedene Gefühle auslösen und wie kann ihre Wirkung bestimmt werden? Dazu Heller weiter: »Wir verbinden mit jeder Farbe vielfältige Erfahrungen. Sie werden erinnert durch den Zusammenhang (Kontext), in dem wir eine Farbe wahrnehmen. Der Kontext sagt uns, ob eine Farbe real oder als symbolische Farbe gemeint ist, ob eine Farbgebung konventionell oder kreativ ist. Der Kontext definiert die Farbwirkung.«24
21 22 23 24
Willberg 2000:164 Blau, Rot, Grün, Schwarz, Rosa, Gelb, Weiß, Violett, Gold, Braun, Grau, Silber und Schwarz Heller 2001:13 ebd.; über den Verwendungskontext hinaus hängt die Wirkung von Farben auch von persönlichen Eigenschaften der Rezipienten ab. Maxbauer und Maxbauer führen aus: »Wir empfinden beim Anblick von Farben – und zwar über Kulturen hinweg – nahezu das Gleiche. Rot zum Beispiel wird für alle Menschen mit Feuer, mit Blut, mit Sonnenuntergang assoziiert – daher nehmen wir alle Rot als eine erregende Farbe wahr. Das heißt nicht, dass wir dieser Empfindung mit dem gleichen Gefühl begegnen: Der eine wird die Erregung bejahen, er braucht den Kick; der andere lehnt die Erregung ab, er sehnt sich nach Ruhe. Eine Farbe wird dann als schön angenommen oder gar zur Lieblingsfarbe, wenn eine Sinnesempfindung und ein Gefühl vom Grundsatz her nicht nur bejaht, sondern auch als wichtig für die eigene Person empfunden wird« (Maxbauer/Maxbauer 2002:132).
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Heller unterscheidet deshalb in ihrer Untersuchung sechs Kategorien von Farbwirkungen: (1) (2) (3) (4) (5) (6)
psychologische Wirkungen symbolische Wirkungen kulturelle Wirkungen politische Wirkungen traditionelle Wirkungen kreative Wirkungen.25
Für alle diese Wirkungen sei die Erfahrung zentral – es seien aber jeweils unterschiedliche Erfahrungen, die Geltung bei der Farbinterpretation erlangen. Auf welchen Erfahrungsschatz spontan zurückgegriffen werde, hänge wiederum vom Kontext ab, in dem wir uns mit einer bestimmten Farbe konfrontiert sehen. So denke man bei Grün automatisch an ‘Unreife’, wenn man grüne Erdbeeren neben roten Erdbeeren sieht. Die Farbe der Unreife werde so auf psychologischer Ebene verallgemeinert zur Farbe der Jugend: »Ein Grünschnabel ist noch grün hinter den Ohren«.26 Erlebe man Grün als eine Farbe der Natur, so werde sie zur Farbe des Gesunden und Frischen: Man fährt ins Grüne. Auch die symbolische Wirkung von Farben beruhe weitgehend auf Erfahrung. Diese hätte ihren Ursprung allerdings meist in jahrhundertealter Überlieferung: »Warum ist die Hoffnung grün? Hoffnung ist ein Gefühl, das nach einer Zeit der Entbehrung entsteht, man vergleicht die Hoffnung mit der Frühlingszeit. Das zeigt sich auch in der Sprache: Wie nach dem Winter die Saaten keimen, so keimt nach einer trüben Zeit neue Hoffnung im Herzen. Im gleichen Sinne ist in mittelalterlicher Symbolik Grün die Farbe der beginnenden Liebe. Und bis heute ist man einer unsympathischen Person ‘nicht grün’.«27
Die kulturelle Wirkung von Farben sei geprägt durch die unterschiedlichen Lebensweisen von verschiedenen Kulturen. So sei Grün in Europa die normale Landschaftsfarbe, so Heller. Für Wüstenvölker aber sei es die Farbe des Paradieses. Aus diesem Grund sei Grün die heilige Farbe des Islam. Darüber hinaus gelte Grün in Kulturen, in denen es hohe Werte symbolisiere, als Farbe des Männlichen. Politische Farbsymbolik leitet sich nach Heller vielfach von alten Wappen- und Flaggenfarben herrschender Dynastien ab. »Grün ist auch die Nationalfarbe Irlands, der Grünen Insel. In der grün-weiß-orange gestreiften Flagge Irlands symbolisiert Grün den Katholizismus und Orange den Protestantismus. Orange ist die Dynastiefarbe der protestantischen Oranier. Die Farbkombination Grün-Weiß-Orange führt in Irland zur Assoziation von Staat und Macht – so wie bei uns die Farbkombination Schwarz-Rot-Gold.«28
25 Vgl. Heller 2001:13ff.; Radtke/Pisani/Wolters unterscheiden acht Bereiche, aus deren Blickwinkel das Problem der Farbe untersucht werde: (1) Physik, die die Farbe als elektromagnetische Schwingungen beschreibe; (2) Chemie, die den Farbstoff in seiner molekularen Struktur erfasse; (3) Physiologie: Die Farbe löst Körperempfindungen aus; (4) Symbolik: Die Farbe hat eine Bedeutung im übertragenen Sinn; (5) Psychologie: die Farbe im Zusammenhang mit Empfindungen; (6) Bildreproduktion: die Farbe als Aufgabenstellung der Vervielfältigung; (7) Kunst: die Farbe als informationsästhetisches Medium; (8) Visuelle Kommunikation: die Farbe zur zielgerechten Informationsübermittlung (vgl. Radtke/Pisani/Wolters 2001:64). 26 Heller 2001:14 27 ebd. 28 ebd.:15
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Traditionelle Farbwirkungen würden sich laut Heller weitgehend daraus ableiten, daß über Jahrhunderte nicht alle Farben im selben Ausmaß verfügbar gewesen seien. Manche Farben seien daher extrem teuer gewesen und hätten oft eines extremen Färbeaufwandes bedurft. Damit sei die Farbe der Kleidung keine Geschmacksfrage gewesen, sondern eine Frage des Geldes und des Standes. Teure Stoffe seien mit teuren Farben gefärbt worden, billige Stoffe mit billigen Farben. Dunkelgrün sei eine billige Farbe gewesen, weshalb die europäischen Könige und Würdenträger keine grüne Kleidung getragen hätten.29 Die kreative Farbverwendung zeige sich im Bruch mit diesen Konventionen, neue Kontexte würden gebildet. Um aber Farben in neuer, überraschender Weise anwenden zu können, müsse wie bei anderer bewußter Farbgestaltung erst der Sinn der konventionellen Farbgebung bekannt sein.30 Heller gibt in ihrem Buch neben den Ergebnissen ihrer Untersuchung zur Farbwirkung einen umfassenden Überblick über geschichtliche Zusammenhänge, Traditionen und die Symbolik der einzelnen Farben. Aus den umfangreichen Informationen werden im folgenden einige zusammengefaßt, die für die weiteren Ausführungen zur visuellen Logik von Nachrichtenmagazinen relevant erscheinen.31 So sieht Heller etwa einen Zusammenhang zwischen der Neigung zur Verwendung von dezenten Farben und dem Wunsch, ‘exklusiv’ und ‘seriös’ zu erscheinen. Das Bunte als das Vitale, aber auch als das Künstliche (allen Mischfarben des Farbprismas wie Violett oder Orange hafte etwas Künstliches, Unnatürliches an) wirke tendenziell ‘billig’.32 Je teurer und langlebiger ein Produkt, desto größer sei die Nei29 vgl. 30 ebd.:44 31 Alle zitierten Aussagen sind, wenn nicht anders angegeben, Hellers Buch Wie Farben wirken (vgl. Heller 2001) entnommen und finden sich dort unter dem jeweiligen Farbstichwort. 32 David Batchelor stellt in seinem vielbeachteten Werk Chromophobie – Die Angst vor der Farbe provokante Thesen darüber auf, warum in westlichen Kulturen Buntes als weniger wertvoll wahrgenommen wird, warum es als ‘billiger’ eingestuft wird als dezent Gefärbtes oder gar Weißes: Die westliche Kultur leide, so Batchelor, an Chromophobie: Farbe sei mit massiven Vorurteilen belegt. Zu Beginn seiner Ausführungen schreibt er: »Chromophobie äußert sich in den zahlreichen unterschiedlichen Versuchen, Farbe aus der Kultur auszutreiben, zu entwerten, ihre Bedeutung zu schmälern, ihre Komplexität zu leugnen. Genauer gesagt, die Vertreibung der Farbe wird normalerweise auf zwei Arten erreicht. In einem Fall wird sie als Eigenart irgendeines ‘fremden’ Körpers identifiziert – meist des weiblichen, orientalischen, primitiven, kindlichen, vulgären, absonderlichen oder pathologischen. Im zweiten Fall verbannt man Farbe in das Reich des Oberflächlichen, Nachträglichen, Unwesentlichen oder Kosmischen. Einerseits erscheint Farbe als fremd und daher gefährlich. Andererseits gilt sie als bloß zweitrangige und nebensächliche Qualität der Erfahrung und wird daher als ernsthafter Betrachtung unwürdig erachtet. [...] Wie dem auch sei, Farbe wird automatisch aus den höheren Sphären des Geistes ausgeschlossen.« (Batchelor 2002:20). Einige Absätze später zitiert Batchelor den Farbtheoretiker Charles Blanc, der Ende des 19. Jahrhunderts verlangt habe, daß Farbe – von ihm mit dem Weiblichen in der Kunst assoziiert – den ‘männlichen’ Disziplinen Entwurf und Zeichnung untergeordnet werden solle. Blanc sei allerdings nicht dafür gewesen, Farbe einfach zu übergehen oder abzulehnen, so Batchelor weiter. Farbe sei immer präsent, sie müsse deshalb gezügelt und unterworfen werden – wie eine Frau, so Blancs Ansicht laut Batchelor (vgl. ebd.:21). Blanc hätte Farbe als die Sprache der Natur und damit als unterlegen und primitiv gesehen. In Blances Worten: »Intelligente Wesen haben eine Sprache, die sich in gegliederten Tönen äußert. Andere Lebewesen wie die Tiere und die Pflanzen drücken sich mit Schreien oder mit Formen, Konturen und ihren Gangarten aus. Im Gegensatz dazu besitzt die unbelebte Natur nur die Sprache der Farben. Nur mit den Farben sagt uns der Stein: Ich bin ein Saphir, ich bin ein Smaragd«, und an anderer Stelle folgert Blanc: »[...] der Geschmack an der Farbe verlangt große Opfer. Er lenkt den Geist von seinem Weg ab, er verändert das Gefühl und verschlingt das Denken« (zitiert nach Batchelor, ebd.:23ff.). Diese Äußerungen
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gung zu dezenten, seriösen Farben. »Kreative Farbigkeit wird in der Produktgestaltung besonders gerne akzeptiert, wenn ein Produkt billig, kurzlebig und unpersönlich ist«.33 ‘Echt’ und ‘natürlich’ würden Farben wirken, die so gestaltet sind, wie wir Farbigkeit in unserem Alltag erleben: Das Unbearbeitete, das Nicht-Gestaltete wirke ‘ehrlich’. Von dieser alltäglichen Erfahrung hebe sich eine Farbe besonders ab: Gold, eine Farbe, die an keiner lebenden Materie vorkommt. Die Farbe der Bedrohung, des Unheils, der Brutalität, der Trauer, aber auch der Schuld sei Schwarz. Dies spiegle sich auch im Sprachgebrauch, etwa der Formulierung, jemandem würde der ‘Schwarze Peter’ zugeschoben, wenn er zum Schuldigen erklärt wird. Der Zusammenhang zwischen der Farbe Schwarz und der Abwesenheit von Licht, also der Dunkelheit, zeige sich in den Begriffen ‘Schwarzarbeit’ oder ‘Schwarzhandel’ für Vorgänge, die im Verborgenen, im Dunklen vor sich gehen. Im Gegensatz dazu würde die Farbe Weiß das Unschuldige, das Ehrliche, die Wahrheit, die Eindeutigkeit und auch das Neue, das Saubere, das Einfache repräsentieren. Für das Kalte und Kühle steht Blau, so Heller: »Blau ist die Komplementärfarbe zu Orange. Orange ist die heißeste Farbe des Spektrums, Blau die kälteste. Daß Blau als kalte Farbe empfunden wird, beruht auf Erfahrung: Die Schatten des Sonnenlichts sind blau. Vincent van Gogh, der die Dinge nicht in den ihnen eigenen Farben wiedergab, sondern in die Farben des Lichts umsetzte, malte Bäume im Schatten als blaue Bäume. Eis und Schnee schimmern bläulich, auch die Haut wird in der Kälte blau. Blau, die Farbe des Fernen und Kühlen, ist eine Außenfarbe. Als Raumfarbe ist Blau ungemütlich, weil es den geschlossenen Raum auflöst, die Kälte hereinläßt. In blauen Zimmern wird die Temperatur unterschätzt. ‘Zimmer, die rein Blau austapeziert sind, erscheinen gewissermaßen weit, aber auch leer und kalt’, meinte Goethe, und: ‘Blaues Glas zeigt die Dinge in traurigem Licht’ [...] Das kalte Blau ist im symbolisch-übertragenen Sinn eine abweisende Farbe. Es ist eine Farbe der Gefühllosigkeit, des Stolzes, der Härte.«34
Darüber hinaus würden bläuliche Töne Entfernung vermitteln, denn alle Objekte zeigten sich in der Natur aufgrund der atmosphärischen Bedingungen um so bläulicher, je weiter sie von uns entfernt sind. So werde die Farbe Blau zur Farbe der Distanz, ein Begriff, der wiederum mit ‘kühl’ assoziiert ist. In kräftigen Farben Dargestelltes wirke aus demselben Grund nah, weniger kräftig Gefärbtes entfernt: In der Ferne verblassen alle Farben. Reinhard Wesel stellt zur Farbe Blau und ihrer Aussagekraft fest, sie sei inzwischen zur Farbe des Friedens geworden. So sei etwa die Markenfarbe der UNO Blau. In Science-Fiction-Filmen lasse sich zudem beobachten, daß Imperien und alles, das als international erkannt werden soll, die Farbe Blau trage. »Immer, wenn es ‘politisch’ wird, wird es in der Zukunft ‘blau’«.35 Im Bereich der Politik sei Blau zudem eine Farbe, die vielfach in der Wahlwerbung verwendet werde, so Maxbauer und Maxbauer in ihren Ausführungen zur kommunikativen Verwendung von Farbe. So würden die meisten Wahlplakate den politischen Akteur vor einem tiefen, gedeckten Blau als Farbe des Vertrauens, der Ruhe und Ordnung zeigen. Wiederum
erinnern an die in früheren Abschnitten dargestellten Auffassungen von der bildhaften Kommunikation als niederere Form der Kommunikation gegenüber der Wortsprache: Das sinnlich Erfahrbare wird dem Abstrakten untergeordnet. 33 Heller 2001:13 34 ebd.:28 35 Wesel 1998:303
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eine Farbauswahl, die laut Maxbauer und Maxbauer mit der Naturerfahrung des Menschen im Zusammenhang stehe: »Blau begegnet uns in unserer Naturwahrnehmung zuerst in großen weiten Flächen: beim Anblick des hoffentlich strahlend blauen Himmels und des Meeres. Beide haben eine feste und naturgemäße räumliche Ordnung: der Himmel ist oben, das Meer unten.«36
Dementsprechend würden auch die emotionalen Werte ausfallen, die wir mit Blau verbinden. Zum einen stünde Blau für die Ruhe und Zufriedenheit, die uns der Himmel und das Meer schenken. Durch die festen Positionen würde Blau aber ebensosehr mit ‘Einordnung’ und ‘Präzision’, mit ‘Vernunft’, ‘Vertrauen’ und ‘Beherrschung’ verbunden. ‘Kühle’ und ‘Weite’, zwei wesentliche Eigenschaften des Himmels und der Meere, würden von uns auf das Blau übertragen, und so stünde Blau für den Weitblick und das Visionäre. »Unser Farbempfinden schlägt sich im Grafik-Design nieder. So ist das Blau mit seinen ‘seriösen’ Eigenschaften am ehesten dort anzutreffen, wo Sicherheit, Vernunft und Präzision eine wichtige Rolle spielen. Die meisten Banken, Versicherungen und öffentlichen Körperschaften sowie viele Technologieunternehmen finden in blauen Logos ihre farbliche Entsprechung.«37
Im Gegensatz zum seriösen, kühlen Blau wirken Braun-Töne gemütlich und warm, so Heller. Dies liege daran, daß Braun in der Natur die Farbe des Holzes, des Leders und der ungebleichten Wolle sei. Gleichzeitig würde mit bräunlichen, erdigen Farben aus denselben Gründen aber auch oft das ‘Biedere’, das ‘Spießige’ assoziiert. »Braun ist eine höchst sinnliche Farbe, deren Assoziation seit Urzeiten durch die Natur fest definiert ist: Es ist die Farbe des Holzes und der Erde. Viele Naturprodukte sind ebenfalls braun – Back- und Wurstwaren, unbehandelte oder pflanzengefärbte Textilien, Leder- oder Keramikwaren etwa. Damit ist Braun als die Farbe für Urwüchsigkeit, für Gemütlichkeit und Sinnlichkeit allgemein anerkannt. [...] Als sekundäre Emotion vermittelt Braun Harmonie und Romantik, man denke nur an die Schönheit alter, vergilbter Fotos. Wer nur einen geringen Bezug zu solchen Gefühlen hat, mag die Farbe deshalb in der Regel nicht. Auch die Branchen, die Braun als Hausfarbe einsetzen, orientieren sich überwiegend an der Natur und ihren Rohstoffen: Möbel und Textilien, Lebensmittel (Brot, Kaffee, Schokolade!), Keramik und Baugewerbe. Andere Unternehmen tun sich schwer mit Braun, da es nicht gerade Aufbruch und Wachstum signalisiert.«38
Für das Verständnis der visuellen Gestaltung von Nachrichtenmagazinen sind diese allgemeinen Hinweise zur Wirkung von Farben wesentlich, da davon auszugehen ist, daß ihre Gestaltung auch dort, wo sie die Farbgebung betrifft, keine willkürliche ist.39 Ebenso wie die Kleidung von Nachrichtensprechern und die Gestaltung von Nachrichtenstudios durch Form und Farbe erkennen lassen, wieviel Seriosität, Unterhaltungswert, Modernität usf. die jeweilige Sendung für sich in Anspruch nehmen möchte, so definiert sich auch ein Printmedium nicht zuletzt durch seinen optischen Auftritt. Das eher bunt gestaltete Magazin gibt sich „kumpelhafter“ als das dezent gefärbte, es stellt mehr visuelle Nähe her. Dramatische Farbgebung (starke, das alltägliche Erleben übertreffende Kontraste, viele rote und schwarze Flächen usf.) 36 37 38 39
Maxbauer/Maxbauer 2002:134 ebd. ebd.:138 Die Designer Peter Bonnici und Linda Proud schreiben in ihrem Buch Designing with Photographs in diesem Sinne: »Successful designers maintain a consistent visual language right through a piece of work. The mixing of visual languages is equivalent to the mixing of messages: confusion will be the predictable outcome. And no piece of communication can make contact with a confused reader« (Bonnici/Proud 1998:151).
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erzählt von dramatischen Ereignissen und somit auch von betroffenen, involvierten Berichterstattern, die nahe am Geschehen sind. Der „kühle“, „objektive“ Beobachter betrachtet Ereignisse aus größerer Distanz. Will er als solcher erkannt werden, wird er eine dementsprechende Gestaltung seiner Berichterstattung wählen. Es erscheint unmittelbar einsichtig, daß eine dynamische, zeitgemäße Charakteristik eine andere Farbgebung erfordert, als ein Magazin für sich wählen wird, wenn es primär als ‘solide’, ‘seriös’, ‘erfahren’, also im weitesten Sinne als „weise“ aufgefaßt werden möchte. Der Spielraum von Nachrichtenmagazinen ist dabei, wie bereits in früheren Abschnitten ausgeführt wurde, nicht groß. Leicht kann bei demselben Inhalt aus einem Nachrichtenmagazin optisch beispielsweise eine sogenannte ‘Kundenzeitschrift’ werden – ein Medium, für das sich eine eigene visuelle Ästhetik etabliert hat.40 Der Unterschied liegt in der Wahl der Gestaltungsmittel. Aufgrund der in früheren Abschnitten vorgestellten Forschungsergebnisse ist anzunehmen, daß Rezipienten dieselben Nachrichten unterschiedlich auffassen, abhängig davon, welche Eigenschaften sie dem Kommunikator zuschreiben. Gleichzeitig werden Nachrichteninhalte, wie ebenfalls bereits ausgeführt, durch ihre visuelle Aufbereitung interpretiert und kommentiert. So wird etwa Ironie, die durch das Konterkarieren von Inhalten mit einer diesen nicht adäquaten optischen Aufbereitung erreicht wird, erst bewußt wahrnehmbar, wenn ein Bewußtsein gegenüber den Mitteln, durch die solche ‘Bild-Text-Scheren’ erreicht werden können, besteht. Neben den Möglichkeiten, die der Zeichencharakter von Positionierung und Farbgebung für die visuelle Inhaltsvermittlung bietet, kommt auch dem Gestaltungsmittel ‘Form’ eine wesentliche Rolle zu. Hinweise, die sich zu diesem Gestaltungsmittel in der ausgewerteten Fachliteratur für den Praktiker der visuellen Gestaltung finden, sollen im nächsten Abschnitt zusammengefaßt werden.
8.2.3 Form als Bedeutungsträger der visuellen Nachrichtenvermittlung Eine zentrale Entscheidung bei der grafischen Gestaltung von Printmedien stellt offenbar die Wahl der Formate bzw. der Außenform der einzusetzenden Darstellungen dar. Neben der bereits mit Kress/Leeuwen angesprochenen grundsätzlich vorherrschenden Assoziation des Runden mit dem Warmen und Weichen sowie des Spitzen mit dem Kalten und Harten, sei für den Gestalter auch zu berücksichtigen, was in
40 Maxbauer und Maxbauer geben einen Hinweis darauf, wie sehr sich die Farbgestaltung spezifisch für einzelne Medien entwickelt. Wie andere Ausführungen zu Gestaltungstraditionen und Gestaltungskonventionen sind diese Hinweise gleichzeitig als Beschreibung und als Fortschreibung von „visuellen Sprach-Dialekten“ zu sehen. Maxbauer und Maxbauer führen aus, daß nicht nur allgemeine Farbzeichen, wie etwa, daß »der rote Punkt am Wasserhahn zu warmem Wasser verhilft, die rote Ampel die Fahrt unterbricht und der gelbe Kasten die Post aufnimmt«, sondern auch differenziertere Farbgestaltungen als etabliert zu sehen seien: »Auch wo es komplexer wird, funktioniert es. Ein Beispiel: Gehen wir in eine Buchhandlung, sehen wir, dass alle Gartenbücher grün-grüne Rücken haben, die meisten Politikbücher hingegen schwarz-rote. Fotobände sind nur in schwarz-weiß Einbänden zu haben, Kochbücher sind oft orange oder rot (vegetarische Vorlieben grün, Diatbücher weiß), Reisebücher sind blau in allen Abstufungen: Fernweh, Fernsicht, großartige Aussichten. Romane sind bunt wie das Leben, alles ist möglich. Kinderbücher für die ganz Kleinen sind Rot, Gelb und Blau, desgleichen Bastel- und Heimwerkerbücher« (Maxbauer/Maxbauer 2002:132).
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einem bestimmten Zusammenhang als vertraut angenommen werden kann und was im Gegensatz dazu überrascht oder gar befremdet. Beide Reaktionsmöglichkeiten müßten mitgedacht werden, um das gewünschte Kommunikationsziel zu erreichen. Andreas Maxbauer und Regina Maxbauer führen in diesem Zusammenhang aus: »Ein rundes, ein ovales oder ein achteckiges Bild erzielen mehr Beachtung als Blickfang, weil es ungewöhnlich ist. Stimmt das Motiv oder eine erkennbare gestalterische Absicht mit der gewählten Form überein, nimmt der Betrachter das Bild als stimmig und gut an. Gleiches gilt auch für Freisteller41, denn freigestellte Abbildungen signalisieren, dass diese Bilder wichtig sein müssen, sonst hätte sich niemand die Mühe des Ausschneidens gemacht. Andersrum argumentiert ist es so, daß ein hoher grafischer Aufwand, der nicht durch das Motiv ‘eingelöst’ wird, als unpassend und affektiert wahrgenommen wird.«42
Das „natürlichste“ Format eines Bildes sei daher das Querformat, weil unsere Augen nebeneinander und nicht übereinander liegen.43 Innerhalb dieser Grundform seien Rechtecke mit dem Größenverhältnis der Seitenlängen von 3:2 oder 4:3 wiederum die vertrautesten, da wir mit diesen Formaten durch Bildschirmformate und klassische Fotoausarbeitungsformate tagtäglich konfrontiert würden.44 Damit empfinde der Rezipient dieses Format als ‘natürlich’ und ‘selbstverständlich’, es könne gleichzeitig aber aus denselben Gründen auch ‘langweilig’ wirken.45 Dem Querformat wird darüber hinaus eine ruhigere Wirkung als dem Hochformat zugesprochen: Dies entspreche unserer Körpererfahrung des (passiven) Liegens und des (aktiven) Stehens. Da das Liegende allgemein statisch stabiler sei als das Stehende, würden auch „stehende“ bzw. „liegende“ Bildrechtecke ähnlich interpretiert. Radtke, Pisani und Wolters führen in ihrem Handbuch Visuelle Mediengestaltung zu der Anmutungsqualität von Bildformaten aus: »Das Quadrat wirkt durch seine symmetrischen, gleichwertigen Proportionen neutral und ruhig. Hier entsteht kein Eindruck von Bewegung. Das Rechteck in Hochformat wirkt nicht mehr neutral wie das Quadrat. Der Grund ist die Entstehung einer senkrechten Bewegungsrichtung. Das Hochformat ‘steht’ und wirkt deswegen eher steigend und aktiv. Das Rechteck in Querformat ‘liegt’ und wirkt deswegen eher passiv und lastend. Hier entsteht eine waagrechte Bewegungsrichtung.«46
Doch nicht nur den Formen und Formaten von Bildern, auch der Form der sie und den Text umgebenden Räume wird wesentliche Aussagekraft zugeschrieben. So sei das Verhältnis zwischen bedruckten und unbedruckten Flächen von entscheidender Bedeutung für ein Druckwerk. Dies betreffe die Flächengröße, also die Quantität des weißen unbedruckten Raumes, aber auch sein Spannungsverhältnis – seine Qualität.47 Der Grafik-Designer Horst Moser veranschaulicht die Wirkung des weißen Raumes, der eine Seitengestaltung umgibt, anhand eines klassischen Fotorahmens: »In Ausstellungen sind Bilder gerahmt. Sie hängen weit voneinander entfernt, um durch das Nachbarsbild nicht zu sehr beeinflußt zu werden. Dadurch können sie ihr Eigenleben entfalten. Auch die Entscheidung, Bilder randabfallend einzusetzen oder mit einem Passepartout zu versehen, prägt die
41 Fachausdruck für Bildmotive, die aus ihrem Hintergrund gelöst wurden und als Bild durch ihre eigene Silhouette begrenzt werden (Anm. C.M.W.) 42 Maxbauer/Maxbauer 2002:168 43 ebd.:94 44 Turtschi 1994:240 45 ebd. 46 Radtke/Pisani/Wolters 2001:48 47 Willberg/Forssman 1997:86
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Wahrnehmung der Bilder. In einem Fall entsteht Dynamik, im anderen Fall bewirkt ein weißer Rahmen Distanz.«48
Willberg und Forssman bieten ebenfalls Anhaltspunkte für die gestalterische Entscheidung im Umgang mit der weißen Fläche: »Ein Bild, das vom Passepartout des weißen Papiers umgeben auf der Seite steht, ist präzise definiert: mehr gibt es nicht zu sehen. Ein Bild, das vom Rand der Seite begrenzt, also abgeschnitten ist, wirkt wie aus einem größeren Zusammenhang ausgeschnitten. Man kann denken, es ginge außerhalb der Seite weiter.«49
Wie im Zusammenhang mit dem Gestaltungsmittel ‘Farbe’ zeigt sich auch in den Zitaten zur Form, daß dieses visuelle Darstellungsmittel zahlreiche Möglichkeiten bietet, um Nähe bzw. Distanz, Ruhe bzw. Dynamik, Harmonie bzw. Spannung zu vermitteln – Begriffe, die in engem Zusammenhang mit dem in der Medienwirkungsforschung relevanten Begriff Involvement gesehen werden können: Sie sind geeignet, das Verhältnis zwischen Rezipient und vermittelten Inhalten zu beschreiben. Darüber hinaus sind sie aber auch geeignet, Kommunikatoren an sich bzw. das Verhältnis zwischen Kommunikationspartnern näher zu definieren. Nach diesen zusammenfassenden Ausführungen zu den Gestaltungsmitteln Position, Farbe und Form soll im folgenden auf die „Werkstoffe“ der PrintmedienGestaltung Fotografie, Typographie und Grafik eingegangen werden. Es wird darzustellen sein, daß auch diese zeichenhaft verwendet werden können – dies sowohl als Interpretationsangebot zu Inhalten als auch zur Charakteristik des Kommunikators.
8.3
Typographie, Foto und Grafik – Die Werkstoffe der Printmedien-Gestaltung
8.3.1 Schriftform und Schriftsatz als Interpretationsangebote In der Gegenüberstellung von Text und Bild in Wirkungsstudien wird meist vernachlässigt, daß auch die Wortsprache in ihrer schriftlich niedergelegten Form zu einer bildhaften Darstellung wird. Je unkomplizierter – und deshalb auch differenzierter – der Einsatz unterschiedlicher Arten von Schrifttypen, Schriftgrößen und Schriftausrichtungen in der Gestaltung von Printmedien wird, desto wesentlicher wird deren Zeichencharakter; denn unter diesen Bedingungen kann die Symbolkraft etwa der geometrischen Form von Schrift besser genutzt und so auch weiter fortgeschrieben werden. In der Fachliteratur für die visuelle Gestaltung von PrintProdukten findet sich wiederholt die Auffassung, daß die Wahl der Typographie eines Textes analog zur Wahl der Sprechweise des gesprochenen Textes aufzufassen ist. Auch der geschriebene Text könne eher ‘laut’ oder eher ‘still’ und ‘unauffällig’, tendenziell ‘hektisch’ oder ‘ruhig’ und ‘gelassen’ vorgebracht werden. Die Form der Präsentation des schriftlichen Wortes wird zur Kommunikation an sich. Typographie ist Textinterpretation, so Hans Peter Willberg, und auch wenn die Auffassung vertreten werde, der Dialog habe ausschließlich zwischen dem Text 48 Moser 2002:38 49 Willberg/Forssman 1997:281
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eines Autors und dem Leser stattzufinden und die Aufgabe des Gestalters sei es ausschließlich, den Text gut lesbar darzubieten, könne diese Forderung nicht erfüllt werden: »Jede Format-, Papier- und Schriftwahl nimmt unausweichlich Verbindung zum Text, zum Inhalt des Buches oder irgendeiner anderen Drucksache auf, erst recht die typografische Anordnung. Die Form spricht mit, unausweichlich. Jede Gestaltung interpretiert, neutrale Typographie gibt es nicht und kann es nicht geben, so wenig wie es neutrales Sprechen geben kann.«50
Christian Gutschi hat es in seiner Arbeit Emotionale Wirkung typografischer Schrift unternommen, anhand eines aufwendigen Untersuchungs-Designs wissenschaftlich zu beleuchten, welch unterschiedliche Anmutungsqualitäten von verschiedenen Schrifttypen im Rahmen der Textrezeption ausgehen. Nach umfassenden theoretischen Ausführungen zur Schrift als kulturellem Ausdrucksphänomen und der historischen Entwicklung dieses Phänomens stellt Gutschi die Ergebnisse einer empirischen Studie dar. Einerseits wurden vom Autor Praktiker der Schriftgestaltung mithilfe einer schriftlichen Befragung in die Untersuchung einbezogen und so Expertenwissen zum Einsatz und der Wirkung von Schrift erhoben, andererseits wurden anhand eines semantischen Differentials 130 (Laien-)Versuchspersonen nach deren Empfindungen gegenüber unterschiedlichen Schriften, jeweils angewandt in unterschiedlichen Textbeispielen, befragt. Gutschi präsentiert unter anderem folgendes Ergebnis seiner Studie: »Sowohl bei der Bewertung der Schriftform als Blindtext, bei der Zuordnung einer Schriftform zu Texten als auch bei der Angabe spezifischer Verwendungszwecke werden ausnahmslos alle Schriftformen relativ einheitlich erlebt bzw. erhalten Bewertungen gleichbleibender Anmutungsqualitäten. Ein Unterschied zwischen Experten und Normalrezipienten diesbezüglich ist nicht vorhanden. Naturgemäß eröffnen sich den Schriftformen bei der Angabe des Verwendungszwecks unterschiedliche Anwendungsfelder, die tendenziell aber in Einklang mit der allgemeinen Einschätzung der Schriftformen stehen.«51
50 Willberg 2000:51 51 Gutschi 1995:146; an anderer Stelle stellt der Medienpsychologe Gutschi einzelne Schriften seiner Untersuchung in der ihnen zugeschriebenen Anmutung als Personen dar und wählt damit einen ähnlichen Weg, wie er von Kathrin Steinbrenner bei der Untersuchung von Zeitschriften-Charakteren eingeschlagen wurde (siehe Abschnitt 7.5; vgl. Steinbrenner 2002). Der Rahmen, in dem Gutschis Analyse präsentiert wurde – sie erschien in Fortsetzungen in einer Fachzeitschrift für visuelle Gestalter –, mag den Ton der Kurzcharakterisierungen der einzelnen Typen erklären. Da sie in ihrer Aussagekraft interessant erscheinen, sollen hier beispielhaft drei Charakterisierungen wiedergegeben werden (im Namen der jeweiligen Person findet sich die Kurzbezeichnung der durch sie dargestellten Schrift). »Mister Boton ist ein steifer und ordentlich wirkender Mann mit gewöhnlichem Blick. Wegen seiner traditionellen Einstellung sind Gespräche mit ihm reizlos und bedrückend. Er argumentiert rational, denkt logisch, sein Blick ist gespannt, sein Gegenüber sogleich einschätzend. Mitleid kennt er kaum. Hinter dieser kräftigen, äußeren Schale versteckt sich allerdings ein Mensch, der manchmal auch durchaus zuverlässig sein kann« (In: Page 9/1996:64); »Mr. Gill, Gentleman voller Eleganz und Erhabenheit, gibt sich die Ehre. Eine Begegnung mit ihm hinterläßt ob seiner charakterstarken und sehr natürlichen Persönlichkeit großen Eindruck. In welcher Umgebung er sich auch befindet, sein Auftreten wird als Bereicherung erlebt, und man fühlt sich in seiner Nähe wohl. Sein freundliches und höfliches Wesen ist durchzogen von wohldosiertem Humor, der nie über das Ziel hinausschießt« (In: Page 10/1996:74); »Mrs. Stone Informal ist für jeden Spaß zu haben. Durch ihre aufgedrehte Gelöstheit fällt sie ständig auf. Mrs. Stone Informal hat ein lebendiges und sonniges Gemüt und versucht alles Eckige harmonisch abzurunden. Dabei verliert sie sich manchmal und wird total unberechenbar. Aber ihre anregende Pfiffigkeit behält sie auch dann noch, wenn sie die Traditionsbewußte spielt« (In: Page 1/1997:53).
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Neben den Traditionen des Schriftschreibens, -setzens und der Schriftverwendung sind es nach Aussagen der Gestaltungspraktiker die bereits angeführten grundsätzlichen Wirkungen von Formen, die die Wahrnehmung einer Schrift bestimmen. So würden Betonungen der senkrechten Linienführung bei Schrifttypen diese tendenziell ‘statisch’ erscheinen lassen, verstärkt würde dies durch eine betonte Strichstärke, die jede Schrift tendenziell ‘schwer’ und ‘nachdrücklich’ wirken lasse. Betonte Waagrechte (wie etwa bei sogenannten Antiqua-Schriften, also Schriften mit waagrechten „Füßen“ am Beginn von Auf- und Abstrichen) würden eher ‘dynamisch’ wirken, ebenso Schriften mit einer betonten Rechtsneigung ihrer Buchstabenachsen. Akzentuierte Rundformen würden Schriften eher ‘weich’ wirken lassen, eckige Prägungen ‘härter’ und damit tendenziell ‘kälter’, ‘nüchterner’, ‘unfreundlicher’ und ‘unpersönlicher’ als runde Formen. Typen, die in ihren Formungen handgeschriebenen Schriften nachempfunden seien, würden die Assoziation des Persönlichen erzeugen. Das Vertraute bzw. Selbstverständliche wirke tendenziell ‘leiser’ als das Unvertraute, so beispielsweise die Verwendung von Groß- und Kleinbuchstaben in Überschriften von Texten gegenüber der Verwendung von ausschließlich Großbuchstaben.52 Neben der Form der einzelnen Buchstaben einer Schrift sei es aber auch die Form des Schriftsatzes, die eine bestimmte Atmosphäre eines Textes vermittle bzw. unterstütze, so der Tenor der Fachpublikationen zur Thematik ‘Schrift’. In welcher Weise die Seitenbreite einer Publikation unterteilt wird, um den Text zu positionieren, habe wesentlichen Einfluß auf die Textwahrnehmung und die Interpretation des Charakters von Textinhalten. Für Formate, die etwa A4-Ausmaße haben, wie für die meisten Zeitschriften üblich, kämen grundsätzlich bis zu vier Spalten für die Textaufbereitung in Frage. Schmälere Spalten würden sehr kleine Schriftgrößen erfordern, wenn der Text nicht zuviele Zeilensprünge aufweisen soll. Schon vierspaltiger Text finde sich aus demselben Grund meist nur für sehr kurze Texteinheiten, wie Kurzmeldungen. Die Thematik der Spaltenaufteilung wird, wie die Themen Form, Positionierung, Farbe und Schrifttype, von allen Fachpublikationen zur visuellen Gestaltung ausführlich dargelegt; die folgenden Zitate entstammen beispielhaft dafür dem umfangreichen Werk Praxishandbuch Gestaltungsraster – Ordnung ist das halbe Lesen von Andreas Maxbauer und Regina Maxbauer, das sich der Thematik als einem Hauptanliegen seiner Ausführungen widmet. Das auffälligste Merkmal eines einspaltig gesetzten Textes sei laut Maxbauer und Maxbauer die Zeilenlänge, die sich meist im Bereich von 12 bis 15 cm bewege, weil dadurch bei normaler Schriftgröße eine Zeichenanzahl pro Zeile entstehe, die gut lesbar sei. Das zweite optische Merkmal bei einspaltigen Layouts sei der zumeist großzügige Weißraum an den äußeren Seitenrändern. Abgesehen von Büchern seien Seiten mit nur einer Textspalte nicht allzu häufig anzutreffen, mit ihnen gehe deshalb eine ganz bestimmte Atmosphäre einher: »In der Regel strahlen sie Ruhe aus, die in Layouten Texten vorbehalten ist, die in Kurzfristmedien wie Broschüren und Zeitschriften nur eine Nebenrolle spielen, weil man sich dafür Zeit nehmen muss. Damit sind persönlich anmutende Editorials gemeint, umfangreiche Essays und Grundsatzarti-
52 vgl. etwa Turtschi 1998:58ff.; Turtschi 1994:76ff.; Willberg/Forssman 2001:12ff.; Maxbauer/Maxbauer 178ff.
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kel. Damit besteht eine Übereinstimmung mit Büchern, in denen nur selten unterschiedliche Textformen auf einer Seite zu stehen kommen. Die weitgehend homogenen Inhalte wollen in Ruhe linear gelesen werden und haben daher auch in der Typographie einspaltiger Broschüren oder Zeitschriftenteile Anklänge, die aus der Buchgestaltung bekannt sind.«53
Layouts mit zweispaltiger Textanordnung seien von ruhiger Symmetrie, sie würden ausgeglichen wirken und – mit viel Weißraum versehen – großzügig. »Diese Eigenschaften prädestinieren für repräsentative Drucksachen wie Geschäftsberichte und hochwertige Imagebroschüren. Auch umfangreiche, linear zu lesende Inhalte wie Essays in Zeitschriften etc. sind häufig in einer zweispaltigen Anordnung sichtbar, weil die Zeilen zum Lesen angenehme Länge bei einer geringen Anzahl von Silbentrennungen aufweisen.«54
Die getragene Ruhe von zweispaltig gesetzten Seiten lasse sich, wo gewünscht, mit geringem Aufwand beleben, zum Beispiel durch asymmetrisch oder rhythmisch angeordnete Bilder und Farbflächen. Verschlanke man die Spaltenbreiten dabei und rücke man sie mehr zum Bund, so daß an den Außenrändern viel Weißraum entstehe, so könne die allzu brave und starre Doppelseite eines zweispaltigen Textaufbaus aufgelöst werden, ohne auf ihre Eleganz zu verzichten. Dreispaltig angelegte Texte seien ihrer vielfältigen Einsatz- und Variationsmöglichkeiten wegen bei Zeitschriften zum Standard avanciert. »Der Dreispalter ist die eierlegende Wollmilchsau für Drucksachen, deren Inhalt variabel ist, aber ein unproblematisches, konsistentes Layout verlangen: Je nach Thematik oder Bildmaterial können die Seiten von getragener Ruhe, lebhafter Rhythmik, schönster Eleganz oder konstruktiver Statik geprägt sein. Der Fließtext verhält sich neutral zum Inhalt, da er sich in den üblichen Spaltenbreiten linear gut lesen läßt und eine akzeptable Trennhäufigkeit aufweist.«55
Entwürfe mit vier Spalten seien per se lebhaft, da wir als Betrachter bei mehr als drei gut überschaubaren Spalten immer auch die Eigenschaften ‘viel’ und ‘abwechslungsreich’ wahrnehmen würden. Vierspalter brächten automatisch eine starke Vertikale auf die Seiten, wegen ihrer großen Eigendynamik würden sie Gefahr laufen, Unübersichtlichkeit zu erzeugen. Dies vor allem deshalb, weil sie unserer normalen, durch unsere Schreibrichtung geprägten Blickrichtung von links nach rechts zuwiderlaufen würden.56 53 54 55 56
Maxbauer/Maxbauer 2002:110 ebd.:112 ebd.:115 Bernhard Heiller hat das Thema ‘Textspalten’ wissenschaftlich bearbeitet. Unter dem Titel Zeitungsspaltenbreite und Informationsverarbeitung ging Heiller der Frage nach, welche Auswirkung unterschiedliche Zeitungsspaltenbreiten auf die Lesegeschwindigkeit, die Behaltensleistungen und die Orientierung im Text von Rezipenten zeigen. Heiller führte insgesamt 21 vergleichende Experimente anhand jeweils unterschiedlich gesetzten Textes durch, um zu überprüfen, ob unterschiedlichen Spaltenbreiten eines Zeitungstextes lesefreundliche oder lesehemmende Eigenschaften zuzusprechen sind. Die Untersuchung, die mit 45 Schülern dreier Maturaklassen durchgeführt wurde, erbrachte in der Rezeption der Texte hinsichtlich der Fragestellungen keine Unterschiede (vgl. Heiller 1996). Dies überrascht aber bei der Durchsicht des Untersuchungs-Designs nicht. Besonders Schüler sind es gewohnt, sehr unterschiedlich aufbereitete Texte zu rezipieren; die Experiment-Situation erscheint nicht geeignet, die Phänomene, die Gegenstand der Untersuchung waren und von denen anzunehmen ist, daß sie teils stark motivationsbestimmt sind, zu testen. Darüber hinaus erscheint die „Belastung“, die von dem als am schlechtesten lesbar eingestuften Text der Untersuchung ausgeht, in der Untersuchungsanordnung als zu gering, um in der Rezeption nennenswerte Unterschiede zum vermeintlich lesefreundlichsten Text zu zeigen. Allgemein läßt sich sagen, daß in bezug auf Lesefreundlichkeit viele Faktoren zusammenwirken; jeder professionelle Gestalter wird sich in der Lage sehen, sowohl breite als auch schmale Spalten so mit Text zu füllen, daß sie gut lesbar sind, beim Leser wird die Gestaltung aber erst unter hoher Belastung etwa durch zu bewältigende Textmenge, Konzentration
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Wie in verschiedener Form alle Autoren der ausgewerteten Texte betont auch Horst Moser im Zuge seiner Ausführungen zum Thema, daß die Charakteristik, die ein Text durch seine Satzform erhält, so stark wirke, daß es wesentlich sei, keine Gestaltung zu wählen, die dem Kommunikationsinhalt zuwiderlaufe. Denn wie bei allen anderen visuellen Aufbereitungen von Inhalten gelte auch hier: Ein zu großer Widerspruch von Inhalt und Form führe zu Verwirrung beim Rezipienten. »Das Instrumentarium des geschickt eingesetzten Wechsels eines Spaltensystems ist also durchaus geeignet, sich auf den Charakter des Heftes auszuwirken. Man kann angenehme Ruhe, aber auch Tempo erzeugen. Beides kann sinnvoll sein. Wichtig ist dabei, dass diese Entscheidungen keine willkürlichen Spielereien sein dürfen, sondern immer im Einklang mit dem Inhalt stehen müssen.«57
Auch der Gestalter Hans Peter Willberg betont die Wichtigkeit des angemessenen Verhältnisses von Form und Inhalt und sieht am Beispiel der kürzlich vom amerikanischen Designer Mario R. Garcia neu gestalteten renommierten Wochenzeitung „Die Zeit“ vielfach ein Mißverhältnis gegeben. Unter der Überschrift Nachträgliches Nachdenken über mein Unbehagen gegenüber der berühmten Zeit-Typografie schreibt Willberg: »Vor kurzem hat die Zeit einen Preis für ihr Design bekommen. Sie ist ja auch wirklich schön und großzügig gestaltet. Dennoch werde ich ein Unbehagen nicht los. In der Zeit vom Donnerstag, 11. März 2000, Seite 4, eine Überschrift: Unterm Strich, ganz unten auf der Seite, kursiv, 10 mm Versalhöhe. Das ist groß, das fällt auf. Danach folgen ganze 4 1/6 Zeilen, eine spaßige Nebenbemerkung über einen Politiker. Ist das der Grund für mein Unbehagen: das Mißverhältnis von Auftritt und Substanz? Ich habe manchmal den Eindruck: Die Form ist vorgegeben, sie verheißt Bedeutendes, jetzt schaut, ihr Autoren und Redakteure, daß ihr auch was Bedeutendes hineinschreibt ins schöne Layout. Oft aber wird nur bedeutsam formuliert. (Ich glaub’, ich abonnier’ doch die Neue Zürcher.)«58
Letztlich würde sich die Diskrepanz zwischen Inhalt und Form immer auch auf die Leserbindung auswirken, so die Gestalter im Grundton ihrer Ausführungen. Für unterschiedliche Lesergruppen sei je nach Motivation und Informationsbedürfnis eine unterschiedliche Aufbereitung notwendig, zumutbar, aber auch angemessen, und darauf müsse für eine zielführende visuelle Gestaltung mit Wissen und Einfühlungsvermögen eingegangen werden. Für viel Diskussion in der Fachwelt der visuellen Gestaltung sorgte die deutsche Wochenzeitung Die Woche. 1993 erstmals erschienen, erhielt das Blatt aufgrund seiner konsequenten und in manchen Punkten innovativen visuellen Gestaltung zahlreiche Preise; so wurde sie etwa dreimal als ‘World’s best designed Newspaper’ ausgezeichnet. Doch obwohl es mit einer kompetenten Redaktion ausgestattet war, gelang es dem Blatt nicht, sich am Medienmarkt zu etablieren, und im Jahr 2002 wurde ihr Erscheinen eingestellt. Dietrich Ratzke stellt zu der Herausforderung der angemessenen Aufbereitung medialer Information allgemein fest: »Das ästhetisch „perfekte“ Medienprodukt hat für ein spezifisches Publikum nur eine gewisse Zeit seinen Reiz, auf Dauer aber langweilt es; weil der Spannungsbogen fehlt, der in den Medien erst dann entsteht, wenn sich formale Ästhetik mit Verstößen gegen die inhaltliche Ästhetik paart.«59
auf den Text (Textverständnis, Behalteleistung) und/oder Zeitdruck Effekte zeigen. Die vorliegende Arbeit thematisiert in erster Linie den Zeichencharakter verschiedener Textsatzformen, die Thematik der realen Rezeptionsleistung wird von der Fragestellung nicht erfaßt. 57 Moser 2002:18 58 Willberg 2000:162 59 Ratzke 2000:200
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Und Eamon McCabe, Picture Editor des britischen Guardian, meint zum Zusammenhang zwischen Design und Nachrichtenvermittlung: »When a newspaper is very art-directed it feels cold. This is fine for features, but not for news.«60 Ein beliebtes Beispiel, wie Inhalt und Form erfolgreich zielgruppenspezifisch aufeinander abgestimmt werden, stellt das deutsche Boulevardblatt Bild dar. Denn auch wenn die Anordnung der einzelnen Text- und Bildbeiträge willkürlich erscheine, bedarf es einiges an gestalterischem Können, um diesen Eindruck zu erzielen. So führen Maxbauer und Maxbauer zur zentralen Gestaltungsform von Boulevardblättern, dem sogenannten Schaufelumbruch im Gegensatz zum geordneten Spaltenumbruch, aus: »Der Name ‘Schaufelumbruch’ beruht auf dem Verdacht, daß die Seiteninhalte, unabhängig von ihrer Bedeutung, mittels einer Schaufel auf die Seiten geschüttet wurden. Damit tut man den Layoutern etwas unrecht, weil dieses Zuschaufeln eines Blattes mit Texten, Bildern, Linien und Symbolen mächtig viel Arbeit macht, die eine große Disziplin erfordert. Dieses höchst kontrastreiche Layoutprinzip ist besonders häufig bei nicht abonnierten Boulevardzeitungen anzutreffen, die aufgrund ihrer Vertriebsspezifika auch Kaufzeitungen genannt werden.«61
Ohne professionelle Aufbereitung, die alle Herausforderungen der Gestaltung berücksichtigt, käme heute kein Medienprodukt mehr aus. Denn optische Gestaltung sei zu einem zentralen Faktor des Erfolgs am Medienmarkt geworden, so etwa Peter Brielmaier, Journalist und Lehrbeauftragter für Gestaltung, und Eberhard Wolf, ArtDirector der Süddeutschen Zeitung, in ihrem Buch Zeitungs- und Zeitschriftenlayout. »Selbst der beste Text eines Autors stößt auf Widerstand, wenn er den Leser optisch erschlägt. Deshalb muß er in überschaubare Einheiten gegliedert werden. Forschungsergebnisse über die Lesedauer von Tageszeitungen und Zeitschriften beweisen, daß nach durchschnittlich 40 bis 50 Zeilen die Konzentration nachläßt. Dem kann vom geschriebenen Wort her oder eben durch die Gestaltung entgegengewirkt werden. Gestalterische Maßnahmen sind häufig einfacher zu handhaben als textliche Veränderungen.«62
Neben den von Brielmaier und Wolf genannten allgemeinen Werten zur „Belastbarkeit“ der Rezipienten, ist, wie erwähnt, die Motivation der Leser zu berücksichtigen. »Berufslesern kann man längere Zeilen und größere Textmengen zumuten als Gelegenheitslesern oder gar Pflichtlesern. Wenn jemand unbedingt lesen mu, oder lesen will oder vom Text gefesselt ist, wird er trotz vielleicht objektiv schlechter Lesbarkeit konzentriert lesen. Das Gegenteil hierzu wäre die Aufgabe, einen Nichtleser durch die Typographie zum Lesen zu verführen.«63
8.3.2 Der Einsatz fotografischer Bilder in der printmedialen Nachrichtenvermittlung Ein Mittel, den Leser zum Lesen eines Artikels zu „verführen“, stellt die Verwendung fotografischer Bilder dar. So schreiben der Journalist Joachim Blum und der Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Bucher in ihrem Buch zu praxisorientierten redaktionellen Techniken der Inhaltsaufbereitung von Zeitungen über den Einsatz von Fotomaterial: »Fotos müssen gezielt ausgewählt und sorgfältig redigiert werden, um als Eyecatcher zu wirken, die Leser einzufangen und zur Textlektüre zu motivieren. Gesicherte Erkenntnisse über die wichtige 60 61 62 63
Bonnici/Proud 1998:22 Maxbauer/Maxbauer 2002:127 Brielmaier/Wolf 2000:191 Willberg/Forssman 1997:81
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Funktion von Fotos für die Rezeption und Akzeptanz von Zeitungen legen es nahe, Bildauswahl und Plazierung nicht dem Zufall zu überlassen.«64
Fotografische Bilder können sicherlich als die in der Untersuchung visueller Kommunikation meist thematisierten visuellen Elemente printmedialer Produkte gelten. Sie spielen eine wesentliche Rolle in der Aufbereitung von Nachrichten, in deren Rahmen ihnen die Funktion zugeschrieben wird, zu dokumentieren, zu symbolisieren, zu dekorieren, zu strukturieren, zu veranschaulichen und zu interpretieren.65 Es ist die Besonderheit von fotografischen Bildern und der aus ihnen resultierenden Effekte der Rezeption, die Fotografien zu einem wesentlichen Thema der wissenschaftlichen Untersuchung werden lassen. Diese Besonderheit von Fotografien entsteht aus dem Verfahren ihrer Produktion: Mittels chemischer Reaktion von Licht auf lichtempfindlichem Trägermaterial können Momente der Realität aufzeichnet werden.66 Obwohl dabei in mehrerer Hinsicht eine Reduktion der Realität vorgenommen wird (u.a. Perspektive, Abstraktion durch Monochromie und Zweidimensionalität, Geruchs- und Geräuschlosigkeit, Verkleinerung),67 werden fotografische Bilder als Abbilder von Wirklichkeit wahrgenommen.68 Norbert Bolz glaubt, daß fotografische Bilder die Menschen nicht nur deshalb faszinieren, weil durch sie Realität abgebildet wird – wir würden von Fotos vielmehr gefangengenommen, weil sie optisch prägnanter und bewußtseinskonformer seien
64 65 66 67
Blum/Bucher 1998:63 vgl. ebd.:17; auch Schirmer 2001:40; Rausch 1992:47f. vgl. Carter 2003:[www] vgl. Wuggenig 1991:126; laut Hans Dieter Dörfler, der sich in seiner Ausführung auf Román Gubern beruft, schmälert die fotografische Transformation das fotografierte Vorbild durch (1) Verlust der dritten Dimension; (2) Begrenzung des Rahmens; (3) Verlust der Bewegung; (4) Verlust von Farbigkeit bzw. durch die granulare Oberfläche des Bildes; (5) Maßstabverschiebung; (6) Verlust nonverbaler Stimuli (vgl. Dörfler 2000:14; Gubern 1974:50ff.). Volker Hirsch faßt in seinem Artikel Herrscher und Regierende im medialen Wandel zusammen, warum Fotos nur eingeschränkt als Realitätsbeleg tauglich seien. Als zentrale Punke sieht er (1) die bereits angesprochene sinnstiftende Auswahl, die durch das Bannen eines bestimmten Augenblicks entstünde; (2) die Möglichkeit, Bildinhalte durch verschiedene Manipulationstechniken wie Retusche und Fotomontage zu verändern, und (3) veränderte Wahrnehmungskonventionen: Da die Realität (aus oben genannten Gründen) nicht abgebildet werden könne, bedürfe es eines Codes, bzw. einer Einordnung des Bildes in einen Wissenszusammenhang, um »die Wirklichkeit der Realität« abzubilden. »Dieser Code ist subjektiv und wandelt sich im Laufe der Zeit. So sehen wir auf einem historischen Foto etwas anderes als unsere Vorfahren« (Hirsch 2000:67). 68 Gernot Böhme verweist darauf, daß von einer gewissen „Naivität“ bezüglich des Mediums Fotografie ausgegangen werden muß. »Da man die Gestaltungsmöglichkeit durch das Subjekt, also den Bildproduzenten, als Beeinträchtigung des Realismus begreift, so muß man wohl sagen, daß der mögliche Realismus des Fotos als Objektivität verstanden wurde (etwa bei der Verwendung von Fotografien als gerichtlich zugelassenem Beweismaterial; Anm. C.M.W.). [...] Wenn ein Foto wegen der Möglichkeit einer Manipulation nicht als realistisch gesehen wird, so wird ja gerade unterstellt, daß es – nicht manipuliert – realistisch sei. Das Vorurteil sitzt tief, und man kommt ihm mit technischen Möglichkeiten kaum bei« (vgl. Böhme 1998:112). Relevant wird dieses „Vorurteil“ gegenüber der Fotografie, sie könnte die Wirklichkeit abbilden, vor allem da – wie gezeigt wurde – davon auszugehen ist, daß Fotos Einfluß auf Verhalten und Werturteile von Rezipienten zeigen. Gisèle Freund schreibt in diesem Zusammenhang: »Die angeblich unbestechliche Linse erlaubt alle möglichen Deformierungen der Wirklichkeit, weil der Inhalt eines Photos jedesmal von der Art und Weise abhängt, wie der Photograph die Geschehnisse aufgenommen hat, und von den Forderungen seiner Auftraggeber abhängig ist. Die Bedeutung der Photographie besteht also nicht allein in der Tatsache, daß sie eine Schöpfung sein kann, sondern darin, daß sie eines der wirksamsten Mittel zur Formung unserer Vorstellungen und zur Beeinflussung unseres Verhaltens darstellt« (vgl. Freund 1997:7).
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als die Wirklichkeit.69 »Hinter jedem Foto steht ein Relevanzurteil«, stellte Castel 1983 fest. »Man bannt nicht alles und jedes auf dem Film [...] das Wahrgenommene muß bereits bewertet sein, ehe es die photografischen Weihen erfährt.«70 Zu diesem von Castel angesprochenen Relevanzurteil, das ein bestimmtes Geschehen aus seinem Zusammenhang isoliert und es damit in einem bestimmten Sinne „aufwertet“, kommen zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, die ein bestimmtes Geschehen auf jeweils besondere Art „ins Bild rücken“. Laut Ralf Turtschi entsteht jedes Foto aus den Parametern Szene, Kamerastandard, Licht, Brennweite, Belichtungszeit, Fotomaterial und Bewegung,71 und in Anlehnung an Sol Worths Ansatzpunkte der Filmtheorie kann man Fotografien deshalb unter (1) inhaltlichen, (2) technischen sowie (3) sensorischen Gesichtspunkten betrachten.72 Wie bereits in früheren Abschnitten – etwa unter den Begriffen Darstellungseffekte, Framing und selektive Zuwendung – behandelt, interessiert sich die politische Kommunikationsforschung für verschiedenste Aspekte und Rezeptions-Effekte der bildhaften Darstellung. An dieser Stelle soll vor allem beleuchtet werden, von welchen Wirkungen fotografischer Bilder professionelle Gestalter ausgehen. Ausgehend von der Feststellung, daß die Ziele, die durch eine Gestaltungsweise verfolgt werden sollen, weitgehend vorgeben, welche Strategien der Aufbereitung bei der Gestaltung zu wählen sind, soll nochmals zusammengefaßt werden, welche Aufgaben Pressefotos zugeschrieben werden. Frank Hartmann beschreibt die journalistischen Funktionen von Pressebildern als (1) Informationsfunktion, zu der es zählen würde, daß das Foto im Widerspruch bzw. in Übereinstimmung mit dem Text oder diesen ergänzend eigenständige Botschaften vermittle. Neben der so definierten Informationsfunktion erfülle das Foto als bildliche, authentische Darstellungsform, die besonders geeignet ist, Emotionen zu transportieren, weitere Funktionen, nämlich (2) die Funktion, das Layout aufzulockern, die Seite zu strukturieren, Neugier zu wecken, Spannung zu erzeugen und emotionale Elemente hinzuzufügen – Hartmann nennt dieses Aufgabenfeld die gestalterische bzw. dramaturgische Funktion –, und (3) sei es Aufgabe von fotografischen Bildern, im Zusammenspiel mit dem Text die Textberichterstattung durch den dokumentarischen Charakter zu unterstützen, Details zu veranschaulichen oder besonders hervorzuheben – von Hartmann als illustrative Funktion bezeichnet.73 Diese sehr unterschiedlichen Aufgabenstellungen führen zu der Frage, ob die Praktiker Aussagen dazu treffen, nach welchen Kriterien ein Bild als jeweils „passendes“ ausgewählt werden kann.
69 vgl. Bolz 1996:20 70 Castel 1983:239, zitiert nach Wuggenig 1991:116 71 vgl. Turtschi 1998:202; Böhme faßt vier Prozeßebenen der Gestaltung von Fotografien zusammen: (1) Gestaltungsmöglichkeiten bei der Fotoaufnahme: Wahl des Ausschnittes, Wahl der Brennweite, Fokus, Schärfe und über die Blende regulierte Tiefenschärfe, Belichtungszeit und über die Belichtungszeit Bewegungsfeststellungen; (2) Gestaltungsmöglichkeiten bei der Entwicklung: Wahl der Körnung bei der Ausarbeitung, Beeinflussung von Helligkeit und Farbgebung; (3) Möglichkeiten bei der Herstellung des Positivs: Wahl von Helligkeit, Schärfe, Farbton, Retusche und Bildmanipulation; (4) Gestaltung bei der Behandlung des Positivs: Schnitt, Präsentation und Rahmung (vgl. Böhme 1998:111f.). 72 vgl. Worth 1969 73 vgl. Hartmann 1995:34
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Joachim Blum und Hans-Jürgen Bucher gehen in ihrem Praxisbuch für Zeitungsgestalter von (in früheren Abschnitten bereits näher ausgeführten) Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung aus, um Regeln für die Auswahl von und die Gestaltung mit Pressefotos zu begründen. So seien (1) Fotos und Grafiken die ersten Einstiegspunkte beim Blick auf die Zeitungsseite; (2) würden Leser über das dominante Foto in die Seite einsteigen, dann auf eine dominante Überschrift blicken; (3) würden Bilder – bis auf wenige Ausnahmen – von mehr als 80 Prozent der Leser beachtet. (4) würden Leser bei gegenüberliegenden Seiten rechts mit dem Blick auf das dominanteste Foto einsteigen und dann auf die linke Seite zu einem großen Foto oder einen großen Überschrift übergehen; (5) Forschungen hätten ergeben, daß Farbe bei Fotos nicht unbedingt mehr Aufmerksamkeit bewirkt: Wesentlicher für die Zuwendung zu Bildern seien deren Größe und Plazierung; (6) Untersuchungen mit Blickauszeichnungskameras hätten ergeben, daß Foto-Gruppen länger betrachtet würden, wenn sie in Farbe sind; auch der dazugehörige Text wird nach diesen Untersuchungen stärker wahrgenommen als bei anderen Text-Bild-Kombinationen.74 Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse solle sich der Gestalter beim Redigieren von Pressebildern von folgenden Fragestellungen leiten lassen, die vom deutschamerikanischen Zeitungsdesigner Rolf Rehe für den professionellen Umgang mit Fotos formuliert wurden: (1) Welche Elemente sind wichtig, um das Gesamtbild wiederzugeben? (2) Welche Elemente sind überflüssig? (3) Wie kann der dramatischste, interessanteste Effekt erzielt werden? (4) Welches Foto besitzt die größte Klarheit, den größten Kontrast? (5) Kann ein einziges Foto das Gesamtbild wiedergeben, oder sollten mehrere Bilder verwendet werden?75 Das eigentliche Redigieren würde sich dann auf drei handwerkliche Schritte beschränken: (1) Bestimmung von Ausschnitt bzw. (2) Ausschnittvergrößerung und (3) Festlegung des Formates. Um die optimale Bildauswahl treffen zu können, müsse allerdings entsprechendes Fotomaterial vorliegen. Deshalb sind vom amerikanischen Zeitungsdesigner Mario R. Garcia, von der Zeitschrift Werbung und Verkauf als der wohl berühmteste Zeitungsdesigner der Gegenwart bezeichnet,76 fünf Bedingungen formuliert worden, die bei einer Bildstrecke die vollständige bildjournalistische Leistung ausmachen würden. Der Fotograf müsse folgende Aufnahmen liefern: (1) eine Totalansicht der gesamten Szene, damit der Redakteur ein dominierendes Foto für einen Überblick hat; (2) Detailaufnahmen, um das Besondere herauszustellen; (3) Horizontalformate und (4) Vertikalformate, um Kontraste zu schaffen, sowie (5) das „etwas andere Bild“, das einen ungewöhnlichen Blick auf das Thema wirft.77 Laut Ralf Turtschi zeichnet sich das gute fotografische Bild durch folgende Kriterien aus: überraschendes Moment, nie gezeigte Einsichten, neuartige Beleuchtungen oder spannende Ausschnitte oder Proportionen. Dabei könne das Foto entweder ein ungewöhnliches Bild eines Ereignisses sein, dieses symbolisieren oder einen Kontrapunkt zum Ereignis bzw. zur texthaften Darstellung des Ereignisses bilden.78 74 vgl. Blum/Bucher 1998:66 75 vgl. ebd.:65f. 76 vgl. den Artikel Macht es einfach! In: W&V Fachzeitschrift für Werbung und Verkauf vom 17. Mai 2000, S. 34 77 vgl. Blum/Bucher 1998:66 78 vgl. Turtschi 1998:210
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Norbert Bolz formuliert allgemein aus der Sicht des Medienkritikers zur Herausforderung, durch fotografische Bilder Aufmerksamkeit zu erregen: »Sicher ist: Ein Bild, das Aufmerksamkeit finden will, muß „anders“ sein, eine Differenz markieren, es muß ein Pfeiler im Datenstrom sein. Gaston Bachelard spricht in diesem Zusammenhang einmal sehr schön von der „Ekstase der Bild-Neuheiten“. Zugleich muß die gesuchte Bildform den großstädtischen Wahrnehmungsformen entsprechen. Und Großstadt heißt Geschwindigkeit, Zerstreuung.«79
An den folgenden Ausführungen Dieter Prokops wird deutlich, welche besonderen Möglichkeiten dem fotografischen Bild im Gegensatz zu anderen bildhaften Darstellungen zur Verfügung stehen, um Aufmerksamkeit zu erregen: »Eine neu entdeckte Zeit: der Augenblick. Der Lichtreflex auf einer Fensterscheibe, das Mienenspiel eines Kindes – was das Auge nicht beobachten, ja oft nicht einmal richtig wahrnehmen kann, erschließt uns die Fotografie. Sie allein vermag es, den flüchtigen Augenblick im Bild festzuhalten, so daß wir ihn anschauen, studieren, werten und genießen können [...] Eine neue Bildwelt: Das flüchtige Spiel des Lichts, die Spiegelung, die Augenblicke höchster Erregung, die ganze Skala der Gefühle, die Frosch- und die Vogelperspektive, außergewöhnliche Blickpunkte, Perspektiven und Situationen [...] Motive, die als Gemälde oder Zeichnung banal, kitschig, abstoßend waren, erschließt uns die Fotografie.«80
Paul Carter faßt zusammen, welches Decodierwissen wir anzuwenden gelernt hätten, um bestimmte Merkmale einer bildhaften Darstellung zu interpretieren. So würden die dargestellten Lichtverhältnisse die Stimmung und Atmosphäre eines Bildes bestimmen: Helligkeit würde Glück und Frohsinn (‘happiness’) konnotieren, Dunkelheit hingegen Düsterkeit und Trübsinnigkeit (‘sombreness’). Hoher Kontrast in schwarz-weiß Abbildungen stehe für Theatralität und Dynamik, schwacher Kontrast sei eher realistisch. »The use of film stock can make a difference as well, grainy film connotes authenticity and documentary realism while smooth ‘fine’ grain connotes natural- and everydayness.«81 Weiters sei zu beachten, daß die Position der Kamera, also der Standpunkt, von wo aus die Aufnahme gemacht wird, in der Rezeption des Bildes den Standort des Betrachters wiedergibt. In diesem Gestaltungsmerkmal würde markiert, wie sich der Rezipient zum Gegenstand der Abbildung verhält, ob er ihm nah sei oder ihn aus größerer Entfernung betrachte, ob er „klein“ zu etwas aufblickt, oder auf die Szenerie herabschaut.82 Der Soziologe Jürgen Raab beschreibt ähnlich wie Carter mediale Visualisierungs-Varianten und bestimmte Modi des Zeigens und Darstellens, die sich über kulturelle Konventionen im Gebrauch der visuellen Medien fest in der menschlichen Wahrnehmung verankern. Raab wählt für seine Analyse das Beispiel von Videos, die im Rahmen von Amateurvideoclubs entstanden. In seinem Artikel Medialisierung, Bildästhetik, Vergemeinschaftung beschreibt Raab, wie Konventionen des Darstellens und Interpretierens gelernt und angewandt werden. Die augenfälligste Konventionen würden sich laut Raab auf das Arrangement des Blickfeldes beziehen, also die innere Anordnung des Sichtbaren, die ‘Montage im Bild’. Zwei wesentliche Mittel dazu seien (1) die Art der Verwendung der den Bildausschnitt begrenzenden Ränder des Bildes und (2) die Inszenierung von Vorder-, Mittel- und Hintergrund im Bild. Durch die Beachtung und Umsetzung der relativ einfachen Muster und Verfah79 80 81 82
Bolz 1996:28 Prokop 1978:102 vgl. Carter 2003:[www] vgl. ebd.
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rensregeln, die bezüglich der Gestaltungselemente gelernt würden, gelänge es den Filmern, komplexe Sachverhalte aus der empirischen Wirklichkeit einzufangen, sie „auszuschneiden“ und zu ordnen, damit sie für deren Zwecke und Intentionen beherrschbar – abtrennbar, montierbar, manipulierbar – und letztlich „adäquat“ vermittelbar seinen.83 Das von Raab angesprochene ‘Arrangement des Blickfeldes’ wird in der Praxis der Magazin-Layouter beim einzelnen Bild durch die Wahl des Bildausschnittes ausgeführt. Diese Wahl beeinflußt, diesbezüglich scheinen sich die Praktiker einig, die Aussage des Bildinhaltes, wobei ähnliche Grundregeln gelten würden, die bereits für andere Gestaltungsebenen angeführt wurden – etwa, daß durch die Bildausschnittswahl symmetrisch Angeordnetes tendenziell ‘Ruhe’, ‘Eleganz’, aber auch ‘Künstlichkeit’ zum Ausdruck bringe, asymmetrisch Angeordnetes ‘Bewegung’ und ‘Dynamik’ usf. Ungewöhnliche Bildausschnitte scheinen dabei außergewöhnlichen Botschaften vorbehalten zu sein. So erläutern Maxbauer und Maxbauer in ihrem Praxishandbuch Gestaltungsraster in Bezug auf die Setzung von Bildrändern bei Portraitbildern: »Durch das starke oder unregelmäßige Beschneiden an mehr als zwei Seiten verschwindet jede Kontur. Dadurch wird es unmöglich, das Gesicht zu erfassen und zu beurteilen: So erscheint jeder Mensch selbst dann als Dämon, wenn er kein ausgewiesener Kinderschreck sein sollte.«84
An anderer Stelle schreiben die Autoren zum selben Thema: »Dass es sich bei der Person um einen Massenmörder handelt, wird spätestens durch den Anschnitt deutlich, denn nur bei Bösewichten werden Portraits an gegenüberliegenden Seiten angeschnitten.«85 »Politiker werden meist im Anschnitt dargestellt. Nie aber werden sie auf gegenüberliegenden Seiten oder gar auf allen vier Seiten angeschnitten. Diese Behandlung ist nur Mördern, Kinderfressern und Kanalwandlern vorbehalten«.86
Vor der Wahl des Bildausschnittes steht im Arbeitsablauf aber die Auswahl des zu verwendenden Bildes selbst. Dies führt nochmals zur Frage, welche Hinweise Gestaltern für die Wahl eines Bildes gegeben werden. Der amerikanische Designer Roger Black, Gestalter der Magazine Newsweek, The New York Times Magazine, Rolling Stone, Esquire u.v.a. renommierter Titel, gibt in einem Interview mit der Publikation MacAddict folgende Hinweise, welche Fragen sich ein Magazin-Gestalter bei der Auswahl von Bildern stellen sollte: »Like you look at a trade, what is the picture telling us? Now, is it any better than a passport picture of this business guy? You know, I don’t know. There should be some kind of information. You should have an idea, if you are running a portrait of somebody you’re writing a story about in your publication, or putting a picture on your website, what is it saying? And what is the message? What’s the meaning? What kind of person is that? Or, you know, is it a sexy person? Is that somebody you could get off on or is it somebody you’d like to talk to, somebody you could imagine spending the weekend with, or somebody you wish was your sister?«87
Die Ausführungen des Gestalters machen deutlich, daß die Informationsfunktion von Bildern sehr unterschiedlich verstanden werden kann. So kann etwa die Abbil83 84 85 86 87
vgl. Raab 2001:46ff. Maxbauer/Maxbauer 2002:170 ebd.:155 ebd.:153 [http://www.macaddict.com/magazine/extra/pros/black.html] 28.04.2002
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dung einer Person dazu dienen, diese (1) dem Leser vorzustellen, (2) das bereits bekannte Bild eines Menschen in Erinnerung zu rufen, (3) einen rasch wahrnehmbaren Hinweis darauf zu geben, über wen sich der Leser in einem Text Informationen erwarten kann, oder auch (4) diese Person zu charakterisieren, (5) ihr Verhalten in einer bestimmten Situation einsichtig zu machen oder (6) einen Beleg für bestimmte Zusammenhänge rund um diese Person vorzulegen und diese so zu dokumentieren. Der Wandel, der im Zuge der Entwicklung zu mehr Personalisierung beobachtbar wird, ist, daß Nachrichtenmedien öffentliche Akteure zunehmend nicht mehr so sehr als Repräsentant einer bestimmten Institution, sondern eher als „Individuum“ abbilden. Es wird versucht, Nähe zur Person herzustellen, etwa indem deren Mienenspiel und Gestik zum zentralen Inhalt der Abbildung wird. Die Tatsache, daß Körpersprache unseren Eindruck von Personen zentral bestimmt, wird von Nachrichtenmedien in Form von Inhalten in ihren Informationsservice aufgenommen, da es einem Trend entspricht, Akteure in Ausübung ihrer Funktion nach persönlichen Qualitäten zu beurteilen – Qualitäten, deren Bewertung wir aus unserem alltäglichen Leben anhand von äußeren Merkmalen wie Aussehen, Verhalten und Kleidung gewohnt sind vorzunehmen. So werden diese Faktoren zur Information, auch dort, wo nicht die persönliche Meinung eines Akteurs im Zentrum der Berichterstattung steht. Vor diesem Hintergrund verschwimmen die Grenzen zwischen einzelnen Bildfunktionen.88 Visuelle Einblicke zur Person und der Versuch, Akteure visuell zu charakterisieren, früher als Unterhaltungsangebot bestimmten Berichterstattungsformen und Medien vorbehalten, wird zu Information, die, als relevant und vom Leser erwünscht eingestuft, zunehmend prominenten Platz in Nachrichtenmedien findet. Dabei steht mit der Fotografie, wie aus den zitierten Ausführungen Prokops deutlich wird, ein Medium zur Verfügung, das es ermöglicht, Momente für eine Abbildung zu bannen und ihnen so besondere Bedeutung zu verleihen. Noch stärker als Filmmedien stellen Printmedien aus ihrem Kontext gelöste Vorgänge dar – sie bannen nur einen Augenblick und sollen gleichzeitig bei ihrer Verwendung in Zeitungen oder Nachrichtenmagazinen mehrere (weiter oben angeführte) Funktionen erfüllen.89 88 Die Gestalter Peter Bonnici und Linda Proud versuchen in ihrem Fachbuch für Gestalter Designing with Photographs, Gestaltern Hinweise dafür zu geben, wie zu beurteilen sei, ob bei einem Bild eher der Informationscharakter oder der emotionale Faktor überwiegt. Die Autoren führen aus: »The visual spectrum will span a range that, on the one end has images in which the conveying of information is primary and, on the other end, the evocation of emotion dominates. Every image communicates both – information and emotion; the difference is in some the balance tips towards information – like the simple pack shot – and in others evocation dominates – like the ‘art shot’. In between lie the majority. As one moves towards the ‘evocation’ end of the spectrum there tends to be more intervention from the photographer in terms of ‘effects’ achieved through colour saturation, blurs, soft focus, texturing, layering, distortion, digital manipulation, etc. Here the boundary between photography and illustration becomes less distinct. Effects do not necessarily increase the pictures’ power to evoke an emotional response. Some heavily-manipulated images can be totally devoid of emotion. Some classic images drip with evocative power« (Bonnici/Proud 1998:13). Darüber hinaus lasse sich der Charakter eines Bildes durch Interventionen des Gestalters verändern, bspw. durch leichte Drehung des Bildmotives, dadurch, daß ‘tote’ Bereiche weggeschnitten würden, durch technische Veränderungen der Farbigkeit des Bildes oder indem der Stil des Bildes durch zusätzliche Elemente wie Typografie, Hintergrundfarbe, Symbol-Elemente etc. in eine der beiden Richtungen verschoben würde (vgl. ebd.). 89 Auf die Tatsache, daß bildhafte Darstellungen in verschiedenen Funktionen Einsatz finden, die sich dem Betrachter nicht zwangsläufig erschließen, geht etwa Howard Becker ein, der vorschlägt, Cam-
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Den Gestaltern von Magazinen stehen beim Einsatz von Bildern dabei umfassendere Möglichkeiten zur Verfügung als tagesaktuellen Nachrichtenmedien. Dies ergibt sich (1) aus ihren von Tageszeitungen unterschiedlichen Aufgaben, (2) der in größerem Ausmaß zur Verfügung stehenden Ressource Zeit und (3) der Möglichkeit, Bildern mehr Raum einzuräumen, als es im Medium ‘Tageszeitung’ bisher üblich ist. So werden für Nachrichtenmagazine etwa sogenannte ‘Fotostrecken’ gestaltet, die die Gelegenheit bieten, Inhalte von Berichten umfassend durch Bildmaterial zu veranschaulichen, zu interpretieren und zu begleiten. Willberg und Forssman treffen in ihren Ausführungen folgende in diesem Zusammenhang wesentliche Aussagen: »Bilder führen kein Eigenleben, sie nehmen Bezug zur Nachbarschaft auf, vor allem zu den Bildnachbarn auf der Seite«.90 Die Aufgabe des Gestalters bestünde darin, die Bilder ‘richtig’ anzuordnen, so die Autoren weiter. Eine wesentliche Gestaltungsstrategie, mit der Designer von Printmedien auf diese Tatsache reagieren, stellt das sogenannte ‘Spiel über die Bande’ dar. Dies bedeutet, daß der Gestalter Achsen,91 die in Bildern durch Blickrichtungen, Bewegungen u.ä. gegeben sind, in die Gestaltung einbezieht, um so Blicke zu lenken und eine narrative Struktur zu schaffen. Maxbauer und Maxbauer beschreiben diese Technik anhand eines Beispieles, das drei in Form eines Dreiecks auf der Zeitungsseite verteilte Bilder zeigt. Auf jedem Bild ist jeweils eine Person abgebildet, die ihren Blick durch die Anordnung der Fotos auf jeweils eine der anderen Personen zu richten scheint. Darüber hinaus variieren die Abbildungsgrößen der Personen, die einmal als Totale, einmal als Halbtotale und einmal als Brustbild präsentiert werden. Maxbauer und Maxbauer erläutern an diesem Beispiel die Gestaltungsstrategie und nehmen in ihren Ausführungen auch auf eine Darstellungskonvention Bezug, die bereits erwähnt wurde: Bilder von „Tätern“ werden in der Berichterstattung gerne oben auf einer Seite positioniert – sie kommen in Darstellung ihrer „Macht“ über ihren „Opfern“ zu stehen. Zu der eben beschriebenen visuellen Aufbereitung des Artikels Aus Liebe zur Garbo aus der Wochenzeitung Die Zeit vom 13. Mai 1994 schreiben Maxbauer und Maxbauer: »Das Spiel über die Bande: Betrachter können einer Blickbewegung auch dann folgen, wenn sie über eine oder zwei Stationen weitergereicht wird. Zum Beispiel, um hochkomplexe Liebesbeziehungen zu verdeutlichen. Die Positionierung und die Mienen zeigen dem flüchtigen Leser schnell und ein-
pells Idee der threats to validity auch auf die Prüfung von Aussagen, die sich auf dokumentarische fotografische Bilder stützen, auszudehnen. Damit seien folgende Faktoren zu berücksichtigen: (1) exante-Inszenierung; (2) ex-post-Manipulation; (3) selektive bzw. zensierte Aufnahme bzw. Präsentation; (4) ästhetische Ambition des Fotografen [meines Erachtens im vorliegenden Zusammenhang zu ergänzen durch die ästhetischen Ambitionen des Bildverwenders bzw. des mittels des Bildes Kommunizierenden; Anm. C.M.W.]; (5) Ausklammerung des umfassenden Kontextes [im vorliegenden Zusammenhang zu ergänzen durch: Einfügen in einen neuen, die Aussage mitbestimmenden, Kontext; Anm. C.M.W.] (vgl. Becker 1979:106ff.). Zentraler Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist, daß diese Beurteilungskriterien nur gewinnbringend angelegt werden können, wenn auf ein möglichst umfangreiches Wissen über die Möglichkeiten und die Praxis der Bildverwendung und Bildverarbeitung im jeweiligen Verwendungskontext – hier medienspezifisch aufgefaßt – als Ausgangspunkt der Auseinandersetzung zurückgegriffen werden kann. Zu journalistischen Qualitätskriterien bei der Verwendung von Pressebildern vgl. auch Hartmann 1995:26f. 90 Willberg/Forssman 1997:267 91 von Kress/Leeuwen, wie in Abschnitt 6.5.5 ausgeführt wurde, ‘Vektoren’ genannt
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deutig die Rollenverteilung. Betrachter finden noch eine weitere Darstellungsart interessant: daß ein Motiv in verschiedenen Darstellungen und Größen gezeigt wird.«92
Die so angeordneten Bilder, obwohl zu unterschiedlichen Zeiten und Orten und in unterschiedlichen Kontexten entstanden, scheinen ein Geschehen, eine Sequenz darzustellen; und als Betrachter erscheint es schwierig – obwohl an sich augenfällig –, sich vor Augen zu halten, daß es sich nicht um ein Bild bzw. eine tatsächliche Begebenheit handelt. Anhand dieses Beispieles wird es deutlich, wie es dem Gestalter gelingen kann, anhand von einzelnen Bildern eine „Geschichte zu erzählen“: Er setzt Menschen und Geschehnisse in einer Art und Weise zueinander, die sich dem Rezipienten als Beziehung, Zusammenhang oder ein Handlungsablauf erschließt.93 Start Hall hat beschrieben, wie Politikern in der Presseberichterstattung anhand bestimmter Foto-Positionierungen Reaktionen auf Handlungen oder Geschehnisse unterstellt würden: Der Blick des Akteurs auf der Abbildung scheint durch die Positionierung der Fotografie auf der Zeitungsseite auf ein bestimmtes Geschehen gerichtet. Wird der Politiker nun gelangweilt, überrascht o.ä. dargestellt, scheint diese emotionale Reaktion durch das von seinem Blick „Wahrgenommene“ ausgelöst.94 Die ausgewertete Fachliteratur zeigt, daß das „Geheimnis“ einer guten Gestaltung nicht nur darin liegt, einzelne Bilder auszuwählen, sondern auch darin, mittels Typographie und Bildelementen eine Collage zu gestalten. Anhand zweier Zitate aus dem Buch Praxishandbuch Gestaltungsraster – Ordnung ist das halbe Lesen von Maxbauer und Maxbauer soll dies nochmals verdeutlicht sowie die einzelnen grundsätzlichen Techniken des „Collage-Aufbaus“ erkennbar gemacht werden. »[D]as Layout selbst ist eine Komposition, ein Zusammenklang vieler Elemente zu einem Großen und Ganzen. Da wir gestaltete Seiten ebenso wie Bilder immer als eine Gesamtheit wahrnehmen, gelten für das Layout fast die gleichen Regeln wie für den Bildaufbau selbst. Der Blick und die Aufmerksamkeit des Betrachters lassen sich lenken: Ein erster Blickfang zieht das Auge an, das Layout führt es durch die Bildgrößen und -reihenfolge weiter, läßt es am Ort verweilen oder über die Heftgrenzen hinaus wandern. Die Mittel dazu heißen Kontrastfülle oder -armut, Reihung oder Ballung, Dynamik oder Statik. Hinzu kommen neben der Bildanordnung die Größenunterschiede und die Mengenverhältnisse: Wenige gleich große Bilder in einer geordnet stehenden Reihe wirken ruhiger und getragener als viele Abbildungen stark unterschiedlicher Größen und Proportionen, die auf kleinem Raum zusammengeballt stehen.«95 »Interessant finden wir immer Variationen von Ähnlichem, zum Beispiel viele Portraits, die in abwechselnden Größen und Darstellungsformen gezeigt werden, etwa Color- und Schwarzweißfotos, 92 Maxbauer/Maxbauer 2002:156 93 Zu der visuellen Erzählung anhand von Bildern, deren Motive sich in verschiedenen Formen aufeinander beziehen, finden sich frühe Beispiele in der Malerei oder in der Kunstfotografie (vgl. etwa Ralf H. Krauss’ Zehn Thesen zur konventionellen und konzeptionellen Fotografie, vor allem ab S. 84). Hans Peter Willberg schreibt zu den Vorbildern und Vorgängern des modernen Designs: »Wie das Studium zur Praxis verhält sich die Aufbruchzeit der Neuen Typographie zur heutigen Praxis. Schwitters, Bauhaus, El Lissitzky, Piet Zwart und die anderen haben die Grenzen der Typographie verschoben und den Raum erweitert, in dem wir Heutige uns „dienend“ [im Gegensatz zu ‘künstlerisch’ und bezogen auf ‘Lesetypographie’; Anm. C.M.W.] bewegen können. El Lissitzkys Revolutions-Typografie war typografisch revolutionär! Wie konnte er die Bilder zum Sprechen bringen! Das war nicht mehr die sorgfältige, regelrechte Anordnung von Schrift und Bild auf der Papierfläche, sondern die Aktivierung der Wirkung der Bilder im Kopf. Wenn das nicht aktuell ist heute! Woher haben denn die beweglichen, typographisch so schön unverschämten Amerikaner, die cleveren Magazinmacher, die suggestiven Bildmanipulationen der Werbung ihre Ansätze, wenn nicht bei Pionieren wie El Lissitzky!« (Willberg 2000:185). 94 vgl. Hall 1982 95 Maxbauer/Maxbauer 2002:152
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Zeichnungen und Gemälde. Da dies meist nicht möglich ist, behelfen wir uns mit den Größen, Mengen und Positionen: Einem einzelnen großformatigen Konterfei stehen zum Beispiel viele kleine Paßbilder gegenüber, möglichst in der Diagonalen, das macht eine Doppelseite dynamischer.«96
Die beschriebenen Gestaltungsstrategien, ob sie die Bildauswahl oder die Bildsetzung betreffen, müßten allerdings Medien- und Zielgruppen-spezifisch eingesetzt werden, so die Autoren einige Absätze später: »[Das] Motiv [wird] beim Layouten oft nicht so wichtig genommen. Sehr wohl aber hat es Auswirkung für den atmosphärisch stimmigen, kompakt geschlossenen Entwurf, der oft den Zauber ausmacht und die Leserbindung herbeiführt. Wenn ich das erreichen will, muß ich mich in das Bild, seinen Stil, seine Aussage und seine Betrachter einfühlen: Wer mag welche Bilder? Was verbindet die Betrachter miteinander? Bildredakteure erfolgreicher Zeitschriften sind vertraut mit den Sehgewohnheiten ihrer Zielgruppen. Sie wissen um ihre Wahrnehmung.«97
Bestimmt wird der angemessene Umgang mit den Möglichkeiten der visuellen Sprache aber nicht nur durch die anzusprechende Zielgruppe, sondern, wie im folgenden nochmals deutlich wird, auch durch die Tradition und die Funktion eines Mediums. Toni Lienhard beschreibt in seinem Buch Eine Zeitung muß aussehen wie eine Zeitung den Prozeß der Neugestaltung der Schweizer Tageszeitung Tagesanzeiger, den er als deren stellvertretender Chefredakteur gemeinsam mit dem amerikanischen Designer Roger Black Ende der 90er Jahre leitete. Im Rahmen seiner Ausführungen geht Lienhard unter anderem auch auf die Frage ein, wann eine Zeitung als ‘schön’ gelten könne. Der Autor präsentiert zu dieser Frage vier Thesen, die aufzeigen sollen, daß jedem Gestalter von Nachrichtenmedien bewußt sein müsse, daß nicht für jede Gestaltungsaufgabe dieselben Regeln und Strategien zur Anwendung gebracht werden können: (1) Eine Zeitung ist ein Gebrauchsgegenstand und kein Kunstwerk: Dies bedeute, daß eine Zeitung als schön empfunden werde, wenn sie ‘gut zu gebrauchen’ ist. Dies wäre dann der Fall, wenn sie ihren Inhalt möglichst übersichtlich und anregend präsentiert. (2) Nicht alles, was gemeinhin als ‘schön’ gilt, ist im Zeitungsdesign brauchbar: So herrsche beispielsweise in unseren Tagen die Meinung vor, daß der sogenannte ‘Bauhaus-Stil’ gediegene bis klassisch schöne Gebrauchsgegenstände hervorgebracht habe. Für ein Nachrichtenmedium sei dieser in Alltagsgegenständen, aber auch in grafischen Produkten umgesetzte Stil allerdings zu bewußt ästhetisierend, grafisch und manieriert. »Die Zeitung bildet Realität ab. Sie bringt etwas Ordnung in die Darstellung der Realität, aber sie zwingt dieser keine gute Form auf, welche sich selbst wichtig nimmt und dadurch eine eigene ‘schöne Realität’ schafft.«98 (3) Das größte Kapital einer seriösen Zeitung ist ihre Glaubwürdigkeit: Bei einer Tageszeitung komme als ebenso große Herausforderung zur Glaubwürdigkeit noch die Aktualität hinzu. Das Design, so Lienhard weiter, könne einiges dazu
96 ebd. 97 ebd.:153 98 Lienhard 1997:83
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beitragen, daß die Glaubwürdigkeit gestützt und die Aktualität richtig ins Bild gesetzt werde.99 (4) Adäquat und angemessen ist ein Zeitungsdesign unter anderem dann, wenn es zeitgerecht verstandene Authentizität vermittelt: Da es für ein Nachrichtenmedium heute aber schwierig sei, Authentizität im traditionellen Sinne zu vermitteln – Echtheitszeugnisse im Sinne von ‘ich war dabei’ seien zum Teil unmöglich oder auch durch zu viele Manipulationen unglaubwürdig geworden –, sei die Authentizität eines einzelnen Zeitungsartikels, einer Zeitungsseite oder einer ganzen Zeitung heute vielfach eine zusammengesetzte bzw. eine fabrizierte. Wie die so definierte Authentizität durch die visuelle Aufbereitung des Printmediums erreicht werden könne, beschreibt Lienhard folgendermaßen: »Altes und noch Älteres, neu digital moduliert, Internationales, Nationales, Lokales, Amerikanisches und Europäisches, Einfaches und Raffiniertes, Schlichtes und Aufwendiges vermischen sich in einem neu montierten Ganzen, in einer aktuell fabrizierten, aktuell empfundenen visuellen Botschaft. Ob man es wahrhaben will oder nicht, ob man es beklagt oder einfach feststellt: Die Wahrnehmung der Realität findet fragmentiert statt, und die sowohl repräsentative wie aktuelle Zusammensetzung von fragmentierten Wahrnehmungen und Erkenntnissen ist die heute vertretbare Art von journalistischer Authentizität. [...] Im besten Fall ‘stimmt die Zeitung’ – als Wiedergabe der Realität in Buchstaben und Bildern, aber eben auch: als visuelle Umsetzung der Art, wie wir Realität wahrnehmen.«100
Diese Ausführung Lienhards macht nochmals deutlich, daß Nachrichtenmedien nur ein begrenztes Repertoire der Gestaltung zur Verfügung steht: Wird die visuelle Alltagserfahrung zu sehr „bereinigt“, verliert das Printmedium an Glaubwürdigkeit, über tatsächliches Geschehen zu berichten. Deshalb können etwa Nachrichtenmagazine nur begrenzt bewährten Darstellungskonventionen (bspw. ‘Menschen vor Dinge’; ‘Detail vor Totale’ usw.) folgen. Gezeigt werden muß eine Mischung von allem, 99 Unter diesem Punkt kommt Lienhard auf die Bedeutung der Satzform zu sprechen und führt den bereits in Kapitel 7.5 angesprochenen Zeichencharakter von verschiedenen Satzausrichtungen an. So würden eingemittelte Einleitungen sehr gepflegt wirken und vermitteln, der Gestalter hätte unendlich viel Zeit für die Herstellung der Seite verwendet. Dieser Eindruck entstünde aufgrund der Assoziation dieser Satzform mit dem klassischen Buchsatz. Links angeschlagener Text hingegen wirke aktuell und schnell gefertigt: »Da ist kurz vor Redaktionsschluß in gebotener Eile noch das Wichtigste geschrieben worden. Auch die Handschrift ist links angeschlagen. Handschriftliches hat in unserer Zeit einen hohen Glaubwürdigkeitswert« (Lienhard 1997:85). Der Blocksatz wirke – vor allem wenn ein fetter oder halbfetter Schriftsatz verwendet würde – schwer: »[E]r signalisiert Bedeutungsschwere der Mittelung. Viele Fettblöcke in einer Zeitung vermitteln den Eindruck, da werde wieder einmal das ganze Gewicht der Welt ausgebreitet. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn die fetten Blöcke neben farbigen Bildern plaziert sind« (ebd.). Diese Satzform sei, so Lienhard, eine typische Errungenschaft der 60er und 70er Jahre, was unsere Wahrnehmung dieser Form der Textaufbereitung geprägt habe: »[Sie] vermittelt visuell den ungebrochenen Glauben an die Machbarkeit der Dinge: Es ist machbar, die Welt darzustellen und jede aktuelle Mitteilung zur Weltdarstellung in einem Fettblock gültig zusammenzufassen« (ebd.). Relativ neu in der Nachrichtenvermittlung sei die Verwendung von mager und prägnant gestalteten Kursivschriften. Eine Einleitung zu einem Text, in solch einer Schrifttype gestaltet, habe wiederum eine eigene Wirkung: »[Sie] ist in ihrer Hingeworfenheit ebenso selbstbewußt [wie Fettblocksatz], aber nicht so definitiv. Nach dieser [Form der] Einleitung folgen nicht weitere Einzelheiten, sondern Differenzierungen, Stimmungen«. Und Lienhard fährt in der Beschreibung derselben Satzform fort: »Der leichtere, weniger definitive, Differenzierungen ankündigende visuelle Eindruck der mageren Kursiv-Einleitung entspricht dem heutigen Grundgefühl in unserem Verhältnis zur Realität (respektive zur Darstellung der Realität). Da ist eine kleine Portion von Skepsis, von Abstand gegenüber sich selbst und seinem Tun enthalten. Aber aktuell und glaubwürdig soll die Zeitung dennoch sein. Eine Typographie und ein Layout, welche solche Gefühle und Anforderungen aufnehmen, machen die Zeitung zeitgemäß ‘schön’« (ebd.:86). 100 ebd.:87f.
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was wir mit unserer Wirklichkeitserfahrung in Verbindung bringen. Und so kann etwa ein Bericht über eine Supermarktkette nicht ohne Innenansicht eines solchen Marktes auskommen, auch wenn dieses Motiv nur äußerst schwer attraktiv in Szene zu setzen ist. Wie die Erläuterungen Lienhards zeigen: Das Nachrichtenmedium braucht den Wechsel und den Kontrast für die (Selbst-)Darstellung von Authentizität. Wie aus den bisherigen Ausführungen deutlich wird, wissen professionelle visuelle Gestalter um die Möglichkeit, Aussagen durch visuelle Darstellung zu treffen, sowie Aussagen von fotografischen Abbildungen zu beeinflussen. Auch wenn es ihnen in der Praxis der Nachrichtenmediengestaltung nur selten möglich ist, ihre Vorstellungen als Auftragsarbeit von Fotografen realisieren zu lassen – wie etwa in der Werbegrafik üblich –, über Bildauswahl, Bildgröße, Bildausschnitt, Bildpositionierung und die Kombination mit anderen visuellen Elementen können sie Bildaussagen wie auch Selbstaussagen über das publizierende Medium entscheidend mitbestimmen. Dies um so mehr, wenn den Gestaltern in der Redaktionshierarchie eine Entscheidungsposition eingeräumt wird, bzw. wenn bedeutende Geldmittel in die Beratung durch externe Professionisten investiert werden.101 In einigen der ausgewerteten Praxisbücher sowie in der Fachliteratur praktischer Gestalter wird deutlich, daß der mit einer Neugestaltung eines Blattes beauftragte Designer umfassende Überzeugungsarbeit in den Redaktionen leisten muß, da die meist textorientierten Redakteure und Journalisten durchaus skeptisch auf Änderungen hin zu mehr visueller Detailarbeit und erhöhter Bildorientierung reagieren.102 Da die Trends der medialen Berichterstattung aber in diese Richtungen weisen, scheint offensichtlich auch den über lange Zeit wenig visuell orientierten Zeitungen und Zeitschriften der Bedarf einer Neuorientierung denkbar und angemessen. So wurde in den letzten Jahren
101 So hat der Holtzbrinck-Konzern beispielsweise Mario R. Garcia unter Vertrag, der nach und nach alle Zeitungen des Verlags umgestaltet. Es tragen bereits etwa der Südkurier (Konstanz), die Mainpost (Würzburg) und der Tagesspiegel (Berlin) seine Handschrift. Zahlreiche Neugestaltungen wurden auch von Norbert Küpper durchgeführt: Badisches Tagblatt (Baden-Baden), Allgemeine Zeitung (Mainz), Augsburger Allgemeine, Bonner General-Anzeiger und zahlreiche weitere (vgl. Brielmaier/Wolf 2000:104). 102 So resümierte z.B. Uwe Beyer, Leiter des jüngsten umfassenden Redesigns des Spiegel, das für das Blatt durchgehend farbige Bilder, eine nach Aussagen des Gestalters ‘neue Bilddramaturgie’, die Verwendung neuer Schrifttypen und umfassende Layout-Änderungen brachte, die Arbeit am neuen Layout des Nachrichtenmagazins: »Um das neue Spiegel-Design zu entwickeln, hätte es eigentlich eher eines Diplomaten oder Politikers als eines Grafikers bedurft« (In: Page 2/1997:16). Doch trotz der Herausforderung, der sich Gestalter bei der Durchsetzung einer stärkeren Orientierung der Printmedien hin zu mehr visueller Darstellung gegenübersehen, sehen sich die Medienverantwortlichen zunehmend mit der Einschätzung konfrontiert, daß an ihr kein Weg vorbeiführt. So wurde bereits am Fachkongreß des internationalen Verbandes IFRA (Zeitungs- und Zeitschriftenherausgeber; Zeitungs- und Zeitschriftenindustrie) im Jahr 1989 festgestellt, das Überleben des Mediums Zeitung über das Jahr 2000 hinaus sei nur dadurch zu sichern, daß sich die Verantwortlichen bei der Gestaltung der Blätter am Leser und dessen Bedürfnissen und Vorlieben orientierten, und nicht an Journalisten und Redakteuren. Es sei notwendig, moderne Techniken zu nutzen, um ansprechende Produkte liefern zu können, und die Branche müsse sich dem Problem des steigenden Analphabetismus stellen (vgl. Knieper 1995:122).
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bei allen der seit langer Zeit etablierten Nachrichtenmagazine, auf die im weiteren genauer eingegangen werden soll, ein umfassendes Re-Design durchgeführt.103 Joachim Blum und Hans-Jürgen Bucher fassen die Entwicklungen, die sich auf dem Printmedienmarkt erkennen lassen und denen sich inzwischen alle Zeitungen und Nachrichtenmagazine unter Konkurrenzbedingungen stellen müssen – indem sie ihnen entweder folgen oder sie zumindest bei Mitbewerbern realisiert sehen –, in fünf Punkte zusammen. Diese zeigen nochmals die entscheidende Rolle auf, die visuellen Gestaltern zukommt, und werden von den Autoren folgendermaßen eingeleitet: »Die Behauptung, moderne Zeitungskonzepte seien optische Kosmetik, geht [...] an der Realität vorbei. Analysiert man neuere Trends der Zeitungsentwicklung, dann wird klar, daß Veränderungen von Form und Inhalt, Stilistik und Optik Hand in Hand gehen.«104
Es folgt ein Überblick der nach Meinung der Autoren wesentlichsten Entwicklungstendenzen am printmedialen Nachrichtenmarkt: (1) Die Wissens- und Informationsvermittlung in den Printmedien entwickelt sich von der Einkanaligkeit zur Mehrkanaligkeit: Statt hauptsächlich mit Texten wird die Information verstärkt auch in Bildern und Grafiken präsentiert, und zwar nicht zufällig, sondern systematisch. (2) Komplexe Formen der Berichterstattung werden durch segmentierte Formen abgelöst: Aus dem Langtext wird ein modulares Cluster aus verschiedenen visuellen und textlichen Darstellungsformen. Diese modularen Einheiten können für sich alleine stehen oder ein abgestimmtes Informationspaket bilden. (3) Die Berichterstattung in den Zeitungen wandelt sich vom Informations- zum Bedeutungsjournalismus: Die reine Faktenvermittlung wird den schnelleren Medien zugestanden, die Einordnung, Kommentierung und perspektivische Aufbereitung der Information wird hingegen als genuine Aufgabe der Printmedien gesehen, gewissermaßen als ihre Komplementärleistung gegenüber Rundfunk und Fernsehen. (4) Zeitungen werden zunehmend nicht mehr für den Durchleser, sondern für den Anleser und den selektiven Leser gestaltet (vergleichbar mit dem Wandel des Hörfunks vom Einschalt- zum Nebenbei-Medium). (5) Die Informationsfunktion der Zeitungen wird ergänzt durch eine Unterhaltungsund eine Servicefunktion.105 Auf einige dieser Aspekte der Entwicklungen in der Gestaltung von Printmedien wird in Kapitel 9 nochmals eingegangen werden. Zuvor soll aber im nächsten Abschnitt in kurzer Form ein wesentliches visuelles Element der Printmedien-Gestaltung näher beleuchtet werden: die Infografik.
103 beim amerikanischen Magazin Newsweek z.B. im Jahr 2002; bei der britischen Zeitschrift The Economist 2001 (erstmals seit 1987); beim deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel zum Jahresbeginn 1997 104 Blum/Bucher 1998:16 105 ebd.
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8 Visuelle Codes und Nachrichtenaufbereitung
8.3.3 Nachrichten zeitgemäß illustrieren: Die Informationsgrafik Der Durchbruch der Informationsgrafik in der medialen Nachrichtenvermittlung wird in der Fachliteratur meist mit zwei Ereignissen in Zusammenhang gebracht: Dem Erfolg der ab 1982 publizierten amerikanischen Tageszeitung USA Today, die ein modular gestaltetes Layout für ihr Blatt wählte und einen Schwerpunkt der Gestaltung in der Verwendung aufwendig gestalteter Schaubilder setzte, sowie mit der Berichterstattung während des Golfkriegs. Dazu schreibt der Medienwissenschaftler Thomas Knieper: »Weltweit hatten die Infographiken ihren großen Durchbruch bei der Berichterstattung während des Golfkriegs. Cartoonisten witzelten in der damaligen Situation über eine graphics attack. Aufgrund der Zensur und der stark eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten und Photographen erfolgte auf Seiten der Redakteure eine Hinwendung zur Infographik. Diese konnte die Funktionsweisen von modernen Waffensystemen erklären, Truppenbewegungen aufzeigen und topographische Gegebenheiten veranschaulichen.«106
Vorläufer der Einbeziehung von Infografiken in Printmedien seien im deutschsprachigen Raum das Nachrichtenmagazin Focus und die Tageszeitung Vorarlberger Nachrichten gewesen, so Brielmeier und Wolf. Heute gehöre die Veranschaulichung von Information anhand von Infografiken zu den am weitesten verbreiteten und sinnvollsten Nachrichtenmedien-Trends.107 Die Kommunikations-Grafikerin Angelika Jansen beschreibt diesen Trend, den sie die „Renaissance“ des altbekannten Schaubilds nennt: »Seit mehr als 10 Jahren zeichnet sich in den Medien ein Trend ab: Im Windschatten von designorientierten Zeitungs- und Zeitschriftenkonzepten boomt die Infografik. Das altbekannte Schaubild erlebt im neuen Computergewand eine Renaissance. Es führt Text und Bild zusammen und schafft so eine Einheit, die im besten Fall sowohl die Aufmerksamkeit der Leser auf sich zieht als auch dichte Information transportiert.«108
Der bestechendste Vorteil des modernen Schaubilds sei dabei, daß es komplexe Informationen synoptisch, also auf einen Blick, darstelle. In der Praxis stelle sich der Trend zur (computer-)gezeichneten Kommunikation allerdings als Herausforderung dar, denn er erfordere eine neue Berufsdefinition: Entweder müsse der Gestalter von Infografiken Grafiker, Texter und Konzepter in einer Person sein, oder eine Mannschaft von Mitarbeitern seien vonnöten, um zu einer ebenso ästhetisch ansprechenden wie auch informativen Grafik zu gelangen. »Infografiken erfordern neue Wege der Recherche, da die Visualisierung andere Grundlagen als ein Text voraussetzt: genaue Zahlen, detaillierte Bildvorlagen, Kenntnis über spezielle Symbole. Außerdem ändert sich die Abfolge der Arbeitsschritte. Während in der traditionellen Informationsvermittlung jahrzehntelang zuerst der Text und dann die Bebilderung kam, sind heute parallele, aufeinander abgestimmte Prozesse gefragt.«109
Informationsgrafiken seien deshalb aufwendig in der Herstellung und je nach der grafischen Umsetzung zeit- und kostenintensiv, so Jansen weiter. Mit unterschiedlichen Formen von Informationsgrafiken werden verschiedene Assoziationen beim Betrachter wach, manche erinnern an wissenschaftliche Arbeiten, manche an Dar106 Knieper 1995:4f. 107 Brielmeier/Wolf 2000:108f. 108 Jansen 1998:25 109 ebd.:26
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stellungen in Lexika und technischen Büchern. Immer aber wird mit ihnen eine Botschaft vermittelt: Der Erklärende weiß genau Bescheid, er verfügt über umfassende Detailinformationen zu komplexen Inhalten. Diese werden nun als Service dem Leser anhand eines Bildes übersichtlich aufbereitet dargeboten. Schaubilder vermitteln, es würde verständliche – weil übersichtliche – Information geboten, denn dies zu tun ist ihr eigentliches Ziel. So definiert Thomas Knieper die Infografik als »gezeichnete und/oder elektronisch oder fotografisch erzeugte Bilder«, die das Verstehen bestimmter Informationen erleichtern sollen. Sie seien Informationen in Grafikform und dienten der visuellen Informationsübermittlung.110 Martin Liebig, selbst Journalist und Informations-Grafiker, beschreibt in seinem umfangreichen Lehrbuch zum Thema ‘Infografik’ zahlreiche Funktionen, die von Infografiken in Zeitschriften und Zeitungen erfüllt werden können. So lasse sich mit Schaubildern sehr gezielt informieren, das Blatt organisieren, illustrieren, Aufmerksamkeit erzeugen, die Leserschaft motivieren, schmücken, ästhetisieren und Identität repräsentieren. Aus journalistischer Sicht sei allerdings nur eine potentielle Eigenschaft von Bedeutung: »Das journalistische Informieren macht das Wesen der Infografik aus und unterscheidet sie von den anderen Formen von Pressegrafiken und rein künstlerisch motivierten. Erst diese Eigenschaft, und nur diese, hebt die Infografik in den Rang eines gleichberechtigten publizistischen Darstellungsmittels neben reinem Text und ‘purer’ Fotografie. Daß die Infografik ‘nebenher’ auch noch allerlei andere nützliche Funktionen auf sich vereinen kann, ist, zumindest aus journalistischem Blickwinkel, zunächst von weniger Interesse.«111
Es habe sich bei Aufzeichnungen des Rezipientenverhaltens gezeigt, daß der Leser meist über ein Bildelement in die Lektüre eines Artikels einsteige.112 Ein journalistischer Informationswert an sich lasse sich aus diesem reinen Aufmerksamkeitswert aber kaum ableiten. Zudem hätten vergleichende Forschungsarbeiten zur Rezeption von Informationen anhand von Texten und Informationsgrafiken ergeben, daß sich die Grafiken meist als mindestens gleichwertiges, oft gar „besseres“ Informationsvehikel erweisen würden. Meist habe sich dieses „besser“ allerdings nur auf die reine, kurzzeitige Erinnerung an Fakten der Grafik, nicht auf die Rezeptionsgeschwindigkeit, den Rezeptionskomfort oder die Nachhaltigkeit der Information bezogen. Blum und Bucher präsentieren andere Einschätzungen. Die Autoren zitieren in ihrem Fachbuch für Journalisten und Printmedien-Gestalter eine Studie von Pegie Stark, bei der 400 amerikanischen Studenten vier verschieden aufbereitete Varianten desselben Textes vorgelegt wurden (je eine Textversion, eine Version Text mit Foto, eine Version Text mit Grafik und eine Version mit Text, Foto und Grafik). Dabei hätte sich ein eindeutiges Ergebnis gezeigt: Die Leser der Seite, die mit Text, Grafik und Foto gestaltet war, hätten die meisten Fragen zum dargestellten Sachverhalt beantwortet, seien dabei am genauesten gewesen und hätten sich in Hinblick auf ihre emotionale Beteiligung am stärksten angesprochen gezeigt. Als Fazit könne gesagt
110 vgl. Knieper 1995:4; ausführlich zum Begriff Infografik: Liebig 1999:17ff. 111 Liebig 1999:49f. 112 Im Vergleich zu anderen Illustrationen habe sich die Infografik als beim Leser beliebter bzw. als aufmerksamkeitswirksamer erwiesen, führt Knieper im Rückgriff auf eine Arbeit von Michael Schmitz aus (vgl. Knieper 1995:45).
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werden, daß mit der Text-plus-Foto-plus-Grafik-Variante ein fast doppelt so hoher Informationstransfer erreicht werden konnte als mit der reinen Textversion.113 Doch Martin Liebig hält Verallgemeinerungen nach bisher vorliegenden Rezeptionsstudien zum Medium Infografik für nicht zulässig, würde also auch diese Ergebnisse nicht als Nachweis der prinzipiellen Überlegenheit von Infografiken gegenüber Texten sehen. »Zumindest wäre es vermessen, aus den Resultaten dieser Experimente eine nahezu zwingende, pauschale Notwendigkeit abzuleiten, Text durch Grafik zu ersetzen«,114 stellt Liebig nach seiner Zusammenschau von Forschungsergebnissen zur Thematik fest. Darüber hinaus müsse bedacht werden, daß es die Infografik nicht gebe. Vielmehr finde man zahllose Varianten in Darstellungstechnik und Funktion. Inhaltlich wie gestalterisch würden zahlreiche Formen dessen existieren, was sich unter dem Begriff Infografik subsumiert fände. Hinzu käme, daß das Ergebnis auf die Frage, wie eine Infografik vom Leser aufgenommen wird, von vielerlei Faktoren abhänge, die im Experiment schwer zu erfassen seien. »Vor allem vom Thema hängt’s ab: Kein eingefleischter Börsenmuffel wird sich eine noch so gute Dax-Grafik vornehmen, kein Sportfeind die aktuelle Ligatabelle. Eine Rolle spielen aber auch das Vorwissen der Testpersonen, ihr Bildungsstand, ihre Lesegewohnheiten gerade in bezug auf PresseErzeugnisse, das Alter, womöglich auch die simple Empfänglichkeit des einzelnen für den allgemein ‘computerlastigen’ Look der heute gängigen Informationsgrafiken.«115
Brielmeier und Wolf zählen die Grundelemente auf, aus denen Informationsgrafiken zusammengesetzt werden; so gebe es (1) Landkarten für geographische Informationen; (2) Linien-, Balken- und Tortengrafiken für statistische Angaben; (3) Architekturzeichnungen; (4) technische Zeichnungen und (5) Grafiken, die einen Ablauf darstellen. 116 Alle Formen grafischer Informationsvermittlung würden aber zahlreiche Möglichkeiten bergen, anstelle einer Grafik, die das Verständnis von Zusammenhängen und Daten erhöht, eine verwirrende oder unübersichtliche Darstellung zu schaffen. Eine gute Infografik sei so einfach wie möglich gelayoutet, so Angelika Jansen, und transportiere nur so viel Inhalt wie tatsächlich notwendig. Dabei meine ‘einfach’ nicht ‘schlicht’, sondern ‘angemessen’, und zwar gegenüber dem Kontext der Präsentation, dem jeweiligen Thema und der Zielgruppe. Vor allem nach dem letzten Kriterium ‘schlecht’ gemachte Grafiken könnten die Glaubwürdigkeit der in der Darstellung enthaltenen Daten verringern, so Jansen als Hinweis an die Gestalter.117 Darüber hinaus könne die Wahl der Darstellungsform entscheidend dafür sein, wie die Rezipienten die dargestellten Daten interpretieren. So werde beispielsweise durch das Bild einer überquellenden Ölsardinenbüchse für Bevölkerungswachstum eine Wertung der Daten nahegelegt.118 Obwohl die Erstellung von der Information dienenden Schaubildern gemäß den zitierten Aussagen eine Herausforderung für die Redaktionen darstellt, scheint es, 113 vgl. Blum/Bucher 1998:55 114 ebd.:56; einen äußerst detaillierten Überblick über den Stand der Infografik-Forschung bietet Knieper mit seiner Arbeit Informationsgrafiken – Das visuelle Informationspotential von Tageszeitungen (vgl. Knieper 1995). 115 Liebig 1999:56 116 vgl. Brielmeier/Wolf 2000:256 117 vgl. Jansen 1998:26 118 vgl. Jansen/Scharfe 1999:57
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als könnten sich Nachrichtenmedien dem Trend nicht entziehen. Dies auch, weil trotz fehlender Belege, daß Informationsgrafiken an sich die Qualitäten aufweisen, die sie laut Aussagen von Praktikern der professionellen Informations-Grafik haben müßten, um in der Rezeption einen Vorteil gegenüber reiner Textinformation darzustellen, die Zeitungsleser überzeugt scheinen, daß Infografiken der Rezeption hilfreiche Bestandteile eines Nachrichtenmediums darstellen. Dies wird auch den Printmedien-Gestaltern in der an sie gerichteten Fachliteratur vermittelt. So zitieren etwa Blum und Bucher in ihrem Fachbuch aus der bereits erwähnten umfangreichen wissenschaftlichen Arbeit zur Thematik ‘Infografik’ von Thomas Knieper. Knieper stellt in dieser Arbeit nicht nur den Forschungsstand umfassend dar, er präsentiert auch die Ergebnisse zweier von ihm selbst durchgeführter Studien. In der ersten Erhebung wurden 78 verschiedene Zeitungsredaktionen zum Thema befragt; Blum und Bucher zitieren aus Knieper dazu folgende Passage: »Es scheint, daß innerhalb der Tageszeitungsredaktionen dem Informationspotential von Visualisierungen eine zunehmende Bedeutung eingeräumt wird. Es besteht ein wachsendes Interesse daran, den Leser neben Texten insbesondere durch Infografiken zu informieren. Dieser Trend des vielfältigeren Leseerlebnisses zeichnet sich tendenziell für alle Bereiche ab.«119
Dieses Zitat Kniepers ergänzen Blum und Bucher durch die Ergebnisse der zweiten von Knieper durchgeführten Untersuchung: »Daß diese Einschätzung der Zeitungsmacher mit den Wünschen des Publikums übereinstimmt, belegt Knieper mit der Befragung von 500 Münchner Zeitungslesern aus allen Altersgruppen im Juli 1994. Immerhin 60 Prozent gaben an, daß ‘mit Schaubildern Sachverhalte meistens besser erklärt werden als mit Texten’. Deutliche Lesermehrheiten aller fünf Zeitungen mit Münchner Lokalteil äußerten den ‘Wunsch nach mehr quantitativen Schaubildern’.«120
Nach Sichtung der Befunde des, wie er betont, in Deutschland stark vernachlässigten Forschungsbereiches, stellt Knieper allerdings ähnlich wie Liebig fest (und dies bleibt von Blum und Bucher in ihrem Praktikerbuch unerwähnt), daß sich nur in Ausnahmefällen signifikante Unterschiede hinsichtlich verschiedener Lerneffekte bei der Infografikrezeption zeigen. Lerneffekte sind vermutlich aber auch nicht der Grund, warum sich Redaktionen für die Verwendung von Schaubildern entscheiden. Informationsgrafiken gelten, wie deutlich wurde, als zeitgemäße Form der visuellen Nachrichtenaufbereitung. Ihre Einbeziehung stellt somit eine naheliegende Strategie für Zeitungen und Magazine dar, um sich als modernes Informationsmedium zu präsentieren. Inwiefern einzelne Nachrichtenmagazine diesen Weg beschreiten und welche Entwicklungen in diesem Themenbereich für die letzten dreißig Jahre beobachtbar sind, diesen und anderen Fragen soll in Kapitel 9 nachgegangen werden. Der folgende Abschnitt widmet sich zuvor in Form eines Exkurses der Frage, welche weiteren Trends der visuellen Darstellung für die Gestaltung von Nachrichtenmagazinen – und damit für deren näheres Verständnis – als relevant zu betrachten sind.
119 Knieper, zitiert nach Blum/Bucher 1998:59 120 ebd.
232 8.4
8 Visuelle Codes und Nachrichtenaufbereitung
Exkurs: Ray Gun, MTV und Nike. Trends der visuellen Kommunikation als Einflußfaktoren der optischen Nachrichtenaufbereitung
Wie bereits in Abschnitt 7.5 ausführlich behandelt: Jede Ästhetik ist Ausdruck einer bestimmten Zeit. Und so muß auch für die visuelle Aufbereitung von Nachrichtenmagazinen bedacht werden, daß unterschiedliche Faktoren auf die jeweiligen Gestaltungskonventionen einwirken und sie damit mitbestimmen. Zentral zu nennen sind die erwähnten technischen Entwicklungen, die in punkto Realisierbarkeit sowohl auf der Zeit- als auch Kostenebene erhebliche Reduktionen bedingten. Die durch technischen Fortschritt gewonnene Flexibilität der Gestalter, gemeinsam mit der Veränderung hin zu mehr Aufmerksamkeit gegenüber der optischen Aufbereitung haben deutliche Veränderungen der Nachrichtenmagazin-Gestaltung hervorgebracht. Dies gilt freilich nicht für einen bestimmten Mediensektor alleine, sondern betrifft öffentliche Kommunikation an sich. In der Analyse der Veränderungen, die in der Optik von Nachrichtenmagazinen auffallen, ist es schwierig zu beurteilen, wo die Wurzeln von neu Eingebrachtem liegen. Sehr allgemein können aber sicherlich drei Felder benannt werden, die zu den zentralen Einflußfaktoren auf das Editorial-Design von Nachrichtenmagazinen zählen: (1) das Design anderer Magazine; (2) die Optik anderer Mediengattungen; (3) Trends der Gestaltung im Bereich Werbung. Der Faktor ‘Design anderer Magazine’ erscheint nach Gesprächen mit Heftgestaltern und nach der Durchsicht der Fachliteratur als ein besonders bedeutsamer. Und zwar nicht nur, soweit es die Beobachtung von Entwicklungen der Mitkonkurrenten betrifft – er umfaßt vielmehr das Genre ‘Zeitschrift’ an sich: EditorialDesigner scheinen (wie etwa auch Herausgeber und Chefredakteure, vielfach aber auch Journalisten) Zeitschriften-„Freaks“ zu sein. Ich konnte beobachten und in Gesprächen erfahren, daß verantwortliche Gestalter von Nachrichtenmagazinen wöchentlich Dutzende Zeitschriften beziehen, die, abgesehen von den wichtigsten internationalen Vertretern der Gattung ‘Nachrichtenmagazin’, Lifestyle-, Musik-, Reise-, Mode-, Auto-, Wirtschafts-, Sportzeitschriften u.v.a.m. umfassen. Dies bestätigt auch eine Aussage des österreichischen Zeischriften-Designers Gottfried Moritz, der in einem Interview mit der Zeitschrift Journalist erwähnt, er würde unendlich viele Magazine regelmäßig lesen und gebe jede Woche Tausende Schilling für Zeitschriften aus.121 Für Editorial-Designer gilt, daß sie meist viele verschiedene Zeitschriften unterschiedlicher Sparten gestaltet haben (so war etwa der oben erwähnte Designer Gottfried Moritz Gestalter so unterschiedlicher Magazine wie Wiener, Wienerin, Profil, News, Tv-Media und Format). Sie sind Fachmänner und Fachfrauen für Zeitschriften-Gestaltung im allgemeinen, nicht allein für Nachrichtenmagazin-Gestaltung, weshalb davon auszugehen ist, daß ein umfassendes Wissen um Traditionen und Trends aus den verschiedensten Zeitschriftengattungen in die Arbeit der Gestalter einfließt. Magazine wie Life, twen, Harper’s Bazaar, Rolling Stone, The New Yorker, The Face, Arena, Wired, Ray Gun und im deutschsprachigen Raum auch
121 vgl. den Artikel Der gemietete Mann; In: Der Journalist 5/1998:29
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Basta, Wiener und Tempo gelten als Standards-setzende Klassiker der Branche. Nachrichtenmedien-Leser wurden mit der Optik von sogenannten „Zeitgeist“- und Avantgarde-Magazinen vertraut, als Zeitungen wie die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Zeit bestimmte Stilelemente in ihre Magazin-Ausgaben übernahmen und weiterentwickelten. Magazine wie Brand eins und Econy konfrontierten die Sparte ‘Wirtschafts-Magazin’ mit einer für dieses Genre völlig neuen Optik und Bildsprache. Einen besonders provokanten Zugang zum Layout von Printmedien boten in den 80er und 90er Jahren die vielfach ausgezeichneten und vielfach nachgeahmten Gestalter Neville Brody (unter anderem Designer von The Face und Arena) und David Carson (unter anderem Designer von Ray Gun). Es sei eine Illusion, daß die Lesbarkeit von Texten deren Verständlichkeit garantiere, außerdem sei Verständlichkeit nicht unbedingt der zentrale Punkt der Gestaltung, war eine wesentliche Haltung, die von diesen Gestaltern ausging. So konnte man im Jahr 1988 folgende Aussage von Neville Brody im Nachrichtenmagazin Der Spiegel lesen: »Von Anfang an wollten wir einen Leser, der sein eigener Redakteur ist. Wenn einer eine halbe Stunde braucht, um ein Layout zu kapieren – okay. Wer sagt, daß man dem Leser Arbeit abnehmen muß?«122
Und David Carson bezieht in Sache Lesbarkeit folgendermaßen Stellung: »Lesbarkeit ist doch keine Garantie für ein optimales Verständnis. Das kann doch gerade das Falsche übermitteln. Konservative Buchtitel, Lexika, die junge Leute gar nicht anfassen würden, könnten vollkommen anders gestaltet sein. Publikationen haben optisch oft die falsche Botschaft oder aber eine viel zu schwache. Wesentlich wichtiger als reine Lesbarkeit sind doch Emotionen. Für mich jedenfalls.«123
Auch wenn das professionell gestaltete Layout von Nachrichtenmagazinen sich kaum an diesen Design-Strömungen orientieren kann, die mit ihrem eigenwilligen Umgang mit Bild und Text „kleine Revolutionen“ in der Fachwelt der Grafik auslösten, werden durch sie doch Sehgewohnheiten verändert und geprägt. Auf diese Veränderungen muß in abgeschwächter Form von allen Medien in der einen oder anderen Form reagiert werden, wollen sie als modern, zeitgemäß und aktuell gelten. Gleichzeitig sind es auch diese „revolutionären“ Entwicklungen der Gestaltung, von denen schließlich Gegenbewegungen ausgehen. So folgt auf die durch die neuen Entwicklungen der Computer-Technologie möglich gewordenen fantasievollen Designs der 80er und 90er Jahre, wie bereits in Abschnitt 7.5 ausgeführt, offensichtlich ein Trend zu strengerer, funktionaler, „puristischer“ Gestaltung. 122 zitiert nach Willberg 2000:268 123 zitiert nach Willberg 2000:212; Fontshop, Veranstalter des jährlichen Fachkongresses für Design und Typografie Typo Berlin faßt in seinem Kongreß-Programm 1998 die Reaktionen auf Carson folgendermaßen zusammen: »Das Newsweek-Magazin stellte 1996 fest: ‘Er (Carson) veränderte die öffentliche Wahrnehmung von Graphikdesign’. Das Print-Magazin bezeichnete Carsons Arbeit als ‘ausgezeichnet’, während USA Today Carsons Werk mit ‘visuell herausragend’ beschrieb und hinzufügte, daß es die Jugend wieder zum Lesen bringt. Die Style-Rubrik der New York Times widmete Carson und seinem Design am 15. Mai 1994 eine Titelstory. Typography, das neue Buch des Graphics Magazine (New York), nennt Carson den ‘Meister der Typografie’. In der I.D.-Magazin Liste der innovativsten Designer für Amerika ist Carson einer von nur fünf Amerikanern. Das Emigre-Magazin schließlich brachte ein ganzes Carson-Heft heraus. Carson ist somit der einzige amerikanische Designer, den Emigre in den letzten 10 Jahren auf diese Weise gewürdigt hat«; [http://www.fontshop.de/typo98/enhanced/sprecher/d_carson.html] 20.10.2003.
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Wesentlicher Einfluß auf das Design von Printmedien geht auch von anderen Mediengattungen und Medienprodukten aus. Jedes Medium wird mit bestimmten Qualitäten in Zusammenhang gebracht. Die Übernahme einzelner ästhetischer Charakteristika einer Mediengattung durch eine andere kann als Strategie gesehen werden, über ästhetische Merkmale inhaltliche Merkmale zu vermitteln oder für sich in Anspruch zu nehmen, etwa ‘Modernität’, ‘Aktualität’, ‘Interaktivität’ u.ä. Darüber hinaus gilt auch hier, daß Sehgewohnheiten und damit auch Rezipienten-Erwartungen durch die verschiedenen Entwicklungen der Medien- und Medienproduktgestaltung verändert wurden. So ist etwa der Ästhetik von Musikindustrie, Musikvideos und Musiksendern wie VIVA und MTV eine hohe Prägekraft für die Rezeptionsgewohnheiten einzelner Sehergruppen zuzuschreiben. Der Ästhetik und der Nutzlogik des Computers und in jüngster Zeit des Mediums Internet kommt ähnliche Bedeutung zu. Aus diesen Phänomenen gingen im Rahmen der Gestaltung von Printmedien die Begriffe Info-Design, Screen-Design oder auch InterfaceDesign hervor.124 »Zunächst eher unbewußt eingesetzt, machte sich im Zeitschriftendesign eine Formen- und Zeichensprache breit, die sich von der Benutzeroberfläche des Computers herleitet. Menü- und Navigationsleisten, Fenster, Felder, Kästen und verschiedene Symbole wie Pfeile, Knöpfe und Tasten sind seitdem die visuellen Elemente, die sich im Seitenlayout von Zeitschriften wiederfinden. Zugleich ist dies auch eine bewußte Annäherung an die visuelle Nachrichtenpräsentation des Fernsehens. Denn auf dem Fernsehbildschirm finden sich zum Beispiel ständig durchlaufende Informationsbänder für Börsenkurse und Topinfos. Sich öffnende Fenster als Bild im Bild lassen parallel stattfindende Ereignisse auf einer Fläche ablaufen und sorgen so für eine dichte Gleichzeitigkeit der Informationsübermittlung.«125
Als besonders interessant für die Analyse von Trends visueller Darstellungen erweist sich neben den genannten das Phänomen ‘Werbung’. Egal ob für Print-, Filmoder für andere Medien konzipiert, Werbung gilt als „Trendsetter“ der visuellen Kommunikation126 und prägt unsere Sehgewohnheiten und Interpretationsmuster.127 Die Akademie Bildsprache128 stellt zu Werbesujets in Printmedien fest: »Anzeigentrends sind der unmittelbare Ausdruck eines gesellschaftlichen Wertewandels und zeigen auf, in welchen Bildern sich unsere Warenkultur wiedererkennt oder wiedererkennen möchte«,129 sowie an anderer Stelle: »In den dominanten Bildstilen der [Zeitschriften-]Anzeigen spiegeln sich die emotionalen Befindlichkeiten und ästhetischen Rezeptionsmuster unserer Zeit wider.«130 Im folgenden sollen einige der von der Akademie Bildsprache in ihrer jährlichen Untersuchung von Anzeigenwerbung festgestellten Trends und vorherrschenden
124 vgl. Göbel 2002:237f. 125 ebd. 126 vgl. Kress/Leeuwen 1996:13 127 vgl. Streeter 2003:[www]; die Akademie Bildsprache geht in ihrer Zusammenfassung der Trends des Jahres 2001 davon aus, daß jede Person pro Tag zwischen 2000 und 3000 Werbebotschaften ausgesetzt ist (vgl.: AnzeigenTrends 2001:53). 128 Die Akademie Bildsprache ist eine vom Fotografen Horst Wackerbarth 1990 gegründete, in der Werbebranche anerkannte Institution, die Tendenzen in der Werbung und der Fotografie auf ihre Bildsprache hin analysiert und jährlich den so genannten Lead-Award für Mediendesign und Medienmarketing vergibt. 129 AnzeigenTrends 2001:5 130 ebd.:60f.
8 Visuelle Codes und Nachrichtenaufbereitung
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Stile kurz vorgestellt werden.131 Dies geschieht aufgrund der These, daß Werbeanzeigen und visuelle Werbetrends eine so umfassende Prägekraft besitzen, daß sie auch Auswirkungen auf die visuelle Aufbereitung von Information in Nachrichtenmagazinen zeigen können. Dabei ist freilich davon auszugehen, daß sich die angeführten Bildtrends nur in geringem Maße in den redaktionell gestalteten Berichten von Nachrichtenmagazinen finden – journalistische Berichterstattung und Werbung erfüllen gänzlich unterschiedliche Aufgaben und stehen in unterschiedlichen ästhetischen Traditionen. Trotzdem erscheint es interessant, einige dieser Trends knapp zusammengefaßt wiederzugeben. Denn Darstellungsweisen, die den Rezipienten über die Werbung vertraut sind, ermöglichen – oder erzwingen vielleicht sogar – neue Darstellungsweisen in den Nachrichtenmedien. (1) Real Life: »Klare helle Farben und harte Anschnitte dokumentieren die Welt, wie sie ist oder eben manchmal ist. Die Bilder erscheinen subjektiv, optimistisch und unkonventionell.« Mit dem Überangebot an Utopien wachse der Wunsch nach Authentizität, und die Werbenden würden diesem Trend entsprechen, indem sie das Unspektakuläre abbilden: »In einer Bilderflut mit immer aggressiverer Gestaltung und immer unwirklicheren Motiven wird das Unspektakuläre spektakulär.«132 Die Motive würden ungestellt und spontan wirken, die Akteure authentisch und ungezwungen. Manchmal sei der Hintergrund wichtiger als die abgebildete Person: »Zentrum und Peripherie haben bei Real Life auch sinnbildlich ihre angestammten Plätze getauscht.«133 (2) Comedy-Biz: »Comedy-Biz ist die Late-Night-Show in der Anzeigenkommunikation. Mit geschärftem Blick fürs Zeitgeschehen werden Ironie und Selbstironie gegeneinander ausgespielt. Erste Priorität: den Betrachter unterhalten, nicht belehren. Alles ist erlaubt, nur nicht langweilig zu sein [...] Comedy-Biz als Anzeigentrend versteht sich als respektloser, lakonischer Kommentar zum Zeitgeschehen.«134 (3) Big Brother: Big Brother war das Medienereignis des Jahres 2000. Mehrere in eine Gruppe zusammengefaßte Personen wurden abgeschirmt von ihrer Außenwelt über Wochen bei ihrem alltäglichen Agieren gefilmt und über eine Zusammenfassung dieser Rund-um-die-Uhr-Aufzeichnung für die Fernsehzuschauer beobachtbar. »Interessanterweise tauchen Themen, die der Big Brother-Welt entnommen sind, bereits im selben Jahr in der Bildsprache der Anzeigenwerbung auf. Ganz wie in Big Brother findet man auch hier Menschen, die sich vor der anonymen Menge der Betrachter outen und ihre Intimsphäre bloßlegen: sich in den Zähnen pulen [...], die Nase putzen [...], sich übergeben [...], aber auch, im Stile der schamlosen Vormittagsshows, Geheimnisse anderer preisgeben [...] Das Erfolgsrezept dieser Bildsprache ist, daß sie trotz der Inszenierung authentisch wirkt.«135 131 Es wurden die Publikationen „AnzeigenTrends 2000“ und „AnzeigenTrends 2001“ der Akademie Bildsprache herangezogen. 132 AnzeigenTrends 2000:15 133 vgl. ebd.:19 134 ebd.:22ff. 135 AnzeigenTrends 2001:166
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(4) Interfaces: »Augenfälliger Hinweis auf Computerdesign in Printanzeigen sind Dialogfelder und Pop-ups [...]. Statische Bilder [...] werden mit Informationen, mit Querverweisen und Gedankengängen aufgeladen und in Dialogfelder und Schautafeln verwandelt.« Auf diese Art und Weise könne auch in statischen Bildern die Dynamik und Interaktivität der Unternehmen vermittelt werden.136 (5) Hautnah: ‘Ich war dabei’ sei eine Devise, die heute für viele junge Menschen Bedeutung habe. Das Gefühl des Dabei-Seins transportiere sich auch über die Bildsprache, etwa über das nicht-perfekte Bild: »Das schnappschußartig verwackelte Bild vermittelt den Eindruck von Authentizität und Unmittelbarkeit.«137 (6) Matrix: Bilder im Bild oder, computertechnisch gesprochen, ‘Windows’ werden hier nicht als einzelne Motive, sondern in Form ganzer Bildreihen und Sequenzen zur Anschauung gebracht. »Die Bildsprache der Matrix schafft Überblick und erzählt Geschichten. Als Bildsprache der Multioptionsgesellschaft ist das Bildzapping ein Ordnungsraster für eine chaotische Welt.«138 (7) Als immer wiederkehrende Motive der Werbeanzeigen nennt die Akademie Bildsprache in ihrer Zusammenfassung aus dem Jahr 2000 drei: Hunde, Väter und Hände, wobei zum Thema ‘Hände’ unter anderem festgestellt wird: »Die geöffnete Hand wird als Signet für das Echte und authentisch Faßbare dargestellt. Sie steht für all das, was in digitalen Medien nicht möglich ist, und erhält eine symbolische Bedeutung, die das Magische und Esoterische streift.«139 Diese Trends in der Werbeanzeigen-Gestaltung zeigen in einigen Punkten Überschneidungen zu den bereits erwähnten Trends der Nachrichtenaufbereitung in Printmedien, etwa wenn es darum geht, Informationen in kleineren Einheiten zu präsentieren und in sogenannte ‘Kastenelemente’ auszulagern. Wie weit sich die in den letzten Abschnitten angesprochenen Strategien der optischen Verdeutlichung von Informationen in Nachrichtenmagazinen spiegeln, soll anhand einer Untersuchung beleuchtet werden, deren Vorgehensweise und Ergebnisse im nächsten Kapitel vorgestellt werden. In ihr wird versucht, die bisher ausgeführten Faktoren umfassender in eine Erhebung zum Thema ‘visuelle Nachrichtenvermittlung in Printmedien’ einzubeziehen, als dies in bereits zur Thematik vorliegenden Studien unternommen wurde. Dabei können die vorzustellenden Ergebnisse nur einen ersten Schritt für weitere Analysen zur Thematik darstellen. Es wird aber angestrebt, eine Datenbasis zu schaffen, die dazu dienen kann, gemeinsam mit den bisherigen Ausführungen eine möglichst viele Faktoren berücksichtigende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der visuellen Gestaltungspraxis der Nachrichtenvermittlung – und deren Folgen – empirisch zu stützen.
136 ebd.:65 137 ebd.:69 138 ebd.:86f. 139 AnzeigenTrends 2000:82f.
9
Die Entwicklung der visuellen Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen im internationalen Vergleich
9.1
Einleitung
Eine empirische Untersuchung der visuellen Aufbereitung von politischen Nachrichten kann sich, wie im einführenden Kapitel zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen bildorientierter Medienberichterstattung und Politik-Rezeption deutlich wurde, auf sehr viele unterschiedliche Aspekte beziehen. Besonders häufig finden sich bisher Erhebungen zu Bildinhalten, die bspw. Personalisierungs-Tendenzen oder Vergleiche der Themenaufbereitungen – etwa den Zusammenhang zwischen Kriegsberichterstattung und Gewaltdarstellung – zum Inhalt haben. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführte Untersuchung zeigt eine andere Ausrichtung. Sie knüpft bei den theoretischen Überlegungen der bisherigen Abschnitte an und versucht anhand einer quantitativen Erhebung die Entwicklungen der visuellen Nachrichtenaufbereitung in Nachrichtenmagazinen zu erfassen und zu verdeutlichen. Das Kategorienschema der Untersuchung wurde entsprechend der Hauptthese der Arbeit, die besagt, daß der Kontext und die Art und Weise der Bildverwendung für das Verständnis von medialer visueller Kommunikation wesentlich sind, erstellt. Es werden deshalb nicht Bildinhalte, sondern Daten zur Verwendung verschiedener visueller Elemente erhoben. Das genaue Vorgehen und die einzelnen Fragestellungen der Untersuchung finden sich im folgenden detailliert beschrieben. 9.2
Untersuchungsmethode, Bestimmung der Grundgesamtheit der Erhebung und Beschreibung des Kategorienschemas der Untersuchung
Stellt man sich der Aufgabe, Aussagen von Wort, Schrift und Bild systematisch, objektiv und quantifizierend zu untersuchen, so bietet sich die maßgeblich im Zuge der Erforschung der Massenmedien entwickelte Vorgehensweise der Inhaltsanalyse als Forschungsmethode an.1 Laut Max Kaase ist die Inhaltsanalyse in besonders enger Weise mit der (politischen) Kommunikationsforschung verbunden. Trotzdem sei – zumindest für den deutschen Raum – feststellbar, daß sie in den letzten Jahren erheblich weniger oft als etwa in den 1970er oder 1980er Jahren als methodisches Vorgehen gewählt worden sei. Als Grund für diese Entwicklung zieht Kaase den Tatbestand des außerordentlichen Erhebungs-, Codier- und Auswertungsaufwands beim Einsatz dieser Methode bei gleichzeitig begrenzter Aussagefähigkeit der Er1
vgl. Noelle-Neumann 1999c:268
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Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
gebnisse in Betracht.2 Kaase beurteilt diese Entwicklung als bedenklich, da die Wirkungsforschung auf die unabhängige und objektive Erfassung von Medieninhalten angewiesen sei.3 Wenn sich die in diesem Kapitel vorzustellende Untersuchung der Methode der Inhaltsanalyse bedient, dann mit dem Ziel, eine umfassende Beschreibung der visuellen Erscheinungsform des Nachrichtenmediums ‘Nachrichtenmagazin’ vorzunehmen. Es soll also eine nähere Beschreibung der visuellen Ästhetik des Mediums ‘Nachrichtenmagazin’ im Sinne der im theoretischen Teil dieser Arbeit dargelegten Definition erfolgen. Damit soll zum einen eine der Lücken in der bisherigen Forschung geschlossen werden, es soll zum anderen eine konkrete argumentativ entwickelte Vorgehensweise zur Diskussion gestellt werden, und es soll schließlich eine Basis für grundsätzliche Aussagen über die Entwicklung des Mediums auf Ebene des „visuellen Stils“ ermöglicht werden. Für dieses Vorhaben ist die Methode der Inhaltsanalyse geeignet, da sie als Forschungstechnik »für die objektive, systematische und quantitative Beschreibung des manifesten Inhalts von Kommunikation«4 nicht nur die sprachlichen Aussagen, sondern auch die formale Aufbereitung von Kommunikation erfaßbar macht. Philipp Mayring beschreibt die Besonderheiten der Inhaltsanalyse als sozialwissenschaftliche Methode, indem er die unzählbaren und völlig unterschiedlichen Definitionen, die sich zu der Methode in der wissenschaftlichen Literatur finden, in ihren grundsätzlichen Aussagen in sechs Punkten zusammenfaßt: (1) Inhaltsanalysen haben die Übertragung von Symbolen, also Kommunikation, zum Gegenstand. Dabei handelt es sich zwar meist um Sprache, es können aber auch Musik, Bilder u.ä. zum Gegenstand gemacht werden. (2) Inhaltsanalysen arbeiten mit Texten, Bildern, Noten u.ä., d.h. mit Kommunikation, die in irgendeiner Art protokolliert, festgehalten vorliegt. Gegenstand der Analyse ist somit fixierte Kommunikation. (3) Die Inhaltsanalyse grenzt sich durch die Vermeidung von impressionistischer Ausdeutung und freier Interpretation des zu analysierenden Materials von verschiedenen hermeneutischen Verfahren ab. Inhaltsanalyse will stets systematisch vorgehen. (4) Das systematische Vorgehen der Inhaltsanalyse zeigt sich vor allem daran, daß die Analyse des Materials nach expliziten, nachvollziehbaren und somit überprüfbaren Regeln abläuft. (5) Das systematische Vorgehen zeigt sich auch darin, daß eine gute Inhaltsanalyse theoriegeleitet vorgeht. Das heißt, es wird an der Erfahrung anderer mit dem zu untersuchenden Gegenstand angeknüpft und das zu untersuchende Material wird nicht einfach nur referiert, sondern unter Anwendung einer theoretisch ausgewiesenen Fragestellung analysiert. (6) Die Inhaltsanalyse ist eine schlußfolgernde Methode, sie will also durch Aussagen über das zu analysierende Material Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte
2 3 4
vgl. Kaase 1998:109 vgl. ebd. Berelson 1952:18, deutsch zitiert nach Mayring 1997:11 (Hvh. durch Mayring)
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der Kommunikation ziehen, etwa Aussagen über den Sender und seine Kommunikationsabsichten treffen.5 In der Verfahrensweise der inhaltsanalytischen Untersuchung unterscheidet Mayring drei Grundtechniken: (1) Häufigkeits- oder Frequenzanalysen, (2) Valenz- und Intensitätsanalysen und (3) Kontingenzanalysen.6 Laut dieser Spezifikation ist die in der vorliegenden Studie verwendete Methode als ‘Frequenzanalyse’ zu beschreiben. Damit ergeben sich folgende Arbeitsschritte im Forschungsprozeß:7 -
Formulierung der Fragestellung Bestimmung der Material-Stichprobe Aufstellung des fragestellungsabhängigen Kategorien-Systems Definition der Kategorien Bestimmung der Analyseeinheiten als Codier-, Kontext- und Auswertungseinheiten Durcharbeitung des Materials, Codierung Feststellen und Vergleichen der Häufigkeiten Interpretation der Ergebnisse.
9.2.1 Fragestellung der Untersuchung Die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung leitet sich aus dem Anliegen ab, die visuelle Medienästhetik von Nachrichtenmagazinen im Bereich der politischen Berichterstattung detailliert zu erfassen. Dabei wird an die Feststellung Susanne Starks angeknüpft, die attestiert, daß Stil-Änderungen in Zeitschriften, wie etwa die Verwendung von mehr bildhaften Darstellungen, zwar benannt, aber nicht belegt würden: »[E]ine systematische empirische Analyse erfolgt nicht.«8 Andreas Vogel weist darauf hin, daß exemplarische Zeitschriftenforschung, also Untersuchungen zu einer Fragestellung anhand des Beispieles einer Zeitschrift eines bestimmten Typs, skeptisch zu betrachten ist;9 in diesem Sinne wird bei der Untersuchung umfassend vergleichend vorgegangen: Zum einen soll die zeitliche Entwicklung der Gestaltung erfaßt werden, wofür ein Zeitraum von 1972 bis 2002 gewählt wurde. Zum anderen wird international vergleichend vorgegangen, indem sowohl österreichische und deutsche als auch US-amerikanische Nachrichtenmagazine und ein britisches Nachrichtenmagazin in die Untersuchung einbezogen wurden. Damit wird ein Verfahrensweg eingeschlagen, der zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit in bezug auf die Fragestellung für tagesaktuelle Print-Nachrichtenmedien wenig aussagekräftige Ergebnisse erbringen würde, für die Untersuchung von Nachrichtenmagazinen aber gewinnversprechend erscheint. Diese Einschätzung ergibt sich etwa aus der Antwort des international tätigen Printmedien-Gestalters Mario R. Garcia auf die Frage, ob es seiner Ansicht nach einen Unterschied mache, eine amerika5 6 7 8 9
vgl. Mayring 1997:12f. vgl. ebd.:13ff. vgl. ebd.:14 Stark 1992:81 vgl. Vogel 2002:17
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nische oder deutsche Tageszeitung, ein englisches oder ein österreichisches Magazin zu gestalten: »Newspapers do have a cultural distinction. A British newspaper is so absolutely different from an American newspaper that it is incredible. The main difference is the aggressiveness of the British newspaper compared to the American newspaper. The American newspaper tends to be more organized than the British one. [...] Now when it comes to news magazines it is a different story. They try to imitate each other. So if you have five newspapers in there the distinction would jump at you. In these magazines [Hier bezieht sich Garcia auf die Magazine der vorliegenden Untersuchung Der Spiegel, Focus, Format, Profil, Newsweek, Time und The Economist] they all imitate I think the American models. Time Magazine was about the first news magazine that came out in our part of the world. Then came Newsweek. Those two became the ideal news magazines. You go to South America, Brazilian magazines imitate Time and Newsweek. Argentinian magazines, Columbian magazines, you go to South Africa and it is basically an imitation that came inspired by a model. Newspapers are organic things. Every community started a newspaper, started in the 18th century and therefore you know these grew out like flowers in the garden out of the earth. I mean not imitated. In those days you were not accessed you had no access to see how other newspapers looked. There is no way that you could look at the Times of London and you could copy it. It would take months for the ship to come from London to Argentinia. And then of course, many of the classic papers have tried to imitate The Times of London later and The New York Times but retaining their very individual culture. So that is for newspapers. Magazines have been inspired by the models of Time and Newsweek and like you see there is no difference here.«10
Trotz der offensichtlichen Tendenz der Magazine, sich am amerikanischen rollmodel zu orientieren, zeigen sich bei der Betrachtung der einzelnen in die Untersuchung einbezogenen Magazine Der Spiegel, Focus, Format, Profil, Newsweek, Time und The Economist nationale Unterschiede. So erscheinen etwa die deutschen Hefte regelmäßig mit besonders großem Seitenumfang;11 die US-amerikanischen Magazine werden in weit größerem Ausmaß als etwa die deutschen oder österreichischen Titel über Abonnements vertrieben, was besonders auf die Gestaltung des Titels Auswirkungen zeigen kann12. Da für alle in die Untersuchung einbezogenen Länder außer Großbritannien zwei Magazine in die Datenerfassung aufgenommen werden konnten, wird sich an den Ergebnissen der Erhebung zeigen, welche der einbezogenen Gestaltungselemente deutliche Übereinstimmung für die deutschen usw. Titel zeigen, in welchen Punkten alle Magazine ähnliche Entwicklungen aufweisen und wo im Sinne der weiter oben definierten visuellen Markenkommunikation Eigenheiten einzelner Titel feststellbar sind. 10 Mario R. Garcia in einem Interview, das ich mit ihm am 10. Mai 2002 vor der Durchführung der Untersuchung zum Thema dieser Arbeit führen konnte (siehe Quellenverzeichnis). 11 Bei Klaus Peter Landgrebe findet sich ein Vergleich der Heftstärken der ‘national editions’, also die in den USA vertriebenen Ausgaben der Titel von Time, Newsweek und U.S. News. Es zeigt sich, daß die untersuchten Ausgaben aus dem Jahr 1993 in ihrer maximalen Seitenzahl weit unter etwa dem deutschen Magazin Der Spiegel bleiben: Time 118 Seiten, Newsweek 98 Seiten und U.S. News 132 Seiten. Die ‘international editions’ zeigen sich nochmals schlanker: Newsweek 50 Seiten und Time 72 Seiten (U.S. News vertreibt nur eine nationale Ausgabe). Die deutschen Magazine liegen in ihrer Seitenzahl weit darüber. So weist Landgrebe in seinem Vergleich für das Magazin Der Spiegel einen Heftumfang von 316 Seiten aus (dabei handelt es sich um ein Herbst-Heft, das Sommer-Heft liegt mit 184 Seiten aber immer noch weit über der maximalen Seitenzahl der US-amerikanischen Hefte). Focus ist mit 270 Seiten ausgewiesen (wiederum ein Herbst-Heft, das Sommerheft erschien mit 134 Seiten) vgl. Landgrebe 1994: 36ff. 12 Aus dem großen Abonnentenanteil bei der Leserschaft ergibt sich auch, daß es für die amerikanischen Magazine ein weniger großes Risiko darstellt, ein Titelthema zu wählen, das bei den Lesern kein besonders großes Interesse findet. Außerdem »empfinden amerikanische Magazin-Macher auch die Vorstellung, daß sich die Konkurrenz dasselbe Titelthema aussuchen könnte, längst nicht so alptraumhaft wie ihre europäischen Kollegen« (Landgrebe 1994:44).
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Gegenstand der Untersuchung ist die visuelle Aufbereitung der politischen Berichterstattung der gewählten Nachrichtenmagazine, was es erforderlich macht, eine nähere, im Untersuchungsprozeß praktikable und gleichzeitig rezeptionsnahe Definition dieser Grundgesamtheit vorzunehmen. Zum einen war es naheliegend, die Definitionen der einzelnen Redaktionen zu übernehmen, d.h. diejenigen Berichte in die Untersuchung aufzunehmen, die laut Inhaltsverzeichnis dem Innen- oder Außenpolitik-Ressort zugeordnet wurden. Da aber davon ausgegangen werden muß, daß der an der politischen Berichterstattung interessierte Leser des Heftes nicht jeweils anhand des Inhaltsverzeichnisses überprüft, ob die jeweils aufeinanderfolgenden Berichte alle dem Ressort ‘Politik’ zuzuordnen sind, wurden alle Berichte in die Erfassung aufgenommen, die innerhalb des Politikteils der einzelnen Hefte nicht eindeutig als ‘Nicht-politische-Berichterstattung’ erkennbar waren, wie bspw. Sportberichterstattung oder Buchbesprechungen. In die Untersuchung Eingang fanden aber etwa Artikel zu Wirtschaftsthemen, so sie von seiten der Redaktionen nicht einem eigenen Abschnitt zugeordnet wurden. Maxime der Erhebung war also: Es wird bei der ersten Seite der politischen Berichterstattung begonnen, und es werden alle darauffolgenden Seiten erfaßt, es sei denn, sie sind für den politisch interessierten Leser eindeutig als nicht-politische Berichterstattung erkennbar, so daß angenommen werden kann, daß diese Heftteile (vorerst) bei der Rezeption übersprungen werden – etwa Gesellschaftsberichterstattung. Auffällig war, daß teilweise schwer nachvollzogen werden konnte, warum bestimmte Berichtsthemen bestimmten Ressorts zugeordnet wurden.13 Außerdem stellte es sich besonders bei den frühen Heften der Untersuchung (1972, 1982) als teils schwierig heraus, die Heftstruktur zu erkennen, da die Inhaltsverzeichnisse entweder nicht alle Berichte umfassen oder keine Zuordnungen vornehmen. Auch finden sich in den Heften dieser Zeit immer wieder im Inhaltsverzeichnis nicht ausgewiesene Einheftungen oder falsch numerierte Seiten, was die Anwendung des Kategorienschemas teilweise erschwerte. In Zweifelsfällen wurden die Berichte, die nicht eindeutig der politischen Berichterstattung zugeordnet werden konnten, ebenfalls in die Untersuchung aufgenommen. In diesen Fällen wurde davon ausgegangen, daß auch der politisch interessierte Leser diese Berichte auf ihren Gehalt prüfen würde, sie also in seine Wahrnehmung eher ein- als ausgeschlossen würden. Diese Berichte stellen allerdings nur einige sehr wenige Ausnahmen dar. Für alle in die Untersuchung aufgenommenen Berichte wurde mitcodiert, welchem Ressort sie durch die Redaktion im Inhaltsverzeichnis zugeteilt wurden. D.h. die visuelle Aufbereitung von miterhobenen Wirtschaftsartikeln könnte der visuellen Aufbereitung der als innen- oder außenpolitisch ausgewiesenen Artikel gegenübergestellt werden, was aber für die vorliegende Untersuchung als nicht zielführend beurteilt wird: Denn Fälle, die aus Sicht des Lesers zu einer Irritation führen könnten, 13 So findet sich etwa ein Bericht über den Rücktritt der russischen ‘Miss Universum’ im Nachrichtenmagazin Der Spiegel (Heft 40/2002) der Rubrik ‘Ausland’ zugeordnet, ein Bericht über die Bürgermeisterin von Athen hingegen der Rubrik ‘Gesellschaft’. Die Zuordnung der einzelnen Berichte wurde aber vom Inhaltsverzeichnis der Magazine übernommen und mit den angeführten Einschränkungen alle Berichte der Rubriken ‘Inland’ und ‘Ausland’ sowie vergleichbarer Bezeichnungen für politische Berichterstattung (‘World’, ‘Europa’ u.ä.) in die Untersuchung einbezogen (vgl. dazu das Codebuch der Untersuchung im Anhang der vorliegenden Arbeit).
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da sie einen auffälligen Bruch zur übrigen Darstellungsweise zeigen – wie etwa große Fotoreportagen – wurden bei der Codierung zusätzlich erfaßt, so daß eine Kontrolle darüber möglich ist, welche Besonderheiten einmalig anzutreffen sind und welche sich als Gestaltungsstrategie erweisen.
9.2.2 Bestimmung der Materialstichprobe Um die visuelle Aufbereitung der politischen Berichterstattung der Nachrichtenmagazine Der Spiegel, Focus, Format, Profil, Newsweek, Time und The Economist in den Jahren 1972 bis 2002 auf ihre Entwicklung und Besonderheiten zu untersuchen, mußte eine Materialstichprobe aus der Grundgesamtheit aller Berichte der einbezogenen Magazine und Jahre gezogen werden. Dafür wurde folgender Modus gewählt: Um die Entwicklung der visuellen Vermittlungsebene in einem quantitativen Untersuchungsmodell abbilden zu können, bedarf es einerseits ausreichender Vergleichsdaten. Andererseits kann davon ausgegangen werden, daß sich bedeutende Veränderungen anhand von relativ kleinen Stichprobengrößen abbilden lassen, da es eben darum geht, Gestaltungsstrategien zu erheben, und diese finden sich – so sie als Strategien bezeichnet werden können – in jedem einzelnen Heft wieder. Zwar werden Gestaltungskonzepte von Zeitschriften in vielen Fällen in deutlich kleineren Intervallen als in Zehn-Jahres-Abständen überarbeitet oder neu entworfen, für die grundsätzlichen Entwicklungen, die mit dieser Untersuchung erhoben werden sollen, erscheint die gewählte Stichprobe aus den Jahren 1972, 1982, 1992 und 2002 aber im Sinne der Forschungsökonomie als ausreichend und aussagekräftig. Als Untersuchungseinheiten wurden die einzelnen Seiten der Berichterstattung des (wie oben definierten) politischen Teils der Nachrichtenmagazine gewählt. Darüber hinaus wurde der einzelne politische Bericht als zusätzliche Analyseeinheit festgelegt, um eine bessere Interpretation der Ergebnisse der Daten, die in bezug auf die Einzelseite ermittelt werden, zu ermöglichen. Die Stichprobenauswahl der zu untersuchenden Berichte und Einzelseiten erfolgte, indem für jedes Untersuchungsjahr und jedes zu untersuchende Magazin je vier Hefte mithilfe einer kontrollierten Stichproben-Ziehung ermittelt wurden.14 Dabei wurde das Jahr quartalsmäßig unterteilt, um aus jedem Quartal ein Heft in die Untersuchung einbeziehen zu können und so der Tatsache zu begegnen, daß die einzelnen Hefte etwa in den Sommer-Monaten einen durchschnittlich geringeren Berichts- bzw. Seitenumfang aufweisen als in den Herbstmonaten. Durch den Modus, die zu analysierenden Berichte bzw. Seiten als Gesamterhebung der politischen Berichterstattung von durch Stichprobe ermittelten Heften durchzuführen, ergibt sich, daß für jeden Magazintitel pro Jahr unterschiedlich viele Berichte bzw. Seiten in die Untersuchung eingehen. Doch da das einzelne Heft die Einheit ist, in der dem Rezipienten der einzelne Bericht, die einzelne Seite präsentiert wird, kann davon ausgegangen werden, daß die Einheit „Heft“ der wesentliche Kontext der Gestaltung der einzelnen Berichte bzw. der einzelnen Seiten ist und deshalb die geeignete Kategorie der Stichprobenziehung darstellt. 14 Eine Auflistung der Hefte, die pro Jahr und Magazintitel in die Untersuchung aufgenommen wurden, findet sich im Anhang der vorliegenden Arbeit.
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Insgesamt wurden 7.978 Magazinseiten gesichtet und nach Ausschluß der Werbeanzeige-Seiten die Daten von 4.188 redaktionell gestalteten Magazinseiten bzw. von 2.269 politischen Berichten erhoben. Diese entstammen insgesamt 96 verschiedenen Heften aus den Jahren 1972, 1982, 1992 und 2002. In der Untersuchung wurde aus Gründen, die bei der Vorstellung des Kategoriensystems näher auszuführen sein werden, redaktionelle Seiten von Werbe-Seiten15, Panorama-Seiten und Coverstory-Seiten unterschieden. Einen Überblick zu der Anzahl der untersuchten Seiten und Berichte, geordnet nach Magazin-Titeln und Jahrgängen, geben Tab.1 bis Tab.4; die Kategorien im einzelnen werden im nächsten Abschnitt näher erläutert.
9.2.3 Kategorien der Untersuchung Zur Beschreibung der visuellen Ästhetik von Nachrichtenmagazinen und deren Wandel wurde ein umfangreiches Kategoriensystem entworfen. Anhand dieses Fragenkatalogs soll die Entwicklung der visuellen Aufbereitung von politischen Nachrichten in international vergleichender Perspektive nachvollzogen werden, ohne in diesem Untersuchungsschritt auf die Inhalte der bildlichen Darstellungen näher einzugehen, also ohne Bildinhalte thematisch zu erfassen. Das entworfene Kategorienschema zielt vielmehr darauf ab, die Entwicklung des visuellen Modus als zweite Vermittlungsebene neben dem sprachlichen Modus zu beschreiben. Dafür wurde der Begriff der visuellen Darstellung weit gefaßt. So werden nicht nur fotografische Darstellungen, Illustrationen und Informationsgrafiken Gegenstand der quantitativen Erfassung, sondern alle Elemente, von denen angenommen werden kann, daß sie im Rahmen der Berichterstattung von Nachrichtenmagazinen als ‘eye-catcher’16 fungieren: D.h. es wurden auch Wort-Informationen in die Erhebung einbezogen, aller15 Die Anzahl und Positionierung der Werbeseiten im politischen Teil der Magazine wurde zwar erhoben, aber nicht detailliert ausgewertet, da sich die Fragestellung der Untersuchung nicht auf diese Thematik erstreckt. Eine detaillierte Statistik über die Entwicklung des Werbeanteils von Zeitschriften findet sich in verschiedenen Medienanalysen (vgl. bspw. die von Focus betriebene frei zugängliche Datenbank [www.MediaLine.Fakten.Zeitschriften-Datenbank.Anzeigenstatistik]. Er schwankt beispielsweise für das Magazin Der Spiegel im Jahr 2002 je nach Quartal zwischen 34% und 45%. Focus weist im selben Untersuchungs-Zeitraum einen Anteil zwischen 38% und 46% aus. Auch die international tätige kommerziell ausgerichtete Gesellschaft für Markt-, Kommunikationsund Mediaforschung Carat Expert nimmt mit ihrem Analyse-Instrument Content-Monitor detaillierte Auswertungen zur Werbung in Zeitschriften vor. Diese sind teilweise (vor allem für weniger aktuelle Jahrgänge) zugänglich. Carat Expert erfaßt im Bereich Zeitschriftenforschung darüber hinaus auch Aspekte der Gestaltung wie Themenstruktur, Funktionsstruktur, Titelbild-Themen und -Gestaltung, Text/Bildanteile im Heft und stellt diese Daten teilweise für wissenschaftliche Sekundärauswertungen zur Verfügung. So untersuchte etwa zur Zeit der Erstellung der vorliegenden Arbeit Bettina Kaltenhäuser an der Universität Mainz unter der Betreuung von Hans Mathias Kepplinger anhand von Carat Expert Datenmaterial der Titelblattgestaltung der Nachrichtenmagazine Spiegel, Focus und Stern und deren Einfluß auf die Einzelverkaufsauflage dieser Magazine (vgl. [http://www.presseforschung.de/forschung/beschreibungen1.htm] 12.12.2003). 16 Brielmaier und Wolf nennen die hier als ‘eye-catcher’ bezeichneten Elemente ‘Akzentuierungen’ und sprechen beim Layout von Zeitungen von einem »Wechsel von akzentuierten und unbetonten Elementen« (vgl. Brielmaier/Wolf 2000:57). »Gutes Layout ist die Kunst der Akzentuierung. Eine Seite soll lebendig wirken und keine toten Flächen haben. Zugleich soll eine klare Hierarchie der einzelnen Elemente entstehen. Als Akzentuierung kann alles dienen, was sich vor dem ‘Hintergrund’ des Grundtextes abhebt: Alle Arten von Auszeichnungsschriften, Bilder, Grafiken und Farbe« (vgl. ebd.).
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dings nicht in ihrem Inhalt, sondern in ihrer optischen Ausprägung und Funktion. So wurden auch die Anzahl und der Einsatz von Überschriften, einführenden Texten (sogenannten ‘Leads’) und Zwischentiteln in der Datenerhebung berücksichtigt. Weiters wurden der Einsatz von sogenannten ‘Kastenelementen’ sowie im Originalton wiedergegebene Inhalte wie Interviews und als wörtliche Zitate ausgewiesene Statements quantitativ erfaßt. Dabei wurde von der in früheren Abschnitten dargelegten theoretischen Annahme ausgegangen, daß Nachrichtenmagazine als Anbieter und „Händler“ einer bestimmten Form von Information ihre „Ware“ mit decodierbaren visuellen Zeichen versehen müssen, um dieser auf einer zweiten – nämlich der visuellen Ebene – prädikative Informationen, wie etwa ‘aktuell’, ‘wichtig’, ‘erschütternd’, aber auch ‘übersichtlich’ – also ‘kundenfreundlich’ – hinzuzufügen. Dies geschieht nun, wie im Laufe der vorliegenden Arbeit argumentiert wurde, nicht ausschließlich über fotografische Bilder, sondern auch durch den Einsatz anderer visueller Gestaltungsstrategien. Bei der Erfassung der Fotoverwendung wurde nicht nur die Anzahl der Bilder berücksichtigt, es wurde auch codiert, in welcher Größe die Bilder eingesetzt werden. Dies zielt darauf ab zu untersuchen, ob die Annahme zutreffend ist, daß der Gestaltungsstrategie ‘Kontrast’ und ‘Abwechslung’ eine wesentliche und eventuell zunehmende Bedeutung zukommt. Auch bei der Erhebung der Kastenelemente wurde das Merkmal ‘Größe’ einbezogen, um auch hier Tendenzen abbilden zu können; dies gilt ebenso für die Länge von Berichten und Interviews. Ebenfalls erhoben wurde die Verwendung von Bildtexten. Hier wird an die Auffassung angeknüpft, daß das Leseverhalten der Rezipienten deren Blick von Bildern zu Bildtexten und auffälligen Textelementen wie Überschriften und Zwischentiteln und erst dann zum Text wandern läßt. Da – wie gezeigt wurde – allgemein davon ausgegangen wird, daß das Verhalten der Leser sich zunehmend vom Lesen der angebotenen Texte zu einem „Scannen“ der Inhalte entwickelt, also zum Überfliegen der Angebote, wäre es interessant zu untersuchen, welche Informationen dem ‘Scanner’ im Unterschied zum ‘Leser’ angeboten werden. Dafür ist es aber notwendig, sich in einem ersten Schritt in allgemeiner Weise dieser bisher nicht empirisch analysierten zweiten Vermittlungsebene zuzuwenden. Dies soll in der vorliegenden Untersuchung unternommen werden. Wie bereits erwähnt, erfolgen alle Seiten-bezogenen Auswertungen getrennt für die Analyseeinheiten ‘redaktionelle Seiten’, ‘Panorama-Seiten’ und ‘Titelstory-Seiten’. Dieser Unterscheidung liegt folgende Überlegung zugrunde: Es ist (1) anzunehmen, daß die Berichterstattung zu einem Titelthema ausführlicher ist als andere Berichte. Die durchschnittlichen Werte bezüglich der Berichte und Seiten würden deshalb von diesen Werten verfälscht. Es ist des weiteren anzunehmen, daß im Rahmen einer Titelstory mehr oder zumindest prominenter aufgemachtes Bildmaterial eingesetzt wird – auch dies würde die restlichen Werte verzerren. (2) Als ‘Panorama-Seiten’ wurden Seiten definiert, die entweder durch einen speziellen Titel (etwa ‘Panorama’, oder ‘World’) und/oder durch ihre spezielle Aufmachung als Überblicksseiten mit sehr kurzen Berichten, die wenige Zeilen nicht überschreiten, erkennbar sind. Als wieteres Kriterium konnte herangezogen werden, daß diese Art der Berichterstattung meist im Inhaltsverzeichnis
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speziell ausgewiesen wird (etwa unter der Rubrik ‘Panorama’ oder gemeinsam mit stehenden Meinungsbeiträgen wie bspw. ‘Herausgeberbrief’ in einem Abschnitt, abgegrenzt von der restlichen Berichterstattung). Panorama-Seiten sind also dadurch gekennzeichnet, daß sich auf ihnen viele in sich geschlossene Informationsbeiträge finden. Diese sind aber nicht mit der restlichen redaktionellen Berichterstattung gleichzusetzen und würden ebenfalls die Ergebnisse zur visuellen Aufbereitung der politischen Berichterstattung verfälschen. Gleichzeitig ist es interessant, diese Berichtsform in die Untersuchung aufzunehmen, da sie einem vielfach attestierten Trend in Richtung ‘Kurzinformation’ entsprechen. Deshalb wurden diese Seiten auf dieselben Kategorien und Merkmals-Ausprägungen hin untersucht wie „normale“ Berichtseiten und Coverstory-Seiten. Folgende Fragen sollen im weiteren anhand der erhobenen Daten beantwortet werden17: (1) Welche Entwicklung kann aus den erhobenen Daten bezüglich der Länge der politischen Berichte abgelesen werden?18 Unter dieser Fragestellung soll überprüft werden, ob sich anhand der Zeitreihe eine Tendenz zu kürzeren Berichten zeigt. Die Länge der Berichte wurde aus zwei Werten ermittelt: (a) Wieviele politische Berichte werden im Inhaltsverzeichnis für das Heft ausgewiesen, und (b) wieviele Seiten werden dafür (abzüglich der Werbeeinschaltungen) verwendet. Damit stehen diese Angaben für ihre Aussagekraft in unmittelbarem Zusammenhang mit den Fragen nach der Bildverwendung. Geklärt werden soll mit dieser ersten Frage, wieviel Raum für einzelne Themen der Berichterstattung im jeweiligen Magazin und Jahr durchschnittlich verwendet wird. Wie dieser Raum zwischen visuellen Elementen und Text aufgeteilt wird, sollen weitere Datenauswertungen ersichtlich machen. (2) Welche Entwicklung zeigt sich bei der Verwendung von fotografischen Darstellungen? Für die Beantwortung dieser Frage wurden verschiedene AuswertungsKategorien gebildet. Zum einen wird in einer allgemeinen Darstellung zusammengefaßt, wieviele Fotografien durchschnittlich in einen Bericht einbezogen werden. Für die bessere Vorstellung des visuellen Erlebnisses der Rezeption werden diese Daten anschließend auf die Einheit „Seite“ umgelegt. In einem nächsten Schritt werden die Größen der Fotos differenziert. Es werden so17 Das detaillierte Codebuch der Untersuchung mit der genauen Beschreibung aller Untersuchungskategorien und Merkmalsausprägungen findet sich im Anhang der vorliegenden Arbeit. Einige Kategorien wurden zwar bei der Datenerhebung berücksichtigt und in ihren Ausprägungen erfaßt, in die vorliegende Analyse aber nicht detailliert aufgenommen, da sie den Rahmen der Arbeit sprengen würden oder die in der Stichwahl erfaßte Datenmenge zu dem Phänomen zu gering erscheint, um aus ihnen Annahmen ableiten zu können (etwa detaillierte Aussagen über die Aufbereitung von Titelgeschichten, von denen pro Jahrgang ja nur maximal vier in der Erhebung erfaßt sind). Beobachtungen, die im Rahmen der Datenerfassung gemacht wurden, aber nicht in der detaillierten Datenauffassung aufscheinen, werden zusammenfassend und Tendenzen benennend angesprochen, um gegebenenfalls Anhaltspunkte für weitere Untersuchungen zu geben. Alle verwendeten Werte sind, wo nicht anders angegeben, als Durchschnittswerte zu verstehen, die aus der Summe der gezählten Merkmalsausprägungen einer bestimmten Kategorie im Jahresschnitt ermittelt wurden. 18 Wie erwähnt, werden in der Kategorie ‘politischer Bericht’, wenn nicht anders angegeben, nur diejenigen redaktionellen Beiträge gezählt, die nicht in die Kategorien ‘Panorama-Seite’ oder ‘Titelstory’ fallen.
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wohl sehr große (einseitig oder größer) und große (größer als ½ Seite) Bilder als auch kleine (bis 2700 mm2) und sehr kleine (bis 520 mm2) Bilder als Anteile der insgesamt je Heft und Jahrgang erfaßten Bilder ausgewiesen. Damit sollen Tendenzen erfaßt werden, die einerseits etwas darüber aussagen können, ob und welche Trends für die visuelle Aufbereitung des Mediums ‘Nachrichtenmagazin’ erkennbar sind, und andererseits soll Auskunft darüber erlangt werden, welche Wege der visuellen Gestaltung von den einzelnen Magazinen im Unterschied zu den Vergleichsbeispielen beschritten werden. Gleichzeitig ist die Größe der Bilder relevant für die Bewertung der Berichtslängen, etwa wenn Berichte in jüngeren Jahrgängen nicht kürzer werden, dafür aber deutlich mehr große oder sehr große Bilder Verwendung finden. (3) Welche Tendenzen sind bei der Häufigkeit des Einsatzes von Infografiken erkennbar? Anhand dieser Frage soll überprüft werden, ob sich tatsächlich, wie in Kapitel 8 beschrieben, ein verstärkter Trend zur Verwendung von Infografiken feststellen läßt. Für den nächsten Untersuchungsschritt werden mehrere Kategorien von bildhaften Darstellungen zusammengefaßt: Fotografien, Illustrationen und Infografiken. Die Frage lautet: (4) Welche Entwicklung zeigt sich bei der Verwendung von Bildelementen? Anhand dieser Auswertung kann deutlich werden, ob eine eindeutige Tendenz in Richtung ‘mehr Bild’ feststellbar ist, und, wenn ja, in welcher Größenordnung diese für die einzelnen Magazine zutrifft. Diese Daten werden wiederum auf die Kategorie „Bericht“ umgelegt, um so eine bessere Vorstellung der „visuellen Dichte“ der politischen Berichterstattung zu ermöglichen. Darauffolgend wird eine Erweiterung des Begriffs ‘bildhafte Darstellung’ vorgenommen: Es werden Textelemente in die Untersuchung einbezogen, von denen angenommen werden kann, daß sie durch ihre visuelle Ausgestaltung eher auf der visuellen als auf der textbezogenen Ebene angesiedelt sind. Zu dieser Kategorie werden Bildtexte, Überschriften (Heads), Untertitel (Subs), kurze einleitende Texte (Leads), Zwischentitel und kurze Texte in kleinen Kastenelementen (bis 1/6 Seite groß) gezählt. Der Definition dieser Textbausteine als visueller Elemente liegt die Annahme zugrunde, daß diese gemeinsam mit den Bildelementen eine eigene Rezeptionsebene darstellen. In bisherigen Untersuchungen wurden, wie weiter oben ausgeführt, auf dieser Ebene nur Bildtexte und/oder Überschriften von Berichten erfaßt. Aus Sicht des Gestalters haben aber alle genannten Elemente eine ähnliche Funktion: Sie sollen dem schnellen Leser ermöglichen, den Inhalt des Heftes in kurzer Zeit zu erfassen, und sie sollen ihn für den Inhalt des Berichtes interessieren – was auch bedeutet: Es soll ihm vermittelt werden, ein interessantes Magazin in Händen zu halten. Darüber hinaus werden visuelle Zeichen gesetzt, die eine „Lesart“ oder Interpretation des Berichttextes nahelegen. Anhand der folgenden Fragen sollen die erhobenen Daten bezüglich der Tendenzen des Einsatzes dieser Elemente ausgewertet werden:
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Welche Entwicklung zeigt sich in der Verwendung von „visuellen Blickfängern“? Der niederländische Schrift- und Zeitungsdesigner Gerard Unger geht davon aus, daß die Artikel der Tagespresse in den letzten fünfzig Jahren um rund 50% kürzer geworden seien: Größere Schrifttypen, aufwendigere Überschriften, mehr und größere Bilder, dazu noch Infografiken und der Zuwachs an Weißraum würden nun den Rezipienten anstelle von Text angeboten werden.19 Diese Feststellung Ungers veranlaßt die Neue Zürcher Zeitung zu der Frage, ob sich der Rezipient durch die Verführung des Designs zunehmend vom Zeitungsleser zum Zeitungsschauer entwickle.20 Die Datenerhebung zum Angebot an schnell rezipierbarer Information, hier ‘visuelle Blickfänger’ bzw. ‘eye-catcher’ genannt, soll es ermöglichen einzuschätzen, inwiefern die von Unger angesprochene Entwicklung für politische Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen zutrifft. Dafür wird für alle Magazine in einem ersten Schritt gegenübergestellt, in welcher Häufigkeit bildhafte und texthafte Blickfänger verwendet werden und wie sich diese im Rahmen der in die Untersuchung einbezogenen Jahrgänge verändert haben. Dies soll in weiteren Schritten differenziert analysiert werden, indem einzelne Kategorien wie die Verwendung von Zwischentiteln und Bildtexten, von LeadTexten und von sogenannten ‘Kastenelementen’ gesondert ausgewertet werden.
(6)
Welche Tendenzen zeigen sich in der Verwendung von wörtlichen Zitaten in Bildtexten und Zwischentiteln? Diese Frage knüpft wiederum an die Annahme an, daß Nachrichtenmagazine als Informationsanbieter bestimmte Qualitäten ihres Produktes verdeutlichen müssen. Die wörtliche Wiedergabe einer Aussage hat für den Rezipienten die Qualität der Unmittelbarkeit: Der Berichterstatter war direkt am Schauplatz des Geschehens, der Bericht erfolgt nicht aus zweiter Hand, es werden vielmehr aktuelle, „unzensierte“ Informationen geboten. Als visuelle Codierung dieser Qualität werden Anführungszeichen verwendet. Der Leser weiß, an dieser Stelle wird Originalton wiedergegeben. Der Berichterstatter hat mit der Verwendung des Stilmittels des wörtlichen Zitats in Zwischentiteln oder Bildtexten die Gelegenheit, besondere „Sager“ von Akteuren gut wahrnehmbar zu präsentieren und so dem Leser ein besonders interessantes, unterhaltsames oder in anderer Weise spezielles Angebot zu verdeutlichen.
(7)
Welche Entwicklungen zeigen sich bezüglich der redaktionellen Berichterstattungsform ‘Interview’? Das Interview stellt eine klassische journalistische Form der Berichterstattung dar. Auch dieses ist visuell in besonderer Art und Weise aufbereitet und kann von dem Leser sofort an der optischen Verdeutlichung von Frage und Antwort erkannt werden. Die Verwendung von Interviews wurde deshalb in die Untersuchung aufgenommen. Für Berichterstatter gestaltet sich das journalistische Interview offenbar als immer schwierigere
19 vgl.: Schönheitswettbewerb im Blätterwald – Wachsende Bedeutung des Zeitungsdesigns. In: Neue Zürcher Zeitung/Medien und Informatik 4.1.2002 20 vgl. ebd.
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Art der politischen Information. So klagen etwa Claus Richter, Redaktionsleiter des ZDF, wie auch ARD-Redakteure darüber, daß Interviewwünsche zunehmend abschlägig beantwortet würden.21 Deutsche Print-Journalisten beklagen, sich „Autorisierungsarien“ gegenüberzusehen, in denen die aus Sicht des Berichterstatters besonders interessanten Antworten von ihren Gesprächspartnern oder deren Pressesprechern wieder aus dem Text entfernt würden.22 Da Interviews als wörtliche Wiedergabe von Gesagtem in der Medienberichterstattung für ‘Authentizität’ und ‘Direktheit’ stehen, soll parallel zur Untersuchung des Einsatzes von wörtlichen Zitaten in Bildtexten und Zwischentiteln deren Verwendungshäufigkeit überprüft werden. (8)
Welche Besonderheiten und Entwicklungen zeigen sich bei den in die Untersuchung einbezogenen Magazinen in bezug auf Kurznachrichten? Diese Untersuchungsfrage schließt an der These an, daß sogenannte ‘Panorama-Seiten’ von ihrer visuellen Aufbereitung her ein spezielles Angebot an den Rezipienten darstellen. Sie bieten dem Gestalter die Möglichkeit, das Heft abwechslungsreich zu gestalten, dem Leser im Kontrast zu längeren Berichten und Bericht-Strecken Angebote zu präsentieren. Der „Warenkorb“ wird dadurch vielfältiger, und auch der Leser, der nur wenig Zeit für die Rezeption des Heftes verwenden kann oder will, wird durch die Präsentation von kürzeren neben längeren Texten in das Kommunikationsangebot des Mediums einbezogen. Untersucht werden soll zum einen, in welcher Häufigkeit diese Form der politischen Berichterstattung von den einzelnen Magazinen eingesetzt wird, und zum anderen, wie diese Seiten visuell gestaltet werden. Dafür wird ausgewertet, wieviele Bildelemente und wieviele Textelemente wie Headlines und Zwischentitel durchschnittlich bei der Gestaltung dieser Seiten verwendet werden. Damit wird auch für die spezielle Weise der Berichterstattung in Form von Kurznachrichten auf die bereits angesprochene „zweite Rezeptionsebene“ eingegangen.
Der Abschnitt 9.4 bringt die Ergebnisse der Untersuchung im einzelnen. Ihm vorangestellt ist mit dem folgenden Abschnitt 9.3 eine jeweils kurze Vorstellung der einzelnen in der Untersuchung erfaßten Nachrichtenmagazine Time, Newsweek, The Economist, Der Spiegel, Focus, Profil und Format.
9.3
Kurzcharakteristik der in die Untersuchung einbezogenen Magazine
Die Auswahl der in die Untersuchung einbezogenen Magazine erfolgte nach zwei Kriterien: Es sollte (1) international vergleichend vorgegangen werden, um so Trends der visuellen Aufbereitung medienspezifisch untersuchen zu können. Die ausgewählten Magazine sollten (2) von seiten ihrer Leserschaft vergleichbar sein, d.h., die Magazine sollten in einem gewissen Konkurrenzverhältnis um dieselbe Leserschaft stehen. Dies ist für die ausgewählten Magazine sowohl in ihren „Hei21 vgl.: Kritische Fragen ohne Antworten In: Tiroler Tageszeitung, 11./12. August 2001 22 vgl.: Peter Littger Feilen am Interview In: Journalist 8/2002, S. 24–26
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249
matländern“ gegeben, als auch – und dies erscheint im vorliegenden Zusammenhang als besonders interessant – auf den deutschsprachigen Märkten. So sind alle untersuchten Magazine im österreichischen und deutschen Zeitschriftenhandel erhältlich und konkurrieren im Bereich der internationalen Berichterstattung miteinander:23 Der außenpolisch interessierte Leser kann Woche für Woche von neuem entscheiden, aus welcher Quelle er seine Informationen beziehen möchte. Noch vor wenigen Jahren war diese Situation nicht in vergleichbarem Maße gegeben, da die US-amerikanischen Magazine und auch der britische Economist nur im speziell gut sortierten Fachhandel oder über Abonnement erhältlich waren (eine Situation, die nach wie vor das US-amerikanische Magazin U.S. News kennzeichnet, das nicht in die Untersuchung einbezogen wurde). Es kann also davon ausgegangen werden, daß dem interessierten deutschsprachigen Leser die Erscheinungsbilder dieser Magazine vertraut sind und daß dies von seiten der jeweiligen Herausgeber bei der Gestaltung der Hefte auch berücksichtigt wird. Dies macht den Vergleich der gewählten Titel, bezogen auf die Fragestellung der Arbeit, besonders interessant. Klaus Peter Landgrebe stellt grundsätzliche optische Merkmale des Mediums ‘Nachrichtenmagazin’ fest. So sei der rote Rahmen der Titelseite ein Kennzeichen, das Time bereits seit 1927 bei jedem Heft trage, Der Spiegel seit 1955, bei Profil (Österreich) und Elsevier (Niederlande) findet sich dieselbe rote Umrahmung des Titelmotivs.24 Auch das Format der Hefte ist relativ einheitlich und bewegt sich im Bereich des DIN-A4-Formats (210 x 297 mm). Die relativ kleinsten Hefte sind die US-amerikanischen Titel U.S. News (201 x 266 mm) und Newsweek (200 x 268 mm), die größten Hefte kommen aus Frankreich: L’Evénement du Jeudi (227 x 300 mm) und Le nouvel Obervateur (225 x 296 mm). Interessanter als die MillimeterMaße der einzelnen Titel sei aber, so Landgrebe, daß sich bei allen Nachrichtenmagazinen eine große Übereinstimmung des Verhältnisses von Breite und Höhe finde. Grundformel bei allen Magazinen im internationalen Vergleich: Die Höhe macht zwischen 132 und 138 Prozent der Breite aus. Oder anders ausgedrückt: Die Seite des typischen Nachrichtenmagazins ist um ein Drittel höher als breit. Einzige Ausnahme: Das deutsche Magazin Focus, das eine Relation Breite zu Höhe von 100:126 aufweist, und dies laut Landgrebe nicht ohne Grund: »Je mehr sich ein Format von schmal hochrechteckig (100:150) in Richtung Quadrat (100:100) verbreitert, desto wertvoller schätzt der Betrachter eine derart gestaltete Zeitschrift ein – diese Regel gilt übrigens auch für Bücher.«25
Weitere visuelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede sollen anhand der vorliegenden Untersuchung deutlich werden. Zuvor aber, wie bereits angekündigt, eine kurze allgemeine Vorstellung der einzelnen Magazine.
23 Die US-amerikanischen Magazine Time und Newsweek erscheinen wie erwähnt am europäischen Markt in einer speziellen Ausgabe, die sich insbesondere durch reduzierte Berichterstattung über amerikanische Innenpolitik von der in den USA vertriebenen Ausgabe unterscheidet. In die Untersuchung wurden die jeweils für Europa angebotenen Hefte einbezogen. 24 vgl. Landgrebe 1994:15 25 ebd.
250 9.3.1
Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Time
Am 3. März 1923 erschien die in New York gegründete Zeitschrift Time erstmals, und mit ihr wurde der Medienmarkt mit einem Novum konfrontiert. Die Zeitschrift trug den Titel „Time, the weekly newsmagazine“ und es heißt, der Name des Magazins Time sei Henry R. Luce, einem seiner beiden Gründer, beim Anblick einer Annonce in der Untergrundbahn gekommen,26 als ihm die Lebensbedingungen der damaligen Zeit vor Augen geführt wurden: »Die jungen Gründer – sie waren noch in den Zwanzigern – stellten fest, daß es keine Zeitschrift gab, die dem beschleunigten Arbeitsrhythmus Rechnung trug. Die meisten Menschen sind zu beschäftigt, um sich jeden Tag über die Ereignisse zu informieren. Diesem Mangel kann man abhelfen mit einer Wochenzeitschrift, die über alle Ereignisse der vergangenen Woche berichtet.«27
Auch laut Uwe Magnus war es für den US-amerikanischen Bürger in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg schwer geworden, sich in seiner begrenzten Zeit umfassend aus den vielen verschiedenen Publikationen über die aktuellen Ereignisse zu informieren. »Er musste daher Publikationen freudig begrüßen, die ihm diese Mühe abnahmen und aus anderen Publikationen Nachrichten auswählten, um ihm das Wichtigste in gleichsam destillierter Form darzubringen.«28
Die beiden Time-Gründer Henry R. Luce und Briton Hadden erkannten diese Situation und nutzten ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, der erklärt hatte, daß alle Nachrichten, die älter als vierundzwanzig Stunden waren, Allgemeingut würden, um ohne einen großen Nachrichtenapparat das erste Nachrichtenmagazin zu gründen. Mit minimalen Geldmitteln wurde das erste Heft auf den Markt gebracht. Die Nachrichten des Magazins wurden nicht selbst recherchiert, sondern vollkommen aus der New York Times übernommen.29 Alle Angehörigen der Time waren junge Leute, teilweise ohne jede praktische Erfahrung, von denen keiner mehr als 3 Jahre zuvor das College oder die Universität verlassen hatte. Aus diesem Grunde und wegen der äußerst begrenzten finanziellen Mittel nahmen sich die gesamte Einrichtung und Arbeitsweise recht provisorisch aus.30 Beworben wurde die Neugründung mit den Werbesprüchen: »Time ist geschrieben wie von einem Mann für einen Mann« und: »Time ist nicht für Experten, sondern für „Time’s busy man“ geschrieben«.31 Der Stil, in dem Time seinen Lesern Nachrichten präsentierte, wurde berühmt, war bald berüchtigt und wurde schließlich so weitreichend nachgeahmt, daß er praktisch die gesamte journalistische Schreibweise der USA revolutionierte.32 »Time nahm Wörter des amerikanischen Slang sowie viele Fremdwörter aus verschiedensten Sprachen auf und machte sie so zu Bestandteilen der Umgangs- und Zeitungssprache. Entscheidende Merkmale des Timestyle waren Anhäufungen deskriptiver Adjektive und umgekehrter Sätze. Auch wurden Wörter zusammengesetzt, wobei Teile der ursprünglich zwei Wörter wegfielen. Hadden sammelte solche stilistischen Exzentrizitäten in seinem Notizbuch und diktierte sie seinen Schreibredak26 27 28 29 30 31 32
vgl. Freund 1997:151 ebd. Magnus 1967:10 vgl. Freund 1997:151 vgl. Magnus 1967:14 ebd.:13 vgl. ebd.:19
9 Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
251
teuren und Redakteuren in die Feder. Mit unglaublicher Energie, seinem Prinzip des Wettbewerbs und der Wirkung seiner ungewöhnlichen Persönlichkeit gelang es ihm, diesen Stil zu prägen, ohne selbst zu schreiben.«33
Time wurde zu einem ungeheuren Erfolg. So stieg die Auflage des Magazins im ersten Jahr seines Erscheinens von 12.000 auf 50.000 Exemplare. 1930 wurden bereits 300.000 Magazine verlegt, 1942 wurde zum erstenmal eine Millionenauflage erreicht, und 1966, dreiundzwanzig Jahre nach der Gründung des Magazins, erreichte die Auflage eine Höhe von 4,5 Millionen Heften,34 eine wöchentliche Auflage, die heute innerhalb der USA nicht mehr erreicht wird: Im April 2003 weist Time eine wöchentliche Auflage (‘Total Circulation’) von 4.109.962 (2. Jahreshälfte 2002) aus.35 Weltweit erreicht Time mit ihren zahlreichen Länderausgaben laut eigenen Angaben rund 22 Millionen Leser.36 Time kann durchschnittlich 44% der US-amerikanischen Leser von politischen Nachrichtenmagazinen für sich gewinnen (‘Market Share’) und ist damit Marktführer unter den drei US-amerikanischen Nachrichtenmagazinen (vor Newsweek und U.S. News). Allgemein liest jeder fünfte Amerikaner regelmäßig ein Nachrichtenmagazin, so die Angaben von Time.37 Stolz ist das Magazin darauf, daß sich seine Leserschaft als eine besonders aktive erweist: Time gibt an, täglich im Schnitt 219 Leserbriefe zu erhalten.38 Laut der Markt-Studie Mendelsohn Affluent Survey für das Jahr 2002 weist Time unter den US-amerikanischen Nachrichtenmagazinen die jüngste (median age of 47.5)39 und die bestverdienende Leserschaft auf (71.7% Personal Income (PI) $40.000+; 59,1% PI $50.000+; 35,3% PI $57.000+). Mehr als die Hälfte der Leserschaft ist männlich, und ein hoher Prozentsatz ist sehr gut ausgebildet (College Educated 81,2%; College Graduate+ 60,6%; Prof./Mgr. 54.4%). 17.1% der Time-Leser können laut dieser Untersuchung dem Top-Management zugerechnet werden.40
9.3.2
Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek
Am 17. Februar 1933 bekommt das erste politische Nachrichtenmagazin der Welt, Time, Konkurrenz: Das Magazin News-Week, später Newsweek, erscheit erstmals und schafft es in den darauffolgenden Monaten und Jahren, sich neben dem Klassiker Time am amerikanischen Medienmarkt zu etablieren. Der Gründer des Maga33 34 35 36 37 38 39
ebd. Zahlen übernommen von Magnus 1967:15 vgl. [www.time-planner.com/planner/circulation/circulation_content.html] 19.12.2003 vgl. [www.time-planner.com/planner/about-time/about_content.html] 19.12.2003 vgl. [www.time-planner.com/planner/research/research_content.html] 19.12.2003 vgl. ebd. Hier sind die Angaben von Time und Newsweek widersprüchlich, da Time anhand der zitierten Studie für sich reklamiert, die jüngste Leserschaft aufzuweisen, Newsweek weist für sich allerdings ein Durchschnittsalter der Leserschaft aus, das unterhalb des Durchschnittsalters von Time-Lesern liegt. Die genaue Verteilung der Altersstruktur ist nur schwer nachzuvollziehen, was sich daraus erklärt, daß die Daten zu den Leserprofilen von allen Magazinen für ihre Inserenten-Zielgruppen erstellt werden. Da die Magazine nun versuchen, für diese Zielgruppe besonders attraktiv zu erscheinen, werden die Daten – so ist anzunehmen – entsprechend aufbereitet. Deutlich wird allerdings, daß die Leserschaft von Nachrichtenmagazinen allgemein mehrheitlich einer Altersgruppe von 40+ zuzurechnen ist. 40 vgl. [www.time-planner.com/planner/research/research_mendelsohn.html] 19.12. 2003
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Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
zins war Thomas J.C. Martyn, ehemals Angehöriger der Time-Redaktion. Newsweek nannte von Anfang an drei Elemente als wesentlich für seinen redaktionellen Inhalt: (1) die Nachricht selbst; (2) der Hintergrund dazu; (3) eine Interpretation der Bedeutung der Nachrichten.41 Uwe Magnus beschreibt in seiner Arbeit aus dem Jahre 1967 Newsweek im Vergleich zu Time: »Das Nachrichtenmagazin unterscheidet sich von Time im wesentlichen durch eine Sparte mit Voraussagen und unverblümten Nachrichten und durch gezielte Meinungsartikel, von denen in einer Ausgabe in der Regel drei erscheinen. Daraus ergeben sich einige eigene Formen der Darbietung, Wirkungstechniken und inhaltliche Gestaltungsprinzipien. Durch die weitgehende Trennung der Nachricht von Interpretationen und Kommentaren ist Newsweek objektiver, fairer, gerechter in der Nachrichtengebung als Time.«42
Dieser Unterschied, den Magnus für die frühen Jahre der beiden amerikanischen Magazine beschreibt, mag sich besonders aus der grundsätzlichen Haltung der TimeHerausgeber erklären, die postulierten, Objektivität sei unerreichbar und auch unerwünscht. Sie lehnten daher auch ein Streben nach objektiver Berichterstattung ab.43 Beiden Magazinen gemeinsam war es, daß die Hintergrundinformationen zu den einzelnen Berichten mithilfe eines mit großem Aufwand betriebenen Nachforschungs- und Prüfungssystems ermittelt bzw. überprüft wurden. Im Gegensatz zu Time bot Newsweek zusätzlich zu den so recherchierten Hintergrundberichten von Anfang an aber auch mit Namen gezeichnete Kommentare. Die von Magnus angesprochene Sparte ‘The Periscope’ – nach wie vor Teil von Newsweek – wurde von Martyns Mitherausgeber Raymond Moley entwickelt und brachte Prognosen und auf schwierigen, geheimen Wegen erlangte und unverbürgte Nachrichten.44 In seiner Werbestrategie setzte Newsweek auf eine Abgrenzung zu Time, etwa mit dem Slogan „Newsweek, the Different Newsweekly“.45 Im Gegensatz zu Time war Newsweek bei seiner Gründung finanziell gut fundiert. 120 Teilhaber hatten 2.250.000 Dollar aufgebracht, um die Zeitschrift für ihre Anfangszeit abzusichern.46 Laut Uwe Magnus verlief die Entwicklung von Newsweek nach einigen Anfangsturbulenzen ab 1937 erfolgreich. Dies wurde vor allem durch ein Zusammengehen mit der erfolgreichen Zeitschrift Today erreicht, die von Raymond Moley gegründet worden war und die eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Nachrichtenmagazin aufwies. Damit hatte Newsweek ab Februar 1937 zwei Herausgeber (den bereits genannten Gründer Martyn und daneben Moley) beide waren zugleich Chefredakteure, und das Magazin erreichte rund vier Jahre nach seiner Gründung eine Auflage von 250 000 Exemplaren47. Von diesem Zeitpunkt an stieg die Verbreitung von Newsweek ständig weiter an, es erreichte im Jahr 1952 eine Auflage von 851.000; 1959 1.336.000 und 1966 die Zwei-Millionen-Grenze.48 Heute weist Newsweek eine Auflage von 3.100.000 aus und bleibt damit, wie bereits erwähnt, hinter seinem Vorbild und Konkurrenten Time zurück. Wie Time ver41 42 43 44 45 46 47 48
vgl. Magnus 1967:25 vgl. ebd:163 vgl. ebd.:162 vgl. ebd.:25 vgl. ebd. vgl. ebd.:24 vgl. ebd. Zahlen übernommen von Magnus 1967:25
9 Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
253
treibt auch Newsweek verschiedene Editionen des Magazins; die vier Hauptausgaben von Newsweek erscheinen in englischer Sprache und decken die Gebiete (1) USA (‘national edition’), (2) Europa, Nahost sowie Afrika (‘Atlantic edition’), (3) Mittelund Südamerika (‘Latin America edition’) und (4) Asien, Australien und New Zealand (‘Pacific edition’) ab; sie erreichen laut eigenen Angaben insgesamt ein Publikum von 20.413.000 Lesern.49 Auf die Frage nach dem redaktionellen Konzept des Blattes gibt Newsweek an, es sei »ein Nachrichtenmagazin, welches kritischen und authentischen Journalismus bietet, auf Basis einer gründlichen Recherche, gestützt von einem weltumspannenden Netz von 21 eigenen Nachrichtenbüros sowie zahlreichen freien Journalisten. Liberale Grundeinstellung«.50 Die Selbstbeschreibung auf der Homepage für Newsweek-Inserenten klingt etwas „farbiger“: »Newsweek's voice is edgy, hip, fun, and often irreverent – perfectly in-tune with the personality of our reader. While our competitors take a much more traditional and conservative approach to their editorial style, you can count on Newsweek to have the more creative covers, playful headlines, and writing that is always fresh, stylish, and smart.«51
Ähnlich wie bei Time ist die Leserschaft von Newsweek überwiegend männlich (55,6%). Über 70% der Leser sind über 35 Jahre alt, fast 36% über 50. Das Durchschnittsalter beträgt 44 Jahre. Das durchschnittliche Einkommen eines NewsweekLesers liegt bei rund $40.460; 19,5% verdienen über $60.000 und 12,7% über $75.000. Hinsichtlich der Ausbildung sind 73,6% der Rezipienten ausgewiesen als ‘Attended/Graduated College+’, 43,1% haben einen Hochschulabschluß. 11,5% der Leserschaft werden in der zitierten Statistik als dem Top-Management zugehörig bezeichnet52. Nach diesen Werten weist Newsweek in den Leserschafts-Merkmalen Einkommen, Ausbildung und Entscheidungsträger niedrigere Werte auf als Time.
9.3.3 Das britische Nachrichtenmagazin The Economist The Economist, gegründet bereits im Jahr 1843, bezeichnet sich selbst heute als »truly global publication«, denn immerhin setzt das Magazin mehr als 80% seiner Auflage außerhalb seines Erscheinungslandes Großbritannien ab. Im Vergleich dazu erscheinen die Zirkulationsraten von Newsweek und Time außerhalb der USA mit 17% (Newsweek) und 19% (Time) äußerst gering.53 46% der Auflage verkauft The Economist in den USA, 21% im europäischen Ausland, 11% im Pazifikraum und 17% in seiner Heimat Großbritannien. Dieser vergleichsweise große Anteil am internationalen Medienmarkt brachte dem Magazin in den Jahren von 1992 bis 2002 ein weltweites Auflagen-Wachstum von 73% ein.54 Trotzdem liest sich die Auflagensumme von derzeit rund 881.260 freilich als relativ niedrig im Vergleich zu den weiter oben genannten Auflagenzahlen der US-amerikanischen Magazine. 49 50 51 52 53 54
vgl. [http://newsweekmediakit.com/us/reader_national.html] 17.12.2003 Antwort der Newsweek-Redaktion auf meine schriftliche Anfrage [www.NewsweekMediaKit.com] 17.12.2003 vgl. [http://newsweekmediakit.com/us/reader_national.html] 17.12.2003 vgl. [http://ads.economist.com/print/circulation.htm] 12.12.2003 vgl. ebd.
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Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
Neben der Besonderheit der sehr hohen internationalen Verkaufsrate weist The Economist noch zahlreiche weitere Eigenarten auf. So bezeichnet sich das Magazin als ‘newspaper’, obwohl in Magazin-Aufmachung und im wöchentlichen Rhythmus erscheinend. Daß es achtzig Jahre vor Time gegründet wurde und trotzdem nicht als das klassische Nachrichtenmagazin gilt – sondern eben Time diese Stellung einnimmt –, macht deutlich, daß die Merkmale, die für den Nachrichtenmagazin-Stil als typisch beschrieben wurden, sich beim frühen Economist nicht fanden – sie wurden erst durch die US-amerikanischen Magazine geprägt. Die offenbar häufig gestellte Frage, warum sich The Economist als „newspaper“ bezeichnet, wird von der Redaktion folgendermaßen beantwortet: »[...] why does it call itself a newspaper? Even when The Economist incorporated the Bankers’ Gazette and Railway Monitor from 1845 to 1932, it also described itself as „a political, literary and general newspaper“. It still does so because, in addition to offering analysis and opinion, it tries in each issue to cover the main events – business and political – of the week«.55
Damit wird allerdings nicht wirklich deutlich, warum The Economist sich nicht als klassisches ‘newsmagazine’ definiert, eine Mediengattung, der es trotz aller Besonderheiten zugerechnet werden muß. Denn auch wenn der Name der Publikation darauf verweist, daß das Blatt einen Schwerpunkt in der Wirtschaftsberichterstattung setzt, wird in bedeutendem Ausmaß politische Berichterstattung geboten. Und besonders seit einer grundlegenden Layout-Überarbeitung im Jahr 2000, deren Ergebnis ab Mai 2000 ins Erscheinungsbild übernommen wurde, unterscheidet sich der Economist, zumindest auf den ersten Blick – also durch die Titelgestaltung, nicht mehr von den amerikanischen Nachrichtenmagazinen. Klaus Peter Landgrebe beschreibt das britische Magazin vor seiner Neugestaltung im Jahr 2000 folgendermaßen: »Diese Zeitschrift, der Name läßt es erkennen, eher ein Wirtschaftsblatt, fällt durch mehrere extreme Eigenheiten auf: Kein Beitrag ist länger als eine Seite, es sei denn, es handelt sich um ein Thema von besonderer Bedeutung – dann genehmigt sich die Redaktion noch zwei Zusatzseiten. Allerdings bietet The Economist gelegentlich durchaus auch Ausführlicheres. Umfangreichere Themen sind als Heft-im-Heft mit eigener Seitennumerierung konzipiert und tragen das Etikett der Sparte ‘Survey’ (Studie). Solche Heft-im-Heft-Themen unterscheiden sich vom üblichen redaktionellen Umfeld durch zweispaltigen Umbruch mit breiten weißen Flächen links und rechts zum Seitenrand hin. Ein Survey-Beitrag ist im Durchschnitt 15 Seiten lang, macht bei einer Lesezeit pro Seite von zehn Minuten zweieinhalb Stunden. Das erfordert Ausdauer!«56
An dem von Landgrebe beschriebenen grundsätzlichen Aufbau des Heftes wurde auch nach seiner visuellen Neugestaltung nichts verändert. Angepaßt hat sich das Magazin allerdings dem allgemeinen Trend zur Farbe: Wie Der Spiegel nach seinem Redesign im Jahre 1997 erscheint nun auch The Economist durchgängig vierfarbig. Inwieweit sich das Magazin auch in anderen visuellen Komponenten verändert hat, wo es sich von anderen Magazinen in der visuellen Vermittlung unterscheidet und wo es Trends folgt (oder diese vielleicht auch setzt), wird im Rahmen der weiter untern folgenden Auswertung der Datenerhebung zu klären sein. Die Leserschaft von The Economist läßt sich laut den Angaben der EconomistRedaktion folgendermaßen beschreiben: 91% der Leserschaft ist männlich, womit 55 [http://www.economist.com/help/DisplayHelp.cfm?folder=663377#About_Economistcom] 12.9.2003 56 Landgrebe 1994:38
9 Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
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The Economist einen deutlich höheren Anteil an männlicher Leserschaft zeigt als die anderen in die Untersuchung aufgenommenen Magazine. Nur 1% der Leserschaft ist unter 25 Jahren alt, 19% zwischen 25 und 34 Jahren, 29% zwischen 35 und 44 Jahren, 26% zwischen 45 und 54 Jahren und 25% über 55 Jahre alt. The Economist weist mehr akademisch ausgebildete Leser aus als die anderen Magazine der Untersuchung: Nur 5% der Rezipienten haben keinen Universitätsabschluß, 66% sind als „Postgraduates“ ausgewiesen, 19% haben einen „MBA“-Abschluß. Daraus erklärt sich auch die hohe Einkommensstruktur der Leserschaft des Economist: Nur 10% der Leser haben ein Einkommen unter $50.000 jährlich, 36% zwischen $50.000 und $99.999; 41% verdienen laut dieser Studie zwischen $100.000 und $249.000, und für 13% wird ein Einkommen von über $250.000 angegeben. In der beruflichen Hierarchie sind die Economist-Leser in der Mehrzahl in den oberen Entscheidungspositionen anzutreffen: 52% werden als ‘Senior management/strategists’ ausgewiesen, 12% als im ‘middle management’ tätig57.
9.3.4 Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel Zum 50-Jahr-Jubiläum des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel im Jahr 1997 schaute Chefredakteur Stefan Aust auf die Anfänge des Magazins zurück und versuchte darzulegen, worin seine Besonderheit zu sehen ist und woraus sich diese Einzigartigkeit seiner Meinung nach entwickelt hat: »Als am 4. Januar 1947 die erste Ausgabe des Spiegel erschien – auf unansehnlich grauem Papier, mit 28 Seiten Umfang, davon vier Seiten Anzeigen –, da war das nicht viel mehr als eine schlechte Kopie von Time, der Großmutter aller Nachrichtenmagazine. Doch den Menschen im neuen Deutschland gefiel das Blatt von Woche zu Woche besser: Nach tausend Jahren Meinungsdiktatur empfanden sie es als erfrischend, daß junge Journalisten es wagten, in einer pointierten, oft aggressiven Sprache die Mißstände überall im Lande anzuprangern und dabei die Mächtigen – und die Besatzungsmächte – keineswegs zu schonen. Bald bewegte sich Der Spiegel abseits der ausgetretenen Pfade der klassischen Nachrichtenmagazine, deren Selbstverständnis vor allem darin bestand, widerzuspiegeln, was sich im Laufe der zu Ende gegangenen Woche ereignet hatte: „That was the week that was.“58
Diese Maxime der Rückschau als Hauptaufgabe eines wöchentlichen Magazins mag in der Heimat der Nachrichtenmagazine, den USA, gegolten haben und nach wie vor gelten, so Aust weiter. Denn dort hätten sich nur die Menschen an den Küsten des Atlantik und – bedingt – des Pazifik aus ihren guten bis sehr guten Tageszeitungen detailliert informieren können. In der viel kleineren Bundesrepublik habe es hingegen schon sehr bald nach Kriegsende eine ganze Reihe guter Tageszeitungen gegeben, welche die Existenz eines reinen ‘Wochenspiegels’ sehr schnell überflüssig gemacht hätten. »Der Spiegel mußte also schon sehr früh einen eigenen Weg, ein eigenes Profil suchen, Kriterien, die ihn für den Leser unverwechselbar – und begehrenswert – machten.«59 Als Erfolgsrezept werde ‘Quality Leadership’ angestrebt,60 und es wird dem Magazin durchaus zugestanden, diese Position auch erreicht zu haben: Der Spiegel wird im deutschen Journalismus als wesentlicher Meinungs57 58 59 60
vgl. [http://ads.economist.com/print/imag/07/03/03.gif] 20.11.03 vgl. Aust 1997:11 ebd.:12 ebd.:13
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Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
führer gesehen.61 Das Spiegel-Archiv mit den rund achtzig dort beschäftigten Dokumentationsjournalisten gilt als legendär, und das Magazin umgibt sich durch aufwendig recherchierte Beiträge, die sich auf umfangreiche Hintergrund-Information stützen können, ähnlich wie das US-amerikanische Magazin Time gerne mit der Aura der Unfehlbarkeit: »Das muß ja stimmen, es hat doch im Spiegel gestanden«.62 Mit über 200 für das Magazin tätige Journalisten erlaube es sich das Blatt immer wieder, vier, fünf oder mehr Reporter und Redakteure auf eine Story anzusetzen, »die dann keinen Stein auf dem anderen lassen und das Thema bis in die letzte Verästelung ausrecherchieren«63. Als Selbstcharakterisierung des Magazins zitiert Aust in seinem Artikel das Fachblatt Werben und Verkaufen (W&V), das den Spiegel – offensichtlich in Abgrenzung zu seinem Konkurrenzmagazin Focus – folgendermaßen beschrieb: »Informationen statt Infos, Aufklärung statt Entertainment, inhaltliche Tiefe statt opulenter Optik – Der Spiegel huldigt wie kein zweites deutsches Massenblatt den hehren Prinzipien des traditionellen Journalismus.«64
Neben den anerkennenden Worten über das traditionsreiche Magazin finden sich aber auch kritische Stimmen, deren Haupttenor laut Hermann Meyn vor allem in drei Richtungen weist: Das Magazin würde (1) immer nur kritisieren; (2) einseitig informieren und (3) die Technik der Andeutung zwischen den Zeilen als Hauptmittel der Charakterisierung von Personen verwenden.65 Meyn sieht diese Vorwürfe nur zum Teil als berechtigt. »Der Spiegel möchte die Kehrseite der Medaille zeigen. Der Einwurf, es fehle das Positive, er nenne keine Alternativen, verkennt, daß die Kontrollfunktion der Presse nicht dazu verpflichtet ist, selbst Lösungen anzubieten [...] Die Art und Weise, wie das Blatt Politiker vor allem der CDU/CSU der Lächerlichkeit preisgibt, hat ihm den Vorwurf eingetragen, es sei einseitig. Die einzelne Story enthält in der Regel eine Tendenzaussage – für die Freunde des Magazins ein Grund, sein Engagement zu loben, für die Kritiker ein Beweis für die Absicht, durch Manipulation bestimmte Wirkungen zu erzielen.«66
Der Vorwurf, daß sich in der Spiegel-Berichterstattung eine Vermischung von Fakten und Wertung findet, wird für Meyn relativiert durch das Selbstverständnis des Blattes als Nachrichten-Magazin. Jedenfalls würde das Magazin aus verschiedenen Gründen Anerkennung finden, etwa weil es die Kritik- und Kontrollfunktion ernst nehme, über die Tagespresse weit hinausreichende Informationen bringe, unpopuläre Themen aufgreife und weil es unabhängig sei.67 Heute verzeichnet Der Spiegel eine verkaufte Auflage von 1.124.240 Heften und zählt laut Media-Analyse für das 2. Quartal 2003 eine Leserschaft von 5,86 Millionen. Auch beim deutschen Spiegel ist die Leserschaft wie bei den anderen bisher an61 vgl. Wilke 1999b:408; Zwei Drittel der deutschen Journalisten nutzen den Spiegel regelmäßig. Er gilt deshalb als wichtiges Orientierungsmedium, als innerjournalistischer Meinungsführer. Dabei bestimmt das Magazin weniger, welche Haltung die Medien einnehmen, sondern welche Themen sie aufnehmen (vgl. Meyn 2001:114). 62 Aust 1997:11 63 ebd.:13; ein ausführliches Interview von Hans-Dieter Schütt mit Stefan Aust zur Entstehungsgeschichte und Situation des Spiegel findet sich in Schütt/Schwarzkopf 2000:14–40. 64 Aust 1997:15 65 vgl. Meyn 2001:113 66 ebd.114 67 vgl. ebd.
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geführten Magazinen zu einem größeren Teil männlich (66%), wenn auch die Verteilung der Leser nach Geschlecht nicht so drastisch ausfällt wie bei The Economist. Auch die Altersstruktur der Leser ist ähnlich wie bei den anderen Magazinen: Es finden sich im Vergleich nur wenige junge Rezipienten. Aber immerhin gibt der Spiegel seine Leserschaft unter 20 Jahren mit 5% an; 14% sind laut der zitierten Studie 20 bis 29 Jahre alt; 30- bis 39-Jährige sind mit 20% vertreten; die 40- bis 49Jährigen stellen wie bei den bereits beschriebenen Magazinen den größten Anteil der Leserschaft (21%); 17% sind zwischen 50 und 59 Jahren alt; 14% zwischen 60 und 69 und 9% 70 Jahre oder älter. 65% der Spiegel-Leser weisen eine Schulbildung auf, die vor dem Abitur endet; 14% haben Fach- oder Hochschulreife ohne Studium und 24% der Leserschaft ist mit der Ausbildungscharakterisierung ‘Fach-/Hochschulreife mit Studium’ angegeben. 59% der Leser werden als in ‘gehobenen Berufen’ tätig ausgewiesen, wobei zu dieser Kategorie alle Selbständigen, Freiberufler, leitende bzw. qualifizierte Angestellte und gehobene bzw. höhere Beamte gezählt werden. 42% der Leserschaft verfügen über ein monatliches Haushaltseinkommen68 von mehr als €2.500; 21% zwischen €2.000 und €2.500; 18% zwischen €1.500 und €2.000; 8% zwischen €1.250 und €1.500; 10% über weniger als €1.250.69 9.3.5 Das deutsche Nachrichtenmagazin Focus Zum zehnjährigen Jubiläum seines Erscheinens im Januar 2003 präsentiert sich das deutsche Nachrichtenmagazin Focus seinen Anzeigenkunden mit einer Geburtstagsausgabe seines ‘Business-to-Business’ Informationsblattes Espresso mit der Geschichte eines Erfolges. In dieser Publikation findet sich auch eine Selbstcharakterisierung des Blattes im Vergleich zum Konkurrenten Der Spiegel. Diese Selbstbeschreibung lautet – beginnend mit einem Zitat von Focus-Verleger Hubert Burda – folgendermaßen: »‘Wir waren überzeugt davon, daß Deutschland ein zweites Nachrichtenmagazin brauchte’, erläuterte Verleger Dr. Hubert Burda 1994 in Los Angeles auf einer Tagung der American Magazine Conference. ‘Das mythische Monopol des Spiegel ist in den letzten Jahren an seine Grenzen gestoßen’. Burdas neues Motto war ebenso einfach wie eindeutig: ‘Revolution in den Redaktionen’. Gemeinsam mit seinem Chefredakteur Helmut Markwort begann der redaktionelle Feldzug von Focus. Das neue Nachrichtenmagazin sollte fair, farbig und fundiert berichten und vor allem schneller auf den Punkt kommen. Der redaktionelle Ansatz von Focus war damals wie heute: nicht auf Kosten anderer, intelligent und verantwortlich gegenüber der Gemeinschaft. Der 18. Januar 1993 markiert den Start des neuen, zukunftsorientierten Journalismus in Deutschland. Focus, das moderne Nachrichtenmagazin, erscheint zum ersten Mal und wird schnell zur erfolgreichsten Zeitschrifteninnovation der 90er-Jahre. Als Nachrichtenmagazin hatte Der Spiegel eine Monopolstellung. Sein Kommunikationsstil war textlastig, schwarzweiß und meinungsorientiert. 54 Versuche, ein zweites Nachrichtenmagazin zu etablieren, waren innerhalb von vier Jahrzehnten gescheitert – ‘Deutschland braucht kein zweites Nachrichtenmagazin’, hieß es – bis Focus kam. Fakten für die Info-Elite. Von Beginn an nicht als ‘Anti-
68 Die bisher angeführten Magazine gaben in der Kategorie ‘Einkommen’ das jährliche persönliche Einkommen seiner Leser an, die Angaben sind deshalb – und abgesehen von nationalen Unterschieden in der Einkommensstruktur, Lebenserhaltungskosten usw. – nicht vergleichbar. Sie lassen aber eine oberflächliche Orientierung zu und ermöglichen eine Einschätzung der Leserschaft gegenüber dem jeweiligen unmittelbaren Konkurrenten. 69 vgl. [http://media.spiegel.de/objektinfo/o_spiegel/objekt_spiegel_leser.html] 12.12.2003
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Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
Spiegel’ konzipiert, sah sich Focus als völlig neuartiger Titel, der neue Leserkreise erschließen wollte.«70
Allgemein wird dem Magazin Focus zugestanden, daß durch sein Erscheinen das Magazin Der Spiegel seine Monopolstellung als einziges deutsches Nachrichtenmagazin verlor. Wurde es anfangs als zu bunt, bieder und banal kritisiert, so findet das Blatt inzwischen seine Leserschaft und gilt als etabliert.71 Wilfried Scharf und Ralf Stockmann führten einen inhaltsanalytischen Vergleich der Berichterstattung der konkurrierenden Magazine Focus und Spiegel durch und kamen zu folgendem Ergebnis: Das Bewußtsein für die Grundaufgabe von Nachrichtenmagazinen, nämlich Kontrolle und Kritik auszuüben, sei bei Focus tendenziell weniger ausgeprägt als beim Spiegel. Es fänden sich in Focus durchaus Enthüllungen, wenn auch oft nur auf kommunaler Ebene angesiedelt und von mäßiger Bedeutung. Der Spiegel liefere weit mehr Fakten als Focus, welches eher Meinungen biete. Diese seien aber im Gegensatz zu den Meinungsäußerungen, die sich im Spiegel finden, nicht die von Redakteuren, sondern die von Politikern, Prominenten und Betroffenen. Scharf und Stockmann ziehen aus diesem Untersuchungsergebnis den Schluß, dem Focus-Leser würde keine Meinung aufgedrängt, sondern es würden ihm verschiedene Ansichten offeriert. Die Berichterstattung des Spiegel sei zwar oft tendenziöser und die Meinung der Autoren oder der Redaktion trete offen zu Tage, der Leser hätte aber aufgrund des mitgelieferten umfangreichen Hintergrundmaterials zumeist die Möglichkeit, ein eigenständiges Urteil zu fällen.72 Ein weiterer Unterschied findet sich zwischen den beiden großen deutschen Nachrichtenmagazinen: Focus scheint weitaus mehr als der Spiegel einer redaktionellen Linie zu folgen, die Klaus Peter Landgrebe als allgemeinen Trend der Nachrichtenmagazin-Berichterstattung sieht: die Tendenz, öfter als in früherer Zeit dem Leser ‘news you can use’ zu offerieren. Für Landgrebe ein Zeichen, daß die Redaktionen die Rolle des Stellvertreters für den Bürger abstreifen. Die Nachrichtenmagazine von heute würden im Gegensatz zu früher – neben bspw. sensationellen Enthüllungen über Steuerhinterziehung – mehr und mehr Hinweise darauf bieten, wie sich (legal) Steuern sparen ließen.73 Laut Leser-Analysen, die im Auftrag der Focus-Herausgeber in der Zeit der Einführung des Titels durchgeführt wurden, ist Focus in bezug auf die Stammleser des um vieles älteren Magazins Spiegel kein Konkurrent. Diesen Studien zufolge sei es Focus vielmehr gelungen, neue Leserschaften für das Medium ‘Nachrichtenmagazin‘ zu erschließen. Egal unter welchem Blickwinkel ‘das moderne Nachrichtenmagazin’, so der Untertitel des Markteinsteigers, analysiert wurde, ob bei Erstkäufern, Wiederholungslesern oder Abonnenten, die Ergebnisse zeigten jeweils Ähnliches. Landgrebe faßt zusammen: »[S]tets stießen die Forscher auf eine Zielgruppe, die zwar zu den Viellesern gehört, von denen aber nur 30 Prozent regelmäßig den Spiegel lesen. So die Reichweitenstudie des Institutes Media Markt Analysen. Unvergleichbar fanden immerhin 44 Prozent der Ersteinkäufer das neue Nachrichtenmagazin, registrierte Infratest: 86% sahen in Focus im Vergleich mit dem Spiegel ‘etwas anderes’. Was 70 71 72 73
[http://medialine.focus.de/PM1D/PM1DN/PM1DNB/DOWNLOAD/espresso_geb.pdf] 14.11.2003 vgl. Meyn 2001:116 vgl. Scharf/Stockmann 1998:18f. vgl. Landgrebe 1994:37
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auch für Deutschland die Erkenntnis bestätigt, daß Nachrichten-Magazine ihrer Eigenart nach keine Verdrängungs-Konkurrenten sind. Viele Insider sahen sich schließlich auch in ihrer Erwartung eines „Gegen-Spiegel“ enttäuscht.«74
Vermehrt in den Sprachgebrauch der Mediendebatten hat Focus eine Vokabel gebracht, durch die er seine Leserzielgruppe definiert sehen will: die ‘Infoelite’. Im Ansprechen dieses speziellen Marktsegments sieht Focus sein Erfolgsrezept: »Markenkern von Focus ist das innovative journalistische Konzept der mediengerechten Organisation von Informationen für die Info-Elite. Auf dieser Basis entwickelte sich aus der Idee Focus eine multimediale Marke für diese Zielgruppe.«75
Für diese Zielgruppe möchte Focus (gemeinsam mit seinem Wirtschaftstitel Focus Money) nach eigenen Aussagen die Basisinformationsquelle sein und ihr sowohl bei der beruflichen als auch bei der privaten Entscheidungsfindung Dienste leisten. Die genauere Definition der ‘Info-Elite’ liest sich bei Focus folgendermaßen: Zur InfoElite zählen Personen, die (1) mindestens ab und zu eine regionale Abonnementzeitung lesen; (2) mindestens ab und zu eine national verbreitete (Qualitäts-)Zeitung (FAZ, Die Welt, Süddeutsche Zeitung oder Handelsblatt) lesen; (3) dem weitesten Leserkreis mindestens eines Wirtschaftstitels (Wirtschaftswoche, Capital, DM, Manager Magazin, Top Business oder Impulse) angehören; (4) sich zum weitesten Leserkreis bestimmter Zeitschriften (Stern, BUNTE), Zeitgeistmagazine, Nachrichtenmagazine (Der Spiegel, FOCUS) oder Wochenzeitungen (Die Zeit, Rheinischer Merkur, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, Welt am Sonntag, Bild am Sonntag) zählen; (5) mindestens weniger als eine halbe Stunde werktäglich fernsehen.76 Die Daten der Analyse der Leserschaft nach soziodemographischen Merkmalen zeigen: Focus hat eine Reichweite von 6,12 Millionen, die verkaufte Auflage wird für das vierte Quartal 2003 mit 777.717 ausgewiesen77. Wieder findet sich im Leserprofil eine überwiegend männliche Leserschaft (65% vs. 64% beim Spiegel). Die Focus-Leser sind statistisch geringfügig jünger als die Spiegel-Leser – 14–19 Jahre: 5% (Spiegel ebenfalls 5%); 20–29 Jahre: 13% (Spiegel 14%); 30–39 Jahre: 23% (Spiegel 20%); 40–49 Jahre 22% (Spiegel 21%); 50–59 Jahre 17% (Spiegel ebenfalls 17%) 60–69 Jahre 13% (Spiegel 14%); 70 Jahre und älter 7% (Spiegel 9%). Und sie sind durchschnittlich weniger gut ausgebildet als die Spiegel-Leserschaft: 68% der Leser verfügen über eine Ausbildung, die vor dem Abitur endete (Spiegel 65%); 12% haben Fach- bzw. Hochschulreife ohne Studium (Spiegel 14%); 19% können ein Studium aufweisen (Spiegel 24%). Wie die restlichen Daten zeigen auch die Einkommensdaten nur geringfügige Unterschiede: 45% der Leser geben bei der zitierten Studie ein monatliches Haushalts-Nettoeinkommen von mehr als €2.500 an (Spiegel 42%); 22% zwischen €2.000 und €2.500 (Spiegel 21%); 17% zwischen €1.500 und €2.000 (Spiegel 18%) und 17% bis unter €1.50078. 74 ebd.:6 75 Der Chefredakteur von Focus, Helmut Markwort, in der Geburtstagsausgabe der Focus-Publikation Espresso vom Januar 2003 vgl. [http://medialine.focus.de/PM1D/PM1DN/PM1DNB/ DOWNLOAD/espresso_geb.pdf] 14.11.2003 76 vgl. [http://www.focus-magazin-verlag.de/PF4/PF4D/pf4d.htm?nav=12] 14.11.2003 77 vgl. [http://medialine.focus.de/PM1D/PM1DB/PM1DBC/PM1DBCA/PM1DBCAA/ pm1dbcaa.htm] 12.1.2004 78 vgl. [http://medialine.focus.de/PM1D/PM1DN/PM1DNB/DOWNLOAD/op_focus_0401.pdf] 2.1.2004. Das durchschnittliche Haushalts-Nettoeinkommen ist als Vergleichs-Parameter schwierig
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Trotz der weitreichenden Gemeinsamkeiten, die die demografischen Daten der beiden in die Untersuchung aufgenommenen Magazine zeigen, konnten bei den von Focus in Auftrag gegebenen Leserstudien laut Klaus Peter Landgrebe auch Unterschiede ausgemacht werden: Ungleichheiten hätten sich etwa in der Haltung der Leser der beiden Titel zur deutschen Wirtschaftsordnung gezeigt. So sei bei FocusLesern die kritische Haltung weniger stark ausgeprägt. Insgesamt seien, laut einer Aussage des die Untersuchung durchführenden Analytikers Manfred Groß, die Rezipienten von Focus aufgeschlossener, progressiver und stärker auf ihre soziale Umwelt bezogen erschienen als die Spiegel-Rezipienten. Alles in allem würde sich die Leserschaft des jüngeren Magazins »einen Tick optimistischer« zeigen.79
9.3.6
Das österreichische Nachrichtenmagazin Profil
Armin Thurnher, Mitbegründer und Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung Der Falter, bezeichnet in seiner scharfzüngigen Österreich-Betrachtung Das Trauma, ein Leben – Österreichische Einzelheiten die österreichische Presselandschaft als ‘Jammertal’ und als ‘verkorkst’. Das Land sei so klein, daß keine ausreichenden Nischen für eine Medienvielfalt existierten; in jedem der Bundesländer gebe es einen Verlag, der aufgrund alteingesessener Macht seinen jeweiligen Einflußbereich beherrschen würde, »und gegen die Macht solcher Provinz-Platzhirsche geht gar nichts«; national verbreitete Qualitätsblätter in der Tagespresse fänden sich im ganzen Land nur zwei, darüber hinaus gebe es kein nennenswertes österreichisches Medienkapital.80 Die Neue Zürcher Zeitung berichtet am 28. August 2001 im Rahmen ihrer Serie Printmedien im Wandel über Österreichs Pressemedien und stellt fest: »In keinem anderen europäischen Land dürfte der Konzentrationsprozeß in der Welt der Printmedien so weit vorangeschritten sein wie in Österreich: Zwei miteinander verbundene Verlagsgruppen, Mediaprint und News, beherrschen den Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt. [...] Die Qual der Wahl – Österreichs Zeitungs- und Magazinleser haben sie nicht [...]. Je nach Abgrenzung stehen hinter 60% bis 80% der täglich produzierten Zeitungsauflage miteinander verbundene Verlagsgruppen. Eine eigentliche Monokultur droht im Markt für Magazine: Seit September des letzten Jahres sind alle namhaften politischen und wirtschaftlichen Titel unter einem Dach vereinigt.«81
Von dieser Konzentration sind auch Österreichs Nachrichtenmagazine Profil und Format betroffen, die nach dem Zusammenschluß der Kurier-Magazine und des News-Konzerns beide zu der im Mehrheitsbesitz von Gruner+Jahr befindlichen zu interpretieren, da es in seiner Aussagekraft von vielen weiteren Fakten abhängig ist, die sich aber in den herangezogenen Angaben der Magazine nicht finden. So müßte zur Interpretation der Daten verglichen werden, wieviele der Haushalte jeweils Single-Haushalte sind oder wieviele Personen im Haushalt leben (Kinder, zur Versorgung anvertraute Angehörige, Personen mit eigenem Einkommen usw.). Dies führt allerdings weit über die Fragestellung der vorliegenden Arbeit hinaus. Relevant erscheint lediglich, daß die Leserdaten der beiden Magazine, die zwar in beiden Fällen den Informationen der Redaktionen entnommen wurden, von diesen aber soweit angegeben den jeweils aktuellen offiziellen MA-Analysen entnommen wurden, in den angeführten Punkten weitgehende Übereinstimmung zeigen. 79 vgl. Landgrebe 1994:6 80 vgl. Thurnher 1999:254ff 81 Aus dem Artikel Krake im Teich der Printmedien Österreichs der Neuen Zürcher Zeitung vom 28.8.2001
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Verlagsgruppe News gehören (Gruner+Jahr hält an diesem Konzern 52,5%; die 100%ige Kurier-Tochter ZVB 30%, die Fellner Privatstiftung 17,5%). Diesem Zusammenschluß voraus ging ein Marketing- und Preiskampf des alteingesessenen Nachrichtenmagazins Profil mit seinem Herausforderer Format, der in der österreichischen Presse als ‘Mutter aller Magazinschlachten’ bezeichnet wurde.82 Der Kampf begann im Herbst 1998, bereits vor dem ersten Erscheinen des neuen Magazins im selben Jahr und brachte nach Schätzungen Kosten von Abermillionen Schilling für beide Konkurrenten. »Nach Brancheneinschätzungen hat die News-Gruppe [Eigentümer von Format, Anm. C.M.W.] die Einführung und Vermarktung von Format an die 400 Millionen Schilling gekostet. Profil [Kurier zugehörig, Anm. C.M.W.] soll demnach etwa 200 Millionen in die Magazinschlacht geworfen haben [...] Mit Dumping-Preisen, Gutscheinaktionen, Gewinnspielen und Abo-Beigaben lieferten sich die beiden Magazine einen nie dagewesenen Konkurrenzkampf.«83
Format eröffnete den Wettbewerb um Leser mit einem Einstandspreis, der mit 25 Schilling fünf Schilling billiger war als Profil. Bereits einen Monat nach der Format-Premiere war der Preiskampf der Magazine im Gange: Im Januar 1999 war Profil um zehn Schilling zu kaufen, Format kostete 15 Schilling, war aber bald mittels Gutschein um nur mehr fünf Schilling zu haben. Die Profil-Herausgeber konterten mit einer Werbekampagne, in der Zeitschriftenhändler und -käufer dazu aufgefordert wurden, Format-Gutscheine auch für den Profil-Kauf zu verwenden. »Die WAZ – der deutsche Konzern hält knapp 50 Prozent am Kurier – und News-Gesellschafter Gruner+Jahr, eine Bertelsmann-Tochter, wollten schließlich nicht mehr länger zuschauen. Die Entscheidung über den Zusammenschluß fiel auf Drängen von WAZ-Boss Erich Schumann und Gruner+Jahr-Vorstand Bernd Kundrun.«84
Der Zusammenschluß der Konzerne mußte als „Elefantenhochzeit“ erst durch das österreichische Kartellamt geprüft werden, die Genehmigung wurde im Januar 2001 erteilt. Seither sind alle Magazine, die einst schwere Konkurrenzkämpfe ausgetragen haben, unter einem Dach vereint. Denn nicht nur Format, sondern schon das von denselben Gründern, Wolfgang Fellner und Helmuth Fellner, Jahre zuvor ins Leben gerufene Magazin News mußte von Profil als Konkurrent wahrgenommen werden85. Dabei galt Österreichs erstes Nachrichtenmagazin seit seiner Gründung im Jahr 1970 ähnlich dem deutschen Magazin der Spiegel als konkurrenzlose nationale Medieninstitution. Erst das im Jahr 1992 auf den Markt kommende News bringt innerösterreichischen Wettbewerb: Auch wenn dieser aufgrund des Konzepts des Magazins, das sich eher an der deutschen Illustrierten Stern als etwa am Nachrichtenmagazin Spiegel orientierte, weniger einschneidend ausfiel als der einige Jahre später ausgetragene Konkurrenzkampf mit dem eindeutig in den Lesermarkt von Profil zielenden Nachrichtenmagazin Format. Landgrebe beschreibt das 1970 von Oscar Bronner gegründete ‘Unabhängige Nachrichtenmagazin Österreichs’ – so der Untertitel von Profil – »als hagerer, strenger Sittenwächter«, der Mißstände geißle und Sauberkeit fordere. »Seine Enthül82 83 84 85
vgl. Formil: Ein Jahr der Feind im eigenen Bett In: Der Österreichische Journalist 2/2002:30–34 ebd.:32 ebd. Zum Konkurrenzkampf der Magazine News, Profil und Format siehe ausführlich Fidler/Merkle 1999:339–398
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lungen sind nicht immer appetitlich und nur selten komisch für die Unbeteiligten – die Betroffenen bringt er in arge Bedrängnis.«86 Diesen Ruf erwarb sich das Magazin vor allem durch die Aufdeckung des sogenannten AKH-Skandals, eines Korruptionsskandals um den Bau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses im Jahr 1980, der nach seiner Aufdeckung durch das Magazin weite Kreise in der nationalen Politik zog. Einige Jahre später berichtete Profil über die Kriegsvergangenheit des damaligen österreichischen Präsidentschafts-Kandidaten Kurt Waldheim und festigte damit seinen Ruf als „Aufdecker“. Nochmals einige Jahre später, im März 1995, brachte das Magazin eine seiner aufsehenerregendsten Titelgeschichten: Ein ehemaliger Zögling eines Knabeninternats behauptete in Profil, vom Wiener Erzbischof zu dessen Zeit als Erzieher in jenem Internat sexuell mißbraucht worden zu sein. Wie die anderen genannten Fälle zog auch dieser heftige öffentliche, politische und mediale Reaktionen nach sich. Der Ruf des Sittenwächters und der moralischen Instanz erwies sich für Profil nach Aussagen des im Sommer 1998 bestellten Herausgebers und Chefredakteurs von Profil, Christian Rainer, nicht nur als positiv.87 Zu lange habe das Magazin als besserwisserisch gegolten, lustfeindlich und mit starkem Hang zur Weltverbesserung. Ein Ruf, den der neue Herausgeber korrigieren wollte: Das Magazin sollte an ‘Sinnlichkeit’ gewinnen, was nicht zuletzt durch eine neue visuelle Linie des Blattes erlebbar gemacht werden sollte – in den ersten Jahren unter Christian Rainer wurden zwei große Redesigns des Magazins durchgeführt. Zuerst sei das Magazin zur Korrektur seines Images optisch schrill und betont fröhlich aufgetreten; sobald an den Leserreaktionen absehbar geworden wäre, daß die Imagekorrektur wahrgenommen wurde, sei das Magazin wieder in Richtung ‘Seriosität’ korrigiert worden, mit abgeschütteltem Ruf der ‘Lustfeindlichkeit’, so Rainer.88 Den Zusammenschluß der österreichischen Magazine unter einem Konzerndach sieht Rainer nicht als Problem. »Ich bin heilfroh, daß die lebensbedrohliche Situation weg ist, die sich aus den niedrigen Auflagen, niedrigen Anzeigenumsätzen und dem mäßigen Vertrauen der Eigentümer ergeben hatte. Darüber hinaus war bis zuletzt nicht klar, wie die Befindlichkeit der Eigentümer war und wie lange die Marketingschlacht noch weitergetrieben worden wäre. Rein rational betrachtet war zu diesem Zeitpunkt Profil vorn, aber ich war nicht davon überzeugt, daß Format zugesperrt wird, was bei Profil aber hätte passieren können.«89
Die aktuellen Media-Daten zeigen Auflagenzahlen von Profil, die vor denen von Format liegen: Es werden wöchentlich 75.475 Hefte verkauft. Damit liegt Profil in Österreich unter einer Auflage, die statistisch mit der des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel vergleichbar wäre; dafür müßte sie bei rund 100.000 liegen. Eine Zahl, die in der 30-jährigen Geschichte des Magazins nach eigenen Angaben nie erreicht wurde;90 als Gesamtreichweite in Österreich werden vom Verlag 8,1 Prozent 86 Landgrebe 1994:53 87 Christian Rainer in einem Interview, das ich mit ihm am 10. Februar 2000 zum Thema dieser Arbeit führen konnte (siehe Quellenverzeichnis). 88 ebd. 89 Christian Rainer im Interview mit Johann Oberauer und Georg Taitl, in: Der Österreichische Journalist 2/2002:30 90 vgl. die Aussage des Profil-Herausgebers Christian Rainer in: Pofil vom 26. Februar 2001:108. Diese Aussage Rainers steht allerdings in einem Wiederspruch zu den durch die Österreichische Auflagenkontrolle etwa für das Jahr 1999 veröffentlichten Angaben. Diese zeigen einen Halbjahresschnitt der
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angegeben. Auch die Leserschaft von Profil ist wie bei den anderen beschriebenen Magazinen überwiegend männlich (58,8%); die Altersstruktur zeigt: 5,4% Leser im Alter von 14 bis 19 Jahren; 19,4 % in der Altersgruppe von 20 bis 29; 23,8% bei den 30- bis 39-Jährigen; 22,4% bei den 40- bis 49-Jährigen und 15% bei den 50- bis 59Jährigen. Damit ist die Leserschaft von Profil tendenziell jünger als die der bisher beschriebenen Magazine. 20,3% der Leserschaft gehören der sogenannten A-Schicht an, 49,3% haben Matura und 15% der Leserschaft sind laut Angaben von Profil dem Top-Management zuzurechnen.91
9.3.7 Das österreichische Nachrichtenmagazin Format Bei der Einführung des als Profil-Konkurrenten konzipierten Nachrichtenmagazins Format im Herbst 1998 konnten die Gründer des Blattes von ihrem Ruf als erfolgreiche Magazin-Macher profitieren. Die Entwickler des Jugend-Magazins Rennbahn Express, des Zeitgeist-Magazins Basta, der Nachrichten-Illustrierten News und der TV-Illustrierten TV-Media hatten den Pressemarkt Österreichs bereits vor der Inangriffnahme eines zweiten Montags-Nachrichtenmagazins entscheidend mitbestimmt. Die vergangenen Erfolge zeigten Effekte bei der Einführung des neuen Blattes: Von Anfang an wurde das Magazin vom Inserenten-Markt angenommen: In der ersten Ausgabe waren über 60 von 180 Seiten Werbeseiten. Der Lesermarkt zeigt im ersten Quartal des Erscheinens eine durchschnittliche verkaufte Auflage von rund 97.400,92 ein Wert, der nur geringfügig unter dem damaligen Auflagen-Wert von Profil liegt. Bereits vor dem Erscheinen des ersten Heftes sorgt die visuelle Aufbereitung des neuen Titels für Aufregung: Sie soll dem Redesign von Profil im Sommer des Jahres 1998 als Vorbild gedient haben. Das „Schwestern-Magazin“ von Format, News, berichtet vor dem ersten Erscheinungstermin von Format: »[D]er Start von Format [wirbelt] in der österreichischen Medienszene kräftig Staub auf. Das zweite Montags-Magazin, das Profil, hat bereits mit einer umfassenden Blattreform reagiert. Zur Erheiterung der Branche gleicht die neue Profil-Optik der von Format – die seit Anfang August nahezu allen heimischen Werbern präsentiert wurde – wie ein Ei dem anderen.«93
Geklärt wurde diese Frage der visuellen Gleichschaltung nicht. Wie weiter oben dargestellt, zeigte sich der harte Wettkampf der Magazine im weiteren auf anderer Ebene. Wie weit eine Übereinstimmung der visuellen Konzepte der beiden Magazine für die Jahre der hier vorzustellenden Untersuchung ging, soll im folgenden Abschnitt deutlich werden. Dabei ist die neueste Entwicklung von Format nicht erfaßt: Format unterzog sich im Sommer 2003 einer grundlegenden Neugestaltung. Der Tagesspiegel vom 7. Juni 2003 brachte die Headline »Ein ‘Fortune’ für Österreich –
verkauften Auflage von 111.039; vgl. dazu die auf der österreichischen Auflagenkontrolle basierenden statistischen Angaben von Fidler/Merkle 1999:402; zum Preis- bzw. Auflagenkampf der beiden Magazine während der Jahre nach 1998 ebenfalls Fidler/Merkle 1999:392ff.; aktuelle Auflagedaten der Österreichischen Auflagenkontrolle unter [www.oeak.at]. Die Magazine des News-Verlages stellen diesem Organ derzeit allerdings keine Zahlen zur Verfügung. 91 vgl. [http://www.news.at/prod/10/newsmedia/allg/allg_media2002.shtml] 28.12.2003 92 vgl. Fidler/Merkle 1999:402 93 Unter dem Titel Match mit Format In: News 38/1998:92
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Das Wiener Politmagazin Format wird zum Wirtschaftstitel«. Bereits im Frühjahr 2002 zeigte Format Veränderungen. Die augenfälligste war ein neuer Erscheinungstag: Das Magazin erscheint nicht mehr parallel mit Profil am Montag, sondern bereits am Freitag. Von der Fachpublikation Extradienst im Zuge dieser Neupositionierung darauf angesprochen, wie er die neue Identität von Format beschreiben würde, antwortet Herbert Langsner, Co-Herausgeber von Format, im März 2002: »Es gibt keine neue Identität. Format bleibt, was es immer war: ein Nachrichtenmagazin mit Anspruch auf Enthüllungen, politischen und wirtschaftlichen Reportagen und Analysen. Also ein Montagsmagazin, das aber schon freitags erscheint. Auch das Thema Geld, Service und Anlage wird das Heft weiterhin prägen. Die Änderung des Erscheinungstermins ändert nicht den Charakter«.94
Als rund ein Jahr später Format in komplett überarbeiteter Form erscheint, bezieht Herbert Langsner dazu folgendermaßen Stellung: »Im fünften Jahr seines Bestehens wurde Format einem umfassenden Relaunch unterzogen. Die Wirtschafts- und Geldberichterstattung wurden deutlich ausgeweitet, gleichzeitig bekam das Magazin einen neuen, modernen Look. Hochwertige Lebenskultur, von Essen und Kleidung bis Kultur, Reise und Fitneß, ist ebenfalls zentraler Bestandteil […] Politische Enthüllungen und Analysen sowie die gewohnte Meinungskompetenz von Format bleiben selbstverständlich […] erhalten. Das neue Format richtet sich an die Community der Business-Elite und Unternehmer, an global denkende, urbane, karriereorientierte Menschen mit ausgeprägtem Interesse an Politik, Wirtschaft und qualitätsvoller Freizeitgestaltung. Wer in der Wirtschaft mitreden will, wird das neue Format lesen müssen.«95
Nach der Neugestaltung von Format, das nun kein klassisches ‘Montags-Magazin’ wie etwa die in die Untersuchung einbezogenen US-amerikanischen und deutschen Magazine mehr ist, ist die Frage, inwieweit Profil und Format noch als unmittelbare Konkurrenten zu sehen sind, schwer zu beantworten. Die vom Verlag veröffentlichten Daten zur Leserschaft von Format zeigen folgendes Bild: verkaufte Auflage 71.595 (Profil 75.475); ausgewiesene Reichweite 5,5% (Profil 8,1%). Auch die Daten von Format zeigen eine überwiegend männliche Leserschaft, die mit 64,1% noch höher als die von Profil mit 58,8% liegt. 10,6% der Format-Leser sind laut der zitierten Studie als der sogenannten A-Schicht zugehörig (Profil 16,2%); 10,5% haben Matura-Abschluß (Profil 18%) und 11,3% werden dem Top-Management zugerechnet (Profil 18,2%). Die Alterstruktur der Format-Leser ist der der Profil-Leser sehr ähnlich: 14–19 Jahre: 6,4% (Profil 5,4%); 20–29 Jahre 18,5% (Profil 19,4%); 30–39 Jahre 22,8% (Profil 23,8%); 40–49 Jahre 23,8% (Profil 22,4%); 50–59 Jahre 15,1% (Profil 15%). Damit ist der durchschnittliche Format-Leser in etwa so alt wie der durchschnittliche Profil-Leser, verfügt über eine weniger hohe schulische Ausbildung und ist weniger oft in Top-Entscheider-Funktionen anzutreffen.
9.4 Ergebnisse der quantitativen Datenerhebung zur Entwicklung der visuellen Aufbereitung politischer Nachrichten in Nachrichtenmagazinen In den folgenden Abschnitten sollen die wesentlichsten Ergebnisse der Datenerhebung zusammengefaßt und bezüglich der formulierten Fragestellungen analy94 [http://www.extradienst.at/jaos/page/main_archiv_content.tmpl?ausgabe_id=30&article_id=6175] 20.11.2003 95 [http://www.news.at/newsmedia] 11.12.2003
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siert werden. Alle herangezogenen Daten finden sich als Überblicksdarstellungen in Tabelle 4 bis 32 am Ende dieses Kapitels.
9.4.1 Politische Berichterstattung und die Entwicklung von Berichtlängen Zur Frage der Entwicklung der Länge der Berichte über politische Ereignisse in den untersuchten Magazinen läßt sich anhand der ausgewerteten Daten folgendes feststellen: Tendenziell wird den einzelnen Themen der Berichterstattung in den jüngeren Jahrgängen mehr Platz gewidmet als in den älteren. Dabei unterscheiden sich jedoch die Ergebnisse für die einzelnen Magazine.96 -
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Die markanteste Zunahme der Berichtlängen zeigt sich bei Time: Wurden im Jahr 1972 für einen Bericht durchschnittlich 0,9 Seiten aufgewendet, so waren es im Jahr 2002 durchschnittlich 2,2 Seiten. Auch das zweite US-amerikanische Magazin, Newsweek, zeigt eine ähnliche Entwicklung: Die Länge der einzelnen Berichte steigerte sich von durchschnittlich ebenfalls 0,9 Seiten im Jahr 1972 auf 2,0 2002. Nahezu unverändert zeigen sich die Längen der Berichte beim Magazin The Economist: In den Jahren 1972, 1992 und 2002 umfaßt die Berichterstattung zu einem Thema jeweils durchschnittlich 0,8 Seiten. Mit durchschnittlich 0,7 Seiten im Jahr 1982 ist nur eine vernachlässigbare Schwankung im ansonsten erstaunlich stabilen Wert zu sehen. Ähnlich stabil zeigen sich auch die Werte der Jahre 1982 bis 2002 für das deutsche Magazin der Spiegel: 1982 und 1992 ist ein durchschnittlicher Bericht 2,0 Seiten lang, im Jahr 2002 liegt der ermittelte Wert bei 1,9. Deutlich kürzer war der einzelne Bericht aber im ersten Jahr der Auswertung, 1972, nämlich nur durchschnittlich 1,4 Seiten. Auch das Nachrichtenmagazin Profil zeigt im Jahr 1972 einen von den übrigen Jahren deutlich verschiedenen Wert, allerdings in gegenläufiger Richtung zum Spiegel und mit einer deutlicheren Schwankung zwischen den einzelnen Jahrgängen der Untersuchung: 1972 war ein durchschnittlicher Bericht 2,5 Seiten lang, 1982 1,9 Seiten, 1992 nur mehr 1,4 Seiten und 2002 wiederum – wie im Jahr 1982 – rund 1,9 Seiten. Die jüngsten Magazine der Untersuchung zeigen beide eine Zunahme der Berichtlängen: Das deutsche Nachrichtenmagazin Focus dehnte die Berichterstattung zu den einzelnen Themen von 1,7 Seiten (1994) auf durchschnittlich 2,0 Seiten (2002) aus; das österreichische Format von 1,3 Seiten (1999) auf 1,7 Seiten (2002).
Anhand dieser Ergebnisse läßt sich im Vergleich der Magazine der einzelnen Länder erkennen: Die einzelnen Berichte der jeweils unmittelbar miteinander konkurrierenden Magazine unterscheiden sich bezüglich ihrer Längen kaum voneinander – der durchschnittliche politische Bericht in amerikanischen, deutschen und österreichischen Nachrichtenmagazinen in jüngster Zeit ist zwischen 2,2 (Time) und 1,7 Seiten (Format) lang. Dieser Wert würde allerdings, bei einer rechnerischen Ermittlung der 96 siehe dazu Tab. 5 im Anhang der vorliegenden Arbeit; alle Werte wurden statistisch auf eine Kommastelle gerundet, da eine genauere Zahlenangabe hinsichtlich der Fragestellung nicht aussagekräftig erscheint.
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Berichtlängen anhand aller erhobenen Daten, durch den Wert des britischen Economist bedeutend verfälscht, der den mit weitem Abstand niedrigsten Wert für die Länge der einzelnen Berichte aufweist, nämlich, wie bereits festgestellt, nur 0,8 Seiten.97 Bezogen auf die Fragestellung dieser Arbeit – die visuelle Aufbereitung von politischer Berichterstattung – ist die Erhebung zu der Entwicklung der Ausführlichkeit der Berichterstattung nach Seitenlänge interessant, sobald diese Werte mit der Verwendung von Bildelementen in Zusammenhang gebracht werden. Dies soll im nächsten Abschnitt erfolgen.
9.4.2 Politische Berichterstattung und die Verwendung fotografischer Darstellungen Konnte anhand der erhobenen Daten festgestellt werden, daß politische Berichte in Nachrichtenmagazinen nach Seiten gemessen eher länger als kürzer werden, so stellt sich die Frage, ob davon auszugehen ist, daß für die einzelnen Berichte mehr Bildmaterial verwendet wurde – sie also dadurch an Länge gewannen. Dazu in einem ersten Schritt ein Blick auf die Entwicklung der Verwendung von Fotos in der Berichterstattung. Bei einer Auswertung der erhobenen Daten nach Anzahl der verwendeten Fotos je Bericht zeigt sich, daß von allen Magazinen (außer vom Magazin Economist) im Jahr 2002 deutlich mehr fotografische Bilder bei der Berichterstattung eingesetzt wurden als im Jahr 1972. Im einzelnen stellen sich die Entwicklungen folgendermaßen dar: -
Im amerikanischen Magazin Time fanden 1972 durchschnittlich 1,6 Bilder pro Bericht Verwendung; im Jahr 1982 1,2; im Jahr 1992 1,9 und im Jahr 2002 2,8.98 Linearer zeigt sich die Entwicklung bei Newsweek. Hier wurden im Jahr 1972 1,4 Fotos je Bericht verwendet; 1982 1,5; 1992 1,9 und 2002 2,7. D.h. gegenüber dem Jahr 1972 wurde die Anzahl der Bilder je Bericht praktisch verdoppelt, und somit wurden 2002 bei Newsweek praktisch ebenso viele Fotos je Bericht eingesetzt wie bei Time.
97 Die durchschnittliche Länge der ausgewerteten Titelgeschichten ist – nicht überraschend – bedeutend höher als die der übrigen Berichte. So konnte etwa für das Magazin Der Spiegel eine durchschnittliche Länge der Titelgeschichten von 10 Seiten im Jahr 1972; ebenfalls 10 Seiten im Jahr 1982; 14 Seiten im Jahr 1992 und 14,3 Seiten im Jahr 2002 ermittelt werden. Time zeigte in derselben Untersuchungskategorie Werte von 8,0 für das Jahr 1972; 9,7 für das Jahr 1982; 13,7 für das Jahr 1992 und 6,0 für das Jahr 2002. Aber auch wenn diese Werte als Vergleichszahlen interessant erscheinen – da pro untersuchtem Jahrgang maximal Daten von 4 Titelgeschichten erhoben wurden, wenn die Titelgeschichte einzelner in die Untersuchung einbezogener Hefte kein politisches Thema betraf, sogar weniger als 4 (im Vergleich dazu aber etwa durchschnittlich 137 Berichte pro Jahrgang für die Ermittlung der durchschnittlichen Berichtslängen für das Magazin der Spiegel; 52 Berichte pro Jahrgang für das Magazin Time), erscheinen diese Werte nach statistischen Gesichtspunkten nicht ausreichend aussagekräftig. 98 Hier ist darauf hinzuweisen, daß bei der Bildverwendung von Time der Wert des Heftes 1 aus dem Jahr 1972 bereinigt wurde: In diesem Heft, als erstem Heft des Jahres, fand sich ein Überblick über die wesentlichsten Ereignisse des Vorjahres. Die zahlreichen Bilder dieses Sonderberichts hätten das Ergebnis erheblich verfälscht und wurden deshalb von der statistischen Auswertung ausgenommen.
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Ebenfalls nahezu verdoppelt hat der Spiegel den Fotoeinsatz je Bericht. So wurden 1972 1,9 fotografische Bilder eingesetzt, 1982 2,5; 1992 2,6 und 2002 bereits 3,4. Deutlich mehr Fotos als vom Nachrichtenmagazin Der Spiegel werden im zweiten deutschen Magazin, Focus, je Bericht verwendet: Bereits im Jahr 1994 waren es durchschnittlich 3,8; im Jahr 2002 sogar durchschnittlich 5,4 Bilder. Damit zeigt Focus in den aktuellen Heften die höchste Fotoverwendung je Bericht aller ausgewerteten Magazine. Beim österreichischen Magazin Profil findet sich, ähnlich wie bei den Berichtlängen, auch bei der Fotoverwendung je Bericht keine lineare Entwicklung: Im Jahr 1972 wurden durchschnittlich 3 Fotos je Bericht verwendet, 1982 2,4; im Jahr 1992 1,5 und 2002 immerhin 4,4 fotografische Abbildungen. Ähnlich viele Bilder verwendet auch das zweite österreichische Magazin, Format: 1999 waren es 4 Fotos je Bericht; 2002 nur geringfügig mehr, nämlich durchschnittlich 4,2. Gleichbleibend für alle Jahre zeigt sich wiederum The Economist, in dem im Jahr 1972 0,7 Bilder je Bericht verwendet wurden, in den übrigen Jahren der Erhebung gleichbleibend 0,5.
Damit ist das Magazin The Economist das einzige Heft, in dem bis heute und über alle Auswertungsjahre je Bericht weniger als 1 Foto abgedruckt wird. Ein Wert, der von den anderen Magazinen in keinem Erhebungsjahr unterschritten wird, da die geringste Fotoverwendung je Bericht – abgesehen von The Economist – das Magazin Time im Jahr 1982 aufweist: In diesem Jahr wurden durchschnittlich nur 1,2 Fotos pro Bericht verwendet. Die meisten fotografischen Bilder je Bericht finden sich, wie festgestellt, mit großem Abstand bei Focus 2002, nämlich 5,4 – gegenüber dem zweithöchsten Wert: Profil 2002 mit 4,4. Die amerikanischen Magazine zeigen in dieser Auswertung für das Jahr 2002 eine deutlich geringere Fotoverwendung als die deutschen und österreichischen Magazine, nämlich 2,8 (Time) und 2,7 (Newsweek) gegenüber 3,4 (Spiegel) und 5,4 (Focus). Die österreichischen Magazine erwiesen sich wie die amerikanischen in der Fotoverwendung je Bericht als einander sehr ähnlich: Bei Profil werden durchschnittlich 4,4 Fotos eingesetzt, bei Format 4,2.99 Legt man diese Zahlen nun auf die erhobenen Entwicklungen der Berichtslängen um, so zeigt sich folgendes: Zwar wurden über die Jahre betrachtet je Bericht durchschnittlich mehr fotografische Bilder verwendet, da die Berichte aber tendenziell länger wurden, ist – nimmt man die Fotoverwendung je Seite in den Blick – die Dichte der fotografischen Bilder in den Magazinen nahezu unverändert. Im einzelnen stellen sich die Ergebnisse folgendermaßen dar: -
In den amerikanischen Magazinen Time und Newsweek finden sich über alle Untersuchungsjahre hinweg je Berichtseite durchschnittlich weniger als 1,5 Fotos – und dies ohne nennenswerte Unterschiede zwischen den einzelnen Jahren (Time: 1972 1,7; 1982 1,3; 1992 1,2; 2002 1,3; Newsweek: 1972 1,5; 1982 1,4; 1992 1,4; 2002 1,4)
99 Für einen Überblick über die angeführten Zahlen siehe Tab. 6 im Anhang der vorliegenden Arbeit.
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Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
The Economist zeigt tendenziell eine Abnahme in der Verwendung fotografischer Bilder je Seite der politischen Berichterstattung, nämlich 0,9 Fotos im Durchschnitt für das Jahr 1972, 0,7 in den Jahren 1982 und 1992 und 0,7 Fotos 2002. Beim deutschen Magazin Der Spiegel ist eine leichte Tendenz zu mehr fotografischen Bildern je Seite feststellbar: durchschnittlich 1,4 Bilder im Jahr 1972; 1,3 1982; ebenfalls 1,3 1992 und 1,8 in den Ausgaben des Jahres 2002. Für das zweite deutsche Nachrichtenmagazin, Focus, läßt sich eine ähnliche Zunahme an Fotos je Seite feststellen wie für Der Spiegel, nämlich eine Steigerung von durchschnittlich 2,2 Bildern im Jahr 1994 auf 2,7 im Jahr 2002. Den größten Zuwachs in der Fotoverwendung zeigt das österreichische Profil, in dem die Fotoverwendung je Seite seit 1972 statistisch nahezu verdoppelt wurde: Für das Jahr 1972 zeigt sich ein Wert von 1,2 Bildern; im Jahr 1982 1,3; im Jahr 1992 1,1 und im Jahr 2002 durchschnittlich 2,3. Format hingegen hat den Einsatz von Fotos laut den erhobenen Daten zwischen den Jahren 1999 und 2002 verringert. So zeigt sich in 1999, dem ersten Jahr der Erhebung für dieses Magazin, der höchste Wert aller Magazine, nämlich 3 Bilder je Seite; 2002 waren es hingegen 2,5 Bilder.
Als entscheidend für die Interpretation dieser Werte erscheint es nun, die Größe der Fotos in die Auswertung einzubeziehen, denn: Zeigt sich, daß eine Tendenz zur Verwendung von größeren fotografischen Bildern feststellbar ist, so ist die Aussage der bisherigen Daten zu relativieren. Das Verhältnis von Text und Bild würde sich unter diesen Umständen in Richtung ‘mehr Bild’ verschieben. Es wurde deshalb eine Auswertung vorgenommen, die zeigen soll, wie sich das anteilige Verhältnis verschiedener Fotogrößen innerhalb der verwendeten Fotos entwickelt hat. Bei der Gegenüberstellung der einzelnen Datensätze zeigen sich sehr unterschiedliche Werte für die einzelnen Magazine. Für die Beantwortung dieser Fragestellung wurden fünf Kategorien gebildet. Zum einen wurden alle Bilder in einer Kategorie zusammengefaßt, die die Größe einer ganzen Berichtseite haben oder größer als eine Seite sind. Bilder, die größer als eine halbe Seite sind, bilden eine weitere Kategorie. Als ‘durchschnittlich groß’ werden Bilder aufgefaßt, die zwischen 2700 mm2 und 1/3 Seite groß sind. Der Kategorie ‘kleine’ Bilder wurden diejenigen Fotos zugeordnet, die bis 2700 mm2 umfassen, und eine weitere Auswertungskategorie soll zeigen, wie sich die Verwendung sehr kleiner Bilder entwickelt hat – die hier zusammengefaßten Fotos sind nicht größer als 570 mm2. Im einzelnen zeigen sich folgende Ergebnisse:100 Besonders auffällig ist, daß die beiden US-amerikanischen Magazine mit Abstand den höchsten Anteil von sehr großen Fotos aufweisen: 9% aller fotografischen Bilder, die im Jahr 2002 in Time im Rahmen der politischen Berichterstattung vewendet wurden, sind ganzseitig oder größer; bei Newsweek beträgt dieser Wert 8%. Dabei hat der Wert über die ausgewerteten Jahre deutlich zugenommen: Bei Time zeigt sich eine Steigerung von durchschnittlich anteilig 1% im Jahr 1972 auf 4% im Jahr 1992 (kein Bild dieser Kategorie im Jahr 1982) zu den bereits erwähnten 9% im 100 Für die detaillierte Erläuterung der einzelnen Untersuchungskategorien siehe das Codebuch der Untersuchung im Anhang der vorliegenden Arbeit. Alle Prozentangaben wurden statistisch gerundet, da eine detailliertere Zahlenangabe hinsichtlich der Fragestellung nicht aussagekräftig erscheint.
9 Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
269
Jahr 2002; bei Newsweek von 3% im Jahr 1992 (mit jeweils 0% in den Jahren 1972 und 1982) auf 8% im Jahr 2002. Keines der anderen Magazine weist für diese Bildgröße einen ähnlich hohen Wert auf: Für die Magazine Economist und Spiegel wurde in dieser Kategorie sogar durchgängig für alle Jahre ein statistischer Wert von 0% ermittelt; die anderen Magazine erreichen höchstens 2% im Jahr 2002, bei einer geringfügigen statistischen Abnahme von 3% im Jahr 1994 auf 2% im Jahr 2002 bei Focus (1% im Jahr 1999 bei Profil; ebenfalls 1% bei Format im Jahr 1999).101 Ein sehr ähnliches Bild ergibt sich für den Einsatz von Fotos, die größer als eine ½ Berichtseite sind: Wieder finden sich für die US-amerikanischen Magazine die höchsten Werte in dieser Kategorie: 10% aller von Time in den untersuchten Berichten des Jahres 2002 verwendeten Fotos sind größer als eine halbe Seite, 11% der Fotos des Magazins Newsweek. Noch im Jahr 1992 waren es bei Time 4%, bei Newsweek 3%. Der Spiegel und The Economist zeigen auch hier durchgängig für alle untersuchten Jahre den Wert 0%; die übrigen Magazine zeigen im Jahr 2002 für diese Auswertungskategorie alle einen Durchschnittswert von 2%. Eine geringfügige Abnahme der Verwendung von Bildern dieser Kategorie zeigen Profil und Focus, die beide von durchschnittlich 3% auf durchschnittlich 2% verringerten. Im Jahr 1982 weisen alle Magazine einen Wert von 0% auf; 1972 findet sich bei Time der erwähnte Wert von 1%, bei Profil 2%; alle nicht erwähnten Werte betragen für alle Jahre und Magazine 0%.102 Ein zusammenfassendes Bild hinsichtlich der Gestaltungsstrategie ‘Kontrast’ gibt die Kategorie ‘durchschnittlich große Bilder’. Ein hoher Wert in dieser Kategorie läßt erkennen, daß nur wenige Größenvarianten bei der Gestaltung verwendet werden, der Gesamteindruck der Berichterstattung also hinsichtlich dieses Gestaltungsmerkmals ein eher ‘ruhiger’ bzw. gleichförmiger für den Rezipienten ist. Besonders auffällig in dieser Auswertungskategorie sind zwei Werte der aktuellen Hefte: Das Magazin The Economist verwendet nach den erhobenen Daten zu 90% Bilder, deren Größe zwischen 2700 mm2 und 1/3 Seite liegt; das österreichische Magazin Format hingegen nur zu 48%. Beide Werte stellen für die in dieser Kategorie erhobenen Daten einen ausgesprochen hohen bzw. niedrigen Wert dar. Deutlich näher beisammen liegen die übrigen Magazine: Die beiden amerikanischen Magazine Time und Newsweek zeigen sich auch in dieser Kategorie als einander relativ ähnlich; beide bleiben unter der 65% Marke (Time 56%; Newsweek 62%); größere Unterschiede zueinander weisen die beiden deutschen Magazine auf: Der Spiegel 75%; Focus 59%. Deutlich unterschiedliche Wege schlagen in dieser Gestaltungsform offensichtlich die österreichischen Magazine ein, so finden in Profil immerhin zu 67% Bilder durchschnittlicher Größe Verwendung, in Format hingegen nur zu den bereits genannten 48%. Ein Blick auf die Zeitreihe zeigt, daß die statistisch zu beobachtende Verwendung von sehr unterschiedlichen Bildgrößen ein relativ junges Gestaltungsmittel ist. Dies ist sicherlich auf die angesprochenen modernen Möglichkeiten der digitalen Bildverarbeitung zurückzuführen. Alle Werte in der Kategorie zur Verwendung 101 Für einen detaillierten Vergleich siehe die Überblicksdarstellung in Tab. 8 im Anhang der vorliegenden Arbeit. 102 Siehe dazu Tab. 9 im Anhang der vorliegenden Arbeit.
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Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
durchschnittlich großer Bilder liegen für die Magazine, die seit 1972 bestehen, in den Erhebungsjahren 1972, 1982 und 1992 über 73%; der Großteil sogar über 85%. Die jüngeren in die Untersuchung einbezogenen Magazine zeigen eine dem Gesamtbild gegenläufigen Tendenz: Beide Magazine haben den Anteil der durchschnittlich großen Bilder deutlich angehoben: So verwendet Focus in den älteren Heften durchschnittlich nur zu 43%, in den jüngeren Ausgaben immerhin zu 59% durchschnittlich große Bilder. Damit haben sich die deutschen Magazine in dieser Gestaltungsform einander angeglichen: 1992 waren es im Spiegel noch 97% , 1982 98%, 2002 nurmehr 75%. Auch die österreichischen Magazine wurden in dieser Hinsicht einander ähnlicher: Profil 1992 83%, 2002 67% gegenüber Format 1999 40%, 2002 48%.103 Da außer den US-amerikanischen Magazinen alle Magazine nach der vorliegenden Auswertung nur wenige große oder sehr große Bilder für ihre Berichterstattung einsetzen, hat offenbar die Verwendung kleiner Bilder entschieden zu genommen; in der Auswertung der Kategorie ‘kleine Bilder’ in der alle Bilder gezählt wurden, die deutlich kleiner als doppelte Paßbildgröße (genau: 2700 mm2) sind, zeigt sich dieser Trend. So hat etwa Time die Verwendung kleiner Bilder von 15% (1972), 12% (1982), 2% (1992) auf 21% (2002) ausgedehnt; Newsweek von 12% (1972), 11% (1982), 15% (1992) auf 25% (2002). Spiegel und Profil zeigen ebenfalls eine deutliche Zunahme: Spiegel von 10% (1972), 0% (1982), 2% (1992) auf 21% (2002) und Profil von 3% (1972), 4% (1982), 11% (1992) auf immerhin 30% (2002).104 Besonders auffällig bei dieser Auswertung ist, daß sich innerhalb des Anteils kleiner Bilder für das jüngste Jahr der Untersuchung, 2002, ein deutlicher Zuwachs an Bildern findet, die als ‘sehr kleine Bilder‘ bezeichnet werden können. Unter diesem Begriff wurden fotografische Abbildungen zusammengefaßt, deren Größe etwa der einer kleinformatigen Briefmarke entspricht, nämlich 540 mm2; für diese Bildkategorie findet sich bis ins Jahr 1992 unter 2260 vermessenen Bildern nur ein einziges: ein Economist-Bild im Jahr 1992. Anders die Zahlen für das Jahr 2002: Format verwendet dieses Bildformat besonders häufig, es zeigt sich ein Wert von 12%; Profil (7%), Spiegel (6%) und Time (6%) zeigen eine nach Häufigkeit einander ähnelnde Verwendung sehr kleiner Bilder. Die geringsten Werte finden sich für Focus (2%) und Newsweek (1%). Dabei zeigt sich, daß die jüngeren der ausgewerteten Magazine bereits in ihren frühen Heften bei der Gestaltung auf dieses sehr kleine Fotoformat zurückgriffen: Focus 1994 5% und Format 1999 10%. Damit haben sich auch in dieser Darstellungsform die Hefte einander angeglichen. Eine Ausnahme stellt wieder das Magazin Economist dar – bis auf das bereits erwähnte eine Bild dieser Kategorie im Jahr 1992 findet sich durch alle Jahrgänge der Untersuchung kein weiteres sehr kleines Bild im Economist.105
103 Für einen Überblick zu dieser Auswertungskategorie siehe Tab.12 im Anhang der vorliegenden Arbeit. 104 Für einen detaillierten Überblick siehe Tab.10 im Anhang der vorliegenden Arbeit. 105 Für einen detaillierten Überblick zur Entwicklung der Verwendung von sehr kleinen fotografischen Darstellungen siehe Tab. 11 im Anhang der vorliegenden Arbeit.
9 Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
9.4.3
271
Politische Berichterstattung und der Einsatz von Infografiken
Neben fotografischen Bildern sind Infografiken eine für Nachrichtenmagazine wesentliche Abbildungsart. Für einen Überblick über die Entwicklung des Einsatzes dieser Form der bildhaften Darstellung wurde statistisch errechnet, wie hoch der durchschnittliche Anteil der Seiten je Gesamtseiten jedes Magazintitels ist, auf denen eine Infografik vorkommt. Wiederum auffällig zeigt sich der Economist bei der Auswertung der Daten im internationalen Vergleich entlang der Zeitachse: Im britischen Magazin wurden schon in den frühen Jahren der Erhebung relativ viele Informationsgrafiken eingesetzt: Auf 16% der Seiten der politischen Berichterstattung finden sich im Jahr 1972 Infografiken; auf 17% im Jahr 1982; auf 36% im Jahr 1992 und auf 28% im Jahr 2002. Einen ähnlich hohen Wert für das Jahr 2002 zeigt der Spiegel mit 26%. Dabei hat das deutsche Magazin die Verwendung von Infografiken in den letzten Jahren aber deutlich erhöht. Noch im Jahr 1992 beträgt er 8%; im Jahr 1982 3% und im Jahr 1972 nur 2%. Das zweite deutsche Nachrichtenmagazin, Focus, setzt von Beginn an auf das Darstellungsmittel Infografik: bereits im Jahr 1994 finden sich auf 27% aller Berichtseiten Informationsgrafiken; im Jahr 2002 auf immerhin 35% aller Seiten – womit Focus für die jüngeren Hefte den eindeutig höchsten Wert aufweist. Einander sehr ähnlich sind sich, bezogen auf diese Erhebungskategorie, die österreichischen Magazine: Für beide zeigt sich im Jahr 2002 ein Wert von 17%. Damit bleibt Format gegenüber 1999 unverändert, Profil steigerte die Verwendung dieser visuellen Informationsmöglichkeit von 0% im Jahr 1972, 1% im Jahr 1982 und 9% im Jahr 1992 deutlich. Mit weitem Abstand am seltensten werden Informationsgrafiken in den US-amerikanischen Magazinen eingesetzt, die sich auch in dieser Kategorie als einander sehr ähnlich zeigen: Beide weisen im Jahr 2002 6% aus, in beiden finden sich aber Informationsgrafiken auch in allen anderen Jahrgängen der Untersuchung.106 Damit zeigt sich, daß sich der ‘Trend Infografik’ vor allem bei den österreichischen und deutschen Magazinen feststellen läßt. Diese übertreffen bei der Verwendung von Schaubildern die US-amerikanischen Magazine heute bei weitem.
9.4.4
Politische Berichterstattung und die Verwendung von bildhaften Darstellungen allgemein
Für eine weitere Verdeutlichung der Entwicklung der visuellen Gestaltung von Nachrichtenmagazinen wurden verschiedene Arten der bildhaften Darstellung in eine Auswertungskategorie zusammengefaßt: Fotografien, Illustrationen und Informationsgrafiken. Dies erfolgte ausgehend von der bereits mehrmals angesprochenen These, daß Variantenreichtum eine zentrale Gestaltungsrichtlinie für Nachrichtenmagazine darstellt, eine tatsächliche Messung zur Tendenz in Richtung ‘mehr bildhafte Darstellung’ somit nur unter Einbeziehung aller Möglichkeiten der bildhaften Informationsvermittlung erfolgen kann. 106 Für einen detaillierten Überblick zur Entwicklung der Infografikverwendung siehe Tab. 13 im Anhang der vorliegenden Arbeit.
272
Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
Eine Sonderstellung nimmt auch in dieser Auswertung das Nachrichtenmagazin The Economist ein: Nahezu konstant zeigt sich über alle Untersuchungsjahre hinweg ein besonders niedriger Wert von rund einem Bild je Bericht. Eine demgegenüber hervorstechende Entwicklung ist beim Nachrichtenmagazin der Spiegel feststellbar: Hier wurde der Einsatz von Bildmaterial bei der Berichtgestaltung 2002 gegenüber 1972 praktisch verdoppelt. So konnte für das Jahr 2002 ein durchschnittlicher Wert von 4 Bildelementen je Bericht erhoben werden, 1972 betrug dieser Wert 2,1. Eine ähnliche Entwicklung zeigt das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek, das seine Bildverwendung innerhalb der 30 Jahre der Untersuchung kontinuierlich von 1,5 im Jahr 1972 auf 1,8 1982, 2,3 im Jahr 1992 und schließlich 3,0 2002 ausgedehnt hat. Dieser Wert von 3,0 Bildern je Bericht bei Newsweek zeigt wiederum eine erstaunliche Übereinstimmung mit dem Wert für das Jahr 2002 von Time: auch hier werden je Bericht durchschnittlich 3,0 Bildelemente eingesetzt (wobei auch der Wert der Berichtlängen, wie ausgeführt wurde, für beide Magazine nahe beieinander liegt, nämlich bei 2,2 für Time und 2,0 für Newsweek). Weniger Übereinstimmung wiederum bei den deutschen Magazinen: In diesem Vergleich übertrifft Focus das Magazin Der Spiegel bei weitem, nämlich mit durchschnittlich 6,4 Bildern je Bericht gegenüber den genannten 4,0 des Spiegel. Beide österreichischen Magazine liegen mit ihren Werten zwischen den deutschen: Profil verwendet 5,0 Bildelemente pro Bericht, Format 4,5. Dabei ist bei Profil ebenso wie bei den anderen „alten“ Magazinen eine deutliche Steigerung der Bildverwendung zu verzeichnen: Waren es im Jahr 1972 3,4 Bildelemente, so waren es 2002 bereits 5,0.107 Auch in dieser Auswertungskategorie werden die amerikanischen Magazine von den europäischen weit übertroffen, was allerdings nach einem Blick auf die Werte bezüglich der Fotogrößen nicht verwundert: die amerikanischen verwenden zwar statistisch gesehen deutlich weniger Bildelemente als die deutschen und österreichischen Magazine, die verwendeten Bilder sind aber durchschnittlich bedeutend größer. Auch in diesem Zusammenhang ist es interessant, die erhobenen Daten auf die Auswertungsebene ‘Seite’ umzulegen, also die Entwicklung von Berichtslängen und visueller Gestaltung aufeinander zu beziehen. Es zeigt sich folgendes: Kaum Veränderungen auf der Zeitachse sind für die Magazine Time, Newsweek und Economist feststellbar, wobei sich die Verwendung von Bildelementen je Seite für die USamerikanischen Magazine tendenziell sogar geringfügig verringert: Time setzte pro Seite im Jahr 1972 1,8 Elemente ein, 2002 1,4; Newsweek 1972 1,6, 1982 1,7, 1992 1,6 und 2002 1,5. Bei der Beurteilung dieser Werte gilt es aber wiederum zu berücksichtigen, daß sich bei beiden Magazinen eine Entwicklung hin zur Verwendung größerer Bilder verzeichnen läßt. Der britische Economist weist die geringste Bildverwendung auf, nämlich 1,1 im Jahr 1972, 1,0 1982, 1,5 im Jahr 1992 und 1,2 2002. Dieser Wert ist wiederum mit den ermittelten Werten zur Bildgröße in Verbindung zu setzen, die zeigen, daß bei The Economist im Vergleich zu den anderen Magazinen durchschnittlich die kleinsten Bilder verwendet werden; auch sind die Berichte des Economist in markantem Ausmaß die kürzesten, nämlich im Schnitt kürzer als eine Seite. Für die Magazine Der Spiegel, Profil und Focus ist anhand der 107 Einen detaillierten Überblick zu dieser Auswertungskategorie bietet Tab. 15 im Anhang der vorliegenden Arbeit.
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273
erhobenen Daten jeweils eine Zunahme an verwendeten Bildelementen ablesbar: Für das Magazin Der Spiegel im Vergleich von 1972 und 2002 von 1,6 auf 2,1; für Profil von 1,4 auf 2,6 und für das Magazin Focus von 2,8 auf 3,2. Das österreichische Magazin Format hat hingegen in den drei Jahren von 1999 bis 2002 seine Bildverwendung von 3,3 auf 2,7 je Seite reduziert.108
9.4.5 Politische Berichterstattung und ‘visuelle Blickfänger’ Der These folgend, daß die Informationsvermittlung auf der ‘zweiten Rezeptionsebene’ nicht nur anhand visueller Darstellungen wie Illustrationen, Fotografien und Informationsgrafiken erfolgt, sondern auch andere „schnell rezipierbare“ Elemente dafür eingesetzt werden, wurde die Auswertungskategorie ‘visuelle Blickfänger’ gebildet. Für diese Kategorie wurden, wie weiter oben beschrieben, die Gestaltungselemente Fotos, Illustrationen, Schaubilder, Überschriften, Untertitel, Einführungstexte, Zwischentitel, Bildtexte und kleine Informationskästen zusammengefaßt. Wiederum wurde eine Auswertung der Daten sowohl für die Analyseeinheit ‘Seite’ als auch für die Analyseeinheit ‘Bericht’ vorgenommen. Die Ergebnisse der Auswertungsebene ‘Seite’ zeigen sich als sehr unterschiedlich, wobei auch hier festzustellen ist, daß sich die US-amerikanischen Magazine in eine andere Richtung entwickeln als die in der Untersuchung berücksichtigten europäischen Magazine. So nahm die Verwendung von visuellen Blickfängern je Seite bei den amerikanischen Magazinen tendenziell ab, bei den europäischen Magazinen hingegen zu – dies aber wiederum in unterschiedlichem Ausmaß.109 -
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Time zeigt eine Abnahme visueller Blickfänger je Seite von 5,4 im Jahr 1972 auf 4.3 im Jahr 2002; Newsweek von 4,6 auf 4,2. Damit erweisen sich die USamerikanischen Magazine in den jüngeren Jahren auch hier als einander sehr ähnlich. Das Nachrichtenmagazin The Economist zeigt eine Zunahme visueller Blickfänger von 4,3 1972, ebenfalls 4,3 im Jahr 1982, 1992 4,7 auf immerhin 5,6 im Jahr 2002. Dabei zeigt sich bei einer detaillierten Auswertung, daß diese Zunahme vor allem durch eine vermehrte Verwendung von so genannten ‘Lead-Texten’, also Texten, die Berichte zu Beginn der ausführlichen Berichterstattung in knapper Form zusammenfassen und so eine Inhaltsangabe liefern, zustande kommt. Diese Form der Informationsvermittlung findet sich im Economist des Auswertungszeitraums 1972 bei 10% aller Berichte, 1982 bei ebenfalls 10%, 1992 bereits bei 18% und 2002 bei 96% aller Berichte. Der deutsche Spiegel erhöht die Verwendung visueller Blickfänger je Seite von 4,0 in den Jahren 1982 und 1992 auf 5,3, wobei sich ein ähnlicher Wert wie im Jahr 2002 bereits 1972 findet. In beiden Jahren der Auswertung ergeben sich diese Werte vor allem aus einer gegenüber den anderen Jahren vermehrten Verwendung von Zwischentiteln und Lead-Texten.
108 Für einen detaillierten Überblick zur Entwicklung der Verwendung von Bildelementen je Seite siehe Tab. 14 im Anhang der vorliegenden Arbeit. 109 vgl. dazu Tab. 16 im Anhang der vorliegenden Arbeit.
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Auch Focus setzt in den jüngeren Ausgaben der Auswertung vermehrt Zwischentitel und Lead-Texte in der Informationsvermittlung ein und erhöht so die Anzahl visueller Blickfänger je Seite von durchschnittlich 8,0 auf 8,7. Für das österreichische Magazin Profil ist der markanteste Zuwachs von visuellen Blickfängern je Seite zu verzeichnen. Wurden 1972 durchschnittlich 3,8 Elemente dieser Kategorie je Seite eingesetzt, so waren es 2002 6,4. Auch hier zeigt sich eine starke Zunahme von Zwischentiteln je Seite: 1972 finden sich praktisch keine Zwischentitel bei der Seitengestaltung, 2002 sind statistisch gesehen 29% aller Seiten mit Zwischentiteln gestaltet. Auch der Einsatz von Lead-Texten erhöhte sich deutlich, so wird im Jahr 1972 praktisch kein Bericht durch einen Lead-Text eingeleitet, 2002 praktisch alle.110 Das zweite österreichische Nachrichtenmagazin, Format, zeigt in dieser Auswertungskategorie eine ähnliche Entwicklung wie auch in anderen Kategorien: Die Verwendung visueller Elemente je Seite wurde verringert. So betrug der Wert 1999 noch 9,0 Elemente je Seite, 2002 hingegen nur noch 7,6. Aber wie in anderen Magazinen zeigt sich auch bei Format eine Zunahme der Verwendung von Zwischentiteln, tendenziell reduziert wurde hingegen die Verwendung von Illustrationen und Fotos; Informationsgrafiken wurden aber durchschnittlich im selben Ausmaß eingesetzt.
Die Auswertung der Daten zum Einsatz visueller Blickfänger auf der Analyseebene ‘Bericht’ ermöglicht einen interessanten Vergleich der einzelnen Magazine und eine Einschätzung der Entwicklung der Form der Berichterstattung. So zeigt sich für alle untersuchten Magazine ein deutlicher Anstieg der Verwendung visueller Blickfänger bei der Gestaltung der einzelnen Berichte. Damit läßt sich sehr allgemein sagen, daß die Gestaltung der Hefte kontrastreicher geworden ist. Neben dem Fließtext finden sich zahlreiche Elemente unterschiedlicher Art, die allerdings eine Eigenschaft gemeinsam haben: Sie gehören einer Kategorie von Informationsträgern an, von der allgemein erwartet wird, daß sie die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf sich richten, bevor dieser sich dem Text zuwendet. Der deutliche Zuwachs des Einsatzes dieser Elemente läßt darauf schließen, daß auf der so gebildeten Berichtsebene relativ umfangreiche Informationen vermittelt werden, sie also eine zweite, parallele ‘Erzählebene’ darstellen. Besonders ausgeprägt ist diese beim deutschen Nachrichtenmagazin Focus. Für dieses wurde 2002 eine durchschnittliche Anzahl visueller Blickfänger pro Bericht von 17,7 Elementen ermittelt. Damit hat es den Einsatz dieser Gestaltungsbausteine gegenüber dem Jahr 1994 (13,7) nochmals deutlich erhöht. Von keinem anderen Magazin wurde in dieser Auswertungskategorie ein ähnlich hoher Wert erreicht. Der 110 Für einen detaillierten Überblick zur Verwendung von Zwischentiteln siehe Tab. 18 im Anhang der vorliegenden Arbeit; für die Entwicklung der Verwendung von Lead-Texten Tab. 19. Die auf den ersten Blick irritierenden Daten, die einen Wert von über 100% ausweisen, erklären sich daraus, daß – wie in Tab. 20 ersichtlich – eine teils markante Zunahme von sogenannten Kastenelementen zu verzeichnen ist. So die Berichte, die in gerahmter Form präsentiert werden, in den Inhaltsverzeichnissen nicht als eigene Berichte ausgewiesen wurden, wurden sie als visuelle Blickfänger (ähnlich LeadTexten) gewertet. Wurden diese Textinformationen wie Berichte durch Lead-Texte eingeleitet, so fanden sie Eingang in die Auswertung, woraus sich teils eine über 100%-Verwendung von LeadTexten je Bericht ergibt.
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nächsthöchste Wert wurde von den österreichischen Magazinen erzielt, die sehr ähnliche Zahlen zeigen, nämlich Profil 12,5 und Format 12,6. Damit hat sich Profil tendenziell der Gestaltung von Format angenähert, das bereits 1999 durchschnittlich 11,9 Elemente je Bericht verwendete. Die Werte von Time und Newsweek liegen deutlich unter den bisher genannten, und sie sind in dieser Kategorie einander weniger ähnlich als in anderen: So weist Time im Jahr 2002 durchschnittlich 9,6 Elemente auf, Newsweek 8,4. Dabei fällt auf, daß Time deutlich mehr Zwischentitel setzt als Newsweek (48% aller Time-Seiten weisen einen Zwischentitel auf, aber nur 34% aller Newsweek-Seiten). Ebenfalls deutlich öfter finden sich bei Time Bilder mit ihnen erkennbar zugeordneten Bildtexten (72% aller in Time veröffentlichten Bilder sind mit Bildtext versehen, aber nur 53% aller Newsweek-Bilder). Den mit Abstand geringsten Wert in dieser Kategorie zeigt The Economist mit 4,5 Elementen. Aber auch für dieses Magazin gilt, daß der Einsatz visueller Elementen je Bericht über die letzten 30 Jahre zugenommen hat: 1972 durchschnittlich 3,4 Elemente; 1982 3,3 und 1992 3,8.111 Was sich für alle Magazine zeigt, ist, daß in jüngeren öfter große Headlines gesetzt werden als in den älteren Heften.112
9.4.6 Politische Berichterstattung und der Einsatz wörtlicher Zitate in der visuellen Nachrichtenaufbereitung Ein Ausdrucksmittel, das in den einzelnen Magazinen in sehr unterschiedlichem Ausmaß eingesetzt wird, sind wörtliche Zitate als Zwischentitel oder Bildtexte. Besonders häufig wird dieses Gestaltungselement von Profil in den Jahren 1992 und 2002 eingesetzt. So sind im Jahr 1992 in diesem Magazin 100% aller verwendeten Zwischentitel wörtliche Zitate (wobei sich in allen ausgewerteten Berichten dieses Jahres zusammen nur 5 Zwischentitel finden). Im Jahre 2002 (für das insgesamt 56 Zwischentitel gezählt wurden) sind es 91%. Interessant ist, daß sich wörtliche Zitate in Zwischentiteln außer beim Spiegel im Jahr 1972 in den beiden frühen Jahren der Auswertung in keinem Magazin finden, im Jahr 1992 (bzw. 1994 und 1999 für Focus und Format) hingegen besonders häufig: Beim Spiegel sind 82% aller Zwischentitel wörtliche Zitate, bei Focus 90%, Profil 100% und Format 65%. Für das Jahr 2002 läßt sich für alle Magazine ein – teils markanter – Zuwachs der Verwendung von Zwischentiteln feststellen. Der Einsatz wörtlicher Zitate in diesem Textstrukturierungs-Baustein wurde bei den österreichischen und deutschen Magazinen verringert, bei den US-amerikanischen deutlich erhöht. Economist setzt zur Textstrukturierung zwar Zwischentitel ein, keiner von diesen ist aber als wörtliches Zitat erkennbar.113
111 vgl. dazu: Die Entwicklung der Verwendung von visuellen Blickfängern je Bericht Tab. 17 im Anhang der vorliegenden Arbeit; die Entwicklung der Verwendung von Zwischentiteln Tab. 18; die Entwicklung der Verwendung von Lead-Texten Tab. 19; die Entwicklung der Verwendung von Bildtexten Tab. 23. 112 Für einen detaillierten Überblick zur Entwicklung der Verwendung von großen Headlines vgl. Tab. 28 und Tab. 29 im Anhang der vorliegenden Arbeit. Für Tab. 29 gilt bezüglich Werten über 100%, was bereits im Zusammenhang mit Tab. 19 ausgeführt wurde (siehe Fußnote 109 in diesem Abschnitt). 113 Einen detaillierten Überblick bietet Tab. 25 im Anhang der vorliegenden Arbeit.
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Die visuelle Aufbereitung politischer Berichterstattung in Nachrichtenmagazinen
Auch als Bildtext werden von The Economist keine wörtlichen Zitate verwendet, bei Time und Newsweek finden sich wörtliche Zitate als Bildtext sehr selten: Bei Time sind es 1972 1% aller Bildtexte, 1982 4%, 1992 3%, 2002 0%; bei Newsweek 1972 4%, 1982 3%, 1992 5% und 2002 wie bei Time 0%. Am häufigsten finden sich Zitate in Bildtexten beim deutschen Spiegel, und dies in allen untersuchten Jahrgängen – allerdings mit zuletzt abnehmender Tendenz: 1972 41%, 1982 45%, 1992 44% und 2002 30%. Focus verwendet diese Darstellungsform ähnlich selten wie die amerikanischen Magazine (1994 7%, 2002 4%). Die österreichischen Nachrichtenmagazine liegen mit ihren Werten zwischen den bereits genannten: Format 1999 16%, 2002 19%; Profil 28% im Jahr 1972, 15% im Jahr 1982, 28% im Jahr 1992 und 22% im Jahr 2002. Da sich aber die Bildverwendung bei Profil im Jahr 2002 deutlich erhöht hat (65% aller Bilder weisen im Profil des Jahres 2002 Bildtexte auf, 435 Bilder wurden insgesamt gezählt; 1992 konnten 148 Bilder gezählt werden, von denen 76% mit Bildtext versehen waren), trifft der Rezipient in diesem Jahr viel öfter auf Zitate in Bildtexten als in den früheren Jahrgängen.114
9.4.7 Politische Berichterstattung und die Darstellungsform ‘Interview’ Kein eindeutiger Trend entlang der Zeitachse ist anhand der Daten zur Untersuchungskategorie ‘Interview’ feststellbar. Erhoben wurde die Zahl der Seiten, die sich dieser visuell leicht identifizierbaren journalistischen Darstellungsform widmen. Was sich dabei zeigt, ist eine große Übereinstimmung zwischen den jeweils miteinander konkurrierenden Magazinen bei gleichzeitiger Differenz zwischen den Magazinen, geordnet nach Ländern. So sind in Time im Jahr 2002 1% aller Berichtsseiten Interviewseiten, in Newsweek 1,9%; in den deutschen Magazinen Spiegel und Focus sind es 6,1% gegenüber 7,2% und in den österreichischen Magazinen 12,2% (Profil) und 13,4% (Format). Dabei haben die Interviewseiten bei Profil von 1972 bis 2002 von 0% auf 6% bis 8,4% und 12,2% zugenommen, bei Format wurden sie gegenüber 1999 im Durchschnitt leicht verringert (von 14,8% auf 13,4%). Time und Newsweek zeigen sehr ähnliche Werte über alle Untersuchungsjahre und der Spiegel relativ große Schwankungen: 10,6% 1972, 6,6% 1982, 12% 1992 und 6,1% 2002. Über alle Erhebungsjahre hinweg 0% Interviewseiten sind beim Economist zu finden, womit sich das britische Magazin wiederum deutlich von den anderen Publikationen unterscheidet.115
9.4.8 Politische Berichterstattung im Überblick – Die ‘Kurznachricht’ als Form der Berichterstattung Sehr wohl als Trend zeigt sich der Einsatz von sogenannten ‘Panorama-Seiten’ im Rahmen der politischen Berichterstattung, bei dem für alle ausgewerteten Magazine ein Zuwachs feststellbar ist.
114 siehe dazu Tab. 23 und Tab. 24 im Anhang der vorliegenden Arbeit. 115 siehe dazu Tab. 26 im Anhang der vorliegenden Arbeit
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So war im Jahr 1972 durchschnittlich nur jede 14. Seite der einbezogenen Ressorts von Time eine Panoramaseite, 2002 war es bereits jede 6. Seite. Ähnlich bei Newsweek: 1972 jede 14. Seite, 2002 jede 7. Seite. Im Economist der Jahre 1972 und 1982 fand sich keine Seite dieser Art, im Jahr 1992 war jede 37. Seite eine Überblicksseite, im Jahr 2002 bereits jede 18. Am deutlichsten hat sich der Spiegel in Richtung ‘Panorama-Seiten Verwendung’ verändert: Die Anzahl dieser Seiten stieg von jede 29. Seite in den Jahren 1982 und 1992 auf jede 7. Seite im Jahr 2002. Damit ist der Spiegel-Wert in dieser Kategorie für das Jahr 2002 derselbe wie im zweiten deutschen Magazin, Focus, nämlich 7; auch hier ein Anstieg, denn für das Jahr 1994 liegt dieser Wert bei 9. Ebenfalls ein vermehrter Einsatz von Panorama-Seiten findet sich in den österreichischen Magazinen: Bei Profil findet sich eine Erhöhung von statistisch gesehen keiner Seite dieser Kategorie auf einen Wert von jeder 10. Seite; bei Format von jeder 13. Seite 1999 auf jede 8. Seite im Jahr 2002. Damit liegen die Werte 2002 für alle Magazine außer The Economist relativ nahe beieinander, nämlich zwischen jede 6. Seite bei Time, jede 7. Seite bei Newsweek, Spiegel und Focus, jede 8. Seite bei Format und jede 10. Seite bei Profil116. Dabei zeigt sich bezüglich der Gestaltung der Panoramaseiten durch den Einsatz von ‘visuellen Blickfängern’ ebenfalls ein Trend, wenn auch weniger durchgängig: Die Magazine, die auch in den frühen Jahren Panorama-Seiten boten, verwenden im Jahr 2002 deutlich mehr visuelle Blickfänger bei der Gestaltung von Panoramaseiten als in den Jahren 1972 und 1982: Time im Jahr 2002 im Schnitt 17,2 Elemente dieser Kategorie gegenüber 9,0 im Jahr 1972, Newsweek 10,7 gegenüber 7,3, Spiegel 11,8 gegenüber 9,3 und Profil 17,8 gegenüber 9,1. Diese Ausdehnung erfolgte sowohl durch den vermehrten Einsatz von Bildelementen als auch durch die häufigere Verwendung von Überschriften und anderen Elementen der Textgliederung.117 Ebenfalls interessant für Entwicklung der Nachrichtenvermittlung in Form von Kurzmitteilungen ist der Blick auf die Verwendung von sogenannten ‘Kastenelementen’, also Texten, die durch eine Rahmung oder eine farbige Fläche von den übrigen Texten abgehoben werden. Für die Untersuchung der Entwicklung dieser Form der visuellen Aufbereitung wurden drei Analyseebenen gebildet: Es wurde (1) festgestellt, wie hoch jeweils der Anteil der Seiten der politischen Berichterstattung ist, auf dem Kastenelemente vorkommen. Es wurde (2) erhoben, wieviele Seiten sehr kleine Kastenelemente (bis 1/6 Seite) zeigen, und es wurde (3) die durchschnittliche Größe der Kastenelemente errechnet, die größer als 1/6 Seite sind. Alle Erhebungen wurden wiederum für alle Magazine und alle Jahrgänge der Untersuchung durchgeführt. Dabei ergab sich ein sehr unterschiedliches Bild für die einzelnen Magazintitel. Daß anhand der erhobenen Daten kein eindeutiger Trend hin zu mehr Kastenelementen feststellbar ist, läßt sich vielleicht folgendermaßen erklären: Die Rahmung von Texteinheiten stellte in den Jahren, in denen die Druckvorlagen der Zeitschriften noch als Papiermontagen erstellt wurden, ein einfaches Mittel dar, das Heft zu gliedern, Texte voneinander abzuheben und einzelne Texteinheiten hervorzuheben. Diese Aufgaben werden, wie in der vorlie116 Siehe dazu Tab. 27 im Anhang der vorliegenden Arbeit 117 Zur Entwicklung der Verwendung von visuellen Blickfängern bei der Panorama-Seiten Gestaltung siehe Tab. 30; zur Verwendung von Bildelementen Tab. 31 und zum Einsatz von Textelementen Tab. 32 im Anhang der vorliegenden Arbeit.
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genden Untersuchung deutlich wurde, in den jüngeren Ausgaben der Magazine von anderen Gestaltungselementen übernommen. Die markantesten Ergebnisse der Auswertung zeigten sich für die jüngsten Magazine der Untersuchung, Focus und Format. In diesen Titeln finden sich zum einen mit Abstand die meisten Kastenelemente (im Jahr 2002 wurden statistisch gesehen auf 50% aller Berichtseiten von Focus Kastenelemente verwendet und auf 52% aller Berichtseiten von Format) und es werden auch mit Abstand die kleinsten Kastenelemente eingesetzt. So werden auf 24% aller Berichtseiten von Focus Kastenelemente präsentiert, die maximal 1/6 Seite groß sind, also nur sehr wenig Text enthalten können; für Format beträgt dieser Wert 18%. Trotz dieser im Vergleich zu den anderen Magazinen sehr hohen Werte (Time 2%, Newsweek 6%, Economist 1%, Spiegel 4%, Profil ebenfalls 4%) läßt sich bei Focus eine Reduzierung der Verwendung sehr kleiner Kastenelemente im Vergleich zum Erhebungsjahr 1994 feststellen, wo dieser Wert noch 35% betrug. Bei der Errechnung der durchschnittlichen Größe der verwendeten Kastenelemente (von dieser Rechnung ausgenommen wurden sehr kleine Kastenelemente bis 1/6 Seite) zeigt sich ebenfalls, daß die Texteinheiten, die von den Magazinen Focus und Format in Kastenelementen geboten werden, im Vergleich zu den anderen Magazinen kurz sind. So nimmt ein solches Element bei Focus im Durchschnitt 40% einer Berichtsseite ein, bei Format 50%. Ein vergleichbarer Wert findet sich nur bei Economist (40%), der diese Aufbereitungsform allerdings besonders selten verwendet, nämlich im Jahr 2002 nur auf 1% aller untersuchten Seiten. Nach Häufigkeit definiert zeigt sich auch bei Profil und Spiegel ein eindeutiger Trend: 40% aller erfaßten Seiten des Jahres 2002 zeigen bei Profil Kastenelemente; in den Jahren 1972 bis 1992 waren es 22%, 30% und 17%; beim Magazin Der Spiegel waren es 6% aller Seiten in den Jahren 1972 und 1982, 10% im Jahr 1992 und immerhin 17% im Jahr 2002. Auch für diese Magazine läßt sich eine Entwicklung hin zur Verwendung kleinerer Kastenelemente feststellen.118
9.5
Zusammenfassung und kommentierte Bildbeispiele
Die vorgenommene Auswertung zeigt, daß von den einzelnen Magazinen sehr unterschiedliche Wege der visuellen Gestaltung beschritten werden. Für alle Magazine außer dem britischen Economist ist jedoch feststellbar, daß auf der Auswertungsebene ‘Bericht’ ein markanter Zuwachs von Informationen zu verzeichnen ist, die dem Rezipienten auf der hier so genannten ‘zweiten Erzählebene’ Nachrichten vermitteln. Damit konnte der allgemein angenommene Trend zur ‘Kurzinformation’ empirisch bestätigt werden, wobei diese Vermittlungsstrategie differenziert zu betrachten ist: Dem Magazinleser wird eine zweite „schnell“ rezipierbare Ebene angeboten, die aus verschiedenen Arten von visuellen Elementen gebildet wird und der offensichtlich mehrere Funktionen zukommen. Allgemein kann angenommen werden, daß sich die einzelnen Titel durch dieses Angebot als ‘zeitgemäß’ zu erkennen geben – sie folgen in früheren Kapiteln aus118 Für einen detaillierten Überblick zu den Entwicklungen siehe Tab. 20, Tab. 21 und Tab. 22 im Anhang der vorliegenden Arbeit.
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führlich besprochenen Trends – wie der allgemeinen Medienentwicklung hin zu ‘mehr Bild’ oder auch der Entwicklung des Journalismus in Richtung ‘ServiceFunktion’: Nachrichten werden in unterschiedlichster Form bereitgestellt, der Rezipient kann aus diesem Angebot wählen. Die visuell vermittelte Wahlmöglichkeit für den Leser besteht vor allem darin, entscheiden zu können, wie intensiv er sich mit einem angebotenen Thema auseinandersetzen will, welche „Informationstiefe“ er beanspruchen möchte.119 Darüber hinaus wird der Service-Funktion entsprochen, indem durch die visuelle Aufbereitung der Inhalte dem Leser suggeriert wird, sich einen schnellen Überblick über die jeweiligen Offerte des Magazins und – definiert durch den Anspruch der Magazine, eine umfassende Informationsfunktion zu erfüllen – auch über die „Weltlage“ verschaffen zu können. Gleichzeitig ist – folgt man den bisherigen Ausführungen der vorliegenden Arbeit – davon auszugehen, daß sich die einzelnen Magazine über die Art ihres Einsatzes der visuellen Elemente umfassend in ihrer Kommunikator-Charakteristik definieren. Hier folgt aus der aufgezeigten quantitativen Zunahme: Werden mehr visuelle Elemente verwendet, so kann diese Selbstdefinition differenzierter erfolgen. Salopp und nochmals mit dem Bild des Fernsehnachrichten-Moderators gesprochen: Die Möglichkeit der Selbstkundgabe durch visuelle Zeichen geht über die Wahl der Krawatte, die zum dunklen Anzug getragen wird, hinaus. So wird es dem Kommunikator ‘Nachrichtenmagazin’ möglich, ein facettenreiches Bild seiner selbst zu geben. Dabei zeigt sich, daß bei konkurrierenden Magazinen zwei unterschiedliche Wege eingeschlagen werden: Die untersuchten deutschen und österreichischen Nachrichtenmagazine scheinen darauf zu setzen, sich trotz einer Orientierung an angesprochenen Trends in ihrem visuellen Auftritt markant voneinander abzuheben, für die US-amerikanischen Magazine läßt sich hingegen in mehreren Untersuchungskategorien große Übereinstimmung feststellen. Als weitere Aufgabe kommt visuellen Elementen traditionell die Funktion zu, den Leser für das inhaltliche Angebot des jeweiligen Heftes zu gewinnen – durch den Einsatz von Bildmaterial wurde, wie im Laufe der Arbeit ausgeführt wurde, schon immer versucht, das Interesse der Rezipienten am geschriebenen Text zu wecken. Hier gilt – ebenso wie bezogen auf die Funktionsebene der Selbstkundgabe –, daß eine deutliche Zunahme der Verwendung visueller Elemente neue Möglichkeiten im Rahmen dieser Aufgabenstellung eröffnet. Dabei ist, wie in Kapitel 8 ausgeführt, davon auszugehen, daß die einzelnen Bildelemente von den Gestaltern hinsichtlich ihrer Beziehung zueinander ausgewählt werden, die jewieligen Bilder also in umfassende Kontexte gesetzt werden, die wiederum als Zeichen bzw. als „Erzählung“ zu verstehen sind. Daß diese Strategie der „visuellen Erzählung“ nicht nur in den theoretischen Ausführungen des Fachs ‘visuelle Mediengestaltung’, sondern auch in der Gestaltungspraxis ihre Umsetzung finden, wurde anhand ausgewählter Beispiele belegt. Allgemein zeigt sich hinsichtlich des strategischen Bildeinsatzes, daß sich die Gestaltungsstrategien ‘Kontrast’ und ‘Vielfalt’ als besonders bedeutsam herausstellen. Damit
119
Inwieweit diesem Trend auch durch „Themenvielfalt“ bzw. eine Aufnahme von neuen Themenbereichen in die Berichterstattung entsprochen wird, war nicht Thema der vorliegenden Untersuchung. Dieser Frage müßte mit einem anderen Untersuchungsdesign nachgegangen werden, das etwa die Angebote verschiedener ‘Ressorts’ der Berichterstattung oder auch die Themenbreite innerhalb dieser Ressorts auf Veränderungen untersucht.
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werden offenbar mehrere zentrale Ziele verfolgt: Einerseits stellt diese Art der Vermittlung, wie in Kapitel 8 dargestellt wurde, für Nachrichtenmedien einen Weg dar, um die von ihnen vermittelten Informationen als ‘authentisch’ auszuweisen. Weiters wird eine umfassende Berichterstattung suggeriert. Auch kann über ein vielfältiges Angebot dem Unterhaltungs- und Abwechslungsanspruch entsprochen werden. Die Auswahl, Zusammenstellung und Anordnung der Bildelemente folgt dabei, wie gezeigt wurde, nicht dem „Zufall“. Vielmehr wird die Kombination bewußt vorgenommen und auf diesem Weg sowohl eine Erzählstruktur als auch eine Blattlinie kreiert, die den Kommunikator in der Rolle, in der er wahrgenommen werden möchte, näher beschreibt. Es werden damit aber auch Aussagen getroffen, die über die Inhalte der einzelnen Bilder hinausgehen. Für die strategiegeleitete Zusammenstellung von visuellen Elementen können – je nach Kommunikationsziel – unterschiedliche Wege eingeschlagen werden, die von den untersuchten Magazinen zum großen Teil auch genutzt werden. Welche Schlußfolgerungen aus den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit für wietere Untersuchungen zum Thema visuelle Politikvermittlung gezogen werden können, soll in einer abschließenden Zusammenschau im folgenden Kapitel ausgeführt werden. Zuvor sollen einige der in diesem und in Kapitel 8 angesprochenen Gestaltungsstrategien durch kommentierte Bildbeispiele zusätzlich veranschaulicht werden.
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Abb. 1 (The Economist 29.06.2002)
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Abb. 2 (The Economist 29.06.2002)
Abb. 3 (The Economist 27.02.2002)
Das britische Magazin The Economist hebt sich, wie auch die quantitative Erhebung erbrachte, in seiner visuellen Gestaltung stark von den amerikanischen, deutschen und österreichischen Titeln ab. So werden z.B. im Economist des Jahres 2002 im Schnitt nur 0,6 fotografische Bilder je Berichtseite verwendet. Die in Abbildung 1 und Abbildung 2 vorgestellten Bildbeispiele zeigen eine Art des Bildeinsatzes, der für das Magazin als typisch gelten kann: Das 2-spaltige (im Original farbige) Bild ohne Bildtext, das jeweils für die Eröffnung eines Berichtres-
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sorts auf einer rechten Seite links oben gesetzt wird. Rechts daneben angeordnet jeweils ein kurzer Überblick über die in diesem Abschnitt des Heftes folgenden Berichte. Die in dieser Art gestalteten Ressort-Eröffnungsseiten fungieren als Fixpunkte, die das Heft strukturieren und eine visuelle Konstante bilden. Konsequent zeigt sich der Economist auch bei der Gestaltung der anderen Berichtseiten: Alle Bildbreiten sind auf den Spaltenraster abgestimmt – wie in Kapitel 8 ausgeführt, eine Möglichkeit, dem Heft eine ruhige Gesamtwirkung zu geben. Äußerst selten sind die verwendeten Bilder größer als die hier vorgestellten; vielfach werden Bilder präsentiert, die nur eine Textspalte breit sind. Die Bildtexte sind meist sehr kurz, oft fehlen sie ganz (bei 36% aller Bilder im Jahr 2002). Abbildung 3 präsentiert eine Doppelseite des Economist, die nochmals die markanten Gestaltungsmuster des Magazins zeigt: ein dichter Layout-Raster; im Vergleich zu den anderen Magazinen kurze Berichte; wenige kleine Fotos, viele, eher kleine Infografiken; durchgängig ähnlich gestaltete Berichtanfänge mit in relativ kleinen Lettern gesetzten Überschriften und kurzen Leadtexten. Die Größe der Headlines der Economist-Berichte wird ebenfalls konsequent durchgehalten, auch hier zeigt sich das Heft „ruhig”. Die Strategie, die The Economist verwendet, um wichtige Headlines hervorzuheben, ist nicht, sie in großen Lettern zu setzen: Sie werden von viel weißem Raum umgeben und ziehen so im ansonsten dichten Layout, das sich aus den auf Spaltenbreite gehaltenen Bildern und knapp gehaltenen Seitenrändern ergibt, Aufmerksamkeit auf sich. Wie gezeigt wurde, finden sich im Economist sehr viel häufiger als in anderen Magazinen Illustrationen, aber auch die fotografischen Bilder bekommen, da sie vielfach ohne Bildtext und in sehr kleinem Format eingesetzt werden, oft den Charakter einer Illustration.
Abb. 4 (Time 02.12.2002)
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Einen starken Kontrast zur Gestaltung des Economist stellt das Layout der amerikanischen Magazine dar. Abbildung 4 zeigt ein typisches Beispiel für das Design der Eröffnungsseiten eines längeren Berichts aus dem Magazin Time. Wie die statistische Auswertung zeigt, werden in den beiden amerikanischen Magazinen häufiger große Fotos verwendet als in den anderen Magazinen der Untersuchung. Darüber hinaus werden Headlines vielfach sehr groß gesetzt und typografisch und farbig jeweils eigens gestaltet. Auch Newsweek setzt auf die Aussagekraft einzelner, groß aufgemachter Bilder. Die auf dieser und der nächsten Seite vorgestellten Doppelseiten lassen erkennen, daß Newsweek, obwohl es im Vergleich zu den deutschen und österreichischen Magazinen pro Bericht eine geringere Anzahl visueller Elemente verwendet, der visuellen Vermittlung eine hohe Priorität zuerkennt.
Abb. 5 (Newsweek 21.10.2002)
Abb. 6 (Newsweek 21.10.2002)
Abb. 7 (Newsweek 21.10.2002)
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Abb. 8 (Newsweek 02.12.2002)
Abb. 9 (Newsweek 02.12.2002)
Abbildung 10 und Abbildung 11 zeigen ebenfalls Beispiele aus Newsweek und verdeutlichen eine Gestaltungsstrategie, die sich – wie die folgenden Seiten zeigen werden – auch in anderen Magazinen immer wieder findet: die Komposition einzelner visueller Elemente zu Bildaussagen, erreicht durch die Auswahl, die Größe, den gezeigten Ausschnitt und die Positionierung der Bilder. Besonders wesentlich dabei ist – wie in Kapitel 8 ausgeführt – die Berücksichtigung der Blickrichtung der dargestellten Personen.
Abb. 10 (Newsweek 02.12.2002)
In Abbildung 10 sieht sich der russische Präsident Putin mit der Aussage „konfrontiert”, die dunkle Seite Russlands zu repräsentieren. Die Wahl des Bildes, das einen indirekten – und somit „heimlichen” – Blick Putins von unten nach oben zeigt, und die Wahl des Bildausschnittes verstärken die Aussage des Bildtextes, der mit der Frage Evil Eye? eingeleitet wird. Die Nähe der beiden Fotos zueinander vermittelt
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eine Gleichzeitigkeit der abgebildeten Geschehnisse: “Während” Putin alleine im Dunkeln sitzend zu sehen ist, scheint in Russland Schreckliches zu geschehen: Das kleine Bild zeigt Militärs sowie verletzte und weinende Zivilisten. Auch die Wahl der Bildgrößen hat Ausdruckskraft: Der Präsident wird groß und damit “mächtig” dargestellt, die vom Geschehen Betroffenen klein und “Größerem” untergeordnet. Interessant ist, was der Leadtext als Hauptaussage des Berichts präsentiert: Vladimir Putin shows a new authoritarianism. That doesn’t seem to bother George W. Bush. Diese Aussage in Kombination mit der Bildwahl läßt einen direkten Zusammenhang zwischen Terroranschlägen und Putins Führungsstil vermuten. Indem der Blick des im Portrait gezeigten Akteurs durch die Anordnung der Elemente auf eines der anderen Bilder gerichtet wird, scheint die Mimik des Dargestellten eine Reaktion auf das „Gesehene” darzustellen. Ebenso in Abbildung 11: Der groß dargestellte und somit zentrale Akteur „betrachtet” von einem zweiten Akteur „beobachtet” einen Demonstranten. Die Aussage der Headline Can Lula Lead? wird durch die Abbildung eines nicht aktiv handelnden, sondern den Vorgängen nur passiv „zusehenden” Führers unterstrichen.
Abb. 11 (Newsweek 21.10.2002)
Die Strategie, durch die Wahl und Anordnung einzelner Bilder diese aufeinander zu beziehen, wird in Abbildung 12 und 13 an zwei Beispielen aus dem österreichischen Magazin Format veranschaulicht. Besonders anhand Abbildung 12 wird deutlich, was im folgenden immer wieder auffallen wird: Die verwendeten Bilder werden offensichtlich unabhängig davon, wann und bei bzw. aus welchem Anlaß sie aufgenommen wurden, nach Kriterein ausgewählt, die von der Gesamtgestaltung eines Berichts bzw. einer Doppelseite bestimmt werden.
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Abb. 12 (Format 07.02.2002)
Wie bei den Beispielen Abb. 10 und Abb. 11 scheint auch hier die Mimik einzelner Abgebildeter eine Reaktion auf andere Elemente der Gestaltung darzustellen. Erscheinen die Akteure des großen Bildes der oberen Doppelseite mit ruhiger Miene (und festem Stand) auf die Textzeile Profilierungssucht und Habgier bzw. das abgebildete Schriftstück bezogen, so erwecken die klein Abgebildeten den Eindruck, auf die ihnen vorangestellten Aussagen des Leadtextes zu reagieren. Dabei scheinen sie „von oben herab” auf die Hauptakteure der Gestaltung (großes Bild) zu schauen bzw. die Reaktion der “Kollegen” (kleines Bild links) abzuwarten. Die Bildkombination in Abbildung 13 bezieht ihre Spannung aus dem Kontrast der Inhalte der beiden großen Bilder: Ein gelassener bis skeptischer Blick ruht auf Skeletten und Totenköpfen. Der Blick der unten rechts abgebildeten Person scheint zwar ebenfalls auf das größte Bild bezogen, doch die Darstellung des zum “Publikum” hin ausgerichteten “Gleichrangigen” (erkennbar an der „gleichrangigen“ Bildgröße) durchbricht die Blickachse. Die Größen der Portraitbilder zeigen auch hier an, wer als zentraler Akteur zu verstehen ist. Die Headline in Abbildung 14 Die Blauen als Lachnummer erfährt ihre optische Umsetzung durch eine Bildkomposition basierend auf der selben Gestaltungsstrategie. Die neue Führungsmannschaft des österreichischen Rundfunks scheint sich bestens über den Klubchef der „blauen” Regierungspartei zu amüsieren. Durch die Wahl der gleichen Bildhöhen, einer ähnlichen Darstellungsgröße der Personen sowie die Nähe der Bilder zueinander wird eine Bildaussage konstruiert: Hinter dem Rücken des in ein Interview Verwickelten wird herzlich gelacht. Die Personen der kleinen Abbildung werden zu Akteuren desselben Ereignisses, indem sie vor demselben Hintergrund wie die lachenden Personen gezeigt werden. Ihre Reaktion scheint aber deutlich verhaltener zu sein: Zwar wird gelächelt, doch man wendet sich ab. Die Bildtexte geben keine Auskunft darüber, bei welchen Ereignissen die Aufnahmen
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gemacht wurden; sie beziehen die Darstellungen auch in keiner Weise aufeinander, grenzen sie allerdings auch nicht durch erklärende Worte voneinander ab.
Abb. 13 (Format 07.02.2002)
Abb. 14 (Format 07.02.2002)
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Abbildung 15 zeigt eine Darstellungsstrategie, die sich – wie anhand weiterer Beispiele zu zeigen sein wird – in der Magazingestaltung ebenfalls vielfach findet: Ein Abgebildeter scheint das Wort an einen oder mehrere der ebenfalls Dargestellten zu richten, deren „Reaktion” erscheint wiederum an deren Mimik bzw. Gestik ablesbar.
Abb. 15 (Der Spiegel 39/2002)
Abb. 16 (Der Spiegel 33/2002)
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Eine Strategie, die sich ebenfalls häufig finden läßt, ist die Gegenüberstellung von demonstrierenden Bürgern und „reagierenden” politischen Akteuren. Abbildung 16 und Abbildung 17 zeigen zwei Beispiele aus dem deutschen Magazin Der Spiegel.
Abb. 17 (Der Spiegel 39/2002)
In Abbildung 18 nochmals die Gegenüberstellung „Bürger/politischer Akteur”, hier aus dem Magazin Profil. Die Anordnung der kleinen Bilder der Profil-Doppelseite zeigt nochmals die Kreation einer Gesprächssituation: Der linke Akteur scheint gelassen bis amüsiert auf die relativ engagiert vorgebrachten Ausführungen seines „Gegenübers” zu reagieren. Die Bildnachweise zeigen allerdings, daß die Bilder von zwei verschiedenen Fotografen aufgenommen wurden, auch die Hintergründe – obwohl farblich ähnlich – weisen bei genauer Betrachtung auf unterschiedliche Szenerien hin. Abbildung 19 wurde dem Spiegel entnommen. Wie in einem früheren Beispiel entsteht die Spannung der Aussage der Bildkombination durch die Kontraste der Inhalte der einzelnen Bilder. Ein Grab und ein Trauerzug – beides Abbildungen von Ereigniskonsequenzen – werden zwei Akteuren gegenübergestellt; diese zeigen sich „angesichts” des Geschehenen amüsiert bzw. erfreut. An dieser Stelle soll erwähnt werden, daß der Auswahl der Bildbeispiele folgendes Kriterium zugrunde gelegt wurde: Bei der Erarbeitung der Beispiele wurden jeweils zahlreiche Ausgaben der einbezogenen Magazintitel auf markante Designstrategien untersucht. Um aber dem Fehler zu entgegen, Gestaltungen in die Ausführungen aufzunehmen, die sich nur sehr selten in den Heften umgesetzt finden (und somit nicht sinnvoll als „Strategie” bezeichnet werden können), wurden schließlich nur
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maximal 4 Hefte jedes Titels ausgewählt, um diesen Bildbeispiele zu entnehmen. Die Auswahl erfolgte dabei ohne bewußte Berücksichtigung der enthaltenen Gestaltungen. Meist wurden die Hefte der quantitativen Untersuchung herangezogen, da ich diese zum größeren Teil selbst besitze und sich diese Vorgehensweise aus diesem Grund als praktikabler für die digitale Erfassung erwies als eine Bibliotheksentlehnung anderer Hefte.
Abb. 18 (Profil 42/2002)
Abb. 19 (Der Spiegel 39/2002)
Abb. 20 (Focus 42/2002)
Abb. 21 (Profil 40/2002)
Abbildung 20 und Abbildung 21 zeigen: Die Auswahl einzelner Darstellungen von Akteuren erfolgt nach bestimmten Gestaltungskriterien, die sich aus einer vom Gestalter gewählten Bildkomposition ergeben. „Variationen desselben” bzw. „Aktion und Reaktion” liegen den hier gezeigten Beispielen als Auswahl-Richtlinie zugrunde. Beide Kombinationsweisen wurden in Kapitel 8 als Gestaltungsstrategie beschrieben. Die „Grundthemen” der Kombination können dabei, wie anhand der Beispiele auf dieser und der nächsten Seite deutlich wird, unterschiedlich gewählt werden: ähnliche Gestik, ähnliche Reaktion, ähnliche bzw. aufeinander bezogene Blick-
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richtung, ähnliche Bildanschnitte, ähnliche bzw. kontrastierende Abbildungsgrößen, ähnliche – teils einmontierte – Bildhintergründe.
Abb. 22 (Focus 42/2002)
Abb. 23 (Focus 42/2002)
Abb. 24 (Focus 4/2002)
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Die in Abbildung 22 bis Abbildung 26 präsentierten Beispiele können einen Eindruck davon vermitteln, welchen Grundmustern der Gestaltung das Magazin Focus neben den bereits genannten Strategien folgt. Wieder zeigt sich, wie Beziehungen zwischen abgebildeten Personen bzw. eine gewisse Gleichzeitigkeit der Geschehnisse durch Bildauswahl und Bildpositionierung vermittelt werden können. Die Beispiele veranschaulichen darüber hinaus die hohe „visuelle Dichte” und die in der vorliegenden Arbeit beschriebene „zweite Vermittlungsebene”, die von den Gestaltern des Magazins konsequent gebildet wird und die, wie die quantitative Erhebung zeigte, aus einer Vielzahl verschiedener visueller Elemente zusammengesetzt wird.
Abb. 25 (Focus 4/2002); rechts: Abb. 26 (Focus 34/2002); unten: Abb. 27 (Focus 42/2002)
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Abbildung 27 – ebenfalls aus Focus – zeigt eine “klassische” Art der Bildkombination, die „Bildreportage”. Möglichst wird das Ereignis selbst oder die sich aus dem Geschehen ergebende Situation gezeigt, ein wesentliches Detail (hier eine Patrone) und die Folgen des Ereignisses. Interessant ist die Entfernung zwischen Ereignis und Betrachter, die durch die Wahl der Bildausschnitte vermittelt wird: Der Rezipient befindet sich in unmittelbarer Nähe des Geschehens. Die Reaktion des im rechten Bild dargestellten jungen Mannes scheint sich auch hier wieder unmittelbar auf das von ihm „Gesehene” zu beziehen: Sein Blick trifft direkt auf die verhüllte, blutende Tote. Die Farbe des Blutes wird für die Gestaltung der Bildtexte aufgenommen (die kürzeren Bildtexte sind im Orginal rot hinterlegt), die in Kombination mit Texten, die weiß auf schwarzem Grund geschrieben sind, den Leser durch die “Stationen” der Vorfälle führen und durch ihre Gestaltung den Berichtsinhalt “blutiges Drama” zu vermitteln vermögen. Abbildung 28 und Abbildung 29 zeigen zwei Beispiele aus einem Heft des Magazins Der Spiegel, die als typisch für das Magazin gelten können. Wie die quantitative Auswertung zeigte, verwendet der Spiegel deutlich weniger große Bilder als Focus; keines der Bilder der für den Jahrgang 2002 untersuchten Hefte war größer als eine halbe Seite. Finden sich in Focus Fotos häufig als sogenannter “Cluster” angeordnet, so setzt der Spiegel Bilder gerne „in Reih und Glied”. Bildunterschriften werden nur sehr selten farbig hinterlegt und laufen meist als Textzeile direkt am unteren Bildrand.
Abb. 28 (Der Spiegel 33/2002)
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Abb. 29 (Der Spiegel 33/2002)
Eine wesentliche Leitlinie des Bildeinsatzes im Rahmen der Berichterstattung von Nachrichtenmagazinen ist das Gestaltungsmoment „Kontrast”. Wie in Kapitel 8 ausgeführt, bietet eine kontrastreiche Gestaltung den Magazinen die Möglichkeit, „Authentizität” bzw. „umfassende Berichterstattung” als Qualitäten visuell umzusetzen. Für eine kontrastreiche Seitengestaltung bieten sich den Gestaltern vielfältige Möglichkeiten.
Abb. 30 (Focus 19/2002)
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Die Doppelseiten aus den Magazinen Focus (Abb. 30) und Format (Abb. 31) zeigen Beispiele für formale und inhaltliche Variationsmöglichkeiten, die dem Betrachter zu vermitteln vermögen, daß ein Thema aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachtet wurde: Es werden unterschiedliche Bildformate (von klein bis groß), Bildausschnitte (Portrait, Halbtotale, Totale) und Bildausarbeitungen (Farbe, schwarzweiß) einander gegenübergestellt sowie Portraits mit Paar- und Gruppenaufnahmen kombiniert; Bilder von Zivilisten mit Abbildungen von Militärs, Aufnahmen von Frauen mit denen von Männern, Darstellungen von aktiven mit solchen von passiven Personen, Innen- mit Außenaufnahmen und auch Personenbilder mit Landschaftsbildern bzw. Menschendarstellungen mit Darstellungen von Dingen. Eine weitere Ebene der Kontrastbildung ist die Ergänzung fotografischer Bilder durch Infografiken und Illustrationen.
Abb. 31 (Format 7/2002)
Auch Abbildung 32, Abbildung 33 und Abbildung 34 zeigen „Kontrast” als Grundthema der Bildauswahl. So wird in der Gestaltung der Doppelseite, die dem Magazin Focus entnommen wurde (Abb. 34), auf diesem Weg das Thema „Jugendliche” unterschiedlich interpretiert. Der Bildaufbau der oberen Seitenhälfte ist streng symmetrisch, die Bildinhalte zeigen Kontraste: Der Lesende wird dem Rekruten gegenübergestellt, die gelangweilten bzw. schlafenden Buben den mit Waffen hantierenden. Chronologisch gelesen folgt auf das Desinteresse die Tat. Dies wird vor allem dann deutlich, stellt man sich eine umgekehrte Anordnung derselben Bilder vor – die Aussage der Bildkomposition wäre eine andere: Die Schießübung der beiden Jungen wird von der Gruppe „zum Gähnen langweilig” gefunden. Die farbliche Hinterlegung zeigt den dramatischen Hintergrund an, vor dem die Berichterstattung erfolgt:
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Der Artikel ist Teil einer Berichtstrecke zum Amoklauf in Erfurt. Die Auswahl und Positionierung des kleinen Bildes rechts macht auch über das kontrastierende quadratische Format deutlich: Die Gezeigten sind von den oben dargestellten Zusammenhängen ausgenommen, sie sind Teil „einer anderen Welt”.
Abb. 32 (Der Spiegel 39/2002)
Abb. 34 (Focus 19/2002)
Abb. 33 (Der Spiegel 33/2002)
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Bestimmte Themen verlangen nach speziellen Darstellungsweisen: Erkennt der Rezipient „Enthüllungen” bzw. „Skandale” an der Abbildung von oft mit Abrisskante dargestellten und zur Verdeutlichung ihrer „Echtheit” (also ihrer „Dreidimensionalität”) mit Schatten hinterlegten Dokumenten, so werden „Terror” und „Drama” häufig mit größeren schwarzen Flächen angezeigt. Durch eine von Rot dominierte Gestaltung wird nicht das „Geheimnisvolle”, „Verborgene” und „Böse” bzw. das „Tragische” angezeigt, sondern vielmehr das „Brisante”, das „Brandaktuelle”, aber auch das vermeintlich „Blutige” vermittelt. So finden sich rote Flächen immer wieder etwa im Zusammenhang mit Berichten über Kravalle – und zwar bevor sie „tragisch” enden und so in ihrer visuellen Umsetzung die Farbe Schwarz verlangen.
oben: Abb. 35 (Newsweek 25.11.2002); unten: Abb. 36 (Focus 19/2002)
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Beispiele für zwei Gestaltungsstrategien, die vom österreichischen Magazin Profil in den untersuchten Magazinen des Jahres 2002 vielfach eingesetzt wurden, zeigen die folgenden Abbildungen: Der „Schnappschuß” und die „mehrteilige Abbildung“, die Anklänge an das Medium Film erkennen lässt (vgl. Abb. 37 und Abb. 38). Besonders häufig findet sich die dreiteilige Bildserie (Abb. 39), die in ihrem Aufbau an die seit vielen Jahren mit großer Publikumsresonanz eingesetzte Plakatwerbung des Wäscheherstellers Palmers erinnert. Zentrale Gestaltungselemente der Bildserie sind der Wechsel zwischen Nähe und Distanz sowie das Fokussieren auf ein Körperdetail, bei Profil meist die Hände des oder der Abgebildeten.
Abb. 37 (Profil 42/2002)
Abb. 38 (Profil 7/2002)
Abb. 39 (Profil 42/2002)
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Das „Schnappschußbild” als Abbildungskategorie erinnert an zwei der in Kapitel 8 angeführten Werbetrends: „Comedy-Biz” und „Big Brother”. In Abbildung 40 scheint der hinter dem Redner Sitzende mit seinem Gesichtsausdruck die Aussagen des Redners hinter dessen Rücken zu kommentieren, der Rezipient wird zum Mitwisser.
Abb. 40 (Profil 42/2002)
Die Abbildungen 41 bis 47 entstammen – im Gegensatz zu den bisher präsentierten Beispielen, die alle in Heften des Jahres 2002 erschienen – vier aufeinander folgenden Ausgaben des Nachrichtenmagazins Profil, die während der Bildung der neuen österreichischen Regierung im Jahr 2000 veröffentlicht wurden; sie sind aber durchaus mit Bildern aus Heften des Jahres 2002 vergleichbar. Das Magazin scheint sich mit der Publikation und der Art und Weise des Einsatzes solcher Fotografien als „Spötter”, „Entlarver” bzw. „Insider” zu präsentieren – eine Gestaltungsstrategie, von der man sich inzwischen wieder Schritt für Schritt entfernt (siehe Abschnitt 9.3.6). Über einen längeren Zeitraum aber wurden Politiker in Profil auffallend oft als Menschen „wie du und ich” dargestellt – sich schneuzend, den Schweiß abwischend, schielend, Grimassen schneidend, dösend, hautnah, scheinbar unbeherrscht oder unangemessen agierend. Ihre spezielle Wirkung beziehen einige dieser Bilder daraus, daß offensichtlich unvorteilhafte Bilder nur selten in Nachrichtenmedien Verwendung finden (sie scheinen dem Anspruch der objektiven Berichterstattung zu sehr entgegenzustehen) und daß sie – da in der offiziellen Nachrichtenberichterstattung unüblich – mit „privat” assoziiert werden. Praktisch jeder hat Erfahrung mit Bildern, die ihn selbst unvorteilhaft zeigen und deshalb als entblößend empfunden werden. Die „Indiskretion“ der Veröffentlichung läßt die (visuelle) Berichterstattung je nach Standpunkt des Rezipienten im postitiven oder negativen Sinne respektlos erscheinen.
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Abb. 42 (Profil 10/2000) Abb. 41 (Profil 9/2000)
Abb. 44 (Prof il 9/20 00)
Abb. 43 (Profil 7/2000)
Abb. 45 (Profil 7/2000) Abb. 46 (Profil 10/2000)
links: Abb. 47 (Profil 9/2000)
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Folgerungen für die politikwissenschaftliche Bildforschung
Es war Ziel der vorliegenden Arbeit, die visuelle Aufbereitung von politischen Nachrichten als ‘Darstellungslogik’ zu beschreiben, d.h. es wurde davon ausgegangen, daß die Auswahl und der jeweilige Einsatz visueller Elemente in der Nachrichtenvermittlung nicht dem „Zufall“ entspringt, sondern von verschiedenen Faktoren bestimmt wird, die in die Analyse einbezogen werden müssen, will man die visuelle Kommunikation von Nachrichtenmagazinen verstehen. Auch bisherige Untersuchungen zur Thematik ‘mediale Bildkommunikation’ gehen von einer gewissen Logik aus, die die Auswahl von Nachrichtenbildern bestimmt; im Verlauf der Arbeit wurden dazu verschiedene Analyse-Konzepte vorgestellt. In ihrer Ausrichtung folgte die vorliegende Studie aber keiner dieser beschriebenen Untersuchungsanlagen im speziellen; es wurde vielmehr versucht, in einer Zusammenschau unterschiedlichster Forschungserkenntnisse diese zu systematisieren und neue Schlüsse für die Untersuchung visueller Politikvermittlung in Nachrichtenmagazinen zu ziehen. Darüber hinaus sollte durch zwei unterschiedlich angelegte Erhebungen – eine Auswertung von Fachliteratur der Printmedien-Gestaltungspraxis und eine quantitative international-vergleichend angelegte Studie zur Entwicklung der visuellen Nachrichtenaufbereitung von Nachrichtenmagazinen – die Datenbasis zum Untersuchungsgegenstand verbreitert werden, um so einen zusätzlichen Beitrag zum Forschungsstand der politischen Medienforschung zu leisten. Als zentrale Faktoren der medialen Bildkommunikation wurden vier Phänomene näher beschrieben. Der erste dieser Faktoren ergibt sich aus verschiedenen Erkenntnissen wissenschaftlicher Forschung und wurde mit dem sehr allgemeinen Begriff ‘Kontext’ benannt. Wesentlichster Ansatzpunkt für die näheren Ausführungen zu diesem Phänomen ist die in der vorliegenden Arbeit argumentativ entwickelte Auffassung, daß Bilder im Rahmen medialer Kommunikation als ‘Zeichen’ verstanden werden können. Denn wie gezeigt wurde: Ähnlich wie bei verbaler Kommunikation ist auch bei bildhafter Kommunikation davon auszugehen, daß der Kommunikator beim Versuch, Inhalte zu transportieren, Vorgehensweisen wählt, von denen er annehmen kann, daß sie auch in seinem Sinne verstanden werden. Er bedient sich bedeutungstragender Einheiten – eben Zeichen. Dabei wird die an sich gegebene Vieldeutigkeit von Zeichen durch ihren Verwendungskontext zu einer (relativen) Eindeutigkeit reduziert. Welch wesentliche Rolle der Verwendungskontext aus politikwissenschaftlicher Sicht für die Interpretation von Zeichen spielt, wurde etwa anhand der Framing-Theorie verdeutlicht. Auch die methodischen Konzepte zur Bildanalyse, die vorgestellt wurden, stützen sich auf den Faktor ‘Kontext’. So verweist etwa die Objektive Hermeneutik darauf, daß in verschiedenen Bezugsgruppen Unterschiedliches als ‘normal’, ‘erwartbar’ usf. angesehen wird und daß die Kenntnis die-
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ser sozial verankerten Wissensbestände einen wesentlichen Schlüssel zur Bedeutungsermittlung eines Zeichens darstellt. In eine ähnliche Richtung weist, wie gezeigt wurde, auch die kunstgeschichtliche Methode der Bildanalyse, die Ikonologie. Hier wird davon ausgegangen, daß einzelne Sinnträger auf unterschiedlichen Bedeutungsebenen verschiedene Einsichten in die Aussage einer bildhaften Darstellung ermöglichen. Gunther Kress und Theo van Leuween verdeutlichen in ihrer (in Abschnitt 6.5.5 vorgestellten) Theorie zur „Grammatik“ bildhafter Darstellung, wie sich einzelne Elemente innerhalb einer Darstellung aufeinander beziehen und so Sinnstrukturen bilden. Für die Untersuchung medialer Bildkommunikation wurden auf Basis der vorgestellten theoretischen Erkenntnisse verschiedene Schlüsse gezogen, etwa daß die vielfach als methodische Hürde bei der Analyse von Bildkommunikation beschriebene fehlende Eindeutigkeit der Aussage von Bildern kein Phänomen ist, das nur bildhafte Kommunikation betrifft; oder daß der scheinbaren Vieldeutigkeit von Bildern beim Versuch, ihre Aussage zu verstehen, begegnet werden kann, indem möglichst viel des sie umgebenden Kontextes in die Analyse einbezogen wird. Es muß also unter anderem versucht werden, so gut als möglich alle Intentionen, die den Kommunikator zu Bildwahl und Bildeinsatz veranlaßt haben, zu berücksichtigen. Dies setzt einen umfassenden Wissensbestand über den jeweiligen Kommunikationsprozeß voraus. Eine bildhafte Darstellung ist – wie argumentiert wurde – dann ein Zeichen, wenn sie als Zeichen verwendet wird. Kommunikation im allgemeinen (und damit auch mediale Kommunikation) kann nur auf Zeichen beruhen – damit sind alle Medien-Bilder Zeichen. Für das Verständnis der Bilder gilt es zu erfassen, wovon bzw. wofür sie Zeichen sind, was also durch sie repräsentiert werden soll. In der vorliegenden Arbeit wurde nun versucht, den Blick auf verschiedene Zusammenhänge zu lenken, die, von dieser Feststellung ausgehend, für die Analyse bildhafter Kommunikation in Nachrichtenmedien relevant erscheinen. Eine zentrale Folgerung ist – hier wurde eine Feststellung Marion Müllers aufgenommen –, daß es für das Verständnis visueller Medienkommunikation als gewinnbringend erscheint, verschiedene Mediengattungen jeweils einzeln in den Blick zu nehmen, also – um mit Müller zu sprechen – für jedes Medium eine eigene Ikonografie zu erarbeiten. Dies führt zum zweiten, in der vorliegenden Arbeit als wesentlich betrachteten Faktor der Analyse medialer Bildkommunikation: ‘Codierung’. Jedes Zeichen ist über ein bestimmtes Regelsystem mit dem verknüpft, was es aussagen soll. Die Kenntnis dieses Regelsystems kann als ‘Codierwissen‘ bezeichnet werden. Es wurde nun argumentiert, daß es bedeutsam ist, bezüglich dieses Wissens zwischen ‘aktiven’ und ‘passiven’ Kenntnissen zu differenzieren, und daß von einem aktiven Wissensbestand professioneller Kommunikatoren ausgegangen werden kann, dem sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung zuwenden muß, will sie die Inhalte visueller Nachrichten verstehen. Weiters ist davon auszugehen, daß diese Wissensbestände in engem Zusammenhang mit dem jeweiligen Medium der Nachrichtenvermittlung stehen – es erscheint deshalb als sinnvoll, davon abzugehen, die „Sprache“ der Bilder entschlüsseln zu wollen, und vielmehr einzelne „Sprachdialekte“ spezieller Ausprägung anzunehmen. Jeder dieser „Dialekte“ muß als aktiver Wissensschatz erarbeitet werden. Es wurde in der vorliegenden Arbeit deshalb
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vorgeschlagen, sich der Berufsgruppe zuzuwenden, die in ihrer praktischen Arbeit auf diese Wissensbestände zurückgreift – im Fall des Untersuchungsbeispiels ‘Nachrichtenmagazin’ der Gruppe der sogenannten ‘Editorial-Designer’. Damit werden neben den Medienakteuren ‘Journalist’ und ‘Bildjournalist’ weitere Praktiker der Gestaltung medialer Nachrichten Gegenstand medienwissenschaftlicher Untersuchung. Dies erscheint auch mit Blick auf die weiteren Faktoren im Modell der ‘visuellen Darstellungslogik’ zentral, nämlich die Faktoren ‘Medienästhetik’ und ‘visuelle Markenkommunikation’. Beiden Faktoren kommt, wie gezeigt wurde, eine wesentliche Rolle in der Gestaltung medialer Produkte zu. Und bei der Realisierung der Ziele, die sich im Rahmen von ‘Medienästhetik’ und ‘visueller Markenkommunikation’ stellen, nehmen Editorial-Designer bzw. Grafiker eine wichtige Position ein. In diesem Zusammenhang kommt abermals der Faktor ‘Kontext’ bzw. die wesentliche Rolle der Kommunikationsintention für die Wahl der innerhalb des Kommunikationsprozesses gewählten Zeichen zum Tragen. Denn diese Wahl wird, wie aufgezeigt wurde, wesentlich durch die Aufgaben bestimmt, die sich dem Medium aufgrund der Faktoren ‘Medienästhetik’ und ‘Markenkommunikation’ stellen. Diesen Aufgaben begegnen visuelle Gestalter durch den Einsatz bestimmter Darstellungsstrategien. Da diese, wie in den einleitenden Kapiteln der vorliegenden Arbeit ausführlich anhand vorliegender Forschungsergebnisse gezeigt wurde, erheblichen Einfluß auf die öffentliche Wahrnehmung von Politik bzw. auf die Zuschreibungen gegenüber einzelnen politischen Akteuren haben können, ergibt sich im Rahmen der politikwissenschaftlichen Medienforschung die Notwendigkeit, sich den Wissensbeständen der Praktiker der visuellen Mediengestaltung und der Anwendung dieser Wissensbestände bei der Gestaltung von Medienprodukten zuzuwenden. Ein Schritt in diese Richtung wurde mit den Untersuchungen unternommen, deren Ergebnisse in Kapitel 8 und Kapitel 9 präsentiert wurden. So wurde in Kapitel 8 versucht, das anhand einer Auswertung von Fachliteratur der praktischen Mediengestaltung erhobene, relevant erscheinende ‘Codierwissen’ der Praktiker systematisch darzustellen und so für weiterführende Untersuchungen zur Thematik ‘visuelle Politikvermittlung in Printmedien’ zugänglich zu machen. Kapitel 9 präsentiert die Ergebnisse einer quantitativen Untersuchung der visuellen Nachrichtenaufbereitung von sieben Nachrichtenmagazinen im Zeitvergleich. Abgesehen davon, daß bisher keine empirische Studie vorlag, die es sich zum Ziel setzte, die Entwicklung der visuellen Nachrichtenaufbereitung in Nachrichtenmagazinen sowohl im internationalen als auch im Zeit-Vergleich abzubilden, wurde von der Untersuchung auch ein neuer Weg eingeschlagen, indem theoretische Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit in die Entwicklung des Kategoriensystems der Untersuchung einbezogen wurden. So wurde ein Schwerpunkt der Studie damit gesetzt, daß der Begriff ‘Bild’ bzw. ‘visuelle Darstellung’ weit gefaßt wurde und so auch visuelle Gestaltungselemente und Gestaltungsstrategien in die Erhebung aufgenommen werden konnten, die bisher nur wenig oder keine Berücksichtigung in empirischen Erhebungen zur Thematik erfuhren. Damit sollte der Blick der wissenschaftlichen Medienforschung auf das Phänomen der hier so genannten ‘zweiten Erzählebene’ gelenkt werden und damit auf eine Vermittlungsebene, der offensicht-
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lich – und durch die Ergebnisse der Untersuchung belegt – eine zunehmende Bedeutung zukommt und die nach eigenen – durchaus erfaßbaren und analysierbaren – Gesetzmäßigkeiten kommunikativen Handels gestaltet wird. Aus der vorliegenden Untersuchung zur visuellen Darstellungslogik von Nachrichtenmagazinen ergeben sich zahlreiche Fragestellungen für die umfangreiche Analyse visueller Medienkommunikation. So kann etwa – folgt man den Ausführungen der vorliegenden Arbeit – davon ausgegangen werden, daß es sich als lohnend erweisen wird, bei weiteren Forschungsvorhaben visuelle Mediengestalter als wesentliche Akteure der medialen Kommunikation zu berücksichtigen. Denn ihnen scheint zunehmend eine ähnlich bedeutsame Rolle im medialen Vermittlungsprozeß zuzukommen wie Journalisten – also der „schreibenden Zunft“. Dies verweist bspw. auf mögliche Aufgabenstellungen im Rahmen der sogenannten ‘Redaktionsforschung’, dem Teilgebiet der Medienforschung, das es sich zum Anliegen macht, redaktionelle Strukturen und Arbeitsabläufe transparent zu machen. Ein weiterer Forschungsaspekt ergibt sich aus der Fragestellung, welchen Marktrealitäten sich Medien in modernen Gesellschaften zu stellen haben und welche Folgerungen daraus für die Gestaltung der Medienprodukte gezogen werden. Meyer, Ontrup und Schicha stellen fest, daß sich für die Medienakteure und für die Beurteilung der Leistungen der Medien ein Konflikt ergibt, wenn Medien einerseits aufgrund der ihnen eigenen Logik Politik nicht angemessen vermitteln können und damit ihrem Verfassungsauftrag nicht nachkommen, sie andererseits aber – so man sie „zwingt“, Politik „anders“ darzustellen – vermutlich keine nennenswerte Aufmerksamkeit für politische Inhalte mehr mobilisieren können. Dieser Frage habe sich die Forschung laut den Autoren bisher zuwenig gewidmet.1 In der vorliegenden Arbeit wurde versucht aufzuzeigen, daß Medien eigene Strategien entwickelt haben, um sich dem Rezipienten als attraktiver Kommunikationspartner bzw. „Informant“ zu präsentieren. Die immer wieder aufgegriffene Unterscheidung von „guter“ und „schlechter“ Information aufgrund des Unterhaltungswertes bestimmter Aufbereitungs- und Vermittlungsformen scheint für die praxisnahe Reflexion dabei zu kurz zu greifen. Norbert Bolz meint, man überfordere die Massenmedien, stellt man an sie die Forderung nach einer authentischen Berichterstattung,2 und die Ausführungen zum Themenbereich ‘Markenkommunikation’ weisen in eine ähnliche Richtung: Printmedien inszenieren sich unter den herrschenden Bedingungen des Marktes und angesichts der „Erfolgsrezepte“, die unter diesen Bedingungen entwickelt werden, als Persönlichkeiten. Für diese Inszenierung können sie primär nur eine der Charakteristik der jeweiligen „Personen-Kreation“ (Marken-Persönlichkeit) entsprechende Wahl der verbalen und visuellen Darstellungsmittel der Informationsaufbereitung nutzen. Diese Wahl muß, um im Sinne des Marken-Konzeptes erfolgreich zu sein, darüber hinaus darauf ausgerichtet werden, sich eindeutig von konkurrierenden Mitbewerbern zu unterscheiden. Denn wie der Konsum- und Verhaltensforscher Richard Linxweiler allgemein zur Markenkommunikation formuliert: »Nur in dem
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vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000:36 vgl. Bolz 1996:19
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Maße, in dem sich Marken als einzigartige Identitäten klar voneinander unterscheiden, können auch wir, die Kunden, sie als Individuen, als einmalig definieren«.3 Einen sehr interessanten Weg, sich dem Thema der Selbstinszenierung von Zeitschriften als Persönlichkeiten auf empirischer Basis zu nähern, zeigt meines Erachtens die in Kapitel 7.6 vorgestellte Arbeit von Kathrin Steinbrenner.4 Eine ähnliche Untersuchung auch für Nachrichtenmagazine durchzuführen könnte wesentliche Erkenntnisse besonders auch für das Forschungsfeld ‘visuelle Medienkommunikation’ bringen. Interessante Ansatzpunkte ergeben sich ebenso aus den Informationen, die durch die Auswertung der Fachliteratur der praktischen Mediengestaltung gewonnen werden konnten – etwa für den Themenbereich ‘Nachrichtenmanipulation’. Denn wenn sich inhaltliche Aussagen von einzelnen Bildern, wie die Aussagen der Praktiker erkennen lassen, durch die Positionierung und Komposition bildhafter Darstellungen gezielt beeinflussen lassen, müssen neue Kriterien bei der Beurteilung visuell vermittelter Nachrichten angelegt werden.
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Linxweiler 2001:21 vgl. Steinbrenner 2002, sowie Steinbrenner 1998
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12
12.1
Anhang
Quellen
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Interview- und Vortragstranskripte Matthias Cremer, Wien 21. Februar 2000 (Transkript des Interviews mit C.M.W.) Gertraud Lessing, Wien 23. April 2002 (Transkript des Interviews mit C.M.W.) Mario R. Garcia, Berlin 10. Mai 2001 (Transkript des Typo-Berlin-2001-Vortrags) Mario R. Garcia, Berlin 10. Mai 2001 (Transkript des Typo-Berlin-2001-Workshop-Vortrags) Mario R. Garcia, Berlin 10. Mai 2002 (Transkript des Interviews mit C.M.W.) Christian Rainer, Wien 10. Februar 2000 (Aufzeichnungen zum Interview mit C.M.W.) Erich Schillinger, Wien 21. Februar 2000 (Aufzeichnungen zum Interview mit C.M.W.) Erik Turek, Wien 21. Februar 2000 (Aufzeichnungen zum Interview mit C.M.W.)
12.2
Codebuch der quantitativen Untersuchung (Kapitel 9)
Analyseeinheit Magazin V1
Titel des Magazins (1) Time (2) Newsweek
12 Anhang
V2 V3
321
(3) The Economist (4) Der Spiegel (5) Focus (6) Profil (7) Format Erscheinungsdatum (achtstellig) Heftumfang (inklusive Umschlag)
Analyseeinheit politischer Bericht Als ‘politischer Bericht’ wird jeder Bericht gezählt, der entweder (1) laut Inhaltsverzeichnis den Ressorts ‘Innenpolitik’ oder ‘Außenpolitik’ zugeordnet wurde oder der sich (2) zwischen Innenpolitik- bzw. Außenpolitikberichten befindet und von dem nicht eindeutig ersichtlich ist, daß er nicht diesen Ressorts zuzuordnen ist. Damit werden Artikel, die laut Inhaltsverzeichnis dem Ressort ‘Wirtschaft’ zugeordnet sind, sich aber als einzelne Berichte zwischen (laut Inhaltsverzeichnis) ‘politischen’ Berichten finden, in die Auswertung einbezogen. Dies wird aufgrund der Überlegung unternommen, daß ein so gesetzter Bericht für den Rezipienten nicht auf den ersten Blick als ‘nicht-politische Berichterstattung’ erkennbar ist. Ausgenommen werden eindeutig als ‘Sportberichterstattung’, ‘Gesellschaftsberichterstattung’ oder ‘Medizinberichterstattung’ u.ä. gekennzeichnete Berichte. Im Zweifelsfall wird der Bericht ein-, nicht ausgeschlossen. Aus der Datenerfassung ausgenommen werden Sonderthemen, etwa als ‘Report’ oder ‘Extra’ bezeichnete Berichte und die im Magazin The Economist als ‘Survey’ gekennzeichneten Berichte. V4
V5
Redaktionelle Zuordnung (nach Inhaltsverzeichnis) (1) Titelgeschichte (nur wenn als ‘politischer Bericht’ erkennbar) (2) politischer Bericht (3) nicht politischer Bericht Erste Seite des Berichts (nach Inhaltsverzeichnis)
Analyseeinheit Seite V6 V7
V8
Seitennummer (laut Seitenbeschriftung; nicht beschriftete Seiten werden laut der letzten beschrifteten Seite per Durchzählung ermittelt; Seiten, die nicht beschriftet sind und deren so ermittelte Seitennummer von der Redaktion einer anderen Seite zugeordnet wurde, werden als X eingetragen) Art der Seite (erfaßt werden nur Seiten, die Teil eines ‘politischen Berichts’ oder einer – wie oben definiert – ‘politischen’ Titelgeschichte sind oder die eine ‘Panorama-Seite’ darstellen) (1) Seite der Titelgeschichte (2) Panorama-Seite (laut Inhaltsverzeichnis; aber auch Seiten, die aufgrund ihrer Gestaltung – mehrere kurze Berichte mit eigenem Titel – als Panorama-Seiten erkennbar sind) (3) Seite eines ‘politischen Berichts’ (4) Werbeseite Visuelle Aufbereitung der Seite (Elemente, die über beide Seiten einer Doppelseite gesetzt sind, werden auf der Seite gezählt, auf der ihr größerer Teil steht, Headlines, Sublines und Zwischentitel auf der Seite, auf der sie beginnen) (1) Anzahl der Headlines (Überschriften am Beginn des Berichts, deren Versalhöhe größer als 5mm sind; mit Schablone gemessen) (2) Anzahl der Sublines (Überschriften, deren Versalhöhe 5mm oder weniger beträgt und die nicht als Zwischentitel zu zählen sind. Nicht als Sublines gelten Ressort-Bezeichnungen am Seitenbeginn, etwa ‘Inland’, ‘Ausland’ etc.; bei Panorama-Seiten gelten alle Überschriften als ‘Sublines’, deren Versalhöhe nicht größer als 5mm ist) (3) Anzahl der Zwischentitel (gezählt werden Wortgruppen, die wie Überschriften gestaltet sind, aber nicht am Berichtsanfang stehen. Nicht als Zwischentitel gezählt werden Wörter oder Wortgruppen, die innerhalb des Fließtextes hervorgehoben sind, also fett oder farbig gesetzter Fließtext; ebenfalls nicht gezählt werden einzelne große Buchstaben am Anfang eines Berichts oder Absatzes) (4) Anzahl der Zwischentitel, die durch Anführungszeichen als Zitate ausgewiesen sind (5) vorhandene Werbeeinschaltungen in Prozent (16%, 20%, 25%, 33%, 40%, 50%; 66%, 75%, 100%; eine detailliertere Unterteilung ist nicht nötig, da Werbeflächen auf redaktionellen Seiten von den Redaktionen als 1/8-, 1/4-, 1/3-Seiten vergeben werden. Als Maßeinheit ‘Seite’
12 Anhang
322
(6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16) (17) (18) (19) (20) (21) (22) (23)
(24) (25)
12.3
gilt hier und im weiteren nicht das Seitenformat, sondern der an den Textspalten erkennbare äußere Satzrand) Anzahl der Kastenelemente Größe des 1. Kastenelements (bis 1/6-Seiten große und 1/6-Seiten große Elemente werden als k.K. [für: kleiner Kasten] bezeichnet, andere sind als Prozent der Seite anzugeben) Größe des 2. Kastenelements Größe des 3. Kastenelements Größe des 4. Kastenelements Anzahl der Interviews Größe des 1. Interviews (in Seitenprozent, siehe Kastenelement) Größe des 2. Interviews Anzahl der fotografischen Bilder Anzahl der Bilder, die bis 540 mm2 oder genau 540 mm2 groß sind (gemessen mit Schablonen) Anzahl der Bilder, die bis 2700 mm2 oder genau 2700 mm2 groß sind (gemessen mit Schablonen) Anzahl der Bilder bis 1/3-Seite Anzahl der Bilder, die größer als 1/3-Seite bis 1/2-Seite groß sind Anzahl der Bilder, die größer als 1/2-Seite, aber kleiner als eine Seite sind Anzahl der Bilder, die eine Seite groß oder größer sind Anzahl der Infografiken (nicht als ‘Infografik’ gezählt werden Tabellen, die nur Text oder Zahlen enthalten, sie werden als ‘Kastenelement’ gezählt) Anzahl der Illustrationen (Zeichnungen, Karikaturen, Cartoons, Embleme u.ä.; nicht gezählt werden ganzseitige Cartoons, sie werden von der Erfassung ausgenommen) Anzahl der Bildtexte (nur Texte zu fotografischen Bildern; als Bildtexte werden auch Texte gezählt, die mit einer farbigen Fläche hinterlegt sind, sofern sie eindeutig einem oder mehreren fotografischen Bildern zugeordnet sind; sind sie das nicht, werden sie als Kastenelement bis 1/6 Seite gezählt) Anzahl der Bildtexte, die durch Anführungszeichen als Zitate ausgewiesen sind Anzahl der Lead-Texte (hier werden alle Texte gezählt, die einer Headline oder einem Berichtanfang zugeordnet sind und den Bericht in einem oder mehreren Sätzen zu beschreiben scheinen)
Verzeichnis der im Rahmen der quantitativen Erhebung analysierten Magazine
Jahrgang 1972 Der Spiegel Heft 04 (17.01.1992) Heft 17 (17.04.1972) Heft 27 (26.06.1972) Heft 42 (09.10.1972)
Profil Heft 05 (ohne Angabe) Heft 07 (ohne Angabe) Heft 09 (ohne Angabe) Heft 14 (24.11.1972)
Time Heft 01 (03.01.1972) Heft 15 (10.04.1972) Heft 27 (03.07.1972) Heft 43 (23.10.1972)
The Economist Heft 02 (08.01.1972) Heft 16 (15.04.1972) Heft 30 (22.07.1972) Heft 45 (04.11.1972)
Newsweek Heft 01 (03.01.1972) Heft 13 (27.03.1972) Heft 28 (10.07.1972) Heft 40 (02.10.1972)
Jahrgang 1982 Der Spiegel Heft 01 (04.01.1982) Heft 16 (19.04.1982) Heft 28 (12.07.1982) Heft 43 (25.10.1982)
Profil Heft 04 (25.01.1982) Heft 16 (19.04.1982) Heft 27 (05.07.1982) Heft 40 (04.10.1982)
Newsweek Heft 06 (08.02.1982) Heft 13 (29.03.1982) Heft 33 (16.08.1982) Heft 42 (18.10.1982)
12 Anhang
Time Heft 03 (18.01.1982) Heft 16 (19.04.1982) Heft 33 (16.08.1982) Heft 43 (25.10.1982)
323
The Economist Heft 02 (16.01.1982) Heft 14 (10.04.1982) Heft 27 (10.07.1982) Heft 40 (09.10.1982)
Jahrgang 1992 Der Spiegel Heft 05 (27.01.1992) Heft 16 (13.04.1992) Heft 29 (13.07.1992) Heft 43 (19.10.1992)
Profil Heft 07 (10.02.1992) Heft 14 (30.03.1992) Heft 30 (20.07.1992) Heft 41 (05.10.1992)
Newsweek Heft 03 (20.01.1992) Heft 13 (30.03.1992) Heft 28 (13.07.1992) Heft 45 (09.11.1992)
Time Heft 02 (13.01.1992) Heft 19 (11.05.1992) Heft 28 (13.07.1992) Heft 44 (02.11.1992)
The Economist Heft 09 (22.02.1992) Heft 16 (11.04.1992) Heft 27 (27.06.1992) Heft 41 (03.10.1992)
Focus (1994) Heft 02 (10.01.1994) Heft 16 (18.04.1994) Heft 28 (11.07.1994) Heft 43 (24.10.1994)
Der Spiegel Heft 05 (28.01.2002) Heft 16 (15.04.2002) Heft 32 (05.08.2002) Heft 40 (30.09.2002)
Profil Heft 07 (11.02.2002) Heft 13 (29.04.2002) Heft 30 (22.07.2002) Heft 42 (14.10.2002)
Format Heft 07 (11.02.2002) Heft 19 (03.05.2002) Heft 35 (23.08.2002) Heft 46 (08.11.2002)
Focus He ft 04 (21.01.2002) Heft 19 (06.05.2002) Heft 34 (19.08.2002) Heft 42 (14.10.2002)
Newsweek Heft 04 (28.01.2002) Heft 14 (01.04.2002) Heft 28 (08.07.2002) Heft 49 (02.12.2002)
Time Heft 04 (28.01.2002) Heft 18 (06.05.2002) Heft 30 (22.07.2002) Heft 49 (02.12.2002)
Format (1999) Heft 06 (08.02.1999) Heft 15 (12.04.1999) Heft 32 (09.09.1999) Heft 41 (11.10.1999) Jahrgang 2002
The Economist Heft 07 (09.02.2002) Heft 20 (11.05.2002) Heft 27 (29.07.2002) Heft 44 (26.11.2002)
12 Anhang
324
Tab. 1
Anzahl der ausgewerteten Berichte und Seiten des Jahres 1972 Berichte je Heft / Summe
TIME NEWSWEEK ECONOMIST SPIEGEL FOCUS PROFIL FORMAT
16 17 31 33 13 -
18 21 29 25 11 -
19 15 34 36 9 -
11 20 32 37 5 -
Berichtseiten je Heft / Summe
64 73 126 131 38 -
Panorama-Seiten je Heft / Summe TIME NEWSWEEK ECONOMIST SPIEGEL FOCUS PROFIL FORMAT
Tab. 2
1 3 2 -
2 1 3 3 -
2 1 3 1 -
2 3 3 6 -
6 6 12 12 -
Berichte je Heft / Summe NEWSWEEK ECONOMIST SPIEGEL FOCUS PROFIL FORMAT
19 19 45 30 11 -
11 22 45 37 17 -
17 20 42 35 13 -
19 20 46 35 13 -
NEWSWEEK ECONOMIST
PROFIL FORMAT
13 13 26 50 26 -
14 18 26 62 14 -
60 68 99 207 106 -
Titelstory-Seiten je Heft / Summe
9 11 10 -
9 11 -
0 12 9 9 -
7 13 10 -
16 12 42 40 -
Berichtseiten je Heft / Summe
66 81 178 137 54 -
Panorama-Seiten je Heft / Summe TIME
FOCUS
18 22 23 53 29 -
Anzahl der ausgewerteten Berichte und Seiten des Jahres 1982
TIME
SPIEGEL
15 15 24 42 37 -
1 3 -
1 3 3 -
1 3 -
1 3 -
1 6 12 -
18 24 32 71 22 -
13 22 35 99 32 -
14 21 31 56 26 -
16 19 33 80 25 -
61 86 131 306 105 -
Titelstory-Seiten je Heft / Summe
4 -
10 -
12 7 8 3 -
7 17 3 -
29 7 25 10 -
12 Anhang
Tab. 3
325
Anzahl der ausgewerteten Berichte und Seiten 1992 (1994*/1999**) Berichte je Heft / Summe
TIME NEWSWEEK ECONOMIST SPIEGEL FOCUS* PROFIL FORMAT**
13 14 42 40 18 23 21
2 24 45 35 32 23 22
14 14 47 40 22 23 20
4 16 45 46 37 30 14
Berichtseiten je Heft / Summe
33 68 179 161 109 99 77
Panorama-Seiten je Heft / Summe TIME NEWSWEEK ECONOMIST SPIEGEL FOCUS* PROFIL FORMAT**
Tab. 4
1 1 3 7 5
8 3 1 5 7 1
8 2 1 4 7 1
8 1 1 3 7 5
24 7 4 15 28 12
Berichte je Heft / Summe NEWSWEEK ECONOMIST SPIEGEL FOCUS PROFIL FORMAT TIME NEWSWEEK ECONOMIST FOCUS PROFIL FORMAT
2 31 37 85 57 34 26
20 22 36 84 42 30 34
9 26 35 111 80 44 11
51 97 143 366 210 141 106
Titelstory-Seiten je Heft / Summe
9 12 13 7 4 -
16 23 6 19
10 12 7 -
16 6 11 13
41 28 59 7 17 32
Anzahl der ausgewerteten Berichte und Seiten des Jahres 2002
TIME
SPIEGEL
20 18 35 86 31 33 35
10 12 38 31 21 27 13
10 3 39 33 19 24 16
8 14 44 27 9 22 17
16 14 42 29 18 26 13
Berichtseiten je Heft / Summe
44 43 163 120 67 99 59
16 25 33 64 41 58 21
26 7 33 69 45 47 27
13 33 33 54 19 47 28
42 21 33 58 40 52 25
97 86 132 245 145 204 101
Panorama-Seiten je Heft / Summe
Titelstory-Seiten je Heft / Summe
6 4 2 11 8 6 6
16 13
5 6 2 14 8 6 5
5 4 2 12 7 4 4
6 4 2 13 7 8 6
22 18 8 50 30 24 21
6 24 17 8
12 22 7
16 11
6 24 44 39 39
12 Anhang
326
Tab. 5
Entwicklung der durchschnittlichen Berichtslänge Angabe in Seiten 1972
TIME
(n=64)
NEWSWEEK
(n=73)
ECONOMIST
(n=126)
SPIEGEL
(n=131)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=38)
FORMAT**
-
1982 0,9 0,9 0,8 1,4 2,5 -
(n=66) (n=81) (n=178) (n=137) (n=54) -
0,9 1,1 0,7 2,0 1,9 -
‘92 (94*/ 99**) (n=33) 1,5 (n=68) 1,4 (n=179) 0,8 (n=161) 2,0 (n=109) 1,7 (n=99) 1,4 (n=77) 1,3
2002 (n=44) (n=43) (n=163) (n=120) (n=67) (n=99) (n=59)
2,2 2,0 0,8 1,9 2,0 1,9 1,7
n= Anzahl der ausgewerteten Berichte je Jahrgang und Titel
Tab. 6
Entwicklung der Fotoverwendung je Bericht Fotoanzahl (alle Bildgrößen) 1972
TIME
(n=64)
NEWSWEEK
(n=73)
ECONOMIST
(n=126)
SPIEGEL
(n=131)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=38)
FORMAT**
-
1982 1,6 1,4 0,7 1,9 3,0 -
(n=66) (n=81) (n=178) (n=137) (n=54) -
1,2 1,5 0,5 2,5 2,4 -
92 (94*/ 99**) (n=33) 1,9 (n=68) 1,9 (n=179) 0,5 (n=161) 2,6 (n=109) 3,8 (n=99) 1,5 (n=77) 4,0
2002 (n=44) (n=43) (n=163) (n=120) (n=67) (n=99) (n=59)
2,8 2,7 0,5 3,4 5,4 4,4 4,2
n= Anzahl der ausgewerteten Berichte je Jahrgang und Titel
Tab. 7
Entwicklung der Fotoverwendung je Seite Fotoanzahl (alle Bildgrößen) 1972
TIME
(n=60)
NEWSWEEK
(n=68)
ECONOMIST
(n=99)
SPIEGEL
(n=207)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=106)
FORMAT**
-
1982 1,7 1,5 0,9 1,4 1,2 -
(n=61) (n=86) (n=131) (n=306) (n=105) -
1,3 1,4 0,7 1,3 1,3 -
n= Anzahl der ausgewerteten Seiten je Jahrgang und Titel
‘92 (94*/ 99**) (n=51) 1,2 (n=97) 1,4 (n=143) 0,7 (n=366) 1,3 (n=210) 2,2 (n=141) 1,1 (n=106) 3,0
2002 (n=97) (n=86) (n=132) (n=245) (n=145) (n=204) (n=101)
1,3 1,4 0,6 1,8 2,7 2,3 2,5
12 Anhang
Tab. 8
327
Entwicklung der Verwendung sehr großer Fotos (1/1-seitig und größer) 1972
TIME
(n=101)
NEWSWEEK
(n=100)
ECONOMIST
(n=85)
SPIEGEL
(n=249)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=115)
FORMAT**
-
1982 1% 0% 0% 0% 1% -
(n=77) (n=123) (n=88) (n=339) (n=129) -
0% 0% 0% 0% 0% -
92 (94*/ 99**) (n=62) 4% (n=131) 3% (n=96) 0% (n=417) 0% (n=412) 3% (n=148) 1% (n=306) 1%
2002 9% 8% 0% 0% 2% 1% 2%
(n=124) (n=119) (n=85) (n=410) (n=364) (n=435) (n=245)
n= Gesamtzahl der ausgewerteten Bilder je Jahrgang und Titel (100%)
Tab. 9
Entwicklung der Verwendung großer Fotos (größer als 1/2-seitig) 1972
TIME
(n=101)
NEWSWEEK
(n=100)
ECONOMIST
(n=85)
SPIEGEL
(n=249)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=115)
FORMAT**
-
1982 1% 0% 0% 0% 2% -
(n=77) (n=123) (n=88) (n=339) (n=129) -
0% 0% 0% 0% 0% -
92 (94*/ 99**) (n=62) 4% (n=131) 3% (n=96) 0% (n=417) 0% (n=412) 3% (n=148) 3% (n=306) 1%
2002 (n=124) (n=119) (n=85) (n=410) (n=364) (n=435) (n=245)
10% 11% 0% 0% 2% 2% 2%
n= Gesamtzahl der ausgewerteten Bilder je Jahrgang und Titel (100%)
Tab. 10
2
Entwicklung der Verwendung kleiner Fotos (bis 2700 mm ) 1972
TIME
(n=101)
NEWSWEEK
(n=100)
ECONOMIST
(n=85)
SPIEGEL
(n=249)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=115)
FORMAT**
-
1982 15% 12% 22% 10% 3% -
(n=77) (n=123) (n=88) (n=339) (n=129) -
12% 11% 14% 0% 4% -
92 (94*/ 99**) 2% (n=131) 15% (n=96) 16% (n=417) 2% (n=412) 53% (n=148) 11% (n=306) 56% (n=62)
n= Gesamtzahl der ausgewerteten Bilder je Jahrgang und Titel (100%)
2002 (n=124) (n=119) (n=85) (n=410) (n=364) (n=435) (n=245)
21% 25% 11% 21% 38% 30% 47%
12 Anhang
328
Tab. 11
2
Entwicklung der Verwendung sehr kleiner Fotos (bis 540 mm ) 1972
TIME
(n=101)
NEWSWEEK
(n=100)
ECONOMIST
(n=85)
SPIEGEL
(n=249)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=115)
FORMAT**
-
1982 0% 0% 0% 0% 0% -
(n=77) (n=123) (n=88) (n=339) (n=129) -
0% 0% 0% 0% 0% -
‘92 (94*/ 99**) 0% (n=131) 0% (n=96) 1% (n=417) 0% (n=412) 5% (n=148) 0% (n=306) 10% (n=62)
2002 (n=124) (n=119) (n=85) (n=410) (n=364) (n=435) (n=245)
6% 1% 0% 6% 2% 7% 12%
n= Gesamtzahl der ausgewerteten Bilder je Jahrgang und Titel (100%)
Tab. 12
Entwicklung Verwendung durchschnittlich großer Fotos 2700 mm2 -1/3-Seite 1972
TIME
(n=101)
NEWSWEEK
(n=100)
ECONOMIST
(n=85)
SPIEGEL
(n=249)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=115)
FORMAT**
-
1982 77% 88% 78% 91% 95% -
(n=77) (n=123) (n=88) (n=339) (n=129) -
87% 89% 86% 98% 95% -
‘92 (94*/ 99**) (n=62) 88% (n=131) 74% (n=96) 83% (n=417) 97% (n=412) 43% (n=148) 83% (n=306) 40%
2002 (n=124) (n=119) (n=85) (n=410) (n=364) (n=435) (n=245)
56% 62% 90% 75% 59% 67% 48%
n= Gesamtzahl der ausgewerteten Bilder je Jahrgang und Titel (100%)
Tab. 13
Entwicklung Infografik-Verwendung Anteil der Seiten mit mind. 1 Infografik 1972
TIME
(n=60)
NEWSWEEK
(n=68)
ECONOMIST
(n=99)
SPIEGEL
(n=207)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=106)
FORMAT**
-
1982 5% 4% 16% 2% 0% -
(n=61) (n=86) (n=131) (n=306) (n=105) -
3% 10% 17% 3% 1% -
‘92 (94*/ 99**) (n=51) 12% (n=97) 8% (n=143) 36% (n=366) 8% (n=210) 27% (n=141) 9% (n=106) 17%
n= Anzahl der ausgewerteten Seiten je Jahrgang und Titel (100%)
2002 (n=97) (n=86) (n=132) (n=245) (n=145) (n=204) (n=101)
6% 6% 28% 26% 35% 17% 17%
12 Anhang
Tab. 14
329
Verwendung von Bildelementen je Seite (Fotos, Illustrationen, Infografiken) 1972
TIME
(n=60)
NEWSWEEK
(n=68)
ECONOMIST
(n=99)
SPIEGEL
(n=207)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=106)
FORMAT**
-
1982 1,8 1,6 1,1 1,6 1,4 -
(n=61) (n=86) (n=131) (n=306) (n=105) -
1,4 1,7 1,0 1,4 1,4 -
‘92 (94*/ 99**) (n=51) 1,4 (n=97) 1,6 (n=143) 1,5 (n=366) 1,4 (n=210) 2,8 (n=141) 1,2 (n=106) 3,3
2002 (n=97) (n=86) (n=132) (n=245) (n=145) (n=204) (n=101)
1,4 1,5 1,2 2,1 3,2 2,6 2,7
n= Anzahl der ausgewerteten Seiten je Jahrgang und Titel
Tab. 15
Verwendung von Bildelementen je Bericht (Fotos, Illustrationen, Infografiken) 1972
TIME
(n=64)
NEWSWEEK
(n=73)
ECONOMIST
(n=126)
SPIEGEL
(n=131)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=38)
FORMAT**
-
1982 1,7 1,5 0,8 2,1 3,4 -
(n=66) (n=81) (n=178) (n=137) (n=54) -
1,3 1,8 0,8 2,8 2,6 -
‘92 (94*/ 99**) (n=33) 2,1 (n=68) 2,3 (n=179) 1,2 (n=161) 2,9 (n=109) 4,7 (n=99) 1,7 (n=77) 4,4
2002 (n=44) (n=43) (n=163) (n=120) (n=67) (n=99) (n=59)
3,0 3,0 0,9 4,0 6,4 5,0 4,5
n= Anzahl der ausgewerteten Berichte je Jahrgang und Titel
Tab. 16
„Blickfänger“ je Seite (Bilder, Heads, Subs, Leads, Zw.titel, Bildtexte, kleine Kästen) 1972
TIME
(n=60)
NEWSWEEK
(n=68)
ECONOMIST
(n=99)
SPIEGEL
(n=207)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=106)
FORMAT**
-
1982 5,4 4,6 4,3 5,2 3,8 -
(n=61) (n=86) (n=131) (n=306) (n=105) -
5,7 4,3 4,3 4,0 4,1 -
n= Anzahl der ausgewerteten Berichte je Jahrgang und Titel
‘92 (94*/ 99**) (n=51) 4,4 (n=97) 4,1 (n=143) 4,7 (n=366) 4,0 (n=210) 8,0 (n=141) 3,8 (n=106) 9,0
2002 (n=97) (n=86) (n=132) (n=245) (n=145) (n=204) (n=101)
4,3 4,2 5,6 5,3 8,7 6,4 7,6
12 Anhang
330
Tab. 17
„Blickfänger“ je Bericht (Bilder, Heads, Subs, Leads, Zw.titel, Bildtexte, kl. Kästen) 1972
TIME
(n=64)
NEWSWEEK
(n=73)
ECONOMIST
(n=126)
SPIEGEL
(n=131)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=38)
FORMAT**
1982 5,0 4,3 3,4 7,0 9,4 -
-
5,3 4,5 3,2 7,9 7,6 -
(n=66) (n=81) (n=178) (n=137) (n=54) -
‘92 (94*/ 99**) (n=33) 6,8 (n=68) 5,8 (n=179) 3,8 (n=161) 8,2 (n=109) 13,7 (n=99) 5,3 (n=77) 11,9
2002 9,6 8,4 4,5 10,2 17,7 12,5 12,6
(n=44) (n=43) (n=163) (n=120) (n=67) (n=99) (n=59)
n= Anzahl der ausgewerteten Berichte je Jahrgang und Titel
Tab. 18
Verwendung von Zwischentiteln (Seiten mit mind. 1 Zwischentitel) 1972
TIME
(n=60)
NEWSWEEK
(n=68)
ECONOMIST
(n=99)
SPIEGEL
(n=207)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=106)
FORMAT**
-
1982 8% 31% 37% 11% 0% -
0% 13% 26% 0% 3% -
(n=61) (n=86) (n=131) (n=306) (n=105) -
92 (94*/ 99**) 24% (n=97) 2% (n=143) 38% (n=366) 3% (n=210) 16% (n=141) 4% (n=106) 25% (n=51)
2002 48% 34% 41% 11% 24% 29% 41%
(n=97) (n=86) (n=132) (n=245) (n=145) (n=204) (n=101)
n= Anzahl der ausgewerteten Seiten je Jahrgang und Titel (100%)
Tab. 19
Verwendung von Lead-Texten Anteil der Berichte, die mit einem Lead beginnen 1972
TIME
(n=64)
NEWSWEEK
(n=73)
ECONOMIST
(n=126)
SPIEGEL
(n=131)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=38)
FORMAT**
-
1982 13% 1% 10% 90% 3% -
(n=66) (n=81) (n=178) (n=137) (n=54) -
6% 0% 10% 77% 102% -
‘92 (94*/ 99**) 88% (n=68) 29% (n=179) 18% (n=161) 70% (n=109) 110% (n=99) 82% (n=77) 123% (n=33)
2002 (n=44) (n=43) (n=163) (n=120) (n=67) (n=99) (n=59)
57% 98% 96% 88% 125% 116% 124%
n= Anzahl ausgewerteter Berichte je Jahrgang (auch Texte in Kästen, daher Werte zum Teil >100%)
12 Anhang
Tab. 20
331
Verwendung von Kasten-Elementen Seiten mit mind. 1 Kasten-Element 1972
TIME
(n=60)
NEWSWEEK
(n=68)
ECONOMIST
(n=99)
SPIEGEL
(n=207)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=106)
FORMAT**
-
1982 12% 12% 7% 6% 22% -
21% 37% 25% 6% 30% -
(n=61) (n=86) (n=131) (n=306) (n=105) -
‘92 (94*/ 99**) (n=51) 8% (n=97) 28% (n=143) 32% (n=366) 10% (n=210) 69% (n=141) 17% (n=106) 49%
2002 23% 16% 21% 17% 50% 40% 52%
(n=97) (n=86) (n=132) (n=245) (n=145) (n=204) (n=101)
n= Anzahl der ausgewerteten Seiten je Jahrgang und Titel (100%)
Tab. 21
Verwendung kleiner Kasten-Elemente Seiten mit mind. 1 KE bis 1/6-Seite 1972
TIME
(n=60)
NEWSWEEK
(n=68)
ECONOMIST
(n=99)
SPIEGEL
(n=207)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=106)
FORMAT**
-
1982 0% 3% 0% 2% 5% -
3% 8% 3% 1% 0% -
(n=61) (n=86) (n=131) (n=306) (n=105) -
‘92 (94*/ 99**) 4% (n=97) 6% (n=143) 3% (n=366) 2% (n=210) 35% (n=141) 3% (n=106) 16% (n=51)
2002 (n=97) (n=86) (n=132) (n=245) (n=145) (n=204) (n=101)
2% 6% 1% 4% 24% 4% 18%
n= Anzahl der ausgewerteten Seiten je Jahrgang und Titel (100%)
Tab. 22
Kasten-Element Größe durchschnittliche Gr. verwendeter KE in % der Gesamtseite*** 1972
TIME
(n=7)
NEWSWEEK
(n=6)
ECONOMIST
(n=7)
SPIEGEL
(n=7)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=16)
FORMAT**
-
1982 60% 60% 60% 40% 60% -
(n=11) (n=25) (n=29) (n=13) (n=30) -
60% 70% 60% 70% 100% -
n= Anzahl der vermessenen Kasten-Elemente je Jg. u. Titel
92 (94*/ 99**) (n=2) 60% (n=21) 50% (n=41) 60% (n=26) 70% (n=64) 40% (n=19) 90% (n=34) 40%
2002 (n=20) (n=9) (n=26) (n=29) (n=36) (n=69) (n=33)
*** exklusive KE bis 1/6-Seite
60% 80% 40% 60% 40% 60% 50%
12 Anhang
332
Tab. 23
Verwendung von Bildtexten Anteil der Bilder, denen ein Bildtext zugeordnet ist 1972
TIME
(n=101)
NEWSWEEK
(n=100)
ECONOMIST
(n=85)
SPIEGEL
(n=249)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=115)
FORMAT**
-
1982 87% 73% 73% 97% 100% -
(n=77) (n=123) (n=88) (n=339) (n=129) -
94% 75% 80% 97% 77% -
‘92 (94*/ 99**) (n=62) 65% (n=131) 65% (n=96) 80% (n=417) 92% (n=412) 88% (n=148) 76% (n=306) 57%
2002 (n=124) (n=119) (n=85) (n=410) (n=364) (n=435) (n=245)
72% 53% 64% 74% 85% 65% 67%
n= Gesamtzahl der ausgewerteten Bilder je Jahrgang und Titel (100%)
Tab. 24
Wörtliche Zitate in Bildtexten Bildtexte, die als Zitate ausgewiesen sind 1972
TIME
(n=88)
NEWSWEEK
(n=73)
ECONOMIST
(n=62)
SPIEGEL
(n=241)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=116)
FORMAT**
-
1982 1% 4% 0% 41% 28% -
(n=72) (n=92) (n=70) (n=329) (n=99) -
4% 3% 0% 45% 15% -
‘92 (94*/ 99**) (n=40) 3% (n=85) 5% (n=77) 0% (n=384) 44% (n=361) 7% (n=112) 28% (n=173) 16%
2002 (n=89) (n=63) (n=54) (n=302) (n=308) (n=283) (n=163)
0% 0% 0% 30% 4% 22% 19%
n= Gesamtzahl der ausgewerteten Bildertexte je Jahrgang und Titel (100%)
Tab. 25
Wörtliche Zitate als Zwischentitel Als Zitate ausgewiesenen Zwischentitel 1972
TIME
(n=5)
NEWSWEEK
(n=21)
ECONOMIST
(n=37)
SPIEGEL
(n=20)
FOCUS*
-
PROFIL
-
FORMAT**
-
1982 0% 0% 0% 65% -
(n=11) (n=34) (n=3) -
0% 0% 0% -
‘92 (94*/ 99**) 33% (n=2) 0% (n=55) 0% (n=11) 82% (n=29) 90% (n=5) 100% (n=26) 65% (n=12)
n= Gesamtzahl der ausgewerteten Zwischentitel je Jahrgang und Titel (100%)
2002 (n=47) (n=29) (n=54) (n=26) (n=33) (n=56) (n=40)
51% 31% 0% 50% 61% 91% 58%
12 Anhang
333
Tab. 26
Interview als Form der red. Berichterstattung Seiten, die Interviews präsentieren 1972
TIME
(n=60)
NEWSWEEK
(n=68)
ECONOMIST
(n=99)
SPIEGEL
(n=207)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=106)
-
FORMAT**
1982
0% 1% 0% 10,6% 0% -
(n=61) (n=86) (n=131) (n=306) (n=105) -
1% 1,2% 0% 6,6% 6,% -
‘92 (94*/ 99**) 0% (n=97) 1,4% (n=143) 0% (n=366) 12% (n=210) 8,8% (n=141) 8,4% (n=106) 14,8% (n=51)
2002 (n=97) (n=86) (n=132) (n=245) (n=145) (n=204) (n=101)
1% 1,9% 0% 6,1% 7,2% 12,2% 13,4%
n= Anzahl der ausgewerteten Seiten je Jahrgang und Titel (100%)
Tab. 27
Kurznachrichten Jede x-te Seite des Heftes ist Panoramaseite 1972
1982
‘92 (94*/ 99**)
2002
TIME
(n=21)
14.
(n=23)
keine
(n=29)
5.
(n=31)
6.
NEWSWEEK
(n=22)
14.
(n=25)
17.
(n=33)
19.
(n=32)
7.
ECONOMIST
(n=25)
keine
(n=33)
keine
(n=37)
37.
(n=35)
18.
SPIEGEL
(n=65)
22.
(n=86)
29.
(n=110)
29.
(n=85)
7.
FOCUS*
-
-
(n=61)
9.
(n=54)
7.
PROFIL
(n=40)
keine
(n=40)
keine
(n=57)
10.
-
(n=38)
13.
(n=40)
8.
FORMAT**
13. -
-
(n=29) -
n= durchschnittliche Seiten der redaktionellen politischen Berichterstattung/Heft/Jg. (inkl. Coverstory)
Tab. 28
Verwendung großer Headlines Anteil d. Seiten, auf denen sich ein Head findet 1972
TIME
(n=60)
NEWSWEEK
(n=68)
ECONOMIST
(n=99)
SPIEGEL
(n=207)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=106)
FORMAT**
-
1982 13% 25% 29% 13% 50% -
(n=61) (n=86) (n=131) (n=306) (n=105) -
13% 78% 34% 19% 63% -
‘92 (94*/ 99**) (n=51) 69% (n=97) 70% (n=143) 38% (n=366) 50% (n=210) 63% (n=141) 80% (n=106) 73%
n= Anzahl der ausgewerteten Seiten je Jahrgang und Titel (100%)
2002 (n=97) (n=86) (n=132) (n=245) (n=145) (n=204) (n=101)
36% 79% 42% 71% 87% 57% 76%
12 Anhang
334
Tab. 29
Verwendung großer Headlines Anteil d. mit großer Headline eröffnenden Berichte *** 1972
TIME
(n=64)
NEWSWEEK
(n=73)
ECONOMIST
(n=126)
SPIEGEL
(n=131)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=38)
FORMAT**
-
1982
13% 23% 23% 18% 124% -
(n=66) (n=81) (n=178) (n=137) (n=54) -
12% 83% 25% 38% 117% -
‘92 (94*/ 99**) 106% (n=68) 100% (n=179) 31% (n=161) 102% (n=109) 108% (n=99) 110% (n=77) 96% (n=33)
2002 105% (n=43) 114% (n=163) 2% (n=120) 103% (n=67) 88% (n=99) 142% (n=59) 93% (n=44)
n= Anz. der ausgew. Berichte/Jg./Titel (100% *** auch Heads in Kästen, daher Werte teils >100)
Tab. 30
Blickfänger/Panorama-Seite (Bilder, Heads, Subs, Leads, Zw.titel, Bildtexte, kl. Kästen) 1972
TIME
(n=6)
NEWSWEEK
(n=6)
ECONOMIST SPIEGEL
(n=12)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=12)
FORMAT**
-
1982 9,0 7,3 9,3 9,1 -
(n=1) (n=6) (n=12) -
7,0 9,3 8,9 -
‘92 (94*/ 99**) 9,5 (n=7) 14,9 (n=4) 7,0 (n=15) 10,2 (n=28) 14,6 (n=12) 15,3 (n=24)
2002 (n=22) (n=18) (n=8) (n=50) (n=30) (n=24) (n=21)
17,2 10,7 6,9 11,8 15,8 17,8 14,3
n= Anzahl der ausgewertete Panorama-Seiten/Jg./Titel
Tab. 31 Bildelemente je Panorama-Seite (Fotos, Illustrationen, Infografiken) 1972 TIME
(n=6)
NEWSWEEK
(n=6)
ECONOMIST SPIEGEL
(n=12)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=12)
FORMAT**
-
1982 3,2 0,8 1,7 3,3 -
(n=1) (n=6) (n=12) -
2,0 1,0 1,9 -
n= Anzahl der ausgewerteten Panorama-Seiten je Jg. und Titel
92 (94*/ 99**) 1,4 (n=7) 3,7 (n=4) 2,5 (n=15) 2,6 (n=28) 4,9 (n=12) 5,3 (n=24)
2002 (n=22) (n=18) (n=8) (n=50) (n=30) (n=24) (n=21)
3,5 3,2 2,3 3,4 5,1 5,1 5,0
12 Anhang
335
Tab. 32 Textelemente/Panorama-Seite (Heads, Subs, Leads, Zw.titel, Bildtexte, kl. Kästen) 1972 TIME
(n=6)
NEWSWEEK
(n=6)
ECONOMIST SPIEGEL
(n=12)
FOCUS*
-
PROFIL
(n=12)
FORMAT**
-
1982 5,8 6,5 7,7 5,8 -
(n=1) (n=6) (n=12) -
5,0 8,3 6,9 -
n= Anzahl der ausgewerteten Panorama-Seiten je Jg. u. Titel
92 (94*/ 99**) 7,8 (n=7) 11,0 (n=4) 4,5 (n=15) 7,5 (n=28) 9,7 (n=12) 9,3 (n=24)
2002 (n=22) (n=18) (n=8) (n=50) (n=30) (n=24) (n=21)
12,2 7,4 4,5 8,3 10,3 11,4 8,7