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Vorwort Arbeitskampf und Arbeitsvertrag scheinen einander auszuschließen. Während auf der einen Seite sich der soziale Konflikt durch scharfe Konfrontation und durch Ausübung von Druck und Gegendruck zur Durchsetzung oder zur Abwehr von Forderungen kennzeichnet, verlangt auf der anderen Seite der Arbeitsvertrag– vor allem in Gestalt von Treue- und Fürsorgepflichten – den Schutz und die Wahrung der Interessen des anderen Vertragsteils. Trotzdem besteht eine enge Verbindung zwischen der kampfweisen Interessenverfolgung und dem Arbeitsvertrag, zielt doch der Arbeitskampf – lässt man politisch motivierte Auseinandersetzungen außer Betracht – prinzipiell auf die Beeinflussung des sozialen Gegenspielers in Bezug auf die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen und damit in Bezug auf die materiellen Grundlagen der Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ab. Was in der sozialen Auseinandersetzung erkämpft worden ist, soll zukünftig die weiteren arbeitsvertragsrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestimmen. Es kann aber grundsätzlich kein Streik geführt, keine Aussperrung verhängt werden, ohne dass damit gleichzeitig ein Eingriff in die bestehenden vertraglichen Bindungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber verbunden wäre. Die Arbeitsniederlegung bzw die Nichtzulassung zur Arbeit unter Vorenthaltung des Entgelts bedeuten im aufrechten Arbeitsverhältnis prinzipiell eine Verletzung der übernommenen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Dennoch – und das scheint in gewissem Widerspruch dazu zu stehen – duldet die österreichische Rechtsordnung den Arbeitskampf im Rahmen der so genannten natürlichen Kampffreiheit. Das ist insofern bemerkenswert, als das System des Rechts ganz allgemein bestrebt ist, Konflikte, in welchen Situationen sie auch immer auftreten mögen, mit friedlichen Mitteln zu lösen, während demgegenüber im Arbeitskampf das „Recht des Stärkeren“ obsiegt. Zu klären bleibt damit, wie dieser Widerspruch aufgelöst wird oder anders formuliert: Welchen Standpunkt nimmt das österreichische Recht konkret zu dem Verhältnis Arbeitskampf und Arbeitsvertrag ein? Begreift man dabei das System des Rechts als „Prophezeiungen dessen, was die Gerichte tatsächlich tun werden“ (Oliver Wendell Holmes), so bedarf es im Bereich des Arbeitskampfes dafür besonderer hellseherischer Fähigkeiten. Haben es doch insbesondere die österreichischen Höchstgerichte bis dato verstanden, der Beantwortung zentraler Fragen dieses Rechtsgebietes so weit wie möglich auszuweichen, obwohl an solchen ungeklärten Fragen kein Mangel besteht. Einige Problemstellungen mögen dies verdeutlichen: Berechtigt ein Streik den Arbeitgeber immer zur rechtmäßigen Entlassung der Streikenden? Wie steht es um das Eingreifen des Kündigungsschutzes? Ist
VI
Vorwort
die Beteiligung an einem Streik als „Tätigkeit in Gewerkschaften“ aufzufassen? Sofern Gerichte sich dennoch mit derartigen Problemstellungen zu befassen hatten, waren ihre Antworten divergent und lassen daher keine klare Linie erkennen. Ergiebiger, wenn auch nicht einheitlicher sind die Auffassungen, die in der Literatur zu diesem Themenkomplex vertreten werden. Das Spektrum der Meinungen reicht dabei von der rigorosen Qualifikation des Arbeitskampfes als Bruch des Arbeitsvertrages samt den damit zusammenhängenden rechtlichen Konsequenzen bis hin zur Befugnis für die Vertragsparteien, im Arbeitskampf während dessen Dauer die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag aussetzen zu können. Vor diesem Hintergrund setzt sich die vorliegende Arbeit daher zunächst zum Ziel, die Grundlagen des Arbeitskampfrechts herauszuarbeiten, damit gleichzeitig das Problemfeld zu strukturieren und darauf aufbauend einen neuen dogmatischen Ansatz zu formulieren. Um die Kernfrage vorliegender Arbeit, das ist die Frage nach der Möglichkeit, streikende Arbeitnehmer rechtmäßig entlassen zu können, beantworten zu können, steht am Beginn der Arbeit eine Begriffsklärung, gefolgt von einer Verortung des Arbeitskampfes im Gefüge der Rechtsordnung. Der dritte Teil wird sich mit der herrschenden Lehre vom Vertragsbruchcharakter der Streikteilnahme auseinandersetzen. Im vierten Teil wird der Frage nachgegangen, ob aus der verfassungsrechtlichen Garantie der Koalitionsfreiheit unter Berücksichtigung der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein Streikrecht abgeleitet werden kann. Der letzte Teil versucht abschließend den Nachweis zu führen, dass die Streikteilnahme nicht in allen Fällen die fristlose Vertragslösung rechtfertigen kann. Die vorliegende Arbeit ist eine leicht überarbeitete Fassung meiner von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck im Sommersemester 2006 approbierten Dissertation. Danken möchte ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Gustav Wachter für die Inspiration zur Themenwahl und für den Freiraum, den er mir während der Promotionsphase gewährt hat. Weiters danke ich Herrn ao. Univ.-Prof. Dr. Johann Egger für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens, Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Martin Binder für so manch hilfreichen Hinweis sowie Herrn Dr. Florian Burger und Frau Dr. Julia Küng für ihre stets motivierende Unterstützung. Allen Mitgliedern des Institutsbereichs Arbeits- und Sozialrecht danke ich für das Vergnügen und für das Privileg, Mitglied dieses Teams sein zu dürfen. Innsbruck, im Mai 2008
Andreas Mair
Inhaltsverzeichnis Vorwort..................................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis...................................................................................... XIII Erster Teil .................................................................................................................. 1 Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen .................................. 1 I.
Vorbemerkung.................................................................................................. 1
II.
Die Definition des Arbeitskampfes................................................................ 2 1. Grundlegung ............................................................................................ 2 2. Die Kriterien des Arbeitskampfbegriffes im Einzelnen ...................... 3 2.1. Die Kampfparteien........................................................................ 3 2.2. Das kollektive Moment ................................................................ 4 2.3. Die Kampfmittel ........................................................................... 4 2.4. Der Kampfzweck .......................................................................... 5 2.5. Die Wiederaufnahme friedlicher Beziehungen.......................... 7 3. Endgültige Begriffsbestimmung............................................................. 8
III. Der Streik und die Aussperrung..................................................................... 8 1. Definition.................................................................................................. 8 1.1. Anhaltspunkte im Gesetz?........................................................... 8 1.2. Die Definitionen von Streik und Aussperrung in Lehre und Rechtsprechung ................................................................... 10 1.2.1. Die Definition des Streiks.............................................. 10 1.2.2. Die Definition der Aussperrung ................................... 12 2. Erscheinungsformen von Streik und Aussperrung ............................ 13 2.1. Unterscheidung nach der Organisation ................................... 13 2.1.1. Gewerkschaftlicher Streik versus wilder Streik........... 13 2.1.2. „Verbandsaussperrung“ versus „nichtverbandsgetragene“ Aussperrung ...................... 13 2.2. Unterscheidung nach dem Kampfbeginn................................. 14 2.3. Unterscheidung nach dem Kampfziel ...................................... 14 2.4. Unterscheidung nach der Taktik............................................... 15 2.5. Unterscheidung nach der Wirkung auf die Gegenseite .......... 15 2.6. Unterscheidung nach der Selbständigkeit des Arbeitskampfes ........................................................................... 16 2.7. Exkurs: Sonderformen................................................................ 17 IV. Der Boykott .................................................................................................... 18 V.
Die beiden Ebenen des Arbeitskampfes ...................................................... 19
VIII
Inhaltsverzeichnis
Zweiter Teil ............................................................................................................. 21 Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes..................................................... 21 I.
Vorbemerkung ............................................................................................... 21
II.
Die Grundlagen des Arbeitskampfrechts.................................................... 22 1. Der Befund ............................................................................................. 22 1.1. Historischer Abriss .................................................................... 22 1.2. Der gegebene Normenbestand.................................................. 24 1.3. Internationale Übereinkommen ............................................... 30 1.4. Der Schluss aus der vorgefundenen Rechtslage ...................... 32 1.5. Warum ist das Arbeitskampfrecht nicht gesetzlich ausgeformt? ................................................................................. 33 1.5.1. Gründe ............................................................................ 33 1.5.2. Empfiehlt sich eine Normierung des Arbeitskampfrechts? ...................................................... 38 2. Ergebnis: Das System der natürlichen Kampffreiheit ....................... 40 2.1. Der Begriff................................................................................... 40 2.2. Zur Konsequenz des Systems der natürlichen Kampffreiheit .............................................................................. 42 3. Der Arbeitskampf als Rechtsinstitut? ................................................. 43 4. Zum Verhältnis von Streik und Aussperrung .................................... 44
III. Die für die arbeitsvertraglichen Auswirkungen relevanten Prinzipien des Arbeitskampfrechts................................................................................. 45 1. Vorbemerkung ....................................................................................... 45 2. Das Prinzip der staatlichen Neutralität im Arbeitskampf ................ 45 3. Das Prinzip der Kampfparität.............................................................. 48 4. Der Grundsatz der Arbeitnehmersolidarität...................................... 50 IV. Einheitliche oder getrennte Beurteilung von Gesamt- und Individualaktion? ........................................................................................... 55 1. Die Einheitstheorie – Der Beschluss des Großen Senates des BAG vom 28. Jänner 1955 – Kollektivrechtliche Einheitslösung .............. 56 1.1. Vorgeschichte.............................................................................. 56 1.2. Der Beschluss des Großen Senates des BAG vom 28. Jänner 1955 ............................................................................ 56 1.3. Die kollektivrechtliche Einheitslösung .................................... 60 2. Trennungstheorie und individualrechtliche Betrachtungsweise ...... 62 2.1. Die herrschende Lehre von der Trennungstheorie................. 62 2.2. Die individualrechtliche Betrachtungsweise............................ 63 Dritter Teil .............................................................................................................. 65 Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre.............................. 65 I.
Einleitung........................................................................................................ 65 1. Vorbemerkung ....................................................................................... 65
Inhaltsverzeichnis
2.
II.
IX
Vorfragen zu den Rechtsfolgen des vertragswidrigen Arbeitskampfes ...................................................................................... 66 2.1. Bedeutet die streikbedingte Arbeitsniederlegung die automatische Beendigung des Arbeitsvertrages?..................... 66 2.2. Ist die streikbedingte Arbeitsniederlegung als vorzeitige Austrittserklärung zu deuten?................................................... 68
Zur Entlassung streikender Arbeitnehmer.................................................. 69 1. Einleitung................................................................................................ 69 1.1. Ausgangsposition........................................................................ 69 1.2. Entlassungsgrund - Entlassungstatbestand .............................. 70 1.3. Welche Entlassungstatbestände kommen in Frage?................ 72 2. Die Tatbestände § 27 Z 4 Fall 1 AngG und § 82 lit f Fall 1 GewO 1859............................................................................................. 75 2.1. Strukturmerkmale ....................................................................... 75 2.2. Zuordnung der streikbedingten Arbeitseinstellung................ 76 2.3. Das Verschuldenserfordernis..................................................... 83 3. Streik und Rechtsirrtum........................................................................ 87
III. Der Streik und der Entlassungsschutz ......................................................... 94 1. Der allgemeine Entlassungsschutz (§ 106 ArbVG)............................ 94 1.1. Vorbemerkung ............................................................................ 94 1.2. Die „Tätigkeit in Gewerkschaften“ .......................................... 96 1.2.1. Grundlegung ................................................................... 96 1.2.2. § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG und die Streikteilnahme.............................................................. 101 1.2.3. Eigene Position ............................................................. 104 2. Der besondere Kündigungsschutz der Betriebsverfassungsfunktionäre ......................................................... 107 2.1. Einleitung................................................................................... 107 2.2. Konkretisierung ........................................................................ 109 2.3. Streikteilnahme als Zustimmungsgrund? ............................... 111 2.3.1. Stellungnahmen in Judikatur und Literatur............... 111 2.3.2. Eigene Stellungnahme .................................................. 117 IV. Schlussfolgerung........................................................................................... 120 Vierter Teil............................................................................................................. 121 Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit............................................ 121 I.
Vorbemerkung.............................................................................................. 121
II.
Die Rechtsgrundlagen der Koalitionsfreiheit............................................ 122 1. Innerstaatliches Recht ......................................................................... 122 2. Internationale Grundlagen.................................................................. 124
III. Koalitionsfreiheit und Streikrecht .............................................................. 126 1. Der Begriff der positiven Koalitionsfreiheit ..................................... 126 2. Die Gewährleistungen der positiven Koalitionsfreiheit.................. 126
X
Inhaltsverzeichnis
3.
4.
Schützt die positive Koalitionsfreiheit die Kampfteilnahme oder: Ein Streikrecht aus der Koalitionsfreiheit?....................................... 127 3.1. Meinungsbild in der Literatur................................................. 127 3.2. Art 12 StGG und der Schutz der Streikteilnahme ................ 128 3.2.1. Die Position von Davy ................................................ 128 3.2.2. Die Kritik von Rebhahn .............................................. 130 3.3. Die Rechtsprechung ................................................................. 132 3.4. Bewertung ................................................................................. 133 Ein Streikrecht aus Art 11 Abs 1 MRK?........................................... 134 4.1. Meinungsstand in der Lehre.................................................... 134 4.2. Gegenstimmen .......................................................................... 136 4.3. Die Judikatur des EGMR zur Frage eines Streikrechts ....... 138 4.3.1. Zur Interpretationsmethode des EGMR ................... 138 4.3.2. Das Case-law der Straßburger Instanzen (EKMR und EGMR) zur positiven Koalitionsfreiheit ........... 143 4.3.2.1. Die positive Koalitionsfreiheit im Allgemeinen .................................................... 143 4.3.2.2. Im Speziellen: Zur Frage eines Streikrechts ..................................................... 149 4.4. Fazit............................................................................................ 154
Fünfter Teil ........................................................................................................... 155 Ein alternativer Ansatz auf Basis des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte................................................... 155 I.
Grundlegung................................................................................................. 155 1. Ausgangsposition ................................................................................ 155 2. Zur Reichweite der Staatenverpflichtungen ..................................... 159 3. Der IPwskR in der österreichischen Rechtsordnung...................... 160
II.
Das Streikrecht im IPwskR......................................................................... 164 1. Einleitung ............................................................................................. 164 2. Zur Reichweite des Streikrechts ........................................................ 165 2.1. Das Streikrecht als subjektives Recht? ................................... 165 2.2. Streikrecht oder Streikfreiheit? ............................................... 166 2.3. Begrenzte Wirkung des Streikrechts durch Verweisung auf die innerstaatliche Rechtsordnung? ................................. 171
III. Die fristlose Lösungsmöglichkeit und das Streikrecht des IPwskR ...... 173 1. Einleitung ............................................................................................. 173 2. Streik, Streikrecht und der „rechtmäßige Hinderungsgrund“ ....... 173 3. Der Ansatz von Schindler................................................................... 178 IV. Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung ...................................... 180 1. Grundlegung ........................................................................................ 180 2. Die Kriterien ........................................................................................ 181 2.1. Arbeitskampfverbote ............................................................... 182
Inhaltsverzeichnis
3.
XI
2.1.1. Die kollektivvertragliche Friedenspflicht................... 182 2.1.2. Die betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht.... 183 2.2. Die Gesamtaktion gemessen am Maßstab von § 1295 Abs 2 ABGB.............................................................................. 189 2.2.1. Die Parteien des Arbeitskampfes ................................ 189 2.2.1.1. Das Streikrecht des IPwskR als Recht der Gewerkschaft?.......................................... 191 2.2.1.2. Der Sympathiearbeitskampf.......................... 192 2.2.1.3. Der politische Arbeitskampf......................... 194 2.2.2. Die Ziele des Arbeitskampfes...................................... 201 2.2.3. Die Kampfdurchführung ............................................. 202 2.2.4. Sonstige Kampfgrenzen?.............................................. 203 2.2.4.1. Das Ultima-ratio-Prinzip .............................. 203 2.2.4.2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ..... 206 Schlussfolgerung .................................................................................. 207
Zusammenfassung................................................................................................. 209 Verzeichnis der verwendeten und zitierten Literatur....................................... 211 Judikaturverzeichnis............................................................................................. 238 Stichwortverzeichnis ............................................................................................ 257
Abkürzungsverzeichnis aA ABGB ABl Abs AcP aE AG AH AlVG aM AMFG AMS AMSG AN AngG Anm AnwBl AP APSG Arb AR-Blattei ES ArbG ArbGG ArbR ArbuR ArbVG ArbW ARD Art ASG ASGG ASoK ASVG ATerrG AÜG
andere Ansicht Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch JGS 946 Amtsblatt Absatz „Archiv für die civilistische Praxis“ am Ende Arbeitgeber, -in Abgeordnetenhaus Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 BGBl 609 (Wv) anderer Meinung Arbeitsmarktförderungsgesetz BGBl 1969/31 Arbeitsmarktservice Arbeitsmarktservicegesetz BGBl 1994/313 Arbeitnehmer, -in Angestelltengesetz BGBl 1921/292 Anmerkung „Österreichisches Anwaltsblatt“ „Arbeitsrechtliche Praxis“ Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 BGBl 683 „Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen“ „Arbeitsrecht-Blattei Entscheidungssammlung“ Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz dBGBl I 1979, 853 „Mitteilungen des Schweizerischen Instituts für Arbeitsrecht“ „Arbeit und Recht“, Zeitschrift für Arbeitsrechtspraxis Arbeitsverfassungsgesetz BGBl 1974/22 „Arbeit und Wirtschaft“ „ARD-Betriebsdienst“ Artikel Arbeits- und Sozialgericht Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz BGBl 1985/104 „Arbeits- und Sozialrechtskartei“ Allgemeines Sozialversicherungsgesetz BGBl 1955/189 Antiterrorgesetz BGBl 1930/113 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz BGBl 1988/196
XIV AVRAG BABl BAG BAGE BB bbl Bd BEinstG BergG 1854 BetrR BetrVG Bf BG BGBl BGE BlgNR 1. BRBG BRG 1919 BRG 1947 BSozG BSozGE B-VG bzw CESCR d DB DDR dens ders DG dGewO 1869 dh dies DN DR DRdA dRGBl EA
Abkürzungsverzeichnis
Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz BGBl 1993/459 „Bundesarbeitsblatt“ Bundesarbeitsgericht „Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts“ „Der Betriebsberater“ „Baurechtliche Blätter“ Band Behinderteneinstellungsgesetz BGBl 1970/22 idF BGBl 1988/721 allgemeines Berggesetz 1854 RGBl 146 Betriebsrat Betriebsverfassungsgesetz dBGBl 2001, 2518 Beschwerdeführer, -in Bundesgesetz Bundesgesetzblatt „Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts“ Beilage(-n) zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates Erstes Bundesrechtsbereinigungsgesetz BGBl 1999/191 Betriebsrätegesetz 1919 StGBl 283 Betriebsrätegesetz 1947 BGBl 97 Bundessozialgericht „Entscheidungen des Bundessozialgerichts“ Bundes-Verfassungsgesetz BGBl 1930/1 (Wv) beziehungsweise Committee on Economic, Social and Cultural Rights (= IPwskR-Ausschuss) deutsch „Der Betrieb“ Deutsche Demokratische Republik denselben derselbe Dienstgeber, -in (deutsche) Gewerbeordnung RGBl 1869, 245 das heißt dieselben Dienstnehmer, -in Decisions and Reports „Das Recht der Arbeit“ deutsches Reichsgesetzblatt Einigungsamt
Abkürzungsverzeichnis
EAS
ErläutRV ecolex EG EGMR EKMR endg Erl ESC EU EuGH EuGRZ EuroAS EuZW EvBl EWG EzA f FamRZ ff FN FS GC GedS gem GesRZ GewG GewO 1859 GG GGSlg GH GlUNF GMH GP GZ H hA
XV „Europäisches Arbeits- und Sozialrecht. Rechtsvorschriften, Systematische Darstellungen, Entscheidungssammlung“ erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage „Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht“ EGV idF des Amsterdamer Vertrags Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Kommission für Menschenrechte endgültig Erläuterung Europäische Sozialcharta BGBl 1969/460 Vertrag über die Europäische Union Europäischer Gerichtshof „Europäische Grundrechte Zeitschrift“ „Informationsdienst Europäisches Arbeits- und Sozialrecht“ „Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht“ „Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen“ in „Österreichische Juristen-Zeitung“ Europäische Wirtschaftsgemeinschaft „Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht“ und der, die folgende „Zeitschrift für das gesamte Familienrecht“ und der, die folgenden Fußnote Festschrift Great Chamber Gedächtnisschrift gemäß „Der Gesellschafter“ Gewerbegericht Gewerbeordnung 1859 RGBl 227 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland dBGBl 1949, 1 „Sammlung der Entscheidungen der Gewerbegerichte“ Gerichtshof „Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes“, Neue Folge „Gewerkschaftliche Monatshefte“ Gesetzgebungsperiode „Gerichts-Zeitung“ Heft herrschende Ansicht
XVI HH hL hM Hrsg idR idS ieS IJCLLIR ILO Ind infas IPbpR IPwskR IPwskR-Ausschuss iS iSd iSv iVm iwS JAP JBl JZ KG KoalG 1870 KollV KOM KPÖ krit KSchG KVG 1947 LAG leg cit LG LGZ lit mE MietSlg
Abkürzungsverzeichnis
Herrenhaus herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber in der Regel in diesem Sinn im engeren Sinn „International Journal of Comparative Labour Law and Industrial Relations“ International Labour Organization „Sozialpolitik und Arbeitsrecht“, Sonderbeilage der Zeitschrift „Die Industrie“ „Informationen aus dem Arbeits- und Sozialrecht“ Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte BGBl 1978/591 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte BGBl 1978/590 Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Sinne im Sinn des, – der im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinn „Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung“ „Juristische Blätter“ „Juristenzeitung“ Kreisgericht Koalitionsgesetz 1870 RGBl 43 Kollektivvertrag Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Kommunistische Partei Österreichs kritisch Kündigungsschutzgesetz, dBGBl I 1969, 1317 Kollektivvertragsgesetz 1947 BGBl 76 a) Landarbeitsgesetz 1984 BGBl 287 (Wv) b) Landesarbeitsgericht legis citatae Landesgericht Landesgericht für Zivilrechtssachen litera meines Erachtens „Mietrechtliche Entscheidungen“
Abkürzungsverzeichnis
migralex mitbestimmung MRK MSchG MünchKommBGB mwN NJW NJW-RR NR Nr NRsp NZ NZA ÖBl ObSchiedsG ÖGB OGH ÖJZ ÖJZ-LSK ÖJZ-MRK ÖJZ-VfGH ÖJZ-VwGH (A)
ÖJZ-VwGH (F)
OLG OR ÖStZB
ÖZW P RabelsZ RdA
XVII „Zeitschrift für Fremden- und Minderheitenrecht“ „Mitbestimmung“, Zeitschrift für Demokratisierung der Arbeitswelt Europäische Menschenrechtskonvention BGBl 1958/210 Mutterschutzgesetz 1979 BGBl 221 „Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch“ mit weiteren Nachweisen „Neue Juristische Wochenschrift“ „NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht“ Nationalrat Nummer „Neue Rechtsprechung des OGH“ in „Österreichische Juristen-Zeitung“ „Österreichische Notariats-Zeitung“ „Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht“ „Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht“ Oberschiedsgericht Österreichischer Gewerkschaftsbund Oberster Gerichtshof „Österreichische Juristen-Zeitung“ Leitsatzkartei in „Österreichische Juristen-Zeitung“ Entscheidungen zur MRK in „Österreichische Juristen-Zeitung“ Erkenntnisse des VfGH in „Österreichische JuristenZeitung“ Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes – Administrativrechtlicher Teil in „Österreichische Juristen-Zeitung“ Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes – Finanzrechtlicher Teil in „Österreichische Juristen-Zeitung“ Oberlandesgericht (Schweizer) Obligationenrecht „Die finanzrechtlichen Erkenntnisse des VwGH und des VfGH“, Blg zur „Österreichischen SteuerZeitung“ „Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht“ Punkt „Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht“ „Recht der Arbeit“
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
RdW RGBl RJD
„Österreichisches Recht der Wirtschaft“ Reichsgesetzblatt Reports of Judgments and Decisions (Entscheidungssammlung des EGMR) Richtlinie der EG Regierungsvorlage Randzahl siehe „Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen“ Schweizerisches Bundesgericht Session sogenannt, -e, -er, -es „Sozialrechtliche Mitteilungen der Arbeiterkammer Wien“ „Soziale Sicherheit“, Zeitschrift für die österreichische Sozialversicherung „Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Sozialrechtssachen“ Strafgesetz 1945 ASlg 2 Strafgesetz 1852 RGBl 117 Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger RGBl 1867/142 stenographische(s) Protokoll(e) „Sozialversicherungsrechtliche Entscheidungen“ „Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- (und Justizverwaltungssachen)“, veröffentlicht von seinen Mitgliedern a) und andere b) unter anderem Unternehmensgesetzbuch BGBl I 2005/120 United Nations Organization ursprünglich unter Umständen „Die Versicherungsrundschau“ Verfassungsgerichtshof „Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes“, Neue Folge vergleiche Vereinte Nationen Vorbemerkung „Vierteljahresschrift für Sozialrecht“ Verwaltungsgerichtshof „Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes“, Neue Folge
RL RV Rz s SAE SchwBG Sess sog SozM SozSi SSV-NF StG StG 1852 StGBl StGG StProt SVSlg SZ
ua UGB UNO urspr uU VersRdSch VfGH VfSlg vgl VN Vorbem VSSR VwGH VwSlg
Abkürzungsverzeichnis
wbl WiPolBl WVK Yb
Z ZaöRV ZAS ZASB zB ZBl ZellKomm ZESAR ZDG ZfA ZfsR ZfV ZfVB
ZIAS ZIK ZÖR ZPMRK ZSR ZVR
XIX „Wirtschaftsrechtliche Blätter“, Zeitschrift für österreichisches und europäisches Wirtschaftsrecht „Wirtschaftspolitische Blätter“ Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge „Yearbook of the European Convention on Human Rights. The European Commission and European Court of Human Rights“ Ziffer „Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht“ „Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht“ „Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht“, Judikaturbeilage zum Beispiel „Zentralblatt für die juristische Praxis“ „Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht“ „Zeitschrift für Europäisches Sozial- und Arbeitsrecht“ Zivildienstgesetz 1986 BGBl 679 (Wv) „Zeitschrift für Arbeitsrecht“ „Zeitschrift für soziales Recht“ „Zeitschrift für Verwaltung“ Die administrativrechtlichen Entscheidungen des VwGH und die verwaltungsrechtlich relevanten Entscheidungen des VfGH in lückenloser Folge (Beilage zur ZfV) „Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht“ „Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz“ „Zeitschrift für öffentliches Recht“ Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten „Zeitschrift für Sozialreform“ „Zeitschrift für Verkehrsrecht“
Erster Teil Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen I.
Vorbemerkung
Ein Arbeitskampf ist „eine Form des Kriegs innerhalb der sozialen Gemeinschaft“.1 Wenngleich diese drastische Gleichsetzung der sozialen mit einer gewaltsamen Auseinandersetzung heute befremdet, so bringt diese Sichtweise des sozialen Konflikts dennoch eines deutlich zum Ausdruck: In einem Rechtsbereich, für den die Begriffe „Friedenspflicht“ oder „wechselseitige Interessenswahrungspflichten“ eine zentrale Bedeutung besitzen, ist demgegenüber die kampfweise Interessenaustragung ein Fremdkörper, weil eine massive Störung des solcherart rechtlich konstituierten Arbeitsfriedens.2 Daher ist es nicht überraschend, dass der Begriff „Arbeitskampf“ vornehmlich negativ besetzt ist. So brandmarkt beispielsweise das GewG Wien den Streik als „zivilrechtliches Unrecht“,3 das BAG formuliert in einer Entscheidung markig und knapp: „Streik ist Kampf“.4 Diese emotionelle Färbung auch anderer mit dem Arbeitskampf verbundener Begriffe5 kritisiert Wesel, weil damit der Eindruck erweckt werde, „als sei der Streik zerstörerisch wie ein Krieg“.6 Dieses negativ gefärbte Verständnis vom sozialen Konflikt kontrastiert aber mit der Erkenntnis, dass eine Wirtschaftsordnung, die den sozialen Verbänden des Arbeitslebens die Aufgabe überantwortet, zentrale Arbeitsbedingungen autonom durch den Abschluss von KollV zu gestalten,7 damit aber 1
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Kollroß, Irrtum, Zwang und Sittenwidrigkeit im Arbeitsrecht, ZBl 1934, 527 (540); ebenso Kaskel, Arbeitsrecht3 (1928) 373: „Ein Arbeitskampf bildet einen Kampfzustand wie ein Krieg“ und LG Klagenfurt 17.9.1929, Cg 737/28, JBl 1931, 81: „(…) Kriegserklärungen im Wirtschaftsleben“; gegen diese Gleichsetzung dezidiert Ramm, Arbeitskampf und Liberalismus, ArbuR 1962, 129 (132 ff); demgegenüber etwas abgeschwächter sieht Mayer-Maly, Anm zu BAG 6.12.1963, 1 AZR 223/63, AP Nr 31 zu Art 9 GG Arbeitskampf, im Arbeitskampf einen Defekt der Rechtsordnung. Vgl Bulla, Soziale Selbstverantwortung der Sozialpartner als Rechtsprinzip, in Dietz/ Hübner (Hrsg), Festschrift für Hans Carl Nipperdey II (1965) 79 (96). GewG Wien 8.7.1924, Cr IV 936/24/4, Arb 3280; ebenso EA St. Pölten 3.8.1925, Reg I 112/25, Arb 3464 und Schneider R., Ist Streik ein Entlassungsgrund? GZ 1925, 49 (55). BAG 28.1.1955, GS 1/54, BAGE 1, 291 (311) = AP Nr 1 zu Art 9 GG Arbeitskampf = NJW 1955, 822 = JZ 1955, 386 = BB 1955, 412. Wie beispielsweise „Kampfmaßnahme“, „wilder Streik“ und „Friedenspflicht“. Wesel, Juristische Weltkunde12 (2007) 175. Dazu grundlegend Floretta, Struktur und Strukturwandel im Arbeitsrecht, DRdA 1962, 157 (159 f).
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Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen
auch den Arbeitskampf als ultima ratio8 in Kauf nimmt. Denn: Soll der KollV seine Funktion überhaupt erfüllen können, müssen die Verbände der AG und der AN erst einmal bereit sein, entsprechende Verhandlungen aufzunehmen und durchzuführen. Gäbe es hier keine Druckmöglichkeit, die andere Seite zu Verhandlungen zu bewegen, bliebe das Instrument des KollV ohne Wirkung.9 Oder anders gewendet: Dort, wo die Verständigung scheitert, bleibt als Ausweg nur die Kraftprobe, der Arbeitskampf.10 Vor diesem Hintergrund besteht aber kein Anlass, den Arbeitskampf pauschal als Übel zu verdammen. Vielmehr erweist sich der Arbeitskampf ganz allgemein als notwendige Funktionsbedingung der Sozialautonomie, weil sonst weder das Zustandekommen noch die inhaltliche Richtigkeit tariflicher Regelungen gewährleistet wären.11 Dies vorausgeschickt sollen im Folgenden die Begriffe „Arbeitskampf“, „Streik“, „Aussperrung“ und „Boykott“ konkreter gefasst werden, um damit die Voraussetzungen für die arbeitsrechtliche Diskussion der Folgen einer Kampfteilnahme zu schaffen.
II. Die Definition des Arbeitskampfes 1.
Grundlegung
Der österreichischen Rechtsordnung ist der Terminus „Arbeitskampf“, als Oberbegriff12 für Streik, Aussperrung und Boykott, unbekannt.13 Ebenso hat 8
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Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 384; Reichold, Der Arbeitskampf als Dilemma-Situation, in Rieble (Hrsg), Zukunft des Arbeitskampfes (2005) 9 (13); Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 43; Floretta, DRdA 1962, 161. Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 153 f; Beumer, Individuelles Streikrecht (1990) 76; Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 52 ff, der den Streik in den Mittelpunkt seiner diesbezüglichen Überlegungen stellt; ders, Aussperrung (1980) 43 ff, mit nicht nur auf die deutsche Situation fokussierten Erwägungen; weiters Kahn-Freund, Arbeit und Recht (1979) 239. Deutlich das BAG in seiner Entscheidung vom 12.9.1984, 1 AZR 342/83, BAGE 46, 322 = AP Nr 81 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Herschel) = EzA Nr 54 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Seiter) = RdA 1985, 52 = RdA 1985, 61 = NZA 1984, 393 = DB 1984, 2563 = NJW 1985, 85: „Es gibt kein freies, friedliches oder arbeitskampfloses Verhandeln“. Gamillscheg¸ Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 928; idS auch Bydlinski, Die Stellung der Rechtsordnung zu Arbeitskämpfen, in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 79 (81 f). BAG 10.6.1980, 1 AZR 822/79, BAGE 33, 140 (150) = AP Nr 64 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Mayer-Maly) = EzA Nr 37 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Rüthers) = AR-Blattei ES Arbeitskampf III Aussperrung Nr 6 = SAE 1980, 169 = RdA 1980, 240 = JZ 1980, 484 = NJW 1980, 1642 = DB 1980, 1266; dem BAG folgend Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 156. Dies wird von Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 9, bezweifelt; aA aber zu Recht Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 35. Vgl Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 35; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 180.
Die Definition des Arbeitskampfes
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die Judikatur kein eigenes terminologisches Verständnis entwickelt. Daher sind auf die von der Lehre gegebenen Definitionen zurückzugreifen. Tomandl begreift den Arbeitskampf „als (...) jede von einer Partei des Arbeitslebens im Wege kollektiver Maßnahmen vorgenommene bewußte Störung des Arbeitsfriedens zum Zwecke der Beeinflussung der Gegenpartei in bezug auf Arbeitsoder Wirtschaftsbedingungen mit dem Willen zur Wiederaufnahme normaler Beziehungen nach Kampfende“.14 Strasser/Jabornegg15 und Löschnigg16 verzichten bei ihren Begriffsbildungen sowohl auf die funktionale Verknüpfung der Kollektivaktion mit arbeitsrechtlich-wirtschaftlichen Zielen als auch auf die allein auf den sozialen Gegenspieler bezogene Einschränkung des Adressatenkreises der Kampfmaßnahme. Bydlinski wiederum versteht unter „Arbeitskampf“ kurzum all jene Maßnahmen, „durch die im Wege der Selbsthilfe Forderungen der Arbeitnehmerseite gegen die Arbeitgeber oder umgekehrt durchgesetzt werden sollen“.17 Verdichtet man diese Begriffsbestimmungen, so ergeben sich daraus mehrere Kriterien, die für den Begriff des Arbeitskampfes charakteristisch sind und im Einzelnen näher dargestellt werden sollen.
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Die Kriterien des Arbeitskampfbegriffes im Einzelnen
2.1. Die Kampfparteien Kampfpartei kann nur eine Partei des Arbeitslebens sein.18 Allgemein sind dies die Partner des Arbeitsvertrages oder auf der kollektiven Ebene die Vereinigungen der AG und AN. Konkret kommen auf der Arbeitnehmerseite zufällige oder gewollte Zusammenschlüsse als Kampfparteien in Betracht. Unter den zufälligen Arbeitnehmervereinigungen werden unorganisierte Arbeitnehmermehrheiten, Belegschaften oder Belegschaftsteile erfasst. Gewollte Arbeitnehmervereinigungen sind entweder Ad-hoc-Zusammenschlüsse oder organisierte Vereinigungen, in erster Linie die Gewerkschaften. Auf Seiten der AG kommen sowohl der einzelne AG ebenso wie organisierte als auch unorganisierte Vereinigungen der AG als Kampfpartei in Frage. Tomandl verlangt in diesem Zusammenhang, dass stets ein Bezug zum Arbeitsleben in dem Sinne gegeben sein müsse, als dass diese Personen bzw Kollektive in ihrer jeweiligen Eigenschaft als AN oder als AG auftreten.19 Der so bezeichnete „Steuerstreik“, an dem nur AN teilnehmen, sei daher begrifflich kein Arbeitskampf, da die „Streikenden“ den Kampf nicht in ihrer Eigenschaft als AN, sondern in ihrer Eigenschaft als Steuerzahler führen. Allerdings lässt sich der Rückgriff auf die Arbeitsniederlegung als Kampfform bei dem von Tomandl gewählten 14 15 16 17 18 19
Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 2. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 180 f. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 776. Bydlinski, Vertragsrecht und Arbeitskampf, ZÖR 8 (1957/58) 300 (303). Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 180. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 2.
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Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen
Beispiel damit begründen, dass die AN die Auseinandersetzung in jener sozialen Rolle führen wollen, „in der sie den Kampf gewohnt sind und in der sie sich am stärksten fühlen, nicht hingegen in jener Position, in der sie das Kampfziel tatsächlich berührt“.20 Für den Arbeitskampfbegriff ist nicht so sehr entscheidend, in welcher Eigenschaft die Arbeit niedergelegt wird bzw in welcher Eigenschaft AN von Arbeit und Entgelt ausgeschlossen werden, sondern ausschlaggebend ist, dass es zur Störung des Arbeitsfriedens gekommen ist, dass also die Arbeitsniederlegung bzw der Ausschluss von Arbeit und Entgelt zur Interessenverfolgung eingesetzt werden. Dominierende Bedeutung für den Arbeitskampfbegriff besitzt damit das Kampfmittel.21 Folglich ist daher auch der „Steuerstreik“ vom Arbeitskampfbegriff umfasst.
2.2. Das kollektive Moment Ein Arbeitskampf kann nur von bzw gegen eine Personenmehrheit geführt werden.22 Für die Arbeitnehmerseite bedeutet dies, dass per definitionem kein Arbeitskampf vorliegt, wenn nur ein AN in den Ausstand tritt. Hinsichtlich der zahlenmäßigen Größe der Personengruppe lässt sich keine generelle Aussage treffen. Hält man sich die Funktion des Arbeitskampfes vor Augen, nämlich den sozialen Gegenspieler unter Druck zu setzen und seinen Willen zu beeinflussen, so kann in Bezug auf die Größe des Kollektivs dann von einem Arbeitskampf gesprochen werden, wenn bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Arbeitsniederlegung den notwendigen Druck auf den Gegner erzeugen kann.23 Auf der Arbeitgeberseite reicht es hingegen aus, wenn die Kampfmaßnahme auch nur von einem AG allein ergriffen wird. Der für den Arbeitskampfbegriff erforderliche kollektive Bezug wird hier dadurch vermittelt, dass die Maßnahme mehrere AN oder die gesamte Belegschaft des Betriebes treffen soll. „Aussperrung ist Gesamtakt, weniger weil ein Kollektiv handelt, sondern weil ein Kollektiv passiv betroffen werden soll“.24
2.3. Die Kampfmittel Typisches Kampfmittel der AN ist der Streik, dh, mehrere AN legen gemeinsam die Arbeit nieder. Typisches Kampfmittel auf Seiten der AG ist die Aussperrung, wobei die AN unter gleichzeitiger Vorenthaltung des Entgelts von
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Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 181. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 181; aA Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 2. Vgl dazu weiters P 2.3. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 180. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 4; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 776. Bulla, Das zweiseitig kollektive Wesen des Arbeitskampfes, in Dietz/Hueck/Reinhardt (Hrsg), Festschrift für Hans Carl Nipperdey (1955) 163 (182).
Die Definition des Arbeitskampfes
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der Arbeit ausgeschlossen werden.25 Hinzu tritt noch auf beiden Seiten der Boykott.26 Ganz allgemein bezweckt der Einsatz jedes dieser Kampfmittel eine Störung des Arbeitsfriedens, worunter „jede Art von Behinderung oder Aufhebung des normalen Fortganges der Arbeit im Rahmen der betreffenden Arbeitsstätte zu verstehen“27 ist.
2.4. Der Kampfzweck Löschnigg unterscheidet dabei zwischen dem äußeren und dem inneren Zweck eines Arbeitskampfes. Der äußere Zweck bestehe in der Druckausübung mit den typischen Mitteln des Arbeitskampfes, der innere Zweck sei jenes Ziel, um dessentwillen der Arbeitskampf geführt werde.28 So liegt beispielsweise beim üblichen Kampfstreik der Kampfzweck in der Verbesserung der Lohn- oder Arbeitsbedingungen.29 Strasser lehnt es in diesem Zusammenhang ab, für den Kampfzweck darauf abzustellen, dass vom Gegner ein bestimmtes Verhalten erzwungen werden soll. Dies sei typischerweise, aber nicht begriffswesentlich mit dem Arbeitskampf verbunden.30 Jedenfalls ist es aber für die Begriffsbestimmung ohne Belang, ob das Ziel des Arbeitskampfes im Arbeitsleben wurzelt, oder ob es sich beim Adressaten der Kampfmaßnahme um den sozialen Gegenspieler handelt,31 da für den Arbeitskampfbegriff nicht der Zweck, sondern das Kampfmittel bestimmend ist.32 Hinter der Dominanz des Kampfmittels für den Arbeitskampfbegriff steht die Erkenntnis, dass der Arbeitskampf nicht wegen seiner spezifisch arbeitsrechtlichen Ziele Kampf ist, sondern, „weil die Kampfmittel von Parteien des Arbeitslebens gegen ihren sozialen Gegenspieler angewendet werden, weil es sich um eine Störung des Arbeits25
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Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 450; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 106. Vgl zu weiteren, spezielleren, hier aber nicht näher interessierenden Kampfmitteln: Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht (2006) § 1 Rz 9 ff; Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 14 Rz 16 ff. Schlagwortartig zu nennen sind etwa der Bummelstreik, der „Dienst nach Vorschrift“, die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts, die Betriebsblockade und -besetzung. Auf Arbeitgeberseite etwa die Betriebsstilllegung. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 181; idS bereits Strasser, Arbeitskampf und Strafrecht, DRdA 1964, 313 (314). Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 776. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 17. Es solle ganz allgemein besser von einem zu erreichenden Zweck gesprochen werden: Strasser, DRdA 1964, 314 FN 6; ebenso Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 180. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 776; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 181; Strasser, DRdA 1964, 315; aA Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 9, der nur solche Kollektivhandlungen als Arbeitskämpfe akzeptieren möchte, die arbeitsrechtlich-wirtschaftliche Materien zum Gegenstand haben. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 181; Rebhahn, Arbeitskampf in einer Druckerei, DRdA 1982, 130 (132); Strasser, DRdA 1964, 315; Müller, Streik und Arbeitsvertrag, DRdA 1954 H 14, 1; Hoeniger, Einige Gedanken zum Recht des Arbeitskampfes, RdA 1953, 204.
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Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen
friedens handelt“.33 Dieser Gedanke hat zur Konsequenz, dass Arbeitsniederlegungen, mit denen beispielsweise eine Preissenkung erreicht werden soll, ebenso vom Begriff des Arbeitskampfes erfasst werden wie politische Arbeitskämpfe, wo versucht wird, Einfluss auf die Willensbildung der politischen Staatsorgane zu nehmen, wo also der Adressat der Kampfmaßnahme und der eigentliche soziale Gegenspieler besonders deutlich auseinander fallen. Tomandl möchte allerdings politische Arbeitskämpfe aus dem Arbeitskampfbegriff mit dem Argument ausschließen, dass hier der Kampfgegner die Kampfforderung gar nicht erfüllen und damit den Arbeitskampf nicht beenden kann.34 Ein Blick auf die Situation beim politischen Streik35 zeigt, dass zwar die bestreikten AG die Kampfforderung36 tatsächlich nicht unmittelbar erfüllen können, mittelbar aber sehr wohl für die AG die Möglichkeit besteht, über ihre freiwilligen bzw gesetzlichen Interessenvertretungen Einfluss auf die Willensbildung des Staates (vor allem des Gesetzgebers) zu nehmen.37 Dies vor allem vor dem spezifisch österreichischen Hintergrund der Teilnahme der Sozialpartner an der Ausübung aller drei Staatsfunktionen.38 Damit kann aber mE nicht pauschal davon ausgegangen werden, dem Bekämpften fehle es beim politischen Arbeitskampf an jeder Möglichkeit, den Kampf zu beenden.39 Ob von den vorhandenen Einflussmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch gemacht wird, ist hingegen eine Frage, die sich einer rechtlich relevanten Berücksichtigung im Rahmen der Begriffsbildung entzieht. Auch das zweite von Tomandl gegen die Einbeziehung der politisch motivierten sozialen Auseinandersetzung in den Arbeitskampfbegriff ins Treffen geführte Argument, wonach der politische Arbeitskampf deswegen kein Arbeitskampf sei, weil der Bekämpfte nicht Adressat der Beeinflussungsabsicht sei, fehlt es mE an Überzeugungskraft. Bei einer rein formalen Betrachtung hat Tomandl Recht: Die einzelnen bestreikten AG können beispielsweise eine vom Gesetzgeber beschlossene, für die AN nachteilige Pensionsreform nicht rückgängig machen. Sehr wohl aber können die kampfbetroffenen AG – wie bereits oben ausgeführt – über ihre Interessenvertretungen an der Willensbildung des Staates mitwirken, sodass
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Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts II6 (1957) 608 f FN 11. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 7 f, 22. Vice versa gelten diese Ausführungen auch für den Fall der politischen Aussperrung. Beispielsweise die Forderung nach Rücknahme einer vom Parlament beschlossenen Pensionsreform. Betont beispielsweise von Rill, Verfassungskonzept und Sozialpartnerschaft, in Ress (Hrsg), Rechtsfragen der Sozialpartnerschaft (1987) 33 (56 ff). Wobei es vor allem um die Mitgliedschaft von Sozialpartnervertretern in den Legislativorganen geht. Vgl auch Grillberger, Anmerkungen zum politischen Streik, in Kuras/ Neumayr/Spenling (Hrsg), Beiträge zum Arbeits- und Sozialrecht. Festschrift für Peter Bauer, Gustav Maier, Karl Heinz Petrag (2004) 17; s dazu auch Horaczek, Das Streikjahr 2003 (2007) 20 f. Vgl auch Tálos/Stromberger, Zäsuren in der österreichischen Verhandlungsdemokratie, in Karlhofer/Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Österreichische und Europäische Perspektiven (2005) 79 (88, 99); Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 23.
Die Definition des Arbeitskampfes
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mE nicht von vornherein angenommen werden kann, der Bekämpfte solle nicht (auch) Adressat der Beeinflussungsabsicht sein.40 Mayer-Maly wiederum wendet sich gegen die Irrelevanz des Kampfziels für den Arbeitskampfbegriff und plädiert dafür, nur den Kampf um Lohnund Arbeitsbedingungen als taugliche Ziele anzuerkennen.41 Allerdings ist mit der Entscheidung für einen weiten, alle möglichen Zielsetzungen einschließenden Arbeitskampfbegriff noch nichts über die Rechtmäßigkeit bzw die Rechtswidrigkeit aller der von diesem Begriff erfassten Phänomene gesagt. Denn bei der Begriffsbildung geht es primär darum, dass „man alle irgendwie in Frage kommenden Sachverhalte in den Griff bekommt“.42 Eine umfassende Begriffsbildung ist daher unschädlich. Mayer-Maly hingegen lässt in sein Begriffsverständnis bereits eine rechtliche Bewertung einfließen, wenn er in diesem Zusammenhang betont, dass man legitim nur den bestreiken könne, der auch in der Lage sei, die Streikforderungen zu erfüllen. Letztlich gerät MayerMaly aber mit sich selbst in Widerspruch, wenn er seinen Überlegungen mE richtigerweise vorausschickt, dass sich die Zulässigkeitsfrage, also die Frage nach der Legitimität des Arbeitskampfes, erst auf einer späteren Prüfungsstufe stelle.43 Wenn jedoch ohnehin die rechtliche Bewertung einer anderen Ebene vorbehalten bleibt, so spricht mE nichts dagegen, den Begriff des Arbeitskampfes in umfassender Weise zu umschreiben und „sich dabei den Blick nicht durch vorgefaßte Rechtsmeinungen trüben oder ablenken zu lassen“.44
2.5. Die Wiederaufnahme friedlicher Beziehungen Für begriffswesentlich hält Tomandl letztlich noch die Bereitschaft der Kampfparteien, nach Kampfende die Arbeitsbeziehungen wieder fortzusetzen.45 Daher fallen aus dem Begriff des Arbeitskampfes vor allem solche Massenkündigungen heraus, die auf die endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzielen. Denn für den Arbeitskampfbegriff ist es charakteristisch, dass „die Erreichung des Zweckes zur Beendigung bzw Aufhebung der Kampfmaßnahme führt“46, dh, im Falle des Streiks die AN nach Kampfende
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Vgl Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 17; Rebhahn, Der Arbeitskampf bei weitgehend gesetzlicher Regelung der Arbeitsbedingungen, DRdA 2004, 399 (Teil 1) und DRdA 2004, 503 (507). Mayer-Maly, Das Streikziel als Lückenproblem, in Geppert/Klein/Leutner/Schwarz/ Ziniel (Hrsg), Sozialpolitik ist Gesellschaftspolitik. Festschrift für Josef Cerny (2001) 429 (430 f). Strasser, DRdA 1964, 314 FN 4. Mayer-Maly in FS Cerny 429. Strasser, DRdA 1964, 314 FN 4; bereits Pollak, Ueber die Verantwortlichkeit der Ausständischen in Oesterreich, ZBl 1928, 754, geht von einem weiten Begriffsverständnis aus. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 9 f. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 181.
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Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen
die Arbeit wieder aufnehmen, im Falle der Aussperrung die AN dann vom AG wieder zur Arbeit zugelassen werden.
3.
Endgültige Begriffsbestimmung
Im Ergebnis ist der von Strasser/Jabornegg gegebenen, auf Nikisch47 zurückgehenden Definition zu folgen: Unter Arbeitskampf im weitesten Sinn wird damit „jede von einer Partei des Arbeitslebens ausgehende planmäßige Störung des Arbeitsfriedens durch kollektive Maßnahmen verstanden (…), mit denen ein bestimmter Zweck erreicht werden soll“.48 Wie bereits oben ausgeführt49 verdient dieses umfassende Begriffsverständnis mE den Vorzug gegenüber einer sowohl von Mayer-Maly50 als auch von Tomandl51 vorgeschlagenen begrifflichen Verengung des Kampfziels allein auf Lohn- und Arbeitsbedingungen bzw auf arbeitsrechtlich-wirtschaftliche Materien, da die Begriffsbildung mit der von Mayer-Maly und Tomandl bereits auf dieser Ebene hergestellten Verbindung zur Frage nach der Rechtmäßigkeit oder der Rechtswidrigkeit eines Arbeitskampfes nichts zu tun hat.52 ME sollte auch noch aus Gründen der Klarstellung die Wiederaufnahme regulärer friedlicher Arbeitsbeziehungen nach Kampfende im Rahmen des Arbeitskampfbegriffes Berücksichtigung finden.53
III. Der Streik und die Aussperrung 1.
Definition
1.1. Anhaltspunkte im Gesetz? Während der Begriff „Arbeitskampf“ der österreichischen Rechtsordnung unbekannt ist, existieren im Gegensatz dazu mehrere gesetzliche Bestimmungen, die auf den Streik und die Aussperrung ausdrücklich Bezug nehmen, und an deren Vorliegen sich unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen. So verbietet bei47 48
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Nikisch, Arbeitsrecht II2 (1959) 78 f. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 180; im Ergebnis gleich: Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 459 und Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 776. Vgl Seite 6 f. Mayer-Maly in FS Cerny 430 f. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 2, 9. Strasser, DRdA 1964, 314; Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 55. Auch Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 80 und ders, Der Streik in der Rechtsordnung, in Kummer (Hrsg), Der Streik in der gesellschaftlichen Ordnung von heute (1962) 19, will dieses Merkmal zumindest in seine Definition des Streiks mit einbezogen wissen; ebenso Auer, Streik und Strafrecht (1999) 7 und Fabricius¸ Individualismus und Kollektivismus im Recht des Arbeitskampfes – Auflösung individualistischer Grundstrukturen in der Privatrechtsordnung? ZAS 1968, 65.
Der Streik und die Aussperrung
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spielsweise § 9 AÜG die Überlassung von Arbeitskräften in Betriebe, die von einem Streik (Aussperrung) betroffen sind.54 § 10 AuslBG untersagt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die Beschäftigung eines ausländischen AN auf einem Arbeitsplatz in einem streik- oder aussperrungsbetroffenen Betrieb. Als einen der Grundsätze privater Arbeitsvermittlung erklärt § 3 Z 10 AMFG sowohl die Vermittlung eines Arbeitsuchenden in einen streikoder aussperrungsbetroffenen Betrieb als auch die Vermittlung streikender oder ausgesperrter DN für unzulässig. Für die Begriffsbestimmung ist daher in erster Linie zu fragen, ob nicht diese Normen55 selbst eine Definition des Streiks und der Aussperrung vorgenommen haben. Eine Analyse der einschlägigen Gesetzesstellen zeigt aber, dass diese auf eine nähere begriffliche Präzisierung von Streik und Aussperrung verzichten.56 Vielmehr werden die Begriffe Streik und Aussperrung undefiniert vorausgesetzt. Eine Ausnahme bildet dabei nur § 2 KoalG 1870.57 Diese Norm versagt Verabredungen von AN, die darauf abzielen, mittels gemeinschaftlicher Einstellung der Arbeit von den AG höheren Lohn oder überhaupt günstigere Arbeitsbedingungen zu erzwingen, ebenso jede rechtliche Wirkung wie Verabredungen von AG, die beabsichtigen, mittels Einstellung des Betriebes oder Entlassung von Arbeitern diesen eine Lohnverringerung oder überhaupt ungünstigere Arbeitsbedingungen aufzuerlegen. Ohne jedoch Streik und Aussperrung explizit beim Namen zu nennen, spricht § 2 KoalG 1870 doch jene charakteristischen Elemente an, die üblicherweise – vor allem nach dem allgemeinen Sprachgebrauch – mit diesen Erscheinungen des Arbeitslebens verbunden werden. Daran anknüpfend stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber mit § 2 KoalG 1870 eine für die österreichische Rechtsordnung abschließende (verbindliche) Definition des Streiks und der Aussperrung geben wollte. Ist also nach österreichischem Recht unter einem Streik die gemeinschaftliche Einstellung der Arbeit mit dem Zweck, von den AG höheren Lohn oder überhaupt günstigere Arbeitsbedingungen zu erzwingen bzw unter einer Aussperrung die Einstellung des Betriebs oder Entlassung von AN, um diesen eine Lohnverringerung oder überhaupt ungünstigere Arbeitsbedingungen aufzuerlegen, zu verstehen? Bereits ein Blick auf 54 55
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Vgl dazu auch die Strafbestimmung in § 22 Abs 1 Z 1 lit b AÜG. Weitere Normen die auf den Streik (ebenso wie auf die Aussperrung) Bezug nehmen sind: §§ 9 Abs 2, 13, 48 Abs 1 AlVG, § 124 ASVG, § 608 Abs 1 Z 4 UGB sowie §§ 8, 18 ZDG. Vgl auch OGH 19.12.2005, 8 ObA 23/05y, SZ 2005/187 = Arb 12.585 = DRdA 2007/9, 107 (Jabornegg) = ZAS-Judikatur 2006/27, 72 = ZAS 2006/27, 183 (krit Tomandl) = ÖJZ-LSK 2006/72 = EvBl 2006/64, 368 = wbl 2006/127, 276 = RdW 2006/231, 237 (mit Besprechungsaufsatz von Drs) = ecolex 2006/140, 307 = infas 2006 A 32 = ARD 5655/6/2006. „Gesetz vom 7. April 1870, wodurch unter Aufhebung der §§ 479, 480 und 481 des Allgemeinen Strafgesetzes in Betreff der Verabredungen von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern zur Erzwingung von Arbeitsbedingungen, und von Gewerbsleuten zur Erhöhung des Preises einer Waare zum Nachtheile des Publikums besondere Bestimmungen erlassen werden“, RGBl 1870/43.
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Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen
§ 13 AlVG macht deutlich, dass die Ausstrahlungswirkung einer aus § 2 KoalG 1870 abgeleiteten Definition begrenzt bleiben muss. § 13 AlVG versagt den Anspruch auf Arbeitslosengeld ua nicht nur, wenn die Arbeitslosigkeit unmittelbare Folge eines durch eine Aussperrung verursachten Betriebsstillstandes ist, sondern auch dann, wenn die Aussperrung als Abwehrmaßnahme gegen einen Teilstreik, eine passive Resistenz oder eine sonstige die Fortführung der Arbeit in diesem Betrieb vereitelnde Kampfmaßnahme erfolgt. § 13 AlVG kennt damit eine weitere Kampfmaßnahme der AG, nämlich die Abwehraussperrung58. Strasser/Reischauer ziehen daraus den Schluss, dass „die mittelbar aus dem Koalitionsgesetz gewonnenen Definitionen nicht unbesehen überall eingesetzt werden dürfen, wo der Gesetzgeber die Begriffe Streik und Aussperrung undefiniert voraussetzt“.59 Ganz allgemein betont Engisch, dass gesetzliche Begriffsbestimmungen ihren Sinn nur im Zusammenhang mit jenen Imperativen60 haben, die sie erläutern oder einschränken.61 Daher sind letztlich die aus § 2 KoalG 1870 abgeleiteten Definitionen zur Ausfüllung undefinierter Begriffe in anderen Normkomplexen nicht geeignet. Damit müssen auf die von Lehre und Rechtsprechung gegebenen Definitionen zurückgegriffen werden.
1.2. Die Definitionen von Streik und Aussperrung in Lehre und Rechtsprechung 1.2.1.
Die Definition des Streiks
Beim Wort „Streik“ handelt es sich um eine („phantasielose“)62 Entlehnung aus dem englischen „to strike“, wobei dieses vieldeutige Tätigkeitswort etwa seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts in seiner modernen Bedeutung der abgestimmten Arbeitsverweigerung zwecks Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen verwendet wird.63 Unter einem Streik im Rechtssinn versteht die hL64 die zur Erreichung eines bestimmten Zweckes durchgeführte, planmäßige, gemeinsame Arbeitsniederlegung einer Mehrzahl von AN, wobei es gleichgültig ist, ob die Arbeitsniederlegung nach Kündigung der Arbeitsver58 59
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S dazu Seite 14. Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 36. Darunter versteht Engisch ganz allgemein Rechtssätze, die einen Willen der Rechtsgemeinschaft bzw des Staates bzw des Gesetzgebers zum Ausdruck bringen; s dazu Engisch, Einführung in das juristische Denken10 (2005) 19 f. Engisch, Einführung in das juristische Denken10 (2005) 20 f. So Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 912. Wacke, Die europäischen Rechtswörter für den Arbeitskampf, RdA 1992, 34. Vgl dazu Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 449; Löschnigg¸ Arbeitsrecht10 (2003) 776; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 182; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 105; einen Überblick über die diversen Definitionsvorschläge geben Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 43.
Der Streik und die Aussperrung
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hältnisse der einzelnen Streikteilnehmer erfolgt, oder ob sie ohne Kündigung entgegen dem bestehenden Arbeitsverhältnis ausgeführt wird und die AN die Absicht haben, nach der Erreichung des Kampfzweckes oder der Beendigung des Arbeitskampfes die Arbeit fortzusetzen.65 Durch die Arbeitseinstellung „wollen die Streikenden einen Druck ausüben, um ihre Forderungen durchzusetzen“.66 Ein Streik zielt im Regelfall auf die Erhöhung der Löhne oder allgemein auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ab. Die von MayerMaly67 und Tomandl68 bereits auf der Ebene der Begriffsbildung vorgenommene Beschränkung des tauglichen Kampfziels allein auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist aus den vorhin angeführten Gründen69 abzulehnen. Das Merkmal der Planmäßigkeit verlangt von den Streikenden koordiniertes Vorgehen in Bezug auf die Arbeitsniederlegung und materialisiert sich im Allgemeinen in der Einsetzung einer Streikleitung.70 Ob die Arbeitsniederlegung mit oder ohne vorheriger Kündigung der Arbeitsverhältnisse erfolgt, macht für den Streikbegriff keinen Unterschied, da in beiden Fällen „dem Unternehmen der Produktionsfaktor Arbeit entzogen und dadurch der Betriebsablauf zum Stillstand gebracht oder zumindest gestört“71 wird. Seine eigene Begriffsbestimmung teilweise in Frage stellend bezweifelt Müller, ob auch eine Kollektivaktion, die unter Einhaltung von Kündigungsfristen ergriffen wird, begrifflich als Streik (oder Aussperrung) angesehen werden kann, da die Beachtung von Kündigungsfristen bewirke, dass sich der Gegner auf den Kampf einstellen könne. Da Arbeitskämpfe zur Erreichung eines bestimmten Zieles geführt werden, will Müller von vornherein auch ein „Moment der Taktik“ in den Streikbegriff miteinbezogen wissen. Dieses taktische Moment sieht Müller gefährdet, wenn Kündigungsfristen eingehalten werden.72 Mit Bydlinski73 ist Müller allerdings entgegenzuhalten, dass taktische Erwägungen kein rechtliches Argument darstellen und damit bei der Bildung eines Rechtsbegriffes unberücksichtigt bleiben müssen. Daher fällt auch die kollektive, nach vorheriger Aufkündigung der Arbeitsverhältnisse erfolgende Arbeitsniederlegung unter den Begriff des Streiks.
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So die nach wie vor Gültigkeit beanspruchende Definition von Müller, Grundsätzliche Fragen zum Recht des Arbeitskampfes, DRdA 1953 H 7, 1; sowie ders, Grundfragen des Streikrechts, RdA 1951, 247. Pollak, ZBl 1928, 754; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 182; die Druckfunktion des Streiks betont auch das EA Wien in seiner Entscheidung vom 11.6.1927, A 379/27, Arb 3704, wonach die Arbeitsniederlegung der AN erfolgte, um „dadurch den Unternehmer zur Bewilligung ihrer Forderungen zu veranlassen“. Mayer-Maly in FS Cerny 430 f. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 11. S dazu Seite 6 f. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 182. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 12. Müller, DRdA 1953 H 7, 1. Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 84.
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Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen
Im Gegensatz zur Lehre zeigt sich die Rechtsprechung weit zurückhaltender bei der Herausarbeitung der begrifflichen Wesensmerkmale des Streiks. In keiner Entscheidung findet sich der Streik in einer mit der Lehre vergleichbaren, umfassenden Weise definiert. Lediglich das EA Klagenfurt begreift den Streik knapp als „Verabredung der Arbeitnehmer zur gemeinschaftlichen Einstellung der Arbeit“.74 Andere Entscheidungen sprechen einzelne Merkmale des Streikbegriffs an. So sieht das LGZ Graz den Zweck des Streiks in der Erzielung besserer Arbeitsbedingungen.75 In der Entscheidung des EA Salzburg klingt die Druckfunktion des Streiks an, wonach der Streik darauf abziele, „den Unternehmer vor die Wahl zu stellen, entweder den Forderungen der ausständigen Arbeitnehmer nachzugeben oder den Betrieb einzustellen“.76 Um einen Streik von damit manchmal verbundenen Begleiterscheinungen, wie unerlaubten Eigentumseingriff, die Behinderung von Personen und die absichtliche Schadenszufügung, abzugrenzen, stellt der OGH in seiner Entscheidung vom 24. März 1959 klar, dass unter einem Streik nur die tatsächliche Arbeitsniederlegung verstanden werden könne.77
1.2.2.
Die Definition der Aussperrung
Bei der Aussperrung benützt der AG sein „unbestreitbares Recht, die Arbeiter entlassen zu können, um sie so den Arbeitsbedingungen gefügiger zu machen, die er ihnen stellen will“.78 So umschreibt das EA Salzburg in seiner Entscheidung vom 11. August 1923 das für die Arbeitgeberseite typische Arbeitskampfmittel. Angesprochen sind in dieser Entscheidung bereits jene Begriffsmerkmale,79 die auch Bestandteile heutiger Definitionsvorschläge sind. Unter Aussperrung versteht die hL80 den von einem oder mehreren AG durchgeführten Entschluss, einer Anzahl von AN Arbeit und Verdienst solange zu entziehen, bis der damit verfolgte Zweck erreicht oder aufgegeben worden ist. Ebenso wie beim Streik ist es auch für den Begriff der Aussperrung unerheblich, ob der AG den AN bei aufrechtem Bestand des Arbeitsverhältnisses lediglich Arbeit und Entgelt entziehen will (suspendierende Aussperrung) oder aber Kündigungen ausspricht (lösende Aussperrung). Keine Bedeutung für den Aussperrungsbegriff haben auch die rechtlichen Mittel, derer sich der AG bedient, um den AN die Arbeit zu entziehen bzw ihnen das Arbeitsentgelt 74 75 76
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EA Klagenfurt 15.11.1922, Reg I 180/22, Arb 3096. LGZ Graz 6.5.1958, 2 Cg 6-55/58, Arb 6890. EA Salzburg 11.8.1923, Reg I 157/23, Arb 3181; ebenso EA Wien 11.6.1927, A 379/27, Arb 3704. OGH 24.3.1959, 4 Ob 91/58, SZ 32/38 = Arb 7020 = JBl 1959, 506 = SozM II C 7 = Ind 1959 H 5-6, 3. Vgl FN 76. Nämlich die Druckfunktion der Aussperrung und der Entzug von Arbeit. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 450; Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 462; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 778; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 186; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 106.
Der Streik und die Aussperrung
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vorzuenthalten. Die einzige rechtliche Voraussetzung dafür, dass von einer Aussperrung gesprochen werden kann, sieht Tomandl darin – und hier besteht ein Unterschied zum Streikbegriff –, dass sich die Kontrahenten bei Beginn der Aussperrung noch als AG und AN gegenüberstehen, dass also bis zum Beginn der Aussperrung der Arbeitsvertrag nicht gelöst worden ist.81
2.
Erscheinungsformen von Streik und Aussperrung
Rechtstatsächlich gesehen kommen Streik und Aussperrung in diversen Erscheinungsformen vor. Die Vielfalt dieser Erscheinungen des sozialen Lebens gibt Anlass zu einer Unterscheidung und damit gleichzeitig zu einer Systematisierung.82
2.1. Unterscheidung nach der Organisation 2.1.1.
Gewerkschaftlicher Streik versus wilder Streik
Die Unterscheidung zwischen einem gewerkschaftlichen Streik und einem wilden Streik orientiert sich an der Beteiligung einer Gewerkschaft am Kampfgeschehen. Sofern der Streik von einer freiwilligen Berufsvereinigung der AN organisiert und durchgeführt wird, spricht man vom gewerkschaftlichen Streik, der mitunter auch als legaler Streik83 bezeichnet wird. Im Gegensatz dazu ist für Arbeitsniederlegungen, die nicht von einer Gewerkschaft vorbereitet, geleitet oder unterstützt werden, die Bezeichnung wilder Streik gebräuchlich.84 Strasser/Jabornegg85 lehnen diesen Begriff mE zu Recht ab und wollen stattdessen von einem nicht gewerkschaftlichen Streik sprechen, um die mit der Qualifikation des Streiks als „wild“ verbundene negative Bewertung zu vermeiden.86
2.1.2.
„Verbandsaussperrung“ versus „nichtverbandsgetragene“ Aussperrung
Eine „Verbandsaussperrung“ erfolgt aufgrund eines Aufrufs einer Arbeitgebervereinigung. Der „nichtverbandsgetragenen“ Aussperrung liegt kein entsprechender Wille des Arbeitgeberverbandes zu Grunde.87 81 82
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Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 23. Die folgende Einteilung ist angelehnt an jene von Brox in Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht. Ein Handbuch für die Praxis2 (1982) Rz 32 ff, 51 ff. So in dem Erkenntnis des VwGH vom 13.4.1961, 7/60, Arb 7362 = ÖJZ-VwGH (A) 1961, 640; ebenso EA Innsbruck 5.7.1962, Re 10/62, SozM II B 635. Mayer-Maly, Allgemeines und Österreichisches zum wilden Streik, RdA 1970, 333. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 183. Zachert, „Wilder Streik“ – noch zeitgemäß? ArbuR 2001, 401 FN 5, schlägt in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „verbandsfreier Streik“ vor. Brox in Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht. Ein Handbuch für die Praxis2 (1982) Rz 52 f.
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Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen
2.2. Unterscheidung nach dem Kampfbeginn Der Angriffsstreik zeichnet sich dadurch aus, dass die gemeinschaftliche Arbeitseinstellung der AN den Arbeitskampf eröffnet. Spiegelbildlich liegt eine Angriffsaussperrung dann vor, wenn diese der erste Akt in der sozialen Auseinandersetzung ist.88 Die praktische Bedeutung der Angriffsaussperrung ist allerdings gering, da die AG ganz allgemein im geringeren Ausmaß als die AN auf Mittel des Arbeitskampfes angewiesen sind, um ihre Interessen zu verfolgen.89 Der äußerst seltene Fall einer Angriffsaussperrung war Ausgangspunkt der Entscheidung des EA Linz vom 1. September 1929,90 wo die beklagte Firma wegen Lohndifferenzen mit ihrer Belegschaft zu diesem Kampfmittel griff. Darüber hinaus wäre es denkbar, dass AG in Zeiten schwerer Rezession zur Angriffsaussperrung schreiten, wenn also „im Zuge einer deflatorischen Geldentwertung die Arbeitgeber die Initiative zur Anpassung der Löhne an den Geldwert ergreifen müssen“.91 Ein Abwehrstreik ist die kollektive Reaktion der AN auf eine Aussperrung. Der dadurch entstehende Druck auf die Arbeitgeberseite soll diese zum Einlenken veranlassen.92 Die Antwort der AG auf eine kollektive Arbeitsniederlegung bezeichnet man als Abwehraussperrung, die im Gegensatz zur Angriffsaussperrung größere praktische Bedeutung93 besitzt, da sie vor allem dazu dient, einen Teilstreik dadurch abzuwehren, zusätzlich zu den Streikenden auch die arbeitswilligen AN auszusperren und damit den Druck auf die Arbeitnehmerseite zu verstärken.94
2.3. Unterscheidung nach dem Kampfziel Sollen mit dem Arbeitskampf Forderungen aus dem weiten Feld der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen gegenüber dem sozialen Gegenspieler durchgesetzt werden, handelt es sich um einen arbeitsrechtlichen Arbeitskampf. Auf der anderen Seite ist mit dieser Unterscheidung eine Erscheinungsform des Arbeitskampfes angesprochen, bei der keine arbeitsrechtlichen, sondern politische Forderungen erhoben werden. Bei politischen Arbeitskämpfen ist zwar der soziale Gegenspieler Kampfgegner, dieser fungiert aber lediglich als 88
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Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht (2006) § 1 Rz 32; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 915. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 778. EA Linz 1.9.1929, Reg I 198/27, Arb 3945. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 450; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 106. Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 14 Rz 14. Vgl Hettlage, Keine Arbeitskämpfe gegen den Willen der Mehrheit! BB 2004, 714 (720): „Aussperrungen sind stets Reaktionen auf Streiks und kommen für sich alleine so gut wie nicht vor“; ebenso Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 92 FN 19: „Aussperrungen der Unternehmer sind in der Regel Abwehraussperrungen und keine Angriffsaussperrungen“. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 186.
Der Streik und die Aussperrung
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„Durchgangsadressat“95, weil der politische Arbeitskampf darauf abzielt, den Willen eines staatlichen Organs zu beugen.
2.4. Unterscheidung nach der Taktik Ausgehend von den für die Art der Kampfführung maßgeblichen taktischen Erwägungen können weitere Erscheinungsformen des Arbeitskampfes erfasst werden. Beteiligen sich alle AN der bestreikten Branche am Arbeitskampfgeschehen, so liegt ein Totalstreik (totaler Streik) vor. Dementsprechend erfasst die Vollaussperrung (totale Aussperrung) alle AN im gesamten Kampfgebiet. Über den Totalstreik hinaus geht der (zumeist politisch motivierte) Generalstreik, der durch das Bestreiken sämtlicher Industriezweige die gesamte Volkswirtschaft lahm legen soll.96 Auf der anderen Seite können strategische Überlegungen dazu führen, dass nur ein Teil der AN, gleichsam stellvertretend für all jene, für die das Ziel des Streiks insgesamt erreicht werden soll, die Arbeit einstellt. Dabei handelt es sich um einen Teilstreik.97 Beim Teilstreik legen entweder nur Teile der Belegschaft eines Betriebes die Arbeit nieder (Teilstreik im engeren Sinn) oder aber es treten die AN eines für die gesamte Branche entscheidenden Betriebes in den Ausstand (Schwerpunktstreik). Beim gewerkschaftsgetragenen Teilstreik steht dahinter das Bestreben, den organisatorischen und vor allem den finanziellen Mitteleinsatz der Gewerkschaft möglichst zu limitieren und dennoch das angestrebte Ziel für den gesamten Streikbereich zu erreichen.98 Beim Sukzessivstreik wiederum legen die zum Streik aufgerufenen AN nach und nach die Arbeit nieder, bis alle AN des Streikbereiches die Arbeit eingestellt haben. Den eben angesprochenen Kampfformen entsprechen auf der Arbeitgeberseite die Teilaussperrung, von der nur Teile der Arbeitnehmerschaft betroffen sind, weiters die nur AN bestimmter Betriebe innerhalb des Kampfgebietes erfassende Schwerpunktaussperrung und schließlich die Sukzessivaussperrung, bei welcher einzelne Arbeitnehmergruppen nacheinander der Aussperrung unterworfen werden.99
2.5. Unterscheidung nach der Wirkung auf die Gegenseite Je nachdem, ob mit dem Arbeitskampf die Verwirklichung konkreter Forderungen erzwungen werden soll oder aber der Arbeitskampf sich darauf beschränkt, dem Gegner die Haltung der einen Kampfpartei zu einer bestimm95 96
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Brox in Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht. Ein Handbuch für die Praxis2 (1982) Rz 42. Als historisches Beispiel ist dabei der Generalstreik im Anschluss an die Urteilsverkündung im sog „Schattendorfer Prozess“ zu nennen; s dazu Klenner/Pellar, Die österreichische Gewerkschaftsbewegung. Von den Anfängen bis 19992 (1999) 269; auch die Entscheidung des EA St. Pölten vom 8.9.1927, Reg I 115/27, Arb 3802, nimmt darauf Bezug. Angesprochen auch in § 13 AlVG. Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 14 Rz 11. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 915.
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Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen
ten Frage nachdrücklich zur Kenntnis zu bringen, können Kampfstreik (Kampfaussperrung), Warnstreik (Warnaussperrung) sowie der Demonstrationsstreik (Demonstrationsaussperrung) unterschieden werden. „Kampfstreik ist ein solcher, den die Arbeitnehmer führen, um den Willen eines anderen zu brechen oder zu beugen“.100 Angestrebt wird mit dem Kampfstreik, ebenso wie mit der Kampfaussperrung, die Durchsetzung von Forderungen. Der Warnstreik ist von vornherein auf eine bestimmte Dauer beschränkt und dient hauptsächlich dazu, die Kampfentschlossenheit der Gewerkschaft zu demonstrieren. Warnstreiks können auch während laufender Kollektivvertragsverhandlungen zum Einsatz kommen, um dadurch gewerkschaftliche Positionen in eindringlicher Weise zu unterstreichen.101 Analog dazu setzt die Arbeitgeberseite mit gleicher Zielrichtung die Warnaussperrung ein. Beim zeitlich befristeten Demonstrationsstreik (Proteststreik) soll dem Gegner mit dem Mittel der Arbeitsniederlegung die Position der streikenden AN zu einer bestimmten Frage zur Kenntnis gebracht werden, ohne dass damit eine konkrete Forderung verbunden wäre.102 Ebenso geht es bei der Demonstrationsaussperrung darum, einen bestimmten Standpunkt der Arbeitgeberseite zum Ausdruck zu bringen.
2.6. Unterscheidung nach der Selbständigkeit des Arbeitskampfes Das Kriterium der Selbständigkeit dient zur Unterscheidung des Hauptarbeitskampfes vom Sympathiearbeitskampf. Der Sympathiearbeitskampf bezweckt, einen anderen, fremden Arbeitskampf, nämlich den Hauptarbeitskampf, zu unterstützen. Dem Sympathiearbeitskampf mangelt es insofern an Selbständigkeit, als dieser nicht zur Erreichung eines eigenen, sondern zur Erreichung eines fremden Ziels geführt wird. Beispielsweise liegt ein Sympathiearbeitskampf dann vor, wenn zwischen der Gewerkschaft A und dem Arbeitgeberverband B bereits ein Arbeitskampf ausgebrochen ist und zusätzlich dazu der Arbeitgeberverband C die AN aussperrt (Sympathieaussperrung), wobei ihm möglicherweise die gleiche Gewerkschaft A, vielleicht aber auch eine Gewerkschaft D als Kontrahent gegenübersteht.103 Mayer-Maly möchte – in Bezug auf den Streik – zwischen dem eigentlichen Sympathiestreik einerseits und dem Solidaritätsstreik andererseits differenzieren. Der Sympathiestreik 100
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Brox in Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht. Ein Handbuch für die Praxis2 (1982) Rz 39 (Hervorhebung im Original). Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 449 f; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 105. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 18; vgl dazu den der Entscheidung des EA Wien vom 11.6.1927, A 379/27, Arb 3704, zu Grunde liegenden Sachverhalt: Die Arbeiter traten wegen der Einführung von Kurzarbeit sowie wegen der Beschäftigung des Sohnes eines Geschäftsfreundes des AG bei gleichzeitiger Entlassung anderer Arbeiter in den Ausstand und bezeichneten ihr Vorgehen als Proteststreik. Dieses Strukturbeispiel eines Sympathiearbeitskampfes nach Dietz, Welche Ziele muß ein Arbeitskampf verfolgen, um gerechtfertigt zu sein? ZAS 1970, 41 (48).
Der Streik und die Aussperrung
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bekunde demnach bloß, dass die aus Sympathiegründen in den Streik Getretenen, die mit dem Hauptstreik verbundenen Forderungen für gerechtfertigt halten. Im Solidaritätsstreik sieht Mayer-Maly hingegen ein Instrument der gewerkschaftlichen, insbesondere der internationalen Solidarität, wenn nämlich bestreikte AG versuchen, die ihnen durch einen Arbeitskampf verursachten Schwierigkeiten durch einen Rückgriff auf andere Tarifgebiete, Branchen oder Staaten auszugleichen.104
2.7. Exkurs: Sonderformen Sonderformen der kampfweisen Interessenverfolgung auf der Arbeitnehmerseite stehen zwischen einer vollständigen Arbeitsniederlegung und einer – zumindest dem äußeren Erscheinungsbild nach – noch ordnungsgemäßen Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten. Angesprochen sind damit die passive Resistenz105 (Bummelstreik) und der „Dienst nach Vorschrift“. Die passive Resistenz charakterisiert sich dadurch, dass zwar die Arbeit nicht eingestellt wird, wohl aber durch bewusst langsames und übergenaues Arbeiten die Arbeitspflicht nur zum Schein erfüllt wird.106 Heindl erfasst unter diesem Kampfmittel die Verschleppung der Arbeit durch ihre allzu pünktliche und allen Anordnungen auf das minutiöseste gerecht werdende Durchführung sowie das absichtlich vertragswidrige Langsamarbeiten und sieht in der passiven Resistenz einen milderen Grad des Streiks.107 Begrifflich wird die passive Resistenz wegen der nur teilweisen Arbeitseinstellung nicht als Streik erfasst.108 Gleiches gilt für den Dienst nach Vorschrift.109 Dieser bezweckt, durch übergenaues Erfüllen der jeweiligen Dienstanordnungen die Arbeit in ihrem Tempo und Ergebnis so zu reduzieren, dass dadurch die AG zur Erfüllung der Forderung der AN gezwungen werden.110
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Mayer-Maly, Anm zu BAG 12.1.1988, 1 AZR 219/86, SAE 1988, 310. Als einzige themeneinschlägige Norm nimmt § 13 AlVG auch auf die passive Resistenz Bezug. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 777, spricht von einer verschleierten Form des Streiks; ebenso Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 80. Heindl, Die privatrechtlichen Wirkungen von Arbeitskämpfen, ZfsR 1932, 10. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 182; Bohr, Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien (1992) 45; aA Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 15. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 182; Bohr, Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien (1992) 46; aA Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 15. Bohr, Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien (1992) 46.
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Der Arbeitskampf – Definition und Erscheinungsformen
IV. Der Boykott Neben Streik und Aussperrung ist der Boykott die dritte der drei klassischen Formen des Arbeitskampfes. Unter Boykott versteht die hL111 die Ächtung einer Person bzw einer Gruppe von Personen (Boykottierte) durch andere Personen (Boykottierer), die es ablehnen, mit dem Geächteten in (rechtliche) Beziehungen zu treten. Allgemein wird damit angestrebt, den Kampfgegner von rechtsgeschäftlichen Kontakten auszuschließen, insbesondere ist die Absicht der Boykottierer darauf gerichtet, den Abschluss neuer Arbeitsverträge mit dem Boykottierten zu verhindern.112 Umgelegt auf die konkrete Konfliktsituation soll durch den Boykott der AG keine Arbeitskräfte mehr erhalten (Zugangssperre) oder die AG als Boykottierer lehnen es aufgrund des Boykottes ab, die boykottierten, arbeitsuchenden AN einzustellen (Einstellungssperre).113 Der Einsatz des Boykotts als selbständiges Kampfmittel ist aber selten. Meist fungiert der Boykott als Begleitmaßnahme zu einem Streik oder einer Aussperrung. Als Beispiel für einen von Streik und Aussperrung unabhängigen Boykott führt Gamillscheg114 die Aufforderung durch einen AG oder einen Arbeitgeberverband an, missliebige Personen nicht einzustellen („schwarze Listen“).115 Ein plastisches Beispiel eines Boykotts liefert der Sachverhalt, der der letzten höchstgerichtlichen Entscheidung116 zu einem arbeitsrechtlichen Boykott zu Grunde lag. Nachdem ihre Forderung nach einer Entgelterhöhung vom AG abgelehnt wurde, lösten zwei Malergehilfen ihre Arbeitsverhältnisse auf. Als Reaktion darauf richtete die Bezirksstelle der Kammer der gewerblichen Wirtschaft an alle Malerbetriebe des Bezirks ein Schreiben, worin die Kammermitglieder aufgefordert wurden, keinen AN, der wegen der Ablehnung der Forderung nach einer von der Gewerkschaft nicht unterstützten Erhöhung des Stundenlohnes seinen Betrieb verlassen hat, zu übernehmen. Dieses Beispiel deutet auch an, dass der Boykott nicht nur auf zwei Beteiligte beschränkt bleiben muss. Eine Ausweitung erfährt der Boykott dann, wenn die Boykottierer weitere Personen117, deren Situation mit der der Boykottierer
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Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 187; Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 45; vgl auch Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 451; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 779; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 107. Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 14 Rz 24. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 779. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 916; ebenso Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 188. Zwei Fälle eines Boykotts durch die Verwendung „schwarzer Listen“ durch Arbeitgebervereinigungen betreffen die Entscheidungen: OGH 31.12.1907, 14.094, GlUNF 4040 = JBl 1908, 237 und OGH 20.6.1905, 8369, GlUNF 3097 = ZBl 1905, 825. OGH 3.7.1957, 2 Ob 58/57, Arb 6688 = SozM II C 1. Bezeichnet dann als Boykottanten.
Die beiden Ebenen des Arbeitskampfes
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vergleichbar ist, zu demselben Verhalten gegenüber den Boykottierten auffordern.118 Da ein Boykott auch außerhalb des Arbeitslebens auftreten kann,119 muss der notwendige Bezug zum Arbeitsrecht und damit zum Arbeitskampfbegriff dadurch vermittelt werden, dass zumindest Boykottierer und Boykottierte Parteien des Arbeitslebens sind. Im Unterschied zu Streik und Aussperrung ist es auch denkbar, dass Angehörige derselben Seite durch den Boykott getroffen werden sollen.120
V. Die beiden Ebenen des Arbeitskampfes Rechtstatsächlich betrachtet spielt sich das Arbeitskampfgeschehen auf zwei unterschiedlichen Ebenen ab. Einerseits geht es um die Kollektivaktion, andererseits geht es um die individuelle Kampfbeteiligung des einzelnen AN und des einzelnen AG. Begrifflich wird daher die Ebene der Gesamtaktion von der Ebene der Individualaktion unterschieden. Der Begriff der Gesamtaktion umfasst den Arbeitskampf in seiner kollektiven Erscheinungsform, konkret damit den Kampfbeschluss, die Aufforderung zum Arbeitskampf und die planmäßige Kampfdurchführung.121 Auf der zweiten Ebene berührt der Arbeitskampf die Sphäre des Arbeitsvertrages. Es geht um die individuelle Kampfbeteiligung des einzelnen AN und AG, die sich in der Vorenthaltung von Arbeit bzw im Ausschluss von Arbeit und Entgelt manifestiert. Diese individuellen Verhaltensweisen im Zuge eines Arbeitskampfes werden unter dem Begriff der Individualaktion erfasst.122
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Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 187; Strasser, DRdA 1964, 314 FN 5. Für das Wettbewerbsrecht s etwa OGH 8.7.1980, 4 Ob 352/80, SZ 53/102 = JBl 1981, 380 = ÖBl 1981, 13: „Boykott im wettbewerbsrechtlichen Sinn ist die von einer oder mehreren Personen ausgehende, durch Dritte ausgeführte planmäßige Absperrung eines Unternehmers vom Geschäftsverkehr durch Nichtaufnahme neuer oder Abbruch bestehender Geschäftsbeziehungen“. S dazu den Sachverhalt zu OGH 16.6.1911, Rv I 535/11, GlUNF 5508 = JBl 1911, 442 = ZBl 1911, 838, wo ein Arbeitnehmerverband unter Androhung eines Arbeitskampfes die Entlassung eines des Streikbruchs bezichtigten AN erzwang, der im Anschluss daran keine neue Beschäftigungsmöglichkeit mehr finden konnte. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 196; Runggaldier, Kollektives Arbeitsrecht und arbeitnehmerähnliche Personen, in Martinek/Wachter (Hrsg), Arbeitsleben und Rechtsordnung. Festschrift für Gerhard Schnorr (1988) 251 (268); ders, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 182. Rebhahn, Anm zu OGH 19.11.2003, 9 ObA 125/03b, ZAS 2005/6, 33 (35), wiederum fasst unter der Gesamtaktion das kollektive Vorenthalten der Arbeitsleistung zusammen; ebenso ders in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 244. Runggaldier in FS Schnorr 268; ders, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 182.
Zweiter Teil Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes I.
Vorbemerkung
Der Arbeitskampf ist zwar eine Erscheinung der sozialen Wirklichkeit, manche Autoren aber scheinen dem Arbeitskampf als solchen keine rechtliche Relevanz zubilligen zu wollen. So meint Bydlinski, dass sich der Arbeitskampf prinzipiell im staatsfreien Raum bewege,123 also außerhalb der staatlichen Rechtsordnung stehe. Ebenso positioniert sich Heindl, indem er den Streik gänzlich außerhalb der Sphäre des Rechts verortet, da der Streik als reine Kraftprobe nicht reglementierbar sei.124 Vor allem letztere Stellungnahme spricht der Rechtsordnung insgesamt die Aufgabe ab, im Bereich sozialer Konflikte regelnd bzw gestaltend einzugreifen und versteht damit den Arbeitskampf lediglich als Machtproblem, nicht aber (auch) als Rechtsproblem. Schon ein Blick auf die arbeitsvertraglichen Bindungen der kampfbeteiligten Akteure verdeutlicht, dass Arbeitskämpfe sich keineswegs in einem rechtsfreien Raum abspielen.125 Zwar ist es zutreffend, dass beim Arbeitskampf in hohem Ausmaß Machtfaktoren126 eine Rolle spielen, die außerhalb des Rechts angesiedelt sind, doch kann es bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen Macht und Recht keine andere Antwort geben, als den Vorrang des Rechts zu bejahen und den Arbeitskampf damit nicht außerhalb jeder rechtlichen Ordnung zu stellen.127 123
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Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 318, 324 f. Vgl weiters dens in Kummer (Hrsg), Der Streik in der gesellschaftlichen Ordnung von heute (1962) 20 f, wonach der Arbeitskampf sich grundsätzlich im rechtsfreien Bereich abspiele; soweit der Arbeitskampf rechtlich geschützte Interessen Dritter verletze, werde der Arbeitskampf wieder in die Rechtsordnung integriert. Diese Ansicht von Bydlinski relativierend Müller, DRdA 1953 H 7, 2, der betont, dass im Bereich des Arbeitskampfes zwar im gewissen Sinn ein völlig staatsfreier Raum vorliege, der den Kampfparteien zur selbständigen Ordnung überlassen sei; allerdings sei kein rechtsfreier Raum in dem Sinne gegeben, dass ausschließlich unbeschränkte Gewaltausübung zulässig sei; vielmehr handle es sich um einen Bereich, der frei von staatlicher Regelung sei. Heindl, ZfsR 1932, 17. Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1975) 4. Solche Machtfaktoren, wie der Zeitpunkt der Kampferöffnung, die vorgegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Durchhaltekraft der Kampfparteien, sind insbesondere für den Ausgang des Arbeitskampfes ausschlaggebend. Mayer-Maly, Probleme des Arbeitskampfrechts, JBl 1967, 1; eindringlich Galperin, Sozialadäquanz und Arbeitskampfordnung, in Dietz/Hübner (Hrsg), Festschrift für Hans Carl Nipperdey II (1965) 197: „Der Arbeitskampf steht (…) nicht neben oder außerhalb der Rechtsordnung sondern in der Rechtsordnung“ (Hervorhebung im Original) und
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Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
Obwohl somit der Arbeitskampf nicht nur ein faktisches, sondern auch ein rechtlich relevantes Phänomen ist, dürfen dennoch nicht die Schwierigkeiten übersehen werden, die sich bei der rechtlichen Erfassung des Arbeitskampfes ergeben. Diese resultieren vor allem aus der komplizierten Gemengelage der unterschiedlichen rechtlichen Beziehungen. Das Kampfgeschehen berührt nämlich sowohl die Sphäre der Arbeitsvertragsparteien als auch die Sphären der kampfbeteiligten Verbände und letztlich auch die Beziehung des einzelnen AN und AG zum jeweiligen Verband. Hinzu treten die unterschiedlichen Interessen der handelnden Akteure bzw sonstiger vom Arbeitskampf betroffener Personen sowie die im Einzelnen, im Zuge des Arbeitskampfes ergriffenen Maßnahmen. All diese Aspekte sind teils eng miteinander verflochten, teils prallen sie gegensätzlich aufeinander. Zur strukturierten Erfassung und rechtlichen Bewertung des Arbeitskampfes empfiehlt Bydlinski daher die strenge Handhabung der rechtsdogmatischen Methode, die in der Erkenntnis der in der Rechtsgemeinschaft geltenden Normen und der diesen Normen zu Grunde liegenden Rechtsprinzipien bestehe.128 In einem ersten Schritt gilt es damit, den Blick auf den positiven Normenbestand zu lenken, um eventuell Anhaltspunkte für die Antwort auf die Frage nach den arbeitsvertraglichen Implikationen des Arbeitskampfes zu gewinnen. Dabei geht es in erster Linie um jene Normen, die explizit auf Streik und Aussperrung Bezug nehmen.
II. Die Grundlagen des Arbeitskampfrechts 1.
Der Befund
1.1. Historischer Abriss Historisch betrachtet beschäftigten sich zunächst ausschließlich strafrechtliche Normen mit dem Streik und der Aussperrung. Als exemplarischer Beleg dafür kann § 229 StG 1803 dienen. Diese Norm unterwarf die Rädelsführer bei Verabredungen der Handwerksgesellen, um sich durch gemeinschaftliche Weigerung zu arbeiten, oder durch andere Mittel einen höheren Tag- oder Wochenlohn oder andere Bedingungen von ihren Meistern zu erzwingen, einer Strafsanktion. Auf derselben Linie bewegten sich §§ 479 ff StG 1852.129 § 479 StG 1852 bestrafte Verabredungen von Gewerbsleuten, Fabriks- oder ArbeitsUnternehmern oder Dienstgebern, um eine Umänderung in den Arbeits- oder
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Rieble, Arbeitsniederlegung zur Standorterhaltung, RdA 2005, 200 (201): „Die Rechtsordnung darf keine rechtsfreien Räume etablieren – auch nicht für den Arbeitskampf. Interessenkonflikte müssen nach rechtlich geordneten Regeln ausgetragen werden, sonst droht das Faustrecht des wirtschaftlich Stärkeren“. Dezidiert auch Kahn-Freund, Arbeit und Recht (1979) 238: „Selbstverständlich muß es ein Recht des Streiks geben (…)“. Demgegenüber beklagt Tomandl, Grundprobleme des Arbeitskampfrechts in rechtsvergleichender Sicht, ZfA 1974, 187, eine „Ohnmacht des Rechts im Arbeitskampf“. Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 79. RGBl 1852/117.
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Lohnverhältnissen zu erwirken. § 480 StG 1852 erstreckte die Strafandrohung auf die Urheber solcher Verabredungen, und § 481 StG 1852 übernahm den Straftatbestand des § 229 StG 1803. Eng damit zusammenhängend verwies § 204 BergG 1854130 darauf, dass „Verabredungen der Berg- und Hüttenarbeiter, um durch Weigerung der Arbeit, Widersetzlichkeit im Dienste, oder andere Mittel einen höheren Lohn, oder andere Bedingungen zu erzwingen, und die Aufwiegelung hiezu“ nach dem StG 1852 zu bestrafen waren. Ebenso verbot § 77 GewO 1859131 den Gehilfen unter sich Verabredungen zu treffen, um durch gemeinschaftliche Arbeitsverweigerung oder durch andere Mittel von ihrem Dienstherrn Bedingungen zu erzwingen. Mit der GewO-Novelle 1885132 wurde § 77 leg cit aufgehoben und sein bisheriger Inhalt in modifizierter Weise in §§ 85 f GewO 1859 transferiert. Diese Bestimmungen sollten vertragswidrige Arbeitseinstellungen sanktionieren, womit aber gleichzeitig zum Ausdruck gebracht wurde, dass Verabredungen zu Arbeitskämpfen ohne einen damit einhergehenden Vertragsbruch strafrechtlich geduldet wurden.133 Weiters ist das KoalG 1870 zu nennen, dessen Bedeutung134 im vorliegenden historischen Kontext in der Aufhebung der §§ 479 bis 481 StG 1852 besteht.135 Am Ende der Schaffung strafrechtlicher Normen mit Regelungsbezug zum Arbeitskampf steht die „Kaiserliche Verordnung vom 25. Juli 1914 über die Bestrafung der Störung des öffentlichen Dienstes oder eines öffentlichen Betriebes und der Verletzung einer Lieferpflicht“,136 welche insbesondere in § 2 ein generelles Streikverbot nicht nur für Beamte, sondern auch für Bedienstete von Staatsbetrieben, der Eisenbahn oder von Schifffahrtsunternehmen bzw einer staatlich geschützten Unternehmung statuierte. Letztlich ist noch die Streikverordnung vom 21. April 1933137 in die historische Betrachtung einzubeziehen. Die Verordnung bedrohte die Teilnahme an einem Streik oder einer passiven Resistenz, aber auch die Aufforderung, Aneiferung, Verleitung, Beistands- und Vorschubleistung dazu zwar nicht mehr mit einer gerichtlichen Strafe, wohl aber mit einer Verwaltungsstrafe. Uneingeschränkte Anwendung fand die Verordnung in den Betrieben der öffentlichen Hand und weiters in jenen Betrieben, die der Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wasser oder Elektrizität dienten. In allen anderen Betrieben war der Anwendungsbereich der Verordnung beschränkt auf jene Arbeitseinstellungen, bei denen das Kampfziel nicht oder nicht ausschließlich in der Erreichung günstigerer Lohn-
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RGBl 1854/146. RGBl 1859/227. RGBl 1885/22. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 67. Zu weiterem Inhalt und Bedeutung des KoalG 1870 s Seite 25. Dazu Kittner, Arbeitskampf. Geschichte – Recht – Gegenwart (2005) 237 f. RGBl 1914/155, auch bezeichnet als Streikverordnung; aufgehoben wurde die Streikverordnung mit dem 1. BRBG, BGBl I 1999/191. „Verordnung der Bundesregierung vom 21. April 1933 zum Schutze der Wirtschaft gegen Arbeitseinstellungen“, BGBl 1933/138.
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oder sonstiger Arbeitsbedingungen bestand.138 Diese historische Betrachtung macht deutlich, dass der jeweilige Gesetzgeber bestrebt war, den Ausbruch von Arbeitskämpfen schon von vornherein mit den Mitteln des Strafrechts zu unterbinden, sodass bereits unter diesem Gesichtspunkt keine Notwendigkeit bestand, auch die arbeitsvertraglichen Folgen einer Kampfteilnahme speziell gesetzgeberisch zu berücksichtigen.
1.2. Der gegebene Normenbestand Ausgehend vom historischen Befund zeigt eine Analyse sowohl des aktuellen auf Streik und Aussperrung Bezug nehmenden Normenbestandes als auch der gesamten Rechtsentwicklung in der Zweiten Republik eine Verlagerung des Schwergewichts gesetzgeberischer Regelungen vom Strafrecht hin zum Sozialund Arbeitsmarktrecht. Vorauszuschicken ist dabei, dass das Verfassungsrecht nicht auf den Streik und die Aussperrung Bezug nimmt. Auf einfachgesetzlicher Ebene verbietet § 9 AÜG die Überlassung von Arbeitskräften in Betriebe, die von Streik oder Aussperrung betroffen sind. Dieselbe Zielrichtung verfolgen § 10 AuslBG und § 3 Z 10 AMFG sowie §§ 8 und 18 ZDG. § 10 AuslBG untersagt die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für die Beschäftigung auf Arbeitsplätzen in von Streik oder Aussperrung erfassten Betrieben. § 3 Z 10 AMFG erklärt die Vermittlung Arbeitsuchender in einen arbeitskampfbetroffenen Betrieb ebenso für unzulässig wie die Vermittlung von streikenden oder ausgesperrten AN. § 8 Abs 5 ZDG verbietet die Zuweisung von Zivildienstpflichtigen an Einrichtungen, die von Streik oder Aussperrung betroffen sind. Ergänzend dazu verpflichtet § 18 Z 4 ZDG die Zivildienstserviceagentur, den Zivildienstpflichtigen einer anderen Einrichtung zuzuweisen, wenn die bisherige Einrichtung von einem Streik oder einer Aussperrung betroffen wird. Auf dem Gebiet des Sozialrechts nehmen §§ 9 und 13 AlVG sowie § 124 ASVG auf Streik und Aussperrung Bezug. Im Zusammenhang mit den Kriterien für die Zumutbarkeit einer von der regionalen Geschäftsstelle des AMS vermittelten Beschäftigung erklärt § 9 Abs 2 AlVG die Beschäftigung in einem von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb als nicht zumutbar. Auf der anderen Seite versagt § 13 AlVG den Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn die Arbeitslosigkeit die unmittelbare Folge eines durch einen Streik verursachten Betriebsstillstandes ist.139 Der Ausschluss vom Arbeitslosengeldbezug gilt auch für den Fall einer Aussperrung in einem Betrieb, sofern die Aussperrung als Abwehrmaßnahme gegen einen Teilstreik, eine passive Resistenz oder eine sonstige die Fortführung der Arbeit in diesem Betrieb vereitelnde Kampfmaßnahme erfolgt. Sollte strittig sein, ob die Arbeitslosigkeit die Folge eines durch 138
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Die Streikverordnung 1933 wurde auf Grund von § 1 Abs 1 Rechtsüberleitungsgesetz, StGBl 1945/6, nicht in den Rechtsbestand der Zweiten Republik übernommen. § 13 AlVG steht damit im Einklang mit Art 69 lit i des ILO-Übereinkommens Nr 102 über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit.
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Streik oder Aussperrung verursachten Betriebsstillstandes ist, so hat diese Frage gem § 48 Abs 1 AlVG der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten des Landesdirektoriums zu klären.140 Im Zusammenhang mit der durch § 16 Abs 1 ASVG eröffneten Möglichkeit zur Selbstversicherung im System der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem ASVG steht die Regelung des § 124 Abs 2 ASVG. Grundsätzlich verlangt § 124 Abs 1 ASVG bei den Selbstversicherten für die Realisierung der Leistungspflicht die Erfüllung einer Wartezeit von drei Monaten unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles, dh, der Versicherte muss den Nachweis erbringen, dass er durch drei Monate hindurch versichert war.141 Das Erfordernis der Wartezeit entfällt gem § 124 Abs 2 ASVG allerdings dann, wenn die Pflichtversicherung oder die darauf beruhende Anspruchsberechtigung infolge eines Streiks oder einer Aussperrung erloschen sein sollte. Eine besondere Stellung nimmt das KoalG 1870 ein. Diese begründet sich zum einen daraus, dass das KoalG 1870 im Gegensatz zu den übrigen Normen überhaupt eine Aussage zu vertraglichen Vereinbarungen trifft und zwar zu solchen Vereinbarungen, die im Umfeld eines Arbeitskampfes mit bestimmter Zielrichtung geschlossen werden. Zum anderen erklärt sich die Sonderstellung des KoalG 1870 aus dem Umstand, dass in der Literatur teilweise bezweifelt wird, ob das KoalG 1870 überhaupt noch gültiger Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung sei. § 2 leg cit versagt Verabredungen von AN, die darauf abzielen, mittels gemeinschaftlicher Einstellung der Arbeit von den AG höheren Lohn oder überhaupt günstigere Arbeitsbedingungen zu erzwingen ebenso jede rechtliche Wirkung wie Verabredungen von AG, die beabsichtigen, mittels Einstellung des Betriebes oder Entlassung von Arbeitern diesen eine Lohnverringerung oder überhaupt ungünstigere Arbeitsbedingungen aufzuerlegen. Kampfverabredungen ziehen aufgrund von § 2 KoalG 1870 keine wie immer geartete rechtliche Wirkung nach sich.142 Die Geltung dieser Be-
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Das Motiv für dieses Verfahren sehen Dirschmied/Pfeil, Arbeitslosenversicherungsrecht3 (1996) § 48 Erl 1, darin, dass der Gesetzgeber Streitfragen in diesem sensiblen, die Koalitionsfreiheit tangierenden Bereich den Interessenvertretungen der AN und AG überlassen wollte. Das Landesdirektorium setzt sich gem § 13 AMSG neben dem Landesgeschäftsführer der jeweiligen Landesorganisation des AMS und seinem Stellvertreter nämlich aus Vertretern von gesetzlichen und freiwilligen Interessenvertretungen der AG und AN zusammen. Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts5 (2002) Rz 122; Schrammel in Tomandl (Hrsg), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 143, ordnet die Wartezeit den sekundären Voraussetzungen für eine sozialversicherungsrechtliche Leistung zu. Ebert, Die Einführung der Koalitionsfreiheit in Österreich – Das sogenannte „Koalitionsgesetz“ vom 7. April 1870, RGBl. Nr. 43, in Stourzh/Grandner (Hrsg), Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft (1986) 69 (88 f); Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 75; ebenso: Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 312; ders, Rechtsfragen des Arbeitskampfes, Ind 1962 H 2, 1; aA Maultaschl, Die Koalitionsfreiheit in Österreich, in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Amerika, DRdA
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stimmung wird von Strasser/Jabornegg in Zweifel gezogen. Dem § 2 KoalG 1870 sei durch Art 11 Abs 1 MRK143 derogiert worden. Denn anzunehmen, „die MRK gewährleiste die Gewerkschaftsbildung unter der nicht ausgesprochenen Bedingung, daß Satzungsbestimmungen, die den Arbeitskampf betreffen, für die Mitglieder nicht rechtsverbindlich sind, sie denke somit nur an ,zahnlose’ Gewerkschaften, ist völlig absurd und entbehrt jeglicher Grundlage“.144 Diese Argumentation wirft damit die Frage auf, welchen qualitativen Schutz die MRK für die Gewerkschaftsbildung bzw für die Regelung der inneren Angelegenheiten einer Gewerkschaft etabliert. Ganz allgemein verlangt Art 11 Abs 1 MRK von den Konventionsstaaten, gewerkschaftliche Tätigkeiten zuzulassen und jene zu ermöglichen, die für wirksames gewerkschaftliches Handeln erforderlich sind.145 Auch haben Gewerkschaften das Recht zur Selbstverwaltung eigener Angelegenheiten,146 worunter auch die autonome Erlassung und inhaltliche Ausgestaltung einer Satzung fällt.147 Die MRK verschafft aber den Gewerkschaften keinen Anspruch auf eine bestimmte Form des Tätigwerdens, sodass insoweit die Konventionsstaaten befugt sind, Regelungen zu treffen.148 Insbesondere verpflichtet Art 11 Abs 1 MRK die Konventionsstaaten nicht, positive Maßnahmen zu ergreifen, um privaten Vereinigungen die Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfügung zu stellen.149 Setzt man diese inhaltlichen Konkretisierungen des Schutzbereiches von Art 11 Abs 1 MRK in Beziehung zu der von Strasser/ Jabornegg vorgetragenen Argumentation, so ist mE für die Annahme einer Derogation des § 2 KoalG 1870 durch Art 11 Abs 1 MRK kein Raum. § 2 KoalG 1870 beschränkt eine Koalition nicht, in ihre Satzung arbeitskampfbezogene Bestimmungen aufzunehmen. Insbesondere steht es einer Koalition auch unter Geltung von § 2 KoalG 1870 frei, ihre Mitglieder im Rahmen der Sat-
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1953 H 8, 1 (2), der die Kampfverabredung wegen § 2 KoalG 1870 als nicht einklagbare Naturalobligation qualifiziert. Art 11 Abs 1 MRK lautet: „Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten“. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 35; für die Derogation von § 2 KoalG durch Art 11 MRK auch Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 913. Ausführlich dazu s Seite 143 ff. EKMR 13.5.1985, 10550/83, Cheall/Vereinigtes Königreich, DR 42, 178 (193); EKMR 7.5.1990, 13537/88, Johansson/Schweden, DR 65, 202. Frowein in Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2 (1996) Art 11 Rz 10. Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention – Handkommentar2 (2006) Art 11 Rz 16. Dazu ausführlich Seite 145 f. EKMR 14.7.1981, 9234/81, X. Association/Deutschland, DR 26, 270; EKMR 11.5.1981, 7990/77, X./Vereinigtes Königreich, DR 24, 57: „It [Art 11 MRK] only requires that trade unions should be able to pursue their tasks including in particular the protection of the interests of their members without interference by State authorities, but it does not require that these authorities actively support a union or an individual union member in a particular case“.
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zung zur Kampfteilnahme zu verpflichten.150 Ausgeschlossen durch § 2 KoalG 1870 ist lediglich die Möglichkeit für die Koalition, die Befolgung einer derartigen Satzungsbestimmung rechtlich zu erzwingen. Den Staat trifft – wie oben ausgeführt – aber durch Art 11 Abs 1 MRK keine Verpflichtung, positive Maßnahmen zu ergreifen, um einer Koalition die Mittel zur Interessendurchsetzung bereitzustellen. Umgelegt auf die Argumentation von Strasser/Jabornegg bedeutet dies, dass die MRK mE von den Konventionsstaaten nicht verlangt, die Einklagbarkeit einer im Interesse der Koalition liegenden Satzungsbestimmung zur verpflichtenden Kampfteilnahme zu gewährleisten. Damit ist aber der Annahme einer Derogation des § 2 KoalG 1870 durch Art 11 Abs 1 MRK die Grundlage entzogen. Ohnehin wäre für eine Koalition wenig gewonnen, wäre die rechtliche Durchsetzbarkeit einer satzungsmäßigen Verpflichtung zur Kampfteilnahme gegeben. Koalitionen beruhen auf freiwilliger Mitgliedschaft. Folglich ist die Koalition vor allem auf die Solidarität und Unterstützung ihrer Mitglieder angewiesen. Eine Koalition, die gegen ihre Mitglieder in derart gewichtigen Angelegenheiten, wie der Teilnahme an einem Arbeitskampf, vor Gericht zieht, stellt damit ihre Akzeptanz bei den Mitgliedern in Frage. Zur Entkräftung der Befürchtung, § 2 KoalG 1870 schaffe „zahnlose“ Gewerkschaften, ist schließlich darauf hinzuweisen, dass die Wirkung eines Arbeitskampfes auf Solidarität und nicht auf juristischer Bindung basiert.151 Strasser/Jabornegg versuchen zusätzlich ihre These von der Derogation des § 2 KoalG 1870 durch die Berufung auf P 3 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918152 zu stützen. Nach P 3 dieses Beschlusses sind die Ausnahmsverfügungen betreffs des Vereins- und Versammlungsrechts aufgehoben. Der zweite Satz dieser Bestimmung deklariert die volle Vereins- und Versammlungsfreiheit ohne Unterschied des Geschlechts als hergestellt. Zur Untermauerung ihrer Auffassung berufen sich Strasser/Jabornegg auf die zum zweiten Satz dieser Bestimmung ergangene Judikatur des VfGH und kommen zum Ergebnis, dass eine gesetzliche Bestimmung, die einer den Arbeitskampf betreffenden Satzungsbestimmung einer als Verein organisierten Gewerkschaft die rechtliche Verbindlichkeit gegenüber den Mitgliedern versage, eine Beeinträchtigung der durch diesen Beschluss gewährten vollen Vereinsfreiheit darstelle.153 Mit der inhaltlichen 150
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Wäre diese Möglichkeit durch § 2 KoalG 1870 beschränkt, so läge sehr wohl ein Eingriff in das Recht der Koalition zur autonomen Satzungsgestaltung vor; ebenso Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 249. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 774: „Die Erzwingung der Teilnahme am Arbeitskampf im Rechtsweg ist ein Unding; ohne Solidarität sind Kampfmaßnahmen nicht möglich“. StGBl 1918/3; dieser Beschluss gilt gem Art 149 Abs 1 B-VG als Bundesverfassungsgesetz. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 35 FN 127 aE; ebenso wie Strasser/Jabornegg gehen von einer Derogation des § 2 KoalG 1870 durch P 3 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung aus: Ermacora, Die Grundrechte der Interessenverbände in nationaler und internationaler Sicht, in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte
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Reichweite des P 3 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung hat sich der VfGH in mehreren Erkenntnissen auseinandergesetzt. In seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 1923154 misst der Gerichtshof dem zweiten Satz nur insofern Bedeutung zu, als mit diesem zweiten Satz all jene gesetzlichen Bestimmungen aufgehoben werden sollen, die der grundsätzlichen Vereinsund Versammlungsfreiheit entgegenstehen. Dieses Verständnis bestätigt der VfGH in seinem Erkenntnis vom 20. März 1925155 und präzisiert in dieser Entscheidung zugleich seine Rechtsansicht: „Durch Punkt 3 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, St.G.Bl. Nr. 3, sind nicht alle das Vereins- und Versammlungsrecht regelnden G aufgehoben worden. Vielmehr sind deren Bestimmungen nur insoweit modifiziert, als alle Vorschriften, die mit dem Prinzip der Vereins- und Versammlungsfreiheit in Widerspruch stehen und eine Differenzierung der Geschlechter in bezug auf das Vereins- und Versammlungsrecht bezwecken, aufgehoben worden“. Ergänzend führt der VfGH aus, worin das Prinzip der Vereinsfreiheit bestehe: „Unter dem Prinzip der Vereinsfreiheit ist zu verstehen, daß die Bildung von Vereinen nicht an die in das Ermessen der Behörde gestellte staatliche Erlaubnis gebunden wird“. An diese aus der Zeit der Ersten Republik stammende Rechtsprechung fühlt sich der VfGH auch in der Zweiten Republik gebunden.156 Marhold weist angesichts des höchstgerichtlich konkretisierten Bedeutungsgehaltes des P 3 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung mE zu Recht darauf hin, dass eine Derogation des § 2 KoalG 1870 durch die Herstellung der vollen Vereins- und Versammlungsfreiheit nicht eingetreten sein könne. § 2 KoalG 1870 verbietet nämlich nicht die Versammlung zum Streik oder zur Aussperrung, beeinträchtigt also damit nicht die grundsätzliche Vereins- und Versammlungsfreiheit, sondern verweigert einer Kampfvereinbarung lediglich die rechtliche Anerkennung.157
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im Arbeitsleben (1963) 49 (55); ders, Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte (1963) 291; Lenhoff, Die Koalition als Grundlage des Arbeitsrechtes (1930) 36. VfGH 5.12.1923, B 39/23, VfSlg 254; ebenso VfGH 9.5.1927, B 467/26, B 6/27, VfSlg 774 und VfGH 19.10.1928, B 18/28, VfSlg 1082. VfGH 20.3.1925, B 4/25, VfSlg 405. VfGH 16.12.1964, V 25/64, VfSlg 4885; im Anschluss an die vom Gerichtshof referierten Grundzüge der bislang zu P 3 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung ergangenen Judikatur, spricht der VfGH klar aus: „Der Verfassungsgerichtshof hält nach reiflicher Erwägung aller Gründe an dieser Rechtsprechung fest“. Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 16; Marhold folgend Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 49. Skeptisch gegenüber einer Derogation von § 2 KoalG 1870 durch P 3 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung vom 30.10.1918 auch Moser, Die Europäische Menschenrechtskonvention und das bürgerliche Recht. Zum Problem der Drittwirkung von Grundrechten (1972) 243 FN 922, mit dem Argument, dass es der Zweck des vorhin zitierten Beschlusses gewesen sei, die durch die Kriegsereignisse geschaffenen Beschränkungen aufzuheben.
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Auch die durch das 1. BRBG158 geschaffene Situation spricht für die aufrechte Geltung des § 2 KoalG 1870. Die Generalklausel des § 1 1. BRBG normiert, dass alle „auf der Stufe von einfachen Gesetzen oder Verordnungen stehenden Rechtsvorschriften des Bundes, die vor dem 1. Jänner 1946 kundgemacht wurden und noch als Bundesrecht in Geltung stehen, (…) sofern sie nicht im Anhang zu diesem Bundesgesetz angeführt sind, mit Ablauf des 31. Dezember 1999 außer Kraft“ treten. Ausgenommen von dieser umfassenden Bereinigungswirkung sind gem § 4 Abs 1 1. BRBG jene Rechtsvorschriften, die im Anhang zu diesem BG angeführt sind. Diese Rechtsvorschriften bleiben in ihrer am 31. Dezember 1999 geltenden Fassung weiter aufrecht. Ua wurde durch das 1. BRBG die Streikverordnung 1914 aufgehoben, auf deren Grundlage der Streik im Bereich des öffentlichen Dienstes unter Strafe gestellt und die Streikteilnahme mit sofortiger Entlassung sanktioniert wurde.159 Vor dem 1. BRBG war die Frage der Geltung der Streikverordnung 1914 ähnlich umstritten wie bei § 2 KoalG 1870. Kaltenbrunner sah die Streikverordnung 1914 wegen der während der deutschen Okkupation erlassenen Arbeitskampfund Koalitionsverbote160 als materiell derogiert an.161 Zu demselben Ergebnis gelangte Davy mit dem Argument, die Streikverordnung 1914 sei im Jahre 1920 wegen der Verletzung des Art 12 StGG verfassungswidrig gewesen und sei daher schon 1920 infolge des Verstoßes gegen das in diesem Jahr in Kraft getretene B-VG wegen § 1 Übergangsgesetz 1920162 nicht in die republikanische Rechtsordnung übergeleitet worden.163 Die Gegenposition zur Derogationsthese vertraten Walter,164 Fleisch,165 Seiler166 und Nowakowski167. Alle ge-
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BGBl I 1999/191; allgemein zum 1. BRBG: Riener-Hofer, Das Erste Bundesrechtsbereinigungsgesetz – 1. BRBG, JAP 1999/2000, 185 ff. Zur Aufhebung der Streikverordnung 1914 vgl auch Marhold, Streikverordnung aufgehoben, ASoK 2000, 170. Konkret handelt es sich dabei um Art III der Verordnung über die Einführung reichsrechtlicher Vorschriften auf dem Gebiete des Beamtenrechtes im Lande Österreich vom 28.9.1938, dRGBl I 1938, 1225. Kaltenbrunner, Dürfen öffentlich-rechtliche Angestellte streiken? ÖJZ 1962, 589; ebenso Maultaschl, Darf der Beamte streiken? DRdA 1955 H 17, 6 ff. „Verfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920, betreffend den Übergang zur bundesstaatlichen Ordnung“, StGBl 1920/451; § 1 Übergangsgesetz 1920 bestimmt: „Alle Gesetze und Vollzugsanweisungen (Verordnungen) des Staates – einschließlich der Reichsgesetze des ehemaligen Staates Österreich, die gemäß § 16 des Beschlusses über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt vom 30. Oktober 1918, St.G.Bl. Nr. 1, für die Republik in Geltung gesetzt wurden – sowie alle Gesetze und Vollzugsanweisungen (Verordnungen) der Länder gelten weiter, insoweit sie nicht mit den Bestimmungen des Gesetzes vom 1. Oktober 1920, St.G.Bl. 450, womit die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wird (Bundes-Verfassungsgesetz) in Widerspruch stehen“. Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 181 f. Walter, Gilt die Streikverordnung 1914? ZAS 1966, 65 (72). Fleisch, Zur Frage der Geltung der Kaiserlichen Verordnung vom 25. Juli 1914 („Streikverordnung“), ÖJZ 1962, 591 (593).
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nannten Autoren gingen von der aufrechten Geltung der Streikverordnung 1914 aus.168 Angesichts des 1. BRBG kommt dieser Kontroverse aber nur mehr historische Bedeutung zu. Da die Streikverordnung 1914 nicht im Anhang zum 1. BRBG angeführt ist, ist diese Norm gem § 1 1. BRBG außer Kraft getreten. Gänzlich gegenteilig stellt sich die Situation beim KoalG 1870 dar, da dieses im Anhang zum 1. BRBG ausdrücklich genannt wird. Ebenso wie bei der Streikverordnung 1914 ist darin mE eine eindeutige gesetzgeberische Klarstellung zu sehen, da nicht angenommen werden kann, dass dem Gesetzgeber die kontroverse Diskussion um Derogation oder aufrechter Geltung des KoalG 1870 entgangen ist. Das KoalG 1870 ist daher in seiner Gesamtheit nach wie vor Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung.169
1.3. Internationale Übereinkommen Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966170 enthält in Art 8 eine umfassende Aussage zur Koalitionsfreiheit und verpflichtet in seinem Abs 1 lit d die Vertragsstaaten „das Streikrecht, soweit es in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung ausgeübt wird“, zu gewährleisten. Auf europäischer Ebene bestimmt Art 6 Z 4 der Europäischen Sozialcharta vom 18. Oktober 1961,171 dass die Vertragsstaaten zur Gewährleistung der wirksamen Ausübung des Rechts auf Kollektivverhandlungen „das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Falle von Interessenkonflikten, vorbehaltlich etwaiger Verpflichtungen aus geltenden Gesamtarbeitsverträgen“ anerkennen. Wegen eines zu dieser Bestimmung von Seiten Österreichs erklärten Vorbehaltes gehört diese Verbürgung allerdings nicht der österreichischen Rechtsordnung an. Im Rahmen der Europäischen 166
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Seiler, Der strafrechtliche Anwendungsbereich der Streikverordnung 1914, in Seiler/Rittler/Platzgummer, Die strafrechtlichen Grenzen des Streiks im öffentlichen Dienst (1967) 5 ff. Nowakowski, Der Streik öffentlich Bediensteter in strafrechtlicher Sicht, DRdA 1967, 75 (80 ff), der die inhaltliche Anwendbarkeit der Streikverordnung 1914 allerdings nur auf Kriegszeiten beschränkt sah. Jüngst auch noch Auer, Streik und Strafrecht (1999) 100. Ebenso Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 357 FN 45; Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 249; ders, DRdA 2004, 504; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 47; Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 49; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 15 f; Tomandl/Marhold, Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers in Österreich, in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 653 (660); Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 101. AA Dirschmied, Das Koalitionsrecht in Gesetzgebung und Lehre – Eine Kurzdokumentation, DRdA 1970, 143 (149); Martinek/Schwarz, Das Koalitionsrecht, DRdA 1963, 269 (279). BGBl 1978/590. BGBl 1969/460.
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Union sind zwei Deklarationen zu nennen, die Bezüge zum Arbeitskampf aufweisen. Die unverbindliche,172 als politische Absichtserklärung173 formulierte Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom 9. Dezember 1989174 macht in ihrem P 13 klar, dass das Recht, bei Interessenkonflikten Kollektivmaßnahmen zu ergreifen, vorbehaltlich der Verpflichtung aufgrund der einzelstaatlichen Regelungen und der Tarifverträge, auch das Streikrecht einschließt. Art 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000175 proklamiert das Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen und gibt den AN sowie den AG und ihren jeweiligen Organisationen nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen, einschließlich Streiks, zu ergreifen. Art 51 Abs 1 beschränkt den Anwendungsbereich der Charta prinzipiell auf die Organe und Einrichtungen der Union. Die einzelnen Mitgliedsstaaten erfasst die Charta ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Zudem stellt Art 51 Abs 2 ausdrücklich klar, dass die Charta weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben und Zuständigkeiten für die Gemeinschaft und die Union begründet. Ebenso wenig bedeutet die Charta eine Änderung der in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben. Die Charta ist derzeit rechtlich nicht verbindlich.176 Künftig 172
173
174 175 176
Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht (2006) § 4 Rz 52; Dorfmann, Der Schutz der sozialen Grundrechte (2006) 66; Krimphove¸ Europäisches Arbeitsrecht2 (2001) Rz 593; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 59. Vgl Novitz, International and European Protection of the Right to Strike (2003) 158; Machacek, Über das Wesen der wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte, in Matscher (Hrsg), Die Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte. Eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme (1991) 21 (60). KOM(89) 248 endg. ABl 2000 Nr C 364/01. Egger, Das Arbeits- und Sozialrecht der EU und die österreichische Rechtsordnung2 (2005) 158; Konzen, Fünfzig Jahre richterliches Arbeitskampfrecht – Grundlagen, Bilanz, Weiterentwicklung –, in Oetker/Preis/Rieble (Hrsg), Festschrift 50 Jahre Bundesarbeitsgericht (2004) 515 (531); Rebhahn, DRdA 2004, 406; Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 20 Rz 3; aA Zachert, ArbuR 2001, 404, der der Charta bereits „im rechtlichen Status nascendi“ über den Charakter als unverbindlicher Erklärung hinaus insofern Ausstrahlungswirkung zuspricht, als neben dem EuGH auch die nationalen Gerichte sich iS gemeinschaftskonformer Auslegung an der Charta orientieren werden; ebenso ders, Die Arbeitnehmergrundrechte in einer Europäischen Grundrechtscharta, NZA 2001, 1041 (1046). Allerdings zeigt das Urteil des EuGH vom 27.6.2006, C-540/03, Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Union, JZ 2007, 39 (Bouchouaf/Britz/ Richter) = NJW 2006, 3266 (mit Besprechungsaufsatz von Thym) = EuGRZ 2006, 417 = ZESAR 2006, 371 = EuZW 2006, 566 (Fremuth) = EuroAS 2006, 106 = migralex 2007, 30 (Huber St.), einen interessanten Ansatz, indem der EuGH der Grundrechte-Charta insofern bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine gewisse (rechtlich relevante) Vorwirkung zuerkennt, als deren Erwähnung in Sekundärrechtsakten für eine Art Selbstbindung des Gemeinschaftsgesetzgebers an die Grundrechte-Charta spreche.
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wird der durch den Vertrag von Lissabon neu gefasste Art 6 EU die Rechte, Freiheiten und Grundsätze der Europäischen Grundrechte-Charta anerkennen, sodass es sich dabei um eine echte Rechtsgeltungsquelle in Bezug auf die Charta handeln wird.177 Ergänzend ist auf Art 137 Abs 5 EG hinzuweisen, der neben dem Arbeitsentgelt und dem Koalitionsrecht auch das Streik- und Aussperrungsrecht von der Regelungskompetenz des Rates der Europäischen Union ausschließt.
1.4. Der Schluss aus der vorgefundenen Rechtslage Der vorgefundene Normenbestand lässt daher folgende Schlussfolgerung zu: Der Arbeitskampf ist der Rechtsordnung zwar kein unbekanntes Phänomen, die Rechtsordnung beschränkt sich aber darauf, nur Nebenaspekte und Randprobleme kollektiver Auseinandersetzungen zu regeln und verzichtet also darauf, den Arbeitskampf als Sonderphänomen besonders rechtlich zu erfassen.178 Vor allem gibt es keine speziellen Normen, die ausdrücklich zur arbeitsvertraglichen Relevanz von Arbeitskämpfen Stellung nehmen.179 Vor allem lassen sich aus den von Österreich auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit ratifizierten internationalen Übereinkommen keine Regelungen entnehmen, die die Rechtslage unmittelbar beeinflussen würden. Dies zum einen, weil es sich bei diesen internationalen Abkommen teilweise nur um rechtlich unverbindliche Deklarationen handelt. Zum anderen hat Österreich zu den arbeitskampfbezogenen Bestimmungen Vorbehalte erklärt und damit die unmittelbare innerstaatliche Anwendbarkeit ausgeschlossen. Insgesamt fehlt es damit auf einfachgesetzlicher Ebene an einem Arbeitskampfrecht im objektiven Sinn. Die österreichische Rechtsordnung besitzt somit „kein geschlossenes System von Normen, die sich in einer aufeinander abgestimmten Weise mit dem Phänomen des Arbeitskampfes befassen“.180 Diese Tatsache kritisiert bereits Pollak. Die Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Regelung zentraler Fragen des Arbeitskampfes begründe einen Widerspruch zur sozialen Bedeutung kollek177 178 179
180
Weber, Vom Verfassungsvertrag zum Vertrag von Lissabon, EuZW 2008, 7 (8). Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 102. Die zur deutschen Rechtslage von Krejci, Aussperrung (1980) 111, getroffene Aussage kann uneingeschränkt auch auf die österreichische Situation übertragen werden. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 180, 191 f; ebenso Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 7; Dollinger/Leutner, Verfahren und Institutionen der Kollektivverhandlungen auf der Ebene des Unternehmens und des Betriebes, in Floretta (Hrsg), Österreichische Landesberichte zum XI. Internationalen Kongreß für das Recht der Arbeit und der Sozialen Sicherheit in Caracas (1985) 5 (22); Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 178; Strasser/ Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 11. OGH 19.12.2005, 8 ObA 23/05y, SZ 2005/187 = Arb 12.585 = DRdA 2007/9, 107 (Jabornegg) = ZAS-Judikatur 2006/27, 72 = ZAS 2006/27, 183 (krit Tomandl) = ÖJZ-LSK 2006/72 = EvBl 2006/64, 368 = wbl 2006/127 = RdW 2006/231, 237 (mit Besprechungsaufsatz von Drs) = ecolex 2006/140, 307 = infas 2006 A 32 = ARD 5655/6/2006.
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tiver Konflikte.181 Mayer-Maly wiederum sieht im Arbeitskampfrecht einen Bereich mit „verdünnter Regelungsdichte“.182 Angesichts dieser Tatsache stellt sich die Frage, ob die Bezeichnung „Arbeitskampfrecht“ überhaupt zutreffend ist. Strasser/Jabornegg halten es in Anerkennung der besonderen rechtswissenschaftlichen Bedeutung dieses Problembereiches jedoch dennoch für gerechtfertigt, von einem Arbeitskampfrecht zu sprechen.183
1.5. Warum ist das Arbeitskampfrecht nicht gesetzlich ausgeformt? 1.5.1.
Gründe
Einer der möglichen Gründe für das Fehlen eines geschlossenen Systems arbeitskampfrechtlicher Regelungen ergibt sich bereits bei einem Blick auf die Arbeitskampfstatistik. So waren im Beobachtungszeitraum 2000 bis 2006 insgesamt weniger als 10 Arbeitskämpfe zu verzeichnen.184 Im Vergleich dazu weist die Statistik für ein bekannt streikfreudiges Land wie Italien für denselben Zeitraum eine Zahl von 4986 (!) Arbeitskämpfen185 aus. Auch für die vor 2000 liegenden Zeiträume186 fällt der Befund nicht weitgehend anders aus: Österreich ist, was die Häufigkeit von Arbeitskämpfen anbelangt, „als eine Oase des sozialen Friedens zu bezeichnen“.187 Anknüpfend daran stellt sich die Frage, inwieweit die empirisch belegte geringe Arbeitskampfhäufigkeit das Fehlen gesetzlicher Festlegungen reflektiert. Sieht man in der Schaffung rechtlicher Regelungen vor allem eine Reaktion der Gesellschaft auf in ihr ablaufende Prozesse,188 so folgt bereits aus der geringen Häufigkeit sozialer Konflikte die Erklärung für das weit reichende Schweigen des Gesetzgebers.189 Allerdings 181 182
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Pollak, ZBl 1928, 760. Mayer-Maly in FS Cerny 430; ebenso sprechen Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 672, davon, dass sich der Arbeitskampf in einer Sphäre „verdünnten Rechts“ bewege, in der rechtliche Gesichtspunkte wenig Beachtung fänden. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 179. Angabe nach www.laborsta.ilo.org (20.2.2008). Angabe nach www.laborsta.ilo.org (20.2.2008). S dazu die Österreichische Streikstatistik für die Jahre 1945 bis 2002 in ArbW 2003 H 78, 22. Floretta/Strasser, Die Rechte der Gewerkschaften und der Gewerkschaftsvertreter im Unternehmen, in Floretta (Hrsg), Österreichische Landesberichte zum VIII. Internationalen Kongreß für das Recht der Arbeit und der Sozialen Sicherheit in Turin (1974) 5 (12). Tomandl, Die Tarifautonomie im österreichischen Recht, RdA 1995, 76 (78), spricht davon, dass der Arbeitskampf für das gegenwärtige Österreich ein „überwundenes Relikt“ sei. Vgl etwa Becker, Die alternde Gesellschaft – Recht im Wandel, JZ 2004, 929 (930): „Denn Recht hat den Anspruch, gesellschaftliche Entwicklungen normativ zu steuern und der Gesellschaft Stabilität zu vermitteln“. So auch der Befund des SchwBG in seinem Entscheid vom 18.6.1985, BGE 111 II 245 (251).
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stellt sich für das Recht ganz allgemein die Aufgabe, das menschliche Zusammenleben zu ordnen, zu steuern und zu gestalten.190 Mangelnde praktische Relevanz ist mE dabei von vornherein noch kein Argument für das System des Rechts, sich seiner Gestaltungs- und Ordnungsaufgabe zu entziehen.191 Mayer-Maly sieht das Recht eines Staates, der sich seiner Ordnungsaufgabe bewusst ist, sogar als verpflichtet an, eine klare Aussage zu treffen, ob und wenn ja innerhalb welcher Grenzen Arbeitskämpfe zulässig sind.192 Auch ist der Arbeitskampf prinzipiell einer rechtlichen Regelung zugänglich, da der „Arbeitskampf (...) in der gesellschaftlichen Wertung der Gegenwart ja nicht mehr als völlige Ausschaltung rechtlicher Grundsätze“ gilt, „sondern als eine in bestimmte Grenzen gewiesene kollektive Auseinandersetzung, die auf neue kollektive Rechtsgestaltung angelegt ist“.193 Obwohl damit die strukturellen Voraussetzungen für gesetzliche Klarstellungen an und für sich gegeben sind, muss es andere Gründe geben, warum sich die Rechtsordnung im Bereich kollektiver Konflikte grundsätzlicher Aussagen194 enthält. Krejci ortet den dafür maßgeblichen Grund im Desinteresse der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände an einer gesetzlichen Ausgestaltung der kampfweisen Interessenaustragung. Krejci zufolge stünden die maßgeblichen kollektiven Mächte im Arbeitsleben nach wie vor auf dem Standpunkt, dass bei gehöriger Durchsetzungsmacht Rechtspositionen von untergeordneter Bedeutung seien; es sei damit uninteressant, ob und wie ein Arbeitskampfrecht gestaltet sei.195 Dieser Erklärungsversuch weist gleichzeitig auf ein anderes, für die österreichische Arbeits- und Wirtschaftsverfassung besonders charakteristisches Strukturmerkmal hin: Angesprochen ist damit die große Bedeutung der Sozialpartnerschaft,196 die sich im vorliegenden Zusammenhang zugleich als Hauptgrund 190 191
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196
Rüthers, Rechtstheorie3 (2007) Rz 76 ff. Auch Winkler, Die Bedeutung der Verfassung für die Entwicklung des Arbeitsrechtes, ZAS 1984, 123 (127), vermag keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der geringen Arbeitskampfhäufigkeit und dem Schweigen der Rechtsordnung, insbesondere der Verfassung, auszumachen. Mayer-Maly, Arbeitsrechtskodifikation festgefahren? JBl 1963, 501 (502). Mayer-Maly, Das kollektive Arbeitsrecht im österreichischen Kodifikationsentwurf, RdA 1963, 161 (163). Insbesondere zum Verhältnis Arbeitskampf und Arbeitsvertrag. Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 34; ebenso Mayer-Maly, Die Kriterien der Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen, in Annuß/Picker/Wißmann (Hrsg), Festschrift für Reinhard Richardi (2007) 691 (692). Von Spielbüchler, Arbeitsrechtliche und wirtschaftsrechtliche Aspekte der österreichischen Sozialpartnerschaft, RdA 1991, 157 f, plakativ als „höchst merkwürdige Erscheinung“ und als „gesellschaftliches Phänomen“ bezeichnet. Zur Sozialpartnerschaft aus rechtlicher Sicht grundlegend: Korinek, Wirtschaftliche Selbstverwaltung (1970) 161 ff. Zum Themenfeld der Integration der Sozialpartnerschaft in die Verfassungsordnung s Schambeck, Konflikt und Konsens – das Spannungsverhältnis zwischen Bundesverfassung und Partnerschaft, WiPolBl 1976 H 4, 79 ff und ders, Interessenvertretung und Sozialpartnerschaft, WiPolBl 1970, 25 (27 f). Zur ideengeschichtlichen Grundlage der Sozialpartnerschaft: Klose, Die Idee der Sozialpartnerschaft, WiPolBl 1970, 23 ff.
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für das Fehlen eines geschlossenen Arbeitskampfrechts erweist. Der Grundgedanke der Sozialpartnerschaft, verstanden als „Kooperation und Interessenabstimmung zwischen Interessenorganisationen sowie zwischen diesen und der Regierung/staatlichen Bürokratie auf Basis eines Netzwerkes von Interaktionen und eines partikulare Interessen übergreifenden Konsenses über gesamtwirtschaftliche Optionen“,197 basiert auf der Verkörperung der beiden Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit durch möglichst gleich starke, zentralistisch geführte und eventuell mit Monopolstellung ausgestattete Großverbände,198 die in Wechselbeziehungen zu den staatlichen Institutionen treten.199 Durch ihre Zusammenarbeit reklamieren die Verbände des Arbeits- und Wirtschaftslebens gleichzeitig auch Entscheidungs- und Gestaltungskompetenz200 in den für die entstandene Partnerschaft hauptsächlich bedeutsamen Politikfeldern der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik.201 Das Modell der Sozialpartnerschaft bezweckt dabei nicht, die zwischen den gesellschaftlichen Gruppen bestehenden Interessengegensätze zu beseitigen. Das sozialpartnerschaftliche Zusammenwirken ist vielmehr bestrebt, die durch die vorhandenen Interessengegensätze ständig hervorgerufenen Konflikte in friedliche und zivile Bahnen zu lenken.202 „Das System der Sozialpartnerschaft funktioniert als ‚Konkordanzmechanismus gleichberechtigter Partner’ – es kennt keine durch Abstimmung gebildeten Mehrheitsentscheidungen, sondern nur das Bemühen,
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Tálos/Leichsenring/Zeiner, Verbände und politischer Entscheidungsprozeß – am Beispiel der Sozial- und Umweltpolitik, in Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Kontinuität und Wandel eines Modells (1993) 147 (150); s dazu auch Pernthaler, Allgemeine Staatslehre und Verfassungslehre2 (1996) 99, der die Sozial-(Wirtschafts-) partnerschaft als zumeist institutionell verfestigte Zusammenarbeit zwischen Interessenverbänden und staatlichen Stellen zur kooperativen Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen versteht; ähnlich Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 198, der in der Sozialpartnerschaft eine auf einen Gleichgewichtsgedanken beruhende, kooperative Politik sieht. Marin, Die Paritätische Kommission. Aufgeklärter Technokorporatismus in Österreich (1982) 47 ff; Pelinka, Modellfall Österreich? Möglichkeiten und Grenzen der Sozialpartnerschaft (1981) 5. Vgl dazu nur für den Bereich der Gesetzgebung Tálos/Stromberger in Karlhofer/Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Österreichische und Europäische Perspektiven (2005) 81; vgl weiters Korinek, Die Realisierung der Sozialpartnerschaft in der österreichischen Rechtsordnung, in Ress (Hrsg), Rechtsfragen der Sozialpartnerschaft (1987) 79 f und dens, Die Realisierung der Idee der Sozialpartnerschaft in der österreichischen Rechtsordnung, WiPolBl 1976 H 4, 66 (68). Beispielsweise was die Lohnfindung anbelangt. Tálos/Leichsenring/Zeiner in Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Kontinuität und Wandel eines Modells (1993) 148 ff; Korinek, Idee und Entwicklung der Sozialpartnerschaft in Österreich, in Ress (Hrsg), Rechtsfragen der Sozialpartnerschaft (1987) 9 (18 f); ders, Das System der österreichischen Sozialpartnerschaft – Skizze der Bedingungen, der Prinzipien und der Grenzen des Systems, in Schöpfer (Hrsg), Phänomen Sozialpartnerschaft. Festschrift für Hermann Ibler (1980) 9 (16 f). Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 83.
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im Kompromißweg gemeinsame Interessen zu finden“.203 Diese gemeinsamen Interessen, die die Grundlage der Sozialpartnerschaft bilden, bestehen in der Ermöglichung von Wirtschaftswachstum, in der Schaffung von Stabilität in der Eigentums- und Einkommensverteilung sowie in der Sicherung von Arbeitsplätzen.204 Ergänzt wird diese gemeinsame Interessenlage durch das sozialpartnerschaftliche Bestreben, den sozialen Frieden zu erhalten, indem allfällige Konflikte allein über den Weg des „bargaining“ ausgetragen werden.205 Diese den Ausgleich206 und den Kompromiss suchende und bejahende Haltung der österreichischen Gesellschaft insgesamt und der Verbände des Arbeitslebens207 im Speziellen, die ihren Ausdruck im Modell der Sozialpartnerschaft findet, haben es der österreichischen Rechtsordnung erlaubt, auf die Ausbildung eines Arbeitskampfrechts im objektiven Sinn zu verzichten.208 Beachtung verdient im vorliegenden Zusammenhang auch der von Krejci ins Treffen geführte Gesichtspunkt, wonach die kollektiven Mächte des Arbeitslebens an einer Verrechtlichung des Arbeitskampfes wenig interessiert seien.209 Ramm weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Verbände des Arbeitslebens ganz allgemein deswegen eine Verrechtlichung der Arbeitsbeziehungen ablehnen, weil diese nicht in einem vom Staat vorherbestimmten und von ihm veränderbaren und somit auch einschränkbaren Raum tätig werden wollen, eine Verrechtlichung den Verbänden somit Handlungsspielräume nehmen würde. Vielmehr würden sich die kollektiven Mächte des Arbeitslebens von ihrem gesellschaftlich eingeräumten Freiheitsraum die Veränderung des Status quo zu ihren Gunsten erhoffen.210 Anknüpfend daran sieht Pelinka das Verhalten von Verbänden grundsätzlich auf die Beeinflussung derjenigen
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Korinek, Sozialpartnerschaft an der Wende, in Strasser (Hrsg), Sozialpartnerschaft und Mitarbeiterbeteiligung (1995) 1 (3); ähnlich auch Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht I Grundlagen (1997) Rz 10.027. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 83. Tálos, Vom Vorzeige zum Auslaufmodell? Österreichs Sozialpartnerschaft 1945 bis 2005, in Karlhofer/Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Österreichische und Europäische Perspektiven (2005) 185 (187). Pelinka, Modellfall Österreich? Möglichkeiten und Grenzen der Sozialpartnerschaft (1981) 65; Klose, Ein Weg zur Sozialpartnerschaft (1970) 85 f. Darauf weist in Bezug auf die Interessenverbände besonders Schambeck, WiPolBl 1970, 26 f, hin. Speziell der ÖGB zählt zu der Kategorie konsensorientierter Gewerkschaften, so Pelinka, Gewerkschaften im Parteienstaat. Ein Vergleich zwischen dem Deutschen und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (1980) 138. Klein G., Regelungsmodalitäten von Tarifkonflikten, in Floretta (Hrsg), Österreichische Landesberichte zum XIII. Internationalen Kongreß der Arbeit und der Sozialen Sicherheit in Athen (1991) 55 (67); ebenso Winkler, ZAS 1984, 127. Vgl dazu auch Traxler, Österreich, in Bispinck/Lecher (Hrsg), Tarifpolitik und Tarifsysteme in Europa. Ein Handbuch über 14 Länder und europäische Kollektivverhandlungen (1993) 283 (295), der den geringen Verrechtlichungsgrad im Bereich des sozialen Konflikts nicht nur als Ergebnis, sondern auch als Bedingung der Sozialpartnerschaft versteht. S dazu Seite 34. Ramm, Probleme der Arbeitsverfassung, ZfA 1978, 361 (380).
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Organe gerichtet, die für den Gesamtbereich oder für einzelne Teilbereiche eines politischen Systems die Befugnis besitzen, verbindliche Entscheidungen zu treffen. Ziel dieser Beeinflussung staatlicher Organe sei immer entweder die Durchsetzung oder die Verhinderung bestimmter Entscheidungen. Gehe es darum, mittels Druckausübung ein Unterlassen seitens staatlicher Institutionen zu erreichen, so könne vermutet werden, dass das hinter dem Druck wirksam werdende Interesse von bestehenden gesellschaftlichen Zuständen profitiere.211 Lassen sich jetzt aus dieser den kollektiven Mächten immanenten Interessenlage eventuell Rückschlüsse zur Beantwortung der Ausgangsfrage ziehen? Zur Klärung dieser Frage ist mE auch die typische Rollenverteilung beim Arbeitskampf in die Betrachtung einzubeziehen. Zumeist sind es bei Arbeitskämpfen nämlich die Gewerkschaften, die die Position des Angreifers einnehmen, diejenigen also, die die soziale Auseinandersetzung eröffnen.212 Eine detaillierte gesetzliche Normierung, die beispielsweise den konkreten Kampfablauf oder die zulässigen Kampfziele regeln würde, würde vor allem die Gewerkschaft in ihren Handlungs- und Entscheidungsspielräumen beschränken. Dementsprechend spricht sich auch der ÖGB konsequent gegen jede rechtliche Regulierung aus.213 Vielmehr vertritt der ÖGB den Standpunkt, dass „die Entscheidung darüber, welches ‚Instrument der Interessenvertretung’ wann, wie und wie lange eingesetzt wird, alleiniges Recht der Gewerkschaftsbewegung zu sein hat“.214 Dass der ÖGB bzw die kollektiven Mächte des Arbeitslebens insgesamt damit vom Schweigen des Gesetzgebers profitieren, liegt auf der Hand, ermöglicht ihnen dieses Schweigen doch weitgehende, nicht durch 211
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Pelinka, Gewerkschaften im Parteienstaat. Ein Vergleich zwischen dem Deutschen und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (1980) 106 f. Vgl Floretta, Die Differenzierung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit im deutschen Tarifvertragsrecht – Mit Betrachtungen für das österreichische Kollektivvertragsrecht, DRdA 1968, 1 (4). Vgl auch Mayer-Maly, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem deutschen und dem österreichischen Arbeitsrecht, BB 1988, 1677 (1678): „Ein geschlossenes Arbeitskampfrecht fehlt und wird von den Interessenvertretungen beider Seiten auch nicht angestrebt“; vgl weiters Weißenberg, Diskussionsbeitrag zum Referat von Bydlinski, in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 95 (96), der es als Vertreter des ÖGB für nicht sehr entscheidend hielt, „die Frage, ob die streikenden Arbeitnehmer entlassen werden können, rechtlich zu beantworten“. Dessen ungeachtet kann aber das einzelne Gewerkschaftsmitglied, das sich an einem Streik beteiligt, sehr wohl an rechtlichen Klarstellungen interessiert sein. Das mangelnde Interesse der beteiligten Aktuere an (rechtlichen bzw gerichtlichen) Klarstellungen wird bereits von Schneider R., GZ 1925, 49, hervorgestrichen. S dazu weiters Horaczek, Das Streikjahr 2003 (2007) 47 ff. Pellar, Die schärfste Waffe, ArbW 2003 H 7-8, 18 (22). Mit den im Zitat angesprochenen Instrumenten der Interessenvertretung ist die gesamte Palette gewerkschaftlicher Aktionsmöglichkeiten von der Verhandlung über die Demonstration bis hin zum Streik zu verstehen. Vgl idS auch Karlhofer, Verbände: Mitgliederorientierung und strategische Neuausrichtung, in Karlhofer/Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Österreichische und Europäische Perspektiven (2005) 7 (30); Cerny, 9. ÖGB-Bundeskongreß, DRdA 1979, 411 (412).
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gesetzliche Schranken begrenzte Aktionsmöglichkeiten. Daraus ergibt sich noch die Frage, welche Einflussmöglichkeiten die Verbände des Arbeitslebens und dabei insbesondere der ÖGB, wegen seiner spezifischen Rolle als zumeist kampferöffnender Akteur, besitzen, um diese für die Verbände vorteilhafte Situation aufrechtzuerhalten bzw abzusichern. Ausgehend von der Feststellung, dass der ÖGB zum Bestandteil der herrschenden politischen und gesellschaftlichen Ordnung geworden sei, schreibt Pelinka der Gewerkschaft neben ihrer Macht, Verbesserungen für die AN zu erreichen (Veränderungsmacht), auch die Macht zu, ihre Stellung im politischen System zur Erreichung von NichtEntscheidungen einzusetzen. Der ÖGB, als starke in das politische System integrierte und intensiv mit staatlichen Institutionen verflochtene Organisation, sei mehr auf Verhinderungsmacht, also auf Einflussnahme durch NichtEntscheidung, festgelegt.215 Diese Integration in das politische System ergibt sich nicht nur aus der Mitwirkung des ÖGB im Rahmen der Sozialpartnerschaft, sondern auch daraus, dass der ÖGB über seine Funktionäre und Mitglieder an der Ausübung aller drei Staatsfunktionen216 beteiligt ist. Es ist daher mE nahe liegend, dass der ÖGB aufgrund seiner Beteiligung an der Legislative versucht, seine Verhinderungsmacht zur Erhaltung des für den ÖGB vorhin beschriebenen vorteilhaften, weil gesetzlich nicht weiter reglementierten Raums sozialer Konfliktaustragung einzusetzen.217 Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass nicht nur die mangelnde praktische Relevanz allein die Ausformung eines Arbeitskampfrechts im objektiven Sinne verhindert hat, sondern vor allem die spezifische, konsensorientierte Wirkungsweise der Sozialpartnerschaft218 und letztlich auch das fehlende Interesse der kollektiven Mächte des Arbeitslebens an einer gesetzlichen Ausgestaltung dazu ihren Beitrag geleistet haben.
1.5.2.
Empfiehlt sich eine Normierung des Arbeitskampfrechts?
Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob sich die Schaffung eines Arbeitskampfrechts im objektiven Sinne überhaupt empfiehlt. Dies vor dem 215
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Pelinka, Gewerkschaften im Parteienstaat. Ein Vergleich zwischen dem Deutschen und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (1980) 147. Wobei in diesem Zusammenhang vor allem die Mitgliedschaft von ÖGB-Funktionären in gesetzgebenden Körperschaften von Bedeutung ist. Vgl dazu nur Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht I Gestalter und Gestaltungsmittel5 (2004) 30 und Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 85 ff. Vgl dazu Biffl/Isaac, Globalisation and Core Labour Standards: Compliance Problems with ILO Conventions 87 and 98. Comparing Australia and other English-Speaking Countries with EU Member States, IJCLLIR 2005, 405 (429 FN 93); Tomandl, Diskussionsbeitrag, in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1418 (1419). Vgl auch Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 17; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 655.
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Hintergrund, dass zwar der Befund von Floretta/Strasser von Österreich als einer Oase des sozialen Friedens nach wie vor Gültigkeit beanspruchen kann, die Streikstatistik für das Jahr 2003219 doch aber – im Vergleich zu den Vorjahren – eine sichtbare Verlagerung der Art und Weise sozialer Interessenaustragung weg von einer die Orientierung am Konsens und den Ausgleich zwischen den Sozialkontrahenten in den Mittelpunkt stellenden Form der Interessenvertretung hin zu einer Form zeigt, die sich auch nicht scheut, durch organisierte Arbeitsniederlegungen ihre Forderungen zu artikulieren und durchzusetzen.220 Auch Runggaldier sieht den herrschenden sozialen Frieden keineswegs als für ewig während an. Denn in Zeiten einer Rezession seien auch für den ÖGB reale Verbesserungen der sozialen und wirtschaftlichen Lage für die AN nicht mehr ohne weiteres durchsetzbar. Als Folge einer rezessionsbedingten Stagnation der Reallöhne bzw eines rezessionsbedingten Reallohnverlustes ebenso wie durch ein stagnierendes Wirtschaftswachstum und durch die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen könnte sich die Gewerkschaft einen verstärkten Druck ihrer Mitglieder ausgesetzt sehen, Erfolge für die Mitglieder auch durch Umverteilung bzw durch Eingriffe in die Unternehmensführungen zu erzielen. In dieser Situation könnte die Gewerkschaft dann gezwungen sein, entsprechende Forderungen auch zu stellen und zur Durchsetzung dieser Forderungen vermehrt auf das Mittel des Arbeitskampfes zurückzugreifen.221 Folglich artikuliert Runggaldier den Wunsch nach Ergänzung des geltenden Kollektivvertragssystems durch ein Arbeitskampfrecht.222 Strasser/Reischauer 219
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Dazu Tálos in Karlhofer/Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Österreichische und Europäische Perspektiven (2005) 203: 2003 waren über 10 Millionen Streikstunden zu verzeichnen, im Jahr 2002 hingegen nur 74.500 Streikstunden. Während sich 2003 779.182 AN an Streiks beteiligten, waren es 2002 nur 6.300 AN. Für das Jahr 2004 waren hingegen lediglich 1422 Streikstunden bei einer Beteiligung von 30 AN zu verzeichnen, 2005 und 2006 fanden keine Streiks statt: S dazu die vom ÖGB geführte Streikstatistik, abrufbar unter www.oegb.at (20.2.2008). Das wird so auch von Löschnigg, Betriebliches Kampfverbot und betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht, RdW 2005/51, 32 und Jabornegg, Zur Abgrenzung von Betriebsversammlung und Streik, in Kuras/Neumayr/Spenling (Hrsg), Beiträge zum Arbeits- und Sozialrecht. Festschrift für Peter Bauer, Gustav Maier, Karl Heinz Petrag (2004) 3, gesehen. Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 200 f. In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1988 ein von fünf namhaften Vertretern der Lehre formulierter Gesetzentwurf zur Diskussion gestellt: S dazu Birk/Konzen/Löwisch/Raiser/Seiter, Gesetz zur Regelung kollektiver Arbeitskonflikte – Entwurf und Begründung (1988), mitunter auch als „Professoren-Entwurf“ bezeichnet; auch von Heinze, Gesetzliche und vertragliche Arbeitskampfordnung – Flüchtige Gedanken zu einem leider ohnehin nur theoretischen Fragenkreis, in Gamillscheg/Rüthers/Stahlhacke (Hrsg), Sozialpartnerschaft in der Bewährung. Festschrift für Karl Molitor (1988) 159 ff, wurden Vorschläge für eine gesetzliche Arbeitskampfordnung unterbreitet; für Österreich haben Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 78 ff, obwohl eine gesetzliche Regelung an und für sich ablehnend, Eckpunkte für eine künftige Rechtsgestaltung skizziert.
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Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
hingegen lehnen die normative Ausgestaltung des Arbeitskampfes in zivilrechtlicher Hinsicht mangels eines praktischen Regelungsbedürfnisses ab.223 Eine mE zutreffende Mittelposition nimmt Mayer-Maly ein. Zwar richtet Mayer-Maly an den Staat die grundsätzliche Forderung, klar zu sagen, ob der Staat Arbeitskämpfe zulässt und welche Grenzen er ihnen setzt224 und hält damit ein Minimum an gesetzlicher Gestaltung des Arbeitskampfrechts für unerlässlich.225 Auf der anderen Seite äußert Mayer-Maly Vorbehalte gegenüber dem Gesetzgeber, da „dessen neuere Produktionen nicht viel Gutes erwarten lassen“ und empfiehlt daher eine Gestaltung auf der Ebene der Sozialpartner.226 Floretta stellt sogar die Vermutung auf, dass dann, wenn Verfassung und Gesetz schweigen, die jeweiligen Angelegenheiten selbstverantwortlich durch die Sozialpartner geregelt werden sollen.227 Wie eine derartige sozialpartnerschaftlich autonom geschaffene Regelung gestaltet sein könnte, skizziert Heinze, die allerdings wegen der spezifisch auf die deutsche Situation zugeschnittenen Konzeption für Österreich nur beschränkt heranziehbar ist. Erwähnenswert an diesem Entwurf ist mE die Statuierung einer Verhandlungsförderpflicht zwischen den Kollektivvertragsparteien mit den Ziel, das Mittel des Arbeitskampfes durch vorherige Einigung überhaupt überflüssig zu machen (§ 2 des Entwurfes), weiters die Verpflichtung vor der Ergreifung von Kampfmaßnahmen einen Schlichtungsversuch zu unternehmen (§ 3 des Entwurfes) sowie die Pflicht, vor der Kampferöffnung eine Urabstimmung durchzuführen (§ 4 Abs 2 des Entwurfes) und letztlich die Verpflichtung auch während des Arbeitskampfes durch weitere Verhandlungen und Schlichtungsversuche eine Einigung anzustreben (§ 4 Abs 3 des Entwurfes).228 Ob eine derartige Empfehlung auch von den Verbänden des Arbeitslebens angenommen wird, ist allerdings keine rechtliche Frage mehr.
2.
Ergebnis: Das System der natürlichen Kampffreiheit
2.1. Der Begriff Tomandl zufolge sind drei möglichen Positionierungen der Rechtsordnung gegenüber Arbeitskämpfen denkbar. Die Rechtsordnung könne Arbeitskämp223
224 225
226 227 228
Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 79. Mayer-Maly, JBl 1963, 502. Mayer-Maly, Buchbesprechung zu Floretta/Strasser, Kommentar zum Betriebsrätegesetz, DRdA 1973, 200 (202). Ebenso Tomandl, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie in österreichischer Sicht, in Duvernell (Hrsg), Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Probleme der modernen Demokratie (1968) 127 (147). Tomandl fordert den Versuch zu unternehmen, einfachgesetzlich zumindest grobe Abgrenzungen vorzunehmen, um legitime von illegitimen Arbeitskämpfen zu trennen und auch das Schicksal des Arbeitsvertrages im Arbeitskampf festzulegen. Mayer-Maly in FS Cerny 431. Floretta, DRdA 1968, 4 f. Heinze in FS Karl Molitor 175 f.
Die Grundlagen des Arbeitskampfrechts
41
fe ablehnen, insbesondere durch die Statuierung strafrechtlicher Verbote. Die Rechtsordnung könne aber auch Arbeitskämpfe durch Etablierung eines Kampfrechts anerkennen oder aber die Rechtsordnung dulde den Arbeitskampf, indem sie ausgehend von der Erkenntnis, dass der Arbeitskampf ein notwendiges Übel darstelle, lediglich die Strafbarkeit des Arbeitskampfes beseitige.229 Mayer-Maly hingegen hält bei den potentiellen Verhaltensweisen des Rechts gegenüber dem Arbeitskampf im Unterschied zu Tomandl allein die Entscheidung zwischen einer positiven und einer negativen rechtlichen Bewertung des Arbeitskampfes für grundlegend230 und erschließt aus dem KoalG 1870 eine völlig negative Bewertung des Arbeitskampfes durch die Rechtsordnung.231 Ausgehend von diesen prinzipiell möglichen Haltungen der Rechtsordnung zu Arbeitskämpfen bedeutet die oben gewonnene Feststellung, dass ein Arbeitskampfrecht im objektiven Sinn, verstanden als geschlossenes System von Normen, die sich in einer aufeinander abgestimmten Weise mit dem Phänomen des Arbeitskampfes befassen, nicht existiert, zunächst einmal nicht, dass sich die kampfweise ausgetragene soziale Auseinandersetzung in einem gleichsam rechtsfreien Raum abspielen würde. Die österreichische Rechtsordnung insgesamt ignoriert keineswegs das Phänomen des Arbeitskampfes. Denn aus der Analyse des vorgefundenen Normenbestandes zieht Tomandl den Schluss, dass die österreichische Rechtsordnung den Arbeitskampf dulde.232 „Das bedeutet, daß sie ihn – abgesehen von spärlichen Sonderbestimmungen – dem allgemeinen Recht unterwirft. Wie jedes andere nicht durch Sondernormen geregelte menschliche Verhalten ist der Arbeitskampf damit so lange zulässig, als er nicht mit allgemeinen Normen des öffentlichen oder privaten Rechts in Konflikt gerät. Er bewegt sich damit im Rahmen der natürlichen Handlungsfreiheit“.233 Der Arbeitskampf ist ausgehend vom objektiven Recht weder gesetzlich besonders geschützt noch gesetzlich verboten. Damit stellt sich die Teilnahme an einem Arbeitskampf als eine natürliche Handlung dar, die nach den allgemein geltenden rechtlichen Bestimmungen zu beurteilen ist. Die hL234 bezeichnet diese Rechtslage als System der natürlichen Kampf229 230 231 232
233 234
Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 53 f. Mayer-Maly, JBl 1967, 4. Mayer-Maly, Streik und Aussperrung als Rechtsprobleme, ÖJZ 1965, 38. Ebenso das EA Wien 14.11.1953, Re 504/53, Arb 5868 = JBl 1954, 204: „Das Gesetz schützt den Streik nicht, es duldet ihn aber“; weiters sehen den Arbeitskampf durch die Rechtsordnung als geduldet an: Rauch, Verspätungen durch Verkehrsstreiks, Protestversammlungen und Streik, ASoK 2003, 178 (180); Beumer, Individuelles Streikrecht (1990) 25; Haslinger, Gedanken zum Arbeitskampfrecht – Zugleich eine Besprechung des Buches „Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes“, DRdA 1968, 165 (168); vgl auch Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 7: „Die österreichische Rechtsordnung kennt lediglich eine relative Duldung des Arbeitskampfes im Bereich des Strafrechtes“. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 103. Runggaldier in FS Schnorr 268; ders, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 182; weiters Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 454; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 194 f; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 110; Schima, Streikziel Vorstandsrücktritt – Anmerkungen
42
Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
freiheit als Ausfluss der natürlichen Handlungsfreiheit. Der Begriff der natürlichen Handlungsfreiheit wird dabei verstanden als Freiheit alles zu tun, was nicht verboten ist,235 als ein Bereich des Nichtverbotenen.236
2.2. Zur Konsequenz des Systems der natürlichen Kampffreiheit Aus der Tatsache, dass die Rechtsordnung den Arbeitskampf weder besonders begünstigt noch durch eine besondere Vorschrift für rechtswidrig erklärt, folgert Floretta, dass „sich der Arbeitskampf, als Gesamtphänomen und Typ gesehen, wie viele andere Sachverhalte sowohl in den Bereichen des Unverbotenen als auch durch bestimmte zusätzliche Tatbestandsmerkmale im Bereich des Rechtswidrigen nach den allgemeinen Bestimmungen unserer Rechtsordnung bewegen kann“.237 Das sich aus der vorgefundenen Rechtslage ergebende System der natürlichen Kampffreiheit hat damit – wie bereits oben angedeutet – zur Konsequenz, dass der Arbeitskampf der Geltung der allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen unterstellt wird.238 Insbesondere finden auf das Kampfgeschehen die Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts Anwendung.239 Strasser/Reischauer präzisieren die aus dem System der natürlichen Kampffreiheit resultierende Konsequenz dahingehend, dass Arbeits-
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238
239
zum AUA-Streik, RdW 1993, 368; Spielbüchler, RdA 1991, 161; Dollinger/Leutner in Floretta (Hrsg), Österreichische Landesberichte zum XI. Internationalen Kongreß für das Recht der Arbeit und der Sozialen Sicherheit in Caracas (1985) 9; Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 121. Zum Begriff der natürlichen Kampffreiheit bereits Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts II1+2 (1930) 22. S dazu weiters Wilhelm, Wenn Dein Starker Arm es will – Aphorismen hiezu, ecolex 2003, 389, der das System der natürlichen Kampffreiheit pointiert in ein „System der allgemeinen Rücksichtslosigkeit“ umdeutet. Krit Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 18, der zum Begriff der „natürlichen Kampffreiheit“ ausführt: „Das ist freilich ein wenig schön gefärbt. Denn diese Freiheit findet ihre Grenzen an den allgemeinen Regeln der Rechtsordnung. Die Freiheit ist bekanntlich am geringsten dort, wo es um die Beurteilung der Streikteilnahme des einzelnen Arbeitnehmers geht: Streik rechtfertigt nicht die Verletzung der Arbeitspflicht“. Die Sichtweise vom Arbeitskampf als Bestandteil der allgemeinen (natürlichen) Handlungsfreiheit dezidiert ablehnend Reuter, Für ein konsistentes Arbeitskampfrecht, in Hanau/Lorenz/Matthes (Hrsg), Festschrift für Günther Wiese (1998) 427. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 452; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 108; Bydlinski in Kummer (Hrsg), Der Streik in der gesellschaftlichen Ordnung von heute (1962) 20. Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 82. Floretta, Arbeitsrecht und Europäische Menschenrechtskonvention (1967) 16; vgl auch Strasser, DRdA 1964, 317. Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 251, 253; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 195; Schima, RdW 1993, 368; Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 182; Bydlinski, Ind 1962 H 2, 1. Vgl Krejci, Aussperrung (1980) 141: „Prima facie gelten die allgemeinen Rechtsfolgen des Arbeitsvertragsrechtes auch für Arbeitskämpfe“.
Die Grundlagen des Arbeitskampfrechts
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kämpfe mangels einer speziellen Regelung nicht nur den allgemeinen Vertragsund Deliktsregeln des Privatrechts allein zu unterwerfen sind, sondern es auch auf die durch die Gerichte vorzunehmende interpretative Anwendung dieser Normen auf den Arbeitskampf ankommt.240 Auch in der Entscheidung des EA Klagenfurt vom 15. November 1922241 klingt die Einbettung des Arbeitskampfes in die allgemeinen Regeln des Zivil- und Strafrechts an, wenn es dort heißt, dass jedermann seine Kraft benützen könne, um seine Lage zu verbessern, soweit er dabei nicht Rechte Dritter verletze oder das Gesamtwohl schädige. Der Arbeitskampf steht damit nicht außerhalb der Rechtsordnung. Vielmehr misst die Rechtsordnung den Arbeitskampf im Rahmen des Systems der natürlichen Kampffreiheit an den allgemeinen Bestimmungen des Zivil- und Strafrechts.
3.
Der Arbeitskampf als Rechtsinstitut?
Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Feststellung wenig überraschend, dass die österreichische Rechtsordnung den Arbeitskampf nicht als ein formelles Rechtsinstitut konstituiert.242 Unter einem Rechtsinstitut sind dabei typische, im menschlichen Zusammenleben immer wieder in gleicher Art auftretende, rechtlich geregelte Lebensverhältnisse in ihrem rechtlichen Regelungszusammenhang zu verstehen.243 Im Gegensatz dazu entspricht dem Arbeitskampf kein zivilrechtlich erheblicher Tatbestand.244 Lediglich Engelich sieht in der Abwehraussperrung eine eigenständige kollektive Kampfmaßnahme, die nicht mit der Entlassung oder Kündigung streikender AN verwechselt werden dürfe. Vielmehr sei die Abwehraussperrung ein Lösungstatbestand sui generis.245 Damit scheint Engelich der Abwehraussperrung eine einem Rechtsinstitut vergleichbare Qualität zubilligen zu wollen. Ähnlich formuliert auch das LGZ Wien in seiner Entscheidung vom 15. Juni 1957. Danach seien bei einem von der Gewerkschaft ohne fristgemäße Kündigung der Arbeitsverhältnisse durchgeführten Streik die bestreikten AG berechtigt, „als kollektive Abwehrkampfmaßnahme das Arbeitsverhältnis der streikenden Arbeitnehmer sogar
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243 244 245
Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 28. EA Klagenfurt 15.11.1922, Reg I 180/22, Arb 3096. Floretta in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 15. Von Schwarz, Arbeitsrecht und Verfassung (1972) 11, wird der Arbeitskampf zwar nicht als Rechtsinstitut, aber doch als Institution des kollektiven Arbeitsrechts aufgefasst. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 13. Vgl Wilhelm, ecolex 2003, 389. Engelich, Der Streik als Ordnungsprinzip, DRdA 1963, 329 (341). So auch BAG 27.9.1957, 1 AZR 81/56, AP Nr 6 zu Art 9 GG Arbeitskampf = SAE 1958, 17 (Molitor) = RdA 1958, 39 = NJW 1957, 1942 = BB 1957, 1142 = DB 1957, 1130 = ArbuR 1958, 341 (Frey).
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Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
fristlos zu lösen“.246 Diese Entscheidung bringt aber zugleich zum Ausdruck, dass die rechtliche Einordnung der streikbedingten Lösung der Arbeitsverhältnisse als kollektive Abwehrkampfmaßnahme nur eingeschränkte Bedeutung besitzt. Denn Strasser/Reischauer betonen, dass „die Entlassung Streikender kein Rechtsinstitut des Arbeitskampfes ist, sondern das allgemein zur Verfügung stehende Lösungsmittel bei gröblicher Pflichtverletzung, ob sie nun inner- oder außerhalb eines Arbeitskampfes geschieht“.247 Runggaldier weist zusätzlich auf die Entbehrlichkeit eines selbständigen Rechtsinstituts der Aussperrung hin, da – bedingt durch das System der natürlichen Kampffreiheit – die AG von der rechtlichen Struktur des Arbeitskampfes her in der Regel gar nicht genötigt seien, zur Aussperrung zu greifen. Die Wirkungen einer Aussperrung seien im gleichen Maße durch die Verweigerung des Arbeitsangebots bzw durch die Entlassung der Streikenden erzielbar.248
4.
Zum Verhältnis von Streik und Aussperrung
Als Vorfrage ist schließlich noch das Verhältnis zwischen den beiden Kampfformen Streik und Aussperrung zu klären, also die Frage zu beantworten, ob die Rechtsordnung eine einheitliche oder eine den Eigenarten beider Kampfmittel Rechnung tragende unterschiedliche Behandlung gebietet. Ausgehend von der Tatsache, dass beide Kampfformen eine Verletzung der jeweiligen arbeitsvertraglichen Hauptpflicht zur Folge haben, sieht Tomandl zwischen dem Streik und der Aussperrung nicht nur formelle Gleichheit bestehen, sondern auch in materieller Hinsicht zeige sich während der Kampfdauer volle Identität der Wirkungen, denn in beiden Fällen unterbleibe die Arbeitsleistung und die Lohnzahlung. Daher seien die Auswirkungen auf die Parteien kongruent, gleichgültig ob es sich um einen Streik oder um eine Aussperrung handle.249 Aus dieser zwischen den beiden Kampfmitteln bestehenden Gleichheit und dem Umstand, dass die österreichische Rechtsordnung den Arbeitskampf lediglich dulde, folgert Tomandl, dass eine differenzierte rechtliche Behandlung von Streik und Aussperrung nicht in Betracht komme.250 Kunschak wiederum betont, dass die für den Streik geltenden Grundsätze auch für die Aussperrung
246
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249 250
LGZ Wien 15.6.1957, 42 R 370/57, SozM II C 3 (6); ähnlich auch EA St. Pölten 6.5.1925, Reg I 80/25, Arb 3452. Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 72. Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 197. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 42. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 108; so auch Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 588.
Prinzipien des Arbeitskampfrechts
45
gelten müssen.251 Auch Bydlinski vermag keine Privilegierung des Streiks252 gegenüber der Aussperrung zu erkennen.253
III. Prinzipien des Arbeitskampfrechts 1.
Vorbemerkung
Neben den arbeitskampfbezogenen Normen haben die aus diesen Normen ableitbaren Prinzipien für die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes im Allgemeinen und für die Beurteilung der arbeitsvertraglichen Aspekte kollektiver Arbeitskonflikte im Speziellen entscheidende Bedeutung. Im Rahmen der vorliegenden Themenstellung muss dabei die Darstellung der Prinzipien des Arbeitskampfrechts auf jene beschränkt bleiben, die auch für die arbeitsvertraglichen Auswirkungen einer Kampfteilnahme von Relevanz sind.
2.
Das Prinzip der staatlichen Neutralität im Arbeitskampf
Das mE am deutlichsten aus dem gegebenen Normenbestand ableitbare, das Arbeitskampfrecht bestimmende Prinzip ist jenes der staatlichen Neutralität im Arbeitskampf. Die Neutralitätsverpflichtung des Staates besteht darin, dass Gesetzgebung, Verwaltung und die Gerichte weder für die eine noch für die andere Seite Partei nehmen dürfen.254 Dieser Grundsatz drückt sich auch in der Entscheidung des EA St. Pölten vom 6. Mai 1925 aus, wenn das EA die als Reaktion auf einen Streik verhängte Aussperrung255 sämtlicher AN einschließlich der Betriebsräte mit dem Hinweis ermöglicht, dass das EA nicht berufen sei, in den Kampf dadurch einzugreifen, dass es den AG daran hindere, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch die Betriebsräte entlassen zu
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Kunschak, Rechtsfragen um Streik und Aussperrung, Ind 1965 H 8-9, 1; so auch schon Heindl, ZfsR 1932, 10 und jüngst Rebhahn, Das Kollektive Arbeitsrecht im Rechtsvergleich, NZA 2001, 763 (769 FN 82). IS einer von der Rechtsordnung gebotenen Beschränkung der Möglichkeit zur Aussperrung; als Beispiel für eine derartige Privilegierung des Streiks dient Art 29 Abs 5 der Hessischen Landesverfassung vom 1. Dezember 1946, der die Aussperrung als rechtswidrig erklärt; in Abs 4 wird demgegenüber aber das Streikrecht von der Hessischen Landesverfassung anerkannt, wenn die Gewerkschaften den Streik erklären. Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 82; vgl auch Dietz, Streik und Arbeitsverhältnis, BB 1952, 294 (296), der die Aussperrung zum Gegenstück des Streiks erklärt; aA Andreae, Arbeitskampf. Aussperrung: Defensiv und offensiv, der arbeitgeber 1973, 494 (495), wonach prinzipiell die Aussperrung nicht das Gegenstück zum Streik sei; dessen Gegenstück sei vielmehr das Durchhalten der Unternehmer. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 980; vgl weiters Rebhahn in Neumayr/ Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 247. In der rechtlichen Gestalt einer Entlassung.
46
Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
können.256 Denn der Staat insgesamt darf aufgrund seiner Neutralitätsverpflichtung durch seine Maßnahmen keine der beiden Kampfparteien fördern oder hindern.257 Der Grundsatz der staatlichen Nichteinmischung im Arbeitskampf bezweckt sicherzustellen, dass der Kampfausgang allein durch das Stärkeverhältnis zwischen den Kampfparteien entschieden werden soll.258 Verboten durch den Neutralitätsgrundsatz sind damit gezielte Interventionen des Staates, die geeignet sind, das Gleichgewicht der Kräfte zu Gunsten der einen und zu Ungunsten der anderen Kampfpartei zu ändern.259 Bereits Kaskel lehrt, dass der Staat in Arbeitskämpfen grundsätzlich Neutralität zu wahren habe. Der Staat müsse sich bei Ausbruch eines Arbeitskampfes daher jedes Eingriffs zu Gunsten der einen wie der anderen Partei enthalten und dürfe die Wirkung eines Kampfmittels nicht durch die Erschwerung der Verwendung dieses Mittels oder durch Unterstützung des Gegners abschwächen.260 Es bestehe kein Recht des Staates zum Eingreifen in den Kampfverlauf, denn der Arbeitskampf werde „nicht nach Rechtsgrundsätzen entschieden, sondern durch Überwindung der einen Partei durch die andere gewonnen. Und diese Überwindung ist keine Folge des besseren Rechts oder auch nur der berechtigteren oder größeren Interessen, sondern ausschließlich eine Frage der größeren Macht, bedeutet also lediglich eine Kraftprobe zwischen den streitenden Parteien, bei der der stärkere Teil siegt, der schwächere Teil unterliegt“.261 Entnehmen lässt sich das Prinzip staatlicher Nichteinmischung § 9 AÜG, § 10 AuslBG, § 3 Z 10 AMFG, §§ 9 Abs 2 und 13 AlVG, sowie §§ 8 Abs 4 und 18 Z 4 ZDG.262 § 9 AÜG, § 10 AuslBG, § 3 Z 10 AMFG und § 9 Abs 2 AlVG verhindern nämlich, dass durch gezielte Vermittlung von Arbeitskräften das Kampfziel des Gegners vereitelt wird.263 In § 13 AlVG drückt sich die staatli256 257
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EA St. Pölten 6.5.1925, Reg I 80/25, Arb 3452. Müller, RdA 1951, 248; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 454; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 110. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 194. Schnorr, Arbeitskampf und Arbeitslosenversicherung, in Tomandl (Hrsg), Grundlegende Rechtsfragen der Arbeitslosenversicherung (1981) 57 (60); ähnlich Schindler, Anmerkungen zu Robert Rebhahn, Der Arbeitskampf bei weitgehender gesetzlicher Regelung der Arbeitsbedingungen, DRdA 2004, 586 (589). Kaskel, Arbeitsrecht3 (1928) 387. Kaskel, Arbeitsrecht3 (1928) 373. Zum genauen Regelungsinhalt dieser Normen s Seite 24 f. Vgl dazu auch Schindler, DRdA 2004, 589 und OGH 19.12.2005, 8 ObA 23/05y, SZ 2005/187 = Arb 12.585 = DRdA 2007/9, 107 (Jabornegg) = ZAS-Judikatur 2006/27, 72 = ZAS 2006/27, 183 (krit Tomandl) = ÖJZ-LSK 2006/72 = EvBl 2006/64, 368 = wbl 2006/127 = RdW 2006/231, 237 (mit Besprechungsaufsatz von Drs) = ecolex 2006/140, 307 = infas 2006 A 32 = ARD 5655/6/2006. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 775; Karl, Auswirkungen eines Arbeitskampfes auf die laufende Beschäftigung überlassener Arbeitskräfte, ASoK 2003, 282 (283); Dirschmied/ Pfeil, Arbeitslosenversicherungsrecht3 (1996) §§ 9 – 11 Erl 34; vgl auch Pfeil, Die Regelung der Zumutbarkeit einer Beschäftigung seit der Arbeitsmarktreform 2004, DRdA 2006, 98 (99).
Prinzipien des Arbeitskampfrechts
47
che Neutralität bei Arbeitskämpfen dergestalt aus, dass das Kräftespiel der Sozialpartner nicht durch staatliche finanzielle Hilfe einseitig beeinflusst werden soll.264 Auch § 2 KoalG 1870 wird als Bekundung staatlicher Neutralität gewertet.265 Schnorr weist darauf hin, dass sich für Österreich die staatliche Neutralitätspflicht auch aus Art 3 Abs 2 des ILO-Übereinkommens Nr 87266 ergebe. Dadurch sei ein generelles staatliches Interventionsverbot in die Autonomie der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände völkerrechtlich festgelegt worden.267 Ergänzend meint Tomandl, dass die Duldung von Arbeitskämpfen durch die Rechtsordnung mit der Verpflichtung des Staates korrespondiere, sich nicht in die soziale Auseinandersetzung einzumischen.268 In diesem Zusammenhang ist auf zwei unterschiedliche Modelle staatlicher Neutralität im Arbeitskampf hinzuweisen. Der Begriff der Neutralität lässt sich nämlich in eine aktive und eine passive Neutralität aufspalten. Unter der passiven Neutralität versteht man das Verbot des staatlichen Eingriffs in den konkret ausgebrochenen Arbeitskampf.269 Aktive (fördernde) Neutralität meint hingegen das Recht des Staates, Regelungen zu treffen, durch die ausgeglichene Verhältnisse der Kampfparteien untereinander garantiert sind.270 Umgelegt auf die österreichische Rechtslage können die einschlägigen, arbeits264
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Schnorr in Tomandl (Hrsg), Grundlegende Rechtsfragen der Arbeitslosenversicherung (1981) 59; Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 465; Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 40. So Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 361, 454; Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 464; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 775; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 20, 110; Floretta, Arbeitsrecht und Europäische Menschenrechtskonvention (1967) 17; Bydlinski, Zum Koalitionsrecht nach dem Arbeitsrechtsentwurf, in Burghardt/Lugmayer/Machek/Müller/Schmitz (Hrsg), Im Dienste der Sozialreform. Festschrift für Karl Kummer (1965) 275 (277); aA Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 172 f FN 220, der § 2 KoalG 1870 allein als Ausdruck einer negativen Bewertung des Arbeitskampfes einstuft, da der Staat hier seine im Normalfall gewährte Hilfe zur Durchsetzung getroffener Vereinbarungen versage. ME ergibt sich aber gerade aus dem Umstand, dass Kampfverabredungen aufgrund von § 2 KoalG 1870 rechtlich nicht durchgesetzt werden können, die Selbstverpflichtung des Staates, sich nicht in soziale Konflikte einzumischen. Art 3 des ILO-Übereinkommens Nr 87 lautet: „1. Die Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber haben das Recht, sich Satzungen und Geschäftsordnungen zu geben, ihre Vertreter frei zu wählen, ihre Geschäftsführung und Tätigkeit zu regeln und ihr Programm aufzustellen. 2. Die Behörden haben sich jedes Eingriffes zu enthalten, der geeignet wäre, dieses Recht zu beschränken oder dessen rechtmäßige Ausübung zu behindern“. Schnorr in Tomandl (Hrsg), Grundlegende Rechtsfragen der Arbeitslosenversicherung (1981) 59. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 106 f; Tomandl/ Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 354 f. Seiter, Staatliche Neutralität im Arbeitskampf (1985) 13; ders, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1975) 175. BSozG 9.9.1975, 7 RAr 5/73, BSozGE 40, 190 (197) = AP Nr 1 zu § 116 AFG = SAE 1976, 237 (Löwisch); Ossenbühl/Richardi, Neutralität im Arbeitskampf (1987) 215.
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Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
kampfbezogenen Bestimmungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung, der Ausländerbeschäftigung, der Arbeitsmarktförderung, der Arbeitskräfteüberlassung sowie im Bereich des Zivildienstrechts als Anhaltspunkte für eine aktive Neutralitätshaltung des Staates gesehen werden.271 Diese Normen sind nämlich aus dem Bestreben heraus geschaffen, zu verhindern, dass das Gleichgewicht zwischen den Kampfparteien durch die Inanspruchnahme der staatlichen Arbeitsmarktverwaltung, durch den Rückgriff auf überlassene, auf ausländische oder auf vermittelte Arbeitskräfte oder durch den Einsatz von Zivildienstpflichtigen beeinflusst wird. Diese hinter diesen Normen stehende Absicht sprechen die ErläutRV selbst in den Materialien zu § 11 AMFG272 an: „Jede Vermittlung, auch wenn der Arbeitssuchende über Streik und Aussperrung informiert ist und trotzdem vermittelt werden möchte, würde einer Parteinahme für den Betrieb gleichkommen. Aus den gleichen Gründen erklärt der Gesetzentwurf auch die Vermittlung von streikenden oder ausgesperrten Dienstnehmern als unzulässig“.273 Insgesamt lässt sich daher feststellen, dass diese eben referierten Regelungen im Sinne einer aktiven staatlichen Neutralität für ausgeglichene Verhältnisse zwischen den Kampfparteien sorgen sollen.274
3.
Das Prinzip der Kampfparität
Im engen Zusammenhang mit dem Prinzip der staatlichen Neutralität im Arbeitskampf steht der Grundsatz der Kampfparität.275 Dieser verpflichtet den Staat, die Arbeitskampfparteien gleich zu behandeln, die von ihnen verwendeten Kampfmittel (Streik oder Aussperrung) mit gleichen Maßstäben zu beurteilen und ihnen die Wahl der geeignetsten Kampfmittel zu überlassen.276 Der so verstandene Grundsatz der Kampfparität stellt sicher, dass die im Arbeitskampf aufeinander prallenden Interessen im den die Auseinandersetzung beendenden KollV ihren Ausgleich finden.277 Denn Chancengleichheit zwischen
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So auch OGH 19.12.2005, 8 ObA 23/05y, SZ 2005/187 = Arb 12.585 = DRdA 2007/9, 107 (Jabornegg) = ZAS-Judikatur 2006/27, 72 = ZAS 2006/27, 183 (krit Tomandl) = ÖJZ-LSK 2006/72 = EvBl 2006/64, 368 = wbl 2006/127 = RdW 2006/231, 237 (mit Besprechungsaufsatz von Drs) = ecolex 2006/140, 307 = infas 2006 A 32 = ARD 5655/6/2006; Schindler in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 9 AÜG Rz 1. Das ist die gleich lautende Vorgängerregelung zu § 3 Z 10 AMFG. ErläutRV 983 BlgNR 11.GP 19. Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 464 f; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 775; Karl, ASoK 2003, 283. Synonym für den Begriff Kampfparität wird jener der Waffengleichheit verwendet; vgl dazu Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 968. Engelich, DRdA 1963, 330; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 588. Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 121; Krejci, Aussperrung (1980) 49.
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den Kampfparteien ist Voraussetzung für die materielle Richtigkeitsgewähr des KollV.278 Die Geltung dieses kampfrechtlichen Grundsatzes ist allerdings nicht unumstritten. Rebhahn zufolge werde die These von der Kampfparität als solche in Österreich nicht vertreten.279 Widerlegt wird diese Ansicht bereits durch den Standpunkt von Tomandl, der aus der staatlichen Neutralitätsverpflichtung im Arbeitskampf auch die Pflicht des Staates zur Gewährung von Waffengleichheit ableitet.280 Das LGZ Wien führt in seiner Entscheidung vom 15. Juni 1957281 allerdings unreflektiert und ohne nähere Begründung (nur unter schlichtem Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung des BAG und unter Berufung auf im Diffusen bleibende Grundsätze des freiheitlichen sozialen Rechtsstaates) die Prinzipien der Waffengleichheit, der Kampfparität und jenen der freien Kampfmittelwahl als eigene kampfrechtliche Postulate an. Den Geltungsgrund dieses Prinzips zu bestimmen, fällt allerdings schwerer als bei jenem der Neutralität des Staates in Arbeitskämpfen. Tomandl282 und Engelich283 ziehen zur rechtlichen Fundierung der Kampfparität eben jenes Prinzip der staatlichen Neutralität heran. Marhold möchte § 13 AlVG als Beleg für den Paritätsgedanken werten.284 Binder bringt den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz ins Spiel.285
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Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1975) 166, 170; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 588. Rebhahn, Das österreichische Betriebsverfassungs- und Arbeitskampfrecht in vergleichender Sicht, wbl 2001, 293 (295); diese Position an anderer Stelle etwas relativierend ders, NZA 2001, 769 FN 82 und ders, Kollektivvertragsfähigkeit und Erstreckung von Kollektivverträgen in rechtsvergleichender Sicht, DRdA 2001, 103 (113). Tomandl, Der Lohnanspruch Arbeitswilliger im Arbeitskampf, AcP 164, 183 (228); ebenso wird der Grundsatz der Kampfparität anerkannt von: Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 588; Schima, RdW 1993, 371; Binder, Die Beendigung arbeitsvertraglicher Bindungen bei Eintritt dauernder Leistungsunmöglichkeit, in Schwarz/Spielbüchler/Martinek/Grillberger/Jabornegg (Hrsg), Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsordnung. Festschrift für Rudolf Strasser (1983) 271 (293); ders, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 139. LGZ Wien 15.6.1957, 42 R 370/57, SozM II C 3 (6). Tomandl, AcP 164, 228. Engelich, DRdA 1963, 330. Marhold, Entgeltanspruch für Trittbrettfahrer? – Zum Lohnanspruch der Arbeitsbereiten als Grundsatzfrage des Arbeitskampfrechts, ASoK 2005, 78 (81). Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 121; ebenso Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 103, wonach der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz dem Gesetzgeber die Sicherung der Parität im Arbeitskampf auferlege, da Art 7 B-VG es verbiete, einem „Stand“ eine privilegierte Stellung zu verleihen. Verfassungsrechtlich argumentiert auch Marx, Streik ist rechtlich nicht verboten! mitbestimmung 2005, 3 (4): Ausgehend von der Auffassung, dass das Recht zum Arbeitskampf vom Schutzbereich des Art 12 StGG und des Art 11 MRK umfasst sei, verpflichte dieser Schutz den Staat, zumindest Kampfparität zu gewährleisten. Unzutreffend daher Gerhartl, Entgeltanspruch der Streikbrecher, ÖJZ
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Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
Krejci wiederum stellt die Kampfparität in einen größeren Begründungszusammenhang mit dem Kollektivvertragssystem. Ausgehend von der Aufgabenstellung des Arbeitsrechts, den gegenüber dem AG unterlegenen AN durch zwingende Normen und durch die Ermöglichung des Zusammenschlusses zu Verbänden Schutz zu gewähren, bringt Krejci zunächst den Streik in einen Funktionszusammenhang mit dem System der kollektiven Festlegung von Arbeitsbedingungen. Die Kollektivvertragsautonomie habe es den Arbeitnehmerkoalitionen ermöglicht, das Vertragsdiktat der AG dadurch auszuschalten, dass die AG zumindest jene Arbeitsbedingungen gewähren müssen, die im KollV vereinbart worden seien. Den Zusammenhang zwischen dem Kollektivvertragssystem und dem Kampfmittel der AN sieht Krejci darin, dass dieses System bei Fehlen von Druckmitteln der Arbeitnehmerseite nicht funktionsfähig wäre, gäbe es keine Möglichkeit zum Streik. Gäbe es nämlich keine geeigneten Maßnahmen der Arbeitnehmerseite, die AG zu Verhandlungen zu bewegen, wäre das Funktionieren des Kollektivvertragssystems sehr bald in Frage gestellt. Komme es aber zu keinen kollektiven Vereinbarungen, wäre der einzelne AN gezwungen, selbst die Arbeitsbedingungen mit dem AG auszuhandeln. Die Unterlegenheit des AN, die die Rechtsordnung gerade beseitigen wollte, bliebe damit bestehen.286 Aus diesen Erwägungen zieht Krejci den Schluss, dass das Kollektivvertragssystem den vom Gesetzgeber angestrebten Zweck nur dann verwirklichen könne, wenn die Arbeitnehmerkoalition auch über die erforderliche Verhandlungsmacht und dazu über das entsprechende Druckpotential, das im Streik bestehe, verfüge. Damit ergebe sich aus der Teleologie des Kollektivvertragssystems das kampfrechtliche Gebot der Kampfparität. Da das Kollektivvertragssystem Verhandlungsgleichgewicht zwischen den Verhandlungsparteien voraussetze, seien damit Kampfmittel und -methoden, die zu einer schwer oder überhaupt nicht abwendbaren Übermacht einer Kampfpartei führen, ein Widerspruch zum Paritätsgebot.287
4.
Der Grundsatz der Arbeitnehmersolidarität
Ganz allgemein ist Solidarität unter den AN, konkret also der Zusammenhalt zwischen den AN und ihr gemeinschaftlicher Wille zur Erreichung des angestrebten Ziels, eine Funktions- und vor allem eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die kampfweise kollektive Arbeitsniederlegung.288 In erster Linie erweist sich damit der Solidaritätsgedanke mehr als soziologische denn als normative
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2006/56, 871 (874), der für den Grundsatz der Kampfparität in Österreich eine rechtsdogmatische Grundlage verneint. Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 52. Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 55. Vgl Gamillscheg, Die Solidarität als Rechtsbegriff, in Wannagat/Gitter (Hrsg), Festschrift für Erich Fechner (1973) 135 (137); Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 47; s auch Pfarr/Kittner, Solidarität im Arbeitsrecht, RdA 1974, 284 ff.
Prinzipien des Arbeitskampfrechts
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Kategorie. Richtigerweise fragt daher Kissel, inwieweit eine gesellschaftspolitisch teilweise vorhandene zwischenmenschliche Solidarität überhaupt als rechtliche Kategorie anzuerkennen sei.289 Eine Antwort darauf können nur die Normen des positiven Rechts und die ihnen zu Grunde liegenden Wertungen geben. Dabei zeigt sich, dass die Rechtsordnung sehr wohl auch Anhaltspunkte dafür enthält, die Solidarität zwischen den AN als ein rechtlich verfestigtes Prinzip zu konstituieren, welches auch bei der Beurteilung der Auswirkungen eines Arbeitskampfes auf den Arbeitsvertrag Bedeutung erlangen kann. So erstreckt § 12 ArbVG die normative Wirkung eines KollV auch auf jene AN, die zwar selbst nicht kollektivvertragsangehörig sind, also Mitglieder der auf Arbeitnehmerseite abschließenden Kollektivvertragspartei sind, wohl aber bei einem kollektivvertragsangehörigen AG beschäftigt sind. Diese gesetzlich gebotene (solidarische) Einbeziehung der Außenseiter in den Geltungsbereich eines KollV kann für die nicht organisierten AN auch insofern zum Nachteil gereichen, als bei Geltung des Ordnungsprinzips gem § 3 Abs 1 ArbVG es ihnen verwehrt ist, günstigere Regelungen mit dem AG einzelvertraglich zu vereinbaren bzw haben die Kollektivvertragsparteien die Möglichkeit, die individuell vereinbarten Arbeitsbedingungen der Außenseiter zu verschlechtern, indem die Kollektivvertragsparteien von der in § 3 Abs 1 ArbVG vorgesehenen Ermächtigung Gebrauch machen und jede Sondervereinbarung ausschließen.290 Strasser/Reischauer hingegen sehen den Vorrang des Ordnungsprinzips vor dem Günstigkeitsprinzip sowie die Außenseiterwirkung nicht als Ausfluss des Solidaritätsgedankens. Vielmehr gehe es in beiden Fällen um das Bestreben, eine einheitliche Rechtslage im Betrieb zu schaffen.291 ME schließt die Absicht, einheitliche Arbeitsbedingungen im Betrieb zu schaffen, die Bewertung dieser Bestimmungen als solidarische Einbindung der nicht organisierten AN in den Kreis der organisierten AN nicht aus. Einheitliche Arbeitsbedingungen können unter dem Regime eines KollV nur dann geschaffen werden, wenn auch jene AN solidarisch erfasst werden, die nicht organisiert sind und damit an und für sich aufgrund von § 8 Z 1 ArbVG nicht dem KollV unterworfen sind. § 12 ArbVG soll hauptsächlich das Unterlaufen des KollV durch nicht organisierte AN verhindern,292 also ein Verhalten unterbinden, das die organisierten
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Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 24 Rz 35. Als Beispiel dafür können jene Sachverhalte dienen, die den beiden Entscheidungen des OGH vom 11.5.2005, 9 ObA 30/05k, Arb 12.530 = ecolex 2005/375, 786 = ASoK 2005, 304 und 9 ObA 31/05g, SZ 2005/74 = Arb 12.531 = DRdA 2005, 443 = DRdA 2005/39, 531 (Trost) = ZAS 2006/33, 226 (Kietaibl) = wbl 2005/230, 431 = ASoK 2006, 37 = infas 2005 A 54, zu Grunde liegen. Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 67. Cerny in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht II3 (2004) § 12 Erl 2.
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Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
AN unter Druck setzt293 und somit vom Gesetz als unsolidarisches Verhalten bewertet wird.294 Auch im sog Sperrrecht des BetrR spiegelt sich der Gedanke der Arbeitnehmersolidarität wider. Gem § 105 Abs 6 ArbVG kann der gekündigte AN die Beendigungserklärung des AG nicht mehr mit der Behauptung anfechten, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei, wenn der BetrR in dem der Kündigung vorausgehenden betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahren der Kündigung ausdrücklich zugestimmt hat. Der Gedanke der Arbeitnehmersolidarität entspringt in diesem Zusammenhang der kollektivrechtlichen Konzeption des Kündigungsschutzes. Der allgemeine Kündigungsschutz ist Bestandteil des Betriebsverfassungsrechts und ist gesetzessystematisch den Befugnissen der Arbeitnehmerschaft, nämlich der Möglichkeit, in personellen Angelegenheiten mitzuwirken, zugeordnet. Die Verankerung des allgemeinen Kündigungsschutzes im II. Teil des ArbVG, die auch zur Folge hat, dass nur AN iSd § 36 Abs 1 ArbVG in den Genuss des allgemeinen Kündigungsschutzes kommen, konstituiert die kollektivrechtliche Konstruktion des allgemeinen Kündigungsschutzes.295 Die kollektivrechtliche Prägung des allgemeinen Kündigungsschutzes drückt sich zum einen darin aus, dass primär der BetrR zur Kündigungsanfechtung berufen ist;296 zum anderen ist die Möglichkeit für den BetrR, durch ausdrückliche Zustimmung zur Kündigung dem gekündigten AN die Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit zu versperren, Ausdruck der kollektivrechtlichen Konzeption.297 Setzt man jetzt den Gedanken der Solidarität in Beziehung zum Sperrrecht des BetrR, so bringt die Zustimmung des BetrR zur Kündigung des AN zum
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Durch die Möglichkeit nicht organisierter AN, ihre Arbeitskraft zu unterkollektivvertraglichen und damit für den AG günstigeren Bedingungen anzubieten: Vgl dazu Cerny in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht II3 (2004) § 12 Erl 2. Vgl auch Richardi, Anm zu BAG 21.4.1971, GS 1/68, ZAS 1971/27, 222 (224), der das Rechtsprinzip der Arbeitnehmersolidarität ebenso über die Außenseiterwirkung des KollV begründet; ebenso: Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 345 f; ders, AcP 164, 217; Marhold, ASoK 2005, 80, 82. Floretta, Strukturen und Entwicklungstendenzen des allgemeinen Kündigungsschutzes im Arbeitsrecht, DRdA 1982, 1 (4); ders, Rechtsdogmatisches und Rechtspolitisches zur Konstruktion und zum Inhalt des allgemeinen Kündigungs- und Entlassungsschutzes im Arbeitsrecht (1971) 29. Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III3 (2005) § 105 Erl 1. Windisch-Graetz, Soziale Gestaltungspflicht über die Betriebsgrenzen hinaus? ZAS 1996, 109 (110). Ergänzend führt Floretta auch den Sozialvergleich als Beleg für die kollektivrechtliche Konzeption an: Floretta, DRdA 1982, 4 und ders, Die Konstruktion des allgemeinen Kündigungsschutzes im österreichischen Arbeitsrecht und Grundgedanken in diesem Rechtsinstitut, in Gamillscheg/de Givry/Hepple/Verdier (Hrsg), In Memoriam Sir Otto Kahn-Freund (1980) 433 (437 f). Wie Floretta auch Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 120, mit zusätzlichem Hinweis auf § 97 Abs 1 Z 10 ArbVG.
Prinzipien des Arbeitskampfrechts
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Ausdruck, dass im Einzelfall die Interessen der gesamten Belegschaft schwerer wiegen können als das Einzelinteresse des gekündigten AN. „Die Artikulierung dieser Gemeinschaftsinteressen ist die unentziehbare Aufgabe des Betriebsrates. Der Betriebsrat ist eben nicht Repräsentant summierter Einzelinteressen, er ist das Integrationsorgan der Belegschaftsinteressen. Diese Funktionszuweisung inkludiert aber, daß er in seiner gesamten Tätigkeit den gemeinsamen Interessen den Vorrang vor abweichenden Einzelinteressen geben muß“.298 Oder anders gewendet: Durch die Zugehörigkeit des AN zur „solidarischen Betriebsgemeinschaft“299 muss der AN auch in Kauf nehmen, dass er im Kündigungsfall die, was den Tatbestand der Sozialwidrigkeit anbelangt, gerichtlich unanfechtbare Auflösung seines Arbeitsverhältnisses hinnehmen muss, wenn andere AN von der Belegschaftsvertretung als schutzwürdiger eingestuft werden. Der gekündigte AN wird im Falle der Zustimmung des BetrR zur Kündigung damit zur Solidarität mit den als schutzbedürftiger erachteten AN verpflichtet. Der gekündigte AN muss folglich die Entscheidung des BetrR hinnehmen, weil andere, schutzwürdigere AN auf die Solidarität der Belegschaft, stellvertretend artikuliert durch den BetrR, angewiesen sind. Gahleitner untermauert diese Überlegungen mit dem Hinweis, dass bei Personalreduktionen zwischen dem AG und dem BetrR Vereinbarungen getroffen werden, die das notwendige Ausmaß von Kündigungen beschränken. Solche Vereinbarungen, die letztlich den Erhalt von Arbeitsplätzen für AN bedeuten, seien aber nur dann denkbar, wenn die gekündigten AN aufgrund der Zustimmung des BetrR zur Kündigung keine individuellen Anfechtungsverfahren beginnen können,300 dh, aus Gründen der innerbetrieblichen Solidarität müssen die Gekündigten in einer solchen Situation den Verlust ihres Arbeitsplatzes hinnehmen, um die Arbeitsplätze anderer, schutzwürdigerer AN zu sichern. Auch in einem Erkenntnis des VfGH zur Verfassungskonformität des Sperrrechts des BetrR klingt der Gedanke der innerbetrieblichen Solidarität an, wenn der VfGH formuliert: „Daß der Betriebsrat bei Ausübung seiner Befugnisse die Interessen des Gekündigten anderen Interessen hintanstellen kann, ist im Hinblick auf die Einbettung des einzelnen Arbeitsverhältnisses in eine Vielzahl solcher Verhältnisse (innerhalb des Betriebes) und die zwischen ihnen bestehenden wechselseitigen Beziehungen und Auswirkungen verfassungsrechtlich unbedenklich. Es ist grundsätzlich eine Frage rechtspolitischer Gestaltung, wie die verschiedenen Interessen ins Verhältnis gesetzt werden und welcher Einfluß dem einzelnen Arbeitnehmer dabei auf die Gestion der Organe der Arbeitnehmerschaft eingeräumt wird“.301 In ähnlicher Weise führt
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Tomandl, Die Ambivalenz des kollektiven Arbeitsrechts, in Rüthers/Tomandl, Aktuelle Fragen des Arbeitsrechts (1972) 23 (41). Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 346. Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III3 (2005) § 105 Erl 64. VfGH 23.2.1985, B 517/84, VfSlg 10.344 = DRdA 1985/14, 283 (Floretta) = RdW 1985, 251 = infas 1985 A 117 = ARD 3703/14/85.
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Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
der VfGH in seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 1984302 aus, dass aufgrund der engen Verquickung individueller und kollektiver Interessen und Gesichtspunkte es dem Gesetzgeber freistehe, die Berücksichtigung der individuellen Lage von einer negativen Bewertung durch die Gemeinschaft abhängig zu machen und dem AG im Interesse einer wirksamen Betriebsführung die Kündigungsfreiheit zu erhalten, wenn schon das Organ der Arbeitnehmerschaft der beabsichtigten Maßnahme zustimme.303 Einen zusätzlichen Anhaltspunkt für die Existenz eines rechtlich verfestigten Prinzips der Arbeitnehmersolidarität erblickt Tomandl in der Regelung des § 13 AlVG. In § 13 AlVG habe der Gesetzgeber die Interessensolidarität im Arbeitskampf ausdrücklich berücksichtigt, da der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht nur gegenüber Streikenden, sondern auch gegenüber Arbeitswilligen, die infolge der kampfbedingten Betriebsstörung arbeitslos werden, gehemmt werde.304 Strasser/Reischauer lehnen diesen Bewertung mit der Begründung ab, dass § 13 leg cit keinesfalls Streikende und Nichtstreikende gleichstelle. Denn § 13 AlVG komme erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum Tragen. Die Beendigung erfolge beim Streikenden durch Entlassung, bei Nichtstreikenden – da diesem keine zur fristlosen Entlassung berechtigende Vertragsverletzung vorzuwerfen ist – durch ordentliche Kündigung. § 13 AlVG versage dem rechtmäßig entlassenen Streikenden während der Dauer des Betriebsstillstandes den Anspruch auf das Arbeitslosengeld. Beim gekündigten Nichtstreikenden ergebe sich insofern einen andere Situation, als bei diesem das Beschäftigungsverhältnis zufolge der Einhaltung von Kündigungsfristen und -terminen meistens erst nach dem Arbeitskampf enden werde. Der gekündigte Nichtstreikende habe für die Zeit der Streikdauer schon nach den allgemeinen Regeln des AlVG keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der entlassene Streikende sei hingegen grundsätzlich anspruchsberechtigt, verliere diesen Anspruch allerdings wegen § 13 AlVG. Aus diesen Erwägungen folge, dass § 13 AlVG Streikende und Nichtstreikende keinesfalls gleichstelle.305 Krejci hält diesen Überlegungen entgegen, dass keinesfalls angenommen werden dürfe, dass § 13 AlVG lediglich arbeitslos gewordene Streikende vom Arbeitslosengeldbezug ausschließe. Gerade eine als Antwort auf einen Teilstreik verhängte Aussperrung betreffe idR gerade Nichtstreikende. § 13 AlVG 302
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VfGH 5.12.1984, B 370/83, VfSlg 10.297 = DRdA 1985/14, 283 (Floretta) = DRdA 1985, 317 = RdW 1985, 251 = infas 1985 A 71. Kritik an diesen beiden Erkenntnissen äußert Mayer-Maly, Das Arbeitsrecht und der Rechtsstaat, in Mayer/Jabloner/Kucsko-Stadlmayer/Laurer/Ringhofer/Thienel (Hrsg), Staatsrecht in Theorie und Praxis. Festschrift für Robert Walter (1991) 477 (486 ff). Das Sperrrecht des Betriebsrates als eine Grundlage für das Prinzip der Arbeitnehmersolidarität vertritt auch Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 346 und ders, AcP 164, 217. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 346. Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 67 f.
Einheitliche oder getrennte Beurteilung von Gesamt- und Individualaktion?
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bringe nirgends zum Ausdruck, dass dabei Streikende und Nichtstreikende verschieden zu behandeln wären. Darüber hinaus hätten die von Strasser/ Reischauer vorgebrachten Einwände mit dem vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Grundprinzip nichts zu tun.306 Deutlich formuliert auch Binder: „Diese Norm kann nicht durch den Hinweis auf die unterschiedlichen tatsächlichen Auswirkungen des Arbeitskampfes bei Streikenden und Nichtstreikenden (infolge der andersartigen Beendigung der Arbeitsverhältnisse) entkräftet werden; vielmehr bringt der AlosV-Gesetzgeber in dieser Norm eine Wertentscheidung zugunsten der Gleichbehandlung von Kampfbeteiligten und bloß Kampfbetroffenen zum Ausdruck“.307 Die Tatsache, dass damit von einem der Arbeitsrechtsordnung innewohnenden Rechtsprinzip308 der Arbeitsnehmersolidarität ausgegangen werden kann,309 bedeutet aber noch keine Antwort auf die Frage, in welcher Intensität dieser Grundsatz bei den arbeitsvertraglichen Auswirkungen eines Arbeitskampfes zum Tragen kommt.
IV. Einheitliche oder getrennte Beurteilung von Gesamtund Individualaktion? Für die rechtliche Beurteilung der beiden Ebenen des Arbeitskampfes haben Lehre und Rechtsprechung zwei unterschiedliche Modelle entwickelt. Das eine Modell verbindet die beiden Ebenen des Arbeitskampfes zu einer rechtlichen Bewertungseinheit („Einheitstheorie“). Das andere Modell hingegen trennt bei der rechtlichen Beurteilung des Kampfgeschehens strikt zwischen der Gesamtaktion und den einzelvertraglichen Auswirkungen derselben („Trennungstheorie“).
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Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 58 FN 108. Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 120 (Hervorhebung im Original). Die Argumentation von Binder bezieht sich dabei auf § 13 AlVG. Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 121. Ebenso Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 48: „(…) als ein im kollektiven Arbeitsrecht angelegtes Ordnungskonzept“; Binder in FS Strasser (1983) 293: „rechtlich verfestigte Arbeitnehmer-Solidarität“; ders, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 120: „Die Arbeitnehmersolidarität ist nicht nur ein (betriebs-)soziologisch fundiertes Kriterium, sondern sie manifestiert sich auch im positiven Recht“. Krit zu Einordnung der Arbeitnehmersolidarität als Rechtsprinzip aber Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 24 Rz 36.
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1.
Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
Die Einheitstheorie – Der Beschluss des Großen Senates des BAG vom 28. Jänner 1955 – Kollektivrechtliche Einheitslösung
1.1. Vorgeschichte Der Beschluss des Großen Senats des BAG vom 28. Jänner 1955310 wird von der Lehre als „grundlegend“311, als „aufsehenerregend“312, als „Markstein für das Arbeitskampfrecht“313 bewertet. Ein Blick auf die vor diesem Beschluss liegende vorherrschende Sichtweise vom Verhältnis des Arbeitskampfes zur Sphäre des Arbeitsvertrages hilft, diese Bewertungen einzuordnen. Ähnlich wie in Österreich wurden mit § 152 Abs 1 dGewO 1869314 alle Verbote und Strafbestimmungen „wegen Verabredungen und Vereinigungen zum Behufe der Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit und Entlassung der Arbeiter“ aufgehoben. Unberührt blieben durch § 152 Abs 1 dGewO 1869 die vertragsrechtlichen Konsequenzen einer Kampfteilnahme. Die kampfweise Arbeitseinstellung bzw die Entlassung der AN zu Aussperrungszwecken bedeutete erst nach vorheriger Kündigung der Arbeitsverträge keine Verletzung derselben.315 Im Einklang mit dieser Rechtsauffassung entschied noch 1953 das LAG Hamm, dass die streikweise Arbeitsniederlegung ohne vorherige Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses eine beharrliche Arbeitsverweigerung iSd § 123 Abs 1 Z 3 dGewO 1869316 darstelle, wobei es auch keine Rolle spiele, ob der Streik von der zuständigen Industriegewerkschaft geführt werde; denn auch der gewerkschaftlich organisierte Streik gebe den daran beteiligten AN keinen Rechtfertigungsgrund, der die Anwendung der Vorschrift des § 123 Abs 1 Z 3 dGewO 1869 ausschließen würde.317
1.2. Der Beschluss des Großen Senates des BAG vom 28. Jänner 1955 Im deutlichen Gegensatz zu der zuvor angeführten Entscheidung steht der Beschluss des Großen Senates des BAG vom 28. Jänner 1955.318 Dieser Be310
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BAG 28.1.1955, GS 1/54, BAGE 1, 291 = AP Nr 1 zu Art 9 GG Arbeitskampf = NJW 1955, 822 = JZ 1955, 386 = BB 1955, 412. Konzen in FS 50 Jahre Bundesarbeitsgericht 545; ebenso Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1975) 7. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 255. Zachert, Richterrechtliche Regulierung und Ausgleich der Interessen beim Arbeitskampf – Bilanz und Perspektiven –, in Oetker/Preis/Rieble (Hrsg), Festschrift 50 Jahre Bundesarbeitsgericht (2004) 577 (580). DRGBl 1869, 245. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts II1+2 (1930) 575. Entspricht § 82 lit f GewO 1859. LAG Hamm 9.9.1953, 3 Sa 407/53, BB 1953, 1062; ebenso LAG Hannover 16.1.1952, Sa 700/51, BB 1952, 197. Vgl FN 310.
Einheitliche oder getrennte Beurteilung von Gesamt- und Individualaktion?
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schluss bedeutete eine vollständige Abkehr von der bisherigen, traditionellen Arbeitskampfdoktrin und sollte die Grundlage für ein in den nächsten Jahrzehnten weiter ausgebautes und detailliert ausgestaltetes, prätorisch geschaffenes Arbeitskampfrecht bilden. Der Entscheidung lag die Klage eines Betriebsratsmitglieds zu Grunde, der wegen seiner Teilnahme an einem Streik entsprechend der vorhin skizzierten traditionellen Auffassung wegen Bruchs des Arbeitsvertrages fristlos entlassen wurde. Mit seiner Klage begehrte der AN die Feststellung, dass die streikbedingte fristlose Entlassung das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe. Hilfsweise beantragte der Kläger den AG zu verurteilen, ihn nach der Streikbeendigung wieder einzustellen. Letzteres Begehren ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der AG nach Streikende alle in den Streik getretenen und entlassenen AN – bis auf den Kläger und sechs weitere Streikende – wieder eingestellt hatte. Die Klage blieb in den Vorinstanzen zunächst erfolglos. Der zuständige Rechtsmittelsenat des BAG sah sich dann aber veranlasst, dem Großen Senat319 des BAG zwei Rechtsfragen zur Beantwortung vorzulegen. Mit seiner ersten – im vorliegenden Zusammenhang allein interessierenden – Frage sprach der Senat das Problem des Verhältnisses des Arbeitskampfes und der Kampfhandlungen zum Rechtskreis des Einzelarbeitsvertrages an und fragte daher, ob der von einer Gewerkschaft beschlossene Streik um die Arbeitsbedingungen, der ohne fristgemäße Kündigung der Arbeitsverhältnisse durch die AN durchgeführt werde, für den AG ein Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung der streikenden AN sei. Mit der zweiten Frage wollte der erkennende Senat wissen, ob der AG nach der Beendigung eines gewerkschaftlichen Streiks bei Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung (Wiedereinstellungsklausel, Maßregelungsverbot) verpflichtet sei, die von ihm vorgenommene Wiedereinstellung der entlassenen AN gleichmäßig auf alle Streikteilnehmer auszudehnen, sofern ihm für die Ablehnung der Wiedereinstellung nicht andere Gründe als die der vorausgegangenen Streikbeteiligung zur Seite stünden. Die Befassung des Großen Senates begründete der erkennende Senat damit, dass es sich bei den Vorlagefragen um Grundprobleme des Rechts der Arbeitskämpfe handle, deren klare und richtige Erfassung für das Verhältnis der Sozialpartner untereinander, für die einzelnen AN und AG, aber auch für die Allgemeinheit von erheblicher Bedeutung sei. In seiner Antwort auf die erste Frage referierte der Große Senat zunächst die bislang herrschende Auffassung, wonach die Hauptpflicht des AN aus dem Arbeitsvertrag widerrechtlich und schuldhaft verletzt werde, wenn der 319
Die Anrufung diese Spruchkörpers ist ua gem § 45 Abs 4 ArbGG dann zulässig, wenn es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt und diese Vorgehensweise nach Auffassung des an und für sich zur Entscheidung berufenen Senates zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Der Große Senat besteht gem § 45 Abs 5 ArbGG aus dem Präsidenten des BAG, je einem Berufsrichter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt und je drei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der AN und der AG. Der Große Senat entscheidet gem § 45 Abs 7 ArbGG nur über die Rechtsfrage. Der erkennende Senat ist dann an die Entscheidung des Großen Senats gebunden.
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AN ohne fristgerechte Kündigung sich am Streik beteilige; die Kampfbeteiligung des AN sei daher Vertragsbruch und berechtige den AG zur fristlosen Entlassung des AN wegen rechtswidriger, schuldhafter, beharrlicher Arbeitsverweigerung. In einem zweiten Schritt prüfte der Große Senat, ob sich dem Verfassungsrecht ein besonderes Grundrecht zum Streik entnehmen ließe. Ausdrücklich wurde dies vom Großen Senat verneint. Das bedeute aber nicht, dass der Streik als rechtswidriger Bruch des Arbeitsvertrages anzusehen sei. Vielmehr stelle sich die Frage, ob sich aus dem Wesen des legitimen Arbeitskampfes und des Streiks im Besonderen etwas anderes ergebe. Bereits an dieser Stelle klingt das entscheidende Argument an, das in weiterer Folge zum tragenden Element der Entscheidungsbegründung werden sollte. Denn die Lösung der Ausgangsfrage – so der Große Senat – könne nur aus dem Wesen des Streiks als kollektiver Kampfmaßnahme gefunden werden. Dabei sei zunächst die klare Erkenntnis des Wesens des Streiks und des Arbeitskampfes überhaupt entscheidend. In der gemeinsamen und planmäßig durchgeführten Arbeitseinstellung durch eine größere Anzahl von AN zu einem bestimmten Kampfziel sah der Große Senat das maßgebende Element des Streiks. Die Niederlegung der Arbeit durch den einzelnen AN allein wäre wirkungslos und sinnlos. Entscheidend sei die bewusst gewollte, solidarische Gemeinsamkeit des Handelns, die beim gewerkschaftlichen Streik in der gemeinschaftlichen Durchführung des Streikbeschlusses bestehe. Der Streik sei auch in seiner Durchführung durch die AN ein Kollektivakt, der aus den Arbeitsniederlegungen in ihrer Verbundenheit bestehe. Auf den Punkt gebracht formulierte der Große Senat, dass beim Streik nicht der Einzelne handle, sondern es handeln die Streikenden als Gruppe. Aus dieser Erkenntnis zog der Große Senat den entscheidenden Schluss: „Der Arbeitskampf als e i n h e i t l i c h e s Geschehen darf nicht kollektivrechtlich anders behandelt werden als individualrechtlich. Man darf es (…) nicht bei einer angeblich nicht behebbaren Kollision zwischen Arbeitskampfrecht und Vertragsrecht belassen. Eine Synthese ist nicht möglich. Also muß ein Rechtskreis den Vorrang haben. Daraus folgt: Entweder ist der Arbeitskampf im kollektivrechtlichen Bereich des Arbeitsrechts legitim, dann kann er, da er ein einheitlicher Akt ist, nicht im Individualrecht des Arbeitsvertrages rechtswidrig sein. Oder aber er ist wegen der Kollision mit dem Individualrecht des Arbeitsvertrages rechtswidrig, dann muß er es total, also auch für den Rechtskreis des kollektiven Arbeitskampfrechts sein (…). Es ist aber nicht gerechtfertigt, innerhalb des gleichen Rechtsgebietes, des Arbeitsrechts dasselbe kollektive Handeln hier als rechtmäßig, dort als rechtswidrig anzusehen“.320 Diese Argumentationslinie des Große Senates zeigt das Wesen der Einheitstheorie321 auf: Eine getrennte Beurteilung des Kampfgeschehens und der 320 321
BAG 28.1.1955, GS 1/54, BAGE 1, 291 (303) (Hervorhebung im Original). Der Begriff „Einheitstheorie“ („Einheitslehre“) als Kurzbeschreibung für die einheitliche Bewertung des Kampfgeschehens findet sich beispielsweise bei Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 784; Rebhahn, DRdA 1982, 139; Brox in Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht. Ein
Einheitliche oder getrennte Beurteilung von Gesamt- und Individualaktion?
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individualrechtlichen Auswirkungen desselben wird von der Einheitstheorie abgelehnt. Vielmehr wird der Vorrang eines betroffenen Rechtskreises postuliert und eine einheitliche rechtliche Bewertung des Arbeitskampfes als ein einheitliches Geschehen gefordert. Grundlage der Einheitstheorie ist die Erfassung des Arbeitskampfes als ein einheitliches Kampfgeschehen. Bulla, der zum Wegbereiter für den Beschluss des Großen Senates des BAG geworden ist, fasst den Arbeitskampf wegen der bewussten Gemeinsamkeit des Handelns vieler und der besonderen Zweckbestimmung dieses Handelns als einen Kollektivakt auf. Die Streikenden seien eine bestimmbare soziale Gruppe, die zum Zwecke der Streikdurchführung auftrete. Der Streik als Kollektivakt sei ein einheitliches Kollektivhandeln dieser Gruppe, in dem jeder einzelne mit seiner streikweisen Arbeitsniederlegung, im Bewusstsein des gleichgerichteten Handelns der anderen den Streik mittrage und verwirkliche. Dem Einzelnen sei aber diese streikweise Arbeitsniederlegung nicht als Individualhandeln zuzurechnen, sondern als Kollektivhandeln des Mitgliedes einer Gruppe, der er durch sein Mithandeln angehöre.322 Neben der Einstufung des Arbeitskampfes als Kollektivakt misst Bulla dem Arbeitskampf ein zweiseitig kollektives Wesen zu. Ausgehend von der Feststellung, dass der Arbeitskampf von einer Vielzahl als gemeinsam gewollte Einzelakte getragen werde, folgert Bulla, dass in diesen gemeinsamen Einzelhandlungen der aktiv oder passiv Kampfbeteiligten sich der Arbeitskampf als Kollektivakt darstelle und so überhaupt erst existent werde. Die einzelnen streikbedingten Arbeitsniederlegungen seien in der gewollten Kollektivität Gesamthandeln der Gruppe, in der der Einzelne insofern als Individuum aufgegangen sei. Daher stehe nicht die streikweise Arbeitsniederlegung durch den einzelnen AN im Vordergrund. Diese stelle sich vielmehr nach der äußeren Erscheinung wie nach der Vorstellung der Beteiligten immer nur als Teil des Gesamthandelns aller dar. Folglich stehe im Vordergrund der Betrachtung immer auch nur der durch das Gesamthandeln bewirkte Kollektivakt. Die streikbedingte Arbeitseinstellung des einzelnen AN dürfe daher nicht individuell gesehen werden, sondern müsse stets aus dem kollektiven Zusammenhang betrachtet werden. Für das Wesen des Arbeitskampfes ergebe sich daraus zweierlei: Als kollektive Erscheinung werde der Arbeitskampf auf zwei unterschiedlichen, aber kongruenten Ebenen existent. Die eine Ebene sei der Kollektivakt als Kampfzustand. Die andere Ebene sei das Gesamthandeln vieler oder gegen viele zur Bewirkung des Kollektivaktes. Die entscheidende Schlussfolgerung von Bulla besteht nun darin, dass beide Ebenen, also das Ge-
322
Handbuch für die Praxis2 (1982) Rz 288; Löffler, Zur Lage des bundesdeutschen Arbeitskampfrechts, DRdA 1987, 160 (161); Seiter, Wandlungen des Arbeitskampfrechts in der Bundesrepublik Deutschland – Zu den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Juni und 22. Dezember 1980, ZAS 1981, 43 (44); Krejci, Aussperrung (1980) 126; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 255. Bulla in FS Nipperdey (1955) 181 f.
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Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
samthandeln aller Kampfteilnehmer und der daraus existent werdende Kampfzustand, identisch seien und daher ihrem kollektiven Wesen nach nicht voneinander zu trennen seien:323 „Daraus folgt, daß das Wesen des Arbeitskampfes ein zweiseitig kollektives ist, je nachdem ob man den Arbeitskampf als solchen, den Kampfzustand als komplexen Kollektivakt beurteilen, oder ob man das gemeinschaftsbewußte Gesamthandeln des einzelnen, abgestellt auf das gleichgerichtete Handeln der anderen und eingebettet in dieses zur Bewirkung der Kollektivaktes, bewerten will. Beide, das Gesamthandeln der vielen und der daraus erstehende kollektive Kampfakt, sind nur zwei Seiten desselben kollektiven Phänomens. Es geht somit nicht an, begrifflich den Arbeitskampf als Kollektivakt vom gemeinsamen Gesamthandeln der vielen einzelnen zu trennen und dieses anders, nämlich individualistisch, betrachten zu wollen. Beides ist in allem, also auch rechtlich unter demselben kollektiven Aspekt zu bewerten. Es widerspricht dem zweiseitig kollektiven Wesen des Arbeitskampfes, wenn man das kampfweise Gesamtverhalten des einzelnen wieder vereinzeln und aus dem kollektiven Zusammenhang, in den es gestellt ist, herausreißen will, um es dann individualrechtlich beurteilen zu können, wo nach dem kollektiven Wesen kollektivrechtliche Vorstellungen eine andere Beurteilung erfordern“.324 Insgesamt lässt sich die vom Großen Senat des BAG entwickelte und maßgeblich von Bulla inspirierte Einheitstheorie wie folgt charakterisieren: Aus dem Wesen des Arbeitskampfes als kollektiver Kampfmaßnahme ergibt sich, dass der Arbeitskampf eine einheitliche kollektive Handlung darstellt. Daraus folgt, dass dieser einheitliche Akt auch in rechtlicher Hinsicht nur einheitlich bewertet werden kann.
1.3. Die kollektivrechtliche Einheitslösung Welche Auswirkungen hat nun diese von der Einheitstheorie geforderte einheitliche Bewertung von Kampfgeschehen und Kampfbeteiligung des Einzelnen auf die arbeitsvertragsrechtlichen Konsequenzen der Kampfbeteiligung? Der Große Senat des BAG vertrat dabei die Position, dass die einheitliche Bewertung des Arbeitskampfes dessen kollektivrechtlichen Wesen gerecht werden müsse. Daher dürfe – so der Große Senat – die streikweise Arbeitsniederlegung auch nicht individualrechtlich gesehen werden, vielmehr sei der kollektive Zusammenhang zu beachten, in dem die Arbeitsniederlegung stehe. Das Handeln des AN ist nicht in seiner Vereinzelung, nicht in seinem Individualhandeln, sondern als Mitglied seiner Gruppe zu bewerten, der er durch seine Streikbeteiligung angehöre. Der Satz, was einzelvertraglich nicht jedem erlaubt sei, werde auch bei kollektivem Handeln nicht rechtmäßig, sei sicher richtig. Dieser Satz gelte aber dann nicht, wenn in 323 324
Bulla in FS Nipperdey (1955) 182 f. Bulla in FS Nipperdey (1955) 183 f.
Einheitliche oder getrennte Beurteilung von Gesamt- und Individualaktion?
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Wahrheit die Einzelhandlung keinerlei selbständige Bedeutung besitze, da sie vielmehr in der Kollektivhandlung aufgehe und wenn die Rechtsordnung die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Kollektivhandelns als solchen selbständig bestimme.325 Als Resultat dieser Erwägungen prägte der Große Senat den entscheidenden Rechtssatz: „Sind Streik und Streikbeteiligung in diesem Sinne ausschließlich kollektivrechtliche Größen, so scheidet die Charakterisierung der Streikbeteiligung als Verletzung des Einzelarbeitsvertrages und damit als vertragswidrig und rechtswidrig dann aus, wenn der Streik als Kollektivakt rechtmäßig ist“.326 Was die arbeitsvertraglichen Folgen der Kampfteilnahme anbelangt, führt die vom BAG vertretene kollektivrechtliche Einheitslösung327 zur Suspendierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag.328 Insgesamt lässt sich die vom Großen Senat des BAG vertretene Sichtweise vom Verhältnis des Arbeitskampfes zum Rechtskreis des Arbeitsvertrages damit wie folgt zusammenfassen: Die gesamte rechtliche Bewertung des gesamten Kampfgeschehens hat sich nach der Gesamtaktion zu richten. Erweist sich die Gesamtaktion als rechtmäßig, so kann für die einzelnen Kampfhandlungen auf der Ebene des Arbeitsvertrages nichts anderes gelten. Sichtbarste Konsequenz der kollektivrechtlichen Einheitslösung ist, dass die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik keinen rechtswidrigen Bruch des Arbeitsvertrages bedeutet.329
325 326 327 328
329
BAG 28.1.1955, GS 1/54, BAGE 1, 291 (304 f). BAG 28.1.1955, GS 1/54, BAGE 1, 291 (305). Begriff nach Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 23 Rz 18. BAG 21.4.1971, GS 1/68, BAGE 23, 292 (310) = AP Nr 43 zu Art 9 GG Arbeitskampf = EzA Nr 6 zu Art 9 GG = SAE 1972, 1 (Richardi) = RdA 1971, 185 = NJW 1971, 1668 = BB 1971, 701 = DB 1971, 1061 = ZAS 1971/27, 217 (Richardi); BAG 22.3.1994, 1 AZR 622/93, BAGE 76, 196 (201) = AP Nr 130 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Oetker) = EzA Nr 115 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Fischer/Rüthers) = AR-Blattei ES Arbeitskampf II Nr 39 (Löwisch) = SAE 1995, 254 (Lieb) = RdA 1995, 57 = NJW 1995, 477 = NZA 1994, 1097 = BB 1995, 410 = DB 1995, 100; BAG 17.6.1997, 1 AZR 674/96, AP Nr 150 zu Art 9 GG Arbeitskampf = EzA Nr 128 zu Art 9 GG Arbeitskampf = AR-Blattei ES Arbeitskampf I Nr 45 = NZA 1998, 47 = DB 1997, 2384; BAG 3.8.1999, 1 AZR 735/98, EzA Nr 133 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Nicolai) = AR-Blattei ES Arbeitskampf II Nr 44 = BB 2000, 776 = DB 2000, 677 = NZA 2000, 487. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass auch eine österreichische Entscheidungsinstanz Sympathien für die kollektivrechtliche Einheitslösung hat erkennen lassen. Das EA Wien qualifiziert in seiner Entscheidung vom 14.11.1953, Re 504/53, Arb 5868 = JBl 1954, 204, nur den widerrechtlichen Streik als Verletzung des Arbeitsvertrages und verknüpft damit die Folgen der Kampfteilnahme auf der Ebene des Arbeitsvertrages unmittelbar mit der rechtlichen Bewertung der Gesamtaktion.
62
2.
Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
Trennungstheorie und individualrechtliche Betrachtungsweise
2.1. Die herrschende Lehre von der Trennungstheorie Im krassen Gegensatz zur vorhin dargestellten einheitlichen Betrachtungsweise des gesamten Arbeitskampfgeschehens steht die österreichische Arbeitskampfdoktrin. Eine einheitliche Bewertung des Arbeitskampfes als ein einheitliches Geschehen wird abgelehnt. Vielmehr wird die Notwendigkeit betont, die Rechte und Pflichten der am Arbeitskampf beteiligten Verbände und ihrer Mitglieder getrennt zu betrachten.330 Folgerichtig vertritt die hL331 damit bei der rechtlichen Bewertung des Arbeitskampfgeschehens eine strikte Trennung der Gesamtaktion von den einzelvertraglichen Folgen der Kampfteilnahme. Es gilt damit die Trennungstheorie332. Die Trennungstheorie kennzeichnet sich dadurch, dass die Frage nach der Rechtmäßigkeit oder der Rechtswidrigkeit der Gesamtaktion für die arbeitsvertraglichen Auswirkungen der Kampfteilnahme ohne jeden Belang ist. Die rechtliche Bewertung der Gesamtaktion vermag damit die individualrechtliche Beurteilung der Handlung des einzelnen Kampfteilnehmers nicht zu beeinflussen.333 Vielmehr hat die rechtliche Bewertung des Arbeitskampfes als kollektive Kampfmaßnahme und der Kampfteilnahme des Einzelnen als Akt im Rahmen des Arbeitsvertrages nach den für jeden der beiden Bereiche geltenden Grundsätzen zu erfolgen.334 Ihre Begründung bezieht die Trennungstheorie im gewichtigen Maße aus der entschiedenen Gegnerschaft ihrer Vertreter zur Einheitslehre. Zur Verdeutlichung soll an dieser Stelle nur eine besonders prononcierte Stimme zu Wort kommen. Bydlinski macht der kollektivrechtlichen Einheitslösung zum Vorwurf, dass es sich dabei um eine besonders „kühne“, um eine systemüberschreitende richterliche Rechtsfortbildung handle, indem die rechtlich doch zweifellos umfassend bestehenden Vertragspflichten zur Arbeit bzw zur Lohnzahlung für den Fall des „kollektivrechtlich legitimen“ Arbeitskampfes schlechthin durch eine ausschließlich kollektivrechtliche Sicht wegargumentiert worden seien. Dieser Ansatz laufe darauf hinaus, dass mehrere Streikende das tun dürfen, was jedem Einzelnen von ihnen verboten sei, bzw dass gegen330 331
332
333
334
Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 267. Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 1040; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 784; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 220; Rebhahn, wbl 2001, 294; Runggaldier in FS Schnorr 270; ders, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 182. Begriff nach Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 468; Radner/Jud/Hauser, Arbeitsrecht3 (2005) Rz 927; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 785; Beumer, Individuelles Streikrecht (1990) 28. Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 1040; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 784; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 222 f; Runggaldier in FS Schnorr 270; Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 117 f. Kraft, Arbeitsvertrag und kollektive Kampfmaßnahmen, RdA 1968, 286 (291).
Einheitliche oder getrennte Beurteilung von Gesamt- und Individualaktion?
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über mehreren Ausgesperrten getan werden dürfe, was sich jeder Einzelne nicht gefallen lasse brauche. Eine solche Konsequenz aber sei normativer Widersinn oder Kollektivmystik.335 Eine gleichsam vorweggenommene Ablehnung der kollektivrechtlichen Einheitslösung enthält bereits die Entscheidung des KG Wels vom 26. November 1923, worin das Gericht ausführt, dass es belanglos sei, ob „ein Arbeiter, der sich für unentbehrlich hält, für sich allein die Arbeit einstellt, um den Arbeitgeber zur Abänderung des Lohnvertrages zu zwingen, oder ob mehrere oder alle Arbeiter zusammen, weil sie unentbehrlich sind, dies tun, immer ist die Arbeitseinstellung gleich Arbeitsverweigerung, somit eine bewußte Verletzung des Dienstvertrages“.336 Angesichts dieser harschen Kritik an der kollektivrechtlichen Einheitslösung verwundert es nicht, dass der überwiegende Teil der Lehre nach wie vor an der strikten Trennung des kollektivrechtlichen vom individualrechtlichen Aspekt des Arbeitskampfes festhält.337
2.2. Die individualrechtliche Betrachtungsweise Konträr zur Position des BAG beantwortet die österreichische Arbeitskampfdoktrin auch die Frage, an welchem rechtlichen Maßstab die arbeitsvertraglichen Folgen der Kampfteilnahme zu messen sind. Entsprechend dem Ansatz der Trennungstheorie, beide Ebenen des Arbeitskampfes nach den für beide Bereiche geltenden Grundsätze zu beurteilen, unterstellt die hL338 die Kampfbeteiligung des einzelnen AN und die des einzelnen AG auf der Ebene des Arbeitsvertrages konsequenterweise dem Arbeitsvertragsrecht sowie den Regeln des allgemeinen Vertragsrechts.339 Die individualrechtliche Betrachtungsweise340 billigt damit dem Arbeitskampf keine Sonderbehandlung im Arbeitsvertragsrecht zu.341 Zugegeben wird von den Vertretern der individualrechtlichen Betrachtungsweise, dass es sich bei ihrem Standpunkt um einen durchaus konservativen handelt.342 Dessen ungeachtet entspricht er nach wie vor dem Stand der hL.343 335 336 337
338 339 340
341
342 343
Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 589 ff. KG Wels 26.11.1923, C 28/23/12, Arb 3189. Vgl stellvertretend: Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 462; Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 261; ders, DRdA 2004, 511; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 1040, 1054. Vgl FN 333. Bydlinski, „Bananenprozeß“ und Schadenersatzrecht, ZAS 1966, 165 (166). Begriff nach Binder, Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, DRdA 1983, 156 (166); ders, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 117 ff; vgl auch Bydlinski, ZAS 1966, 166: „individualrechtliche[s] Konzept“. Spielbüchler, Buchbesprechung zu Krejci, Aussperrung. Verfassungs- und Privatrechtsfragen nach deutschem Recht, DRdA 1981, 347. Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 302; Spielbüchler, DRdA 1981, 347. Vgl Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 261 f; ders, DRdA 2001, 113; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 462; Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 468; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz
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Die rechtliche Erfassung des Arbeitskampfes
Die Anwendung der Regeln des Arbeitsvertragsrechts auf die individuelle Kampfbeteiligung bedeutet vor allem, das Verhältnis des Arbeitskampfes als Gesamtaktion zum Rechtskreis des Arbeitsvertrages schwergewichtig unter dem Gesichtspunkt der diversen Entlassungs-(Austritts-)Tatbestände zu betrachten. Ein Streik, als kampfbedingte Arbeitseinstellung, wird bei alleiniger Heranziehung der Maßstäbe des Arbeitsvertragsrechts damit konsequenterweise in Beziehung zu § 27 Z 4 AngG bzw zu § 82 lit f GewO 1859 gesetzt. So subsumiert beispielsweise das EA Wien den Streik unter das Tatbestandsmerkmal des unbefugten Verlassens der Arbeit und sieht daher den Entlassungsgrund nach § 82 lit f GewO 1859 verwirklicht.344 Das EA St. Pölten anerkennt in seiner Entscheidung vom 3. August 1925 zwar, dass der Streik als Kampfmittel der Arbeiter von größter praktischer Bedeutung sei, daraus aber eine rechtlich erlaubte Maßregel mit Beseitigung der Folgen des § 82 lit f GewO 1859 machen zu wollen, gehe aber bei Bestand dieser Gesetzesstelle nicht an.345 Deutlich sagt das KG Wels in seiner Entscheidung vom 26. November 1923, dass der Streik immer mit Arbeitsverweigerung gleichzusetzen sei und somit eine bewusste Verletzung des Arbeitsvertrages darstelle. Die Gründe des Streiks seien in diesem Belange ganz gleichgültig. Vielmehr könne der AG gem § 82 lit f GewO 1859 das unbefugte Verlassen der Arbeit mit der fristlosen Entlassung beantworten.346 Auf den Punkt gebracht lässt sich die individualrechtliche Betrachtungsweise somit dahingehend charakterisieren, dass in der Teilnahme an einem Arbeitskampf bei bestehenden arbeitsvertraglichen Bindungen aufgrund der Anwendung der allgemeinen Regeln des Arbeitsvertragsrechts auf die Kampfbeteiligung (zumeist347) ein Bruch des Arbeitsvertrages gesehen wird.348
344 345 346 347 348
1040; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 355 ff; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 784; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 223. EA Wien 11.6.1927, A 379/27, Arb 3704. EA St. Pölten 3.8.1925, Reg I 112/25, Arb 3464. KG Wels 26.11.1923, C 28/23/12, Arb 3189. Zu den Kampfmitteln des vertragskonformen Arbeitskampfes in der Sicht der hL s Seite 65. Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 190. S dazu auch die Bewertung von Gebhardt, Außenseiter im Arbeitskampf in Deutschland und im Ausland (1999) 179, die in diesem Zusammenhang für Österreich konstatiert, dass „die Funktionalität der Arbeitskampfordnung auf sehr dünnen Boden gebaut ist“. Drastischer Adomeit, Hans Carl Nipperdey als Anreger für eine Neubegründung des juristischen Denkens, JZ 2006, 745 (748), der den rechtlichen Ansatz, eine streikbedingte Arbeitseinstellung ohne vorherige Kündigung der Arbeitsverträge als einen Bruch des Arbeitsvertrages zu bewerten, als „weltfremde Idee“ bezeichnet.
Dritter Teil Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre I.
Einleitung
1.
Vorbemerkung
Die hL von der individualrechtlichen Betrachtungsweise erfasst die individuelle Kampfbeteiligung des AN, was die Auswirkungen derselben auf den Arbeitsvertrag anbelangt, ausschließlich aus dem Blickwinkel des Arbeitsvertragsrechts.349 Ein Streik als Arbeitsniederlegung bedeutet damit die Nichterfüllung der dem AN aufgrund des Arbeitsvertrages obliegenden Pflicht, seine Arbeitskraft zur Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit zur Verfügung zu stellen.350 In ihrer vertragsrechtlichen Sichtweise konzentriert sich die hL konsequenterweise darauf, den Sachverhalt der kampfbedingten Arbeitseinstellung in Beziehung zu den diversen Entlassungstatbeständen zu setzen. Damit rücken vornehmlich § 27 Z 4 AngG sowie § 82 lit f GewO 1859 in den Mittelpunkt der weiteren Betrachtung. Nach Auffassung der hL verletzen streikende AN ihren Arbeitsvertrag nur dann nicht, wenn sie vorher das Arbeitsverhältnis aufgekündigt haben, oder aber die AN vom allgemein geltenden Zurückbehaltungsrecht des § 1052 ABGB Gebrauch gemacht haben.351 In allen anderen Fällen resultiert aus der Kampfteilnahme der Bruch des Arbeitsvertrages. Im Folgenden gilt es daher zu überprüfen, ob und inwieweit bei strikter Anwendung der allgemeinen Regeln des Arbeitsvertragsrechts die Annahme der fristlosen Lösungsmöglichkeit auf Basis der einschlägigen Entlassungstatbestände einer näheren Analyse Stand halten kann.
349 350
351
Vgl dazu Seite 63 f. Vgl allgemein zur Leistungsverpflichtung des AN: Wachter in Schwimann (Hrsg), ABGB VII3 (2005) § 1 DHG Rz 5 ff; Pfeil in Schwimann (Hrsg), ABGB V3 (2006) § 1151 Rz 13 ff. Vgl dazu nur Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 221; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 785.
66
2.
Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
Vorfragen zu den Rechtsfolgen des vertragswidrigen Arbeitskampfes
2.1. Bedeutet die streikbedingte Arbeitsniederlegung die automatische Beendigung des Arbeitsvertrages? Die Antwort auf die Frage, ob bereits die bloße Tatsache der Streikbeteiligung zur automatischen Beendigung des Arbeitsvertrages führt, muss an der Struktur des Arbeitsverhältnisses anknüpfen. Ganz allgemein ist das Arbeitsverhältnis ein Dauerschuldverhältnis. Dh, anders als ein Zielschuldverhältnis endet das Arbeitsverhältnis nicht durch die einzelnen Erfüllungshandlungen. Erst ein besonderer Endigungsgrund führt zum Erlöschen des Arbeitsverhältnisses.352 Abgesehen von der Auflösung während der Probezeit sind Kündigung, Zeitablauf, einvernehmliche Auflösung oder der Tod des AN jene Endigungsgründe, die diese Rechtsfolge herbeiführen können. Damit ist klar, dass die bloße Arbeitseinstellung den Arbeitsvertrag nicht automatisch auflösen kann.353 Vielmehr bleibt das zwischen den Arbeitsvertragsparteien bestehende Rechtsband trotz kampfbedingter Arbeitseinstellung aufrecht bestehen.354 Konträr zu dieser Auffassung beantwortete aber der VwGH in einem Erkenntnis die Frage nach den Auswirkungen des Streiks auf das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis. Dieses liegt vor, wenn ein AN in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit freiwillig für einen anderen entgeltlich Arbeitsleistungen von wirtschaftlicher Relevanz erbringt.355 Zusätzlich setzt das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis eine Willenseinigung der Parteien über die Leistung und die entgeltliche Empfangnahme abhängiger Arbeit voraus.356 Im Begriff des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses spiegeln sich damit die Kriterien des Dienstnehmerbegriffes nach § 4 Abs 2 ASVG wider. Danach ist DN, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt ist. Gegenüber dem arbeitsvertraglichen Arbeitnehmerbegriff357 fällt 352 353
354
355
356
357
Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 121. Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 259; ders, DRdA 1982, 133; Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 128; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 239; Schneider, Der Streik und seine Rechtsfolgen, JBl 1953, 232 (234). Engelich, DRdA 1963, 340; KG Wels 26.11.1923, C 28/23/12, Arb 3189; GewG Wien 19.4.1921, Cr I 341/21, Arb 3022; EA St. Pölten 18.10.1920, Reg I 91/20, Arb 3021. Holzer, Das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis, SozSi 1972, 258 (259); vgl auch Krejci, Das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis nach österreichischem und deutschem Recht, VSSR 1977, 301 ff. VwGH 17.6.1953, 872/52, SVSlg 2272 = SVSlg 2318 = SVSlg 2323 = JBl 1953, 636 = SozSi 1953, 380 = VersRdSch 1954, 123 = Ind 1953/43, 37 = SozM V G 101; Krejci, Das Sozialversicherungsverhältnis (1977) 49 f; Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Sicht (1971) 46. Zu diesem vgl Wachter in Schwimann (Hrsg), ABGB VII3 (2005) § 1 DHG Rz 5: „Nach hA sind unter dem Begriff ‚Arbeitnehmer’ natürliche Personen zu verstehen, die auf-
Einleitung
67
vor allem auf, dass die Beschäftigung auf Basis eines Vertrages nicht zu den gesetzlichen Wesensmerkmalen des sozialversicherungsrechtlichen Dienstnehmerbegriffes gehört. Um in den Genuss des Versicherungsschutzes zu kommen, reicht damit die bloße faktische Beschäftigung aus.358 Die Bedeutung des Beschäftigungsverhältnisses erschließt sich zum einen aus § 10 Abs 1 ASVG, wonach die Pflichtversicherung grundsätzlich mit dem Tag des Beginnes der Beschäftigung eingreift. Zum anderen endet gem § 11 Abs 1 ASVG die Pflichtversicherung der von § 10 Abs 1 ASVG erfassten Personen prinzipiell mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses.359 In seinem Erkenntnis vom 17. Juni 1953 vertritt der VwGH nun den Standpunkt, dass während eines Streiks das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis beendet werde und begründet dies mit dem Wegfall der notwendigen Willensübereinstimmung; denn auf der einen Seite wolle der AN nicht mehr die Arbeit leisten, wie sie der AG bislang gegen ein bestimmtes Entgelt zu empfangen bereit gewesen sei. Auf der anderen Seite sei der AG nicht mehr willens, die Arbeit so entgegenzunehmen, wie sie der AN nunmehr zu leisten gedenke. Als Folge der (streikbedingten) Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses enden die Pflichtversicherung und die Pflicht zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen.360 Der VwGH übersieht dabei aber, dass ein Streik keineswegs bedeutet, dass der AN seine Arbeit nicht mehr erbringen will. Es ist für den Streik geradezu charakteristisch, dass der AN nach Streikende seine Arbeit fortsetzen will,361 sodass von einer Aufkündigung des Willens, abhängige Arbeit leisten zu wollen, auf Seiten des AN nicht gesprochen werden kann. Auch dem AG kann nicht von vornherein die Absicht unterstellt werden, das Beschäftigungsverhältnis zu lösen. Scharnagl betont richtigerweise, dass der AG vielmehr den Willen habe, die AN, die sich in seinem Betrieb bereits bewährt haben, nach Wiederaufnahme der Arbeit weiter zu beschäftigen.362 Den richtigen Zugang zur vorliegenden Problematik findet
358 359
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grund eines schuldrechtlichen Vertrages zur Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet sind“. Brodil/Windisch-Graetz, Sozialrecht in Grundzügen5 (2005) 34. Nur dann, wenn der Zeitpunkt, an dem der Entgeltanspruch endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammenfällt, lässt § 11 Abs 1 Satz 2 ASVG die Pflichtversicherung erst mit dem Wegfall des Entgeltanspruches erlöschen. VwGH 17.6.1953, 872/52, SVSlg 2272 = SVSlg 2318 = SVSlg 2323 = JBl 1953, 636 = SozSi 1953, 380 = VersRdSch 1954, 123 = Ind 1953/43, 37 = SozM V G 101. So lautete auch die urspr Position des BSozG: BSozG 30.8.1955, 7 RAr 40/55, BSozGE 1, 115; BSoZG 27.1.1956, 7 RAr 81/55, BSozGE 2, 164 und BSozG 26.11.1959, 7 Rar 38/56, BSozGE 11, 79; anders aber seit BSozG 15.12.1971, 3 RK 87/68, BSozGE 33, 254, wonach legale kollektive Arbeitskampfmaßnahmen das versicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis nicht beenden. Vgl dazu Seite 10 f. Vgl weiters Burghardt, Die sozialökonomische und moralische Relevanz des Streiks, in Kummer (Hrsg), Der Streik in der gesellschaftlichen Ordnung von heute (1962) 7 (11), der zu Motivlage der AN im Streikfall ausführt: „An das bestehende Arbeitsverhältnis selbst fühlen sich daher die Streikenden weiterhin gebunden“. Scharnagl, Streik und Sozialversicherung, DRdA 1955 H 17, 10 (11).
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
der VwGH in seinem Erkenntnis vom 13. April 1955. Der VwGH stellt für die Frage einer streikbedingten Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zutreffenderweise darauf ab, ob das Dienstverhältnis streikbedingt vom AG gelöst wird oder nicht. Nur dann, wenn das Dienstverhältnis zu Beginn eines Streiks vom AG aufgelöst wird, werde das bestehende Beschäftigungsverhältnis durch Auflösung und Einstellung der Arbeit beendet.363
2.2. Ist die streikbedingte Arbeitsniederlegung als vorzeitige Austrittserklärung zu deuten? Steht fest, dass ein Streik nicht die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge hat, könnte aber die streikbedingte Arbeitseinstellung dennoch als schlüssige Erklärung des vorzeitigen Austrittes gedeutet werden. Ganz allgemein stellt aber § 863 Abs 1 ABGB an die Konkludenz hohe Anforderungen.364 Eine schlüssige Willenserklärung setzt somit voraus, dass der Erklärungsempfänger dem Verhalten des Erklärenden unzweifelhaft einen konkreten Willen entnehmen kann, wobei allerdings bei der Annahme einer schlüssigen Erklärung Zurückhaltung geboten ist, insbesondere dann, wenn diese negative Rechtsfolgen für den (angeblich) Erklärenden nach sich zieht.365 Camuzzi qualifiziert nun die Arbeitsniederlegung im Zuge eines Streiks als schlüssige Erklärung des vorzeitigen Austritts.366 Camuzzi aber beachtet mE zuwenig die Unterschiede zwischen einem Streik und der vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses. Denn beim vorzeitigen Austritt richtet sich der Wille des AN auf die endgültige Beendigung der bestehenden arbeitsvertraglichen Beziehungen. Anders aber die Situation beim Streik: Mit Hilfe des Streiks beabsichtigen die AN, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Es geht gerade darum, nach Streikende das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, wenngleich auch im Falle eines erfolgreichen Streiks zu geänderten, besseren Bedingungen.367 Anzunehmen, dass mit der streikbedingten Arbeitsniederlegung die AN gleichzeitig ihren vorzeitigen Austritt erklären, hieße, Wesen und Funktion des Streiks zu verkennen, denn die AN verlassen nicht den Dienst, sondern sie verlassen die Arbeit.368 Es kann also den AN nicht der Wille unterstellt werden, mit einem Streik ihren vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis zu erklären.369 363
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VwGH 13.4.1955, 1629/54, SVSlg 4438 = SVSlg 5814; s auch Magistrat der Stadt Wien 26.2.1952, M-Abt 14 L 12/52, SozM V G 27. Nämlich durch die vom Gesetz verwendete Formulierung „keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln“. Bydlinski P., Bürgerliches Recht I Allgemeiner Teil4 (2007) Rz 4/6. Camuzzi, Ist Streik ein Entlassungsgrund? GZ 1925, 109 (110). Gegen Camuzzi bereits Schneider R., GZ 1925, 50. Vgl FN 361. So plakativ Pollak, ZBl 1928, 754. KG Wels, 26.11.1923, C 28/23/12, Arb 3189; GewG Wien 8.7.1924, Cr IV 936/24/4, Arb 3280; Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 469; Rebhahn, DRdA 1982, 133; Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 305; Schneider, JBl 1953, 234.
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II. Zur Entlassung streikender Arbeitnehmer 1.
Einleitung
1.1. Ausgangsposition Die von der Lehre angenommene Möglichkeit für den AG das Arbeitsverhältnis des streikenden AN fristlos lösen zu können, charakterisiert die individualrechtliche Betrachtungsweise schlechthin.370 Jeder Streik von mehr als ganz kurzer Dauer verwirklicht in der die vertraglichen Bindungen in den Mittelpunkt stellenden Sichtweise die Tatbestandsmerkmale „Verlassen der Arbeit“ (§ 82 lit f GewO 1859) bzw „Unterlassen der Dienstleistung“ (§ 27 Z 4 AngG), sodass für die Vertreter der hL die Streikbeteiligung unzweifelhaft die einschlägigen, auf das Unterlassen der Arbeitsleistung abstellenden Entlassungstatbestände verwirklicht.371 Tomandl rechtfertigt die Entlassungsmöglichkeit zusätzlich mit der Notwendigkeit, unbegründete Arbeitskämpfe zu unterbinden. Ein gewisses Risiko müsse mit einem Streik verbunden bleiben. Der potentielle Verlust des Arbeitsplatzes sei die wirksamste Bremse gegen unbegründete Arbeitskämpfe. Speziell eine Rechtsordnung, die den Arbeitskampf nur dulde, müsse bestrebt sein, den Risikogehalt des Arbeitskampfes zu erhalten.372 Ob die im Raum stehende Drohung mit der vorzeitigen Auflösung, der sich die Streikenden gegenübersehen, diese gewünschte kampfretardierende Funktion auch erfüllen kann, ist fraglich. Denn der AG hat nach Kampfende geradezu ein existenzielles Interesse daran, dass die eingearbeitete Belegschaft nach dem Ende des Arbeitskampfes die Arbeit wieder aufnimmt, sodass sich das entlassungsbedingte endgültige Abwandern der AN eigentlich vielmehr als Kampfrisiko des AG darstellt.373 Runggaldier relativiert die von Tomandl geforderte Konnotation eines Streiks mit dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes zusätzlich mit dem Hinweis auf die starke Stellung des ÖGB. Aufgrund des hohen Organisationsgrades und der monopolistischen Stellung des ÖGB könne dieser über kollektivvertragliche Wiedereinstellungsklauseln das Arbeitsplatzrisiko Streikender weitgehend beseitigen.374 Die Rechtsprechung enthält sich weitestgehend genereller Aussagen zur Frage nach der Entlassung Streikender. Symptomatisch dafür ist die Entscheidung des OGH vom 27. Oktober 1953, worin es das Höchstgericht ablehnt, 370 371
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Vgl dazu Seite 63 f. Rebhahn, DRdA 2004, 401; ders, DRdA 1982, 140; Rauch, ASoK 2003, 180 f; Tomandl/ Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 357; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 227; Schima, RdW 1993, 371; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 239; Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 340. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 297 f. Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1975) 357; vgl auch Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 340 und Beumer, Individuelles Streikrecht (1990) 59. Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 199 f.
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
zur Frage Stellung zu beziehen, ob ein Streik in jedem Fall einen Bruch des Arbeitsvertrages darstellt und damit zur Entlassung führt, oder ob nicht die neuere Rechtsentwicklung den Streik als zulässiges Mittel, bessere soziale Bedingungen zu erreichen, ansieht und daher der Streik auch in Bezug auf das Einzelarbeitsverhältnis nicht mehr unbedingt als rechtswidrig zu qualifizieren wäre.375 Das EA Wien zeigt in seiner Entscheidung vom 14. November 1953 zumindest jene Aspekte auf, die bei der anschließenden Betrachtung berücksichtigt werden müssen: Die Leistungsverpflichtung des AN aufgrund des Arbeitsvertrages, die mit dieser Verpflichtung in Widerspruch stehende Streikteilnahme sowie die Duldung des Arbeitskampfes durch die Rechtsordnung.376
1.2. Entlassungsgrund - Entlassungstatbestand Ganz allgemein empfiehlt es sich, bei den vorzeitigen Lösungsgründen die Unterscheidung zwischen Entlassungsgrund und Entlassungstatbestand zu beachten. Der Begriff des Entlassungsgrundes beschreibt dabei jenen konkreten Sachverhalt in der Lebenswirklichkeit, den der AG zur Begründung der Entlassung heranzieht, also im Falle des Streiks, die Arbeitseinstellung. Der Entlassungstatbestand, als abstrahierter Lebensvorgang, hingegen fasst die in einem Gesetz, in einer Norm kollektiver Rechtsgestaltung oder die in einem Arbeitsvertrag enthaltenen Merkmale zusammen, an die die Rechtsfolge der vorzeitigen, fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den AG gebunden ist.377 Aus dem Wesen der Entlassung als außerordentlicher Lösungsgrund ergeben sich drei Grundsätze, die jedem Entlassungstatbestand immanent sind und zwar unabhängig davon, ob diese in der Formulierung des jeweiligen Entlassungstatbestandes explizite Erwähnung finden oder nicht.378 Zum einen muss ein wichtiger Grund vorliegen, der zur Entlassung Anlass gibt. Zum anderen muss sich dieser in der Person des AN ereignet haben. Letztlich muss der Entlassungsgrund derart gewichtig sein, dass für den AG die Weiterbeschäftigung des AN unzumutbar ist. Dass das Arbeitsverhältnis nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vorzeitig, fristlos gelöst werden kann, ergibt sich bereits aus den Formulierungen des § 1162 ABGB bzw des § 25 AngG.379 Kuderna konkretisiert den wichtigen Entlassungsgrund als einen solchen, der „den sich aus dem AV ergebenden 375
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OGH 27.10.1953, 4 Ob 205/53, Arb 5856; ebenso OGH 24.3.1959, 4 Ob 91/58, SZ 32/38 = Arb 7020 = JBl 1959, 506 = SozM II C 7 = Ind 1959 H 5-6, 3. EA Wien 14.11.1953, Re 504/53, Arb 5868 = JBl 1954, 204. Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 57, 63. Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 57; vgl auch OGH 25.3.1980, 4 Ob 42/80, Arb 9863; OGH 13.1.1976, 4 Ob 71/75, Arb 9431 = ZAS 1978/7, 50 (Winkler) = EvBl 1976/128, 241. Die Sondertatbestände des § 27 AngG präzisieren dabei den in § 25 AngG geforderten „wichtigen Grund“, so Steinbauer, Anm zu OGH 3.6.1980, 4 Ob 121/79, ZAS 1981/28, 218 (219).
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Rechten und Pflichten widerstreitet und dem in abstracto eine sehr erhebliche und außerordentliche Bedeutung für die Entlassung zukommt. Es muß sich um ein Ereignis handeln, das aus den allgemeinen Erscheinungsformen des Arbeitslebens herausragt und sich mit besonderer Auffälligkeit von dem normalen Verlauf der Erfüllung eines Arbeitsvertrages abhebt“.380 Ob ein Sachverhalt einen wichtigen Auflösungsgrund darstellt, ist stets nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Die subjektive Einschätzung der Vertragspartner spielt dabei keine Rolle.381 Die Rechtsprechung sieht einen wichtigen Grund dann vorliegen, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den die Auflösung begehrenden Vertragsteil unzumutbar ist.382 Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes als Entlassungsgrund wird damit die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung gefordert.383 Kuderna betont allerdings, dass der wichtige Auflösungsgrund einerseits, und die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung andererseits nicht miteinander verquickt werden dürfen. Obwohl beide Kriterien im Allgemeinen zusammenfallen und sich gegenseitig indizieren, gebe es doch auch Konstellationen, wo dies nicht der Fall sei.384 Daher hat eine getrennte Prüfung beider Tatbestandsmerkmale zu erfolgen. Daran anknüpfend kommt damit dem Erfordernis der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung besondere Bedeutung zu.385 Dabei wird verlangt, dass dem AG die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum nächsten Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann.386 Vielmehr ist sofortige Abhilfe notwendig.387 Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist dann unzumutbar, wenn von einer Person der beteiligten Kreise und nach deren Anschauungen nicht erwartet werden kann, dass sie sich zu diesem Verhalten entschließen wird, sodass man es billigerweise nicht von ihr erwarten kann.388 380 381
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Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 58. Vgl etwa OGH 14.12.1982, 4 Ob 176/82, Arb 10.210; LG Linz 14.9.1998, 7 Cga 78/98w, Arb 11.775 = ZASB 1999, 27 = ARD 5124/33/2000; LGZ Graz 27.5.1987, 33 Cga 1008/87, Arb 10.645. Vgl nur OGH 17.4.2002, 9 ObA 279/01x, ASoK 2003, 245 = ARD 5381/3/2003. LGZ Wien 10.6.1976, 44 Cg 86/76, Arb 9528. Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 57 f. Diese besondere Bedeutung besitzt die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung vor allem dort, wo das Gesetz zur Umschreibung des Entlassungstatbestandes unbestimmte Gesetzesbegriffe, wie zB im Falle des § 27 Z 4 AngG, verwendet. Dabei ermöglicht die Prüfung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung überhaupt erst, die Abgrenzung zwischen einem wichtigen Entlassungsgrund und einem weniger schwerwiegenden Sachverhalt vorzunehmen. S dazu OGH 13.1.1976, 4 Ob 71/75, Arb 9431 = ZAS 1978, 50 (Winkler) = EvBl 1976/128, 241. OGH 12.2.1997, 9 ObA 8/97k, DRdA 1997, 404 = infas 1997 A 78 = ARD 4880/34/97 = ARD 4884/30/97. OGH 29.6.2005, 9 ObA 96/05s, RdW 2005/774, 703 = ARD 5685/7/2006; OGH 10.1.2001, 9 ObA 319/00b, Arb 12.070 = DRdA 2001/16, 176 (Smutny) = DRdA 2001, 452 = RdW 2001/634, 617 = ecolex 2001/220, 622 = ASoK 2001, 230 = infas 2001 A 61 = ARD 5232/8/2001; OGH 10.3.1987, 14 ObA 25/87, Arb 10.614 = wbl 1987, 195. Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 60.
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
Als Kriterien zur Beurteilung dieses essentiellen Tatbestandsmerkmals sind nach Kuderna ua heranzuziehen: Die Schuldintensität, der Kontrast zu oder die Übereinstimmung mit dem sonstigen Verhalten des AN, Reifegrad, Intelligenz, Mentalität, Alter des AN, das Ausmaß der Verfehlung und deren tatsächlichen oder möglichen Folgen und Auswirkungen auf Dritte, die Störung der Betriebsordnung oder des Betriebsablaufs, die Verletzung betrieblicher Interessen, die Art der Arbeit, die soziale Stellung des AN im Betrieb, die Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie eine mit dem Verhalten des AN in Zusammenhang stehende Vertragsverletzung des AG.389
1.3. Welche Entlassungstatbestände kommen in Frage? In eine rechtliche Kategorie übersetzt bedeutet ein Streik, als Einstellung der Arbeit, die Nichterfüllung der aufgrund des aufrecht bestehenden Arbeitsvertrages geschuldeten Leistungsverpflichtung. Die Suche nach möglichen Entlassungstatbeständen konzentriert sich daher auf jene, die das Unterlassen der Dienstleistung sanktionieren. Damit rücken § 27 Z 4 AngG sowie § 82 lit f GewO 1859 in den Mittelpunkt der Betrachtung.390 § 27 Z 4 AngG kennt drei unterschiedliche Tatbestände. § 27 Z 4 Fall 1 AngG beschäftigt sich mit dem pflichtwidrigen Unterlassen der Dienstleistung. § 27 Z 4 Fall 2 AngG erfasst den Fall, dass der Angestellte sich beharrlich weigert, seine Dienste zu leisten oder sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des DG zu fügen. § 27 Z 4 Fall 3 AngG schließlich sanktioniert die Anstiftung anderer Bediensteter zum Ungehorsam gegenüber dem DG. In erster Linie erfüllt – blickt man auf den reinen Gesetzeswortlaut – die Streikteilnahme des Angestellten als Arbeitseinstellung den Tatbestand der pflichtwidrigen Unterlassung der Dienstleistung gem § 27 Z 4 Fall 1 AngG.391 Denkbar wäre aber auch, die Streikteilnahme dem Tatbestand der beharrlichen Dienstverweigerung gem § 27 Z 4 Fall 2 AngG zu unterstellen. Ganz allgemein hat der Entlassungstatbestand der beharrlichen Dienstverweigerung einerseits die Weigerung des Angestellten zum Gegenstand, eine sich aus Gesetz, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Arbeitsvertrag ergebende Verpflichtung zu erfüllen; andererseits betrifft dieser Entlassungstatbestand die Nichtbefolgung einer Arbeitgeberweisung.392 § 27 Z 4 Fall 2 AngG zielt nun aber darauf ab, dass der Angestellte nur die Verrichtung bestimmter Arbeiten ablehnt, gewissermaßen also einen Teil seiner Dienstleistungspflicht
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Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 62. Vgl auch Rauch, ASoK 2003, 181; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 785; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 227. Näher dazu s Seite 76 ff. Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 111.
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nicht erfüllt,393 ohne aber seine Arbeit schlechthin zu unterlassen. Hingegen erfasst der Tatbestand des pflichtwidrigen Unterlassens der Dienstleistung eine Konstellation, wo der Angestellte die Verrichtung jeglicher Arbeit ablehnt, also wie im Fall eines Streiks die Arbeit zur Gänze einstellt.394 Diese Ausführungen besitzen auch Gültigkeit für den einschlägigen Entlassungstatbestand der GewO 1859. Ebenso wie § 27 Z 4 AngG enthält § 82 lit f GewO 1859 drei Tatbestände. § 82 lit f Fall 1 GewO 1859 statuiert das unbefugte Verlassen der Arbeit als Entlassungsgrund. § 82 lit f Fall 2 GewO 1859 sanktioniert die beharrliche Pflichtenvernachlässigung durch den Arbeiter. Die Entlassungsmöglichkeit wegen Anstiftung zum Ungehorsam, zur Auflehnung gegen den Gewerbeinhaber, zu unordentlichen Lebenswandel oder zu gesetzwidrigen Handlungen bzw wegen Versuchs einer solchen Anstiftung wird von § 82 lit f Fall 3 GewO 1859 erfasst. Auch im Anwendungsbereich der GewO 1859 konzentriert sich die Zuordnung der streikbedingten Arbeitseinstellung des Arbeiters auf den ersten Fall des § 82 lit f GewO 1859. Der OGH versteht nämlich unter dem unbefugten Verlassen der Arbeit jede mit der Verpflichtung des Arbeiters, die vereinbarte oder ortsübliche Arbeitszeit einzuhalten, unvereinbare absichtliche Unterlassung oder ein länger dauerndes Aufgeben der Arbeit.395 Die Verweigerung jeglicher Arbeit für einen bestimmten Zeitraum, wie im Falle eines Streiks, qualifiziert der OGH dabei als unbefugtes Verlassen der Arbeit.396 Die Zuordnung der Streikbeteiligung zu § 82 lit f Fall 1 GewO 1859 wird auch von verschiedenen Instanzentscheidungen gestützt.397 393
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So Mörkelsberger, Anm zu OGH 13.7.1982, 4 Ob 73, 74/82, DRdA 1985/11, 207 (208); OGH 24.2.1999, 9 ObA 2/99f, DRdA 1999, 393 = RdW 1999, 608 = ASoK 1999, 334 = infas 1999 A 70 = ARD 5039/15/99. OGH 20.5.1998, 9 ObA 15/98s, Arb 11.728 = DRdA 1998, 443 = DRdA 1999/16, 130 (Resch) = infas 1998 A 138 = Ind 1999/2482 H 1, 8 = ARD 4964/1/98; OGH 14.3.1978, 4 Ob 162/77, Arb 9672 = EvBl 1978/145, 467 = Ind 1978/1113 H 5, 9; Grillberger in Löschnigg (Hrsg), Angestelltengesetz II8 (2007) § 27 Rz 101; Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 104; Mörkelsberger, DRdA 1985/11, 208; allgemein dazu Weisgram, Der Entlassungsgrund der Dienstverhinderung (§ 27 Z 4 AngG), DRdA 1965, 61 ff. OGH 13.11.1984, 4 Ob 114/84, Arb 10.427 = DRdA 1985, 223 = RdW 1985, 222 = infas 1985 A 80; OGH 17.7.1987, 9 ObA 17/87, Arb 10.649 = DRdA 1988, 149 = wbl 1987, 342 = RdW 1987, 419 = infas 1988 A 33 = ARD 3979/18/88; vgl auch OGH 29.8.2002, 8 ObA 170/02k, Arb 12.270 = DRdA 2003, 66 = ASoK 2003, 208 = infas 2003 A 5 = ARD 5424/9/2003; OGH 23.1.2003, 8 ObA 220/02i, DRdA 2003, 457 = ZAS-Judikatur 2003/150, 221 = ZAS-Judikatur 2003/175, 267 = ASoK 2003, 348 = infas 2003 A 57 = ARD 5410/7/2003; ASG Wien 30.10.2002, 33 Cga 95/02k, Arb 12.259 = ZAS-Judikatur 2003/84, 125. OGH 23.4.1985, 4 Ob 49/85, Arb 10.449 = infas 1985 A 135; OGH 13.11.1984, 4 Ob 114/84, Arb 10.427 = DRdA 1985, 223 = RdW 1985, 222 = infas 1985 A 80; vgl auch LG Linz 24.4.1997, 8 Cga 4/97v, Arb 11.595 = ZASB 1998, 35 = ARD 4982/38/98. S etwa GewG Laibach 14.1.1911, Cr I 5/11, GGSlg 1991; GewG Jägerndorf 12.8.1912, Cr 23, 24/12, GGSlg 2145; EA Wien 11.6.1927, A 379/27, Arb 3704; EA Wien 10.9.1928, A 555/28, Arb 3852; KG Wels 26.11.1923, C 28/23/12, Arb 3189; EA Linz 1.9.1929, Reg I 198/27, Arb 3945. Vgl dazu auch Schneider R., GZ 1925, 50.
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
Tomandl398 und Strasser/Reischauer399 wollen aber zusätzlich den Tatbestand der „beharrlichen Dienstverweigerung“ bzw der „beharrlichen Pflichtenvernachlässigung“ herangezogen wissen, wenn der AG die Streikenden zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordern sollte. Diese Rechtsansicht übersieht aber den spezifischen Charakter dieser beiden Entlassungstatbestände, wonach von diesen nur die Nichterfüllung eines Teils der Dienstleistungspflicht des AN sanktioniert werden soll, nicht aber die Unterlassung der Arbeit schlechthin.400 Zudem weist Kuderna, bezogen auf § 27 Z 4 AngG, darauf hin, dass der Tatbestand des pflichtwidrigen Unterlassens der Arbeitsleistung und der Tatbestand der beharrlichen Dienstverweigerung zueinander im Spezialitätsverhältnis stehen. Denn das Unterlassen der Dienstleistung sei zugleich immer auch eine Dienstverweigerung und damit aber ein Spezialtatbestand der beharrlichen Dienstverweigerung,401 sodass schon nach der lex-specialis-Regel dem ersten Fall des § 27 Z 4 AngG bei der Antwort auf die Frage nach dem im Streikfall anwendbaren Entlassungstatbestand der Vorrang zukommt.402 Bydlinski wiederum stellt die Frage in den Raum, ob die Streikbeteiligung nicht auch eine Verletzung der Treuepflicht des AN darstelle, sodass eine Entlassung auch auf Basis von § 27 Z 1 AngG403 in Betracht käme.404 Im Streikfall verletzt der AN aber ganz spezifisch seine Arbeitspflicht und nicht etwa seine Treuepflicht, sodass der speziellere Tatbestand von § 27 Z 4 AngG heranzu398 399
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Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 239. Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 70. Vgl Seite 72 f. Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 104; so auch Friedrich in Marhold/Burgstaller/ Preyer (Hrsg), AngG-Kommentar (2005) § 27 Rz 321. Explizit OGH 25.1.2006, 9 ObA 169/05a, DRdA 2007/39, 339 (Heilegger) = infas 2006 A 52; s auch OGH 24.2.1999, 9 ObA 2/99f, DRdA 1999, 393 = RdW 1999, 608 = ASoK 1999, 334 = infas 1999 A 70 = ARD 5039/15/99. Gleiches gilt für das Verhältnis der beiden einschlägigen Tatbestände des § 82 lit f GewO 1859, da § 82 lit f GewO 1859 von der Rechtsprechung iSd § 27 Z 4 AngG ausgelegt wird; so etwa OGH 25.1.2006, 9 ObA 169/05a, DRdA 2007/39, 339 (Heilegger) = infas 2006 A 52; OGH 20.10.2004, 8 ObA 37/04f, Arb 12.475 = ASoK 2005, 114 = infas 2005 A 18; OGH 18.12.2002, 9 ObA 249/02m, DRdA 2003, 286 = DRdA 2004/4, 45 (Posch) = RdW 2003/518, 597 = ecolex 2003/119, 266 = ASoK 2003, 386 = infas 2003 A 40 = ARD 5418/4/2003; OGH 8.6.1998, 8 ObA 22/98p, Arb 11.732 = ASoK 1999, 35 = ARD 4967/26/98; OGH 17.7.1987, 9 ObA 17/87, Arb 10.649 = DRdA 1988, 149 = wbl 1987, 342 = RdW 1987, 419 = infas 1988 A 33 = ARD 3979/18/88; OGH 15.1.1985, 4 Ob 105/84, DRdA 1985, 315 = infas 1985 A 104; LG Wr. Neustadt 17.9.1999, 6 Cga 194/98b, Arb 11.933 = ZASB 2000, 43. § 27 Z 1 AngG sanktioniert Verstöße gegen die Treuepflicht; s dazu nur Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer (Hrsg), AngG-Kommentar (2005) § 27 Rz 4 und Grillberger in Löschnigg (Hrsg), Angestelltengesetz II8 (2007) § 27 Rz 5. Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 340. Für den Bereich der GewO 1859 stellt sich diese Frage schon wegen der im Vergleich zu § 27 Z 1 AngG engeren Fassung des einschlägigen Tatbestandes von § 82 lit d GewO 1859 (Vertrauensunwürdigkeit nur als Folge eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung) nicht.
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ziehen ist.405 Somit kann sich die weitere Betrachtung auf § 27 Z 4 Fall 1 AngG sowie auf § 82 lit f Fall 1 GewO 1859 konzentrieren.406
2.
Die Tatbestände § 27 Z 4 Fall 1 AngG und § 82 lit f Fall 1 GewO 1859
2.1. Strukturmerkmale Wie vorhin erwähnt wird die Streikbeteiligung des AN von der individualrechtlichen Betrachtungsweise in Beziehung zu den Entlassungstatbeständen des pflichtwidrigen Unterlassens der Dienstleistung bzw des unbefugten Verlassens der Arbeit gesetzt. Zu klären gilt es damit, ob die von der hL aufgestellte Gleichung, wonach ein Streik als Unterlassung der Dienstleistung den AG zur fristlosen Vertragslösung berechtigt,407 in dieser pauschalen Form haltbar ist, dh, Deckung im Gesetz findet. Es geht darum zu zeigen, dass die Anwendung vertragsrechtlicher Regeln nicht jene eindeutige Antwort liefern kann, die die hL von der individualrechtlichen Betrachtungsweise glaubt, eben unter Heranziehung derselben geben zu können. Daher gilt es jetzt, diese beiden oben genannten Entlassungstatbestände einer näheren Analyse zu unterziehen, wobei die Ausführungen sich auf den einschlägigen Entlassungstatbestand des AngG konzentrieren können, da § 82 lit f Fall 1 GewO 1859 ohnehin iSd § 27 Z 4 Fall 1 AngG auszulegen ist.408
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Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 341, beantwortet die von ihm selbst aufgeworfene Frage so, dass allgemein angenommen werde, dass die Häufigkeit und Verkehrsüblichkeit des vertragswidrigen Streiks zwar nicht in der Lage sei, die Vertragsverletzung zu rechtfertigen, dennoch aber die Streikbeteiligung nicht als Verletzung der in ihrem Umfang unsicheren und eben durch die Verkehrssitte begrenzten Treuepflicht erscheinen lasse. Aus der Rechtsprechung liegt zu dieser Frage nur eine Äußerung der Vorinstanz zum Erkenntnis des VwGH vom 11.6.1953, 1484/51, VwSlg 3020 A = Arb 5739, vor, worin es das EA ablehnte, die Streikbeteiligung als Untreue im Dienst und damit als Treuepflichtverletzung zu werten. Vgl auch Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 108: „Unbestreitbar dürfte auch sein, daß eine derartige Unterlassung der Dienstleistung an sich dem 1. Tatbestand des § 27 Z 4 AngG und nicht dem 2. Tatbestand dieser Gesetzesbestimmung zu unterstellen wäre, sofern der einzelne AN jegliche Arbeit (und nicht etwa nur eine von mehreren Tätigkeiten) unterläßt“; aA Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 188, der den Tatbestand der beharrlichen Arbeitsverweigerung heranziehen will. So die hL vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 462; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 1062; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 357; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 785; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 118; Schima, RdW 1993, 371; Rebhahn, DRdA 1982, 140 f; Strasser/ Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 70; Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 90. Vgl FN 402.
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Der OGH sieht den Tatbestand des Unterlassens der Dienstleistung dann als erfüllt an, wenn ein Dienstversäumnis vorliegt, das als pflichtwidrig, erheblich und schuldhaft zu qualifizieren ist.409 Als pflichtwidriges Verhalten ist dabei jedes mit den arbeitsvertraglichen Pflichten oder mit einer durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnung des AG oder mit der Verpflichtung des AN zur Verrichtung der ihm obliegenden und zumutbaren Arbeiten, insgesamt damit jedes vertrags- und rechtswidrige Verhalten, anzusehen.410 Da die Streikteilnahme von der individualrechtlichen Betrachtungsweise als Bruch des Arbeitsvertrages erfasst und damit als vertragswidriges Verhalten qualifiziert wird, folgt daraus in der Sicht der individualrechtlichen Betrachtungsweise die Bewertung der kampfbedingten Arbeitseinstellung als pflichtwidriges Verhalten. § 27 Z 4 Fall 1 AngG fordert weiters, dass der Angestellte die Dienstleistung während einer den Umständen nach erheblichen Zeit unterlässt. Das Kriterium der Erheblichkeit des Dienstversäumnisses wird von der Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass von einem solchen nur dann gesprochen werden kann, wenn dieses nach der Dauer der versäumten Arbeitszeit, nach Maßgabe der Dringlichkeit der zu verrichtenden Arbeit oder aufgrund des Ausmaßes des infolge des Versäumnisses nicht erzielten Arbeitserfolges oder der sonstigen dadurch eingetretenen betrieblichen Nachteile besondere Bedeutung besitzt.411
2.2. Zuordnung der streikbedingten Arbeitseinstellung Bei Umlegung dieser Determinanten auf die streikbedingte Arbeitsniederlegung lässt sich kein einheitliches Bild zeichnen, was die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Erheblichkeit anbelangt. Denn ein Streik wird nicht immer über einen längeren Zeitraum durchgeführt. Damit kann aber die vom Gesetz geforderte Erheblichkeit des Dienstversäumnisses fraglich sein. Von den verschiedenen Varianten des Streiks ist dabei vor allem der Warnstreik von Interesse. Dieser dient dazu, sowohl die Kampfentschlossenheit als auch inhaltliche Positionierungen einer Gewerkschaft oder eines Arbeitnehmerkol-
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Vgl etwa OGH 23.4.1985, 4 Ob 49/85, Arb 10.449 = infas 1985 A 135; OGH 13.11.1984, 4 Ob 114/84, Arb 10.427 = DRdA 1985, 223 = RdW 1985, 222 = infas 1985 A 80; OGH 23.6.1981, 4 Ob 127/80, Arb 9991 = DRdA 1982, 53; OGH 14.11.1972, 4 Ob 78, 79, 80/72, Arb 9046 = DRdA 1974, 27 (Schwarz B.) = EvBl 1973/114, 265 = SozM I A/d 1061. OGH 18.4.1978, 4 Ob 7/78, Arb 9690; Pfeil in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 27 AngG Rz 101. OGH 25.1.2006, 9 ObA 169/05a, DRdA 2007/39, 339 (Heilegger) = infas 2006 A 52; OGH 20.10.2004, 8 ObA 37/04f, Arb 12.475 = ASoK 2005, 114 = infas 2005 A 18; OGH 27.9.1989, 9 ObA 269, 270/89, ecolex 1990, 171 = ARD 4151/14/90; OGH 13.5.1986, 14 Ob 74/86, Arb 10.521 = DRdA 1987, 23 = infas 1986 A 129; OGH 23.4.1985, 4 Ob 49/85, Arb 10.449 = infas 1985 A 135.
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lektivs der Gegenseite eindringlich vor Augen zu führen.412 Um diesen Zweck zu verwirklichen, reicht es zumeist aus, die Arbeitsniederlegung auf wenige Stunden zu beschränken.413 Setzt man jetzt einen Warnstreik in Beziehung zum Kriterium der Erheblichkeit des Dienstversäumnisses, so kann Folgendes festgehalten werden:414 Auszugehen ist davon, dass bei der Frage nach der Erheblichkeit die Umstände des Einzelfalles von gewichtiger Bedeutung sind.415 Damit können aber gleichzeitig generelle Aussagen zu der für die Erfüllung des Tatbestandes notwendigen Dauer des Dienstversäumnisses nicht getroffen werden.416 Allgemein stellt das Kriterium der Erheblichkeit insbesondere darauf ab, dass der AG erhöhten Bedarf an der Arbeitsleistung des Angestellten während dessen Dienstversäumnisses gehabt hat.417 Anknüpfend daran schwanken die Angaben der Rechtsprechung zur konkreten Dauer eines zur Entlassung berechtigenden, weil erheblichen Dienstversäumnisses. So beurteilte der OGH die halbstündige Abwesenheit eines Bewachungsorgans vom Arbeitsplatz als erhebliches Dienstversäumnis.418 Ebenso sah die Judikatur in dem Fernbleiben von der Arbeit im Ausmaß von eineinhalb419 bzw zwei420 Tagen die Erheblichkeit verwirklicht. Umgekehrt erblickte das LGZ Wien im einmaligen Fernbleiben von der Arbeit in einem geringeren Umfang als dem eines ganzen Tages keinen Entlassungsgrund.421 Auch das einen Nachmittag 412 413
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Vgl zum Warnstreik Seite 16. Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 14 Rz 13; Weller, Zur rechtlichen Stellung des Warnstreiks in der Arbeitskampfordnung, ArbuR 1989, 325; vgl zur Dauer von Warnstreiks folgende Beispiele aus der Rechtsprechung des BAG: BAG 17.12.1976, 1 AZR 605/75, BAGE 28, 295 = AP Nr 51 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Rüthers) = EzA Nr 19 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Otto) = SAE 1977, 233 (Konzen) = RdA 1977, 194 = BB 1977, 595 = DB 1977, 824 = NJW 1977, 1079: zwei bis drei Stunden; BAG 12.9.1984, 1 AZR 342/83, BAGE 46, 322 = AP Nr 81 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Herschel) = EzA Nr 54 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Seiter) = RdA 1985, 52 = RdA 1985, 61 = NZA 1984, 393 = DB 1984, 2563 = NJW 1985, 85: Arbeitsniederlegungen im zeitlichen Ausmaß von 15 bis 330 Minuten. Die Notwendigkeit, die Erheblichkeit des Dienstversäumnisses insbesondere im Falle eines Warnstreiks einer Prüfung zu unterziehen, betont auch Pfeil in Schwimann (Hrsg), ABGB V3 (2006) § 1162 Rz 85; ders in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 27 AngG Rz 110. OGH 20.10.2004, 8 ObA 37/04f, Arb 12.475 = ASoK 2005, 114 = infas 2005 A 18; OGH 12.9.1972, 4 Ob 59/72, Arb 9015 = ZAS 1976/1, 17 (Gutknecht) = SozM I A/d 1049. Vgl Pfeil in Schwimann (Hrsg), ABGB V3 (2006) § 1162 Rz 89 ff. OGH 25.1.2006, 9 ObA 169/05a, DRdA 2007/39, 339 (Heilegger) = infas 2006 A 52; OGH 20.12.2004, 8 ObA 37/04f, Arb 12.475 = ASoK 2005, 114 = infas 2005 A 18; OGH 2.9.1987, 9 ObA 61/87, RdW 1988, 53 = ARD 3954/14/88; OGH 29.8.1961, 4 Ob 98/61, SZ 34/108 = Arb 7412 = SozM I A/d 443; LGZ Wien 24.1.1963, 44 Cg 17/63, Arb 7684; ArbG Linz 23.9.1957, 1 Cr 122/57, Arb 6706. OGH 11.9.1991, 9 ObA 150/91, infas 1992 A 15. EA Leoben 25.11.1936, Reg I 21/36, Arb 4706. LGZ Wien 29.11.1962, 44 Cg 203/62, Arb 7758. LGZ Wien 28.8.1958, 44 Cg 153/58, Arb 6915 = SozM I A/d 351. In der Entscheidung des OLG Wien vom 20.10.2005, 10 Ra 109/05f, ARD 5689/6/2006, wurde sogar ein
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und einen Vormittag betreffende Arbeitsversäumnis422 bzw das Unterlassen der Dienstleistung während eines Nachmittages423 wurde von der Rechtsprechung nicht dem Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit unterstellt. Im Geltungsbereich des besonderen Kündigungsschutzes nach dem MSchG judizierte der OGH, dass ein zweistündiges, unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst allein nicht ausreicht, um die Zustimmung des Gerichts zur Entlassung einer besonders bestandgeschützten AN gem § 12 Abs 2 Z 1 MSchG424 zu erreichen.425 Setzt man jetzt diese zeitlichen Präzisierungen in Beziehung zur Teilnahme des AN an einem Warnstreik in der üblichen Dauer von wenigen Stunden, so kann die Arbeitsniederlegung im Rahmen eines Warnstreiks wegen des Fehlens eines erheblichen Arbeitszeitversäumnisses mE nicht als erhebliches, zur Entlassung berechtigendes Dienstversäumnis gewertet werden. Zurückkommend auf die Situation beim „regulären“ Kampfstreik und anknüpfend an die oben bereits dargestellten, für jeden Entlassungstatbestand essentiellen Tatbestandsmerkmale – Vorliegen eines wichtigen Grundes, Ereignung desselben in der Person des AN und Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung – wurde die Frage nach dem Vorliegen eines wichtigen Grundes von der hL durch die Unterstellung der Streikbeteiligung unter die vorhin diskutierten Entlassungstatbestände (§ 27 Z 4 Fall 1 AngG, § 82 lit f Fall 1 GewO 1859) bereits bejahend beantwortet.426 Ebenso bereitet das Kriterium der Erheblichkeit des Dienstversäumnisses, stellt man auf dessen zeitliche Komponente ab, beim Erzwingungsstreik wegen dessen längerer Dauer keine Probleme. Wie verhält es sich nun aber mit dem für jeden Entlassungstatbestand essentiellen Erfordernis der Unzumutbarkeit der Fortbeschäftigung des AN? Grundsätzlich kommt dem Kriterium der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der Prüfung der Entlassungstatbestände eine eigenständige Bedeutung zu, da dieses Kriterium erst die Abgrenzung zwischen einem geringfügigen und einem die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den AG rechtfertigenden Sachverhalt ermöglicht.427 Denn der OGH betont, dass es eben keinen Katalog von Handlungen gibt, die jedenfalls bzw keinesfalls zur Entlassung führen.428 Jeder Entlassungsgrund setzt
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zweitägiges Dienstversäumnis mangels Erheblichkeit als nicht tatbestandsmäßig gewertet. ArbG Wien 30.4.1958, 6 Cr 15/58, SozM I A/d 343. KG Leoben 25.1.1955, 1 Cg 21/54, Arb 6154. Gem § 12 Abs 2 Z 1 MSchG darf das Gericht die Zustimmung zur Entlassung der AN nur dann erteilen, wenn die AN die ihr auf Grund des Arbeitsverhältnisses obliegenden Pflichten schuldhaft gröblich verletzt, insbesondere wenn sie ohne einen rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Arbeitsleistung unterlässt. OGH 16.3.1982, 4 Ob 17/82, DRdA 1982, 324 = SozM III B 227 = ARD 3408/11/82. S zu alldem Seite 69 ff. Vgl nur OGH 5.6.2002, 9 ObA 41/02y, Arb 12.231 = ARD 5356/35/2002. OGH 4.12.2002, 9 ObA 230/02t, Arb 12.276 = DRdA 2003, 285 = DRdA 2003/51, 557 (Risak) = RdW 2003/516, 597 = ASoK 2003, 387 = infas 2003 A 39 = ARD 5403/9/2003. Vgl dazu auch Marhold, Anm zu OGH 23.9.1975, 4 Ob 41/75, ZAS 1976/20, 182 (183):
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damit voraus, dass dem AG aufgrund des tatbestandsmäßigen Verhaltens des AN nach der Lage der Umstände die Fortsetzung der Vertragsbeziehungen bis zum nächsten Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann.429 Vor allem dort, wo sich das Gesetz zur Umschreibung eines „wichtigen Grundes“ unbestimmter Rechtsbegriffe bedient, erlangt die Frage nach der Zumutbarkeit bzw Unzumutbarkeit entscheidende Bedeutung.430 Eine solche Situation liegt im Falle des § 27 Z 4 Fall 1 AngG vor. Wann ein Dienstversäumnis „erheblich“ ist, lässt sich allein aus dem Gesetz heraus nicht beantworten. Vielmehr bedarf dieses Tatbestandsmerkmal einer Interpretation, die unter Zuhilfenahme des Kriteriums der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung erfolgt. Erheblich ist das Unterlassen der Dienstleistung somit immer dann, wenn das Dienstversäumnis dem AG die Weiterbeschäftigung unzumutbar macht.431 Umgekehrt ergibt sich aus der mangelnden Erheblichkeit die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung.432 Damit lassen sich erst aus dem Zusammenspiel zwischen dem im AngG vertypten wichtigen Entlassungsgrund des erheblichen Dienstversäumnisses einerseits und dem Kriterium der Unzumutbarkeit andererseits Aussagen über eine (gerechtfertigte) Entlassungsmöglichkeit gewinnen. Ob dabei jetzt ein Verhalten die Annahme der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung begründen kann, ist sowohl unabhängig von der Dauer der Kündigungsfrist bzw von der Zeitspanne, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch verstreichen müsste, zu beurteilen als auch unabhängig von der Gelegenheit, dienstliche Interessen zukünftig erneut zu verletzen, zu be-
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„Wegen der Struktur des Arbeitsverhältnisses als eines Dauerrechtsverhältnisses mit ausgeprägten persönlichen Bindungen sind Auflösungsgründe nicht notwendigerweise Vertragsverletzungen und umgekehrt (zB Vertrauensunwürdigkeit). Auch daraus ist erkennbar, daß ein Auflösungsrecht nur dort bestehen soll, wo die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses einer Partei nicht zugemutet werden kann. Der einzelne wichtige Grund kann somit nur als Konkretisierung des allgemeinen Unzumutbarkeitsprinzips verstanden werden“. Vgl etwa OGH 4.12.2002, 9 ObA 230/02t, Arb 12.276 = DRdA 2003, 285 = DRdA 2003/51, 557 (Risak) = RdW 2003/516, 597 = ASoK 2003, 387 = infas 2003 A 39 = ARD 5403/9/2003; OGH 5.6.2002, 9 ObA 41/02y, Arb 12.231 = ARD 5356/35/2002; OGH 31.5.2000, 9 ObA 19/00k, DRdA 2000, 535 = RdW 2000/677, 691 = ASoK 2001, 102 = infas 2000 A 110 = ARD 5196/19/2001; OGH 25.6.1997, 8 ObA 101/97m, Arb 11.624: Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung als wesentliche Voraussetzung für eine Entlassung. OGH 13.1.1976, 4 Ob 71/75, Arb 9431 = ZAS 1978/7, 50 (Winkler) = EvBl 1976/128, 241; OGH 24.9.1974, 4 Ob 51/74, Arb 9255 = DRdA 1976, 70 (Grillberger) = SozM I A/d 1106. OGH 23.1.2003, 8 ObA 220/01i, DRdA 2003, 457 = ZAS-Judikatur 2003/150, 221 = ZAS-Judikatur 2003/175, 267 = ASoK 2003, 348 = infas 2003 A 57 = ARD 5410/7/2003; OGH 11.9.1991, 9 ObA 150/91, infas 1992 A 15; Risak, Anm zu OGH 4.12.2002, 9 ObA 230/02t, DRdA 2003/51, 559 (561). OGH 4.9.2002, 9 ObA 51/02v, ARD 5410/5/2003.
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werten.433 Neben diesen allgemein gehaltenen Grundsätzen lassen sich der Rechtsprechung aber auch konkrete Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage entnehmen, wann bzw in welcher Situation ein bestimmtes Verhalten des AN dem AG die Fortführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Der OGH stellt dabei auf die Schuldintensität, die näheren Umstände der Begehung, auf das Ausmaß der Verfehlung und deren tatsächlichen oder möglichen Folgen und Auswirkungen auf den Betriebsablauf oder Dritte, weiters auf die Verletzung betrieblicher Interessen, eine allfällige Duldung des Verhaltens, auf die Art der Arbeit, die soziale Stellung des AN im Betrieb, schließlich auch noch auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses und auf das bisherige Verhalten des AN ab.434 Ob dem AG die Weiterbeschäftigung tatsächlich unzumutbar ist, beurteilt sich anhand der gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise und nicht nach der persönlichen Einstellung des AG.435 Es ist also ein objektiver Maßstab anzulegen.436 Insgesamt gesehen muss es sich im Fall der Entlassung um einen Sachverhalt handeln, der seinem Gewicht nach die Weiterbeschäftigung des AN schlechthin unzumutbar erscheinen lässt.437 Diese notwendige Mindestschwere des Entlassungsgrundes folgt zum einen aus dem Wesen des vorzeitigen Lösungsrechts als „Notbremse“ für unzumutbar gewordene Dauerschuldverhältnisse, zum anderen aus dem System der §§ 25 ff AngG, wonach die den „wichtigen Grund“ konkretisierenden Entlassungstatbestände eben an diesem „wichtigen Grund“ und damit an der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung zu messen sind.438 Zieht man jetzt diese oben herausgearbeiteten Wertungsgesichtspunkte heran, um die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bei einer Streikbeteili-
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OGH 4.12.2002, 9 ObA 192/02d, ASoK 2003, 388; OGH 29.8.2002, 8 ObA 12/02a, ASoK 2003, 416 = ARD 5382/6/2003; OGH 10.1.2001, 9 ObA 319/00b, Arb 12.070 = DRdA 2001/16, 176 (Smutny) = DRdA 2001, 452 = RdW 2001/634, 617 = ecolex 2001/220, 622 = ASoK 2001, 230 = infas 2001 A 61 = ARD 5232/8/2001. OGH 31.5.2000, 9 ObA 19/00k, DRdA 2000, 535 = RdW 2000/677, 691 = ASoK 2001, 102 = infas 2000 A 110 = ARD 5196/19/2001; vgl dazu auch Kuderna, Die arbeitsrechtliche Beurteilung von Ehrenbeleidigungen, ZAS 1966, 125 (126). Es geht also um die Beurteilung des Gesamtverhaltens des AN, s dazu OGH 4.10.2000, 9 ObA 216/00f, RdW 2001/256, 238 = ASoK 2001, 164 = infas 2001 A 18 = ARD 5193/30/2001: Für die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist kommt es nach Ansicht des OGH allein darauf an, ob „das (Gesamt-)Verhalten des AN nach den gewöhnlichen Anschauungen, sohin objektiv die Befürchtung erweckt, dass dienstliche Interessen des Arbeitgebers künftighin gefährdet sind“. Kuderna, ZAS 1966, 126; ders, Das Entlassungsrecht2 (1994) 60. OGH 10.1.2001, 9 ObA 319/00b, Arb 12.070 = DRdA 2001/16, 176 (Smutny) = DRdA 2001, 452 = RdW 2001/634, 617 = ecolex 2001/220, 622 = ASoK 2001, 230 = infas 2001 A 61 = ARD 5232/8/2001. OGH 13.2.2003, 8 ObA 6/03w, DRdA 2003, 458 = ASoK 2004, 26 = infas 2003 A 78 = ARD 5418/7/2003. Risak, DRdA 2003/51, 561; vgl auch OGH 28.10.1994, 9 ObA 193/94, Arb 11.303 = RdW 1995, 152 = ARD 4644/19/95: „§ 1162 bildet lediglich die Generalklausel, die in den sondergesetzlichen Entlassungstatbeständen konkretisiert wird“.
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gung des AN (und damit letztlich auch die Möglichkeit zur Entlassung insgesamt) zu klären, lässt sich folgendes festhalten: Die Streikteilnahme als Vertragsbruch hat naturgemäß erheblich nachteilige Auswirkungen auf den Betriebsablauf. Auf der anderen Seite steht aber die vom OGH geforderte Rücksichtnahme auf die näheren Umstände der Begehung der Vertragsverletzung, die in die Zumutbarkeitserwägungen einfließen müssen. Damit geht es aber auch um die Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des AN, der sich vielleicht bis zur Streikteilnahme bestens bewährt hat und sich nie eine Vertragsverletzung hat zu Schulden kommen lassen.439 Damit zeigt sich aber, dass die Frage nach der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung von einer Vielzahl von Determinanten bestimmt wird, die im Einzelfall vom Gericht gewichtet und bewertet werden müssen, sodass sich mE schematische Aussagen zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Streikfall gar nicht treffen lassen. Es sei denn, die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung wird von vornherein verneint,440 oder es werden die gegen den AN sprechenden Kriterien zur Bestimmung der Unzumutbarkeit (Schuldintensität, Auswirkungen auf den Betriebsablauf) in den Vordergrund gestellt, „entlastende“ Gesichtspunkte (Dauer des Arbeitsverhältnisses, bisheriges Verhalten des AN) hingegen ignoriert. Eine vermittelnde Position nimmt in diesem Zusammenhang Runggaldier ein. Runggaldier betont richtigerweise, dass Zumutbarkeitserwägungen (auch) im Falle einer Streikbeteiligung angestellt werden müssen, wobei Runggaldier als Kriterien die Länge, die Zielsetzung und die objektive Berechtigung des Streiks ins Spiel bringt.441 Damit tut Runggaldier nichts anderes, als den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien zur Beurteilung der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung – übersetzt auf den Streikfall – Rechnung zu tragen. Aus all dem folgt mE, dass nicht jede Streikteilnahme dem AG zwingend einen Grund zur rechtmäßigen Entlassung des Streikenden gibt, andererseits eine streikbedingte Entlassung auf Basis des § 27 Z 4 Fall 1 AngG aber auch nicht ausgeschlossen ist. Der Einzelfall entscheidet.442 Der
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Dass die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung nicht mit dem Argument der durch die Streikteilnahme bedingten Treuepflichtverletzung begründet werden kann, betont zutreffend Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 95 f. So Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 110, mit dem Argument, dass die im Regelfall nach Streikende erfolgende Weiterbeschäftigung eines Großteils der AN die objektive Zumutbarkeit der Fortbeschäftigung jener AN begründe, die die Arbeit wieder aufgenommen haben. Runggaldier in FS Schnorr 270. Vgl dazu auch die Kritik des BAG in seiner Entscheidung vom 28.1.1955, GS 1/54, BAGE 1, 291 (307) = AP Nr 1 zu Art 9 GG Arbeitskampf = NJW 1955, 822 = JZ 1955, 386 = BB 1955, 412. Das Gericht machte der hL zum Vorwurf, durch die generalisierende Anwendung des damals in Geltung stehenden, mit § 82 lit f GewO 1859 inhaltlich vergleichbaren § 123 Z 3 dGewO 1869 dem Einzelfall nicht genug Rechnung zu tragen. Das Gericht ging dann aber noch einen Schritt weiter, indem es die Einzelfallbetrachtung gerade für den Fall des Streiks als Kollektivakt als nicht passend erachtete und daher als
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Aufbau dieses Entlassungstatbestandes sowie die von Lehre und Rechtsprechung vorgenommene Konkretisierung desselben fordert eine differenzierte Betrachtung auch im Falle des Streiks ein.443 Jedenfalls machen diese Erwägungen mE deutlich, dass auch bei konsequenter Handhabung der Grundsätze des Arbeitsvertrags- und speziell des Entlassungsrechts sich die undifferenzierte, schematische Einordnung der Streikteilnahme als Entlassungsgrund444 verbietet.445 Die Feststellung, dass entgegen der hL aufgrund der vorhin vorgenommenen Konkretisierung des § 27 Z 4 Fall 1 AngG ein gleichsam reflexartiger Rückgriff auf das Mittel der Entlassung als Reaktion auf die Streikteilnahme des AN im Gesetz selbst keine Deckung findet, erhärtet sich durch einen Blick auf die einschlägige Rechtsprechung. Denn aus den wenigen Fällen, in denen sich die Rechtsprechung dieser Problematik stellte, lässt sich kein einheitliches Bild zeichnen. Sofern die Rechtsprechung der Beantwortung dieser Frage nicht überhaupt gänzlich auswich,446 finden sich sowohl Entscheidungen, die eine generelle Entlassungsmöglichkeit bejahen447 als auch Entscheidungen, die den gegenteiligen Standpunkt einnehmen, eine pauschale Entlassungsmöglichkeit also verneinen.448 Auch der Rechtsprechung lässt sich somit keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Bestehen einer generellen Möglichkeit für den AG entnehmen, die Streikteilnahme mittels fristloser Vertragslösung zu sanktionieren.449 Die Rechtslage, was das Verhältnis der Streikbeteiligung zu den ein-
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nicht praktikabel ansah. Darin sah das BAG einen Beweis für die Unmöglichkeit der individualrechtlichen Erfassung des Streikgeschehens. Vgl dazu auch Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 96, die der hL ebenfalls den Vorwurf macht, nicht zu differenzieren. Vgl zur schematischen Einordnung die in FN 407 angeführte hL. Zweifel an der generellen Entlassungsmöglichkeit äußert auch Runggaldier in FS Schnorr 271. OGH 24.3.1959, 4 Ob 91/58, SZ 32/38 = Arb 7020 = JBl 1959, 506 = SozM II C 7 = Ind 1959 H 5-6, 3; OGH 27.10.1953, 4 Ob 205/53, Arb 5856. In diese Richtung auch VwGH 11.6.1953, 1484/51, VwSlg 3020 A = Arb 5739. GewG Laibach 14.1.1911, Cr I 5/11, GGSlg 1991; GewG Jägerndorf 12.8.1912, Cr 23, 24/12, GGSlg 2145; EA Klagenfurt 15.11.1922, Reg I 180/22, Arb 3096; EA Graz 28.7.1923, R I 103/23, Arb 3172; KG Wels 28.11.1923, C 28/23/12, Arb 3189; GewG Wien 8.7.1924, Cr IV 936/24/4, Arb 3280; EA Salzburg 1.7.1924, Reg I 114/24/3, Arb 3282; EA St. Pölten 3.8.1925, Reg I 112/25, Arb 3464; EA Wien 11.6.1927, A 379/27, Arb 3704; EA Wien 10.9.1928, A 555/28, Arb 3852; KG St. Pölten 19.11.1953, 3 Cg 24/53, Arb 5871; EA Linz 19.12.1966, Re 44/66, Arb 8400 = Ind 1967/615 H 3, 4. EA St. Pölten 23.12.1920, Reg I 108/20, GGSlg 3004; EA Wien 10.1.1923, A 1957/22, Arb 3360; ArbG Judenburg 29.1.1950, Cr 98/50, SozM II B 99; ArbG Steyr 2.3.1951, Cr 71/50, SozM I E 7; EA Wien 14.11.1953, Re 504/53, Arb 5868 = JBl 1954, 204; EA Amstetten 4.2.1955, Re 13/54, Arb 6165. Die von Mayer-Maly, Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts in Deutschland und in den westlichen Industriestaaten vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis 1945, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte. Beiheft 16 (1980) 11 (19), konstatierte Einmütigkeit der Rechtsprechung dahingehend, dass ein Streik ohne vorausgehende Kündigung des Ar-
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schlägigen Entlassungstatbeständen anbelangt, ist damit keineswegs klar. Dieser Befund verfestigt sich beim Blick auf ein weiteres, für den Entlassungstatbestand des § 27 Z 4 Fall 1 AngG notwendiges Erfordernis: Gemeint ist damit das Verschulden des AN an der Unterlassung der Dienstleistung.
2.3. Das Verschuldenserfordernis § 27 Z 4 Fall 1 AngG verlangt schließlich, dass der AN die Dienstleistung schuldhaft, dh, entweder vorsätzlich oder fahrlässig, unterlässt.450 Schuld ist die Vorwerfbarkeit eines bestimmten pflichtwidrigen Verhaltens, wobei dem vorsätzlich Handelnden die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bekannt sein muss, während dem fahrlässig Handelnden die Pflichtwidrigkeit bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt erkennbar sein muss.451 Zur rechtmäßigen Entlassung auf Basis von § 27 Z 4 Fall 1 AngG genügt damit auf Seiten des AN bewusste Fahrlässigkeit hinsichtlich des Verhaltens, das zum ungerechtfertigten Unterbleiben der Dienstleistung führt.452 Während Tomandl eine nähere Prüfung der subjektiven Seite dieses Entlassungstatbestandes für entbehrlich hält, da im Streikfall ohnehin von Vorsatz auf Seiten der AN auszugehen sei,453 weist schon das Erkenntnis des VwGH vom 11. Juni 1953 darauf hin, dass ein allzu schnelles Hinweggehen über das Verschuldenselement nicht angebracht ist.454 Ohne das aufgeworfene Problem letztendlich auch zu klären, stellt sich nämlich der VwGH in diesem Erkenntnis die Frage, ob bei einem Betriebsratsmitglied eine Arbeitsniederlegung verbunden mit einer führenden Rolle bei der Durchführung des Streiks, eben weil dieses Verhalten im Zusammenhang mit einem Streik steht, dieses Verhalten subjektiv nicht als Pflichtverletzung erscheine.455 In diese Kerbe schlägt nun Kleiner mit seiner Auffassung, dass bei einer Arbeitsniederlegung im Rahmen eines von der Gewerkschaft geführten Streiks eine Verletzung von Vertragspflichten subjektiv nicht gegeben sei und zieht zur Untermauerung seiner Rechtsansicht das vorhin geführte Erkenntnis des VwGH heran.456 ME liest Kleiner aus der sehr
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beitsverhältnisses einen Entlassungsgrund darstelle, lässt sich angesichts der vorhin angeführten Entscheidungen nicht feststellen. OGH 24.1.1984, 4 Ob 81/83, ARD 3625/13/84; OGH 23.6.1981, 4 Ob 127/80, Arb 9991 = DRdA 1982, 53; OGH 3.6.1973, 4 Ob 57, 58/73, Arb 9135 = SozM I A/d 1077; OGH 19.12.1972, 4 Ob 96/72, Arb 9075 = SozM I A/b 91; OGH 14.11.1972, 4 Ob 78, 79, 80/72, Arb 9046 = DRdA 1974, 27 (Schwarz B.) = EvBl 1973/114, 265 = SozM I A/d 1061. Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 70, 72. Oberhofer, Anm zu OGH 16.11.1994, 9 ObA 206/94, DRdA 1995/49, 514 (515). OGH 23.2.2006, 8 ObA 88/05g, ARD 5689/3/2006. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 240. Dass die Frage des Verschuldens zu untersuchen ist, betont auch Friedrich in Marhold/ Burgstaller/Preyer (Hrsg), AngG-Kommentar (2005) § 27 Rz 339. VwGH 11.6.1953, 1484/51, VwSlg 3020 A = Arb 5739. Kleiner, Die Folgen der Teilnahme am Streik, DRdA 1953 H 7, 7 (8).
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vorsichtigen Formulierung des VwGH zuviel an konkreten Rechtsfolgen heraus. Mayer-Maly stellt hingegen dieses Erkenntnis des VwGH in den richtigen Zusammenhang, wenn er in diesem lediglich einen Ausdruck richterlicher Entscheidungsökonomie457 sieht.458 Allerdings prognostiziert Mayer-Maly aufgrund dieses Erkenntnisses des VwGH, dass für den Fall der Anerkennung eines Streikrechts dieses nur für den Streik als gewerkschaftliches Kampfmittel gelten sollte.459 Ob sich diese Prognose bewahrheiten wird, kann hier dahingestellt bleiben. Dass das subjektive Moment des Entlassungstatbestandes im Falle eines Streiks eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt, zeigen auch jene Entscheidungen, die sich mit dem Einfluss von Zwang und gesellschaftlicher Ächtung auf das Entscheidungsverhalten von solchen AN auseinandersetzen, die sich unter dem Eindruck dieser „äußeren“ Einflüsse an einem Streik beteiligten. Das EA Linz anerkannte die bei einem Betriebsratsmitglied im Streikfall bestehende Zwangslage, bei Nichtbeteiligung am Streik in den Augen der übrigen AN als Streikbrecher angesehen zu werden, und lehnte deshalb die Entlassung der streikenden Betriebsratsmitglieder mangels Verschulden ab.460 Auch das EA Wien folgte in seiner Entscheidung der Argumentation eines von der Entlassung bedrohten Betriebsratsmitglieds, bei Nichtteilnahme am Streik als Streikbrecher für die Zukunft „stigmatisiert“ zu sein, und verweigerte daher die Zustimmung zur Entlassung.461 Einen anderen Fall entschied das EA Wien in gegenteiliger Weise, indem es die von den streikenden Betriebsratsmitgliedern ins Treffen geführte notwendige Solidarität mit den übrigen streikenden AN als unbeachtlich verwarf, da die Mitglieder des BetrR gerade im Streikfall ihre aufgrund von § 3 BRG 1919462 obliegende Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der AN im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern, zu erfüllen hätten, dabei insbesondere steten Kontakt mit der Betriebsleitung zu halten hätten; ein derartiges Verhalten im Interesse der AN – so das EA – könne gar nicht als Streikbruch angesehen werden.463 Andere Entscheidungen beschäftigen sich wiederum mit der Frage, ob ein auf den AN 457 458 459 460 461 462
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In dem Sinne: Was nicht zu entscheiden war, wurde auch nicht entschieden. Mayer-Maly, RdA 1970, 334. Vgl FN 458. EA Linz 1.9.1929, Reg I 198/27, Arb 3945. EA Wien 10.1.1923, A 1957/22, Arb 3360. § 3 BRG 1919 umschrieb die von den Betriebsräten wahrzunehmenden Aufgaben ganz allgemein damit, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Arbeiter und Angestellten im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern. Insbesondere sah Z 10 leg cit – worauf sich das EA in seiner Entscheidungsbegründung besonders stützte – gemeinsame allmonatliche Beratungen zwischen dem Betriebsinhaber und dem BetrR über Verbesserung der Betriebseinrichtungen und über allgemeine Grundsätze der Betriebsführung vor. EA Wien 10.9.1928, A 555/28, Arb 3852; interessant an dieser Entscheidung ist, dass das EA Solidaritätsrücksichten zwar nicht bei den Betriebsratsmitgliedern gelten ließ, wohl aber anerkannte, dass diese bei dem „einfachen“ Arbeiter im erheblichen Maße seinen freien Willen beeinflussen. Vgl auch GewG Laibach 14.1.1911, Cr I 5/11, GGSlg 1991.
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ausgeübter Druck oder ein Zwang zur Streikteilnahme zum Ausschluss des Verschuldens führen kann. Das EA Innsbruck bezog sich in einer Entscheidung ausdrücklich auf den als sehr beträchtlich erachteten psychischen Zwang, der durch einen Streikbeschluss auf die betroffenen AN ausgeübt werde. Zu diesem moralischen Zwang trete noch die Gefahr des physischen Zwanges, der sich in der Anwendung von Gewalt, um streikbrecherische Aktivitäten zu unterbinden, äußere. Unter diesen Umständen könne dem AN kein schuldhaftes Verhalten zur Last gelegt werden.464 All diese Entscheidungen stammen jedoch aus einer in politischer ebenso wie in sozialer Hinsicht höchst instabilen Zeitepoche. Generelle Befürchtungen gewaltsamer Übergriffe auf Arbeitswillige können mE heute nicht mehr ernsthaft artikuliert werden. Ebenso wenig kann mE die Gefahr, als Arbeitswilliger stigmatisiert zu werden (bzw Solidaritätsrücksichten), nicht generell als verschuldensausschließender Umstand gewertet werden. Dass es nicht angeht zu behaupten, jeder Streikende handle nur aus Furcht vor den anderen, wird bereits von Bydlinski betont.465 Solidarität unter den AN mag zwar im Sinne einer effektiven Kampfführung wünschenswert und sogar notwendig sein, kann aber die Verantwortung des einzelnen AN nicht beseitigen.466 Man würde es dem einzelnen AN relativ einfach machen, sich durch die Berufung auf Solidaritätspflichten entlasten zu können.467 Ebenso sah sich das EA Wien zumindest bei Mitgliedern des BetrR nicht veranlasst, zu untersuchen, ob das Gebot der Solidarität das Verschulden ausschließen könne.468 Einzelfälle, wo dies anders sein kann, sind natürlich denkbar.469 An die Prüfung des zum Ausschluss des Verschuldens führenden Zwanges470 ist aber ein strenger Maßstab anzulegen.471 Kuderna wiederum verfolgt im vorliegenden Zusammenhang eine andere Argumentationslinie. Kuderna glaubt nämlich, dass dem streikenden AN das für den Verschuldensvorwurf erforderliche Bewusstsein bzw im Falle bloßer Fahrlässigkeit die notwendige Erkennbarkeit der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens472 fehlt. Denn das Recht zu streiken werde geradezu als Grundrecht ei464 465
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EA Innsbruck 2.6.1923, 39, 40/23, Arb 3171. Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 308; ebenso Heindl, ZfsR 1932, 13; vgl dazu auch GewG Brünn 9.3.1904, Cr I 127/4, GGSlg 1110; GewG Graz 21.7.1905, Cr I 427/5, GGSlg 1111; EA Leoben 20.12.1926, B 86/26, Arb 3647. Vgl dazu Henrich, Die Selbstverantwortlichkeit des Arbeitnehmers als Element des Arbeitsvertragsrechtes, JBl 1960, 529 ff. Vgl Dietz, ZAS 1970, 43; Rebhahn, DRdA 1982, 226; GewG Graz 22.6.1903, Cr I 353/3, GGSlg 595; vgl auch EA Wien 10.9.1928, A 555/28, Arb 3852. EA Wien 10.9.1928, A 555/28, Arb 3852. Das betont bereits Satter, Grenzen der Koalitionsfreiheit, ZBl 1926, 100 und ZBl 1926, 161 (174 f); ebenso Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 309. Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 309. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 271. Dass es im Einzelfall schwierig sein kann, festzustellen, wer sich dem Streik freiwillig bzw zwangshalber angeschlossen hat, darauf weist das EA St. Pölten in seiner Entscheidung vom 3.8.1925, Reg I 112/25, Arb 3464, hin. Also die streikbedingte Arbeitsniederlegung.
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ner demokratischen Gesellschaftsordnung angesehen und könne aus dieser nicht mehr weggedacht werden. Vor diesem Hintergrund sei der streikende AN davon überzeugt, in Ausübung eines Rechts zu handeln. Bestärkung in ihrer Überzeugung fänden die AN in dem Umstand, dass der Gesetzgeber jene Institutionen anerkannt habe, zu deren Aufgaben auch die Ausrufung und Leitung eines (legitimen) Streiks gehöre.473 Ebenso spreche für diese Überzeugung die Tatsache, dass in vielen Fällen bei einem (bevorstehenden) Streik auch auf Regierungsebene Bemühungen zu seiner Beilegung bzw zu seiner Verhinderung unternommen werden würden, ohne dass dabei jemals die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des Streiks als Mittel des Arbeitskampfes auch nur in Frage gestellt worden sei. Daraus – so Kuderna – dürfe jeder AN den Schluss ziehen, dass der (legitime) Streik rechtmäßig sei, sodass dem AN ein Verschulden an der Unterlassung der Dienstleistung nicht vorgeworfen werden könne.474 Konsequenz dieser Rechtsansicht wäre, dass eine (rechtmäßige) Entlassung damit ausscheiden würde. Die entscheidende Fragestellung, um der Argumentation von Kuderna folgen zu können, lautet nun: Inwieweit ist dem einzelnen streikenden AN tatsächlich nicht bewusst, durch die Arbeitseinstellung im Streik sich pflichtwidrig, dh, vertragswidrig zu verhalten bzw anders formuliert, inwieweit kann tatsächlich davon ausgegangen werden, dass der AN im Streikfall glaubt, in Ausübung eines Rechts zu handeln. Dass dabei der Streik als Kampfmittel der AN von staatlicher Seite noch nie in Frage gestellt worden ist, wie Kuderna zur Untermauerung seiner Ansicht anführt, hängt mE mehr mit dem Grundsatz staatlicher Nichteinmischung in Arbeitskämpfe als mit der Anerkennung eines Streikrechts zusammen. Bemühungen auf der Regierungsebene, den Ausbruch eines Arbeitskampfes zu verhindern bzw einen bereits ausgebrochenen Arbeitskampf zu beenden, entsprechen ganz allgemein dem gesamtgesellschaftlichen Interesse an der Erhaltung bzw an der Wiederherstellung des Arbeitsfriedens, ohne dass daraus aber Rückschlüsse auf die Anerkennung eines Streikrechts gezogen werden können. Diese Erwägungen machen mE deutlich, dass ebenso wenig wie es tragfähig ist, die Streikteilnahme mit einer generellen Entlassungsmöglichkeit zu sanktionieren, es auf der anderen Seite nicht angeht, von vornherein die subjektive Tatseite des Entlassungstatbestandes zu verneinen. Die Frage nach dem Entfall der Verschuldenskomponente gewinnt mE erst in Zusammenhang mit dem Aspekt eines möglichen Rechtsirrtums des streikenden AN an Bedeutung.
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Gemeint sind damit wohl die freiwilligen Berufsvereinigungen der AN. Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 109.
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Streik und Rechtsirrtum
Die fehlende oder falsche Vorstellung des AN von der Rechtslage475 kann das Verschulden des AN hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens, also hinsichtlich der Arbeitsvertragswidrigkeit der streikbedingten Arbeitsniederlegung, ausschließen und damit dem AG den Weg der rechtmäßigen Entlassung versperren.476 Es könnte sich nämlich der streikende AN darauf berufen, dass er sich am Streik in der Überzeugung beteiligt habe, in Ausübung eines Rechts zum Streik gehandelt zu haben.477 Ebenso wäre denkbar, dass ein streikender AN vorbringt, er sei davon ausgegangen, dass ein von der Gewerkschaft ausgerufener und durchgeführter Streik rechtmäßig sei.478 Ausgangsund Angelpunkt folgender Untersuchung muss § 2 ABGB sein, der rigoros bestimmt: „Sobald ein Gesetz gehörig kundgemacht worden ist, kann sich niemand damit entschuldigen, daß ihm dasselbe nicht bekannt geworden sey“. Trotz dieser scheinbar recht klaren Aussage war der Bedeutungsgehalt von § 2 ABGB lange Zeit umstritten. Einigkeit bestand und besteht in Lehre und Rechtsprechung dahingehend, dass gehörig kundgemachte Gesetze ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, ob der Rechtsunterworfene im Einzelfall die Norm tatsächlich zur Kenntnis genommen hat oder nicht.479 Im Mittel475 476
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So die Definition des Rechtsirrtums von Rebhahn, DRdA 1982, 224. OGH 8.5.2002, 9 ObA 53/02p, SVSlg 49.749 = Arb 12.214 = DRdA 2002, 408 = ZASB 2002, 41 = ZAS 2003/15, 84 (Graf C.) = ZIK 2002/246, 173 = ZIK 2003/108, 90 (Weber) = RdW 2003/639, 722 = ASoK 2003, 103 = ARD 5342/9/2002; OGH 27.4.1988, 9 ObA 163/87, SZ 61/105 = Arb 10.714 = wbl 1988, 307; Grillberger in Löschnigg (Hrsg), Angestelltengesetz II8 (2007) § 27 Rz 115; Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 73; Cerny, Die Bedeutung der UNO-Menschenrechtspakte für die österreichische Sozialpolitik, DRdA 1983, 65 (72); Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 71. Vgl Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 71; Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 110; vgl dazu weiters Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar (1975) 849 f, der davon spricht, dass die irrige Annahme vom Bestand eines subjektiven Streikrechts im Bewusstsein der heutigen Gesellschaft zutiefst verwurzelt sei. Auer, Streik und Strafrecht (1999) 59. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf diesbezügliche Äußerungen von Gewerkschaftsvertretern, die bei den AN eine entsprechende Überzeugung begründen können: S dazu Bittner, Interview mit Siegfried Sorz, ArbW 2004 H 12, 8 (11): „Hier wäre aus meiner Sicht jeder Streik und jede Länge eines Streiks gerechtfertigt“; vgl auch nachfolgende Äußerungen rund um den von der Gewerkschaft der EisenbahnerInnen durchgeführten Streik im November 2003: Bacher, Interview mit Siegfried Sorz, ArbW 2003 H 12, 18 (21): „Wir haben mit dem Streik gezeigt, dass es notwendig ist, sich zur Wehr zu setzen. (…) Daher muss man klar und deutlich sagen: Wenn ihr noch einmal dort hingreift, dann gibt´s wieder Stunk und wir werden wieder streiken“; Nürnberger, Interview, „Der Standard“ 12.11.2003: „Dieser Streik ist völlig gerechtfertigt“. OGH 16.5.2002, 8 ObA 106/02z, SZ 2002/68 = Arb 12.223 = ecolex 2002/324, 828 = infas 2002 A 111 = ARD 5356/39/2002 = ARD 5368/3/2003; OGH 14.3.2002, 6 Ob 155/01i, MietSlg 54.001 = EvBl 2002/145, 556 = ÖJZ-LSK 2002/148 = bbl 2002/98, 164 = ZVR 2003/24, 75 = ZVR 2003/33, 120; OGH 23.11.1993, 10 ObS 243/93, SSV-NF
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punkt der Kontroverse um die Auslegung des § 2 ABGB stand aber die Frage, inwieweit Rechtsunkenntnis immer schuldhaft und damit dem Irrenden vorwerfbar ist, also inwieweit § 2 ABGB eine Verschuldensfiktion normiert. Diese Frage besitzt besondere Brisanz bei jenen Tatbeständen, die den Eintritt von Rechtsfolgen an ein subjektives Moment knüpfen. Wenngleich einige frühere Entscheidungen des OGH den Standpunkt vertraten, dass Rechtsunkenntnis jedenfalls schuldhaft sei,480 vertrat und vertritt das Höchstgericht in der überwiegenden Zahl der Entscheidungen eine differenzierte Betrachtungsweise. Denn der OGH und mit ihm die überwiegende Lehre481 setzen den Rechtsirrtum nicht ausnahmslos einem Verschulden gleich.482 Entscheidend für den Verschuldensvorwurf ist vielmehr, ob dem Irrenden die Rechtskenntnis zumutbar ist oder nicht.483 Schwind ist es zu verdanken, den Gedanken der Zumutbarkeit in die Diskussion rund um die Auslegung des § 2 ABGB eingeführt zu haben. Ausgehend vom Wortlaut des § 2 ABGB, „kann sich niemand damit entschuldigen“, geht Schwind zwar grundsätzlich davon aus, dass § 2 ABGB tatsächlich bei einen Rechtsirrtum den Vorwurf des Verschuldens einschließe. Dem § 326 ABGB entnimmt Schwind aber eine Einschränkung der Wirkungen des § 2 ABGB. Wenn § 326 Satz 3 ABGB bestimmt, dass man trotz Irrtums in Tatsachen oder aus Unwissenheit der gesetzlichen Vorschriften ein redlicher Besitzer sein kann, so handelt es sich Schwind zufolge nicht um eine Ausnahme vom Grundsatz des § 2 ABGB, sondern um eine weitere Regel zur Beurteilung des Rechtsirrtums. Es sei nämlich nicht einzusehen, wieso die Regel des § 326 ABGB allein auf die Redlichkeit beim Besitz beschränkt bleiben solle; vielmehr sei es gerechtfertigt zu sa-
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1993/120 = EvBl 1994/140, 698 = ARD 4542/24/94; OGH 15.7.1981, 1 Ob 625/81, SZ 54/111 = JBl 1982, 197 (Wilhelm) = NZ 1982, 184; OGH 28.2.1980, 7 Ob 523/80, JBl 1981, 33; OGH 4.5.1960, 5 Ob 116/60, MietSlg 7821 = JBl 1960, 604; OGH 2.7.1952, 2 Ob 528/52, MietSlg 2174; OGH 13.12.1927, Ob I 1254/27, SZ 9/310; ObSchiedsG Wien 23.1.1973, OBW 3/71, Arb 9087 = EvBl 1973/196, 411; Bydlinski in Rummel3 (2000) § 2 Rz 1; Kramer, Der Rechtsirrtum im ABGB. im Licht allgemeiner Rechtstheorie, ÖJZ 1969, 505; Schwind¸ Der Rechtsirrtum im österreichischen Zivilrecht, ÖJZ 1951, 369. Vgl OGH 20.6.1923, Ob III 441/23, SZ 5/162; OGH 4.7.1923, Ob III 462/23, SZ 5/187. Anders nur Pisko/Klang in Klang/Gschnitzer (Hrsg), ABGB I/12 (1964) 62 ff, die der Verschuldensfiktion folgen. So bereits OGH 1.7.1903, 9093, GlUNF 2395 = ZBl 1903, 705; OGH 3.12.1913, Rv VI 458/13, GlUNF 6670 = ZBl 1914, 39; OGH 11.7.1923, Ob I 478/23, SZ 5/193; OGH 23.3.1926, Ob III 192/26, SZ 8/89; vgl weiters OGH 18.10.1977, 4 Ob 95/77, SZ 50/ 132 = Arb 9678 = DRdA 1978, 141 = DRdA 1978, 346 (Holzer/Posch) = ZAS 1979/7, 54 (Schumacher) = EvBl 1978/87, 243; OGH 14.3.2002, 6 Ob 155/01i, MietSlg 54.001 = EvBl 2002/145, 556 = ÖJZ-LSK 2002/148 = bbl 2002/98, 164 = ZVR 2003/24, 75 = ZVR 2003/33, 120; OGH 16.5.2002, 8 ObA 106/02z, SZ 2002/68 = Arb 12.223 = ecolex 2002/324, 828 = infas 2002 A 111 = ARD 5356/39/2002 = ARD 5368/3/2003; Posch in Schwimann (Hrsg), ABGB I3 (2005) § 2 Rz 5; Koziol/Welser, Grundriss des Bürgerlichen Rechts I13 (2006) 38; Bydlinski in Rummel3 (2000) § 2 Rz 2. Posch in Schwimann (Hrsg), ABGB I3 (2005) § 2 Rz 5; Bydlinski in Rummel3 (2000) § 2 Rz 2; OGH 18.10.1977, 4 Ob 95/77, SZ 50/132 = Arb 9678 = DRdA 1978, 141 = DRdA 1978, 346 (Holzer/Posch) = ZAS 1979/7, 54 (Schumacher) = EvBl 1978/87, 243.
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gen, dass die Beurteilung der Redlichkeit beim Besitz und der Redlichkeit in anderem Zusammenhang rechtsähnlich sei. Schwind kommt damit zum Ergebnis, dass unter denselben Voraussetzungen unter denen ein Besitzer trotz Rechtsunkenntnis redlich sein kann, Redlichkeit auch in anderen Fällen des Rechtsverkehrs vorliegen könne, aber keinesfalls müsse. In einem zweiten Schritt versucht Schwind die Bestimmung des zweiten Satzes des § 326 ABGB mit der Aussage von § 2 ABGB zu harmonisieren. Denn die von § 326 Satz 2 ABGB vorgenommene Charakterisierung des unredlichen Besitzers als denjenigen, der weiß oder aus den Umständen wissen muss, dass die in seinem Besitz befindliche Sache einem anderen gehört, wäre in Bezug zu § 2 ABGB, der anordnet, dass jeder das Gesetz kennen muss, sinnlos. Damit bliebe aber für den dritten Satz des § 326 ABGB, der die Redlichkeit trotz eines Rechtsirrtums zulässt, kein Raum mehr. Aus der Auslegungsvorschrift des § 6 ABGB, wonach ein Gesetz nach der „eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang“ auszulegen ist, folgert Schwind, dass § 2 ABGB zumindest hinsichtlich der Redlichkeit so auszulegen sei, dass erst dann, wenn der Rechtsunterworfene nach den Umständen den Gesetzesinhalt kennen musste, Gesetzesunkenntnis die Unredlichkeit begründe. Als Ergebnis seiner Überlegungen formuliert Schwind, dass die Frage der Relevanz eines Rechtsirrtums durch §§ 2 und 326 ABGB geregelt sei, wobei die Gesetzeskenntnis zwar grundsätzlich fingiert und damit dem Rechtsunterworfenen die Unkenntnis grundsätzlich als Verschulden angelastet werde, es sei denn, der Rechtsunterworfene könne beweisen, dass ihm im konkreten Fall die Gesetzeskenntnis nicht zumutbar gewesen sei.484 Dass es damit für die Antwort auf die Frage nach einem aus Unkenntnis der Rechtslage ableitbaren Verschuldensvorwurf entscheidend auf die Zumutbarkeit der Rechtskenntnis ankommt, ist Stand der Rechtsprechung und der hL.485 Oder anders formuliert: Erst dann, wenn dem Irrenden die Kenntnis der Rechtslage zugemutet werden kann, nur dann begründet seine irrtumsbedingte Rechtsunkenntnis den Verschuldensvorwurf. Klar ist im vorliegenden Zusammenhang, dass es nicht darum geht, dass der streikende AN die einzelnen Entlassungstatbestände nicht kennt. Von deren Kenntnis ist selbstverständlich auszugehen. Es geht vielmehr darum, dass der Streikende darüber im Unklaren sein kann, wie die Situation der Streikteilnahme aus den Entlassungstatbeständen heraus interpretiert wird. Dass im 484
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Schwind¸ ÖJZ 1951, 371; krit dazu allerdings Mayer-Maly, Rechtskenntnis und Gesetzesflut (1969) 49 ff. Vgl nur OGH 16.12.2003, 4 Ob 241/03z, SZ 2003/171 = EvBl 2004/101, 468 = ÖJZ-LSK 2004/95 = ÖJZ-LSK 2004/96 = ÖJZ-LSK 2004/97 = wbl 2004/150, 291 = GesRZ 2004, 138 = RdW 2004/315, 343 = ecolex 2004/371, 794; OGH 23.11.1993, 10 ObS 243/93, SSV-NF 1993/120 = EvBl 1994/140, 698 = ARD 4542/24/94; OGH 24.3.1987, 4 Ob 378/86, JBl 1987, 730; OGH 18.10.1977, 4 Ob 95/77, SZ 50/132 = Arb 9678 = DRdA 1978, 141 = DRdA 1978, 346 (Holzer/Posch) = ZAS 1979/7, 54 (Schumacher) = EvBl 1978/87, 243; Posch in Schwimann (Hrsg), ABGB I3 (2005) § 2 Rz 5; Koziol/Welser, Grundriss des Bürgerlichen Rechts I13 (2006) 38; Bydlinski in Rummel3 (2000) § 2 Rz 2; Fischer, Anm zu OGH 19.4.1977, 4 Ob 22/77, ZAS 1978/23, 182 (184).
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Streikfall die allgemeinen Regeln des Zivil- und Arbeitsrechts zur Anwendung kommen, bedeutet vor dem Hintergrund vorheriger Ausführungen noch nicht, dass damit auch die Rechtslage im Streikfall klargestellt wäre. Rebhahn zeigt sich zumindest für den Fall eines nicht gewerkschaftlichen Streiks skeptisch gegenüber einer Berücksichtigung des Rechtsirrtums, da sich weder in der Literatur noch in der Judikatur Stimmen fänden, die in einem solchen Fall ein Recht zur einseitigen Vertragssuspension bejahen würden.486 Mayer-Maly geht überhaupt von einem unentschuldbaren Rechtsirrtum im Streikfall aus.487 Schima wiederum beklagt mangels höchstgerichtlicher Judikatur und literarischer Diskussion den teilweisen Verlust des „(Un)Rechtsbewußtseins“ in arbeitskampfrechtlichen Fragen.488 Binder geht davon aus, dass dem Streikenden in aller Regel die Verknüpfung zwischen streikbedingter Arbeitsniederlegung und dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes bekannt sei und lehnt daher die Berufung auf das Vorliegen eines Rechtsirrtums ab.489 Eine für die vorliegende Fragestellung interessante Aussage trifft das EA Wien in seiner Entscheidung vom 14. November 1953, worin das EA ausspricht, dass derjenige, der an einem Streik teilnimmt, sich darüber im Klaren sein müsse, dass seine Arbeitsverweigerung als Entlassungsgrund gewertet werde, dies allerdings nur für den Fall, dass der Streik als rechtswidrig erkannt werde.490 Dh das EA lässt damit durchaus der Überlegung Raum, dass im Falle eines rechtmäßigen Streiks der AN von einer anderen Beurteilung der Rechtslage ausgehen kann, womit gleichzeitig auch die vorhin angeführte Position von MayerMaly relativiert wird. In diese vom EA Wien vorgezeichnete Richtung argumentiert nun Cerny. Ausgehend von Art 8 Abs 1 lit d des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,491 wonach die Vertragsstaaten verpflichtet sind, das Streikrecht, sofern es in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung ausgeübt wird, zu gewährleisten, stellt Cerny eine Verbindung zwischen dieser von Österreich ratifizierten völkerrechtlichen Verpflichtung und einem möglichen verschuldensausschließenden Rechtsirrtum auf Seiten streikender AN im Falle des legitimen Streiks her. Cerny wendet sich zunächst gegen das von Floretta492 und Rebhahn493 vertre486
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Rebhahn, DRdA 1982, 141. In diese Richtung argumentiert auch Schima, RdW 1993, 370 FN 20. Mayer-Maly, Buchbesprechung zu Floretta/Strasser, Kommentar zum Betriebsrätegesetz, DRdA 1961, 262 (263). Schima, RdW 1993, 368. Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 119. Es geht bei vorliegender Frage aber nicht darum, ob dem streikenden AN das Risiko, den Arbeitsplatz verlieren zu können, bewusst ist, sondern darum, ob er wissen muss, dass die Streikteilnahme jedenfalls zur begründeten Entlassung führt. EA Wien 14.11.1953, Re 504/53, Arb 5868 = JBl 1954, 204. Zu den Kriterien eines rechtmäßigen bzw rechtswidrigen Streiks s Seite 180 ff. BGBl 1978/590. Floretta in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 15. Rebhahn, DRdA 1982, 138.
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tene Verständnis von Art 8 Abs 1 lit d IPwskR, wonach unter dem dort verbürgten Streikrecht nur eine „Streikfreiheit“ zu verstehen sei. Cerny sieht dann auf Seiten des streikenden AN einen entschuldbaren Rechtsirrtum vorliegen, da es für einen einfachen Normadressaten genügen müsse, dass der Gesetzgeber mit der Ratifikation des IPwskR ausdrücklich ein Streikrecht anerkannt habe. Vom AN zu verlangen, dass er die schwierigen weder von der Wissenschaft noch von der Judikatur eindeutig gelösten Probleme des Arbeitskampfrechts kenne, hieße, die Grenzen der Zumutbarkeit weit zu überschreiten.494 Eine weitere Facette, die die Annahme einer klaren Rechtslage in Bezug auf die arbeitsvertragsrechtlichen Konsequenzen einer Streikbeteiligung zweifelhaft erscheinen lässt, ist in der Stellungnahme des Außenpolitischen Ausschusses des NR anlässlich der Beratungen im Zuge der Ratifikation des IPwskR zu sehen. Der Ausschuss vertrat nämlich die Auffassung, dass „Art. 8 Abs. 1 lit. d mit der Maßgabe angewendet werden soll, daß in der österreichischen Rechtsordnung aufgrund der bestehenden Gesetze bereits die aus Art. 2 Abs. 1 erwachsende Pflicht zur ‚vollen Verwirklichung’ erfüllt ist und es daher zur Verwirklichung von Art. 8 Abs. 1 lit. d keiner Erlassung von Gesetzen oder sonstigen Rechtsvorschriften mehr bedarf“.495 Dh: Nach Ansicht des Ausschussberichtes hätte Österreich seine Verpflichtung zur Gewährleistung eines Streikrechts496 bereits erfüllt. Damit zeigt sich aber ein deutlicher Auffassungsunterschied zur hL, die ein Streikrecht ablehnt.497 Von einer Rechtslage, die eindeutig ist und es dem streikenden AN auch zumutbar macht, sich über diese Rechtslage zu informieren, kann mE daher nicht gesprochen werden.498 Rebhahn möchte nun diesen Befund mit dem Hinweis erschüttern, dass es im Bereich des Arbeitskampfrechts eine bereits seit Jahren gefestigte Meinung in der Judikatur gebe, die einen ohne Kündigung durchgeführten Streik (außer bei Eingreifen des Zurückbehaltungsrechts) entsprechend den allgemeinen Regeln des Arbeitsvertragsrechts als Arbeitsvertragsbruch qualifiziere; ebenso liege keine höchstgerichtliche Entscheidung vor, die das Gegenteil anerkenne. Rebhahn kommt daher zum Ergebnis, dass im Falle einer unklaren Rechtslage es sich der Schuldner (AN) zurechnen lassen müsse, dass die Gerichte die allgemeinen Regeln anwenden werden.499 Allerdings ist gegen die Position von Rebhahn einzuwenden, dass die von Rebhahn ins Treffen geführte gefestigte 494
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Cerny, DRdA 1983, 72 f; der Argumentation von Cerny folgt auch Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 110. 858 BlgNR 14 GP 2. Zur möglichen Bedeutung eines Streikrechts s Seite 167, 177. Vgl nur Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 911, 1035; Rebhahn, DRdA 2004, 504; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 784; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 194; Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 8; Runggaldier in FS Schnorr 268; Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 66; Floretta, Arbeitsrecht und Europäische Menschenrechtskonvention (1967) 16; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 62. Vgl auch Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 392; Rebhahn, DRdA 2001, 113. Rebhahn, DRdA 1982, 225.
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Meinung der Lehre sich angesichts von Stellungnahmen aus der jüngeren Zeit nicht mehr so eindeutig in Richtung Vertragsbruch durch Streikteilnahme als gefestigt erweist.500 Wenn Rebhahn sich darauf stützt, dass keine höchstgerichtliche Entscheidung existiere, die den Vertragsbruchcharakter der Streikteilnahme verneint, so darf gleichzeitig aber auch nicht verschwiegen werden, dass es umgekehrt auch keine höchstinstanzliche Entscheidung gibt, die den Vertragsbruchcharakter der Streikteilnahme bejaht. Eher lässt sich aus der Judikatur sogar das Gegenteil entnehmen, wenn man die Aussage des OGH in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 1953 heranzieht. Darin deutet der OGH an, dass die neuere Rechtsentwicklung den Streik als zulässiges Mittel, bessere soziale Bedingungen zu erreichen, ansehen könnte und damit der Streik als Ausfluss des Koalitionsrechts auch in Bezug auf das Arbeitsverhältnis nicht mehr als rechtswidrig zu beurteilen wäre. Der OGH hält auch fest, dass die Rechtsentwicklung in diese Richtung keinesfalls abgeschlossen sei.501 Im Übrigen relativiert Rebhahn selbst seine vorhin dargestellte Position, wenn er später zur Frage der Schadenersatzpflicht bei sittenwidriger Schädigung ausführt, dass ein Rechtsirrtum dort relevant sein könne, wo die unklare Rechtslage auf stark divergierenden Auffassungen in der Lehre beruhe und die Rechtsprechung noch keine Klärung gebracht habe; hier könne dem Schädiger (allenfalls) das Verkennen der allgemeinen Rechtsprinzipien zum Vorwurf gemacht werden, nicht aber ein Verkennen der Anwendung dieser Rechtsprinzipien auf den konkreten Fall.502 Für die Annahme einer unklaren Rechtslage, die es dem AN unzumutbar macht, sich vorher über die möglichen arbeitsvertraglichen Konsequenzen einer Streikbeteiligung zu informieren, sprechen auch die verschiedenen Entscheidungen, die die Frage einer zur Entlassung berechtigenden Vertragsverletzung durch eine Streikteilnahme unterschiedlich beantworten.503 Hier vom AN zu verlangen, sich vor der Streikteilnahme über die Rechtslage zu informieren, hieße, die Zumutbarkeit zu überspannen.504 Diskussionswürdig ist noch die Frage, ob diese vorhin entwickelte Rechtsansicht nur für den Fall des gewerkschaftlichen Streiks oder auch für den Fall 500
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S dazu Schindler, Rechtsfragen des Streiks unter besonderer Berücksichtigung der Entgeltfortzahlung, in Resch (Hrsg), Fragen der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (2004) 65 (76 ff); Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht II3 (2004) § 39 Erl 6; Heinz-Ofner, Der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz für Betriebsratsmitglieder und ihnen gleichgestellte Personen2 (2004) 168 ff; Schneller in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III3 (2005) § 120 Erl 11, § 121 Erl 13; Beumer, Individuelles Streikrecht (1990) 71 ff, 98 ff; Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 96 f, 100 f; vgl auch Cerny, DRdA 1983, 73. OGH 27.10.1953, 4 Ob 205/53, Arb 5856. Rebhahn, DRdA 1982, 241. S dazu die in den FN 447 und 448 angeführten Entscheidungen. Vgl auch Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 392; Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 93.
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des nicht gewerkschaftlichen Streiks Geltung besitzen soll. Auf der einen Seite ist auch die rechtliche Situation bei „wilden“ Streiks ungeklärt. Auf der anderen Seite drückt aber die landläufige Bezeichnung nicht verbandsgetragener Arbeitsniederlegungen als „wild“ bereits sprachlich eine Missbilligung aus, die die AN an der Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens zweifeln lassen könnte. Zur Lösung dieser Frage sollte eine Ebene höher gegangen und noch einmal die Ausgangsfrage in Erinnerung gerufen werden: Bei dem auf die Streiksituation bezogenen Problemkreis des Rechtsirrtums geht es darum, ob die AN davon ausgehen können, dass die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik keinen Bruch des Arbeitsvertrages bedeutet. Nach hL stellt die Organisation und Durchführung eines Streiks durch eine kollektivvertragsfähige Interessenvereinigung der AN kein Kriterium einer rechtmäßigen Gesamtaktion dar. Auch eine (gewerkschaftlich nicht unterstützte) Ad-hoc-Koalition kann einen rechtmäßigen Streik organisieren und durchführen.505 Da sowohl für gewerkschaftlich als auch für nicht gewerkschaftlich getragene Arbeitsniederlegungen dieselben Regeln gelten,506 muss auch im Falle eines „wilden“ Streiks, sofern er den übrigen Anforderungen einer rechtmäßigen Gesamtaktion entspricht, die Berufung auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum möglich sein und Berücksichtigung finden. Unbestritten ist, dass jedermann verpflichtet ist, sich Kenntnis von den ihn betreffenden Gesetzen (Rechtslage) zu verschaffen.507 „Wie stets, führt eine (objektive) Verletzung dieser Pflicht aber nur dann zu einem Verschuldensvorwurf, wenn mindestens Fahrlässigkeit vorliegt, wenn also zumutbare Anstrengung zur Kenntnis geführt hätte (…)“.508 Da der AN auch bei zumutbarer Anstrengung aufgrund der vorhin geschilderten, von Lehre und Judikatur uneinheitlich beurteilten rechtlichen Situation im Falle eines Streiks mE nicht in der Lage sein wird, sich verlässlich Kenntnis davon zu verschaffen, wie letzt505
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Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 355; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 777, 781; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 207; Auer, Streik und Strafrecht (1999) 5; Schima, RdW 1993, 369; Rebhahn, DRdA 1982, 241; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 677; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 142 f; Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 83; Engelich, DRdA 1963, 334 f; Seiler, Der wirtschaftliche Streik im österreichischen Strafrecht, JBl 1958, 85 (88); Müller¸ DRdA 1954 H 14, 4; Maultaschl, Vom Koalitionsrecht, ÖJZ 1954, 187 (191). S dazu weiters Seite 189 f. Rebhahn, DRdA 1982, 241; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 677. Vgl etwa VwGH 22.3.1994, 93/08/0176, VwSlg 14.020 A = SVSlg 42.099 = ÖJZ-VwGH (A) 1994/220, 748 = ecolex 1995, 200 = ecolex 1995, 580 = ZfVB 1995/1431 = ARD 4563/16/94; Mazal, Beitragsfeststellung und Verschulden, ecolex 1994, 110 f. Bydlinski in Rummel3 (2000) § 2 Rz 4; so auch Posch in Schwimann (Hrsg), ABGB I3 (2005) § 2 Rz 5. OGH 23.11.1993, 10 ObS 243/93, SSV-NF 1993/120 = EvBl 1994/140, 698 = ARD 4542/24/94.
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endlich die Auswirkungen der Teilnahme an einer rechtmäßigen Gesamtaktion509 auf die arbeitsvertraglichen Bindungen rechtlich zu beurteilen sind, wird es dem AN möglich sein, sich begründetermaßen auf einen verschuldensausschließenden Rechtsirrtum berufen können.510
III. Der Streik und der Entlassungsschutz 1.
Der allgemeine Entlassungsschutz (§ 106 ArbVG)
1.1. Vorbemerkung Die Regeln des allgemeinen Kündigungs- und Entlassungsschutzes sind im Streikfall nicht suspendiert.511 Anders als im dKSchG, wo § 25 leg cit solche Kündigungen und Entlassungen von der Anwendung des dKSchG ausnimmt, die lediglich als Maßnahmen in wirtschaftlichen Kämpfen zwischen AG und AN vorgenommen werden, ist im Geltungsbereich des ArbVG mangels einer derartigen Sonderregel eine im Zusammenhang mit einer streikbedingten Arbeitsniederlegung ausgesprochene Kündigung oder Entlassung eines streikenden AN am Maßstab der §§ 105 ff ArbVG zu messen. Dabei ist im vorliegenden Zusammenhang natürlich die Entlassung streikender AN von besonderem Interesse. Denn aus der Sicht des AG ist die Entlassung Streikender – aufgrund des Fehlens eines eigenständigen kampfrechtlichen Instruments der AG in Gestalt der Aussperrung – gleichsam die von der Arbeitsrechtsordnung vorgezeichnete Reaktionsmöglichkeit auf einen Streik. Auf der anderen Seite interessiert den streikbedingt entlassenen AN, inwieweit er mit Hilfe des allgemeinen Entlassungsschutzes gem § 106 ArbVG seine Rückkehr in den Betrieb erreichen kann. Ein weiterer Grund, warum von den verschiedenen Beendigungsmöglichkeiten für das Arbeitsverhältnis, die das Arbeitsrecht zur Verfügung stellt, vor allem deshalb die Entlassung interessant ist, ist darin zu sehen, dass bei dieser Beendigungsart der AG gezwungen sein kann, den 509
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Vgl die vorhin zitierte Aussage des EA Wien vom 14.11.1953, Re 504/53, Arb 5868 = JBl 1954, 204; vgl ebenso Cerny, DRdA 1983, 72 f; vgl dazu auch die Ausführungen des KG Leoben in seiner Entscheidung vom 30.6.1951, Cg 12/51, SozM II B 99 (101). S auch Grillberger in Löschnigg (Hrsg), Angestelltengesetz II8 (2007) § 27 Rz 115; Pfeil in Schwimann (Hrsg), ABGB V3 (2006) § 1162 Rz 85; ders in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 27 AngG Rz 110; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 771, 1062; Radner/Jud/Hauser, Arbeitsrecht3 (2005) Rz 937; Rauch, ASoK 2003, 181; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 227; Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 110; Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 71; aA Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer (Hrsg), AngGKommentar (2005) § 27 Rz 339. Das betonen: Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 262; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 227 f; Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 188 mwN; Rebhahn, DRdA 1982, 143; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 316.
Der Streik und der Entlassungsschutz
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Grund für die Vertragslösung bekannt zu geben. In eine solche Situation gerät der AG dann, wenn es um die Frage geht, ob der AN einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Vertragsauflösung gesetzt hat. Davon hängen nämlich einerseits die finanziellen Beendigungsansprüche ab, die der AN gelten machen kann, andererseits spielt die Frage nach dem wichtigen Entlassungsgrund eine entscheidende Rolle bei der Anfechtung der Entlassung. Demgegenüber bedarf die ordentliche Kündigung (zunächst)512 keiner Rechtfertigung durch den AG. § 106 Abs 2 ArbVG eröffnet auch dem entlassenen AN die Möglichkeit, die Entlassungserklärung des AG gerichtlich zu bekämpfen. Im Unterschied zur Kündigungsanfechtung verlangt § 106 Abs 2 leg cit neben dem Vorliegen eines Anfechtungsgrundes iSd § 105 Abs 3 ArbVG noch eine weitere Voraussetzung für die erfolgreiche gerichtliche Bekämpfung der Entlassung: Der entlassene AN darf nämlich keinen Entlassungsgrund gesetzt haben. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die Entlassung ungerechtfertigt ist, wobei es keinen Unterschied macht, ob sich die Rechtswidrigkeit der Entlassung aus der mangelnden Erfüllung des Entlassungstatbestandes oder aus der fehlenden Pflichtwidrigkeit, aus mangelnden Verschulden oder aus dem Untergang des Entlassungsrechts infolge Verzichts oder Verwirkung ergibt.513 Wie vorhin gezeigt gibt es durchaus Fälle, wo der streikende AN keinen Entlassungsgrund setzt, weil er entweder nicht schuldhaft gehandelt hat514, oder weil der Tatbestand des § 27 Z 4 Fall 1 AngG durch den streikenden AN gar nicht erfüllt wird.515 Aber selbst dann, wenn die Streikbeteiligung als Vertragsbruch und damit in weiterer Folge als Verwirklichung des Tatbestandes von § 27 Z 4 Fall 1 AngG gewertet werden sollte, ist dem AN der Weg der Entlassungsanfechtung noch nicht verschlossen. Denn der OGH entschied jüngst, dass das bloße Vorliegen eines Entlassungsgrundes nicht automatisch dazu führt, dass die Entlassungsanfechtung zum Scheitern verurteilt wäre. Sollte nämlich trotz 512
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Ein gewisser Rechtfertigungszwang für den AG ergibt sich uU auch bei der ordentlichen Kündigung, nämlich dann, wenn diese vom AN im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes bekämpft werden sollte. Macht der AN glaubhaft, dass die Kündigung aufgrund eines verpönten Motivs erfolgte, so kann der AG den Prozessverlust nur dadurch abwenden, indem er ebenfalls glaubhaft macht, dass ein anderes als das verpönte Motiv für die Kündigung ausschlaggebend war (§ 105 Abs 5 Satz 2 ArbVG). Sollte sich der AN auf den Anfechtungsgrund der Sozialwidrigkeit berufen und es ihm gelingen, den Grundtatbestand („wesentliche Interessenbeeinträchtigung“) nachzuweisen, kann der AG die festgestellte Sozialwidrigkeit nur durch den Nachweis einer der beiden Rechtfertigungstatbestände des § 105 Abs 3 Z 2 lit a und/oder b ArbVG entkräften. Daraus ergibt sich für den AG die Verpflichtung, auch für die ordentliche Kündigung eine Begründung vorzubringen; s dazu etwa Rauch, Begründungspflichten bei arbeitsrechtlich relevanten Maßnahmen, ASoK 2001, 212 (214). Kuderna, Die Anfechtung von Entlassungen nach dem Arbeitsverfassungsgesetz II, ZAS 1974, 209 (210). Aufgrund eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums. Dies im Falle eines Warnstreiks mangels Erheblichkeit des Dienstversäumnisses, näher dazu s Seite 76 ff.
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
Vorliegens eines Entlassungsgrundes der AN glaubhaft machen können, dass für die Entlassung ein anderes verpöntes Motiv ausschlaggebend war, kann nach Ansicht des OGH eine Entlassungsanfechtung trotzdem erfolgreich sein. Dieses Ergebnis gewinnt der OGH aus der Zusammenschau von § 106 Abs 2 ArbVG und § 105 Abs 5 ArbVG. Der OGH stellt klar, dass in einem derartig gelagerten Fall ein unzulässiges Beendigungsmotiv durchaus noch zu prüfen ist. Letztlich hat damit eine Abwägung zwischen dem vom AN vorgebrachten, hinter der Entlassung stehenden verpönten Motiv und dem Entlassungsgrund, den der AG als sein für die Kündigung ausschlaggebendes Motiv einbringt, zu erfolgen.516 Diese Entscheidung ist im vorliegenden Kontext vor allem deshalb besonderes bemerkenswert, weil von den beiden prinzipiell möglichen, dem entlassenen AN zur Verfügung stehenden Anfechtungsgründen, verwerfliches Kündigungsmotiv (§ 105 Abs 3 Z 1 lit a bis j ArbVG) und Sozialwidrigkeit (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG), in erster Linie der Motivkündigungsschutz und dabei hauptsächlich das von § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG für verpönt erklärte Kündigungsmotiv „Tätigkeit in Gewerkschaften“ interessiert. Damit ist der Zielrichtung der anschließenden Untersuchung festgelegt: Ausgehend von der Bestimmung des § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG soll erstens nach deren Bedeutungsinhalt gefragt werden und zweitens die Streikbeteiligung zur näher konkretisierten Norm in Beziehung gesetzt werden. Um hierzu Wertungsgesichtspunkte zu gewinnen, ist es mE sinnvoll, auch die Rechtslage und die Rechtsprechung aus der Zeit vor In-Kraft-Treten des ArbVG in die Betrachtung einzubeziehen.
1.2. Die „Tätigkeit in Gewerkschaften“ 1.2.1.
Grundlegung
Die Prüfung, ob die Teilnahme an einem gewerkschaftsgetragenen rechtmäßigen Streik nicht etwa im Zusammenhang mit § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG gesehen werden könnte, wäre rasch beendet, würde man die Meinung vertreten, dass Streik als Nichtarbeit keine Tätigkeit ist und damit auch keine Tätigkeit in Gewerkschaften sein kann. Bydlinski weist aber darauf hin, dass das bloße auf die streikbedingte Nichtarbeit abzielende sprachliche Argument nicht ausreicht, um die Zuordnung der Teilnahme an einem gewerkschaftlich organisierten Streik zu diesem Anfechtungsgrund von vornherein zu verhindern.517 Eine Bestätigung dieser Auffassung ergibt sich aus dem Verständnis, welches mit der im Vergleich zu der im ArbVG gewählten Formulierung ähnlich gefassten Bestimmung im Schweizer Kündigungsschutzrecht verbunden wird. 516
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OGH 20.1.1999, 9 ObA 294/98w, SZ 72/6 = Arb 11.813 = DRdA 1999, 395 = DRdA 2000/14, 148 (krit Trost) = RdW 2000, 14 = ASoK 1999, 272 = infas 1999 A 64 = ARD 5037/7/99; vgl dazu auch die Bewertung dieser Entscheidung durch Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 478: „Dominiert das verpönte Kündigungsmotiv, kann selbst das Vorliegen eines Entlassungsgrundes in den Hintergrund treten“. Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 346.
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Art 336 Abs 2 lit a OR erklärt eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den AG nämlich dann als missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird, weil der AN einem Arbeitnehmerverband angehört oder nicht angehört, oder weil der AN eine gewerkschaftliche Tätigkeit rechtmäßig ausübt. Unter der Ausübung einer gewerkschaftlichen Tätigkeit wird dabei auch die Teilnahme an einem rechtmäßig durchgeführten Streik verstanden.518 Historisch betrachtet findet dieses verpönte Kündigungs-(Entlassungs-) motiv erstmals im BRG 1947519 Erwähnung.520 Gem § 25 Abs 3 lit a BRG 1947 konnte der BetrR auf Verlangen des gekündigten AN die Beendigungserklärung beim EA anfechten, wenn der BetrR zur Ansicht gekommen sein sollte, dass der Grund zur Kündigung des AN in seiner Tätigkeit in Gewerkschaften gelegen war. In weiterer Folge fand dieser Anfechtungsgrund auch Eingang in den Motivkündigungsschutz des ArbVG. Allerdings schweigen die Materialien sowohl zum BRG 1947521 als auch jene zum ArbVG522 zur Frage, was unter einer Tätigkeit in Gewerkschaften näher zu verstehen ist. Eine am Wortlaut der Norm orientierte Auslegung523 erhellt dabei zunächst, dass irgendein Bezug zu einer Gewerkschaft jedenfalls gegeben sein muss. Der entlassene AN muss in irgendeiner Form mit einer Gewerkschaft zusammengearbeitet haben.524 Gefordert wird, dass die Tätigkeit, um die es geht, nach außen hin als aktive gewerkschaftliche Tätigkeit erkennbar ist.525 Der AN, dessen Entlassung bekämpft wird, muss dabei aber nicht Mitglied einer Gewerkschaft sein, um sich auf den Tatbestand des § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG berufen zu können.526 Denn das in § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG vertypte verpönte Kündi518
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Vischer, Der Arbeitsvertrag3 (2005) 243; Nordmann, Die missbräuchliche Kündigung im schweizerischen Arbeitsvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Gleichstellungsgesetzes (1998) 128; Staehelin in Gauch/Schmid (Hrsg), Obligationenrecht V/2c. Der Arbeitsvertrag3 (1996) Art 336 Rz 31; vgl weiters Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht3 (2005) 238. BGBl 1947/97. In gewisser Hinsicht hatte dieses verpönte Motiv seinen Vorläufer bereits im BRG 1919, wo § 3 Z 9 leg cit den BetrR ermächtigte, die Kündigung eines AN mit der Begründung anzufechten, dass die Kündigung aus politischen Gründen, in Zusammenhang mit der Tätigkeit des Gekündigten als Mitglied des BetrR oder deswegen erfolgt sei, weil der Gekündigte vom Vereins- oder Koalitionsrecht Gebrauch gemacht habe. ErläutRV 320 BlgNR 5. GP 13; 344 BlgNR 5. GP 7 f. ErläutRV 840 BlgNR 13. GP 86 f; 993 BlgNR 13. GP 4. Das ASG Wien spricht sich in diesem Zusammenhang für eine extensive Interpretation dieses Anfechtungstatbestandes aus: ASG Wien 29.2.2000, 24 Cga 242/99d, ARD 5160/8/2000, bestätigt durch OLG Wien 6.11.2000, 9 Ra 176/00v, ARD 5185/40/2001. VwGH 23.3.1961, 1532/59, Arb 7356 = SozM II B 545; VwGH 9.2.1961, 1298/59, SozM II B 541; EA Wien 5.6.1962, Re 157/62, SozM II B 631. OLG Wien 5.6.1998, 7 Ra 115/98b, ARD 4954/4/98; vgl auch EA Wien 16.2.1953, Re 45/53-2, SozM II B 109. VwGH 15.6.1983, 82/1/190, Arb 10.319 = DRdA 1984, 58 = DRdA 1985/5, 117 (Rabofsky) = RdW 1983, 117 = infas 1984 A 1; VwGH 6.10.1982, 82/01/0153, 0154, VwSlg 10.841 A = Arb 10.151 = SozM II B 1211 = DRdA 1983, 115 = ÖJZ-VwGH (A) 1983/177, 495 = Ind 1983/1387 H 3, 10; EA Linz 23.11.1954, Re 164/54, Arb 6110.
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gungsmotiv soll nicht in erster Linie die Institution „Gewerkschaft“ schützen, sondern primär die allgemein gewerkschaftliche Betätigung und die Ziele der Gewerkschaftsbewegung an sich.527 Um die in Frage kommenden geschützten gewerkschaftlichen Tätigkeiten näher zu konkretisieren, unterscheidet Trost in weiterer Folge, ausgehend von der in der Judikatur ständig verwendeten Formulierung, wonach als „Tätigkeit in Gewerkschaften“ eine solche aufgefasst wird, die im Rahmen der Organisation oder in Zusammenarbeit mit einer Gewerkschaft durchgeführt wird oder die zumindest funktional dem Aufgabenbereich einer Gewerkschaft entspricht,528 zwischen formell gewerkschaftlichen Tätigkeiten und funktional gewerkschaftlichen Tätigkeiten. Zur gewerkschaftlichen Tätigkeit im formellen Sinn seien jedenfalls die Betätigung des Gewerkschaftsmitglieds im Rahmen der Gewerkschaftsorganisation sowie jene Aktivitäten zu zählen, bei denen es zur Kontaktaufnahme des nicht organisierten AN mit der Gewerkschaft kommt.529 Die funktionale Sichtweise einer gewerkschaftlichen Betätigung stellt darauf ab, dass sich der AN in einer für die Gewerkschaft typischen Angelegenheit engagiert.530 In der Rechtsprechung spiegelt sich die funktionale Betrachtungsweise mit der Formulierung wider, dass mit der vom ArbVG gebrauchten Wendung „Tätigkeit in Gewerkschaften“ jene Tätigkeiten gemeint und umfasst sind, die in einem bestimmten Fall mit gewerkschaftlicher Unterstützung bzw in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ein konkretes gewerkschaftliches Ziel verfolgen.531 Unter den Tatbestand von § 105 527
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Trost, Die rechts- oder sittenwidrige Kündigung (Ein Beitrag zur Interpretation des § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG), DRdA 1987, 1 und DRdA 1987, 106 (110); ähnlich auch Krejci, Betriebsübergang und Arbeitsvertrag (1972) 121: „Gesichert soll in erster Linie das freie Wirken von Arbeitnehmern im Koalitions- und Belegschaftsinteresse sein“ (Hervorhebung im Original). Strasser wiederum versteht unter einer gewerkschaftlichen Tätigkeit generell die Ausübung des Koalitionsrechts: Strasser, Sittenwidrige Kündigung und Kündigungsschutz nach § 25 Betriebsrätegesetz, DRdA 1958, 64 (67). Vgl nur VwGH 15.6.1983, 82/1/190, Arb 10.319 = DRdA 1984, 58 = DRdA 1985/5, 117 (Rabofsky) = RdW 1983, 117 = infas 1984 A 1; EA Salzburg 12.8.1986, Re 6/86, Arb 10.548 = ZASB 1987, 5 = RdW 1986, 380 = infas 1987 A 44; EA Innsbruck 12.2.1982, Re 14/81, Arb 10.076 = ZAS 1982, 121; anders noch das Erkenntnis des VwGH vom 23.3.1961, 1532/59, Arb 7356 = SozM II B 545, worin für eine Tätigkeit in Gewerkschaften deren Einbettung in eine formelle Gewerkschaftsorganisation gefordert wird, eine funktionale Sichtweise jedoch abgelehnt wird. Trost, DRdA 1987, 109; vgl weiters VwGH 9.2.1961, 1298/59, SozM II B 541; VwGH 20.10.1960, 668/59, SozM II B 517 = DRdA 1961, 293 (Weisgram). Trost, DRdA 1987, 109; vgl auch Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 51. Die funktionale Betrachtungsweise wurde bereits von Binder, Zur Kündigung aus dem Motiv „Tätigkeit in Gewerkschaften“ – Zugleich eine Kritik des VwGHErkenntnisses v 26. Mai 1970 Zl 3/70/8, DRdA 1972, 353 (354), zum BRG 1947 vertreten. Vgl dazu auch das EA Linz in seiner Entscheidung vom 23.11.1954, Re 164/54, Arb 6110, wonach beim Anfechtungstatbestand nach § 25 Abs 3 lit a BRG 1947 eine Tätigkeit für oder im Rahmen der Gewerkschaftsbewegung maßgebend ist. VwGH 15.6.1983, 82/1/190, Arb 10.319 = DRdA 1984, 58 = DRdA 1985/5, 117 (Rabofsky) = RdW 1983, 117 = infas 1984 A 1; VwGH 6.10.1982, 82/01/0153, 0154, VwSlg
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Abs 3 Z 1 lit b ArbVG können damit einerseits solche Aktivitäten subsumiert werden, die entweder – formell betrachtet – in Kooperation mit der Gewerkschaftsbewegung vorgenommen werden, andererseits können diesem Tatbestand – funktional betrachtet – solche Tätigkeiten zugeordnet werden, mit denen konkrete gewerkschaftliche Zielsetzungen verfolgt werden sollen. Einen ersten Anhaltspunkt zur Beantwortung der Frage, welche Aktivitäten konkret durch § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG geschützt sind, kann die bisher zu diesem Anfechtungstatbestand ergangene Judikatur bieten. Als „Tätigkeit in Gewerkschaften“ werden von der Judikatur folgende Sachverhalte angesehen: Die Teilnahme an bzw die Abhaltung von Versammlungen532 ebenso wie die Propagandatätigkeit für die Gewerkschaft,533 weiters die Bewerbung des AN um eine Gewerkschaftsfunktion534 und das Anwerben neuer Mitglieder.535 Als „Tätigkeit in Gewerkschaften“ werden auch Aktivitäten rund um die Errichtung betrieblicher Arbeitnehmervertretungsorgane gewertet,536 insbesondere wenn der AN als „Verbindungsmann“ zwischen der Belegschaft und der Gewerkschaft fungiert.537 Anknüpfend an die funktionale Betrachtungsweise und die vorhin angeführte Judikatur stellt sich jetzt auf einer höheren Ebene die Frage, welche Ziele üblicherweise von einer Gewerkschaft verfolgt werden bzw wie sich der Aufgabenbereich einer freiwilligen Berufsvereinigung der AN näher konkretisiert. Steht nämlich die Palette möglicher gewerkschaftlicher Ziele fest, deren Schutz § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG vor Augen hat, dann können die darauf abzielenden Tätigkeiten entsprechend der funktionalen Betrachtungsweise
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10.841 A = Arb 10.151 = SozM II B 1211 = DRdA 1983, 115 = ÖJZ-VwGH (A) 1983/177, 495 = Ind 1983/1387 H 3, 10; ASG Wien 29.2.2000, 24 Cga 242/99d, ARD 5160/8/2000, bestätigt durch OLG Wien 6.11.2000, 9 Ra 176/00v, ARD 5185/40/2001; EA Innsbruck 10.5.1982, Re 42/81, Arb 10.084. LG Wiener Neustadt 9.2.1998, 6 Cga 158/98h, ZASB 1999, 35; EA Wien 10.6.1964, Re 171/64, Arb 7949 = SozM II B 735 = SozM II B 741; EA Wien 26.11.1955, Re 445/55, Arb 6342; EA Wien 16.2.1953, Re 58/53-2, SozM II B 108. EA Graz 7.12.1967, Re 55/67, Arb 8497; EA Wien 10.6.1964, Re 171/64, Arb 7949 = SozM II B 735 = SozM II B 741. EA Graz 28.11.1966, Re 17/66, Arb 8397. EA Klagenfurt 8.4.1957, Re 5/57, Arb 6638. Besonders betont vom EA Linz in seiner Entscheidung vom 2.4.1953, Re 49/53, Arb 5669; vgl dazu weiters VwGH 20.2.1958, 690/55, Arb 6810; OLG Wien 5.6.1998, 7 Ra 115/98b, ARD 4954/4/98; EA Salzburg 12.8.1986, Re 6/86, Arb 10.548 = ZASB 1987, 5 = RdW 1986, 380 = infas 1987 A 44; EA Graz 28.11.1966, Re 17/66, Arb 8397; EA Klagenfurt 8.4.1957, Re 5/57, Arb 6638. VwGH 15.6.1983, 82/1/190, Arb 10.319 = DRdA 1984, 58 = DRdA 1985/5, 117 (Rabofsky) = RdW 1983, 117 = infas 1984 A 1; VwGH 6.10.1982, 82/01/0153, 0154, VwSlg 10.841 A = Arb 10.151 = SozM II B 1211 = DRdA 1983, 115 = ÖJZ-VwGH (A) 1983/177, 495 = Ind 1983/1387 H 3, 10; VwGH 22.10.1953, 779/53, Arb 5907; OLG Wien 5.6.1998, 7 Ra 115/98b, ARD 4954/4/98; EA Salzburg 12.8.1986, Re 6/86, Arb 10.548 = ZASB 1987, 5 = RdW 1986, 380 = infas 1987 A 44; EA Klagenfurt 8.4.1957, Re 5/57, Arb 6638.
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auch als geschützte Tätigkeiten in Gewerkschaften erfasst werden.538 Um hier Anhaltspunkte zu gewinnen ist es sinnvoll, auf Aussagen der Rechtsordnung zurückzugreifen und die Frage zu stellen, welche Ziele die Rechtsordnung selbst mit einer Gewerkschaft verbunden sieht. Das ArbVG spricht dabei in § 4 Abs 2 im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit zwei grundlegende Zielsetzungen einer Arbeitnehmerkoalition an: Einerseits das Ziel, die Arbeitsbedingungen zu regeln (§ 4 Abs 2 Z 1 ArbVG), andererseits in ganz globaler Weise das Ziel, die Arbeitnehmerinteressen zu vertreten (§ 4 Abs 2 Z 2 ArbVG).539 § 2 KoalG 1870 spricht – allerdings mit anderer Zielrichtung – als Stoßrichtungen koalitiver Betätigung das Streben nach höheren Lohn oder überhaupt nach günstigeren Arbeitsbedingungen an. § 235 LAG benennt die Förderung der Arbeitnehmerinteressen als Zielrichtung einer Arbeitnehmerkoalition. Art 10 des ILOÜbereinkommens Nr 87 umschreibt die Zweckverfolgung einer Arbeitnehmerkoalition mit der Förderung und dem Schutz der Arbeitnehmerinteressen. Dh: Als allgemeinstes Ziel gewerkschaftlicher Betätigung540 lässt sich diesen normativen Aussagen die Vertretung der auf das Arbeitsleben bezogenen Arbeitnehmerinteressen entnehmen.541 Zu beachten ist aber, dass den gewerkschaftlichen bzw gewerkschaftstypischen Aktivitäten des AN der Arbeitsvertrag gegenübersteht. So entschied das EA Wien, dass für den Fall einer unter Verletzung der Dienstpflichten entfalteten gewerkschaftlichen Tätigkeit542 dem betreffenden AN der Schutz des § 25 Abs 3 lit a BRG 1947 nicht zu Gute kommt.543 Binder allerdings relativiert diese Entscheidung mit dem Hinweis, dass eine geringfügige Pflichtverletzung nicht zur Verwirkung der Anfechtungsmöglichkeit führen werde; diese Rechtsfolge trete vielmehr dann ein, wenn die Pflichtverletzung einen Entlassungstatbestand verwirkliche.544 Zusätzlich relativiert sich diese Entscheidung angesichts des diesem Rechtssatzes des EA zu Grunde liegenden Sachverhaltes. Denn bereits bevor sich der später gekündigte AN gewerkschaftlich 538
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Vgl Grillberger in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 (1998) 385; vgl auch Ritzberger-Moser, Anm zu OGH 14.11.1996, 8 ObA 2308/96m, DRdA 1997/39, 326 (327). Vgl dazu die vom ÖGB in seinen Statuten vorgenommene Aufgabenumschreibung und Zielsetzung. Ua vertritt der ÖGB gem der Zweckbestimmung des § 1 Abs 2 der Statuten die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen des dort umschriebenen Personenkreises. Dazu obliegt dem ÖGB gem § 3 Abs 2 lit a der Statuten die Aufgabe, gewerkschaftliche Aktionen zur Herbeiführung günstigerer Arbeitsbedingungen durchzuführen. Wobei sich die gewerkschaftliche Betätigung nicht auf die Gewerkschaft als Organisation bezieht, sondern vielmehr auf den einzelnen AN. Vgl Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 23; Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 76. Hier Werbetätigkeit des AN für die Gewerkschaft während der Arbeitszeit und daraus resultierende Störung des Betriebsablaufs. EA Wien 22.1.1962, Re 261/61, Arb 7607 = SozM II B 616. Binder, DRdA 1972, 356.
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betätigte, stand für den AG der Entschluss fest, den AN wegen dessen minderen Arbeitsleistungen einerseits, und wegen einer disziplinären Verfehlung andererseits zu kündigen. Dh, die gewerkschaftliche Tätigkeit bildete eben nicht das Motiv für die Kündigung.
1.2.2.
§ 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG und die Streikteilnahme
Nach dieser inhaltlichen Konkretisierung des Anfechtungsgrundes von § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG gilt es jetzt zu untersuchen, ob sich der streikbedingt entlassene AN auf dieses verpönte Kündigungs- (Entlassungs-)motiv berufen kann. Die erste Hürde, die sich für den AN dabei stellt, ist jene, dass der AN durch die Streikbeteiligung keinen Entlassungsgrund iS einer gerechtfertigten Entlassung gesetzt haben darf. Wie vorhin gezeigt verwirklicht nicht jede Streikteilnahme einen vertypten Entlassungsgrund, sei es dass der AN nicht schuldhaft gehandelt hat, sei es dass dem AG die Weiterbeschäftigung des AN nicht unzumutbar ist, oder sei es dass die für § 27 Z 4 Fall 1 AngG notwendige Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten wird. Folgt man der von der oben zitierten Entscheidung des OGH vorgezeichneten Linie, müsste selbst bei Bejahung eines aus der Streikteilnahme resultierenden Entlassungsgrundes auf ein vom AN vorgebrachtes, verpöntes Motiv eingegangen werden. Dh, sollte sich diese vom OGH neu eingeschlagene Judikaturlinie verfestigen, wird der AN in der Lage sein, die erste Hürde der Entlassungsanfechtung gem § 106 ArbVG zu überspringen. Die Frage, ob dem streikbedingt entlassenen AN die Berufung auf eine „Tätigkeit in Gewerkschaften“ möglich ist, wird hingegen kontrovers diskutiert. Die Gegner einer derartigen Zuordnung stützen sich bei ihrer Interpretation diese Anfechtungstatbestandes dabei im Wesentlichen auf folgendes Argument: Wegen der streikbedingten Verletzung der arbeitsvertraglichen Arbeitspflicht, also wegen des streikbedingten Bruchs des Arbeitsvertrages, scheide die Berufung des AN auf § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG aus, da lit b dahingehend interpretiert wird, dass der bestehende Arbeitsvertrag der „Tätigkeit in Gewerkschaften“ Grenzen setzt.545 Die Frage, die damit von den Gegnern gleichzeitig auf einer übergeordneten Ebene angesprochen wird und der aber ausschlaggebende Bedeutung für die Tragfähigkeit dieser Rechtsansicht zukommt, lautet somit: Ist die Interpretation der in § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG angeführten Anfechtungstatbestände abhängig davon, dass sich der AN bezogen auf das durch das verpönte Kündigungsmotiv geschützte Rechtsgut vertragskonform verhält? Virulent ist diese Frage dort, wo das durch den Motivkündigungstatbestand geschützte Rechtsgut – wie bei der „Tätigkeit in Gewerkschaften“ – in Konflikt mit der Sphäre des Arbeitsvertrages geraten kann. 545
So die Argumentation bei Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 253 f und Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 313, 346; s auch Binder, DRdA 1972, 355, wonach ebenfalls die „Tätigkeit in Gewerkschaften“ nicht unter Verletzung der Arbeitspflichten erfolgen dürfe.
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
Denn Bydlinski lehnt es ab, die Teilnahme an einem gewerkschaftlich organisierten Streik als eine Tätigkeit in Gewerkschaften anzusehen. Ausgehend von dem nach Bydlinski der Vorschrift des § 25 Abs 3 lit a BRG 1947 innewohnenden Sinn, wonach jeder AN die Möglichkeit haben soll, sich der Gewerkschaft anzuschließen und darin Funktionen zu bekleiden, ohne irgendwelche Sanktionen befürchten zu müssen,546 operiert Bydlinski mit dem Argument, dass sich die Entlassung nicht gegen die Teilnahme an einem gewerkschaftlich organisierten Streik, sondern vielmehr gegen die Nichtarbeit als solche richte.547 Noch deutlicher positioniert sich Tomandl. Verletze der AN durch die Arbeitsniederlegung seine individuelle Vertragspflicht, könne die Arbeitsverweigerung keine „gewerkschaftliche Tätigkeit“ sein.548 Um auf diese Argumentation antworten zu können, ist es notwendig, den eigentlichen Zweck und die eigentliche Absicht des Motivkündigungsschutzes herauszuarbeiten. Firlei lenkt dabei den Blick auf den in diesem Bereich gegebenen, ganz zentralen Interessengegensatz zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Wo nämlich das Gesetz den Schutz des AN vor dem Verlust des Arbeitsplatzes an das der Beendigungserklärung des AG zu Grunde liegende, für verpönt erklärte Motiv knüpft, dort treffe eine besonders starke Schutzbedürftigkeit des AN auf das besonders stark ausgeprägte Interesse des AG an der Entfernung dieses AN aus dem Arbeits- und Verwertungsprozess. „Aus spezifischen Gründen exponierte Stellungen des Arbeitnehmers (bei gewerkschaftlicher oder betriebsverfassungsrechtlicher Betätigung oder bei Zugehörigkeit zu bestimmten politischen oder religiösen Bekenntnissen) lassen sich deswegen nur durch Rückgriff auf das Motiv der Kündigung schützen, weil eben nicht jede Kündigung, sondern nur die – auf Grund der besonderen Situation – unerwünschte verboten sein soll, die Kündigungserklärung den blanken Beendigungswillen undifferenziert ausdrückt und die Arbeitnehmer in diesen Bereichen absolut geschützt sein sollen, so daß eine Abwägung der außerhalb des Motivs liegenden objektiven Interessen, anknüpfend an außersubjektive Tatbestände (wie betriebswirtschaftliche Rechtfertigungsgründe), nicht in Frage kommt“.549 Krejci führt zum Sinn des Motivkündigungsschutzes aus, dass trotz fehlender Begründungspflicht für Kündigungen der AG nicht die uneinschränkbare Möglichkeit haben soll, mit dem Motiv der Kündigung zu erreichen, was ihm 546
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Dieser von Bydlinski der „Tätigkeit in Gewerkschaften“ beigelegte Sinn wird im ArbVG durch den Anfechtungstatbestand des § 105 Abs 3 Z 1 lit a „Beitritt oder Mitgliedschaft des Arbeitnehmers zu Gewerkschaften“ verwirklicht. Schon daraus ergibt sich mE, dass lit b ein anderer Sinn zukommen muss. Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 313, 346. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 253. Firlei, Motivkündigungen von Arbeitnehmern und kollektivrechtliche Konstruktion des allgemeinen Kündigungsschutzes, in Hagen/Römer/Seiffert (Hrsg), Rechtswissenschaft und Arbeiterbewegung. Festschrift für Eduard Rabofsky (1976) 139 f (Hervorhebungen im Original); ähnlich auch Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung (1982) 39: „Der Schutz vor solchen Motivkündigungen ist insofern nahezu absolut“.
Der Streik und der Entlassungsschutz
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sonst verboten sei: Nämlich das Wirken der AN in ihren überbetrieblichen und betrieblichen Interessenvertretungen durch Bedrohung des Bestandes ihrer Arbeitsverhältnisse zu beeinflussen oder ein den Arbeitgeberinteressen zuwiderlaufendes, aber durchaus erlaubtes Wirken der AN durch Kündigung zu unterbinden oder zu vergelten.550 Schrank bemerkt in diesem Zusammenhang richtigerweise, dass selbst bei objektivem Vorliegen eines Entlassungsgrundes das eigentlich der Entlassung zu Grunde liegende Motiv ein verpöntes sein kann. Der tatsächlich gesetzte Entlassungsgrund stelle dann bloß eine günstige Gelegenheit dar, einen AN, den der AG ohnehin aus einem verpönten Motiv loswerden wolle, nun tatsächlich zu entfernen, wobei Schrank resümiert, dass das ArbVG in diesen Fällen keinen Schutz biete.551 Dieses von Schrank angesprochene Defizit versucht die vorhin zitierte Entscheidung des OGH mE wohl zu beseitigen. Bereits diese Äußerungen deuten darauf hin, dass bei der Interpretation der Tatbestände des Motivkündigungsschutzes Relativierungen, bedingt durch den Vorwurf des Hinwegsetzens über bestehende vertragliche Bindungen, nicht am Platz sind. Die Ansicht von Bydlinski und Tomandl verliert mE zusätzlich noch an Gewicht, wenn man § 8 AVRAG in die Betrachtung mit einbezieht. Diese Bestimmung verfolgt ebenfalls den Schutz des AN vor einer Kündigung bzw einer Entlassung aus einem verpönten Motiv. § 8 Abs 1 AVRAG statuiert in Umsetzung der RL 89/391/EWG552 ein Benachteiligungsverbot für jene AN, die bei ernster und unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesundheit einen Gefahrenbereich verlassen. § 8 Abs 2 leg cit verschafft dem AN das Recht, eine Beendigungserklärung des AG, die wegen eines in Abs 1 umschriebenen Verhaltens des AN erfolgt, gerichtlich anzufechten. Bei der durch § 8 Abs 2 AVRAG verschafften Anfechtungsmöglichkeit handelt es sich also ebenso um die Geltendmachung eines verpönten Kündigungsmotivs durch den AN.553 Dh, auch hier könnte bei der Interpretation dieses Anfechtungsgrundes dem AN das Verlassen der Arbeit vorgeworfen und damit die Berufung auf den Anfechtungstatbestand versagt werden, obwohl das sicherheitsbedingte Entfernen gerade die durch den Tatbestand des § 8 Abs 2 AVRAG geschützte Verhaltensweise ist. Folgt man also hier der Argumentation von Tomandl und Bydlinski, wonach Vertragsverletzungen die Berufung auf den Anfechtungstatbestand ausschließen, wird der Motivkündigungsschutz damit aber entwertet. Daraus zeigt sich mE deutlich, dass die Frage einer Vertragsverletzung für die Interpretation der Anfechtungstatbestände des Motivkün550 551
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553
Krejci, Betriebsübergang und Arbeitsvertrag (1972) 121. Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung (1982) 56. RL 89/391/EWG des Rates vom 12.6.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, ABl 1989 Nr L 183/1. Näher dazu Floretta/Wachter, Anmerkungen zur Kündigungsschutzklage nach §§ 8 und 9 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, in Hagen/Maßl/Noll/Oberkofler (Hrsg), querela iuris. Gedächtnisschrift für Eduard Rabofsky (1996) 59 ff.
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
digungsschutzes ohne Bedeutung bleiben muss. Die Frage nach einer Vertragsverletzung stellt sich auf einer anderen Ebene. Nämlich dort, wo das ArbVG selbst im Zuge des Motiventlassungsschutzes die Frage nach dem vertragskonformen Verhalten des AN für bedeutsam erklärt. Das ist der Fall bei der möglichen Rechtfertigung der Motivkündigung durch den AG (§ 105 Abs 5 Satz 2 ArbVG) und bei der von § 106 Abs 2 ArbVG angesprochenen Frage, ob der AN einen Entlassungsgrund gesetzt hat oder nicht.554 Zudem lehnt Tomandl selbst die Möglichkeit der Berufung auf § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG im Streikfall nicht vollständig ab. Denn Tomandl zufolge könne sich ein Mitglied der Streikleitung oder ein Streikposten durchaus eine Tätigkeit in Gewerkschaften zu Gute halten.555 Vor allem das von Tomandl angeführte Beispiel des Streikpostens zeigt die Inkonsequenz dieser Ansicht. Ein Streikposten verletzt um nichts weniger durch seine Streikteilnahme den Arbeitsvertrag als der „einfach“ streikende AN. Während dem Streikposten die Berufung auf eine gewerkschaftliche Tätigkeit zugestanden werden soll, soll dies beim einfach streikenden AN nicht der Fall sein können. Gründe dafür, warum der Streikposten oder das Mitglied der Streikleitung gegenüber dem einfachen Streikteilnehmer privilegierter sein sollen, führt Tomandl selbst nicht an und sind mE auch nicht ersichtlich.
1.2.3.
Eigene Position
Klärungsbedürftig ist zunächst die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal „Gewerkschaften“ in § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG zu verstehen ist. Dies vor dem Hintergrund, dass nicht nur die Frage nach der Teilnahme an einem gewerkschaftsgetragenen Streik im Raum steht, sondern darüber hinaus auch zu untersuchen ist, ob nicht auch die Teilnahme an einem verbandsfreien Streik („wilder Streik“) als „Tätigkeit in Gewerkschaften“ aufgefasst werden kann. Bereits die Verwendung der Pluralform deutet darauf hin, dass mit diesem Begriff nicht nur der ÖGB, als kollektivvertragsfähige freie Berufsvereinigung der AN, gemeint sein kann. Grundsätzlich versteht man unter einer Gewerkschaft, als einer Arbeitnehmerkoalition, einen freiwilligen Zusammenschluss von AN zum Zweck der Vertretung ihrer das Arbeitsleben betreffenden gemeinsamen Interessen, wobei dieser Zusammenschluss den Erfordernissen der Gegnerfreiheit und der Gegnerunabhängigkeit genügen muss.556 Der in diesem Sinne weit zu verstehende Gewerkschaftsbegriff verlangt damit weder eine organisatorisch fest gefügte Struktur noch einen bestimmten Namen noch eine 554
555 556
AA Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung (1982) 357 FN 108, der meint, dass die Berücksichtigung vertragskonformen Verhaltens des AN bei der Interpretation der lit b ihre Stütze in § 106 ArbVG finde. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 253. Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 904; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht I Gestalter und Gestaltungsmittel5 (2004) 25; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 14.
Der Streik und der Entlassungsschutz
105
bestimmte Rechtsform oder das Agieren in einem überbetrieblichen Tätigkeitsbereich.557 Man kann damit mE im vorliegenden Zusammenhang von einer Gewerkschaft iwS sprechen und diese der Gewerkschaft ieS, also der organisatorisch fest gefügten, mit Kollektivvertragsfähigkeit ausgestatteten Arbeitnehmervereinigung, gegenüberstellen.558 ME kann zunächst die Teilnahme an einem von einer Gewerkschaft ieS ausgerufenen bzw unterstützten rechtmäßigen Streik sehr wohl § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG unterstellt werden. Ausgangspunkt folgender Überlegungen ist die zur näheren Konkretisierung dieses Anfechtungstatbestandes verwendete funktionale Betrachtungsweise, wonach mit „Tätigkeit in Gewerkschaften“ jene Tätigkeiten gemeint und umfasst sind, die in einem bestimmten Fall mit gewerkschaftlicher Unterstützung oder in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ein konkretes gewerkschaftliches Ziel verfolgen.559 Neben dem vorhin gewonnenen allgemeinen gewerkschaftlichen Ziel, nämlich die auf das Arbeitsleben bezogenen Arbeitnehmerinteressen zu verfolgen und zu vertreten, spricht das ASG Wien in einer neueren Entscheidung noch weitere, konkretere gewerkschaftliche Zielsetzungen an: den Eintritt für bessere Arbeitsbedingungen und den Eintritt für eine Arbeitszeitverkürzung.560 Bereits hier fällt auf, dass sich diese gewerkschaftlichen Ziele mit jenen Zielen decken, zu deren Durchsetzung typischerweise gestreikt wird.561 Angesichts dieser Parallelität zwischen den durch § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG geschützten Zielverfolgungen und jenen Zielen, die üblicherweise mit einem Streik verbunden sind, ist es daher mE geboten, auch die Mitwirkung an einem gewerkschaftsgetragenen Streik zu jenen Tätigkeiten zu zählen, deren Schutz § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG vor Augen hat. Diese Auffassung findet auch Unterstützung in zwei Entscheidungen von EA, die sich noch auf das BRG 1947 beziehen. Im ersten Fall hatte sich das EA Amstetten mit der Frage zu beschäftigen, ob AN, die nach dem Scheitern von Verhandlungen über Einstufungsfragen in einen von der zuständigen Gewerkschaft gebilligten Streik getreten waren, den Schutz von § 25 Abs 3 lit a BRG 1947 genießen. Das EA bejahte dies und prägte folgenden Rechtssatz: „Die Teilnahme an einem von der Gewerkschaft
557
558 559 560
561
Vgl Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 354; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 905; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 14; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 12; aA bezüglich des Kriteriums der Überbetrieblichkeit Kuderna, Über die rechtliche Problematik der Vertretung der Arbeitnehmerschaft in Betrieben auf Grund privatautonomer Gestaltung, DRdA 2000, 103 (110); dagegen Firlei, Alternative Interessenvertretungen im Betrieb – Gibt es einen „betriebsverfassungsfreien Raum“? in Grillberger (Hrsg), 30 Jahre ArbVG (2005) 61 (88 f). Vgl Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 15. Vgl dazu Seite 98 f. ASG Wien 29.2.2000, 24 Cga 242/99d, ARD 5160/8/2000, bestätigt durch OLG Wien 6.11.2000, 9 Ra 176/00v, ARD 5185/40/2001; ebenso Strasser/Jabornegg, ArbVG3 (1999) § 105 Erl 33. Zu den Zielen, die ein Streik üblicherweise verfolgt s Seite 5.
106
Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
gebilligten Streik ist als eine gewerkschaftliche Tätigkeit anzusehen“.562 Auf dieser Linie bewegt sich auch die Entscheidung des EA Innsbruck vom 5. Juli 1962. Auch hier war das EA mit einem Streik konfrontiert, der von der zuständigen Gewerkschaft im Einvernehmen mit der zuständigen betrieblichen Organisation ausgerufen und von diesen Stellen auch wieder beendet wurde. Auch hier vertrat das EA die Auffassung, dass die Streikenden während der Dauer eines idS „legalen“, dh, gewerkschaftlich unterstützten Streiks an einer unter dem Schutz des § 25 Abs 3 lit a BRG 1947 stehenden gewerkschaftlichen Tätigkeit mitgewirkt haben.563 Was soll aber für die Teilnahme an einem Streik gelten, der nicht von einer kollektivvertragsfähigen freien Berufsvereinigung der AN564 organisiert und durchgeführt wird? Die Beantwortung dieser Frage muss an der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals „Gewerkschaften“ in § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG ansetzen. Meint dieser normative Begriff nur organisierte, kollektivvertragsfähige Vereinigungen von AN, oder aber können auch idS nicht organisierte Arbeitnehmerkollektive darunter subsumiert werden? Zu eng ist es mE, unter „Gewerkschaften“ nur kollektivvertragsfähige freie Berufsvereinigungen im Allgemeinen und dabei den ÖGB im Besonderen verstehen zu wollen. Das widerspricht nicht nur dem Wortlaut des § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG und dem von der Lehre vertretenen weiten Gewerkschaftsbegriff, sondern widerspricht auch Art 11 MRK, der in der Sichtweise der Lehre nicht nur organisatorisch verfestigte Arbeitnehmervereinigungen, sondern auch Ad-hocKoalitionen, also nicht formal organisierte Arbeitnehmerkollektive, in seinen Schutzbereich einbezieht.565 Zudem betont der VfGH, dass der Begriff „Gewerkschaften“ in § 25 Abs 3 lit a BRG 1947566 im einem weiten Sinn zu verste562
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EA Amstetten 4.2.1955, Re 13/54, Arb 6165; ansatzweise auch EA Graz 29.1.1953, Re 11/53, 13/53, SozM II B 157. EA Innsbruck 5.7.1962, Re 10/62, SozM II B 635; vgl dazu auch Kleiner, DRdA 1953 H 7, 9: „Gibt es eine wesentlichere Tätigkeit in Gewerkschaften als die Teilnahme an einem Streik einer Gewerkschaft?“ Vgl dazu auch die zu Art 336 Abs 2 lit a OR von Staehelin in Gauch/Schmid (Hrsg), Obligationenrecht V/2c. Der Arbeitsvertrag3 (1996) Art 336 Rz 31, vertretene Auffassung, wonach zur gewerkschaftlichen Tätigkeit auch die Teilnahme an einem rechtmäßig ausgeführten Streik gehöre. Die gewerkschaftliche Tätigkeit könne dabei in der Durchführung und Organisation des Streiks oder in der Teilnahme an demselben bestehen. Konkret vom ÖGB. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 359; Firlei in Grillberger (Hrsg), 30 Jahre ArbVG (2005) 92; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht I Gestalter und Gestaltungsmittel5 (2004) 26; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 31; 34; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 18. Vgl weiters Floretta, Arbeitsrecht und Europäische Menschenrechtskonvention (1967) 10, der darauf hinweist, dass der von Art 11 MRK verwendete Begriff „Gewerkschaften“ in einem weiten Sinn zu verstehen ist. Eine Monopolstellung einer bestimmten Gewerkschaft wäre im Übrigen mit Art 11 MRK nicht vereinbar: EKMR 14.12.1979, 7601/76, 7806/77, Young, James und Webster, DR 9, 126 = DR 12, 168 = EuGRZ 1980, 450. Also der gleichlautenden Vorgängerbestimmung zu § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG.
Der Streik und der Entlassungsschutz
107
hen ist, also nicht auf kollektivvertragsfähige Berufsvereinigungen der AN beschränkt ist.567 Auch eine Ad-hoc-Koalition ist damit eine Gewerkschaft iSv § 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG, sodass auch die Beteiligung an einem verbandsfreien Streik entsprechend der funktionalen Betrachtungsweise als eine „Tätigkeit in Gewerkschaften“ zu qualifizieren ist.568
2.
Der besondere Kündigungsschutz der Betriebsverfassungsfunktionäre
2.1. Einleitung §§ 120 bis 122 ArbVG stellen die gewählten Vertreter der Belegschaft unter einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz.569 Das ArbVG bezweckt mit der Beschränkung des freien Kündigungsrechts des AG durch das Erfordernis der gerichtlichen Zustimmung vor570 dem Ausspruch der Beendigungserklärung, die Belegschaftsvertreter einerseits vor Repressalien des Betriebsinhabers zu schützen, andererseits den Betriebsverfassungsfunktionären die notwendige Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Interesse der Belegschaft zu sichern.571 Auf der anderen Seite sind aber die Belegschaftsvertreter in ihren arbeitskampfbezogenen Aktionsmöglichkeiten einge567
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VfGH 9.3.1959, B 292/58, VfSlg 3496 = JBl 1959, 590. Vgl auch die beiden weiteren einschlägigen Folgeerkenntnisse des VfGH, worin der VfGH zur Bestimmung des Begriffes „Gewerkschaft“ auf den allgemeinen Sprachgebrauch rekurriert und darunter ganz allgemein eine Berufsvereinigung zur Vertretung von Arbeitnehmerinteressen versteht: VfGH 4.10.1977, B 322/76, VfSlg 8141 = DRdA 1978, 46 = ÖJZ 1978, 410 = ÖBl 1978, 149 = ÖZW 1978, 87 und VfGH 14.6.1979, B 378/78, VfSlg 8567 = ÖJZ 1980, 276. Der OGH versteht unter einer Gewerkschaft eine Vereinigung, die mit besonderen Zwecken, Zielen und Mitteln auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen abzielt: OGH 21.12.1995, 8 ObA 253/95, SZ 68/249 = Arb 11.460 = DRdA 1996, 246 = DRdA 1996/43, 412 (Feik) = ZASB 1996, 10 = wbl 1996, 244 = EvBl 1996/87, 510 = ÖJZ-LSK 1996/155 = ÖJZ-LSK 1996/217 = ÖJZ-LSK 1996/218 = ÖJZ-LSK 1996/219 = ÖJZ-LSK 1996/248 = RdW 1996, 488 = ecolex 1996, 395 = GesRZ 1996, 121 = infas 1996 A 72 = ARD 4729/14/96. Vgl auch Grillberger in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 (1998) 385: „Unter Gewerkschaft sind freiwillige Berufsvereinigungen der Arbeitnehmer zu verstehen, gleichgültig, ob sie sich so bezeichnen oder nicht. Ebensowenig kommt es auf die Kollektivvertragsfähigkeit dieser Vereinigung an. Entscheidend ist ihre gewerkschaftliche Zielsetzung“. Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 12, betont in diesem Zusammenhang, dass auch die Kampfkoalition mit einem lockeren Zusammenschluss von Mitgliedern im Arbeitskampf eine Koalition ist, auch wenn diese keine körperschaftliche Verfassung aufweist. Ebenso Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 354. Gem § 130 Abs 1 ArbVG sind die Vorschriften der §§ 120 bis 122 ArbVG auch hinsichtlich der Mitglieder des Jugendvertrauensrates sinngemäß anzuwenden. In zwei Fällen ermöglicht § 122 Abs 3 ArbVG, die gerichtliche Zustimmung zur Entlassung auch nach der Beendigungserklärung einzuholen und zwar im Fall des § 122 Abs 1 Z 2 sowie im Fall des § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG. Wachter, Der Kündigungsschutz in Österreich, ArbR 1984, 3 (21).
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
schränkt. Angesprochen ist damit die betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht.572 Diese hindert die Betriebsratsmitglieder zwar an der Vornahme bzw Organisation von Kampfmaßnahmen in dieser Eigenschaft,573 schließt aber ihre „schlichte“ Teilnahme an einer Arbeitsniederlegung nicht aus.574 Was die mögliche arbeitsvertragsrechtliche Folge einer Kampfteilnahme anbelangt, fällt auf, dass im Vergleich zu den übrigen AN den einschlägigen, in § 122 ArbVG taxativ575 aufgezählten Zustimmungsgründen zur Entlassung ein § 27 Z 4 Fall 1 AngG vergleichbar gefasster Tatbestand fehlt.576 Demgegenüber kennen § 12 Abs 2 Z 1 MSchG und § 15 Z 2 APSG die schuldhafte, gröbliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten als einen Grund für die Zustimmung des Gerichts zur fristlosen Vertragsbeendigung; dies insbesondere dann, wenn der/die AN ohne einen rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Arbeitsleistung unterlässt. Dieses Fehlverhalten eines Betriebsverfassungsfunktionärs ist von den Entlassungsgründen des § 122 Abs 1 ArbVG nicht erfasst. Den Grund dafür sehen Spielbüchler577 und Pfeil578 in dem Umstand, dass der Schutz des Betriebsratsamtes dem AG abverlange, trotz des Unterlassens der Dienstleistung durch den Belegschaftsvertreter das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Damit muss geprüft werden, ob die streikbedingte Arbeitseinstellung den einschlägigen, in § 121 ArbVG normierten Kündigungszustimmungsgründen unterstellt werden kann. Die Prüfung konzentriert sich dabei auf § 121 Z 3 ArbVG,579 wonach das Gericht der Kündigung des Belegschaftsvertreters dann zustimmen darf, wenn das Betriebsratsmitglied die ihm aufgrund des Arbeitsverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und 572 573
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Dazu näher Seite 183 ff. OGH 19.11.2003, 9 ObA 125/03b, SZ 2003/151 = Arb 12.382 = DRdA 2004, 171 = DRdA 2004/48, 558 (mit Besprechungsaufsatz von Cerny) = ZAS 2005/6, 32 (Rebhahn) = wbl 2004/203, 389 = RdW 2005/52, 35 (mit Besprechungsaufsatz von Löschnigg) = ecolex 2004/142, 302 = ASoK 2004, 295 = infas 2004 A 26 = ARD 5472/5/2004. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 783; Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/ Schneller, Arbeitsverfassungsrecht II3 (2004) § 39 Erl 6; Radner, Entgeltzahlung für eine Protestversammlung? in Binder/Radner, Arbeits- und Sozialrecht. Praxisfälle und Lösungen in systematischer Bearbeitung (2001) 183 (187); Tomandl/Marhold in Mosler/ Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 678. OGH 19.8.1998, 9 ObA 76/98m, Arb 11.762 = DRdA 1999, 76 = DRdA 1999/60, 481 (Klein Ch.) = ASoK 1999, 77; Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen (2002) Rz 73; Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 52. Ähnlich ist die rechtliche Situation auch im Fall der durch das BEinstG geschützten begünstigten Behinderten, wo ebenso wie beim besonderen Bestandschutz der Betriebsverfassungsfunktionäre die beharrliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten gem § 8 Abs 4 lit c iVm § 8 Abs 3 BEinstG als Grund zur Zustimmung zur Kündigung normiert ist. Spielbüchler, Die Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder, DRdA 1971, 231 (237). Pfeil, Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes, DRdA 1983, 116 (118). Zu diesem Tatbestand ausführlich Heinz-Ofner, Der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz für Betriebsratsmitglieder und ihnen gleichgestellte Personen2 (2004) 157 ff.
Der Streik und der Entlassungsschutz
109
dem Betriebsinhaber die Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht zugemutet werden kann. Damit dieser Zustimmungsgrund verwirklicht ist, ist also zweierlei erforderlich: Einerseits muss eine beharrliche Pflichtenverletzung vorliegen, andererseits muss dem AG die Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin unzumutbar sein. Selbst bei Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen hat das Gericht dennoch gem § 120 Abs 1 Satz 3 ArbVG die Klage auf Zustimmung zur Kündigung abzuweisen, wenn sich die Klage auf ein Verhalten des Betriebsratsmitglieds stützt, das von diesem in Ausübung seines Mandates gesetzt wurde und unter Abwägung aller Umstände entschuldbar war (Mandatsschutzklausel).580 Dh, im Unterschied zu den übrigen Belegschaftsmitgliedern bildet die unter dem Gesichtspunkt der beharrlichen Pflichtverletzung zu prüfende Streikteilnahme eines Betriebsverfassungsfunktionärs lediglich einen Kündigungstatbestand. Marhold äußert angesichts dieser Rechtslage auch verfassungsrechtliche Bedenken. Denn während streikende AN mit Entlassung bedroht seien und im Falle der fristlosen Vertragsbeendigung auch aller finanziellen Beendigungsansprüche verlustig gingen, müsse gegenüber streikenden Belegschaftsfunktionären die Kündigungsfrist eingehalten und darüber hinaus auch noch die Abfertigung ausbezahlt werden. Eine derartige Differenzierung finde Marhold zufolge im Mandatsschutz keine sachliche Rechtfertigung mehr.581
2.2. Konkretisierung Das Tatbestandsmerkmal der „beharrlichen Pflichtverletzung“ verlangt ganz allgemein, dass „der Arbeitnehmer beharrlich seinen Dienst versäumt, die Arbeit unbefugt verweigert, passive Resistenz übt oder bei seiner Arbeit saumselig und vergeßlich ist. Auch beharrliche Verletzungen anderer gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten erfüllen den Tatbestand nach § 121 Z. 3 ArbVG, so Verletzungen der Anstandspflicht, insbesondere der Pflicht, dem Arbeitgeber und anderen Vorgesetzten achtungsvoll zu begegnen, oder der Treuepflicht“.582 Steht dem Betriebsverfassungsfunktionär daher ein rechtmäßiger Hinderungsgrund zur Seite, so ist das Arbeitsversäumnis nicht unbefugt und die Zustimmungsvoraussetzung zur Kündigung daher nicht gegeben.583 Der Zustimmungsgrund der „beharrlichen Pflichtverletzung“ erfasst somit jene Fälle, in denen der Belegschaftsfunktionär arbeitsvertragliche Pflichten schuldhaft verletzt.584 Beharrlich muss die Pflichtverletzung in dem Sinne sein, 580 581
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S zur Struktur von § 121 Z 3 ArbVG auch Pfeil, DRdA 1983, 117. Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 119; ebenso Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 463. VwGH 28.3.1985, 83/01/0240, infas 1986 A 5. Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar (1975) 848; Trost in Strasser/ Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2005) § 121 Rz 41. VwGH 22.1.1980, 1270/78, VwSlg 10.016 A = Arb 9850 = DRdA 1982/2, 43 (Csebrenyak) = ÖJZ-VwGH (A) 1981/3, 103 = ÖJZ-VwGH (A) 1981/4, 103 = ÖJZ-VwGH (A) 1981/5, 103 = ARD 3249/17/80; EA Linz 22.4.1980, Re 82/79, ZAS 1980, 201 = ARD
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
dass zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmales entweder eine Mehrheit von Verletzungshandlungen oder ein Verharren in einer die Dienstpflicht verletzenden Tätigkeit trotz Abmahnung oder Verwarnung verlangt wird.585 Nur für den Fall, dass eine Abmahnung oder eine Verwarnung als offenbar zwecklos erscheinen muss586 oder es sich um eine besonders gravierende Pflichtverletzung handelt, deren Missbilligung durch den AG dem Belegschaftsvertreter von vornherein klar sein muss,587 wird auf eine Abmahnung bzw eine Verwarnung verzichtet. Jedenfalls muss die beharrliche Pflichtverletzung schuldhaft erfolgen.588 Dabei genügt, dass der Betriebsverfassungsfunktionär fahrlässig handelt oder fahrlässig etwas unterlässt.589 Das Verschuldenserfordernis hat aber gleichzeitig zur Konsequenz, dass ebenso wie bei den übrigen AN ein unverschuldeter Irrtum über die Befugnis zur Arbeitsversäumnis zum Entfall des subjektiven Tatbestandes führt und dadurch in weiterer Folge die Heranziehung des § 121 Z 3 ArbVG ausscheidet.590 Letztlich setzt § 121 Z 3 ArbVG voraus, dass dem AG die Weiterbeschäftigung des Betriebsverfassungsfunktionärs aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht zugemutet werden kann. Zur Erfüllung dieses normativen Kriteriums verlangt die Rechtsprechung, dass die beharrlichen Pflichtverletzungen im Betrieb so bekannt geworden sind oder derartig den Arbeitsablauf stören, dass nur die Auflösung des Arbeitsverhältnisses geeignet ist, die Arbeitsdisziplin zu sichern.591 Pfeil präzisiert dieses Er-
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3286/23/81; Trost in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2005) § 121 Rz 39. VwGH 9.11.1988, 86/01/0153, ZfVB 1989/1406; VwGH 22.1.1980, 1270/78, VwSlg 10.016 A = Arb 9850 = DRdA 1982/2, 43 (Csebrenyak) = ÖJZ-VwGH (A) 1981/3, 103 = ÖJZ-VwGH (A) 1981/4, 103 = ÖJZ-VwGH (A) 1981/5, 103 = ARD 3249/17/80. OGH 21.5.2003, 9 ObA 64/03g, Arb 12.323 = ARD 5463/7/2004. EA Linz 5.12.1978, Re 82/78, Arb 9730 = ZAS 1979, 81. Heinz-Ofner, Der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz für Betriebsratsmitglieder und ihnen gleichgestellte Personen2 (2004) 159; Strasser/Jabornegg, ArbVG3 (1999) § 121 Erl 23. AA Csebrenyak, Anm zu VwGH 22.1.1980, 1270/78, DRdA 1982/2, 45 (46), der darauf abstellt, dass der geschützte AN die Pflichtverletzung bewusst, dh mit Absicht und nicht bloß fahrlässig begeht. Gegen Csebrenyak etwa EA Wien 21.5.1963, Re 105/63, Arb 7778 = SozM II B 696; EA Wien 25.3.1964, Re 66/64, Arb 7915 = SozM II B 718 = Ind 1964/535 H 11, 1; ebenso Trost in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2005) § 121 Rz 35; Schnorr, Anm zu VwGH 17.3.1980, 1031/78, ZAS 1982/10, 70 (72). VwGH 22.1.1980, 1270/78, VwSlg 10.016 A = Arb 9850 = DRdA 1982/2, 43 (Csebrenyak) = ÖJZ-VwGH (A) 1981/3, 103 = ÖJZ-VwGH (A) 1981/4, 103 = ÖJZ-VwGH (A) 1981/5, 103 = ARD 3249/17/80; Trost in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2005) § 121 Rz 35; Heinz-Ofner, Der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz für Betriebsratsmitglieder und ihnen gleichgestellte Personen2 (2004) 159; Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar (1975) 848 f. OGH 28.9.1988, 9 ObA 199/98, wbl 1989, 158 = RdW 1989, 139 = Ind 1990/1905 H 1, 20 = ARD 4044/15/89; ASG Wien 30.6.2003, 19 Cga 237/02i, Arb 12.303 = ZASJudikatur 2004/4, 30 = ARD 5463/9/2004; vgl auch OGH 2.9.1992, 9 ObA 150/92,
Der Streik und der Entlassungsschutz
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fordernis dahingehend, dass es bei der Prüfung der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung aus Gründen der Arbeitsdisziplin auf die Frage ankomme, ob nur die Kündigung des Betriebsverfassungsfunktionärs geeignet sei, die Arbeitsdisziplin im Betrieb zu sichern, oder ob nicht mit weniger harten Maßnahmen dieser Zweck auch erreicht werden könnte.592 Es müssen damit Tatsachen vorliegen, die es nahe legen, dass durch das inkriminierte Verhalten des Belegschaftsvertreters die Arbeitsdisziplin anderer AN gefährdet ist.593 Hingegen kann die Anordnung von § 120 Abs 1 Satz 3 ArbVG, wonach das Gericht bei seiner auf den Tatbestand von § 121 Z 3 ArbVG bezogenen Entscheidung die Klage auf Zustimmung dann abzuweisen hat, wenn die Klage sich auf ein Verhalten des Betriebsratsmitglieds stützt, das von diesem in Ausübung seines Mandates gesetzt wurde und unter Abwägung aller Umstände entschuldbar war, dem Betriebsratsmitglied nicht zu Gute kommen, sofern die Kündigungsmöglichkeit als Reaktion auf eine Streikteilnahme des Betriebsratsmitglieds in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Eigenschaft als Arbeitnehmervertreter in Raum steht. Denn diese gesetzliche Anordnung wird mE von der betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht überlagert. Diese verbietet es dem Betriebsratsmitglied, dass er sich in dieser Eigenschaft und damit also in Ausübung seines betriebsverfassungsrechtlichen Mandates an einer streikbedingten Arbeitsniederlegung in welcher Form auch immer beteiligt.594 Daher ist mE auch die Auffassung von Schneller abzulehnen, der über die Mandatsschutzklausel in der Organisation von und der Teilnahme an gewerkschaftlichen Aktionen und Streiks beim Betriebsratsmitglied den Kündigungsgrund von § 121 Z 3 ArbVG nicht verwirklicht sieht, soweit Tätigkeiten in diesem Zusammenhang vom umfassenden Interessenvertretungsbegriff des § 38 ArbVG, der die Aufgaben der Belegschaftsorgane umschreibt, erfasst seien.595
2.3. Streikteilnahme als Zustimmungsgrund? 2.3.1.
Stellungnahmen in Judikatur und Literatur
Aufbauend auf der vorhin vorgenommenen inhaltlichen Konkretisierung von § 121 Z 3 ArbVG ist nun der Frage nachzugehen, ob die streikbedingte Arbeitsniederlegung des Betriebsratsmitglieds den Tatbestand der beharrlichen Pflichtverletzung erfüllt. Um sich der Antwort auf diese Frage zu nähern, ist es mE sinnvoll, auch die zum BRG 1919 und BRG 1947 ergangenen Entschei-
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DRdA 1993/23, 223 (Eypeltauer) = infas 1993 A 79 = Ind 1993/2147 H 3, 7 = ARD 4426/18/93; VwGH 11.6.1953, 1484/51, VwSlg 3020 A = Arb 5739. Pfeil, DRdA 1983, 120. Schnorr, ZAS 1982/10, 72. Vgl Radner in Binder/Radner, Arbeits- und Sozialrecht. Praxisfälle und Lösungen in systematischer Bearbeitung (2001) 187. Zur betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht s ausführlich Seite 183 ff. Schneller in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III3 (2005) § 120 Erl 11.
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
dungen in die Betrachtung einzubeziehen. Bereits § 14 BRG 1919 kannte einen speziellen Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder. Gem § 14 Satz 2 BRG 1919 durfte ein Mitglied des BetrR nur entlassen werden, wenn dieses Mitglied sich einer Handlung schuldig machte, welche einen in den einschlägigen Gesetzen vertypten Entlassungsgrund verwirklichte, wobei in diesem Fall eine vorherige Befassung des EA nicht erforderlich war.596 In allen anderen Fällen knüpfte § 14 letzter Satz BRG 1919 die Kündigung oder eine Entlassung aus anderen Gründen an die vorherige Zustimmung des EA. Verschiedentlich hatten sich die zuständigen Instanzen mit der Streikteilnahme von Betriebsratsmitgliedern zu beschäftigen. Wagner kategorisiert dabei die einschlägigen Entscheidungen in zwei Gruppen mit völlig konträren Grundaussagen.597 Ein Teil der Entscheidungen qualifizierte die Streikbeteiligung als unbefugtes Verlassen der Arbeit, ignorierte die aus dem Wortlaut des § 14 Satz 2 BRG 1919 resultierende Verschuldensproblematik und erklärte Solidaritätsrücksichten598 als unbeachtlich.599 Die andere Gruppe von Entscheidungen stellte auf das von § 14 Satz 2 BRG 1919 geforderte Verschulden ab und verneinte das Vorliegen desselben, wenn sich das Betriebsratsmitglied an einem Streik aus der Motivation heraus beteiligte, nicht als Streikbrecher gebrandmarkt zu werden.600 Die Stellungnahmen in der Literatur sehen die Kündigungsmöglichkeit eines Betriebsverfassungsfunktionärs wegen der Streikteilnahme differenziert und im Ergebnis auch aus verschiedenen Begründungsansätzen heraus als nur eingeschränkt gegeben. Reissner spricht der Möglichkeit, die Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsmitglieds wegen dessen Streikteilnahme zu erreichen, überhaupt allzu große praktische Relevanz ab, da der Kündigungszustimmungsgrund des § 121 Z 3 ArbVG wegen des relativ hohen Zeitaufwandes für die Bewerkstelligung der Kündigung für die Arbeitgeberseite als nicht sonderlich interessant erscheine.601 Strasser/Jabornegg hingegen nehmen auf das Erfordernis der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung Bezug und meinen ganz allgemein, dass dieses bei der schlichten Kampfteilnahme eines Betriebsratsmitglieds zumeist nicht erfüllt sein werde, während bei den Organisatoren eines Streiks auf die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit der
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Vgl Lederer, Grundriss des österreichischen Sozialrechtes2 (1932) 292 FN 3. Wagner, Der Streik vor den Gerichten der Ersten Republik, DRdA 1980, 121 (130). Gemeint ist damit die verschiedentlich von Betriebsratsmitgliedern vorgetragene Argumentation, da der Streik von der gesamten Belegschaft beschlossen worden wäre, seien auch die Arbeitnehmervertreter aus Gründen der Solidarität gezwungen gewesen, sich dem Streik anzuschließen. Als Beispiele für diese Gruppe können folgende Entscheidungen dienen: EA Wien 10.9.1928, A 555/28, Arb 3852; EA Wien 11.6.1927, A 379/27, Arb 3704; EA Leoben 20.12.1926, B 86/26, Arb 3647; EA St. Pölten 3.8.1925, Reg I 112/25, Arb 3464. So das EA Wien 10.1.1923, A 1957/22, Arb 3360; vgl auch EA St. Pölten 21.4.1927, Reg I 38/27, Arb 3707; EA Linz 1.9.1929, Reg I 198/27, Arb 3945. Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 469.
Der Streik und der Entlassungsschutz
113
Gesamtaktion abzustellen sein werde.602 Marhold folgert aus der tatbestandsmäßigen Zustimmungsvoraussetzung „Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung aus Gründen der Arbeitsdisziplin“, dass eine Kündigung von Betriebsratsmitgliedern dann unzulässig sei, wenn nicht auch gegen andere AN mit derselben arbeitsvertragsrechtlichen Sanktion als Reaktion auf die Streikteilnahme vorgegangen werde. Dann gebe nämlich der AG zu erkennen, dass die Auflösung der Arbeitsverhältnisse aus Gründen der Arbeitsdisziplin offenbar nicht erforderlich sei.603 Löschnigg wiederum verknüpft bei seiner Argumentation – im Gegensatz zur hL – bemerkenswerterweise die Ebene der Gesamtaktion und jene des Arbeitsvertrages und führt aus, dass die Teilnahme an einem kollektivrechtlich legitimen Streik eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht werde rechtfertigen können.604 Diesem gedanklichen Ansatz, beide Ebenen des Arbeitskampfes zu verknüpfen, folgt auch Heinz-Ofner mit ihrer grundrechtsorientierten Argumentation. Ihrer Auffassung nach sei ein Streikrecht in Österreich jedenfalls durch Art 8 Abs 1 lit d IPwskR abgesichert. Weiters sei Heinz-Ofner zufolge die Trennungstheorie abzulehnen; vielmehr sei eine ganzheitliche Betrachtungsweise anzustellen, wonach die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik und die damit notwendig verbundene Arbeitsniederlegung nicht gleichzeitig eine Verletzung der vertraglichen Arbeitspflicht darstellen könne. Es könne die Ausübung eines verfassungsrechtlich geschützten Rechts nicht zugleich ein arbeitsrechtlich pönalisiertes Verhalten darstellen. Werde daher der Arbeitsvertrag durch einen rechtmäßigen Streik nicht verletzt, bilde die Teilnahme daran auch keinen Auflösungsgrund.605 Schneller vertritt letztlich die Auffassung, dass die Organisation von und die Teilnahme an gewerkschaftlichen Aktionen und Streiks nicht den Kündigungsgrund der beharrlichen Pflichtvernachlässigung darstelle, soweit Tätigkeiten in diesem Zusammenhang vom umfassenden Interessenvertretungsbegriff des § 38 ArbVG erfasst seien.606 Dagegen ent602
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Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 228 f; so auch Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar (1975) 850; diesen Lösungsansatz bezeichnet Mayer-Maly, DRdA 1973, 202, lediglich als eine Notlösung. Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 119; ebenso Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 463. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 785; vgl auch Mayer-Maly, Individualarbeitsrecht (1987) 183. Heinz-Ofner, Der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz für Betriebsratsmitglieder und ihnen gleichgestellte Personen2 (2004) 168 ff. Schneller in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III3 (2005) § 121 Erl 13; in diese Richtung auch Trost in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2005) § 121 Rz 44, die sich auf die Entscheidung des EGMR vom 25.4.1996, 15573/89, Gustafsson/Schweden, RJD 1996-II = ÖJZ-MRK 1996/32, 896 = ArbuR 1997, 408 (Lörcher) = ecolex 1996, 718, beruft; die Entscheidung Gustafsson betrifft aber gerade nicht den im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Schutzgehalt der positiven Koalitionsfreiheit, sondern wägt die negative Koalitionsfreiheit des von einer gewerkschaftlichen Boykottmaßnahme betroffenen AG gegen die Möglichkeit der Gewerkschaft ab, mithilfe eines Boykotts den AG in ein System kollek-
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
schied das EA Linz zu § 18 Abs 1 lit c BRG 1947,607 der gleich lautenden Vorgängerbestimmung zu § 121 Z 3 ArbVG, dass die Teilnahme an einem Streik selbst dann diesen Zustimmungsgrund erfüllt, wenn der Streik von der zuständigen Fachgewerkschaft genehmigt war.608 Seine Entscheidung begründete das EA zunächst damit, dass den in den Ausstand getretenen Betriebsratsmitgliedern eine beharrliche und schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, da ein das streikbedingte Unterlassen der Arbeit rechtfertigender Hinderungsgrund nicht gegeben sei; es bestehe nämlich weder eine positive Norm, die im Falle eines gewerkschaftlich getragenen Streiks die Bestimmung des § 18 Abs 1 lit c BRG 1947 nachrangig machen würde, noch sei vom Bestehen einer einheitlichen Verkehrsauffassung der betroffenen Kreise des Arbeitslebens auszugehen, wonach ein Streik für den einzelnen AN einen rechtmäßigen Grund zur Unterlassung der Arbeitspflichten bilde. Zusätzlich stützte das EA seine Entscheidung noch darauf, dass dem AG die Fortbeschäftigung der streikenden Betriebsratsmitglieder aus Gründen der Arbeitsdisziplin609 nicht zuzumuten gewesen sei. Denn die aus dem BRG 1947 resultierende Verpflichtung der Betriebsratsmitglieder, an der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb mitzuwirken, verpflichte diese dazu, dafür Sorge zu tragen, dass die übrigen Belegschaftsmitglieder ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen; daher sei auch das Verhalten von Belegschaftsvertretern an einem strengeren Maßstab zu
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tiv geregelter Arbeitsbedingungen zu zwingen. Wegen dieser „spiegelverkehrten“ Ausgangssituation lässt sich damit die von Trost getroffene Aussage nicht treffen. Zur Entscheidung Gustafsson s Mair, Dimensionen der Koalitionsfreiheit. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und ein „Grundrecht der Arbeit“ – eine fallorientierte Analyse, ZIAS 20 (2006) 158 (186 ff). Zudem liegen eine Reihe von Entscheidungen des EGMR und der EKMR zur Frage des Schutzbereiches der hier einschlägigen positiven Koalitionsfreiheit vor, die durch eine große Zurückhaltung (wenn nicht gar von einer ablehnenden Haltung) der Straßburger Instanzen gegenüber einem Schutz des Arbeitskampfes durch Art 11 MRK gekennzeichnet sind: ausführlich dazu s Seite 143 ff; weiters lässt sich auch aus dem von Trost zitierten Erkenntnis des VwGH vom 12.1.1971, 560/70, Arb 8836 = SozM II B 937 = ÖJZ-VwGH (A) 1971/272, 639, der von Trost gewünschte Standpunkt nicht entnehmen. Die dem Sachverhalt dort zugrunde liegenden „gewerkschaftlichen Aktionen“ bestanden gerade nicht in der kampfweisen Arbeitseinstellung, sondern lediglich in der Einberufung von und in der Teilnahme an Betriebsversammlungen, in Besprechungen mit einzelnen AN und in Aktivitäten im Zusammenhang mit der Lohnauszahlung. Im Übrigen weist der VwGH in diesem Erkenntnis auf den Aspekt der Adäquanz von gewerkschaftlichen Aktionen ausdrücklich hin. Seit der Novelle BGBl 1971/319 waren die Zustimmungsgründe zur Kündigung des Betriebsverfassungsfunktionärs in Abs 2 verankert. Das EA hatte dabei folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Nachdem die Forderung des BetrR nach höheren Löhnen bei der Betriebsleitung auf keine (positive) Resonanz gestoßen war, legten die AN des Betriebes ihre Arbeit nieder, wobei die Betriebsratsmitglieder ua als Streikposten agierten. Vgl dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 11.6.1953, 1484/51, VwSlg 3020 A = Arb 5739, das ebenso auf das Tatbestandsmerkmal der Arbeitsdisziplin Bezug nimmt, indem nach Auffassung des VwGH die an die Belegschaftsmitglieder gerichtete Aufforderung, die Arbeit niederzulegen, jedenfalls die Interessen der Arbeitsdisziplin verletze.
Der Streik und der Entlassungsschutz
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messen.610 Daraus ergebe sich dann in weiterer Folge, dass die beharrliche Verweigerung der Vertragspflichten durch die Betriebsratsmitglieder nach Auffassung des EA für den AG objektiv genügend Gründe seien, die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu verneinen.611 Gerade die vom EA ins Treffen geführte Argumentation, dass an das Verhalten von Betriebsratsmitgliedern strengere Maßstäbe angelegt werden müssten, überbetont mE die Pflichten eines Betriebsratsmitgliedes. Spielbüchler rückt die heute durch § 102 ArbVG normierte Pflicht des Betriebsverfassungsfunktionärs, an der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb mitzuwirken, in das richtige Licht, indem Spielbüchler betont, dass diese Amtspflicht des Betriebsratsmitglieds nur gegenüber der Belegschaft bestehe. Die Mitgliedschaft zum Betriebsrat dürfe aus den Gründen des Benachteiligungsverbotes und des Gleichbehandlungsgebotes nicht dazu führen, dass ein Betriebsratsmitglied gegenüber den übrigen Belegschaftsangehörigen schlechter gestellt werde.612 Daher wird es auch abgelehnt, beim Tatbestand des § 121 Z 3 ArbVG einen Bezug zu der in § 102 ArbVG normierten Verpflichtung des BetrR, an der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb mitzuwirken, herzustellen.613 Vor dem Hintergrund dieser Klarstellung kann mE der Entscheidung des EA Linz nicht gefolgt werden. Denn durch das verfehlte Anlegen eines strengeren Maßstabes an das Verhalten von Belegschaftsvertretern und der daraus vom EA gefolgerten Unzumutbarkeit der Fortbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin findet die Entscheidung des EA Linz mE nicht den richtigen Zugang zur vorliegenden Problematik. Das EA Wien wiederum nimmt in seiner Entscheidung vom 14. November 1953 Bezug auf die Ebene der Gesamtaktion und sieht in der Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik eine Verletzung der dem Betriebsratsmitglied aufgrund des Arbeitsvertrages obliegenden Arbeitspflicht. Denn das EA bewertete im vorliegenden Fall das Streikziel, den AG mit der Arbeitsniederlegung zur Kündigung eines Arbeitskollegen zu bewegen, als rechtswidrig, da für den verfolgten Anspruch – aufgrund des Prinzips der Vertragsfreiheit – jede Grundlage fehle. Obwohl der Streik sogar die Billigung durch die Gewerk610
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Die Ansicht, dass das Verhalten von Betriebsverfassungsfunktionären strenger zu beurteilen wäre als bei den übrigen AN, findet sich auch bei VwGH 21.10.1969, 292/69, Arb 8673 = ÖJZ-VwGH (A) 1970/135, 443 = Ind 1970/780 H 9-10, 7 und EA Wien 15.5.1953, Re 202/53, SozM II B 153. EA Linz 19.12.1966, Re 48/66, Arb 8400 = Ind 1967/615 H 3, 4. Spielbüchler, DRdA 1971, 236; gegen eine Schlechterstellung der Betriebsverfassungsfunktionäre dadurch, dass eine Pflichtverletzung strenger beurteilt wird als bei den übrigen AN, wenden sich auch Schneller in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III3 (2005) § 121 Erl 11; Weiß, Der besondere Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen (2002) Rz 70; Pfeil, DRdA 1983, 120 f; Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar (1975) 852; EA Linz 18.11.1977, Re 53/77, Arb 9634 = ZAS 1978, 81. Pfeil, DRdA 1983, 121; Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar (1975) 852.
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Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
schaft fand, erklärte das EA die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an diesem für rechtswidrig erachteten Streik als Pflichtverletzung.614 Nicht nur aus Gründen der objektiven Seite dieses Kündigungszustimmungsgrundes wird die Möglichkeit zur Kündigung in Zweifel gezogen, sondern auch die zur Erfüllung des Tatbestandes von § 121 Z 3 ArbVG notwendige subjektive Tatseite wird herangezogen, um die Kündigungsmöglichkeit in Frage zu stellen. Denn Floretta sieht zwar in der streikbedingten Arbeitsniederlegung objektiv den Tatbestand der beharrlichen Pflichtverletzung verwirklicht, meint dann aber, dass im Regelfall kein Verschulden des AN angenommen werden könne, da ein unverschuldeter Irrtum über das Vorliegen eines Rechts zum Arbeitskampf ohne vorherige Lösung der Arbeitsverträge vom Schuldvorwurf befreie; dies vor dem Hintergrund, dass nach Auffassung von Floretta der Bestand eines subjektiven Streikrechts im Bewusstsein der heutigen Gesellschaft zutiefst verwurzelt sei.615 Der VwGH deutet in einem Erkenntnis616 ebenfalls die Relevanz der subjektiven Seite an, indem der Gerichtshof sich die Frage stellt, ob der Umstand, dass das dem Betriebsratsmitglied zur Last gelegte Verhalten mit einem Streik im Zusammenhang steht, dieses Verhalten617 subjektiv nicht als Pflichtverletzung erscheinen lasse. Ohne diese aufgeworfene Frage näher zu klären, bejaht der VwGH letztendlich eine Pflichtverletzung des Betriebsratsmitglieds mit der Begründung, dass die Arbeitsniederlegung im vorliegenden Fall nicht jene Merkmale aufweise, die einen Streik als gewerkschaftliches Kampfmittel berechtigt erscheinen lassen.618 Im Umkehrschluss folgert Kleiner daraus, dass im Falle einer Arbeitsniederlegung im Rahmen eines gewerkschaftlichen Streiks subjektiv keine Verletzung von Arbeitsvertragspflichten gegeben sei.619 614 615
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EA Wien 14.11.1953, Re 504/53, Arb 5868 = JBl 1954, 204. Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar (1975) 849 f; dieser Auffassung folgend Grillberger in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 (1998) 395; aA noch Floretta/Strasser, Kommentar zum Betriebsrätegesetz2 (1973) 417, worin der Standpunkt vertreten wurde, dass sich das streikende Betriebsratsmitglied in der Regel nicht mit Erfolg auf die Unzumutbarkeit der Gesetzeskenntnis berufen könne. VwGH 11.6.1953, 1484/51, VwSlg 3020 A = Arb 5739. Der beschwerdeführende Betriebsverfassungsfunktionär hatte nach den Feststellungen des EA am Ausbruch des Streiks einen maßgeblichen Anteil gehabt, indem er führend daran beteiligt gewesen war, die AN für den Ausstand zu gewinnen. Zum besseren Verständnis ist kurz auf den historischen Hintergrund des angeführten Erkenntnisses einzugehen. Der Streik erfolgte nämlich aus Anlass des 4. Lohn- und Preisabkommens. Gegen dieses Abkommen versuchte die KPÖ in Zusammenwirken mit kommunistischen Funktionären des ÖGB einen Generalstreik zu organisieren. Hingegen versagte der ÖGB als solcher dieser Streikbewegung von vornherein seine Unterstützung und wirkte auch an der Niederschlagung derselben aktiv mit; s dazu Klenner/Pellar, Die österreichische Gewerkschaftsbewegung. Von den Anfängen bis 19992 (1999) 414 ff. Bemerkenswert an diesem Erkenntnis ist weiters, dass der VwGH mit seiner Begründung damit eine Unterscheidung zwischen der Teilnahme an einem gewerkschaftlichen und der Teilnahme an einem nicht gewerkschaftlichen Streik trifft. Kleiner, DRdA 1953 H 7, 8.
Der Streik und der Entlassungsschutz
2.3.2.
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Eigene Stellungnahme
ME gilt es zunächst, eine Unterscheidung dahingehend zu treffen, ob die Beteiligung an einem Warnstreik oder die Beteiligung an einem länger dauernden Kampfstreik beurteilt werden soll. Die Arbeitsniederlegung des Betriebsratsmitgliedes im Rahmen eines Warnstreiks wird mE die gerichtliche Zustimmung nicht rechtfertigen können, da bei einer durch einen Warnstreik in der üblichen Dauer620 bedingten, zeitlich begrenzten Arbeitseinstellung das Moment der Beharrlichkeit der Pflichtverletzung nicht erfüllt sein wird. Wenn man das Element der Beharrlichkeit mit Lehre und Rechtsprechung so versteht, dass darunter die Nachhaltigkeit, die Unnachgiebigkeit oder die Hartnäckigkeit des in der Arbeitsverweigerung zum Ausdruck kommenden, auf die Verletzung der Pflichten gerichteten Willens zu verstehen ist,621 so folgt für die Teilnahme an einem Warnstreik daraus, dass das Tatbestandsmerkmal der Beharrlichkeit im vorhin beschriebenen Sinn nicht erfüllt ist. Denn im Falle eines Warnstreiks will der Streikende die Arbeit gerade nicht auf Dauer unterlassen, sondern er hat von vornherein die Absicht, nach der zeitlich begrenzten Arbeitseinstellung die Arbeit wieder aufzunehmen.622 Geht es hingegen um die Teilnahme an einem längeren Erzwingungsstreik, so verlagert sich mE das Schwergewicht der Prüfung auf das Kriterium der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung aus Gründen der Arbeitsdisziplin. Dies vor allem dann, wenn in dieser innerbetrieblichen Konfliktsituation am Betriebsratsmitglied wegen seiner Streikteilnahme gleichsam ein Exempel statuiert werden soll, um auf die übrigen Belegschaftsmitglieder eine abschreckende Wirkung zu erzeugen. Vor allem rückt dabei dann das Tatbestandsmerkmal „Arbeitsdisziplin“ in den Mittelpunkt des Interesses. Die gesetzliche Bezugnahme auf den Begriff der Arbeitsdisziplin erscheint zunächst aus heutiger Sicht befremdlich623 und erinnert aufgrund der Wortwahl zudem an Rechtsordnungen untergegangener bzw noch existierender diktatorischer Regime.624 Will man vermeiden, dass sich dieses Tatbestandsmerkmal nur als 620 621
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Vgl zur üblichen Dauer eines Warnstreiks die Angaben in FN 413. Trost in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2005) § 121 Rz 35; Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 115; vgl dazu auch Wachter, Anm zu OGH 2.9.1987, 9 ObA 54/87, DRdA 1989/3, 42 (47); OGH 13.7.1976, 4 Ob 61/76, Arb 9493. Dass das Element der Beharrlichkeit bei der Teilnahme an einem Warnstreik fehlt, wird auch vertreten von Bydlinski, ZÖR 8 (1957/58) 340; Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar (1975) 849 und Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 262. Vgl zur Kritik an der Verwendung dieses Begriffes: Cerny in Cerny/Gahleitner/Preiss/ Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III3 (2005) § 102 Erl 1; Strasser/Jabornegg, ArbVG3 (1999) § 102 Erl 4; dies, Arbeitsrecht II4 (2001) 405. Vgl dazu die einschlägigen Bestimmungen über die „sozialistische Arbeitsdisziplin“ im 4. Kapitel des ehemaligen Arbeitsgesetzbuches der DDR. Vgl weiters die durch das chinesische Gewerkschaftsgesetz umschriebene Aufgabe der Gewerkschaften, die Angestellten und Arbeiter zu erziehen, auf dass diese die Arbeitsdisziplin einhalten; zitiert
118
Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
„Nebelbegriff“ erweist bzw andererseits als falsch verstandener Ansatzpunkt dafür herangezogen wird, den AN maßzuregeln, muss ein Begriffsverständnis entwickelt werden, welches mit den Strukturbedingungen des Arbeitsverhältnisses im Einklang steht. Cerny befreit dazu richtigerweise dieses Tatbestandsmerkmal von ideologischen und sozial- bzw gesellschaftspolitisch überholten Ballast und betont, dass mit „Arbeitsdisziplin“ nur das Zusammenleben und –arbeiten von Menschen unter den Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses und der Einordnung in die Betriebsorganisation gemeint sein könne.625 Deutlich wird aus dieser Präzisierung auch, dass der Begriff der Arbeitsdisziplin nicht isoliert auf den einzelnen AN zu beziehen ist, sondern auch in seiner Rückkoppelung auf die übrige Belegschaft, dh, unter Einbeziehung des Verhaltens der übrigen AN verstanden werden muss.626 Setzt man jetzt die Streikteilnahme des Betriebsverfassungsfunktionärs in Beziehung zum vorhin entwickelten Verständnis vom Tatbestandsmerkmal der Arbeitsdisziplin, so ist mE der von Marhold vorgezeichneten Lösung zu folgen. Gebietet nämlich § 121 Z 3 ArbVG die Arbeitsdisziplin, in ihrer auf die gesamte Belegschaft bezogenen Maßgeblichkeit, zum Maßstab für die Zumutbarkeit bzw Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung zu erheben, so verliert dieses normative Kriterium bei der Streikteilnahme des Funktionärs mE dann an Gewicht, wenn der AG nicht auch bei den übrigen Belegschaftsmitgliedern die Streikbeteiligung mit der Vertragsbeendigung sanktioniert. Hält der AG die Vertragsbeendigung bei den übrigen AN nicht für notwendig, so kann dann im selben Fall bei Betriebsratsmitgliedern das Interesse an der Erhaltung der Arbeitsdisziplin nicht argumentativ dafür herangezogen werden, um eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung zu rechtfertigen.627 Dass an das Verhalten von Betriebs-
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nach von Senger, Einführung in das chinesische Recht (1994) 106; vgl auch Geffken, Arbeit in China (2004) 65. Cerny in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III3 (2005) § 102 Erl 1. Vgl dazu OGH 31.8.1994, 8 ObA 204/94, SZ 67/140 = DRdA 1995, 130 = ZASB 1995, 1 = ZAS 1995/13, 127 (Drs) = wbl 1995, 119 = RdW 1995, 270 = infas 1995 A 28 = ARD 4602/20/94; in diese Richtung auch OGH 2.9.1992, 9 ObA 150/92, DRdA 1993/23, 223 (Eypeltauer) = infas 1993 A 79 = Ind 1993/2147 H 3, 7 = ARD 4426/18/93; OGH 28.9.1988, 9 ObA 199/88, wbl 1989, 158 = RdW 1989, 139 = Ind 1990/1905 H 1, 20 = ARD 4044/15/89; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 229; Marhold, Aufsichtsratstätigkeit und Belegschaftsvertretung (1985) 116; vgl auch Schnorr, ZAS 1982/10, 72: „Nach allgemeiner Lebenserfahrung kann die Arbeitsdisziplin nur dann gefährdet werden, wenn das Verhalten für andere im negativen Sinne beispielgebend wirkt, wenn es also über den Kreis der unmittelbar Beteiligten hinaus dringt“; ebenso Trost in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2005) § 121 Rz 51. Im Ergebnis auch Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 228 f und Radner/Jud/ Hauser, Arbeitsrecht3 (2005) Rz 938; Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 111, knüpft ebenso am Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin an und meint, dass eine solche Unzumutbarkeit durch die bloße Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik nicht begründet sein werde, da eine nega-
Der Streik und der Entlassungsschutz
119
ratsmitgliedern kein strengerer Maßstab angelegt werden darf, wurde bereits oben ausgeführt. Gegen das selektive Herausgreifen von Betriebsratsmitgliedern spricht weiters das in § 115 Abs 3 ArbVG verankerte Benachteiligungsverbot, welches auch beim besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz nach §§ 120 ff ArbVG Berücksichtigung findet.628 Danach dürfen die Mitglieder des BetrR wegen der Ausübung ihrer Tätigkeit, insbesondere hinsichtlich des Entgeltes und der Aufstiegsmöglichkeiten, nicht benachteiligt werden. Das Benachteiligungsverbot erfasst dabei den Betriebsverfassungsfunktionär hauptsächlich in seiner Eigenschaft als AN.629 Die Ziel- und Schutzrichtung des Benachteiligungsverbotes als Wertungsgesichtspunkt für vorliegende Frage muss mE im gegebenen Kontext so verstanden werden, dass nicht die Streikteilnahme des Betriebsverfassungsfunktionärs in seiner Eigenschaft geschützt werden soll, sondern – auf einer höheren Ebene – die Schutzbedürftigkeit sich (losgelöst davon) ganz allgemein aus seiner Funktion als Vertreter der Belegschaft begründeten, exponierten Stellung gegenüber dem AG ergibt.630 § 115 Abs 3 ArbVG soll zwar nicht eine Benachteiligung als solche unterbinden, soll aber dann eingreifen, wenn das Motiv der Benachteiligung im Zusammenhang mit der Tätigkeit des AN als Mitglied des BetrR steht.631 Anerkennt man, dass es mit dem Benachteiligungsverbot auch darum geht, der exponierten Stellung des Betriebsverfassungsfunktionärs Rechnung zu Tragen, so wäre es mE sachgerecht, dem AG die selektive Vertragslösung bei Betriebsräten über § 121 Z 3 ArbVG zu versagen, wenn dies aus dem Grund geschieht, an den streikenden Betriebsratsmitgliedern ein Exempel zu statuieren. Strasser/Jabornegg ziehen zur Abstützung des oben gewonnenen Ergebnisses zusätzlich den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz heran.632 Wenngleich Lehre633 und Rechtsprechung634 der Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Beendigungserklärungen prinzipiell mit Skepsis begegnen, gibt es dennoch Stimmen, die die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf arbeitskampfbedingte Beendigungserklärungen anders bewerten. So lehnt etwa Mayer-Maly die Behauptung, im Arbeitskampf sei der Gleichbehandlungsgrundsatz ohne alle Bedeutung, als ver-
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631 632 633
634
tive Auswirkung auf die Arbeitsdisziplin nach Beendigung des Arbeitskampfes für die Zukunft nicht zu besorgen sein werde. Floretta in Floretta/Strasser (Hrsg), ArbVG-Handkommentar (1975) 852. Strasser/Jabornegg, ArbVG3 (1999) § 115 Erl 16. IdS versteht auch Spielbüchler, DRdA 1971, 234, das Benachteiligungsverbot: „Benachteiligung bedeutet eine Schlechterstellung im Vergleich zur bisherigen Lage des Betroffenen oder der gleichzeitigen Behandlung anderer Dienstnehmer. Aus dem Grund der Tätigkeit des Betriebsratsmitgliedes erfolgt die Benachteiligung immer schon dann, wenn dessen Funktion für die Schlechterstellung ursächlich ist“ (Hervorhebung im Original). EA Wien 5.6.1981, VI Re 85/81, Arb 9987 = ZAS 1981, 201. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 229. Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 209; Rauch, ASoK 2003, 181; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 337; aA Binder, DRdA 1983, 167 ff. Vgl OGH 16.8.2001, 8 ObA 171/01g, ARD 5292/16/2002; OGH 23.12.1998, 9 ObA 286/98v, DRdA 1999, 231 = ARD 5013/9/99.
120
Streik und Entlassung in der Sicht der herrschenden Lehre
fehlt ab.635 Ebenso deutet das EA Linz die Relevanz des Gleichbehandlungsgrundsatzes gerade im Zusammenhang mit der Vertragsauflösung bei streikenden Betriebsratsmitgliedern an, indem das EA ausführt, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dem AG nur deswegen nicht vorgeworfen werden könne, da ohnehin alle streikenden AN vom AG entlassen worden sind.636 Als Ergebnis kann damit festgehalten werden, dass – auch unter Heranziehung der durch das Benachteiligungsverbot und durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vermittelten Wertungsgesichtspunkte – die exemplarische Kündigung eines Betriebsverfassungsfunktionärs als Reaktion auf seine Streikteilnahme ausscheidet.
IV. Schlussfolgerung Die nähere Analyse der einschlägigen Entlassungstatbestände und deren Umlegung auf den Sachverhalt der Streikteilnahme hat eines deutlich gemacht: Die rechtliche Beurteilung der Streikteilnahme aus dem Blickwinkel des Entlassungsrechts macht eine einzelfallbezogene Betrachtung notwendig. Diese wird aber dem kollektiven Phänomen Streik nicht gerecht. Denn es ist wenig sachgerecht, denselben Sachverhalt der kollektiven Streikteilnahme differenziert rechtlich zu bewerten. Gerade dazu zwingt aber die Struktur der einschlägigen Entlassungstatbestände.637 Auch die Variante des Rechtsirrtums ist nur eine wenig befriedigende Notlösung. Daher soll im Folgenden versucht werden, einen anderen Ansatzpunkt zu gewinnen. Ausgehend von einer Konkretisierung der verfassungsrechtlich verbürgten Gewährleistung der positiven Koalitionsfreiheit soll im Speziellen der Frage nachgegangen werden, ob der Garantie der positiven Koalitionsfreiheit das Recht entnommen werden kann, im Streikfall bei aufrechtem Bestand des Arbeitsvertrages am Kampfgeschehen teilnehmen zu können, ohne dadurch den Arbeitsvertrag zu verletzen.
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636 637
Mayer-Maly, Die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer, DRdA 1980, 261 (274); ebenso Floretta, DRdA 1962, 165; für das Eingreifen des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei streikbedingten Beendigungserklärungen auch Grillberger in Löschnigg (Hrsg), Angestelltengesetz II8 (2007) § 27 Rz 115 und Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 262; aA Schima, RdW 1993, 371. EA Linz 19.12.1966, Re 48/66, Arb 8400 = Ind 1967/615, H 3, 4. Vgl dazu die vom BAG in seiner Entscheidung vom 28.1.1955, GS 1/54, BAGE 1, 291 (307) = AP Nr 1 zu Art 9 GG Arbeitskampf = NJW 1955, 822 = JZ 1955, 386 = BB 1955, 412, formulierte Kritik.
Vierter Teil Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit I.
Vorbemerkung
Die positive Koalitionsfreiheit als möglichen Ansatzpunkt dafür heranzuziehen, die streikbedingte Arbeitsniederlegung nicht als einen Grund zur vorzeitigen Entlassung zu qualifizieren, erscheint angesichts des Wortlautes der einschlägigen Rechtsgrundlagen638 und der überwiegend ablehnenden Stimmen aus der Literatur639 zunächst als wenig aussichtsreich. Es ist aber der in Fragen des Arbeitskampfrechts sonst so auf Zurückhaltung bedachte OGH selbst, der diesen Weg eröffnet. In seiner Entscheidung vom 27. Oktober 1953 stellt der OGH nämlich die Überlegung an, ob nicht die neuere Rechtsentwicklung den Streik als zulässiges Mittel zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ansehen könnte und daher der Streik als Ausfluss des Koalitionsrechts in Bezug auf das Arbeitsverhältnis nicht mehr unbedingt als rechtswidrig, dh, als Bruch des aufrecht bestehenden Arbeitsvertrages zu beurteilen wäre.640 Aufgabe der nachfolgenden Überlegungen soll es daher sein, die vom OGH bereits im Jahr 1953 für bedeutsam erachtete neuere Rechtsentwicklung auf dem Gebiet der Koalitionsfreiheit nachzuzeichnen und damit zu klären, in welchem Verhältnis die Koalitionsfreiheit und das Kampfmittel der AN zueinander stehen. Vor allem interessiert dabei, inwieweit die Koalitionsfreiheit der Einordnung des Streiks als Vertragsbruch und damit als Grund zur fristlosen Vertragslösung rechtliche Schranken setzen kann. Dass mit dieser Fragestellung ein heikles Terrain beschritten wird, ist evident. Auch an Warnungen davor fehlt es nicht.641 Aufgabe der Rechtsdogmatik ist es aber, „die – in jeweils konkreter Gestalt auftretende – Grundfrage zu beantworten, was in bestimmten, real vorgekommenen oder gedanklich (…) vorweggenommenen zwischenmenschlichen Situationen („Fällen“) hic et 638 639 640 641
S dazu Seite 122 ff. S dazu Seite 127 f. OGH 27.10.1953, 4 Ob 205/53, Arb 5856. Vgl nur Firlei, Flucht aus dem Kollektivvertrag – Rechtsfragen zur Verlagerung, Dezentralisierung und Auflösung seiner Ordnungs- und Schutzfunktionen, DRdA 2001, 118 (1.Teil) und DRdA 2001, 221 (222), der ganz allgemein konstatiert, dass „man hierzulande der Frage nach der Kompatibilität des Arbeitsverfassungsrechts mit Grundrechten im Allgemeinen und der Koalitionsfreiheit im Besonderen möglichst aus dem Wege gehen will. Hinter dieser Angst steht indes keine Paranoia, sondern die berechtigte Befürchtung, dass man mit solchen Fragestellungen in ein Minenfeld tritt, dessen Größe nicht abschätzbar ist“; ders, Anmerkungen zu Robert Rebhahn, Der Arbeitskampf bei weitgehend gesetzlicher Regelung der Arbeitsbedingungen, DRdA 2004, 584.
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Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit
nunc, dh zu dieser Zeit und in dieser (in der Regel räumlich umschriebenen) Rechtsgemeinschaft, rechtens ist; letztlich vor allem, wie sich die Beteiligten zueinander verhalten sollen“.642 Die Notwendigkeit, die Wechselbeziehung zwischen der grundrechtlich geschützten Koalitionsfreiheit und einer kampfweisen Interessenverfolgung zu klären, gewinnt zusätzlich an Bedeutung, wenn man sich vor Augen hält, dass der Koalitionsfreiheit, als einem „Eckpfeiler des modernen pluralistischen Sozialgefüges“,643 als Ermöglichung der Etablierung von Gegenmacht auf der Arbeitnehmerseite,644 letztlich als „untrennbarer Teil der Wirtschafts- und Gesellschaftsverfassung“,645 auch eine Kampfkomponente beigemessen wird.646
II. Die Rechtsgrundlagen der Koalitionsfreiheit 1.
Innerstaatliches Recht
Normen, die sich mit der Koalitionsfreiheit beschäftigen, lassen sich sowohl im Verfassungsrecht als auch auf einfachgesetzlicher Ebene auffinden. Ausgangspunkt auf Verfassungsebene ist dabei Art 12 StGG, welcher den österreichischen Staatsbürgern das Recht garantiert, sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Art 12 StGG spricht zwar die Koalitionsfreiheit nicht ausdrücklich an, doch können die am Arbeitsleben Beteiligten die Verbürgung des Art 12 StGG dann in Anspruch nehmen, wenn die koalitive Betätigung in der Rechtsform eines Vereins erfolgt.647 Daraus ergibt sich deutlich, dass die Koalitionsfreiheit – historisch betrachtet – zunächst lediglich als Unterfall der allgemeinen Versammlungs- und Vereinsfreiheit (mit-)geschützt wurde. Zudem steht Art 12 StGG unter dem allgemeinen Vorbehalt, dass die Ausübung der darin garantierten Rechte durch besondere Gesetze geregelt wird. Eine Erweiterung des Schutzbereiches der Vereins- und Versammlungsfreiheit auf alle Menschen nimmt Art 11 Abs 1 MRK648 vor.649 Darüber hinaus schützt Art 11 Abs 1 MRK das jedermann zustehende Recht, zum Zwecke des Schutzes gruppenspezifischer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten. Eine zusätzliche verfassungsrechtliche Erwähnung findet das Koalitionsrecht in Art 18 Abs 5 B-VG, wonach Angelegenheiten auf dem Gebiet 642 643 644
645
646 647 648 649
Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 9. So Martinek/Schwarz, DRdA 1963, 278. Kuderna, DRdA 2001, 110; Firlei, DRdA 2001, 223 und Scholz, Die Koalitionsfreiheit des Arbeitgebers, ZfA 1980, 357 (358). So Firlei, DRdA 2001, 223; ähnlich auch Tomuschat, Diskussionsbeitrag in der Generaldebatte, in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1478: „Die Koalitionsfreiheit bildet ein Kernelement einer freiheitlichen und demokratischen Staatsordnung“. Firlei, DRdA 2001, 223; Maultaschl, DRdA 1953 H 8, 2. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 33. BGBl 1958/210. Die MRK wurde mit BGBl 1964/59 in den Verfassungsrang gehoben. Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht III Grundrechte (2003) Rz 42.160.
Die Rechtsgrundlagen der Koalitionsfreiheit
123
des Koalitionsrechtes von der Kompetenz des Bundespräsidenten zur Erlassung von Notverordnungen ausgenommen sind. Auf einfachgesetzlicher Ebene fällt zunächst die Gewährleistung der Koalitionsfreiheit durch § 235 LAG auf.650 Danach steht es den AN in der Landund Forstwirtschaft frei, sich zwecks Förderung ihrer Interessen zusammenzuschließen. Jede Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit wird von § 235 Satz 2 LAG verboten. § 235 leg cit schützt damit die Koalitionsfreiheit nicht nur vor staatlichen Eingriffen, sondern auch vor Beeinträchtigungen durch Private und besitzt somit unmittelbare Drittwirkung.651 § 237 Abs 1 iVm Abs 2 LAG bedroht schließlich jede Beeinträchtigung der durch § 235 leg cit gewährleisteten Koalitionsfreiheit mit einer Verwaltungsstrafsanktion. Neben dieser expliziten einfachgesetzlichen Verankerung der Koalitionsfreiheit sind weitere einfachgesetzliche Bestimmungen zu erwähnen, die von ihrem Regelungszweck Bezugspunkte zur Koalitionsfreiheit aufweisen. Als für die negative Koalitionsfreiheit bedeutsamste Bestimmung erklärt das ATerrG652 in § 1 Abs 1 Bestimmungen in kollektiven Arbeitsverträgen und anderen Gesamtvereinbarungen zwischen AN und AG für nichtig, wenn diese unmittelbar oder mittelbar bewirken sollen, dass in einem Betrieb nur Angehörige einer bestimmten Berufsvereinigung beschäftigt werden, oder welche verhindern sollen, dass in einem Betrieb Personen beschäftigt werden, die keiner Berufsvereinigung angehören oder die einer bestimmten Berufsvereinigung angehören. Zudem sanktioniert § 4 ATerrG jeden Versuch, durch Mittel der Einschüchterung oder Gewalt die ausschließliche Beschäftigung gewerkschaftlich Organisierter oder Nichtorganisierter oder den Beitritt zu oder den Austritt aus einer freiwilligen Berufsvereinigung zu bewirken. § 2 KoalG 1870 versagt Vereinbarungen zur Führung von Arbeitskämpfen bzw Verabredungen zur Unterstützung von Kampfkoalitionen die rechtliche Durchsetzbarkeit.653 Schließlich nimmt noch das ArbVG in § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG Bezug auf die Koalitionsfreiheit, indem die Anfechtung einer Kündigung ermöglicht wird, die wegen des Beitritts oder Mitgliedschaft des AN zu einer Gewerkschaft (§ 105 Abs 3 Z 1 lit a ArbVG) oder wegen seiner Tätigkeit in Gewerkschaften (§ 105 Abs 3 Z 1 lit b ArbVG) erfolgt, wobei diese Motivkündigungstatbestände als Ausfluss der verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsfreiheit anzusehen sind.654
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Bei dieser Bestimmung handelt es sich um die Umsetzung des ILO-Übereinkommens Nr 11 über das Vereins- und Koalitionsrecht der Landarbeiter, BGBl 1924/226. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 361; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht I Gestalter und Gestaltungsmittel5 (2004) 27; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 40; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 19; Dirschmied, DRdA 1970, 149; Martinek/Schwarz, DRdA 1963, 276. BGBl 1930/113. Näher zum KoalG 1870 s Seite 25 ff. Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 51; Trost, DRdA 1987, 107.
124
2.
Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit
Internationale Grundlagen
Bereits im Staatsvertrag von St. Germain655 hat sich Österreich durch Art 372 § 3 P 2 verpflichtet, „das Recht des Zusammenschlusses zu allen nicht dem Gesetz zuwiderlaufenden Zwecken sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber“ zu garantieren. Als älteste Rechtsquelle auf völkerrechtlicher Ebene verpflichtet das ILO-Übereinkommen Nr 11656 über das Vereins- und Koalitionsrecht der Landarbeiter die Staaten, allen in der Landwirtschaft tätigen Personen dasselbe Vereins- und Koalitionsrecht wie den gewerblichen Arbeitern zu gewähren und alle gesetzlichen und anderweitigen Bestimmungen aufzuheben, die dieses Recht der landwirtschaftlichen Arbeiter einschränken. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte schützt zum einen in Art 20 sowohl das Recht sich zu friedlichen Zwecken zu versammeln und Vereinigungen zu bilden als auch das Recht, einer Vereinigung nicht anzugehören, und – davon getrennt – zum anderen in Art 23 Z 4 das Recht jedes Menschen, zum Schutze seiner Interessen Berufsvereinigungen zu bilden und solchen beizutreten. Das ILO-Übereinkommen Nr 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes657 verpflichtet die Mitglieder der ILO Bestimmungen zur Anwendung zu bringen, nach denen die AN und AG ohne jeden Unterschied das Recht haben, ohne vorherige Genehmigung Organisationen nach eigener Wahl zu bilden und solchen Organisationen beizutreten, wobei lediglich die Bedingung gilt, dass sie deren Satzung einhalten. Art 3 Abs 1 gibt solchen Organisationen das Recht, sich Satzungen und Geschäftsordnungen zu geben, ihre Vertreter frei zu wählen, ihre Geschäftsführung und Tätigkeit zu regeln und ihr Programm aufzustellen. Gem Art 3 Abs 2 haben sich die Behörden jedes Eingriffes zu enthalten, der geeignet wäre, dieses Recht zu beschränken oder dessen rechtmäßige Ausübung zu behindern. Art 8 Abs 1 stellt klar, dass den AG und AN und ihren Organisationen keine Sonderstellung zukommt, sondern diese ebenso wie andere Personen und organisierte Gemeinschaften sich bei der Ausübung der ihnen durch das Übereinkommen Nr 87 gewährleisteten Rechte an die Gesetze zu halten haben. Auf der anderen Seite ist es den Staaten als Adressaten des Übereinkommens gem Art 8 Abs 2 verwehrt, durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder durch die Art der Anwendung die im Übereinkommen vorgesehenen Rechte zu schmälern. Abschließend verpflichtet Art 11 die Mitgliedstaaten der ILO ausdrücklich, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den AN und AG die freie Ausübung des Vereinigungsrechtes zu gewährleisten. Ergänzt wird das ILO-Übereinkommen Nr 87 durch das ILO-Übereinkommen Nr 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen.658 Während das Übereinkommen Nr 87 sich mit dem 655 656 657 658
StGBl 1920/303. BGBl 1924/226. BGBl 1950/228. BGBl 1952/20.
Die Rechtsgrundlagen der Koalitionsfreiheit
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Schutz der Vereinigungsfreiheit gegenüber dem Staat beschäftigt, regelt das Übereinkommen Nr 98 das Verhältnis zwischen AN und AG hinsichtlich der Vereinigungsfreiheit und dem Recht auf Kollektivverhandlungen. Art 1 statuiert dazu ein Diskriminierungsverbot, wonach die AN vor jeder gegen die Vereinigungsfreiheit gerichteten unterschiedlichen Behandlung, die mit ihrer Beschäftigung in Zusammenhang steht, angemessen zu schützen sind. Dabei ist dieser Schutz gem Art 1 Abs 2 insbesondere gegenüber Handlungen zu gewähren, die darauf gerichtet sind, die Beschäftigung eines AN vom Austritt aus einer oder dem Nichtbeitritt zu einer Gewerkschaft abhängig zu machen; weiters hat sich der Schutz auf jene Handlungen zu erstrecken, die darauf abzielen, einen AN zu entlassen oder auf sonstige Weise zu benachteiligen, weil er einer Gewerkschaft angehört, oder weil er sich außerhalb der Arbeitszeit oder mit Zustimmung des AG während der Arbeitszeit gewerkschaftlich betätigt. Art 2 betont den Schutz der Gegnerfreiheit nd Art 4 verpflichtet dazu, kollektive Verhandlungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen zum Zwecke der Regelung von Arbeits- und Lohnbedingungen zu fördern. Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte659 verbürgt in Art 8 die Koalitionsfreiheit der AN und gewährleistet darüber hinaus den Vereinigungen der AN diverse Betätigungsrechte. Auf europäischer Ebene schützt Art 5 der Europäischen Sozialcharta660 das Vereinigungsrecht von AN und AG und garantiert in Art 6 das Recht auf Kollektivverhandlungen. Die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer661 gewährleistet den AN und AG in der Europäischen Gemeinschaft in P 11 einerseits das Recht, zum Zwecke der Vertretung wirtschaftlicher und sozialer Interessen Vereinigung zu bilden, andererseits steht es den AN und AG frei, diesen Organisationen beizutreten oder diesen fernzubleiben. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union662 gibt schließlich in Art 28 den AN und AG sowie ihren Organisationen im Rahmen des Gemeinschaftsrechtes und im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und abzuschließen. Gemeinsam ist diesen vorhin angeführten internationalen Übereinkommen und Deklarationen, dass diese kein innerstaatlich unmittelbar anwendbares Recht darstellen.663
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BGBl 1978/590. BGBl 1969/460. KOM(89) 248 endg. ABl 2000 Nr C 364/01. Vgl Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 17 f; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 668.
126
Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit
III. Koalitionsfreiheit und Streikrecht 1.
Der Begriff der positiven Koalitionsfreiheit
Anknüpfend an die vorhin angeführten nationalen und internationalen Rechtsgrundlagen lässt sich jetzt der Begriff der Koalitionsfreiheit konkreter fassen. Strasser/Jabornegg nehmen dazu zunächst eine Aufspaltung der positiven Koalitionsfreiheit in die Freiheit des Einzelnen und in die Freiheit der Koalition vor664 und erfassen unter der Koalitionsfreiheit des Einzelnen wiederum zwei Aspekte: „Die Koalitionsfreiheit des Einzelnen ist zu differenzieren nach der Freiheit zur Koalition, di die Freiheit, eine Koalition zu gründen, und die Freiheit, einer bestehenden Koalition beizutreten, und der Freiheit aus der Koalition, das ist die Freiheit auf koalitionsgemäße Betätigung im Rahmen der Koalition, genauer auf Anwendung der Koalitionsmittel durch den Einzelnen“.665 Für vorliegende Fragestellung interessiert naturgemäß der zweite Aspekt der individuellen Koalitionsfreiheit: Inwieweit gehört die Teilnahme an Arbeitskämpfen zur (geschützten) Anwendung von Koalitionsmitteln und damit zum (wesensmäßigen) Gehalt der Koalitionsfreiheit? Mit anderen Worten: Lässt sich der Verbürgung der Koalitionsfreiheit auch die Verbürgung des Streikrechts entnehmen? Bejahendenfalls sind die Konsequenzen einer derartigen inhaltlichen Verbürgung auf die arbeitsvertraglichen Folgen einer Kampfteilnahme einer näheren Untersuchung zu unterziehen.
2.
Die Gewährleistungen der positiven Koalitionsfreiheit
Was die materiellen Gewährleistungen der positiven Koalitionsfreiheit anbelangt, so ist dieses Grundrecht noch weitgehend als eine terra incognita einzustufen.666 Die Lehre verständigt sich beim Ausloten der inhaltlichen Verbürgungen der Koalitionsfreiheit zumindest auf den Satz, wonach aus der Koalitionsfreiheit das Recht resultiert, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen zu bilden, diesen beizutreten, zwischen Koalitionen zu wählen und sich koalitionsgemäß zu verhalten.667
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Zum Wesen der Koalitionsfreiheit als Doppelgrundrecht s auch Martinek/Schwarz, DRdA 1963, 274; Dirschmied, DRdA 1970, 150; Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 93 f; Scholz in Maunz/Dürig (Hrsg), Kommentar zum GG II, Art 9 Rz 23. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 27 (Hervorhebungen im Original). Pointiert spricht Firlei, DRdA 2001, 222, von der Koalitionsfreiheit als dem Stiefkind der österreichischen Arbeitsrechtswissenschaft. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 18, führt als Grund dafür die Übermacht des ÖGB an. Im Gegensatz zu Firlei jedoch Cerny, Interessenvertretung versus Koalitionsfreiheit? Kritische Anmerkungen zu K. Firlei „Flucht aus dem Kollektivertrag“, DRdA 2001, 483 (484). Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 464; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 914; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 45; Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 23 ff; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 34; Kuderna, DRdA 2000,
Koalitionsfreiheit und Streikrecht
127
Das Recht sich koalitionsgemäß zu verhalten, also die Betätigungsfreiheit, wird aus den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Koalitionsfreiheit heraus dahingehend näher konturiert, dass die historisch gewachsene typische Betätigung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkoalitionen von staatlicher Einflussnahme frei ist, wobei als Kernbereiche koalitiver Betätigung die Freiheit der Mitgliederwerbung, die satzungsmäßige Interessenvertretung und Streitaustragung sowie die Freiheit der Betätigung der Koalitionen in Betriebsräten und Personalvertretungen genannt werden.668 Berka zählt zusätzlich die Abhaltung von Versammlungen und die Organisation von Streikmaßnahmen zum Bereich der durch die positive Koalitionsfreiheit geschützten koalitiven Tätigkeiten.669
3.
Schützt die positive Koalitionsfreiheit die Kampfteilnahme oder: Ein Streikrecht aus der Koalitionsfreiheit?
3.1. Meinungsbild in der Literatur „Aus dem Grundsatz der Koalitionsfreiheit läßt sich ein subjektives Streikrecht keineswegs ableiten“.670 Maultaschl fasst mit diesem Satz jene in der Literatur überwiegende Rechtsansicht zusammen, die der Ableitung eines Rechts zum Arbeitskampf aus der verfassungsrechtlich gewährleisteten positiven Koalitionsfreiheit ablehnend gegenübersteht. Die Begründungen, die für diese Rechtsansicht gegeben werden, variieren. Ein Teil von Autoren führt überhaupt keine Begründung an, sondern begnügt sich mit der (reinen) Erkenntnis, dass aus der Koalitionsfreiheit kein Streikrecht ableitbar sei.671 Pollak argumentiert durch eine Gegenüberstellung der Rechtslage vor und nach dem Ersten Weltkrieg historisch; denn vor dem Ersten Weltkrieg sei aus dem Recht sich zu koalieren, kein Streikrecht gefolgt; daran habe sich trotz der wesentlich gestiegenen sozialen Bedeutung des Koalitionsrechts nichts geändert.672 Andere Autoren stehen auf dem Standpunkt, dass die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit nicht gleichzeitig auch alle Koalitionsmittel garantiere.673 Martinek präzisiert dahingehend, dass Kampfverabredungen nicht das Wesen einer Koalition ausmachen, sodass solche von der verfassungsrechtli-
668
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670 671
672 673
110; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 667. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 361; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 19; Jabornegg/Resch, Anm zu VfGH 1.12.2003, G 298/02, 22, 24-28, 34, 35/03, DRdA 2004/38, 441 (444); Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 34. Berka, Die Grundrechte. Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich (1999) Rz 660. Maultaschl, ÖJZ 1954, 191. So Henrich, Das individuelle Risiko des Streiks, ÖJZ 1959, 423; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 773; Jabornegg/Resch, DRdA 2004/38, 444: „eher zweifelhaft“. Pollak, ZBl 1928, 759. Martinek/Schwarz, DRdA 1963, 278; Runggaldier in FS Schnorr 268.
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Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit
chen Ordnung nicht erfasst werden.674 Auch der Umstand, dass die Rechtsgrundlagen der Koalitionsfreiheit (Art 12 StGG und Art 11 Abs 1 MRK) wenig aussagekräftig sind, wird zur Unterstützung der vorhin skizzierten Rechtsansicht herangezogen.675 Floretta wiederum meint, dass mit dem Begriff der Koalition nicht notwendig ein subjektives Recht zum Arbeitskampf verbunden sei.676 Tomandl sieht – ausgehend von der Zuordnung der Koalitionsfreiheit zum Schutzbereich der allgemeinen Vereinigungsfreiheit – im Begriff der Koalitionsfreiheit überhaupt keinen tauglichen Ansatzpunkt für die gesamte Streikproblematik, da alle Verabredungen zur Durchführung von Arbeitskämpfen von der Rechtsordnung als nicht existent betrachtet werden; daher seien diese nicht vom verfassungsmäßigen Vereinsrecht geschützt.677 Reissner schließlich erschließt aus dem KoalG 1870, als dem Ausführungsgesetz zu Art 12 StGG, dass die Verfassung den Arbeitskampf nicht garantiere.678
3.2. Art 12 StGG und der Schutz der Streikteilnahme 3.2.1.
Die Position von Davy
Eine Minderheitsposition in der Lehre nimmt Davy ein. Davy unternimmt es nämlich zu untersuchen, ob Art 12 StGG die Streikteilnahme des AN unter den Schutz der Koalitionsfreiheit stellt.679 Die Grundthese, die von Davy dabei zum zentralen Ausgangspunkt ihrer Untersuchung gemacht wird, lautet: „Wenn die Teilnahme an einer Kampfverabredung eine Betätigung ist, die vom Tatbestand der Vereinigungsfreiheit gedeckt ist, dann ist jede rechtliche 674
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677 678 679
Martinek, Zur Verankerung des Koalitionsrechtes im kollektiven Arbeitsrecht, in Mayer-Maly/Nowak/Tomandl (Hrsg), Festschrift für Hans Schmitz I (1967) 146 (154). Runggaldier in FS Schnorr 258: „dürre Formel“; vgl dazu auch dens, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 179 f; Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 50; Winkler, ZAS 1984, 127; vgl auch Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 65 f, wonach über den reinen Wortlaut von Art 11 Abs 1 MRK hinaus auch Art 6 Z 4 ESC gegen die Annahme eines durch Art 11 MRK geschützten Kampfrechts spreche, denn die Sozialcharta, als Ergänzung der MRK, hätte wohl nicht überflüssiger Weise den Staaten nochmals dieselbe Pflicht auferlegt. Floretta, Arbeitsrecht und Europäische Menschenrechtskonvention (1967) 18; aA Maultaschl, ÖJZ 1954, 188, wonach Streik und Aussperrung untrennbar mit dem Begriff der Koalition verbunden seien. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 103. Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 464. Jüngst auch von Marx, mitbestimmung 2005, 3, untersucht, die dabei mit dem Postulat der Effektivität operiert und daraus ableitet, dass bei Arbeitgeber- oder Arbeitnehmervereinigungen die Funktionsfähigkeit dieser Koalitionen nur gewährleistet werden könne, wenn Arbeitskampfmaßnahmen zulässig seien; daraus ergebe sich, dass grundsätzlich auch Arbeitskampfmaßnahmen vom Schutzbereich des Art 12 StGG umfasst seien. Für ein Streikrecht aus Art 12 StGG – allerdings ohne nähere Begründung – auch Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht II3 (2004) § 39 Erl 6.
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Pflicht, die einen Arbeitnehmer daran hindert, sich an einer Koalition zu beteiligen, ein Eingriff in das grundrechtliche Schutzgut, also eine Grundrechtsbeschränkung“.680 Da die dem AN durch den Arbeitsvertrag auferlegte Arbeitspflicht es dem AN verbiete, die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistungen zu verweigern, bedeute die vertragliche Arbeitspflicht im Streikfall eine Grundrechtsbeschränkung, wenn und sofern die Koalitionsfreiheit auch die Streikbeteiligung umfasse, da in diesem Fall die Arbeitspflicht die grundrechtlich geschützte Betätigung (Streikbeteiligung) untersage.681 Die entscheidende Frage, ob jetzt die Koalitionsfreiheit auch die Streikbeteiligung schützt, beantwortet Davy anhand einer historischen Interpretation682 von Art 12 StGG. Durch Rückgriff auf die Materialien683 zum KoalG 1870 sowie durch die Bewertung dieses Gesetzes als Ausdruck des Schutzes der negativen Koalitionsfreiheit684 kommt Davy zu dem Schluss, dass der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1867 nicht nur die Strafbarkeit von Arbeitskämpfen beseitigen wollte, sondern auch jede arbeitsvertragliche Sanktionierung der Streikteilnahme als Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit angesehen habe.685 Daraus folge, dass streikende AN sich auf eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition berufen können.686 Der durch Art 12 StGG gewährleistete Schutz der Streikteilnahme bestehe allerdings nicht schrankenlos. Denn der Grundrechtsposition der streikenden AN stehe nämlich die Grundrechtsposition der bestreikten AG gegenüber, im Rahmen der von der Verfassung verbürgten Privatautonomie ein (streikbedingt) unzumutbar gewordenes Arbeitsverhältnis fristlos zu lösen.687 Es stelle sich damit aber dann die Frage, ob aus Sicht der Grundrechtsordnung die durch den einfachen Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, die Streikteilnahme mit fristloser Vertragslösung zu sanktionieren, unbedenklich sei.688 Da aber das verfassungsrechtliche Gebot, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Koalitionsfreiheit und Privatautonomie herbeizuführen, zur Differenzierung zwinge, verletze nicht jeder Streik die Treuepflicht und bewirke die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung; hielten sich nämlich die Streikmaßnahmen innerhalb 680 681 682
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Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 39. Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 59. Grundlage der historischen Interpretation ist § 6 ABGB: „aus der klaren Absicht des Gesetzgebers“. Allgemein zur historischen Interpretation vgl etwa Schmalz, Methodenlehre für das juristische Studium4 (1998) Rz 261 ff; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 449 ff; Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung III Mitteleuropäischer Rechtskreis (1976) 674 f. Zum Rückgriff auf Gesetzesmaterialien zum Zwecke der Interpretation s allgemein Jabloner, Die Gesetzesmaterialien als Mittel der historischen Auslegung, in Hengstschläger/Köck/Korinek/Stern/Truyol y Serra (Hrsg), Für Staat und Recht. Festschrift für Herbert Schambeck (1994) 441 ff. S dazu Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 20 f. Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 15 ff; 37 ff; 54 ff; 70 ff. Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 83. Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 86. Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 89 f.
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Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit
der von der Verfassung für notwendig und zulässig erachteten Grenzen, sei das freie Entlassungsrecht des AG ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Koalitionsfreiheit des AN,689 wobei zur Bestimmung der Angemessenheit bzw Verhältnismäßigkeit des Streiks Davy folgende Kriterien herangezogen wissen will: Die Dauer des Streiks, die Wahl des Zeitpunkts, das Ausmaß der Beteiligung, die „Legitimität“ der Forderungen, die Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft der Interessenvertretung, die Verletzung einer Friedenspflicht, das Ausmaß des zugefügten Schadens, der betriebsspezifisch nicht vermeidbare Schaden, der weitere Schadensverlauf, Art und Umfang der Beeinträchtigung der Interessen unbeteiligter Dritter oder die Bedeutung des Streiks im gewerkschaftlichen Gesamtkonzept.690
3.2.2.
Die Kritik von Rebhahn
Rebhahn setzt mit seine Kritik691 naturgemäß bei der Grundthese von Davy an, der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1867 habe die arbeitsvertragliche Sanktionierung der Streikbeteiligung als Eingriff in die Koalitionsfreiheit angesehen. Diese Grundthese versucht Rebhahn dadurch zu erschüttern, dass der in der Mitte des 19. Jahrhunderts vorherrschenden ideologischen Strömung des Hochliberalismus der Grundsatz der Vertragstreue ungleich näher gestanden habe als die Möglichkeit zu vertragswidrigen Streiks. Auch spreche § 6 des „Ausnahmegesetzes“692 unter Einbeziehung des Anhanges zu diesem Gesetz gegen die Argumentation von Davy. § 6 leg cit umschrieb die Wirkung einer Suspendierung von Art 12 StGG, erwähnte dabei aber die Koalitionsfreiheit nicht. Nach Ansicht von Rebhahn spreche dies aber nicht für, sondern gegen die These von Davy, da im Anhang zum „Ausnahmegesetz“ jene Straftatbestände aufgezählt gewesen seien, zu deren Durchsetzung im Falle des Ausnahmezustandes Grundrechte eingeschränkt werden könnten; zu diesen dort genannten Bestimmungen des StG 1852 hätten auch die in §§ 478 ff StG 1852 normierten Streikverbote gezählt. Daraus möchte Rebhahn den Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber des Jahres 1869 davon ausging, dass Einschränkungen der Koalitionsbildung in § 6 „Ausnahmegesetz“ deswegen keine Er-
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Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 96 f. Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 100 f. Rebhahn, Neues zum Streikrecht? JBl 1992, 497 ff. RGBl 1869/66. Das Gesetz vom 5.5.1869, womit auf Grund des Art 20 des Staatsgrundgesetzes vom 21.12.1867, RGBl Nr 142, die Befugnisse der verantwortlichen Regierungsgewalt zur Verfügung zeitweiliger und örtlicher Ausnahmen von den bestehenden Gesetzen bestimmt werden („Ausnahmegesetz“), erlaubte die Suspendierung der in Art 8, 9, 10, 12 und 13 StGG verfassungsrechtlich verbürgten Freiheiten für den Fall eines Ausnahmezustandes (ua Krieg, innere Unruhen). Art 20 StGG, auf dessen Basis das „Ausnahmegesetz“ erlassen wurde sowie das „Ausnahmegesetz“ selbst, wurden gem Art 149 Abs 2 B-VG nicht in die republikanische Verfassungsordnung übergeleitet.
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wähnung hätten finden müssen, weil selbst strafrechtliche Verbote des Streiks nicht gegen das StGG verstoßen hätten.693 Letztere Prämisse, die von Rebhahn seiner Argumentation zu Grunde gelegt wird, dass nämlich nach damaligem Verständnis strafrechtliche Verbote keinen Verstoß gegen das StGG bedeutet hätten, relativiert sich zwar bei einem Blick auf die Entstehungsgeschichte zum KoalG 1870. Verschiedene zeitgenössische Äußerungen belegen nämlich, dass die bestehenden Koalitionsverbote mit der neuen Grundrechtsordnung des StGG als nicht kompatibel angesehen wurden.694 Trotzdem ist Rebhahn in jenem Punkt zu folgen, worauf seine Kritik eigentlich abzielt: Gemeint ist damit die wesensbedingte Begrenztheit einer auf historischen Argumenten aufbauenden Gesetzesinterpretation. Der von Davy verfolgte objektiv-historische Ansatz, also die Interpretation durch Verwertung von Ausschussberichten und Stellungnahmen der am Gesetzwerdungsprozess beteiligten Personen – betrachtet im historischideologischen und gesellschaftlichen Kontext –,695 steht als zweckorientierte Analyse eines normativen Textes zugleich unter einen fundamentalen Vorbehalt, denn: „Einen Text verstehen, das setzt voraus, die Frage oder die Lage zu verstehen, auf die der Text eine Antwort war“.696 Mit anderen Worten ist die zur Zeit der Gesetzwerdung bestehende soziale Realität im Rahmen der historischen Auslegung erster Anknüpfungspunkt für interpretatorische Ableitungen aus einer als Reaktion auf die vorgefundene Situation geschaffenen Norm. Dieser wechselseitige Bedingungszusammenhang zwischen Norm und sozialer Situation erlangt jetzt aber entscheidende Bedeutung für die Plausibilität der These von Davy, zivilrechtliche Streikverbote seien vom historischen Ge-
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Rebhahn, JBl 1992, 498. Vgl dazu die Nachweise bei Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 15 ff und Ebert in Stourzh/Grandner (Hrsg), Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft (1986) 70 ff. Besonders eindrucksvoll ist dabei der Debattenbeitrag des damaligen Handelsministers Plenner in der 19. Sitzung der 5. Sess StProtAH 363: „Es war nicht mehr möglich, die bereits absolut und unhaltbar gewordene Bestimmung des Strafgesetzes, welche das Coalitionsrecht verbietet, aufrecht zu erhalten. (...) Diese Bestimmung (...) ist (...) mit der jetzigen Entwicklung unvereinbar, wo doch der Aufschwung, welchen der ganze wirthschaftliche Verkehr genommen hat, eben nur auf der freiheitlichen Bewegung beruht. Und wenn wir die Freiheit der Bewegung gemäß des Vereins- und Versammlungsrechtes dann in jeder Richtung auf volkswirtschaftlichem Gebiete erblicken, so können wir unmöglich ein Gesetz bestehen lassen, welches Verabredungen der Arbeiter über die Arbeitslöhne und über die Bestimmungen, welche ihr Interesse berühren, verbietet und bestraft“. Zum Wesen der objektiv-historischen Interpretationsmethode s Kramer, Juristische Methodenlehre2 (2005) 107 und Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 451 f, dort als historisch-teleologische Interpretation bezeichnet und ders in Rummel3 (2000) § 6 Rz 19. Rüthers, Rechtstheorie3 (2007) Rz 787; ders, Methodenrealismus in Jurisprudenz und Justiz, JZ 2006, 53 (58). So auch Gauch, Juristisches Denken. Wie denken Juristen? in Honsell/Zäch/Hasenböhler/Harrer/Rhinow (Hrsg), Privatrecht und Methode. Festschrift für Ernst A. Kramer (2004) 169 (183).
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setzgeber als Eingriffe in die Koalitionsfreiheit angesehen worden. Um diese These stützen zu können, müsste Davy nachweisen, dass die Frage der Verletzung der Koalitionsfreiheit durch die Möglichkeit zur Entlassung Motiv (und damit Antwort auf die vorhin skizzierte Frage) zur Regelung der Koalitionsfreiheit war. Dazu müsste Davy weiters im Rahmen der historischen Interpretation Belege aus dem Gesetzwerdungsprozess vorweisen können, die klare Aussagen in diese Richtung enthalten. Von Relevanz iSv Aussagekraft können dabei nur solche Materialien sein, die eindeutige Hinweise auf jenen Sinn enthalten, den der historische Gesetzgeber der fraglichen Vorschrift unbestrittenermaßen zumessen wollte.697 Damit müsste Davy eindeutige Aussagen der an der Gesetzwerdung698 beteiligten Personen nachweisen können, die das von Davy angestrebte Interpretationsergebnis absichern. Belege dafür kann Davy allerdings nicht liefern. Die von Davy angeführten Quellen699 lassen mE nur den Schluss zu, dass in der Tat der historische Gesetzgeber700 nur die strafrechtlichen Koalitionsverbote als einen nicht mehr tragbaren Eingriff in die Koalitionsfreiheit angesehen hat.701 Damit erweist sich die Argumentation von Davy mE als zuwenig tragfähig, um die Annahme eines Eingriffes in die grundrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit durch die Möglichkeit zur Entlassung streikender AN interpretatorisch zu begründen. Mit der Ablehnung des von Davy gewonnenen Interpretationsergebnisses soll aber der Erkenntniswert der historischen Auslegungsmethode nicht in Abrede gestellt werden. Vielmehr ist die historische Methode in Rahmen der Grundrechtsinterpretation erster Anhaltspunkt zur Ermittlung des konkreten Normgehaltes, indem die historische Interpretation über jene historischen Gefährdungslagen aufklärt, auf welche die Grundrechte eine Antwort darstellen.702
3.3. Die Rechtsprechung Am aussagekräftigsten zur Beantwortung der oben gestellten Ausgangsfrage sind jene Entscheidungen, die zu § 3 Z 9 BRG 1919 ergangen sind. § 3 Z 9 697
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Kramer, Juristische Methodenlehre2 (2005) 123; s auch Schlachter, Auslegungsmethoden im Arbeitsrecht (1987) 17. Sowohl in Bezug auf das StGG als auch in Bezug auf das von Davy zu Argumentationszwecken ebenfalls herangezogene KoalG 1870. Vgl Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 15 ff, 25 ff. Und zwar nach Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 431, umfassend verstanden als alle „für die im Gesetzgebungsakt im Zusammen- und Gegeneinanderwirken der Meinungen tatsächlich durchgedrungenen menschlichen Wertungen und Zwecke, für die gesetzeskausalen Interessen oder Wertungen (…)“. Vgl auch Rebhahn, JBl 1992, 498; vgl dazu weiters Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 591 f FN 662, wonach die Grundthese von Davy historisch zweifelhaft und unbewiesen sei. Berka in Rill/Schäffer (Hrsg), BVR-Komm, Vorbem StGG Rz 38; ders, Die Grundrechte. Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich (1999) Rz 121; Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten (1997) 109 FN 151.
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BRG 1919 – als tendenziell mit dem heutigen Motivkündigungsschutz vergleichbarer Tatbestand703 – ermöglichte es dem BetrR, die Kündigung oder Entlassung eines AN mit der Begründung anzufechten, dass sie aus politischen Gründen, im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Mitglied des BetrR oder deswegen erfolgt sei, weil der gekündigte (entlassene) AN vom Vereins- oder Koalitionsrecht Gebrauch gemacht habe. In diesem Zusammenhang glaubt Tomandl in der Wendung „Koalitionsrecht“ einen Missgriff des Gesetzgebers zu erkennen, da in Wahrheit nicht an die gesetzliche Verankerung eines subjektiven Koalitionsrechts gedacht worden sei, sondern nur Bezug auf die bereits seit 1870 bestehende allgemeine Freiheit zur Kampfabrede genommen werden sollte.704 Dessen ungeachtet sieht aber das EA Innsbruck in seiner Entscheidung vom 2. Juni 1923 eine Verbindung zwischen dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit und einer aufgrund einer Streikteilnahme ausgesprochenen Beendigungserklärung, indem nach Auffassung des EA das Recht einen Streik zu beschließen, im Koalitionsrecht verankert sei; daher sei auch die Beteiligung an einem Streik im Koalitionsrecht begründet, die Beendigungserklärung des AG daher gem § 3 Z 9 BRG 1919 anfechtbar.705 Andere Entscheidungen ziehen sich hingegen auf den Standpunkt zurück, dass zwischen einer Streikteilnahme und dem durch § 3 Z 9 BRG 1919 vermittelten Schutz der Koalitionsfreiheit keine Berührungspunkte bestehen, da ein streikender AN nicht deshalb entlassen werde, „weil er irgendeiner wirtschaftlichen oder politischen Partei oder Vereinigung angehörte, sondern deshalb, weil er beharrlich die Arbeit verweigerte“.706 Bemerkenswerterweise wird der Gedanke einer Ableitung des Streikrechts aus dem Koalitionsrecht auch noch vom ArbG Judenburg in seiner Entscheidung vom 29. Jänner 1950 aufgegriffen. Darin führt das Gericht aus, dass zwar ein Recht zu streiken nicht ausdrücklich gesetzlich positiviert sei, ein solches aber dennoch als Ausfluss des Koalitionsrechts betrachtet werde.707
3.4. Bewertung Die vorhin gemachten Ausführungen zeigen, dass Literatur und Judikatur zwar punktuell zur oben formulierten Ausgangsfrage Stellung nehmen, die 703
704 705
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Vgl Lederer, Grundriss des österreichischen Sozialrechtes2 (1932) 275 f; Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung (1982) 35. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 81 f. EA Innsbruck 2.6.1923, 39, 40/23, Arb 3171; s dazu auch die Bewertung durch Ramm, Streik und Arbeitsvertragsbruch, ArbuR 1964, 129 (130). Ähnlich wie das EA Innsbruck auch Schneider R., GZ 1925, 54 f. Gegen Schneider aber Grünberg, Ist Streik (und passive Resistenz) ein Entlassungsgrund? GZ 1925, 113 (114 ff). So die Begründung in der Entscheidung des EA Graz 28.7.1923, R I 103/23, Arb 3172; mit demselben Argumentationsmuster: EA Salzburg 1.7.1924, Reg I 114/24/3, Arb 3282 und EA Klagenfurt 15.11.1922, Reg I 180/22, Arb 3096; vgl dazu auch Lenhoff¸ Die Koalition und ihr Wirken als Grundlage des Arbeitsrechtes unserer Zeit, ZfsR II (1929/30) 71 (78). ArbG Judenburg 29.1.1950, Cr 98/50, SozM II B 99 (100).
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gegebenen Begründungen, die für beide möglichen Standpunkte angeführt werden, mE nicht überzeugen, da diese zu wenig tragfähig bzw zu wenig aussagekräftig sind.708 Vor allem ist Art 12 StGG wegen seiner spezifisch auf die strafrechtlichen Koalitionsverbote zugeschnittenen Schutzrichtung kein tauglicher Ansatzpunkt. Daher soll im Folgenden ein anderer Ansatz untersucht werden. Es soll die Frage erörtert werden, ob nicht der Garantie der positiven Koalitionsfreiheit durch Art 11 Abs 1 MRK ein subjektiv-privates Streikrecht, welches also die Möglichkeit verschafft, bei aufrechtem Arbeitsvertrag ohne Bruch desselben am Streik teilnehmen zu können, entnommen werden kann.
4.
Ein Streikrecht aus Art 11 Abs 1 MRK?
4.1. Meinungsstand in der Lehre Art 11 Abs 1 MRK gibt neben der Gewährleistung der (allgemeinen) Vereinsund Versammlungsfreiheit allen Menschen709 das Recht, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten. Verglichen mit der zweiten verfassungsrechtlichen Grundlage der positiven Koalitionsfreiheit in Art 12 StGG fällt auf, dass Art 11 Abs 1 MRK einen Aspekt der (individuellen) Koalitionsfreiheit explizit besonders betont und zwar das Recht zur Bildung von und des Beitrittes zu Gewerkschaften, beides unter der Zielvorstellung, den Grundrechtsträgern den Schutz ihrer Interessen zu ermöglichen.710 Von besonderem Interesse ist dabei, inwieweit die Wendung „zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten“ einer Interpretation zugänglich ist, die die Ableitung eines subjektiv-privaten Kampfrechts, dh eines Rechts, im Streikfall die Arbeitspflicht suspendieren zu können, aus Art 11 Abs 1 MRK begründeterweise stützen kann.711 708 709
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Vgl auch Schneider R., GZ 1925, 49. Vgl dazu auch OGH 21.12.1995, 8 ObA 253/95, SZ 68/249 = Arb 11.460 = DRdA 1996, 246 = DRdA 1996/43, 412 (Feik) = ZASB 1996, 10 = wbl 1996, 244 = EvBl 1996/87, 510 = ÖJZ-LSK 1996/155 = ÖJZ-LSK 1996/217 = ÖJZ-LSK 1996/218 = ÖJZ-LSK 1996/219 = ÖJZ-LSK 1996/248 = RdW 1996, 488 = ecolex 1996, 395 = GesRZ 1996, 121 = infas 1996 A 72 = ARD 4729/14/96. Moser, Die Europäische Menschenrechtskonvention und das bürgerliche Recht. Zum Problem der Drittwirkung von Grundrechten (1972) 247. Vgl Floretta, Arbeitsrecht und Europäische Menschenrechtskonvention (1967) 10. Nicht verkannt wird dabei, dass die MRK als völkerrechtlicher Vertrag an und für sich nur in ihren beiden authentischen Fassungen, das ist gem der Schlussklausel der Konvention der englische und der französische Text, der Interpretation zugänglich sind. Das gilt auch dort, wo die MRK innerstaatlich in Verfassungsrang steht; vgl dazu Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 (2008) § 5 Rz 2: „Alleinige Grundlage der Interpretation im innerstaatlichen Recht wie im Völkerrecht sind daher der englische und der französische Text“; vgl weiters Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz. Universelles und europäisches Recht (2004) Rz 28. Die authentische Fassung von Art 11 Abs 1 MRK in englischer Sprache lautet dabei: „Everyone has the right to freedom of peaceful assembly and to freedom of association with others, including the right to form and to
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In der Lehre wird zunächst davon ausgegangen, dass Art 11 MRK gegenüber Art 12 StGG ein „Mehr“ an inhaltlicher Verbürgung bedeutet,712 denn Art 11 MRK hebt die Koalitionsfreiheit aus der allgemeinen Vereinsfreiheit heraus und erschöpft den Inhalt nicht allein – wie Art 12 StGG – in einem negativen Statusrecht, welches lediglich eine staatsfreie Sphäre gewährleistet und hoheitliche Eingriffe in die Rechtsstellung des Grundrechtsträgers hintanhalten soll.713 „Dadurch, daß Art. 11 MRK allen Menschen das Recht einräumt, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden, sichert nunmehr auch die Verfassung die bereits einfachgesetzlich bestehenden sozialpolitischen Ordnungsfunktionen der Berufsverbände“.714 Ähnlich äußert sich auch Martinek: „Indem Art. 11 MRK die Bildung von Gewerkschaften besonders regelt, hebt er ihre über den bloßen Daseinszweck hinausgehende Bedeutung hervor. Den Begriff ‚Gewerkschaft’ hat der Verfassungsgesetzgeber daher in einem materiellen Sinn gebraucht und damit den in diesem Begriff gelegenen Sinngehalt – die auf Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gerichteten Zwecke und Ziele sowie die kollektiven Gestaltungsmittel – in die Verfassungsordnung eingebaut. In der Anerkennung der Aufgaben und Befugnisse der Berufsvereinigungen wird der institutionellen eine funktionelle Garantie hinzugefügt. Der verfassungsmäßige Garantieinhalt des Koalitionsrechtes erscheint demnach in seiner Konnexität des subjektiven Rechts zur Koalition zum objektiven Recht der Koalition ausgeprägt, wobei nicht nur die Bildung und der Schutz vor ungerechtfertigter Auflösung, sondern auch die Garantie adäquater Betätigung eine entsprechende Regelung gefunden hat“.715 Die Annahme, Art 11 Abs 1 MRK enthielte ein Kampfrecht, stößt aber in der Lehre überwiegend auf Ablehnung. So meint Rebhahn unter Berufung auf die einschlägigen Entscheidungen der Straßburger Instanzen, dass sich aus Art 11 Abs 1 MRK nur ein Anspruch der Mitglieder einer Gewerkschaft ergebe, dass ihre Organisation gehört werde; ein subjektiv-privates Recht auf Streik folge aus der MRK nicht.716 Strasser/Jabornegg nehmen Bezug auf den
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join trade unions for the protection of his interests“. Die gleiche Bestimmung in französicher Sprache lautet: „Toute personne a droit à la liberté de réunion pacifique et à la liberté d’association, y compris le droit de fonder avec d’autres des syndicats et de s’afflilier à des syndicats pour la défense de ses intérêts“. Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 667 f. Floretta, Arbeitsrecht und Europäische Menschenrechtskonvention (1967) 11. Floretta, Arbeitsrecht und Europäische Menschenrechtskonvention (1967) 11 (Hervorhebung im Original). Martinek in FS Schmitz I 148; ähnlich in der Bewertung von Art 11 MRK auch Runggaldier, Auswirkungen wirtschaftlicher Schwierigkeiten im Unternehmen auf die Arbeitsbedingungen, in Floretta (Hrsg), Österreichische Landesberichte zum XIII. Internationalen Kongreß für das Recht der Arbeit und der Sozialen Sicherheit in Athen (1991) 5 (11). Rebhahn, DRdA 1982, 137; vgl auch dens, DRdA 2004, 408. Für den Fall, dass der Staat die Arbeitsbedingungen seiner AN durch ein den KollV verdrängendes Gesetz regelt, vertritt Rebhahn jedoch eine andere Position. In einem solchen Fall, wo die Gestaltung
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Norminhalt von Art 11 MRK und folgern daraus, dass Art 11 MRK keine verfassungsrechtliche Absicherung eines subjektiven Arbeitskampfrechts beinhalte; insbesondere sei Art 11 MRK nicht die Aussage zu entnehmen, dass bestimmte Arbeitskämpfe keine Verletzung der Arbeitsverträge mit den daran allgemein geknüpften Folgen darstellen sollten.717 Löschnigg schließlich erklärt kategorisch, dass es nicht angehe, aus der verfassungsmäßigen Garantie des Koalitionsrechts eine Garantie des Arbeitskampfes abzuleiten.718
4.2. Gegenstimmen Neben der als hL anzusehenden Position, wonach aus Art 11 MRK kein Kampfrecht abzuleiten sei, lassen sich in der Literatur dennoch einige Stimmen auffinden, die sich gegenteilig dazu positionieren. Gitter stützt sich bei der Auslegung von Art 11 MRK auf das Postulat der Effektivität der Grundrechte719 und meint, dass die alleinige Gewährleistung der Gründungs- und Beitrittsfreiheit noch keine effektive, die Position des einzelnen AN tatsächlich verbessernde Regelung darstellen würde; dazu gehöre vielmehr die durch den Zusammenschluss geschaffene Möglichkeit zum kollektiven Aushandeln der Arbeitsbedingungen, die wiederum nur dann effektiv sei, wenn für den Fall des Scheiterns derartiger Verhandlungen ein Druckmittel in Gestalt des Arbeitskampfes zur Verfügung stehe; daher werde man durch Art 11 MRK
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der Arbeitsbedingungen öffentlicher AN durch KollV ausscheide, habe der AG dann die Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen einseitig durch Gesetz zu bestimmen. Das Recht der Gewerkschaft aus Art 11 MRK auf Kollektivverhandlungen könne in einem solchen Fall nicht zum Abschluss eines KollV führen; weiters könne man Gespräche der Gewerkschaft mit der Regierung nicht als kollektive Verhandlungen über das Gesetz ansehen. Wenn man sich an der Interpretation in der Entscheidung Wilson orientiere, so dürfte Rebhahn zufolge für diesen Fall aus Art 11 MRK folgen, dass die AN ihre Interessen durch Streik vertreten können müssen. Art 11 MRK würde in diesem Fall die Zulässigkeit des Streiks um das Gesetz verlangen, wenn und weil die Regelung durch KollV ausgeschlossen sei. Für den Fall eines relativ zwingenden bzw dispositiv wirkenden arbeitsrechtlichen Gesetzes möchte Rebhahn hingegen den Streik gegen ein derartiges Gesetz aus dem Schutzbereich des Art 11 Abs 1 MRK herausnehmen, da in diesem Fall das Gesetz nur den Rahmen für die Gestaltung der Arbeitsverträge und KollV abstecke. Hier besitze die Gewerkschaft alle von Art 11 MRK geforderten Möglichkeiten, auch wenn sie nicht gegen das arbeitsrechtliche Gesetz streiken dürfe: Rebhahn, DRdA 2004, 408. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 191; ebenso: Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 453; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 911; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 354; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 108 f; Runggaldier in FS Schnorr 268; ders, Grenzen der Kollektivvertragsautonomie bei der Regelung des Entgelts (1995) 7 sowie Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 65 f. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 773. Näher dazu s Seite 139 ff.
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auch das Recht zum Arbeitskampf als mitgewährleistet ansehen können.720 Ähnlich argumentiert auch Beumer. Aus teleologischer Sicht erscheine die Gewährleistung freier Gewerkschaftsbildung sinnlos, wenn diese Gewährleistung nicht auch das Recht einschlösse, KollV abzuschließen und nötigenfalls kampfweise durchzusetzen. Auch die Beschränkungsverbote von Art 11 Abs 2 MRK wären völlig überflüssig, wenn Art 11 Abs 1 MRK nicht auch im Sinne einer grundsätzlichen Garantie der Tarifautonomie und des Arbeitskampfrechts auszulegen wäre, sodass es vielmehr sinnvoll erscheine, Art 11 MRK eine Garantie der Koalitionsfreiheit einschließlich einer Garantie des Arbeitskampfes zu entnehmen.721 Frowein weist schließlich darauf hin, dass das System des kollektiven Arbeitsrechts in der Konvention zwar nur in Bezug auf die Existenz der Gewerkschaften und in Bezug auf ihre allgemeine Betätigungsmöglichkeit geschützt sei; dazu sei allerdings auch das Streikrecht zu zählen.722 Marauhn schließt sich dieser Position an und präzisiert, dass man den Schutzbereich von Art 11 Abs 1 MRK jedenfalls so weit ausdehnen müsse, wie Gewerkschaften eine Funktion wahrnehmen, die ein Einzelner gar nicht wahrnehmen könne; der völlige Ausschluss des Streikrechts dürfte – Marauhn zufolge – nicht mehr mit Art 11 Abs 1 MRK vereinbar sein.723
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Gitter, Probleme des Arbeitskampfes in supranationaler, internationaler und international-privatrechtlicher Sicht, ZfA 1971, 127 (134); ebenso Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst2 (1971) 174 f; vgl auch Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit. Ein Kommentar (1976) 113 und Rüthers in Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht. Ein Handbuch für die Praxis2 (1982) Rz 127. Beumer, Individuelles Streikrecht (1990) 75 ff. Frowein in Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2 (1996) Art 11 Rz 14; in diese Richtung auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 956 und Berka, Die Grundrechte. Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich (1999) Rz 660 sowie Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 83 FN 178; in Anschluss an Frowein auch: Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 40, 120; Bryde, Grundrechte der Arbeit und Europa, RdA-Sonderbeilage 2003, 5 (6 FN 10); Golden, Soziale und Wirtschaftliche Rechte neu betrachtet – Innerstaatliche und internationale Perspektiven, in Eisenberger/Golden/Lachmayer/Marx/Tomasovsky (Hrsg), Norm und Normvorstellung, Festschrift für Bernd-Christian Funk (2003) 215 (224 f); Däubler, Die Koalitionsfreiheit im EG-Recht, in Isenhardt/Preis (Hrsg), Arbeitsrecht und Sozialpartnerschaft. Festschrift für Peter Hanau (1999) 489 (496 f). Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention – Handkommentar2 (2006) Art 11 Rz 16, wiederum meint, dass Art 11 Abs 1 MRK im Lichte von Art 6 Z 4 ESC auszulegen sei. Marauhn, Kommunikationsgrundrechte, in Ehlers (Hrsg), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten2 (2005) § 4 Rz 87; ders, Die wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit zwischen menschenrechtlicher Gewährleistung und privatrechtlicher Ausgestaltung – Zur Bedeutung von Art. 11 EMRK für das kollektive Arbeitsrecht und das Gesellschaftsrecht, RabelsZ 63 (1999) 537 (547).
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Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit
4.3. Die Judikatur des EGMR zur Frage eines Streikrechts 4.3.1.
Zur Interpretationsmethode des EGMR
Die MRK, mit ihren fundamentalen Anliegen Menschenrechtsschutz, Friedenssicherung und Demokratie,724 beansprucht in der Sichtweise des EGMR für sich, ein „Verfassungsinstrument des europäischen ordre public“ zu sein.725 Der EGMR als dasjenige Konventionsorgan, das gem Art 19 MRK dazu berufen ist, die Einhaltung derjenigen Verpflichtungen sicherzustellen, die die Vertragsstaaten mit der Konvention übernommen haben, bedient sich bei seiner Entscheidungsfindung und Auslegungspraxis und damit bei der Verwirklichung der von ihm selbst solcherart definierten Zielvorstellung von der Konvention einer Methode, die nach Schilling drei spezifische Facetten aufweist: Zum einen werden die von der MRK verwendeten Begriffe vom EGMR autonom ausgelegt. Zum anderen beruft sich der EGMR in seiner Spruchpraxis auf den Grundsatz der Effektivität, und letztlich wird die MRK vom Gerichtshof als ein integriertes System betrachtet, welches als Ganzes gesehen und ausgelegt werden müsse.726 Die erste vom EGMR in seiner Rechtsprechung herangezogene Auslegungsmaxime trägt der Erkenntnis Rechnung, dass die in die Konvention aufgenommenen Begriffe grundsätzlich abgekoppelt von den Begriffsvorstellungen in den einzelnen Konventionsstaaten vom Gerichtshof eigenständig ausgelegt werden müssen.727 Erreicht wird damit zweierlei: Auf der einen Seite werden die Begriffe der Konvention nur nach ihrem Sinn und ihrer Funktion im
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So Korinek, Auf dem Weg zu einem europäischen Grundrechtsstandard, in ders, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit (2000) 71 (72). EGMR 23.3.1995, 15318/89, Loizidou/Türkei, Serie A 310 = ÖJZ-MRK 1995/38, 629; zu diesem Verständnis des Gerichtshofes von der MRK s auch Merli, Funktionen des europäischen Grundrechtsschutzes, in Funk/Holzinger/Klecatsky/Korinek/Mantl/Pernthaler (Hrsg), Der Rechtsstaat vor neuen Herausforderungen. Festschrift für Ludwig Adamovich (2002) 449 (458) und Ress, Rechtsstellung, Aufgabenbereich und Legitimation des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in Holoubek/Gutknecht/Schwarzer/ Martin (Hrsg), Dimensionen des modernen Verfassungsstaates. Symposium zum 60. Geburtstag von Karl Korinek (2002) 129 (135 f). Vgl auch die Aussage des EGMR in seiner Entscheidung vom 6.2.2003, 46827/99, 46951/99, Mamatkulov und Abdurasulovic/ Türkei, EuGRZ 2003, 704: „(…) the Court must have regard to the special character of the Convention as a treaty for the collective enforcement of human rights and fundamental freedoms“. Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz. Universelles und europäisches Recht (2004) Rz 30 ff. Matscher, Die Methoden der Auslegung der EMRK in der Rechtsprechung ihrer Organe, in Schwind (Hrsg), Aktuelle Fragen zum Europarecht aus der Sicht in- und ausländischer Gelehrter (1986) 102 (113 ff), ergänzt diese Trias noch um das Instrument der rechtsvergleichenden Auslegung, um die Doktrin vom Ermessensspielraum und um das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 (2008) § 5 Rz 10; MeyerLadewig, Europäische Menschenrechtskonvention – Handkommentar2 (2006) Einleitung Rz 36.
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Rahmen der MRK ausgelegt.728 Auf der anderen Seite bewirkt die autonome Interpretation, dass durch deren Einsatz der Standard des Grundrechtsschutzes in den verschiedenen Mitgliedstaaten angeglichen wird,729 ein Ziel, welches die Präambel der Konvention selbst vorgibt.730 Obwohl der EGMR damit die Betonung auf ein eigenständiges Begriffsverständnis legt,731 erfolgt die autonome Interpretation aber dennoch nicht gänzlich losgelöst von den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Denn der EGMR nimmt als Ausgangspunkt der autonomen Interpretation zur Konkretisierung von Konventionsbegriffen auch punktuell Bezug auf die Rechtsordnung des betroffenen Staates und setzt das dortige Begriffsverständnis in Beziehung zu den Rechtssystemen der übrigen Konventionsstaaten.732 Wenn sich der EGMR in seiner Judikatur auf das Prinzip der Effektivität beruft, so bringt der Gerichtshof damit einen Grundsatz der Interpretation zum Ausdruck, dass „die Konvention so ausgelegt und angewendet wird, dass ihre Rechte praktisch und wirksam werden und nicht theoretisch und illusorisch sind. Würde der GH es verabsäumen, einen dynamischen und evolutiven Ansatz zu bewahren, so würde dies in der Tat auf eine Sperre für Reformen oder Verbesserungen hinauslaufen“.733 Dieser evolutiv-dynamische Ansatz be728
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Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz. Universelles und europäisches Recht (2004) Rz 30. Zur autonomen Interpretation vgl auch EGMR 28.6.1978, 6232/73, König/Deutschland, Serie A 27 = EuGRZ 1978, 406 = NJW 1979, 477 und EGMR 29.4.1999, 25088/94, 28331/95, 28443/95, Chassagnou ua/Frankreich, RJD 1999-III = ÖJZ-MRK 2000/2, 113 = NJW 1999, 3695. Matscher in Schwind (Hrsg), Aktuelle Fragen zum Europarecht aus der Sicht in- und ausländischer Gelehrter (1986) 112. Der entscheidende Passus der Präambel lautet: „unter erneuter Bekräftigung ihres tiefen Glaubens an diese Grundfreiheiten, welche die Grundlage der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bilden, und deren Aufrechterhaltung wesentlich auf einem wahrhaft demokratischen politischen Regime einerseits und auf einer gemeinsamen Auffassung und Achtung der Menschenrechte andererseits beruht, von denen sie sich herleiten“. Vgl dazu beispielsweise die folgenden Entscheidungen des EGMR: EGMR 8.6.1976, 5100/71, 5101/71, 5102/71, 5354/72, 5370/72, Engel ua/Niederlande, Serie A 22 = EuGRZ 1976, 221; EGMR 16.7.1971, 2614/65, Ringeisen/Österreich, Serie A 13; EGMR 28.6.1978, 6232/73, König/Deutschland, Serie A 27 = EuGRZ 1978, 406 = NJW 1979, 477. EGMR 8.6.1976, 5100/71, 5101/71, 5102/71, 5354/72, 5370/72, Engel ua/Niederlande, Serie A 22 = EuGRZ 1976, 22; EGMR 28.6.1978, 6232/73, König/Deutschland, Serie A 27 = EuGRZ 1978, 406 = NJW 1979, 477. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 (2008) § 5 Rz 11; Frowein in Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2 (1996) Einführung Rz 8. EGMR 11.7.2002 (GC), 28957/95, Goodwin/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-VI = ÖJZ-MRK 2003/34, 766 = NJW-RR 2004, 289; vgl weiters EGMR 6.2.2003, 46827/99, 46951/99, Mamatkulov und Abdurasulovic/Türkei, EuGRZ 2003, 704; EGMR 28.5.2002, 46259/99, Stafford/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-IV; EGMR 13.5.1980, 6694/74, Artico/Italien, Serie A 37 = EuGRZ 1980, 662; EGMR 9.10.1979, 6289/73, Airey/Irland, Serie A 32 = EuGRZ 1979, 626; vgl dazu auch Grof, Zur Schutzrichtung (Bindungswirkung) der Grundrechte, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich. Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindun-
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ruht auf einem Verständnis von der Konvention als einem lebendigen Instrument (living instrument),734 das im Lichte der heutigen Verhältnisse (present day conditions)735 zu interpretieren ist.736 Die Einordnung der Konvention als living instrument bedeutet damit zugleich eine Absage an eine historischstatische Auslegung der Konvention entsprechend dem Stand im Jahr der Unterzeichnung der MRK.737 Auf der anderen Seite werden aber gegen den vom EGMR forcierten evolutiv-dynamischen Ansatz verschiedentlich Bedenken vorgetragen. Matscher streicht zwar hervor, dass die evolutive Interpretation die geeignete Methode zur Auslegung eines Vertragswerks sei, das permanent auf sich ändernde Bedrohungsszenarien reagieren muss; dessen ungeachtet gibt Matscher zu, dass die Konventionsorgane mit ihrer Spruchpraxis manchmal die Grenzen dessen berührt hätten, was noch als Vertragsauslegung im Rechtssinne bezeichnet werden könne, wo vielmehr fallweise seitens der Straßburger Instanzen sogar Rechtspolitik betrieben worden wäre. Rechtspolitik zu betreiben, stünde dem Gerichtshof aber nicht zu; eine solche wahrzunehmen, sei vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, sei also Aufgabe der vertragsschließenden Parteien.738 Starke Bedenken gegen diesen vom EGMR ver-
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gen (1991) 101 (136) und Heller, Das System des Rechtsschutzes, in Machacek/Pahr/ Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich. Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen (1991) 155 f. Zur Einordnung der MRK als living instrument s EGMR 25.4.1978, 5856/72, Tyrer/Vereinigtes Königreich, Serie A 26 = EuGRZ 1979, 162 = NJW 1979, 1089; EGMR 23.3.1995, 15318/89, Loizidou/Türkei, Serie A 310 = ÖJZ-MRK 1995/38, 629; EGMR 6.2.2003, 46827/99, 46951/99, Mamatkulov und Abdurasulovic/Türkei, EuGRZ 2003, 704. Vgl dazu EGMR 28.5.2002, 46259/99, Stafford/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-IV; EGMR 11.7.2002 (GC), 28957/95, Goodwin/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-VI = ÖJZ-MRK 2003/34, 766 = NJW-RR 2004, 289; EGMR 18.12.1986, 9697/82, Johnston ua/Irland, Serie A 112 = EuGRZ 1987, 313; EGMR 17.10.1986, 9532/81, Rees/Vereinigtes Königreich, Serie A 106; EGMR 13.6.1979, 6833/74, Marckx/Belgien, Serie A 31 = EuGRZ 1979, 454 = NJW 1979, 2449 = FamRZ 1979, 903; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 (2008) § 5 Rz 13 f. Vgl dazu Ress in Holoubek/Gutknecht/Schwarzer/Martin (Hrsg), Dimensionen des modernen Verfassungsstaates. Symposium zum 60. Geburtstag von Karl Korinek (2002) 136. Die MRK wurde am 4. November 1950 in Rom unterzeichnet. Vgl zum geringen Stellenwert der historischen Interpretation: EGMR 6.2.2003, 46827/99, 46951/99, Mamatkulov und Abdurasulovic/Türkei, EuGRZ 2003, 704; EGMR 23.3.1995, 15318/89, Loizidou/Türkei, Serie A 310 = ÖJZ-MRK 1995/38, 629; Ress in Holoubek/Gutknecht/ Schwarzer/Martin (Hrsg), Dimensionen des modernen Verfassungsstaates. Symposium zum 60. Geburtstag von Karl Korinek (2002) 147. Matscher in Schwind (Hrsg), Aktuelle Fragen zum Europarecht aus der Sicht in- und ausländischer Gelehrter (1986) 108; aus diesem Grund lehnt Matscher auch das Attribut „dynamisch“ ab, denn „dynamisch“ möge die Gesellschaft oder der Gesetzgeber sein, keinesfalls aber eine rechtsprechende Instanz: Matscher in Schwind (Hrsg), Aktuelle Fragen zum Europarecht aus der Sicht in- und ausländischer Gelehrter (1986) 109. Krit zur evolutiv-dynamischen Interpretation auch Oberndorfer, Diskussionsbeitrag, in Holou-
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folgten evolutiv-dynamischen Interpretationsansatz äußert auch der VfGH in seinem Erkenntnis vom 14. Oktober 1987. Die an den VfGH herangetragene Rechtsfrage bestand dabei darin, ob im Rahmen eines Bauverfahrens739 anstelle einer Verwaltungsbehörde ein unabhängiges Tribunal iSv Art 6 MRK zur Entscheidung berufen sein müsste. Eine solche aus Art 6 MRK ableitbare Konsequenz würde aber nach Auffassung des VfGH einen massiven Eingriff in die vom B-VG vorgegebene Staatsorganisation bedeuten, denn – so der VfGH – müsste nämlich alles durch ein Tribunal in der Sache selbst entschieden werden, was die private Sphäre im weiten Sinn der Judikatur der Straßburger Instanzen berühre, so müssten in weiten Bereichen des materiellen Verwaltungsrechts Gerichte zur meritorischen Entscheidung berufen werden. In der argumentativen Auseinandersetzung mit der Judikatur der Straßburger Instanzen zur Reichweite des Art 6 MRK sah sich daher der VfGH gezwungen, darauf hinzuweisen, dass im Falle einer Konventionswidrigkeit der österreichischen Rechtsordnung – resultierend aus einer von den Konventionsorganen betriebenen offenen Rechtsfortbildung – sich dann die Frage stellen würde, „ob nicht die Übertragung einer rechtsfortbildenden Aufgabe auf verfassungsrechtlichem Gebiet an ein internationales Organ als Ausschaltung des Verfassungsgesetzgebers eine Gesamtänderung der Bundesverfassung im Sinne des Art 44 Abs 3 B-VG wäre und einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes bedurft hätte“.740 Dagegen erblickt Ress in der evolutiv-dynamischen Auslegung741 eines speziell auf den Menschenrechtsschutz ausgerichteten völkerrechtlichen Vertrages keinen ungewöhnlichen Interpretationsvorgang, räumt aber trotzdem ein, dass diese Auslegungsmethode theoretisch in Einzelfällen über den durch die zulässige Vertragsauslegung gesteckten Rahmen hinausge-
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bek/Gutknecht/Schwarzer/Martin (Hrsg), Dimensionen des modernen Verfassungsstaates. Symposium zum 60. Geburtstag von Karl Korinek (2002) 171. Konkret ging es darum, dass die Bf gegen eine Baubewilligung Einwendungen erhoben, die eine Störung des Ortsbildes, eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit und die Verletzung des vorgeschriebenen Abstandes von der Straße behaupteten. Mit ihren Einwendungen blieben die Bf in allen Verwaltungsinstanzen erfolglos. VfGH 14.10.1987, B 267/86, VfSlg 11.500 = JBl 1988, 302 = ÖJZ-VfGH 1988/23, 474 = ZfVB 1988/1233 = ZfVB 1988/1265 = ZfVB 1988/1317. Zu diesem Erkenntnis s auch Geuder, Baurecht und Civil Rights, ÖJZ 1990, 265 ff und Morawa/Schreuer, The Role of Domestic Courts in the Enforcement of International Human Rights – A View from Austria, in Conforti/Francioni (Hrsg), Enforcing International Human Rights in Domestic Courts (1997) 175 (178). Diesen Interpretationsansatz des EGMR sieht Ress durch die Ratifikation des 11. ZPMRK (in Österreich durch BGBl III 1998/30) von den Vertragsstaaten akzeptiert: Ress in Holoubek/Gutknecht/Schwarzer/Martin (Hrsg), Dimensionen des modernen Verfassungsstaates. Symposium zum 60. Geburtstag von Karl Korinek (2002) 134; krit dazu Oberndorfer in Holoubek/Gutknecht/Schwarzer/Martin (Hrsg), Dimensionen des modernen Verfassungsstaates. Symposium zum 60. Geburtstag von Karl Korinek (2002) 171, der in einem solchen Fall – anknüpfend an das vorhin zitierte Erkenntnis des VfGH vom 14. Oktober 1987 – von einer möglicherweise verfassungswidrigen innerstaatlichen Ratifikation des 11. ZPMRK spricht.
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hen könne. Ress zufolge bewege sich die evolutive Auslegung und vor allem die Rechtsfortbildung in einer Balance zwischen Rechtsprechung und Rechtsetzung, bei der auch die Besonderheit des Schutzgegenstandes und die damit involvierten staatlichen Interessen an einer bestimmten Regelung mit der Entwicklung des Schutzstandards abgewogen werden müssten; andererseits könne selbst die Existenz einer Verfassungsbestimmung eine Verletzung der Konvention nicht ausschließen.742 Grabenwarter präzisiert klarstellend, dass mit der Bezeichnung des Interpretationsvorganges als „dynamisch“ oder „evolutiv“ nicht der Rahmen der Interpretation verlassen werde, wenngleich in der Rechtsprechung mitunter die Grenzen von gerichtlichen Befugnissen erreicht werden würden.743 Als Interpretationsmaxime weniger umstritten ist die letzte von Schilling, als für den EGMR charakteristisch, angeführte Auslegungsmethode, die Konvention als Ganzes zu sehen und dementsprechend auch als Ganzes auszulegen.744 Der EGMR betont dabei, dass die MRK ein integriertes System zum Schutz der Menschenwürde darstellt, womit in diesem Zusammenhang Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eine wesentliche Rolle spielen.745 Schilling zufolge werden mit diesem Interpretationsansatz die Werte der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit zu Schranken der Ausübung der Menschenrechte. Für Handlungen, die auf die Abschaffung dieser Werte zielen, könne daher der Schutz der MRK nicht in Anspruch genommen werden.746 Neben diesen spezifischen Auslegungsmaximen fühlt sich der Gerichtshof weiters an die in Art 31 bis 33 WVK niedergelegten Auslegungsgrundsätze für internationale Vertragswerke gebunden.747 Vor allem betont der Gerichtshof 742
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Ress in Holoubek/Gutknecht/Schwarzer/Martin (Hrsg), Dimensionen des modernen Verfassungsstaates. Symposium zum 60. Geburtstag von Karl Korinek (2002) 147 f. Den evolutiv-dynamischen Ansatz prinzipiell verteidigend auch Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 (2008) § 5 Rz 12: „Allerdings erscheint es durchaus vertretbar, wenn der EGMR aus der Konvention, insbesondere aus der Präambel, ein Gebot einer vergleichsweise stärker teleologischen Interpretation bis hin zur Ermächtigung zur Rechtsfortbildung ableitet“. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 (2008) § 5 Rz 13. Die Formulierung, die dabei vom EGMR gebraucht wird, lautet: „the Convention must be read as a whole“; vgl dazu EGMR 18.12.1986, 9697/82, Johnston ua/Irland, Serie A 112 = EuGRZ 1987, 313; EGMR 13.2.2003, 41340/98, 41342/98, 41343/98, 41344/98, Refah Partisi ua/Türkei, RJD 2003-II = EuGRZ 2003, 206. EGMR 13.2.2003, 41340/98, 41342/98, 41343/98, 41344/98, Refah Partisi ua/Türkei, RJD 2003-II = EuGRZ 2003, 206. Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz. Universelles und europäisches Recht (2004) Rz 38. EGMR 21.2.1975, 4451/70, Golder/Vereinigtes Königreich, Serie A 18 = EuGRZ 1975, 91; EGMR 28.11.1978, 6210/73, 6877/75, 7132/75, Luedicke, Belkacem und Koç/ Deutschland, Serie A 29 = EuGRZ 1979, 34 = NJW 1979, 1091; EGMR 6.2.2003, 46827/99, 46951/99, Mamatkulov und Abdurasulovic/Türkei, EuGRZ 2003, 704; Ress in Holoubek/Gutknecht/Schwarzer/Martin (Hrsg), Dimensionen des modernen Verfassungsstaates. Symposium zum 60. Geburtstag von Karl Korinek (2002) 145; Matscher in Schwind (Hrsg), Aktuelle Fragen zum Europarecht aus der Sicht in- und ausländischer
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in seiner Judikatur den in Art 31 Abs 3 lit b WVK verankerten Interpretationsgrundsatz, wonach bei der Auslegung internationaler Übereinkommen jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht, zu berücksichtigen ist.748 Insbesondere können dabei spätere Verträge, soweit sie zwischen denselben Parteien geschlossen wurden, Ausdruck einer „nachfolgenden Praxis“ iSd Art 31 Abs 3 lit b WVK sein.749 Dieser Rückgriff auf andere völkerrechtliche Verträge geschieht deshalb, um ein bestimmtes Auslegungsergebnis als von dem Willen der Staaten getragen zu rechtfertigen.750
4.3.2. 4.3.2.1.
Das Case-law der Straßburger Instanzen (EKMR und EGMR) zur positiven Koalitionsfreiheit Die positive Koalitionsfreiheit im Allgemeinen
Verschiedentlich hatten sich die Straßburger Instanzen in ihrer Judikatur751 mit der Frage zu beschäftigen, welchen Schutzumfang Art 11 Abs 1 MRK in Bezug auf die positive Koalitionsfreiheit etabliert. Dabei stellte die EKMR bereits relativ früh klar, dass neben den in Art 11 Abs 1 MRK explizit angesprochen Rechten, nämlich das Recht zur Gründung von und das Recht des Beitrittes zu Gewerkschaften, diese Bestimmung auch zusätzliche inhaltliche Verbürgungen enthält.752 Schwieriger ist allerdings die Frage zu beantworten, welche zusätzlichen Garantien noch von Art 11 Abs 1 MRK verbürgt werden oder anders gewendet: Welche weiteren, über den reinen Wortlaut dieser Garantie hinausgehenden Rechte (der Gewerkschaft und der einzelnen Gewerkschaftsmitglieder) sieht der EGMR753 von Art 11 Abs 1 MRK als geschützt an?
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Gelehrter (1986) 105. Näher zu den Auslegungsbestimmungen der WVK s Zemanek in Neuhold/Hummer/Schreuer (Hrsg), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts I4 (2004) Rz 326 ff. EGMR 23.3.1995, 15318/89, Loizidou/Türkei, Serie A 310 = ÖJZ-MRK 1995/38, 629; EGMR 23.9.1994, 15890, Jersild/Dänemark, Serie A 298 = ÖJZ-MRK 1995/18, 227. Matscher in Schwind (Hrsg), Aktuelle Fragen zum Europarecht aus der Sicht in- und ausländischer Gelehrter (1986) 115; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 (2008) § 5 Rz 8. Ress in Holoubek/Gutknecht/Schwarzer/Martin (Hrsg), Dimensionen des modernen Verfassungsstaates. Symposium zum 60. Geburtstag von Karl Korinek (2002) 147. Zur positiven Koalitionsfreiheit in der Rechtsprechung des EGMR s Mair, ZIAS 20 (2006) 160 ff. EKMR 1.2.1971, 4125/69, X./Irland, Yb 14, 198: „(…) however, the text of Article 11 indicates that freedom of association includes, in relation to trade unions, other elements than the right to ,form’ and to ,join’ a trade union”; hier zur näheren Bestimmung der positiven Koalitionsfreiheit Verweis auf das ILO-Übereinkommen Nr 87 und Bejahung der Freiheit der Gewerkschaftsmitglieder, ihre Gewerkschaft autonom zu organisieren und durch frei gewählte Delegierte vertreten zu lassen. Eine Konzentration auf den EGMR kann deshalb erfolgen, da seit dem In-Kraft-Treten des 11. ZPMRK am 1. November 1998 der EGMR die alleinige rechtsprechende Instanz im Rechtsschutzsystem der MRK ist.
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Eine oben gestellte Ausgangsfrage näher konkretisierende Aussage der Rechtsprechungsorgane, die sich gleichsam wie ein roter Faden durch die einschlägige Judikatur zieht, ist jene, dass im Rahmen des Art 11 Abs 1 MRK die Gewerkschaft und die einzelnen Mitglieder der Gewerkschaft das Recht haben müssen, gehört zu werden (should be heard).754 Diese Formulierung findet sich bereits in der ersten Entscheidung755 des EGMR zur positiven Koalitionsfreiheit und wird seither als feststehender Rechtssatz in den daran anschließenden Judikaten fortgeschrieben.756 Im Fall der Nationalen belgischen Polizeigewerkschaft hatte sich der EGMR mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Art 11 Abs 1 MRK einer (als nicht als repräsentativ erachteten) Gewerkschaft das Recht garantiert, vom Staat im Zusammenhang mit einer gesetzlich vorgegebenen Verpflichtung des Staates, vor der Erlassung von Einstellungs- und Beschäftigungsbedingungen diejenige gewerkschaftliche Vereinigung der Kommunal- und Provinzialbeamten zu konsultieren, die diesen Personenkreis am besten repräsentieren kann, konsultiert zu werden. Der EGMR verneinte einen derartigen aus Art 11 Abs 1 MRK ableitbaren Anspruch. Zur Begründung seines Standpunktes prägte der EGMR eine Formulierung, die in der weiteren Judikaturentwicklung zum immer wieder verwendeten Argumentationsmuster in jenen Fällen werden sollte, in denen sich der EGMR mit der Frage nach dem konkreten inhaltlichen Schutzbereich der durch Art 11 Abs 1 MRK garantierten positiven Koalitionsfreiheit konfrontiert sah. Der EGMR führte dabei aus, dass die in Art 11 Abs 1 MRK enthaltene Wendung „zum Schutz ihrer Interessen“ nicht als überflüssig zu qualifizieren sei. Anknüpfend daran entnahm der EGMR dieser Formulierung, dass „die Konvention die Freiheit der Mitglieder einer jeden Gewerkschaft schützt, durch kollektive Maßnahmen dieser Gewerkschaft ihre beruflichen Interessen zu verteidigen; die Vertragsstaaten sind gehalten, derartige Maßnahmen sowohl zu erlauben als auch deren Durchführung und Weiterentwicklung tatsächlich zu ermöglichen. Nach Ansicht des Gerichtshofs folgt daraus, daß die Mitglieder einer Gewerkschaft zum Schutz ihrer Interessen ein Recht darauf haben, daß die Gewerkschaft auch angehört wird. Artikel 11 Absatz 1 überläßt ohne Zweifel einem jeden Staat die Auswahl der zur Erreichung dieses Ziels einzusetzenden Mittel; eines dieser Mittel ist die Anhörung, doch gibt es auch andere. Was die 754
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EGMR 6.2.1976, 5614/72, Schwedischer Lokomotivführerverband/Schweden, Serie A 20 = EuGRZ 1976, 62; EKMR 8.5.1978, 7361/76, Trade Union X./Belgien, DR 14, 40; EKMR 14.7.1983, 9792/82, A. Union/Deutschland, DR 34, 173; EKMR 5.7.1984, 10365/83, S./Deutschland, DR 39, 237; EGMR 9.11.2000, 29529/95, Schettini ua/Italien; EGMR 2.7.2002, 30668/96, 30671/96, 30678/96, Wilson ua/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-V = ÖJZ-MRK 2003/32, 729 = ArbuR 2003, 77 = ecolex 2003, 139; vgl dazu weiters Marauhn in Ehlers (Hrsg), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten2 (2005) § 4 Rz 86; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention – Handkommentar2 (2006) Art 11 Rz 16 und Rebhahn, DRdA 2004, 407. EGMR 27.10.1975, 4464/70, Nationale belgische Polizeigewerkschaft/Belgien, Serie A 19 = EuGRZ 1975, 562. Vgl dazu die in FN 754 angeführten Entscheidungen.
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Konvention verlangt ist lediglich, daß die nationale Gesetzgebung den Gewerkschaften die Möglichkeit bietet, mit nicht gegen Artikel 11 verstoßenden Mitteln für den Schutz der Interessen ihrer Mitglieder zu kämpfen“.757 Präzisierend hielt der Gerichtshof weiters fest, dass Art 11 Abs 1 MRK aber weder den Gewerkschaften noch deren Mitgliedern einen Anspruch auf eine besondere Behandlung seitens des Staates garantiere.758 Aufbauend an diese den Schutzinhalt von Art 11 Abs 1 MRK näher konkretisierenden Ausführungen vermeiden es die Straßburger Instanzen in ihrer Judikatur aber weitgehend, Aussagen darüber zu treffen, welche konkreten Rechte neben dem ohnehin durch den Wortlaut des Art 11 Abs 1 MRK garantierten Gründungs- und Beitrittsrecht aus der positiven Koalitionsfreiheit abzuleiten sind. Vielmehr ergibt die Analyse der einschlägigen Rechtsprechung das genaue Gegenteil, indem die Straßburger Instanzen sich in ihren Judikaten nicht zu (weitergehenden) konkreten Rechten äußeren, sondern sich (in den meisten Fällen) lediglich darauf beschränken, festzuhalten, welches vom jeweiligen Bf geltend gemachte Recht in einem konkreten Fall von Art 11 Abs 1 MRK gerade nicht geschützt ist. So sehen EKMR und EGMR von Art 11 Abs 1 MRK als nicht erfasst an: Das Recht einer Gewerkschaft auf Abschluss eines bestimmten Tarifvertrags,759 ein Recht auf Teilnahme am Prozess des „collective bargaining“,760 ein Recht einer Gewerkschaft und ihrer Mitglieder
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EGMR 27.10.1975, 4464/70, Nationale belgische Polizeigewerkschaft/Belgien, Serie A 19 = EuGRZ 1975, 562. Fortgeschrieben werden diese Ausführungen in: EGMR 6.2.1976, 5614/72, Schwedischer Lokomotivführerverband/Schweden, Serie A 20 = EuGRZ 1976, 62; EKMR 8.5.1978, 7361/76, Trade Union X./Belgien, DR 14, 40; EKMR 14.7.1983, 9792/82, A. Union/Deutschland, DR 34, 173; EGMR 25.4.1996, 15573/89, Gustafsson/Schweden, RJD 1996-II = ÖJZ-MRK 1996/32, 896 = ArbuR 1997, 408 (Lörcher) = ecolex 1996, 718; EGMR 9.11.2000, 29529/95, Schettini ua/Italien; EGMR 2.7.2002, 30668/96, 30671/96, 30678/96, Wilson ua/Vereinigtes Königreich, RJD 2002V = ÖJZ-MRK 2003/32, 729 = ArbuR 2003, 77 = ecolex 2003, 139. EGMR 27.10.1975, 4464/70, Nationale belgische Polizeigewerkschaft/Belgien, Serie A 19 = EuGRZ 1975, 562; s dazu auch die Folgeentscheidungen: EGMR 6.2.1976, 5614/72, Schwedischer Lokomotivführerverband/Schweden, Serie A 20 = EuGRZ 1976, 62; EGMR 6.2.1976, 5589/72, Schmidt und Dahlström/Schweden, Serie A 21 = EuGRZ 1976, 68; EGMR 25.4.1996, 15573/89, Gustafsson/Schweden, RJD 1996-II = ÖJZ-MRK 1996/32, 896 = ArbuR 1997, 408 (Lörcher) = ecolex 1996, 718; EGMR 9.11.2000, 29529/95, Schettini ua/Italien; EGMR 27.6.2002, 38190/97, Oljearbeidernes Fellessammenslutning/Norwegen, RJD 2002-VI; EGMR 2.7.2002, 30668/96, 30671/96, 30678/96, Wilson ua/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-V = ÖJZ-MRK 2003/32, 729 = ArbuR 2003, 77 = ecolex 2003, 139. EGMR 6.2.1976, 5614/72, Schwedischer Lokomotivführerverband/Schweden, Serie A 20 = EuGRZ 1976, 62; ebenso EKMR 14.7.1983, 9792/82, A. Union/Deutschland, DR 34, 173; vgl auch EGMR 25.4.1996, 15573/89, Gustafsson/Schweden, RJD 1996-II = ÖJZ-MRK 1996/32, 896 = ArbuR 1997, 408 (Lörcher) = ecolex 1996, 718. EKMR 8.5.1978, 7361/76, Trade Union X./Belgien, DR 14, 40: „(…) Article 11 (1) does not guarantee a trade union a specific right to take part in collective bargaining“. Vgl auch EGMR 6.11.2003, 48047/99, Popov ua, Vakarelova, Markov und Bankov/Bul-
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auf aktive Unterstützung durch den Staat,761 eine Pflicht des AG eine bestimmte Gewerkschaft anzuerkennen762 oder in Kollektivvertragsverhandlungen einzutreten,763 ein Recht nicht von einem Tarifvertrag erfasst zu werden,764 ein Recht einer Gewerkschaft vom Staat konsultiert zu werden765 oder ein Recht des Einzelnen, einer Gewerkschaft seiner Wahl ohne Erfüllung der verbandsautonom getroffenen Beitrittsvoraussetzungen beitreten zu können.766 Die Standardbegründung, die von den Straßburger Instanzen in allen derartigen Fällen gegeben wird, lautet dabei, dass ein derartiges, in Rede stehende Recht zwar ein wichtiges Mittel sei, durch welches der Staat die von Art 11 Abs 1 MRK verbürgte Freiheit einer Gewerkschaft, die beruflichen Interessen ihrer Mitglieder zu schützen, gewährleisten könne; dessen ungeachtet gebe es aber immer noch andere Mittel, mit denen der Staat seiner durch Art 11 Abs 1 MRK auferlegten Verpflichtung nachkommen könne.767 Zudem zieht der EGMR zur argumentativen Begründung seiner ablehnenden Haltung gegenüber einer Ableitung weiterer, konkreterer Betätigungsrechte aus Art 11 Abs 1 MRK den Wortlaut dieser Bestimmung sowie den Grundsatz der Effektivität heran, indem der EGMR sich darauf stützt, dass ein derartiges, vom Bf geltend gemachte Recht weder in Art 11 Abs 1 MRK enthalten noch dass es für die effektive Ausübung der Gewerkschaftsfreiheit unerlässlich sei. Zusätzlich wird vom Gerichtshof zur Untermauerung seiner ablehnenden Position auf die Praxis der Vertragsstaaten rekurriert und aus der fehlenden Verankerung des fraglichen Rechts in der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis aller Ver-
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garien; EGMR 2.7.2002, 30668/96, 30671/96, 30678/96, Wilson ua/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-V = ÖJZ-MRK 2003/32, 729 = ArbuR 2003, 77 = ecolex 2003, 139. EKMR 11.5.1981, 7990/77, X./Vereinigtes Königreich, DR 24, 57: „It [Art 11 MRK] only requires that trade unions should be able to pursue their tasks including in particular the protection of the interests of their members without interference by State authorities, but it does not require that these authorities actively support a union or an individual union member in a particular case“. EGMR 2.7.2002, 30668/96, 30671/96, 30678/96, Wilson ua/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-V = ÖJZ-MRK 2003/32, 729 = ArbuR 2003, 77 = ecolex 2003, 139. EGMR 10.1.2002, 53574/99, Unison/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-I = ÖJZ-MRK 2003/14, 276 = ARD 5407/3/2003. EGMR 25.4.1996, 15573/89, Gustafsson/Schweden, RJD 1996-II = ÖJZ-MRK 1996/32, 896 = ArbuR 1997, 408 (Lörcher) = ecolex 1996, 718, bestätigt durch EGMR 30.7.1998, 15573/89, Gustafsson/Schweden II, RJD 1998-V = ArbuR 1998, 494 (Lörcher). EGMR 27.10.1975, 4464/70, Nationale belgische Polizeigewerkschaft/Belgien, Serie A 19 = EuGRZ 1975, 562. EKMR 13.5.1985, 10550/83, Cheall/Vereinigtes Königreich, DR 42, 178. So zuletzt der EGMR in seiner Entscheidung vom 10.1.2002, 53574/99, Unison/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-I = ÖJZ-MRK 2003/14, 276 = ARD 5407/3/2003; vgl dazu auch die vorherigen (inhaltsgleichen) Aussagen in: EGMR 9.11.2000, 29529/95, Schettini ua/Italien; EGMR 6.2.1976, 5589/72, Schmidt und Dahlström/Schweden, Serie A 21 = EuGRZ 1976, 68; EGMR 6.2.1976, 5614/72, Schwedischer Lokomotivführerverband/Schweden, Serie A 20 = EuGRZ 1976, 62.
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tragsstaaten auf die Nichtableitbarkeit dieses Rechts aus Art 11 Abs 1 MRK geschlossen.768 Angesichts der Fülle an abgelehnten Rechtsgewährleistungen stellt sich natürlich umso drängender die Frage, welche Garantien, außerhalb den vorhin referierten,769 im Allgemeinen verbleibenden Aussagen des EGMR, der Gerichtshof im Rahmen der positiven Koalitionsfreiheit des Art 11 Abs 1 MRK überhaupt verankert sieht. Am deutlichsten zu dieser Frage äußert sich der EGMR in der jüngst ergangenen Entscheidung Wilson. Der Gerichtshof war dabei mit einem Sachverhalt konfrontiert, welcher das Problem der vom Staat ermöglichten Zulässigkeit des „Abkaufens gewerkschaftlicher Rechte“ durch einen AG aufwarf. Denn die AG der Bf boten den einzelnen Bf Arbeitsverträge an, einschließlich einer Lohnerhöhung, letztere allerdings nur unter der Bedingung des Verzichtes auf alle Rechte gewerkschaftlicher Anerkennung770 und Vertretung. Da sich aber die Bf weigerten, diese Verträge zu unterzeichnen, blieben als Folge davon ihre Gehälter auf einem niedrigeren Niveau als diejenigen Gehälter von solchen AN, die die angebotenen Arbeitsverträge unter Verzicht auf ihre gewerkschaftlichen Rechte akzeptiert hatten. Die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes durch den EGMR führt gleichzeitig über zur Kernfrage vorliegender Ausführungen, nämlich der Frage nach der Garantie eines Streikrechts durch Art 11 Abs 1 MRK. Denn der Gerichtshof hält in seiner Entscheidungsbegründung fest, dass die Gewährleistung des Streikrechts eines der wichtigsten Mittel darstelle, durch welches der Staat die Freiheit einer Gewerkschaft beim Schutz der beruflichen Interessen ihrer Mitglieder gewährleisten könne. Das Wesen eines freiwilligen Systems kollektiver Vereinbarungen – so der EGMR – bestehe darin, dass „es für eine Gewerkschaft, die von einem Arbeitgeber nicht anerkannt wird, möglich sein muss, Schritte zu ergreifen, erforderlichenfalls einschließlich der Organisation von Arbeitskampfmaßnahmen, zu dem Zweck, den Arbeitgeber geneigt zu machen, in kollektivvertragliche Vereinbarungen mit ihr, betreffend diejenigen Fragen, welche die Gewerkschaft für die Interessen ihrer Mitglieder für wichtig hält, einzutreten. Weiters gehört es zum Wesen des Rechts von Arbeitnehmern, einer Gewerkschaft zum Schutz ihrer Interessen beizutreten, dass sie frei sind, die Gewerkschaft zu beauftragen oder ihr zu gestatten bei ihrem Arbeitgeber vorstellig zu werden oder in ihrem Namen zur Unterstützung ih768
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EGMR 21.6.2001, 57442/00, Sanchez Navajas/Spanien, RJD 2001-VI; EGMR 6.2.1976, 5589/72, Schmidt und Dahlström/Schweden, Serie A 21 = EuGRZ 1976, 68; EGMR 6.2.1976, 5614/72, Schwedischer Lokomotivführerverband/Schweden, Serie A 20 = EuGRZ 1976, 62; EGMR 27.10.1975, 4464/70, Nationale belgische Polizeigewerkschaft/Belgien, Serie A 19 = EuGRZ 1975, 562. S dazu Seite 144 f. Zu den für das englische kollektive Arbeitsrecht charakteristischen spezifischen Hintergrund der Anerkennung einer Gewerkschaft durch den AG s etwa Harth/Taggart, Arbeitsrecht in Großbritannien, in Henssler/Braun (Hrsg), Arbeitsrecht in Europa2 (2007) 551 ff und Deinert, Kollektive Regelungsinstrumente des englischen Arbeitsrechts im europäischen Vergleich, ZfA 1999, 361 (380 f).
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rer Interessen Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen. Wenn Arbeiter daran gehindert sind, dies zu tun, wird ihre Freiheit, einer Gewerkschaft zum Schutz ihrer Interessen anzugehören, illusorisch. Es kommt dem Staat zu, zu gewährleisten, dass Gewerkschaftsmitglieder keine Hindernisse oder Beschränkungen dabei erfahren, ihre Gewerkschaft zu benützen, sie bei den Versuchen, ihre Beziehungen mit ihren Arbeitgebern zu regeln, zu vertreten“.771 Inwieweit sind jetzt diese die Wilson–Entscheidung tragenden Grundsätze einer Verallgemeinerung in dem Sinne einer Garantie des Streikrechts durch Art 11 Abs 1 MRK zugänglich? Zachert bewertet die Wilson-Entscheidung dahingehend, dass damit der EGMR dem Streikrecht als Bestandteil der Koalitionsfreiheit einen hohen Stellenwert einräume und das Gericht das Streikrecht zur Durchsetzung von Tarifverträgen grundsätzlich für essentiell halte.772 Zurückhaltender positioniert sich Rebhahn. Rebhahn bemängelt an den bislang ergangenen einschlägigen Entscheidungen, dass diese keine klare Aussage dahingehend treffen, ob Art 11 Abs 1 MRK auch dann die Zulässigkeit des Streiks fordere, wenn andere wesentliche Mittel zur Interessenverfolgung zur Verfügung stünden; aus der Judikatur könne man Rebhahn zufolge nur ableiten, dass Art 11 Abs 1 MRK die Zulassung des Streiks erfordere, falls keine anderen ausreichenden Mittel zur Interessenverfolgung vorgesehen seien.773 Rebhahn spricht aber mit seiner Bewertung gleichzeitig den mE entscheidenden Ansatzpunkt für die Antwort auf die vorliegende Frage nach einem durch Art 11 Abs 1 MRK geschützten Streikrecht an: Wann stehen einer Gewerkschaft überhaupt ausreichende Mittel zur Interessenverfolgung zur Verfügung? Die Antwort auf diese Frage muss mE an der Bestimmung des zentralen Schutzgutes der positiven Koalitionsfreiheit ansetzen. Zentrales Schutzgut der positiven Koalitionsfreiheit in der Sichtweise des EGMR ist mE das Recht der Gewerkschaftsmitglieder, dass ihre Gewerkschaft gehört wird.774 Dieser 771
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EGMR 2.7.2002, 30668/96, 30671/96, 30678/96, Wilson ua/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-V = ÖJZ-MRK 2003/32, 729 = ArbuR 2003, 77 = ecolex 2003, 139. Zachert, Höheres Entgelt nur bei Gewerkschaftsaustritt oder Verzicht auf wichtige Gewerkschaftsrechte? ArbuR 2003, 370 (373 f). Rebhahn, DRdA 2004, 407; vgl auch dens in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 246. Vgl dazu auch Frowein in Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2 (1996) Art 11 Rz 11; Tomuschat, Freedom of Association, in Macdonald/Matscher/ Petzold (Hrsg), The European System for the Protection of Human Rights (1993) 493 (501); Kitz, Die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer nach der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europäischen Sozialcharta, in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1073 (1098); EGMR 2.7.2002, 30668/96, 30671/96, 30678/96, Wilson ua/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-V = ÖJZ-MRK 2003/32, 729 = ArbuR 2003, 77 = ecolex 2003, 139, indem der EGMR darin das Recht gehört zu werden als eindeutigen Bezugspunkt für die den Staat durch Art 11 Abs 1 MRK treffenden Verpflichtungen definiert (Z 42 aE); EKMR 14.7.1983, 9792/82, A. Union/Deutschland, DR 34, 173, worin die Kommission ausführt: „The court has found that Article 11, paragraph 1 guarantees the members of a trade union a right, in order to protect their interests, that
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Befund ergibt sich aus der gesamten Judikatur des EGMR zur Gewerkschaftsfreiheit. Denn alle darüber hinaus gehenden inhaltlichen Ableitungen, die der EGMR in seinen Entscheidungen trifft, knüpfen argumentativ an bzw kulminieren in der Freiheit einer Gewerkschaft sich Gehör zu verschaffen.775 Wie kann jetzt nach Meinung des EGMR eine Gewerkschaft dieses Recht in die Tat umsetzen? Diverse (gewerkschaftstypische) Möglichkeiten und Mittel wurden von den Straßburger Instanzen – wie vorhin ausgeführt776 – aber bereits als nicht für die wirksame Ausübung dieser Freiheit essentiell eingestuft. Der EGMR geht aber davon aus, dass ein Konventionsstaat den Vorgaben des Art 11 Abs 1 MRK dann entspricht, wenn die Gewerkschaft im innerstaatlichen Bereich über die Möglichkeit verfügt, Forderungen zu erheben, bei der Regierung vorstellig zu werden, für einzelne Mitglieder einzutreten oder Verhandlungen zu führen.777
4.3.2.2.
Im Speziellen: Zur Frage eines Streikrechts
Bereits in der Entscheidung Schmidt und Dahlström werden die Vorbehalte des EGMR gegenüber einer Verbürgung des Streikrechts durch Art 11 Abs 1 MRK deutlich erkennbar. Zu entscheiden war dabei, ob der nach Durchführung eines Arbeitskampfes in einem Tarifvertrag vorgenommene Ausschluss derjenigen AN von einer tarifvertraglichen Entgelterhöhung, die Mitglieder einer streikführenden Gewerkschaft waren oder sich auf sonstige Weise am Streik beteiligt hatten, eine Verletzung von Art 11 Abs 1 MRK begründet. Die Bf beriefen sich darauf, dass durch die inkriminierte tarifvertragliche Anordnung das Ziel verfolgt werde, sie in Zukunft von der Ausübung ihres Streikrechts abzuhalten; dieses „Organisationsrecht“ sei aber ihrer Ansicht nach von Art 11 Abs 1 MRK geschützt. Der Gerichtshof verneinte eine Verletzung von
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the trade union should be heard but leaves each State a free choice of the means to be used towards this end“. So in den in FN 757 angeführten Entscheidungen. Vgl dazu Seite 145 f. EGMR 6.2.1976, 5614/72, Schwedischer Lokomotivführerverband/Schweden, Serie A 20 = EuGRZ 1976, 62; EGMR 27.10.1975, 4464/70, Nationale belgische Polizeigewerkschaft/Belgien, Serie A 19 = EuGRZ 1975, 562; vgl auch EKMR 14.7.1983, 9792/82, A. Union/Deutschland, DR 34, 173. In diese Richtung geht auch Frowein in Frowein/ Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2 (1996) Art 11 Rz 11, bei seiner Deutung des Rechts einer Gewerkschaft gehört zu werden: „Offenbar meint der GH nur, daß die Gewerkschaft die Möglichkeit haben müsse, in der Öffentlichkeit zu wirken, und ihr Recht insoweit nicht eingeschränkt werden dürfe“. Wie Frowein auch Runggaldier, Grenzen der Kollektivvertragsautonomie bei der Regelung des Entgelts (1995) 6. Vgl dazu weiters auch Deinert, Der europäische Kollektivvertrag (1999) 275 und Henssler, Tarifautonomie und Gesetzgebung, ZfA 1998, 1 (29), der es im Rahmen von Art 11 Abs 1 MRK als ausreichend ansieht, wenn dem Verband gestattet werde, Tarifverhandlungen zu führen und auf den Abschluss eines Tarifvertrages hinzuwirken. Ähnlich auch Seidel, Handbuch der Grund- und Menschenrechte auf staatlicher, europäischer und universeller Ebene (1996) 129.
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Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit
Art 11 Abs 1 MRK unter Anknüpfung an die seit der Entscheidung Nationale belgische Polizeigewerkschaft verwendete Spruchformel, wonach die Konvention die Freiheit der Mitglieder einer Gewerkschaft schütze, durch kollektive Maßnahmen dieser Gewerkschaft ihre beruflichen Interessen zu verteidigen, wobei die Mitgliedstaaten gehalten seien, derartige Maßnahmen sowohl zu erlauben als auch deren Durchführung und Weiterentwicklung tatsächlich zu ermöglichen. Art 11 Abs 1 MRK – so der Gerichtshof – überlasse aber jedem Staat die Auswahl der zur Erreichung dieses Ziels einzusetzenden Mittel. Die Anerkennung des Streikrechts778 stelle ohne Zweifel eines der wichtigsten unter diesen Mitteln dar, doch gebe es auch andere Mittel. Zudem könne nach Ansicht des Gerichtshofes die Ausübung eines derartigen Rechts, welches in Art 11 Abs 1 MRK nicht ausdrücklich enthalten sei, durch innerstaatliche Regelungen in einzelnen Bereichen eingeschränkt werden.779 Überdeutlich wird der EGMR dann in der jüngst ergangenen Entscheidung Unison. Darin lehnt es der EGMR ausdrücklich ab, Art 11 Abs 1 MRK in Verbindung mit der Gewährleistung eines Streikrechts zu bringen.780 Dabei begründet der EGMR seine ablehnende Haltung nicht etwa damit, dass im gegenständlichen Fall ein besonders sensibler Betrieb781 von der Arbeitsniederlegung betroffen gewesen wäre, sondern der Gerichtshof knüpft an seine gefestigte, vorhin dargestellte Judikatur an, die er zur argumentativen Fundierung seiner Ablehnung eines aus Art 11 MRK abgeleiteten Streikrechts nutzbar macht. Sofern der Gerichtshof in seinen Entscheidungen Bezug auf ein mögliches Streikrecht nimmt, macht der EGMR damit lediglich darauf aufmerksam, dass ein vom Staat gewährtes Kampfrecht ein wichtiges Mittel darstelle, seine aus Art 11 Abs 1 MRK resultierende Verpflichtung, nämlich der Gewerkschaft die Möglichkeit einzuräumen, gehört zu werden, zu erfüllen. Stets betont der 778
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Die schwedische Verfassung garantiert nämlich sowohl der Arbeitgeber- als auch der Arbeitnehmerseite das Recht auf Ergreifung von Arbeitskampfmaßnahmen. Näher dazu Nordlöf/Farhat, Arbeitsrecht in Schweden, in Henssler/Braun (Hrsg), Arbeitsrecht in Europa2 (2007) 1265 ff. EGMR 6.2.1976, 5589/72, Schmidt und Dahlström/Schweden, Serie A 21 = EuGRZ 1976, 68. EGMR 10.1.2002, 53574/99, Unison/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-I = ÖJZ-MRK 2003/14, 276 = ARD 5407/3/2003: „Es gibt keinen ausdrücklichen Einschluss eines Rechts auf Streik oder einer Verpflichtung für Arbeitgeber, in Kollektivvertragsverhandlungen einzutreten“. Diese Aussage wiederholt der EGMR in seiner Entscheidung vom 27.6.2002, 38190/97, Oljearbeidernes Fellessammenslutning/Norwegen, RJD 2002-VI. Vgl dazu auch Rebhahn, Überlegungen zur Bedeutung der Charta der Grundrechte der EU für den Streik und für die Kollektive Rechtsgestaltung, in Söllner/Gitter/Waltermann/Giesen/Ricken (Hrsg), Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze (2005) 649 (650), worin Rebhahn unter Bezugnahme auf die Entscheidungen Wilson und Gustafsson resümiert, dass es der EGMR deutlich vermieden habe zu sagen, dass Art 11 Abs 1 MRK die Einräumung eines Rechts zu streiken verlange. Vgl weiters Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004) Rz 1006. Konkret war eine Arbeitsniederlegung in einem Krankenhaus geplant gewesen, mittels einstweiliger Verfügung aber untersagt worden.
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EGMR aber dabei immer, dass es zur Umsetzung dieser Verpflichtung auch andere Mittel gebe.782 Diese Position des Gerichtshofes lässt sich auch schlüssig mit dem vorhin elaborierten zentralen Schutzgut von Art 11 Abs 1 MRK in Einklang bringen. Die kampfweise Arbeitseinstellung dient dazu, Forderungen und Standpunkte der AN zu artikulieren. Ein Streik ist aber iSd Judikatur der Straßburger Instanzen nicht die einzige Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, sondern eben nur eine von mehreren möglichen.783 Dass ein Streik das effektivste Mittel für die Gewerkschaft darstellt, sich Gehör zu verschaffen und ihre Forderungen durchzusetzen, anerkennt auch der EGMR.784 Soweit Gitter sich auf den Grundsatz der Effektivität beruft und meint, dass das durch Art 11 Abs 1 MRK gewährleistete Gründungs- und Beitrittsrecht noch keine die Position des AN tatsächlich verbessernde Regelung schaffen würde, zur Koalitionsfreiheit vielmehr die durch die Möglichkeit zum Zusammenschluss geschaffene Möglichkeit zum kollektiven Aushandeln von Arbeitsbedingungen gehöre, die aber nur dann effektiv sei, wenn im Falle des Scheiterns dieser Verhandlungen ein Druckmittel in Gestalt eines durch Art 11 Abs 1 MRK geschützten Kampfrechts zur Verfügung stünde,785 ist Gitter entgegenzuhalten, dass das Recht gehört zu werden – so wie es vom EGMR verstanden wird –, mE aber nicht das Recht umfasst, auch (erfolgreich)786 durch den Ein-
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Beispielhaft dafür EGMR 6.2.1976, 5589/72, Schmidt und Dahlström/Schweden, Serie A 21 = EuGRZ 1976, 68. In dieser Entscheidung bezeichnet der EGMR zwar die Anerkennung des Streikrechts als eines der Mittel, durch welches der Staat die Freiheit der Gewerkschaft, die beruflichen Interessen der Gewerkschaftsmitglieder durch kollektive Maßnahmen zu verteidigen, sichern kann. Gleichzeitig sieht der Gerichtshof aber auch in der Möglichkeit zu Tarifverhandlungen und in dem Abschluss von Tarifverträgen gleichwertige Mittel. Ebenso EGMR 27.6.2002, 38190/97, Oljearbeidernes Fellessammenslutning/Norwegen, RJD 2002-VI. Vgl dazu auch Däubler in Däubler/Kittner/Lörcher, Internationale Arbeits- und Sozialordnung2 (1994) 542, der die einschlägige Rechtsprechung des EGMR dahingehend zusammenfasst, dass zum Recht der Gewerkschaft, für ihre Mitglieder zu kämpfen, auch Tarifautonomie und Streikrecht gehöre, doch könnten diese ohne Konventionsverstoß für bestimmte Gruppen von Beschäftigten durch andere Mittel der Interessenvertretung ersetzt werden. Vgl weiters Novitz, Negative Freedom of Association, Industrial Law Journal 1997, 79 (87), die die einschlägige Judikatur des EGMR wie folgt zusammenfasst: „(…) applications by trade unions or trade union members seeking recognition of a right to consultation, a right to conclude collective agreements, or a right to strike, have all been refused“. Vgl auch Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 453; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 109. EGMR 10.1.2002, 53574/99, Unison/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-I = ÖJZ-MRK 2003/14, 276 = ARD 5407/3/2003. Gitter, ZfA 1971, 134. Ähnlich auch Hohn, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1978) 78, wonach das Streikrecht als unabdingbare Voraussetzung für die wirksame Ausübung der Gewerkschaftsfreiheit angesehen werden müsse. ISv effektiver Durchsetzung der von der Gewerkschaft im Einzelfall aufgestellten Forderungen. IdS ist mE wohl die Argumentation von Gitter zu verstehen.
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Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit
satz kampfweiser Druckausübung „erhört“ zu werden.787 Bedingt durch die relativierenden Formulierungen,788 die der EGMR in seiner Spruchpraxis verwendet, bietet Art 11 Abs 1 MRK nämlich mE für Gewerkschaften insofern immer nur einen „Minimalschutz“,789 nämlich die vom Staat einzuräumende Möglichkeit, gehört zu werden. Bei der Umsetzung dieser Vorgabe hat der Staat aber einen weiten Gestaltungsspielraum.790 Eine „Erfolgsgarantie“ für eine Gewerkschaft, wie sie wohl hinter den Effektivitätsüberlegungen steht, kann der Judikatur des EGMR mE nicht entnommen werden.791 Denn effek787
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Das Argument, mit dem Rebhahn, DRdA 1982, 223, die Position von Gitter angreifen möchte, greift indes zu kurz. Entgegen Rebhahn, der eine extensive Interpretation ablehnt, da diese den Vertragsstaaten idR unvorhergesehene wie unvorhersehbare Bindungen auferlege, ist der Gerichtshof bei der Auslegung der Konvention selbst von dieser These des klassischen Völkerrechts ausdrücklich abgegangen. Vgl dazu Matscher in Schwind (Hrsg), Aktuelle Fragen zum Europarecht aus der Sicht in- und ausländischer Gelehrter (1986) 106. Gemeint sind damit die Wendungen: „wichtiges Mittel [gemeint damit ist das Streikrecht], gibt aber auch noch andere“, „weiter Ermessensspielraum für die Vertragsstaaten“ und „kein Anspruch der Gewerkschaften noch ihrer Mitglieder auf eine besondere Behandlung durch den Staat“. Ähnlich in der Bewertung Novitz, International and European Protection of the Right to Strike (2003) 242: „Cases like NATFHE and UNISON suggest that the Court does not posess more than a limited understanding of the dynamics of industrial relations and ILO standards“. Der weite Ermessensspielraum für die Vertragsstaaten wird vom EGMR besonders in der Oljearbeidernes Fellessammenslutning-Entscheidung betont, indem der EGMR daraus ableitet, dass „restrictions imposed by a Contracting State on the exercise of the right to strike do not in themselves give rise to an issue under Article 11 of the Convention“: EGMR 27.6.2002, 38190/97, Oljearbeidernes Fellessammenslutning/Norwegen, RJD 2002-VI. Kritisiert wird der dem Staat vom EGMR zugestandene weite Gestaltungsspielraum von Lörcher, Anm zu EGMR 25.4.1996, 18/1995/524/610, ArbuR 1997, 411 (413), der befürchtet, dass in dieser Allgemeinheit die Anwendung dieses Grundsatzes dazu führe, dass Art 11 MRK seines konkreten Inhalts entleert sei, wenn es um die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten gehe. Würden AN oder Gewerkschaften ihr in Art 11 MRK konkret verbrieftes Recht in Anspruch nehmen, könnte es unter Berufung auf diesen Grundsatz verneint werden. Der Gerichtshof selbst rechtfertigt den weiten Ermessensspielraum für die Vertragsstaaten mit dem Hinweis auf das große Maß an Divergenz zwischen den innerstaatlichen Systemen im Bereich der Gewerkschaftsfreiheit: EGMR 11.1.2006 (GC), 52562/99, 52620/99, Sørensen und Rasmussen/Dänemark, ÖJZMRK 2006/12, 550; EGMR 2.7.2002, 30668/96, 30671/96, 30678/96, Wilson ua/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-V = ÖJZ-MRK 2003/32, 729 = ArbuR 2003, 77 = ecolex 2003, 139 und EGMR 25.4.1996, 15573/89, Gustafsson/Schweden, RJD 1996-II = ÖJZMRK 1996/32, 896 = ArbuR 1997, 408 (Lörcher) = ecolex 1996, 718. Vgl Marauhn, RabelsZ 63 (1999) 552; Jörundsson, The Case Law of the Commission as Regards the Freedom of Assembly and Association, in de Salvia/Villiger (Hrsg), The Birth of European Human Rights Law. Liber Amicorum Carl Aage Nørgaard (1998) 101 (104); Frowein in Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2 (1996) Art 11 Rz 7. Vgl weiters zu der im Rahmen von Art 9 Abs 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit gleich gelagerten Problematik: Rieble, Staatshilfe für Gewerkschaften, ZfA 2005, 245 (267 f): „Dass die Existenz einer Koalition von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt wird, heißt
Koalitionsfreiheit und Streikrecht
153
tiv, dh praktisch und wirksam, muss das von Art 11 Abs 1 MRK garantierte Schutzgut sein, also das Recht, gehört zu werden. Diese vom EGMR geforderte Effektivität kann aber auch außerhalb eines Streiks gegeben sein.792 Der tiefere Grund für die übergroße Zurückhaltung des EGMR, die der Gerichtshof sowohl bei der speziellen Frage eines Streikrechts als auch bei der Frage nach der Ableitung weiterer Gewerkschaftsrechte aus der positiven Koalitionsfreiheit übt, lässt sich mit Frowein dahingehend schlüssig erklären, dass sich detailliertere Gewerkschaftsrechte in einer Vielzahl anderer völkerrechtlicher Verträge finden.793 Frowein verweist dazu vor allem auf Übereinkommen der ILO.794 Damit besteht aber für den EGMR keine zwingende Notwendigkeit, Art 11 Abs 1 MRK weitere Garantien zu entnehmen.795
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also nicht, dass ihr auch der Erfolg garantiert ist. Wie jede Freiheit umfasst die Koalitionsfreiheit nicht nur die Chance des Erfolges, sondern auch das Risiko des Scheiterns. (…) Auch dieses Grundrecht verschafft keinen Anspruch auf Erfolg“. Vgl dazu weiters die EKMR in ihrer Entscheidung vom 6.7.1977, 6094/73, Association X./Schweden, DR 9, 5, worin die EKMR eine aus Art 11 Abs 1 MRK ableitbare Erfolgsgarantie ausdrücklich ablehnt: „Freedom of association is a general capacity for the citizens to join without interference by the State in associations in order to attain various ends. However, a right to the successful attainment of such ends is not guaranteed by Article 11“. Vgl dazu die auf Seite 147 ff vom EGMR angeführten Möglichkeiten für eine Gewerkschaft. Frowein in Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2 (1996) Art 11 Rz 14. So auch Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 119 und Deinert, Der europäische Kollektivvertrag (1999) 276 sowie Marauhn in Ehlers (Hrsg), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten2 (2005) § 4 Rz 86, 95 und ders, RabelsZ 63 (1999) 546 f. Zachert, ArbuR 2003, 374, warnt zusätzlich davor, die Ausführungen des Gerichts überzuinterpretieren, denn die Autorität dieses Gerichts beruhe im Wesentlichen darauf, dass es einen Kompromiss finde, der den noch vorhandenen Abweichungen der innerstaatlichen Systeme gerecht werde. Firlei, DRdA 2001, 225, wiederum erklärt die Zurückhaltung des EGMR mit dem gegenüber anderen Grundrechten sensibleren Charakter der Koalitionsfreiheit. Gemeint sind damit wohl die Übereinkommen Nr 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, Nr 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen, Nr 135 über Schutz und Erleichterungen für Arbeitnehmervertreter im Betrieb und Nr 154 über die Förderung von Kollektivverhandlungen. Vgl dazu aus der Rechtsprechung des EGMR die Entscheidung vom 25.4.1996, 15573/89, Gustafsson/Schweden, RJD 1996-II = ÖJZMRK 1996/32, 896 = ArbuR 1997, 408 (Lörcher) = ecolex 1996, 718, in welcher der Gerichtshof nicht nur auf die ILO-Übereinkommen Nr 87 und 98 verweist, sondern darüber hinaus auch auf die ESC und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Bezug nimmt. Dass dies aus der Sicht österreichischer Arbeitnehmervertreter aber wünschenswert wäre, erklärt sich mE daraus, dass die österreichische Verfassung Garantien gewerkschaftlicher Betätigung speziell nur in Art 11 Abs 1 MRK verankert. Sowohl die die Gewerkschaftsrechte konkretisierenden ILO-Übereinkommen Nr 87 und 98 als auch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte besitzen weder Verfassungsrang noch sind diese Übereinkommen unmittelbar anwendbar.
154
Zum Verhältnis von Streik und Koalitionsfreiheit
4.4. Fazit Die vorherigen Ausführungen haben mE deutlich gezeigt: Nimmt man die Judikatur des EGMR zum Maßstab, so kann der durch Art 11 Abs 1 MRK gewährleisteten positiven Koalitionsfreiheit die Verbürgung eines subjektivprivaten Streikrechts nicht entnommen werden. Der EGMR gewährt in seiner Rechtsprechung den Gewerkschaften mE nur einen „Minimalschutz“, nämlich das Recht gehört zu werden. Zur Umsetzung dieses Rechts gesteht der EGMR den Konventionsstaaten einen weiten Gestaltungsspielraum zu. Insbesondere kann dieses den Gewerkschaften zukommende Recht außerhalb eines Streiks verwirklicht werden. Die Judikatur des EGMR stützt daher mE die Annahme eines subjektiv-privaten Kampfrechts auf der Basis von Art 11 Abs 1 MRK nicht.
Fünfter Teil Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR I.
Grundlegung
1.
Ausgangsposition
Vorherige Ausführungen haben deutlich gezeigt, dass die verfassungsrechtlichen Verbürgungen der positiven Koalitionsfreiheit keine tragfähige Basis für die Ableitung eines subjektiv-privaten Kampfrechts liefern können. Dieser Befund gilt aufgrund der Spruchpraxis des EGMR besonders für Art 11 MRK. Im Folgenden soll daher ein alternativer Ansatz untersucht werden, der auf der von Österreich durch den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtung beruht, das Streikrecht zu gewährleisten. Neben der Frage nach der innerstaatlichen Relevanz dieser Paktverpflichtung gilt es vor allem Klarheit darüber zu gewinnen, ob diese völkerrechtliche Verpflichtungslage auch auf die Ebene des Arbeitsvertrages durchschlagen kann. Der 1966 verabschiedete und 1976 völkerrechtlich in Kraft getretene796 IPwskR kodifiziert in seinem Teil III die wesentlichen historisch gewachsenen Menschenrechtsforderungen auf dem Gebiet wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Rechte.797 Eingedenk dieser grundlegenden Funktion wird dem IPwskR zu Recht der Ehrentitel einer weltumspannenden „Magna Charta“798 wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte verliehen. Trotz dieser 796
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Zeitangaben nach Kittner in Däubler/Kittner/Lörcher, Internationale Arbeits- und Sozialordnung2 (1994) 147. Riedel, Allgemeine Bemerkungen zu Bestimmungen des Internationalen Paktes über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte der Vereinten Nationen, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 160 (161); vgl auch Ermacora, Die UN-Menschenrechtspakte Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung? JBl 1979, 191 (192). Ähnlich auch die Bewertung des IPwskR durch Nowak, Die Durchsetzung der UNO-Menschenrechtskonventionen in Österreich, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich. Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen (1991) 703 (712), der den IPwskR gemeinsam mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zum Kernstück der Internationalen Menschenrechtscharta, der „International Bill of Rights“, zählt. Wie Nowak auch Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz (2005) 46 und Simma, „Die vergessenen Rechte“: Bemühungen zur Stärkung des VN-Sozialpakts, in Ruland/von Maydell/Papier (Hrsg), Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats. Festschrift für Hans F. Zacher (1998) 867 f. So Echterhölter, Der internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, BB 1973, 1595 (1598).
156
Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
fundamentalen Bedeutung für den universellen Schutz wirtschaftlicher und sozialer Menschenrechte führt der Pakt in der Rechtswirklichkeit der meisten Unterzeichnerstaaten nur ein Schattendasein.799 Hauptsächlich erklärt sich die bescheidene Rezeption aus dem nur schwach ausgestalteten Kontrollsystem des Paktes.800 Denn nicht das als besonders effektiv erachtete Einzelbeschwerdeverfahren801 liegt dem Kontrollmechanismus des Paktes zu Grunde, sondern Art 16 IPwskR verpflichtet die Paktstaaten lediglich, Berichte über die von ihnen getroffenen Maßnahmen und über jene Fortschritte vorzulegen, die hinsichtlich der Beachtung der in dem Pakt enthaltenen Rechte erzielt worden sind.802 Das Berichtssystem bezweckt dabei nicht nur die Staaten zu verpflich799
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Vgl dazu Simma, The implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, in Matscher (Hrsg), Die Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte. Eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme (1991) 75 (75, 79). Vgl weiters dens, The Examination of State Reports: International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, in Klein E. (Hrsg), The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations (1998) 31 (32), der die tatsächliche Situation bei internationalen Menschenrechtsverträgen im Allgemeinen und beim IPwskR im Speziellen kurz und knapp auf den Punkt bringt: „Being a party to these treaties is considered to be politically correct but an attidude of ,ratify and forget’ seems to be equally pervasive“. Für die österreichische Rechtspraxis lautet der Befund gleich, vgl dazu Nowak in Machacek/Pahr/ Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich. Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen (1991) 726 und Morawa/Schreuer in Conforti/ Francioni (Hrsg), Enforcing International Human Rights in Domestic Courts (1997) 179 f. Erhellend in diesem Zusammenhang weiters die von Klecatsky, Die Bundesverfassungsnovelle vom 4. März 1964 über die Staatsverträge, JBl 1964, 349 (355), polemisch formulierte Fragestellung betreffend die Effektuierung der MRK vor ihrer Verankerung im Verfassungsrang: „Wenn man – wie etwa im Falle der Europäischen Menschenrechtskonvention – vor der Weltöffentlichkeit feierlich Versprechungen zugunsten des Einzelmenschen übernimmt, diese aber dann auf eine Weise ,innerstaatlich wirksam’ macht, daß sie der Begünstigte nicht geltend machen kann?“. Hilpold, Der Schutz sozialer Grundrechte in der Europäischen Union, in Weber/ Wimmer (Hrsg), Vom Verfassungsstaat am Scheideweg. Festschrift für Peter Pernthaler (2005) 167 (173); ders, Der Schutz sozialer Grundrechte in der Europäischen Union, ZÖR 59 (2004) 351 (357 f). Nowak in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich. Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen (1991) 713, nennt zusätzlich die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit als Grund für die mangelnde Bedeutung des Paktes in der österreichischen Rechtspraxis. So Klein E., Menschenrechte. Stille Revolution des Völkerrechts und Auswirkungen auf die innerstaatliche Rechtsanwendung (1997) 18 und ders, Die Verantwortung der Vertragsparteien – Überlegungen zu einer effektiveren Durchsetzung menschenrechtlicher Verpflichtungen, in Cremer/Giegerich/Richter/Zimmermann (Hrsg), Tradition und Weltoffenheit des Rechts. Festschrift für Helmut Steinberger (2002) 243. Gedacht ist dabei vor allem an die individuelle Beschwerdemöglichkeit im Rahmen der MRK. Vgl auch Davies, Should the EU Have the Power to Set Minimum Standards for Collective Labour Rights in the Member States? in Alston (Hrsg), Labour Rights as Human Rights (2005) 177 (190). Allgemein zum Berichtssystem des IPwskR: Köhler, Das Berichtssystem des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als völkerrechtlich institutionalisierter Sozialrechtsvergleich, ZIAS 1 (1988) 157 ff; Schwächen des Berichts-
Grundlegung
157
ten, eine Übersicht über die legislativen, administrativen und judiziären Maßnahmen zur innerstaatlichen Umsetzung der Paktrechte zu geben; die Staaten sollen auch dazu motiviert werden, inhaltliche und zeitliche Zielvorgaben zur Umsetzung der Paktverpflichtungen zu benennen, an Hand deren die Fortschritte bei der Verwirklichung der Paktrechte gemessen werden können, ein Ziel, welches wiederum gleichzeitig in Einklang mit dem grundlegenden Auftrag von Art 2 Abs 1 IPwskR steht, wonach jedem Vertragsstaat die Verpflichtung trifft, unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu setzen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, die volle Verwirklichung der im IPwskR anerkannten Rechte zu erreichen.803 Wenngleich das Berichtssystem die Vertragsstaaten damit zur Offenlegung ihrer innerstaatlichen Menschenrechtssituation und zur Rechtfertigung derselben vor der internationalen Menschenrechtsgemeinschaft zwingt, bleibt das Kontrollverfahren des IPwskR in seiner Wirkung schwach,804 da einerseits die Berichtspflicht allein noch keine Möglichkeit eröffnet, Vertragsverletzungen auch völkerrechtlich zu sanktionieren,805 andererseits die Staatenberichte nur generell die innerstaatliche Situation auf dem Gebiet wirtschaftlicher und sozialer Menschenrechte beschreiben, die einzelne Menschenrechtsverletzung – anders als beim Individualbeschwerdeverfahren – hingegen ausgeblendet bleibt.806
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systems benennt Crawford, The UN Human Rights Treaty System: A System in Crisis? in Alston/Crawford (Hrsg), The Future of UN Human Rights Treaty Monitoring (2000) 1 (4 ff); Reformvorschläge unterbreiten Dowell-Jones, Contextualising the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: Assessing the Economic Deficit (2004) 156 ff und Leckie, The Committee on Economic, Social and Cultural Rights: Catalyst for Change in a System Needing Reform, in Alston/Crawford (Hrsg), The Future of UN Human Rights Treaty Monitoring (2000) 129 (142 ff). Zu den mit dem Berichtssystem verbundenen Zielvorstellungen vgl CESCR 24.2.1989, E/1989/22, Allgemeine Bemerkung Nr 1. Die Berichterstattung der Vertragsstaaten, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VNMenschenrechtsverträgen (2005) 174 ff; Simma in Matscher (Hrsg), Die Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte. Eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme (1991) 88 ff. Allgemein zum Kontroll- und Durchsetzungssystem des IPwskR vgl Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte (2000) 237 ff; Köhler, Sozialpolitische und sozialrechtliche Aktivitäten in den Vereinten Nationen (1987) 992 ff. So die Bewertung von: Hilpold in FS Pernthaler 173; Simma in Klein E. (Hrsg), The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations (1998) 31; Kittner in Däubler/Kittner/Lörcher, Internationale Arbeits- und Sozialordnung2 (1994) 149; Öhlinger in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 31; Zuleeg, Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, RdA 1974, 321 (323). Köhler, Sozialpolitische und sozialrechtliche Aktivitäten in den Vereinten Nationen (1987) 992. Nowak, Einführung in das internationale Menschenrechtssystem (2002) 282 f. Auf die Vorteile dieses politischen Überwachungssystems weisen hingegen Riedel, Theorie der Menschenrechtsstandards (1986) 54 f und Öhlinger, Die Europäische Sozialcharta, in
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
Die üblicherweise in fünfjährigen Abständen807 zu erstellenden Berichte werden dem Wirtschafts- und Sozialrat der VN übermittelt. Zur Behandlung der Staatenberichte installierte der Wirtschafts- und Sozialrat der VN ein eigenes Expertengremium,808 den Ausschuss für wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte809. Die wesentliche Bedeutung der Ausschusstätigkeit besteht nun darin, dass dieses Gremium zu den einzelnen Art des IPwskR „Allgemeine Bemerkungen“ (general comments) verabschiedet, die den Vertragsstaaten bei der Umsetzung der übernommenen Menschenrechtsverpflichtungen als Wegweiser und Interpretationshilfen dienen sollen.810 Wenngleich die „Allgemeinen Bemerkungen“ gemessen an ihrer Verbindlichkeit nicht über die Stufe von soft-law811 hinausgehen, leisten die „Allgemeinen Bemerkungen“ dennoch einen bedeutsamen Beitrag zur weltweiten Durchsetzung sozialer und wirtschaftlicher Menschenrechte, indem sie „zum einen die ,Spruchpraxis’ des Ausschusses“ widerspiegeln und damit Muster der typischen sozialen Menschenrechtsfragen aufgreifen, die sich im Laufe des Dialogs zwischen Vertragsstaaten und dem IPwskR-Ausschuss immer wieder gestellt haben,812 „zum anderen liefern sie erläuternde Konkretisierungen der generell sehr abstrakt formulierten Sozialpaktrechte“.813
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Matscher (Hrsg), Die Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte. Eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme (1991) 335 (340 ff), hin. Riedel in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 160. Kittner in Däubler/Kittner/Lörcher, Internationale Arbeits- und Sozialordnung2 (1994) 149. Im Folgenden als „IPwskR-Ausschuss“ bezeichnet. Näher zur Arbeit dieses Gremiums vgl Craven, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (1998) 42 ff; Simma in Klein E. (Hrsg), The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations (1998) 35 ff; Köhler, Sozialpolitische und sozialrechtliche Aktivitäten in den Vereinten Nationen (1987) 1002 ff. Riedel in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 160. Simma in Matscher (Hrsg), Die Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte. Eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme (1991) 94; Riedel, Die Implementierung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, in Becker/von Maydell/Nußberger (Hrsg), Die Implementierung nationaler Sozialstandards. Zur Durchsetzung und Herausbildung von Standards auf überstaatlicher Ebene (2006) 21 (24); Riedel/Söllner, Studiengebühren im Lichte des UN-Sozialpakts, JZ 2006, 270. Auf den Dialogprozess und den daraus resultierenden Prozess der Implementierung der Paktrechte weist auch Bryde, RdA-Sonderbeilage 2003, 8, hin; ebenso Alston, Appraising the United Nations Human Rights Regime, in ders (Hrsg), The United Nations and Human Rights. A Critical Appraisal (1992) 1 (11). Riedel in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 164; s weiters Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte (2000) 97 f; Körner, Reformbedarf des nationalen Arbeitsrechts und internationale Verpflichtungen, in Höland/Hohmann-Dennhardt/Schmidt/Seifert (Hrsg), Arbeitnehmermitwirkung in einer sich globalisierenden Arbeitswelt. Liber Amicorum Manfred Weiss (2005) 119 (131); Nußberger, Sozialstandards im Völkerrecht (2005) 240.
Grundlegung
2.
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Zur Reichweite der Staatenverpflichtungen
Die vorhin beschriebene bescheidene Resonanz, die der IPwskR in der Praxis der Vertragsstaaten gefunden hat, steht aber im Widerspruch zu dem in Art 2 Abs 1 IPwskR formulierten Auftrag an die Paktstaaten, mit allen geeigneten Mitteln und unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten schrittweise auf eine vollständige Verwirklichung der Paktrechte hinzuarbeiten. Gerade die Vorgabe, nach und nach die Realisierung der Paktrechte anzustreben, wurde benutzt, die durch den Pakt übernommenen Verpflichtungen zu relativieren.814 Gegen ein derartiges restriktives Verständnis wendet sich der IPwskRAusschuss, indem er Art 2 Abs 1 IPwskR ganz grundsätzlich als „ergebnisorientierte“ Verpflichtung begreift, die auf der einen Seite angesichts der länderspezifischen Schwierigkeiten bei der Verwirklichung der Paktrechte ein notwendigerweise flexibles Mittel darstellt; auf der anderen Seite müsse diese Bestimmung aber im Lichte des allgemeingültigen Ziels des Paktes gelesen werden, welches darin besteht, klare Verpflichtungen für die Vertragsstaaten hinsichtlich der vollen Verwirklichung der jeweiligen Rechte zu begründen; daher bestehe die Verpflichtung, dieses so beschriebene Ziel so schnell und effektiv wie möglich zu erreichen.815 Der IPwskR-Ausschuss stellt auch unmissverständlich klar, dass eine zentrale Paktverpflichtung für die Vertragsstaaten darin besteht, den Paktrechten Rechtswirkung zu verleihen.816 Damit korrespondiert die Auffassung des
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So jüngst Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, 905 (906); vgl weiters Echterhölter, BB 1973, 1596 und die Feststellung des CESCR vom 14.12.1990, E/1991/23, Allgemeine Bemerkung Nr 3. Die Rechtsnatur der Verpflichtungen der Vertragsstaaten (Art 2 Abs 1), in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 183 (186). Weitere Vorbehalte gegen den IPwskR benennen Simma/Zöckler, Social Protection by International Law: LawMaking by Universal Organizations (Especially the United Nations), in von Maydell/ Nußberger (Hrsg), Social Protection by Way of International Law. Appraisal, Deficits and Further Development (1996) 69 (73): „For instance, it is said that the Covenant does not really contain true legal rights but merely declarations of goals. Another way of denigrating the value of the Covenant would be to view it as a collection of rules which possess only a minimal amount of normative content“. In dem von Simma/Zöckler beschriebenen Sinn etwa Machacek in Matscher (Hrsg), Die Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte. Eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme (1991) 41. CESCR 14.12.1990, E/1991/23, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 183 (186); ausführlich und grundlegend zu den sich aus Art 2 Abs 1 IPwskR ergebenden Verpflichtungen Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte (2000) 113 ff; s weiters Dowell-Jones, Contextualising the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: Assessing the Economic Deficit (2004) 39 ff. CESCR 3.12.1998, E/C.12/1998/24, Allgemeine Bemerkung Nr 9. Die innerstaatliche Anwendbarkeit des Pakts, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 238; s auch Klee, Die pro-
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
IPwskR-Ausschusses, dass jeden Staat durch den IPwskR eine Kernverpflichtung trifft, jedes der Paktrechte zumindest auf einen bestimmten Mindestniveau zu gewährleisten, da ansonsten der Pakt weitgehend seiner Daseinsberechtigung beraubt wäre.817
3.
Der IPwskR in der österreichischen Rechtsordnung
Als völkerrechtlicher Vertrag bedarf der IPwskR, um innerstaatlich volle Wirkung zu erlangen, der Umsetzung in die österreichische Rechtsordnung. Art 49 iVm 50 B-VG stellt hierfür grundsätzlich zwei verschiedene Modelle zur Verfügung. Einerseits besteht die Möglichkeit, den völkerrechtlichen Vertrag auch im innerstaatlichen Bereich für anwendbar zu erklären;818 der Staatsvertrag wird damit zur selbständigen Rechtsquelle im innerstaatlichen Bereich819 und entfaltet damit innerstaatlich entsprechend seinem Inhalt Rechtswirkungen.820 Andererseits eröffnet das B-VG die Variante, das völkerrechtliche Übereinkommen durch Beschluss des NR in eine innerstaatliche Rechtsquelle umzuformen.821 Rechtstechnisch vollzieht sich die spezielle Transformation dadurch, dass anlässlich der Genehmigung eines Staatsvertrages der NR auf der Grundlage von Art 50 Abs 2 B-VG beschließt, diesen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.822 Für diesen Beschluss wird die Bezeichnung „Erfüllungsvorbehalt“ verwendet.823 Der Effekt eines Erfüllungsvorbehaltes besteht dabei darin, dass in diesem Fall keine Akte der Vollziehung, also weder ein gerichtliches Urteil noch ein verwaltungsbehördlicher Bescheid, unmittelbar824 auf einen derartig speziell transformierten
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gressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte (2000) 115. CESCR 14.12.1990, E/1991/23, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 186 f; Spenlé/ Schrepfer, Zur Umsetzung des UNO-Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte aus Schweizer Sicht – Das Projekt eines Fakultativprotokolls zum UNO-Pakt I, ZÖR 59 (2004) 375 (383 f); Simma in Matscher (Hrsg), Die Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte. Eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme (1991) 92; ausführlich dazu Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte (2000) 182 ff. „Generelle Transformation“ gem Art 49 Abs 1 B-VG; vgl dazu Walter/Mayer/KucskoStadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts10 (2007) Rz 215. Öhlinger in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 52. Öhlinger, Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht (1973) 133 f. „Spezielle Transformation“; vgl dazu Walter, Die Neuregelung der Transformation völkerrechtlicher Verträge in das österreichische Recht, ÖJZ 1964, 449 (450). So die Regelung von Art 50 Abs 2 B-VG. Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht (2005) Rz 270 f; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts10 (2007) Rz 239. Also ohne das Dazwischentreten einer innerstaatlichen Rechtsquelle.
Grundlegung
161
Staatsvertrag gestützt werden dürfen.825 Der Erfüllungsvorbehalt schließt die unmittelbare Anwendbarkeit des Staatsvertrages aus.826 In der Tat entschloss sich der NR anlässlich der Behandlung des IPwskR zu einem Vorgehen gem Art 50 Abs 2 B-VG.827 Trotz eindeutig bestehender völkerrechtlicher Verbindlichkeit828 hat der vom NR beschlossene Erfüllungsvorbehalt für die innerstaatliche Anwendbarkeit des IPwskR zur Konsequenz, dass dem Pakt keine unmittelbare Anwendbarkeit im vorhin beschriebenen Sinne zukommen kann,829 dh, es können damit keine innerstaatlichen Vollzugsakte unmittelbar auf der Grundlage des IPwskR ergehen. Ebenso bleiben damit dem Einzelnen unmittelbar einklagbare Rechte auf der Basis des IPwskR versagt.830 825
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Öhlinger, Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht (1973) 139 f, 149; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts10 (2007) Rz 240. Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht (2005) Rz 270; Öhlinger, Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht (1973) 149. VfGH 30.11.1990, V 78/90, VfSlg 12.558 = ÖJZVfGH 1992/13, 106 = wbl 1991, 230 = ÖZW 1991, 94 = ZfVB 1992/1310 = ZfVB 1992/1321 = ecolex 1991, 290. Krit dazu Klecatsky, Menschenrechte, innerstaatlicher Rechtsschutz und Volksanwaltschaft, JBl 1985, 577 (579 f): „(…) Staatspraxis der Nichterfüllung völkerrechtlich übernommener (Schein-)verpflichtungen“. Ebenso krit Öhlinger, Soziale Grundrechte, in Martinek/Migsch/Ringhofer/Schwarz/Schwimann (Hrsg), Arbeitsrecht und soziale Grundrechte. Festschrift für Hans Floretta (1983) 271 (272). Krit dazu auch der IPwskRAusschuss in einen seiner Österreich betreffenden „Allgemeine Bemerkungen“: CESCR 14.12.1994, E/C.12/1994/16, Concluding oberservations of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights: Austria, abrufbar unter: www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/ (Symbol)/9405bdb75f68282dc12563e9003496a6?Opendocument (20.2.2008). Öhlinger in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 28. VwGH 23.11.1995, 94/18/1020, ZfVB 1995/1345. Vgl weiters Rebhahn, DRdA 2004, 405; Schambeck, Familie und öffentliches Recht, ÖJZ 1994, 401 (411); Nowak in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich. Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen (1991) 713, 725; Öhlinger, Das Grundrechtsverständnis in Österreich – Entwicklungen bis 1982, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich. Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen (1991) 29 (39); Ermacora, JBl 1979, 194. Schambeck, ÖJZ 1994, 411; Holzinger, Grundrechtsreform in Österreich, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich. Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen (1991) 459 (461); Ermacora, Österreichs Mitarbeit an den UN-Menschenrechten, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich. Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen (1991) 675 (700 f); ders, JBl 1979, 194; Öhlinger in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 29, 57. Aber auch ohne Erfüllungsvorbehalt wird dem IPwskR diese Wirkung abgesprochen. S dazu: Soria, Das Recht auf Sicherung des Existenzminimums, JZ 2005, 644 (646); Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 20 Rz 51; Beyerlin, Die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer in den Menschenrechtsinstrumenten der Vereinten Nationen, in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1153 (1161 f); Echterhölter, BB 1973, 1595; ders, Der Internationale Pakt der Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, BABl 1973, 496.
162
Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
Dass eine unmittelbare Anspruchsbegründung auf der Grundlage des IPwskR infolge des Erfüllungsvorbehaltes zwar ausscheidet, bedeutet aber noch nicht, dass einem Staatsvertrag mit Erfüllungsvorbehalt – und damit auch dem IPwskR – keine rechtliche Relevanz im innerstaatlichen Bereich zukommen würde. Denn zum einen ist der IPwskR mit seiner Publikation im BGBl Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung.831 Zum anderen kommt dem Pakt eine auslegungssteuernde Funktion zu, indem die darin enthaltenen Bestimmungen zur Interpretation unbestimmter Begriffe des innerstaatlichen positiven Rechts herangezogen werden können.832 Denn ganz allgemein besteht die Verpflichtung, die Interpretation innerstaatlichen Rechts an den thematisch hereinspielenden völkerrechtlichen Vorgaben auszurichten („völkerrechtskonforme Interpretation“),833 dies mit dem Ziel, Verletzungen vertrag831
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Zemanek in Neuhold/Hummer/Schreuer (Hrsg), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts I4 (2004) Rz 322; Korinek, Recht auf Arbeit – Verfassungsrechtliche Aspekte, in ders, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit (2000) 223 (231); Öhlinger in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 58; Novak, Probleme des Bundesverfassungsgesetzes vom 4. März 1964 über Staatsverträge, JBl 1969, 307 (311), mit dem Hinweis auf Art 140a Abs 2 B-VG, wonach die Befugnis des VfGH auch vor der Erfüllung eines Staatsvertrages mit Erfüllungsvorbehalt dessen Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit festzustellen, voraussetzt, dass auch der vorbehaltene Staatsvertrag bereits zum Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung geworden sein müsse. Öhlinger in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 58 f; vgl auch Klecatsky/Morscher/Ohms, B-VG11 (2005) 400 und Morawa/Schreuer in Conforti/Francioni (Hrsg), Enforcing International Human Rights in Domestic Courts (1997) 184. Zu eng daher die Auffassung von Ermacora, JBl 1979, 195, wonach der IPwskR keine Auswirkungen auf das österreichische Rechtsleben zeitige. Dieser Auslegungsgrundsatz ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt: VfGH 13.12.2001, G 213/01, V 62/01, V 63/01, VfSlg 16.404 = JBl 2002, 234 = EuGRZ 2002, 168 = ZfVB 2002/1430 = JAP 2001/2002, 187 (Kolonovits); VwGH 26.4.1999, 97/17/0334, ARD 5078/40/99; VwGH 27.10.1997, 96/17/0425, VwSlg 7232 F = ÖStZB 1998, 650 = ARD 4931/17/98; VwGH 21.10.1983, 82/17/0087, VwSlg 5819 F = ÖJZVwGH (F) 1984/397, 559 = ZÖR 1985/35, 247 = RdW 1984, 192 = ÖStZB 1984, 289 = AnwBl 1984, 171; VfGH 1.3.1975, B 211/74, VfSlg 7478; Korinek, Impulse aus der Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs zur EMRK für den europäischen Grundrechtsschutz, in Tettinger/Stern (Hrsg), Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta (2006) A IX Rz 24; Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht (2005) Rz 97; ders, Die Grundrechte. Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich (1999) Rz 127, unter besonderer Betonung der UNO-Menschenrechtspakte; Haberlik, Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer (2002) 17 f; Hengstschläger, Anm zu OGH 8.11.1990, 12 Os 81/90, JBl 1991, 741 f; Öhlinger, Der Kündigungsschutz von Arbeitnehmern und die Europäischen Sozialcharta, in Dimensionen und Perspektiven des Rechts. Festschrift für Wilhelm Rosenzweig (1988) 451 (463); ders, Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht (1973) 139; Beitzke, Internationale Arbeitsorganisation und nationales Recht, JBl 1982, 477 (478); Beyerlin in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1163; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völker-
Grundlegung
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lich übernommener Verpflichtungen dadurch zu verhindern. Der IPwskR wird damit zu einem Bezugspunkt der völkerrechtskonformen Interpretation staatlichen Rechts.834 „Es ist allgemein anerkannt, dass innerstaatliches Recht so weit wie möglich in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen des betreffenden Staates ausgelegt werden sollte. Wenn daher ein innerstaatlicher Entscheidungsträger die Wahl treffen muss zwischen einer Auslegung innerstaatlichen Rechts, die den Staat in Rechtsbruch mit dem Pakt versetzen würde, und einer Auslegung, die es dem Staat ermöglicht, den Pakt zu befolgen, so verlangt das Völkerrecht, die Entscheidung zugunsten der letzteren Option zu treffen“.835 Daran ändert auch der mit dem IPwskR verbundene Erfüllungsvorbehalt nichts: „Die Regel, daß das innerstaatliche Recht völkerrechtskonform auszulegen ist, wird durch einen Erfüllungsvorbehalt nicht eingeschränkt. Denn dieser Grundsatz kommt gerade dort zum Tragen, wo originär innerstaatliches Recht anzuwenden ist, dieses aber einen Bezug zu einer völkerrechtlichen Verpflichtung aufweist – und das ist exakt die Konstellation, die einem durch Gesetze erfüllten Staatsvertrag zugrundeliegt. Daß hier einem Erfüllungsvorbehalt, der seinem Wortlaut nach ausdrücklich die Erfüllung des völkerrechtlichen Vertrages – und das impliziert wiederum: in völkerrechtskonformer Weise – anordnet, die Funktion zukommen sollte, die völkerrechtskonforme Auslegung zu verhindern, wäre eine geradezu abwegige Konstruktion“.836
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recht (1980) 669 f; Mayer-Maly, Druck und Recht im Arbeitsrecht, RdA 1979, 356 (358); Binder B., Das Völkerrecht im österreichischen Staatsrecht, ZaöRV 35 (1975) 282 (299 FN 75). Vgl weiters CESCR 3.12.1998, E/C.12/1998/24, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 243: „In den Grenzen angemessener richterlicher Überprüfung sollten Gerichte Vorschriften des Pakts berücksichtigen, um zu gewährleisten, dass das Verhalten des Staates mit seinen Paktverpflichtungen in Übereinstimmung steht. Die Vernachlässigung dieser Pflicht der Gerichte ist mit dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das stets die Achtung der Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsverträgen beinhaltet, unvereinbar“. So etwa in OGH 25.6.1998, 8 ObA 268/97p, Arb 11.744 = DRdA 1998, 442 = DRdA 1999/19, 139 (Mayr) = ZASB 1998, 43 = wbl 1998/387, 543 = RdW 1999, 218 = ASoK 1998, 429 = ARD 4972/3/98: hier zur näheren Konkretisierung von § 879 ABGB; in diese Richtung auch OGH 5.2.1985, 4 Ob 3/85, DRdA 1985, 319 = infas 1985 A 109. CESCR 3.12.1998, E/C.12/1998/24, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 243. Öhlinger in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 58 f; in Anschluss an Öhlinger auch Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 249 und Schwarz, Die Beschäftigungspflicht im Arbeitsverhältnis, in Martinek/Migsch/Ringhofer/ Schwarz/Schwimann (Hrsg), Arbeitsrecht und soziale Grundrechte. Festschrift für Hans Floretta (1983) 415 (420) sowie Rebhahn, DRdA 2004, 405.
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
II. Das Streikrecht im IPwskR 1.
Einleitung
Die Gewährleistung des Streikrechts in Art 8 IPwskR ist eingebettet in ein Regelungsumfeld, welches den weltweiten Schutz der freien Gewerkschaftsbildung und -betätigung bezweckt. Art 8 Abs 1 lit a iVm lit b IPwskR schützt dabei das Recht der Bildung von und das Recht des Beitritts zu Gewerkschaften sowie das Recht der Gewerkschaften, sich in nationalen und internationalen Zusammenschlüssen zu organisieren. Geschützt wird in Art 8 Abs 1 lit c IPwskR auch das Recht der Gewerkschaft, sich frei zu betätigen. Art 8 Abs 1 lit d IPwskR wiederum verpflichtet die Vertragsstaaten schließlich, das Streikrecht, soweit es in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung ausgeübt wird, zu gewährleisten.837 Verglichen mit den Fassungen der übrigen Paktartikel fällt auf, dass im Rahmen des Art 8 IPwskR von der Gewährleistung der darin verbürgten Rechte gesprochen wird, während im übrigen Teil III die Paktstaaten nur die Verpflichtung übernehmen, die diversen Rechte anzuerkennen. Aus dieser sprachlichen Nuancierung wird abgeleitet, dass in Bezug auf Art 8 IPwskR im Allgemeinen und in Bezug auf das Streikrecht im Besonderen den Vertragsstaaten durch den Pakt eine strengere Verpflichtung auferlegt wird.838 Floretta präzisiert diese strengere Verpflichtung dahingehend, dass damit nicht nur eine prinzipielle Anerkennung des Streikrechts und die allmähliche Annäherung der konkreten positivrechtlichen Ausformung an dieses Recht als Zielvorstellung angesprochen sei;839 die Verpflichtung zur Gewährleistung nach Art 8 IPwskR sei im Sinne einer staatlichen Nichteinmischung in die Bildung von Gewerkschaften und ihre Betätigung, speziell in Form von Streiks, zu verstehen.840
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Zur Entstehung dieser Bestimmung vgl Craven, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (1998) 257 ff. Jeschke, Der europäische Streik (2006) 76; Hergenröder, Europäische Aspekte des Arbeitskampfrechts, in Oetker/Preis (Hrsg), EAS, B 8400 Rz 10; Kittner in Däubler/Kittner/Lörcher, Internationale Arbeits- und Sozialordnung2 (1994) 149; Scherf, Die Umsetzung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland (1990) 142 f; Beyerlin in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1161; Floretta in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 15; Echterhölter, BABl 1973, 498; ders, BB 1973, 1597. Dass die in Art 8 IPwskR enthaltenen Rechte sofort und nicht erst fortschreitend zu garantieren sind, betont auch Echterhölter, BB 1973, 1597 und ders, BABl 1973, 498. Floretta in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 15. Ebenso Echterhölter, BB 1973, 1597.
Das Streikrecht im IPwskR
2.
165
Zur Reichweite des Streikrechts
2.1. Das Streikrecht als subjektives Recht? Die Streikrechtsverbürgung sieht sich in vielfältiger Hinsicht mit dem Einwand mangelnder rechtlicher Relevanz konfrontiert. So misst Beyerlin der Gewährleistung des Streikrechts keine allzu große praktische Bedeutung zu. Denn Ziel dieser Bestimmung sei es nicht, dem einzelnen AN ein eigenes Recht zu verleihen, auf das er sich vor den Gerichten seines Staates berufen könnte. Dafür spreche schon die Einordnung der in Art 8 IPwskR enthaltenen Rechtsgewährleistungen als nicht self-executing.841 Mit der Frage nach dem self-executing Charakter der Paktrechte wird allgemein das Problem der Anwendbarkeit völkerrechtlicher Normen im innerstaatlichen Bereich angesprochen. Self executing meint dabei, dass unmittelbar auf der Grundlage einzelner Bestimmungen eines Staatsvertrages ein gerichtliches Urteil bzw ein verwaltungsbehördlicher Bescheid ergehen kann.842 Diese Wirkung spricht Beyerlin der Streikrechtsverbürgung ab. Ganz konträr dazu positioniert sich aber Öhlinger. Zwar bedürften die Mehrzahl der im IPwskR enthaltenen Rechte der gesetzlichen Konkretisierung, das gelte aber nicht ausnahmslos. Insbesondere für die Rechtsgewährleistungen des Art 8 IPwskR im Allgemeinen und für das Streikrecht im Besonderen kommt Öhlinger zu einer ganz anderen Schlussfolgerung: „So sind die durch Art 8 des Paktes ,gewährleisteten’ (!) Rechte von einer Art, daß nicht eigentlich ihre Sicherung, sondern ihre allfälligen und nach dieser Bestimmung zulässigen Beschränkungen einer gesetzlichen Konkretisierung bedürfen“.843 Ebenso deutlich tritt der IPwskR-Ausschuss der von Beyerlin vertretenen Auffassung entgegen. In der Sichtweise des IPwskRAusschusses enthalte der IPwskR eine Vielzahl von Bestimmungen, einschließlich des Art 8 IPwskR, bei denen es möglich erscheine, dass sie in vielen nationalen Rechtssystemen von den Gerichten oder anderen Organen unmittelbar angewendet werden können.844 Diesen Standpunkt vertritt auch das 841
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Beyerlin in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1162. Öhlinger, Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht (1973) 139 f, 141; Zemanek in Neuhold/Hummer/Schreuer (Hrsg), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts I4 (2004) Rz 322. Öhlinger in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 56. Ähnlich wie Öhlinger auch Tomuschat in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1479, der in Bezug auf Koalitions- und Streikfreiheit formuliert, dass „die Freiheit das Prinzip und die Eingrenzung die Ausnahme bildet. Die Eingrenzung bedarf der spezifischen Legitimation“. CESCR 14.12.1990, E/1991/23, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 184 f; CESCR 3.12.1998, E/C.12/1998/24, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 241 f. Vgl auch Kaufmann, Globalisation and Labour Rights (2007) 40; Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte (2000) 172 f; Simma in FS Zacher
166
Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
SchwBG, das beträchtliche Gründe dafür vorliegen sieht, dieser Bestimmung self-executing-Charakter zuzubilligen, mit der Konsequenz, dass damit die Paktstaaten zur Gewährleistung des Streikrechts verpflichtet wären, ohne dass eine innerstaatliche Umsetzung dieser Freiheit zwingend erforderlich wäre.845 Beyerlin sieht zudem in der fehlenden Beschwerdemöglichkeit des Einzelnen ein Indiz dafür, dass dem Einzelnen keine beschwerdefähigen subjektiven Rechte zuerkannt werden sollten.846 Zwar wird die fehlende Einzelbeschwerdemöglichkeit durchaus als Manko des IPwskR gesehen,847 daraus aber die fehlende Eignung der Paktrechte als dem Einzelnen zukommende subjektive Berechtigungen abzuleiten, missversteht die programmatische Zielvorgabe des Art 2 Abs 1 IPwskR, die volle Verwirklichung von Rechten Einzelner anzustreben.848
2.2. Streikrecht oder Streikfreiheit? Auch die inhaltliche Aussagekraft der Streikrechtsverbürgung wird in Zweifel gezogen. Floretta849 und Rebhahn850 interpretieren die Bestimmung von Art 8 Abs 1 lit d IPwskR als Garantie der Streikfreiheit. Mit dem Begriff der Streikfreiheit soll dabei eine spätliberale Konzeption beschrieben werden, nach der die Rechtsordnung zwar die Organisation von Arbeitsniederlegungen frei von zivil- und strafrechtlichen Beschränkungen erlaubt, die bestehenden arbeitsvertraglichen Bindungen im Streikfall aber nicht suspendiert werden, sodass die Kampfteilnahme851 ohne vorausgehende Auflösung dieser Bindungen als
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873; ders in Matscher (Hrsg), Die Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte. Eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme (1991) 91; Künzli/Kälin, Die Bedeutung des UNO-Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte für das schweizerische Recht, in Kälin/Malinverni/Nowak (Hrsg), Die Schweiz und die UNOMenschenrechtspakte2 (1997) 105 (122 f); Scherf, Die Umsetzung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland (1990) 152 f; Hohn, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1978) 127 und Zuleeg, RdA 1974, 329. Deutlich Conforti, National Courts and the International Law of Human Rights, in Conforti/Francioni (Hrsg), Enforcing International Human Rights in Domestic Courts (1997) 3 (8 f): „A treaty’s inclusion of a clause of implementation, by which State parties undertake, even incrementally, to take all necessary legislative and other steps to give effect to its provisions, cannot be a barrier to its self-executing character“. Genau diese Verpflichtung begründet Art 2 Abs 1 iVm Art 8 IPwskR. SchwBG 28.6.1999, 4 C 146/1998, BGE 125 III 277 (282) = ArbuR 2000, 69 (mit Besprechungsaufsatz von Andermatt); vgl auch die Übersicht justiziabler Verpflichtungen aus dem IPwskR bei Spenlé/Schrepfer, ZÖR 59 (2004) 387 f. Beyerlin in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1162 f. So etwa Hilpold in FS Pernthaler 173. Vgl Dorfmann, Der Schutz der sozialen Grundrechte (2006) 93; Zuleeg, RdA 1974, 324. Floretta in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 15. Rebhahn, DRdA 1982, 138. Dh die Arbeitseinstellung.
Das Streikrecht im IPwskR
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Vertragsbruch erfasst wird.852 Den ideengeschichtlichen Hintergrund dieser Konzeption sieht Tomandl in der vom Spätliberalismus beeinflussten Erkenntnis, dass die individuelle Ausübung bestimmter Freiheitsrechte ohne die gleichzeitige Möglichkeit zur kollektiven Ausübung derselben, der verbürgten Rechtsgewährleistung ihre Wirkung nimmt. Als Reaktion auf diese Erkenntnis seien die frühliberalen Koalitionsverbote gefallen, weiters die Möglichkeit geschaffen worden, Vereinigungen zu bilden und letztlich sei es gestattet worden, durch die kollektive Ausübung ökonomischen Drucks bessere Arbeitsbedingungen anzustreben. Das von der Strömung des Liberalismus hochgehaltene Prinzip der Vertragstreue habe es aber auf der anderen Seite verhindert, mit der Zulassung von Arbeitskämpfen auch gleichzeitig die Vertragsparteien von den übernommenen vertraglichen Pflichten für die Zeit der kampfweisen Konfliktaustragung zu befreien.853 Mit diesem Sinngehalt wollen nun Rebhahn und Floretta die Garantie des Streikrechts im IPwskR versehen. Bereits begrifflich kann diese Position aber nicht überzeugen. Art 8 Abs 1 lit d IPwskR spricht von einem Recht854 und nicht von einer wie immer auch zu verstehenden „Freiheit“.855 Ein Recht zum Streiken ist darüber hinaus auch von der inhaltlichen Wirkkraft grundverschieden von einer bloßen Streikfreiheit.856 Während die Streikfreiheit nur eine Freiheit von staatlichen Ein- und Übergriffen in Bezug auf die Organisation von Arbeitskämpfen garantiert und die Sphäre des Arbeitsvertrages überhaupt nicht tangiert, greift ein Streikrecht unmittelbar in diese ein, indem mit dem Streikrecht die Befugnis verliehen wird, die Arbeitspflicht im Streikfall bei sonst aufrechtem Arbeitsvertrag zu suspendieren.857 Die Reduktion des verbürgten Streikrechts auf eine reine 852
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Tomandl, ZfA 1974, 192; vgl weiters Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 191 FN 16; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 587 f; Krejci, Aussperrung (1980) 126, 142; Strasser, DRdA 1964, 320; Müller, DRdA 1954 H 14, 1. Mayer-Maly, JBl 1967, 4, sieht in der Streikfreiheit einen Unterfall des Streikrechts. S auch Kahn-Freund, Arbeit und Recht (1979) 254: „Wenn der Arbeitnehmer ein Streik,recht’ hat, so besitzt er mehr als eine bloße ,Freiheit’ von straf- oder zivilrechtlicher Haftung oder von administrativen Einschreiten. Er hat ein positives Recht, das er nicht vertraglich, insbesondere nicht durch den Arbeitsvertrag abdingen kann. Die Ausübung dieses Rechts geht jeder von ihm etwa eingegangenen vertraglichen Verpflichtung vor (…)“. Tomandl, ZfA 1974, 194 f. „Right to strike“ bzw „le droit de grève“. Dass der Unterschied zwischen einem Streikrecht und einer Streikfreiheit auf der internationalen Ebene sehr wohl geläufig ist und beide Begriffe nicht etwa synonym verwendet werden, belegt etwa Jacobs, The Law of Strikes and Lockouts, in Blanpain (Hrsg), Comparative Labour Law and Industrial Relations in Industrialized Market Economies9 (2007) 633 (635 f). Darauf weist Rebhahn, DRdA 2004, 504, hin. Ebenso Jacobs in Blanpain (Hrsg), Comparative Labour Law and Industrial Relations in Industrialized Market Economies9 (2007) 637. Zum Verständnis von einem Streikrecht s Davy, Streik und Grundrechte in Österreich (1989) 10, 183 und Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1975) 47 sowie Jacobs in Blanpain (Hrsg), Comparative Labour Law and Industrial Relations in Industrialized Market Economies9 (2007) 637 f.
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
Streikfreiheit findet auch beim Überwachungsgremium des IPwskR keine Unterstützung. Unmissverständlich wendet sich der IPwskR-Ausschuss gegen das vorhin skizzierte Verständnis von einer Streikfreiheit und damit gegen die Annahme, das verbürgte Streikrecht des IPwskR sei iS einer Streikfreiheit zu verstehen: „The Committee considers that failure to incorporate the right to strike into domestic law constitutes a breach of article 8 of the Covenant. The Committee considers that the common law approach recognizing only the freedom to strike, and the concept that strike action constitutes a fundamental breach of contract justifying dismissal, is not consistent with protection of the right to strike. The Committee does not find satisfactory the proposal to enable employees who go on strike to have a remedy before a tribunal for unfair dismissal. Employees participating in a lawful strike should not ipso facto be regarded as having committed a breach of an employment contract“.858 Mit dieser Aussage wird eines deutlich: Der IPwskR-Ausschuss versteht die Verbürgung des Art 8 Abs 1 lit d IPwskR als ein die Arbeitspflicht im Streikfall suspendierendes Kampfrecht und erteilt damit Versuchen, diese Verbürgung inhaltlich auf die Garantie bloßer Streikfreiheit zu reduzieren, eine klare Absage.859 Zudem scheitert die interpretative Umdeutung des Streikrechts in eine Streikfreiheit an Art 27 WVK, der die Berufung auf innerstaatliches Recht zur Rechtfertigung der Nichterfüllung einer vertraglich übernommenen Verpflichtung verbietet. Dieser Grundsatz hat gleichzeitig zur Konsequenz, dass sich damit die Auslegung internationaler Verträge nicht an dem Verständnis orientieren kann, das mit der in Rede stehenden völkerrechtlichen Norm im
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CESCR 4.12.1997, E/C.12/1/Add.19, Concluding observations of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights: United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, abrufbar unter: www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/(Symbol)/c54abb67971c31c780256 56b0054b9d8?Opendocument (20.2.2008); vgl dazu auch Novitz, International and European Protection of the Right to Strike (2003) 274: „The UN Committee on Economic, Social and Cultural Rights has taken its obligations to promote protection of the right to strike fairly literally. It has advocated the establishment of such a right in either domestic legislation or the national constitution. In particular, it has questioned the utility of a ,freedom to strike’ for workers. This is evident from its observations on the UK in 1997 and 2002. On both occasions the Committee said that it considers ,failure to incorporate the right to strike into domestic law’ to constitute a breach of Article 8 of the ICESCR. It has been observed that the Committee ,was taken an excessively strict line on this question’, for it should not matter whether there is a ,right’ or ,freedom’ to strike, as long there is adequate protection of those who organize and participate in industrial action. This may be the principle that the Committee intended to promote for, in the case of the UK, it observed that the legal position is unacceptable, since industrial action is regarded as a breach of contract, which makes workers vulnerable to dismissal“. Vgl auch Craven, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (1998) 278.
Das Streikrecht im IPwskR
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innerstaatlichen Bereich verbunden wird.860 Auslegungsvarianten, die wie bei Floretta und Rebhahn erkennbar von Vorstellungen der österreichischen Rechtslehre inspiriert sind, scheiden damit aus.861 Ein zweiter Einwand betrifft die Stoßrichtung des in Art 8 Abs 1 lit d IPwskR verbürgten Streikrechts. Diskutiert wird nämlich die Frage, ob das Streikrecht als reines Abwehrrecht allein gegen den Staat gerichtet ist oder doch auch auf privatrechtliche Beziehungen ausstrahlt. Floretta klassifiziert die Streikrechtsverbürgung dabei als ein klassisches Abwehrrecht,862 womit die österreichische Rechtsordnung der sich daraus ergebenden Forderung bereits entspreche.863 Pitschas weist aber ganz allgemein darauf hin, dass innerhalb des Regelungsgefüges des IPwskR den echten Abwehrrechten gegenüber staatlichen Handeln die sog Schutzpflichten864 des Staates zur Seite stehen, die dann schlagend werden, wenn Dritte geschützte Paktrechte verletzten.865 Insofern 860
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So VfGH 14.10.1987, B 267/86, VfSlg 11.500 = JBl 1988, 302 = ÖJZ-VfGH 1988/23, 474 = ZfVB 1988/1233 = ZfVB 1988/1265 = ZfVB 1988/1317. Vgl auch Scovazzi, The Application by Italian Courts of Human Rights Treaty Law, in Conforti/Francioni (Hrsg), Enforcing International Human Rights in Domestic Courts (1997) 59 (63 f). Vgl weiters Tomuschat in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1479, der in Bezug auf den IPbpR davor warnt, dass man in keinem Land, welches diesen Pakt akzeptiert habe, ohne weiteres davon ausgehen könne, dass der Pakt gewiss nur so weit gehe, wie es die nationale Rechtsordnung ohnehin gebracht habe. Für den IPwskR wird nichts anderes gelten können. So auch Cerny, DRdA 1983, 71. Vgl weiters Birk, Derogations and Restrictions on the Right to Strike under International Law, in Blanpain (Hrsg), Labour Law, Human Rights and Social Justice. Liber amicorum in honour of Ruth Ben-Israel (2001) 95 (98): „(…) a country simply cannot permanently ignore, refuse to recognize, or abrogate the right in its entirety. By having ratified the treaty, a nation has accepted its general principles, and neither its legislature nor its courts are empowered to make or recognize any law which would conflict with these principles“. IS einer staatlichen Nichteinmischung in die Gewerkschaftsbildung und -betätigung. Floretta in Floretta/Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen (1978) 15; ebenso als Abwehrrecht klassifizierend: Beyerlin in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1162. In diese Richtung auch Fabricius, Menschenrechte und Europäische Politik (1998) 28. Zum Begriff vgl etwa Berka in Rill/Schäffer (Hrsg), BVR-Komm, Vorbem StGG Rz 29: „Sie verpflichten den Staat, die gewährleisteten Freiheiten vor Eingriffen von dritter (nicht-staatlicher) Seite zu schützen oder sie durch eine entsprechende Ausgestaltung zu effektuieren“. Dass den Staat auch Schutzpflichten treffen können, betont auch der IPwskR-Ausschuss selbst. Vgl dazu: CESCR 20.1.2003, E/C.12/2002/11, Allgemeine Bemerkung Nr 15. Das Recht auf Wasser (Artikel 11 und 12), in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 314 (324); CESCR 11.8.2000, E/C.12/2000/4, Allgemeine Bemerkung Nr 14. Das Recht auf ein Höchstmaß an Gesundheit (Artikel 12), in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 285 (299 ff); CESCR 8.12.1999, E/C.12/1999/10, Allgemeine Bemerkung Nr 13. Das Recht auf Bil-
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
treffen – Pitschas zufolge – den Staat auch Unterlassungspflichten, deren Überwachung justiziabel ausgestaltet werden kann.866 Anknüpfend daran wird mE bei der in Rede stehenden Einordnung des Streikrechts der sprachlichen Fassung von Art 8 IPwskR zu wenig Beachtung geschenkt. Art 8 IPwskR spricht von einer Gewährleistung der darin enthaltenen Rechte, während die Art im übrigen Teil III die im Vergleich dazu schwächere Formulierung der „Anerkennung“ der dort verbürgten Rechte verwenden. Die der Aufzählung der konkreten Paktrechte in Art 8 IPwskR vorangestellte Verpflichtung zur Gewährleistung beschränkt sich mE schon auf der sprachlichen Ebene nicht nur auf ein rein passives Verständnis von der diesbezüglichen Rolle des Staates,867 sondern deutet darüber hinaus ein aktives Tätigwerden des Staates iS der vorhin von Pitschas beschriebenen Weise, also iS einer Sicherung des fraglichen Rechts868 gegenüber Eingriffen Dritter an.869 Für diese Auffassung spricht auch die englische (undertake to ensure) und französische (s’engager à assurer)
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dung (Artikel 13), in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 263 (279); CESCR 12.5.1999, E/C.12/1999/5, Allgemeine Bemerkung Nr 12. Das Recht auf angemessene Nahrung (Artikel 11), in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 250 (255). Pitschas, Europäische Grundrechte-Charta und soziale Grundrechte, VSSR 2000, 207 (217). Generell dazu Morawa/Schreuer in Conforti/Francioni (Hrsg), Enforcing International Human Rights in Domestic Courts (1997) 183 f: „An important starting point should be the recognition of the international law of human rights as a body of law of a higher order. This body of law creates obligations not only between individual states, but erga omnes, which should give them precedence over other prescriptions and endow them with a guiding role in the interpretation and application of both international and domestic law“ (Hervorhebung im Original). Zuleeg, RdA 1974, 326, wiederum möchte zur Lösung der vorliegenden Frage an den Schlussteil der Präambel anknüpfen, wonach der Einzelne gegenüber seinen Mitmenschen und der Gemeinschaft Pflichten habe und gehalten sei, für die Förderung und Achtung der im Pakt anerkennten Rechte einzutreten; daraus könne man – Zuleeg zufolge – auf eine Drittwirkung der Paktrechte schließen. Zuleeg möchte diesen Schluss mangels normativer Relevanz der Präambel und mangels weiterer Anhaltspunkte für eine Drittwirkung im Hauptteil des Paktes aber nicht ziehen. ISd abwehrrechtlichen Konzeption einer Nichteinmischung des Staates. ISd Doktrin von den staatlichen Schutzpflichten. Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz (2005) 101 f, charakterisieren Gewährleistungspflichten (duty to ensure) dahingehend, dass die verpflichteten Staaten sicherzustellen haben, dass die Menschenrechte für die Berechtigten in möglichst umfassender Weise zur Realität werden. Dazu seien uU umfassende gesetzgeberische oder administrative Maßnahmen notwendig. Gerade bei den aus Art 8 IPwskR resultierenden Verpflichtungen sind aber nach der Auffassung des IPwskR-Ausschusses keine Umsetzungsmaßnahmen notwendig, sodass die darin enthaltenen Garantien von den Gerichten unmittelbar angewendet werden können: CESCR 14.12.1990, E/1991/23, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 184 f und speziell für das Streikrecht: CESCR 7.12.1998, E/C.12/1/ Add.30, Concluding observations of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights: Switzerland, abrufbar unter: www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/(Symbol)/b4eeccfc5299 02c3802566d400587184?Opendocument (20.2.2008).
Das Streikrecht im IPwskR
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Fassung der Einleitungsformel von Art 8 IPwskR. Wäre mit der einleitenden Verpflichtungsformel nur die Sicherstellung der staatlichen Nichteinmischung in die Gewerkschaftsbildung und -betätigung gemeint gewesen, ist aber kein plausibler Grund erkennbar, warum dann nicht – wie im übrigen Teil III auch – die stärker darauf hindeutende Wendung von der „Anerkennung“ gewählt wurde. Es sprechen daher mE die besseren Gründe dafür, die Streikrechtsverbürgung nicht ausschließlich als alleiniges, gegen den Staat gerichtetes Abwehrrecht zu konstituieren.870
2.3. Begrenzte Wirkung des Streikrechts durch Verweisung auf die innerstaatliche Rechtsordnung? Kryptisch erscheint auf den ersten Blick die mit der Gewährleistung des Streikrechts in Art 8 Abs 1 lit d IPwskR verbundene Formulierung, wonach die Ausübung des Streikrechts an die Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung gebunden ist. Rebhahn zufolge spreche diese Bezugnahme auf die „innerstaatlichen Gesetze“ gegen die Annahme eines subjektivprivaten Kampfrechts;871 mit dieser Einschränkung sollen – Rebhahn zufolge – nur solche Bestimmungen verboten werden, die den Streik überhaupt unterbinden wollen,872 sodass die Anwendung der allgemeinen Regeln des Arbeitsund Zivilrechts sicher mit dem IPwskR vereinbar sei.873 Ganz anders deutet Zuleeg den Hinweis auf die Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung. Zuleeg zufolge erlange diese Vorschrift nur Bedeutung iVm dem in Art 2 Abs 2 IPwskR statuierten Diskriminierungsverbot.874 Echterhölter glaubt, in der Formulierung eine Verweisung auf die jeweilige nationale Rechtsordnung zu erkennen.875 Künzli/Kälin wiederum betonen, dass dieser Vorbehalt nicht den Inhalt des Streikrechts beschlage, sondern den Paktstaaten lediglich erlaube, die Zulässigkeit des Streiks von gewissen formellen Voraussetzungen (Einhalten einer Wartefrist, vorgängiges Vermittlungsverfahren) abhängig zu machen.876 870
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Vgl auch Craven, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (1998) 110 FN 16; aA Scherf, Die Umsetzung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland (1990) 65 f, 150. Rebhahn, DRdA 1982, 138; vgl dazu auch dens, DRdA 2004, 405, wo die „geringe Regelungsdichte“ des IPwskR ins Treffen geführt wird. Ähnlich auch Beyerlin in Mosler/ Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1168 und Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht (2006) § 4 Rz 58. Wie Rebhahn auch Reuter, Die Grenzen des Streikrechts, ZfA 1990, 535 (544). Rebhahn, DRdA 1982, 222 f. Zuleeg, RdA 1974, 329. Echterhölter, BABl 1973, 498. Künzli/Kälin in Kälin/Malinverni/Nowak (Hrsg), Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte2 (1997) 123. Ähnlich auch Cerny, DRdA 1983, 72 FN 101 und Nowak,
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
ME ist letzterer Deutung dieser Schrankenbestimmung zu folgen. Denn aus dem Charakter des IPwskR als weltumspannender Sozialverfassung877 einerseits, und dem einer programmatischen Auflistung universeller Menschrechtsforderungen andererseits folgt gleichzeitig, dass es im höchsten Maße unzweckmäßig wäre, die näheren Bedingungen der Streikrechtsausübung878 in den Pakt aufzunehmen. Es ist daher nahe liegend, die konkrete Ausgestaltung der Streikrechtsausübung den einzelnen Paktstaaten zu überantworten und einen Hinweis darauf in die Verbürgung selbst aufzunehmen. Zudem muss ein Pakt, der auf weltweite Akzeptanz ausgerichtet ist, damit zwangsläufig den Eigenarten der Rechtssysteme der jeweiligen Unterzeichnerstaaten Rechnung tragen.879 Für dieses Verständnis von der Schrankenregelung des Art 8 Abs 1 lit d IPwskR streitet auch der Vergleich mit anderen internationalen Verbürgungen des Streikrechts. Art 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert das Streikrecht ganz ähnlich wie Art 8 Abs 1 lit d IPwskR mit dem Hinweis auf die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.880 Mit dieser vertikalen Schranke wird dabei aber nur auf eine bestimmte Handhabung (Auslegung) der jeweiligen Garantien in den Mitgliedstaaten verwiesen,881 ohne aber das garantierte Recht selbst in Frage zu stellen. Damit zeigt sich, dass der Verweis auf die innerstaatliche Rechtsordnung nicht dazu benutzt werden kann, das durch den IPwskR gewährleistete Streikrecht zu neutralisieren,882 sondern vielmehr, dass der IPwskR die Grundsatzverpflich-
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Inhalt, Bedeutung und Durchsetzungsmechanismen der beiden UNO-Menschenrechtspakte, in Kälin/Malinverni/Nowak (Hrsg), Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte2 (1997) 3 (18). So Menzel, Die Sozial-Charta der Vereinten Nationen und ihre Bedeutung für die Bundesrepublik, ZSR 1972, 1 (8). Es versteht sich von selbst, dass die Ausübung eines Rechts, das mit schweren wirtschaftlichen Schäden verbunden sein kann, nicht schrankenlos erfolgen kann: s nur KahnFreund, Arbeit und Recht (1979) 239 f. Bereits für den – im weltweiten Vergleich – doch eher überschaubaren Geltungsbereich der MRK weist der EGMR auf das große Maß an Divergenz zwischen den innerstaatlichen Systemen im Bereich der Gewerkschaftsfreiheit hin: EGMR 2.7.2002, 30668/96, 30671/96, 30678/96, Wilson ua/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-V = ÖJZ-MRK 2003/32, 729 = ArbuR 2003, 77 = ecolex 2003, 139. Vgl dazu auch Hilpold in FS Pernthaler 169 f. Ähnlich die Formulierung auch in P 13 der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer. Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004) Rz 483 f; vgl auch Rebhahn in GedS Heinze 655 und dens, Zur Bedeutung des Art 30 der Grundrechtscharta der EU betreffend den Kündigungsschutz, in Kuras/Neumayr/Spenling (Hrsg), Beiträge zum Arbeits- und Sozialrecht. Festschrift für Peter Bauer, Gustav Maier, Karl Heinz Petrag (2004) 283 (291). Rebhahn spricht dabei von einem Ausgestaltungsvorbehalt, der dem geschützten Recht wohl nicht jede Bedeutung nehmen solle, auf der anderen Seite im Bereich des grundrechtlichen Mindeststandards ganz bewusst Raum für nationale Besonderheiten und Gestaltung eröffne. ISd Umdeutung in eine Streikfreiheit; vgl Birk in Blanpain (Hrsg), Labour Law, Human Rights and Social Justice. Liber amicorum in honour of Ruth Ben-Israel (2001) 99.
Die fristlose Lösungsmöglichkeit und das Streikrecht des IPwskR
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tung zur Gewährleistung des Streikrechts883 festschreibt, die nähere Ausgestaltung derselben den jeweiligen Vertragsstaaten selbst überlässt
III. Die fristlose Lösungsmöglichkeit und das Streikrecht des IPwskR 1.
Einleitung
Nach diesen inhaltlichen Klarstellungen hinsichtlich des in Art 8 Abs 1 lit d IPwskR verbürgten Streikrechts gilt es jetzt abschließend, die Betrachtung wieder auf die Kernfrage vorliegender Arbeit zurückzuführen: Gibt die kampfbedingte Arbeitseinstellung dem AG das Recht, das Arbeitsverhältnis des kampfteilnehmenden AN fristlos aufzulösen? Gezeigt werden soll, dass aufgrund der von Österreich mit Art 8 Abs 1 lit d IPwskR übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtung, das Streikrecht zu gewährleisten, die rechtmäßige Entlassung streikender AN bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ausscheidet. Dogmatischer Ansatzpunkt dafür ist die Analyse des in § 27 Z 4 Fall 1 AngG statuierten Hinweises auf das Fehlen eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes und die daran anschließende Einordnung des rechtmäßigen Streiks über die Ausübung dieses Streikrechts als einen solchen.884
2.
Streik, Streikrecht und der „rechtmäßige Hinderungsgrund“
§ 27 Z 4 Fall 1 AngG erlaubt die Entlassung eines AN dann, wenn dieser ohne einen rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Dienstleistung unterlässt. Steht daher dem AN ein rechtmäßiger Hinderungsgrund zur Seite, so ist dem AG mangels Pflichtwidrigkeit der Leistungsvorenthaltung die rechtmäßige Entlassung verwehrt.885 Wie muss nun ein derartiger Hinderungsgrund beschaffen sein, damit das pflichtwidrige Unterlassen der Dienstleistung gerechtfertigt werden kann? Der OGH präzisiert dabei einen rechtmäßigen Hinderungsgrund in mehrfacher Hinsicht. Grundsätzlich können sich rechtmäßige Hinderungsgründe aus Gesetzen, aus 883
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Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 453 und Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 109, zufolge ergebe sich aus dem zu Art 6 Z 4 ESC (Streikrecht) erklärten Vorbehalt, dass die österreichische Rechtsordnung einem subjektiven Recht auf Arbeitskampf ablehnend gegenüberstehe. Diese Ablehnung ist durch die (zeitlich) nachfolgende ausdrückliche Übernahme der aus dem IPwskR resultierenden Verpflichtung, das Streikrecht zu gewährleisten, gleichsam derogiert worden. Folgende Ausführungen gelten auch für Arbeiter, die der GewO 1859 unterliegen, da die Entlassungstatbestände des § 82 lit f GewO 1859 iSd § 27 Z 4 AngG auszulegen sind: Vgl dazu nur OGH 18.12.2002, 9 ObA 249/02m, DRdA 2003, 286 = DRdA 2004/4, 45 (Posch) = RdW 2003/518, 597 = ecolex 2003/119 = ASoK 2003, 386 = infas 2003 A 40 = ARD 5418/4/2003. Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 66.
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
dem KollV oder aus dem Arbeitsvertrag ergeben.886 Anknüpfend daran sieht der OGH einen rechtmäßigen Hinderungsgrund dann vorliegen, wenn dem AN unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine vertragsgemäße Arbeitsleistung billigerweise nicht zugemutet werden kann.887 Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen werden von der Judikatur jedenfalls solche Dienstverhinderungen als rechtmäßige Hinderungsgründe anerkannt, die kraft Gesetzes Entgeltfortzahlungsansprüche begründen, somit Krankheit und Unglücksfall,888 Pflegefreistellung889 und jene Hinderungsgründe, die Entgeltfortzahlungsansprüche auf Basis von § 8 Abs 3 AngG auslösen.890 Zur Bestimmung eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes wird somit schwergewichtig auf jene Hinderungsgründe abgestellt, die trotz Entfalls der Arbeitsleistung den Entgeltanspruch des AN unberührt lassen. Damit erlangt auch die Formel zur Konkretisierung des wichtigen, in der Person des AN gelegenen Hinderungsgrundes891 Relevanz für § 27 Z 4 Fall 1 AngG.892 Überhaupt kann nach Ansicht 886
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Grillberger in Löschnigg (Hrsg), Angestelltengesetz II8 (2007) § 27 Rz 108; Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 106; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 239; ASG Wien 9.4.1991, 25 Cga 743/90, ARD 4304/7/91. OGH 2.9.1987, 9 ObA 61/87, RdW 1988, 53 = ARD 3954/14/88; OGH 13.5.1986, 14 Ob 74/86, Arb 10.521 = DRdA 1987, 23 = infas 1986 A 129; OGH 19.4.1977, 4 Ob 22/77, Arb 9578 = ZAS 1978/23, 180 (Fischer). Ebenso LG St. Pölten 24.7.2003, 33 Cga 144/02i, ZAS-Judikatur 2004/69, 127. OGH 23.1.2003, 8 ObA 113/02d, ARD 5418/10/2003; OLG Wien 28.4.2000, 9 Ra 351/99z, ARD 5208/47/2001; OLG Linz 7.6.1988, 12 Ra 14/88, Arb 10.718 = ZASB 1989, 10. OGH 16.2.2000, 9 ObA 335/99a, DRdA 2000, 537 = EvBl 2000/465, 608 = ÖJZ-LSK 2000/145 = RdW 2000/465, 497 = ASoK 2000, 362 = infas 2000 A 67 = ARD 5109/12/2000; OGH 26.1.1995, 8 ObA 201/95, DRdA 1995, 420 = ZASB 1995, 13 = wbl 1995, 335 = RdW 1995, 439 = ecolex 1995, 505 = infas 1995 A 85 = ARD 4643/25/95. OGH 25.4.1996, 8 ObA 2058/96x, SZ 69/105 = Arb 11.521 = DRdA 1996, 520 = ZASB 1997, 1 = ZAS 1997/5, 55 (Apathy) = RdW 1997, 88 = ecolex 1996, 786 = infas 1996 A 128 = ARD 4779/26/96; OGH 23.5.1990, 9 ObA 136/90, ZASB 1990, 21 = wbl 1990, 341 = RdW 1990, 454 = infas 1991 A 129 = ARD 4203/10/90; OLG Linz 7.6.1988, 12 Ra 14/88, Arb 10.718 = ZASB 1989, 10. Zu betonen ist dabei, dass die fehlende Entgeltfortzahlungspflicht nicht den Schluss auf das Fehlen eines Dienstverhinderungsgrundes rechtfertigt: Kuderna, Das Entlassungsrecht2 (1994) 106 FN 3; Löschnigg, Der erweiterte Pflegefreistellungsanspruch nach § 16 UrlG, wbl 1993, 74 (78 FN 19). Gemeint ist damit die Spruchformel, wonach als andere wichtige, die Person des AN betreffende Gründe solche zu verstehen sind, die in der Person des AN entstanden sind sowie solche, die den AN angehen und ihn entweder durch ihre unmittelbare Einwirkung an der Dienstleistung hindern oder nach Recht, Sitte oder Herkommen wichtig genug erscheinen, um ihn von der Arbeit abzuhalten. Vgl dazu nur OGH 27.5.1992, 9 ObA 70/92, DRdA 1992, 466 = DRdA 1993/7, 45 (Ritzberger-Moser) = ZASB 1992, 17 = RdW 1992, 381 = infas 1992 A 144 = ARD 4379/10/92 und Drs, Sonstige Dienstverhinderungsgründe, in Resch (Hrsg), Fragen der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (2004) 39 (42 ff). Beispielsweise LGZ Wien 17.11.1980, 44 Cg 163/80, Arb 9918 = ZAS 1981, 121 = SozM I A/b 111. Vgl auch Martinek/Schwarz, Abfertigung. Auflösung des Arbeitsverhältnisses (1980) 156 f, 159 f; Drs in Resch (Hrsg), Fragen der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeit-
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des OGH jede unvorhergesehene Kollision der arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung mit höherrangigen Pflichten das Unterbleiben der vertraglich geschuldeten Dienstleistung rechtfertigen,893 wobei für den Fall, dass es sich um einen gesetzlich nicht geregelten Rechtfertigungsgrund handelt,894 eine Interessenabwägung zwischen vertraglicher Arbeitspflicht und der anderweitigen privaten Pflicht vorzunehmen ist.895 Im Rahmen dieser Interessenabwägung stehen einander auf der einen Seite die vertraglich geschuldete Erfüllung der Arbeitspflicht und auf der anderen Seite diverse nach Recht, Sitte oder Herkommen wichtige persönliche Gründe gegenüber.896 Prägnant formuliert zusammenfassend das OLG Wien, dass als rechtmäßig jedes Hindernis anzusehen ist, das in der Erfüllung höherer Pflichten begründet ist. 897 Es fällt zwar auf, dass in der vorhin referierten Rechtsprechung überwiegend von Pflichten gesprochen wird, deren Erfüllung das Unterbleiben der Dienstleistung rechtfertigt. Dennoch kann nach der Rechtsprechung auch die Ausübung eines Rechts, das mit dem Unterbleiben der Arbeitsleistung verbunden ist, die Pflichtwidrigkeit beseitigen. So erklärte der OGH die Entlassung eines AN, der wegen Lohnrückständen von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machte, als ungerechtfertigt.898 In einer anderen Entscheidung wurde das Aufsuchen der Gewerkschaft während der Dienstzeit als rechtmäßiger Hinderungsgrund anerkannt.899
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gebers (2004) 41 FN 2 und Schindler in Resch (Hrsg), Fragen der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (2004) 77. OGH 23.5.1990, 9 ObA 136/90, ZASB 1990, 21 = wbl 1990, 341 = RdW 1990, 454 = infas 1991 A 129 = ARD 4203/10/90; OGH 18.10.1989, 9 ObA 260/89, RdW 1990, 124 = ecolex 1990, 47 = ARD 4142/17/90; OGH 2.9.1987, 9 ObA 61/87, RdW 1988, 53 = ARD 3954/14/88; OGH 17.7.1987, 9 ObA 17/87, Arb 10.649 = DRdA 1988, 149 = wbl 1987, 342 = RdW 1987, 419 = infas 1988 A 33 = ARD 3979/18/88. OGH 25.4.1996, 8 ObA 2058/96x, SZ 69/105 = Arb 11.521 = DRdA 1996, 520 = ZASB 1997, 1 = ZAS 1997/5, 55 (Apathy) = RdW 1997, 88 = ecolex 1996, 786 = infas 1996 A 128 = ARD 4779/26/96. OGH 23.5.1990, 9 ObA 136/90, ZASB 1990, 21 = wbl 1990, 341 = RdW 1990, 454 = infas 1991 A 129 = ARD 4203/10/90. So auch Pfeil, DRdA 1983, 119 und Spielbüchler, DRdA 1971, 237. OGH 11.2.1999, 8 ObA 21/99t, RdW 1999, 368 = ASoK 1999, 331 = ARD 5024/3/99; OGH 25.4.1996, 8 ObA 2058/96x, SZ 69/105 = Arb 11.521 = DRdA 1996, 520 = ZASB 1997, 1 = ZAS 1997/5, 55 (Apathy) = RdW 1997, 88 = ecolex 1996, 786 = infas 1996 A 128 = ARD 4779/26/96; OGH 23.5.1990, 9 ObA 136/90, ZASB 1990, 21 = wbl 1990, 341 = RdW 1990, 454 = infas 1991 A 129 = ARD 4203/10/90. OLG Wien 25.6.1990, 32 Ra 59/90, ARD 4191/13/90. OGH 25.5.1994, 9 ObA 6/94, SZ 67/93 = Arb 11.196 = DRdA 1994, 522 = DRdA 1995/24, 315 (Jabornegg) = ZASB 1994, 21 = ZAS 1995/18, 162 (Micheler) = RdW 1994, 357 = infas 1994 A 143 = Ind 1995/2255 H 2, 9 = ARD 4594/3/94; s auch Grillberger in Löschnigg (Hrsg), Angestelltengesetz II8 (2007) § 27 Rz 108; Pfeil in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 27 AngG Rz 107; Trost in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2005) § 121 Rz 41. OGH 15.6.1962, 4 Ob 14/62, Arb 7576 = SozM I A/d 477.
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Dass damit auf der Ebene der Entlassungstatbestände900 Rücksicht auf jene Rechts- und Pflichtenpositionen genommen wird,901 die dem AN an anderer Stelle übertragen worden sind, aber mit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten kollidieren können, ist konsequent. Der Effekt, der durch die von § 27 Z 4 Fall 1 AngG vorgenommene Anerkennung von Hinderungsgründen, die die Nichtleistung der Arbeit rechtfertigen können, erzielt wird, zeigt sich plastisch am Fall einer Zeugenladung, also einer den AN treffenden Pflicht, deren Erfüllung im gesamtgesellschaftlichen Interesse einer funktionierenden Rechtspflege steht. Wäre hier es dem AG erlaubt, zufolge der sich aus der Erfüllung der Zeugenpflicht resultierenden Unterlassung der Arbeitsleistung das Arbeitsverhältnis fristlos zu lösen, wäre damit der AN von Rechts wegen in eine Situation gedrängt, die für den AN uU902 nicht bewältigbar ist.903 Damit dient die Rücksichtnahme auf mögliche Rechtfertigungsgründe für das Unterbleiben der Arbeitsleistung letztlich auch einem fundamentalen Anliegen904 der Rechtsordnung, ein widerspruchsfreies Regelungssystem zu etablieren („Einheit der Rechtsordnung“).905 Der Gedanke von der Einheit der Rechtsordnung ist nicht nur ein methodologisches Postulat,906 sondern zugleich – wie Canaris betont – Ausfluss des Gerechtigkeitsgebotes907 und im vorliegenden Zusammenhang auch Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit Österreichs bei der Realisierung sozialer Rechte. Wenn Österreich zwar völkerrechtlich das Streikrecht nicht nur anerkennt, sondern sich sogar verpflichtet, das Streikrecht zu gewährleisten, innerstaatlich aber dieses soziale Menschenrecht ignoriert,908 wird zwar der an anderer Stelle entwickelte Ansatz der Trennungstheorie in abgewandelter Form auch auf dieser Ebene konsequent fortgeführt. Schaden nimmt durch ein derartig zwiespältiges Verhalten aber die internationale 900 901
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Gemeint sind § 27 Z 4 Fall 1 AngG und § 82 lit f Fall 1 GewO 1859. Rechtstechnisch dadurch, dass die rechtmäßige fristlose Auflösung auf der Grundlage von § 27 Z 4 Fall 1 AngG an die negative Voraussetzung des Nichtvorliegens eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes gebunden ist. Nämlich dann, wenn der AG hier die Zustimmung zur Abwesenheit nicht erteilt. Vgl dazu OGH 13.7.1982, 4 Ob 73, 74/82, Arb 10.146 = DRdA 1983, 36 = DRdA 1985/11, 204 (Mörkelsberger) = SozM I A/d 1292. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz2 (1983) 16. Dazu Zippelius, Juristische Methodenlehre10 (2006) 49, 52; Kramer, Juristische Methodenlehre2 (2005) 77 f; Wank, Die Auslegung von Gesetzen3 (2005) 81; ders, Arbeitnehmer und Selbständige (1988) 381 ff; Engisch, Einführung in das juristische Denken10 (2005) 209 ff; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz2 (1983) 16 f; umfassend dazu Felix, Einheit der Rechtsordnung. Zur verfassungsrechtlichen Relevanz einer juristischen Argumentationsfigur (1998) und Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung (1995). Eher krit Rüthers, Rechtstheorie3 (2007) Rz 278 f, aber doch dieses Postulat anerkennend als „methodischer Hilfsbegriff bei der Rechtsanwendung, mit dem festgestellte Wertungswidersprüche überwunden (…) werden können“. Wank, Die Auslegung von Gesetzen3 (2005) 81 ff. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz2 (1983) 16 f. Durch die Zulassung der rechtmäßigen fristlosen Entlassung streikender AN bei Ausübung des Streikrechts.
Die fristlose Lösungsmöglichkeit und das Streikrecht des IPwskR
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Glaubwürdigkeit Österreichs auf dem Gebiet sozialer und wirtschaftlicher Menschenrechte. Aber auch abgesehen von diesen rechtspolitischen Erwägungen fordert mE eine streng dogmatische Betrachtungsweise, einen Streik über die Ausübung des im IPwskR verbürgten Streikrechts als rechtmäßigen Hinderungsgrund iSv § 27 Z 4 Fall 1 AngG anzuerkennen. Ein rechtmäßiger Hinderungsgrund rechtfertigt das an sich pflichtwidrige Unterlassen der Dienstleistung. Die gesetzliche Bezugnahme auf das Nichtvorliegen eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes etabliert damit eine Art Einfallspforte für objektive Rechtfertigungsnormen, welche die Nichterbringung der Arbeitsleistung vom Vorwurf der Vertragsverletzung befreien. Ist also der AN zur Unterlassung der Arbeit aus Gründen, die Gesetz oder KollV und damit die Rechtsordnung insgesamt vorsehen, berechtigt, ist dem AG die Möglichkeit zur rechtmäßigen Entlassung auf Basis von § 27 Z 4 Fall 1 AngG verschlossen.909 Auf einen Nenner gebracht lässt sich die Bedeutung des rechtmäßigen Hinderungsgrundes damit wie folgt charakterisieren: Was die Rechtsordnung selbst als Grund910 für die Unterlassung der Dienstleistung anerkennt, kann auf der Ebene des Arbeitsvertrages nicht pflichtwidrig sein.911 Ein von der Rechtsordnung anerkannter Grund, der den AN zur Unterlassung der Dienstleistung berechtigt, ist nun zufolge des im IPwskR verbürgten Streikrechts die kampfweise Arbeitseinstellung. Dass der IPwskR und damit auch das in Art 8 Abs 1 lit d IPwskR garantierte Streikrecht Bestandteile der österreichischen Rechtsordnung sind, wurde bereits vorhin ausgeführt.912 Auch von seiner Struktur her ist das Streikrecht geeignet, den Streik als rechtmäßigen Hinderungsgrund zu erfassen. Denn ein Streikrecht konstituiert die kampfbedingte Arbeitseinstellung als einen Rechtfertigungsgrund, der die Verletzung der Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag rechtfertigt.913 Diese Struktur weist auch das in Art 8 Abs 1 lit d IPwskR garantierte Kampfrecht auf.914 Damit anerkennt die 909
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Martinek/Schwarz, Abfertigung. Auflösung des Arbeitsverhältnisses (1980) 157; Drs in Resch (Hrsg), Fragen der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (2004) 41; Pfeil in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 27 AngG Rz 102. Und zwar gleichgültig, ob es um die Erfüllung einer Pflicht oder um die Wahrnehmung eines Rechts geht. Vgl auch Csebrenyak, Dienstverhinderung: Fernbleiben auch ohne Erlaubnis des Dienstgebers? DRdA 1970, 216 (217): „(…) rechtmäßig ist, was nach dem Gesetz (oder Kollektivvertrag) erlaubt ist. Wer daher aus einem durch Gesetz oder Kollektivvertrag gedeckten Hinderungsgrund der Arbeit fernbleibt, tut dies nicht unbefugt“. Ähnlich Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 239. Vgl dazu Seite 162. Nowakowski, DRdA 1967, 89; ebenso das Verständnis vom Streikrecht als Rechtfertigungsgrund bei: Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 453; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 109; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1975) 182; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 244, 249; Bulla in FS Nipperdey (1955) 170. Vgl dazu die Ausführungen des IPwskR-Ausschusses auf Seite 168. Vgl weiters Craven, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (1998) 278: „De-
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
Rechtsordnung an eine Stelle den Streik als einen Grund,915 der den AN zur Unterlassung der Arbeitsleistung berechtigt.916 Wenn es mit dem gesetzlichen Verweis auf rechtmäßige Hinderungsgründe zentral darum geht, Wertungswidersprüche zu vermeiden,917 dann muss dieser Gedanke auch im Zusammenhang mit dem Streikrecht des IPwskR gelten. Es gebietet daher letztlich das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung918, die Streikteilnahme – vermittelt durch das im IPwskR verbürgte Streikrecht – als einen rechtmäßigen Hinderungsgrund anzuerkennen.919
3.
Der Ansatz von Schindler
Unterstützung finden obige Ausführungen durch eine neuere Arbeit von Schindler, der ebenfalls die Möglichkeit zur fristlosen Entlassung streikender AN verneint, indem er ebenso einen Streik als einen Dienstverhinderungsgrund qualifiziert. Dieses Ergebnis gewinnt Schindler aber nicht durch die Annahme eines Streikrechts,920 sondern durch die Annahme, dass nach Sitte und Herkommen921 die Teilnahme an einem Streik gerechtfertigt sei, sodass ein die rechtmäßige Entlassung ausschließender Dienstverhinderungsgrund vorliege. Schindler beruft sich dazu sowohl auf die Überzeugung der AN, wonach während eines Streiks das Recht bestehe, die Arbeit niederzulegen als auch auf Stimmen aus der Literatur, die diese Ansicht unterstützen. Das Rechtsempfinden der Bevölkerung erweise sich damit als richtig bzw bestätige sich selbst, da der Gesetzgeber die Werthaltung der BürgerInnen – eben Sitte und Herkommen – für maßgeblich erklärt habe. Dieses Ergebnis trage auch dazu bei, grobe Konflikte mit dem inhärenten Effizienzanspruch von Grund-
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spite the fact that the right to strike is generally exercised as a form of collective action taken by trade unions, it is framed as an individual right in the Covenant. This is significant in so far as it indicates that protection in the case of strikes should not merely be afforded to the Union concerned but also to the individual who should, in particular, be protected from dismissal on this ground“. Vgl auch Cerny, DRdA 1983, 72. Das EA Linz musste in seiner Entscheidung vom 19.12.1966, Re 44/66, Arb 8400 = Ind 1967/615 H 3, 4, noch das Vorliegen einer Norm, welche im Falle eines Streiks die Arbeitsverweigerung rechtfertigt, verneinen. S dazu Seite 176 f; allgemein dazu Schluep, Einladung zur Rechtstheorie (2006) Rz 1222. Dezidiert Reuter, Gibt es eine arbeitsrechtliche Methode? Ein Plädoyer für die Einheit der Rechtsordnung, in Dieterich/Gamillscheg/Wiedemann (Hrsg), Festschrift für Marie Luise Hilger und Hermann Stumpf (1983) 573 (587). Erwähnenswert in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung des EA Innsbruck vom 2.6.1923, 39, 40/23, Arb 3171, worin das EA die Streikbeteiligung im Koalitionsrecht verankert sieht und daran anknüpfend die Befolgung des Streikbeschlusses als rechtmäßigen Hinderungsgrund anerkennt. Schindler in Resch (Hrsg), Fragen der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (2004) 78. Also durch Heranziehung eines weiteren Bestimmungselementes zur Konkretisierung eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes.
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rechten, insbesondere des Art 11 MRK, und grobe Wertungswidersprüche innerhalb der Rechtsordnung zu vermeiden.922 Auch der Vergleich mit anderen anerkannten Dienstverhinderungsgründen spreche – Schindler zufolge – für die Tragfähigkeit dieser Rechtsauffassung. Viele der vor allem kollektivvertraglich normierten Dienstverhinderungsgründe seien vom rechtlichen Hintergrund her durchaus mit dem Arbeitskampf vergleichbar oder sogar weit weniger geschützt. Vergleiche man diese Fälle, aber etwa auch das Recht, zum Zwecke der Unterzeichnung eines Volksbegehrens der Arbeit fernzubleiben, so müsste man erneut erhebliche Wertungswidersprüche in Kauf nehmen, wenn man andererseits die Teilnahme an einem zulässigen Arbeitskampf nicht als Dienstverhinderungsgrund anerkennen wollte.923 Bemerkenswert ist, dass der Gedanke, ob Sitte und Herkommen die streikbedingte Arbeitseinstellung rechtfertigen können, bereits vom EA Linz in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1966 aufgegriffen, letztendlich aber verworfen wurde. Das EA verneinte nämlich das Vorliegen einer entsprechenden Verkehrssitte.924 Denn für die Annahme einer Verkehrssitte in diesem Bereich sei es erforderlich, dass diese nicht nur Geltung im Kreis der AN habe, sondern in allen an dem betreffenden Zweig des Verkehrslebens beteiligten Kreisen – und damit notwendigerweise auch im Kreis der AG – Geltung besitzen müsse. Da aber über die Rechtmäßigkeit des Streiks unter und zwischen den am Arbeitsleben mittelbar und unmittelbar beteiligten Verkehrskreisen die verschiedensten und gegensätzlichsten Auffassungen bestünden, vermochte das EA keine einheitliche Verkehrsauffassung der beteiligten Kreise hinsichtlich der rechtfertigenden Wirkung einer Streikteilnahme925 auszumachen.926 In der Tat berührt das EA mit seiner Begründung einen Aspekt, den Schindler mE zuwenig Beachtung schenkt. Gemeint ist damit der notwendige Bezugsrahmen für die Prüfung der Existenz einer Verkehrssitte, denn wie Gschnitzer formuliert, könne die Verkehrssitte zwar räumlich beschränkt sein, sie „muß aber dann dort in allen an dem betreffenden Zweig des Verkehrsleben beteiligten Kreisen, nicht nur in dem Interessentenkreis, welchem die eine Partei angehört, gelten“.927 Eine Verkehrssitte (Sitte und Herkommen), als rechtlich relevante Kategorie, kann also nur dann angenommen werden, wenn innerhalb des gesamten betroffenen Personenkreises auch ein Grundkonsens 922
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Schindler in Resch (Hrsg), Fragen der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (2004) 78 f. Schindler in Resch (Hrsg), Fragen der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (2004) 79. Zum Begriff der Verkehrssitte etwa plastisch Roth in Säcker/Rixecker (Hrsg), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch II5 (2007) § 242 Rz 12: „Es handelt sich dabei um in der Gesellschaft herausgebildete und verbindliche Verhaltenserwartungen, die aber (noch) nicht in gesetztes Recht Eingang gefunden haben“. ISd Annahme, ein Streik bilde einen rechtmäßigen Grund zur Unterlassung der Arbeitsleistung. EA Linz 19.12.1966, Re 44/66, Arb 8400 = Ind 1967/615 H 3, 4. Gschnitzer in Klang/Gschnitzer (Hrsg), ABGB IV/12 (1968) 406.
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über die in Rede stehende Frage feststellbar ist.928 Umgelegt auf die Argumentation von Schindler müsste also der Nachweis geführt werden, dass nicht nur die Arbeitnehmerseite, sondern auch die Arbeitgeberseite die Streikteilnahme als Dienstverhinderungsgrund anerkennt. Ein aussagekräftiges, wenngleich auch für sich allein genommen noch kein ausreichendes Indiz in diese Richtung ergibt sich mE aus den Beratungen im Umfeld des „ÖsterreichKonvents“. Im Rahmen eines zwischen den Sozialpartnern akkordierten Vorschlags zur verfassungsrechtlichen Kodifizierung von arbeitsweltbezogenen Grundrechten einigten sich die Bundesarbeitskammer, der ÖGB und die Bundeswirtschaftskammer darauf, auch die Koalitionsfreiheit in ihren Vorschlag aufzunehmen.929 Laut diesem Vorschlag soll der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit nicht nur das Recht von AN und AG umfassen, sich freiwillig zur Vertretung ihrer Interessen zusammenzuschließen und Vereinigungen zu bilden. Darüber hinaus sollen auch kollektive Betätigungsformen von der Koalitionsfreiheit geschützt werden: „Diese Vereinigungen und gesetzliche berufliche Interessenvertretungen können kollektive Maßnahmen ergreifen. Jede Person hat das Recht, an derartigen Maßnahmen teilzunehmen. Jeder Unternehmer darf Abwehrmaßnahmen ergreifen“.930 Die getroffene Formulierung, dass jede Person das Recht besitzen soll, an kollektiven (Kampf)Maßnahmen931 teilzunehmen, deutet mE stark in die Richtung der Anerkennung der Kampfteilnahme als Dienstverhinderungsgrund. Dh, diese grundsätzliche Einigung kann zumindest vorsichtig als Anerkennung des Streiks als Kampfmittel der Arbeitnehmerseite durch die Arbeitgeberseite gedeutet werden.932
IV. Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung 1.
Grundlegung
Das bisher erarbeitete Ergebnis, die kampfbedingte Arbeitsniederlegung über das Streikrecht des IPwskR als rechtmäßigen Hinderungsgrund anzuerkennen, bedarf einer Eingrenzung. Denn die prinzipielle Anerkennung der Streikteilnahme als einen die Verletzung der Arbeitspflicht rechtfertigenden Dienst928
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Zur Frage der Eruierung einer Verkehrssitte s Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 394 und umfassend dazu Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag (1970) 61 ff. Preiss, Sozialpartnervorschlag zu arbeitsweltbezogenen Grundrechten, DRdA 2005, 201 f; Karlhofer in Karlhofer/Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Österreichische und Europäische Perspektiven (2005) 7 (28). So die maßgebliche Passage; wiedergegeben bei Preiss, DRdA 2005, 202. Mit der Wendung „kollektive Maßnahmen“ sollen das Streik- und das Aussperrungsrecht garantiert werden: so Preiss, DRdA 2005, 203. Vgl dagegen die noch von großer Zurückhaltung geprägte Stellungnahme der Bundeswirtschaftskammer zur Frage eines Grundrechts auf Arbeitskampf anlässlich der Bemühungen um eine Neukodifikation der Grundrechte: Bundeswirtschaftskammer, Bundeskammer zum Problem eines Grundrechts auf Arbeitskampf und auf Kollektivverhandlungen, ZAS 1967, 61 f.
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verhinderungsgrund kann nicht bedeuten, dass damit jede Beteiligung an einer kollektiven Arbeitsniederlegung rechtfertigende Wirkung besitzt.933 Unbestritten ist, dass die Ausübung eines Rechts, das mit schwerer wirtschaftlicher Schädigung verbunden sein kann, nicht schrankenlos erfolgen kann. Der IPwskR selbst äußert sich zu den näheren Bedingungen der Streikrechtsausübung aber nicht, sondern überantwortet diese Aufgabe den nationalen Rechtsordnungen. Abseits der durch den IPwskR auferlegten grundsätzlichen Verpflichtung, das Streikrecht zu gewährleisten, verbleibt damit Raum für nationale Modifikationen und Gestaltungen.934 Es ist in diesem Zusammenhang nahe liegend, auf jene Kriterien abzustellen, anhand derer in der Lehre die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit der Gesamtaktion beurteilt wird.935 Damit bildet das durch Art 8 Abs 1 lit d IPwskR garantierte Streikrecht gewissermaßen das Scharnier zwischen der arbeitsvertraglichen Ebene und der Ebene der rechtmäßigen Gesamtaktion.936 Was somit auf der Ebene der Gesamtaktion als rechtmäßig anerkannt wird, besitzt durch das Streikrecht des IPwskR auch Relevanz für den Arbeitsvertrag.
2.
Die Kriterien
Die Rechtmäßigkeit (Rechtswidrigkeit) der Kollektivaktion beurteilt sich zum einen an bestehenden (gesetzlichen oder kollektivvertraglichen) Arbeitskampfverboten und zum anderen am (allgemeinen) Korrektiv der Sittenwidrigkeit. Hinzu tritt noch ergänzend die Frage nach dem Eingreifen weiterer Kampfgrenzen. Mangels aussagekräftiger Judikatur muss sich die folgende Darstellung an den von der Lehre herausgearbeiteten Kriterien orientieren.
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Vgl nur Beyerlin in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1165. SchwBG 28.6.1999, 4 C 146/1998, BGE 125 III 277 (282) = ArbuR 2000, 69 (mit Besprechungsaufsatz von Andermatt); Rebhahn, DRdA 2004, 405; Birk in Blanpain (Hrsg), Labour Law, Human Rights and Social Justice. Liber amicorum in honour of Ruth BenIsrael (2001) 96, 99; Seiter, Die neue Aussperrungsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – Zu den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Juni 1980 –, RdA 1981, 65 (70); Beyerlin in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1165; Menzel, ZSR 1972, 12. Ähnlich operiert auch das SchwBG in seinem Entscheid vom 28.6.1999, 4 C 146/1998, BGE 125 III 277 (284) = ArbuR 2000, 69 (mit Besprechungsaufsatz von Andermatt). Damit wird letztlich auch die Konzeption der Trennungstheorie überwunden. Diese – wenn man so will – „Einheitslösung“ war aber nicht Ausgangspunkt der Betrachtung, sondern deren Ergebnis. Es bedingt also nicht die Theorie das Ergebnis, sondern das Ergebnis der Untersuchung bestätigt (widerlegt) die bisher vertretenen theoretischen Konzepte.
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
2.1. Arbeitskampfverbote Eine Kampfführung gegen bestehende Arbeitskampfverbote begründet die Rechtswidrigkeit der Gesamtaktion. Arbeitskampfverbote beruhen dabei auf Gesetz oder auf KollV.
2.1.1.
Die kollektivvertragliche Friedenspflicht
Mit dem kollektivvertraglichen Arbeitskampfverbot ist die kollektivvertragliche Friedenspflicht angesprochen.937 Der einst geführte Streit um die Geltungsgrundlage der kollektivvertraglichen (relativen) Friedenspflicht938 ist nach heutigem Stand der Lehre zugunsten der Immanenztheorie entschieden.939 Die damit jedem KollV innewohnende relative Friedenspflicht verbietet den Kollektivvertragsparteien zwar, während der Laufzeit des KollV Arbeitskämpfe über die im KollV geregelten Gegenstände zu führen oder zu unterstützen.940 Nicht ausgeschlossen wird durch die relative Friedenspflicht aber die kampfweise Erzwingung kollektivvertraglich nicht erfasster Regelungsgegenstände941 oder die Durchführung eines Abwehrarbeitskampfes.942 Als Selbstpflicht begründet die relative Friedenspflicht ein Kampfverbot für die Kollektivver-
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Andere auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung, eines Einzelvertrages oder auf der Grundlage eines Verbandsstatutes beruhenden Kampfverbote spielen in der Praxis keine Rolle: Vgl Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 202 f. S dazu den bei Strasser, Die Rechtsgrundlage der tariflichen Friedenspflicht, RdA 1965, 401 (402 ff), angeführten Meinungsstand. Runggaldier in Tomandl (Hrsg), Arbeitsverfassungsgesetz (2007) § 2 Rz 10; Tomandl/ Schrammel, Arbeitsrecht I Gestalter und Gestaltungsmittel5 (2004) 132; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 97; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 162; Kitzberger, Grundprinzipien des österreichischen Arbeitskampfrechts, ArbuR 1993, 236 (237); früher bereits Bydlinski in Kummer (Hrsg), Der Streik in der gesellschaftlichen Ordnung von heute (1962) 25 f. Das Gegenstück zur Immanenztheorie in Gestalt der „Konsenstheorie“ wurde urspr vertreten von Strasser, RdA 1965, 405 und Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 75; differenzierend nun Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2002) § 2 Rz 22. Runggaldier in Tomandl (Hrsg), Arbeitsverfassungsgesetz (2007) § 2 Rz 10; Jabornegg/ Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 1047; Rebhahn, DRdA 2004, 504; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 97; Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2002) § 2 Rz 23; Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 182 f; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 215. Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht I Gestalter und Gestaltungsmittel5 (2004) 132; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 677; aA wohl Mayer-Maly, Buchbesprechung zu Floretta/Strasser, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, ZfA 1976, 79 (81). Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2002) § 2 Rz 23.
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tragsparteien,943 als Einwirkungspflicht die Verpflichtung, die Mitglieder der jeweiligen Kollektivvertragspartei von der Durchführung von Arbeitskämpfen im Rahmen des Zumutbaren abzuhalten.944 Soll hingegen darüber hinaus eine absolute Friedenspflicht, also der Ausschluss jeglicher Kampftätigkeit während der Laufzeit des KollV, gelten, so müsste diese im KollV selbst vereinbart werden.945
2.1.2.
Die betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht
Anders als bei der kollektivvertraglichen Friedenspflicht gestaltet sich die Diskussion um das Kampfverbot im Rahmen der Betriebsverfassung kontroversieller. Ebenso im Gegensatz zur der bei der kollektivvertraglichen Friedenspflicht bestehenden Situation sehen die Vertreter eines betriebsverfassungsrechtlichen Kampfverbotes auch einen normativen Ansatzpunkt für die Existenz dieser Kampfgrenze. Erblickt wird dieser in der programmatischen Bestimmung des § 39 ArbVG, die gleichsam die mit den Regeln der Betriebsverfassung verbundenen Zielvorstellungen beschreibt. Danach bezwecken die Bestimmungen des II. Teils des ArbVG einen Interessenausgleich zum Wohle der AN und des Betriebes herbeizuführen (§ 39 Abs 1 ArbVG). Diesem gesetzlich vorgegebenen Ziel entnehmen Lehre946 und Rechtsprechung947 ein be-
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Zum Inhalt dieser sog „negativen Seite“ der Friedenspflicht vgl Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 220; danach sei es jedem Kollektivvertragspartner untersagt, einen Arbeitskampf zu veranlassen, einen solchen anzudrohen, AG oder AN zum Arbeitskampf anzureizen oder einen von diesen beschlossenen bzw begonnenen Arbeitskampf zu unterstützen; vgl dazu weiters Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2002) § 2 Rz 23. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 97; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 162; Bohr, Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien (1992) 57; Schwarz, Obligatorische und normative Dimensionen der Betriebsvereinbarung, in Schwarz/Spielbüchler/Martinek/Grillberger/Jabornegg (Hrsg), Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsordnung. Festschrift für Rudolf Strasser (1983) 465 (470); Tomandl/ Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 677 f; Strasser, RdA 1965, 402; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 221. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 97. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 457 f; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 1047; Jabornegg in FS Bauer/Maier/Petrag 13; Tomandl/ Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 319; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 783; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 201; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 114; Jabornegg, Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, in Schwarz/Spielbüchler/Martinek/Grillberger/Jabornegg (Hrsg), Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsordnung. Festschrift für Rudolf Strasser (1983) 367 (380); Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 678; aA Cerny, Zur Frage einer betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht, DRdA 2004, 517 (521 f) und Gahleitner
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sonderes Kampfverbot in Gestalt der betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht.948 Schwarz verdeutlicht dabei die Ratio des betriebsverfassungsrechtlichen Kampfverbotes, denn „dort, wo der Staat den sozialen Konflikt nicht dem freien Spiel der Kräfte überläßt, seine liberale Position also dadurch aufgibt, daß er seinen Arm herleiht, um durch Einschaltung einer rechtsprechenden oder schlichtenden Instanz den Konflikt zu entscheiden, ist kein Raum für Selbsthilfe in Form von Kampfmaßnahmen. Im Klartext heißt dies: Im betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnis zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat sind Kampfmaßnahmen verboten, die darauf abzielen, den Interessenstandpunkt an Stelle des gebotenen Weges zur Beilegung von Rechts- und Regelungsstreitigkeiten durch Maßnahmen des Arbeitskampfes zu realisieren“.949 Inhaltlich untersagt das betriebsverfassungsrechtliche Kampfverbot der Belegschaftsvertretung die Kampfführung gegen den AG unter dem Einsatz ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung.950 Unzulässig sind aufgrund
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in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht II3 (2004) § 39 Er 6. OGH 19.11.2003, 9 ObA 125/03b, SZ 2003/151 = Arb 12.382 = DRdA 2004, 171 = DRdA 2004/48, 558 (mit Besprechungsaufsatz von Cerny) = ZAS 2005/6, 32 (Rebhahn) = wbl 2004/203, 389 = RdW 2005/52, 35 (mit Besprechungsaufsatz von Löschnigg) = ecolex 2004/142, 302 = ASoK 2004, 295 = infas 2004 A 26 = ARD 5472/5/2004. Vgl dazu auch Spenling, 30 Jahre ArbVG – Beiträge des OGH, in Grillberger (Hrsg), 30 Jahre ArbVG (2005) 99 (112 f). Zum vorsichtigen Umgang mit dieser Entscheidung rät Rebhahn, ZAS 2005/6, 36. Vgl demgegenüber die Rechtslage in Deutschland, wo § 74 Abs 2 BetrVG Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen AG und BetrR ausdrücklich untersagt. Schwarz in FS Strasser (1983) 473. Die Grenze der Reichweite der betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht sieht Schwarz dort, wo es um die Beurteilung der „kollektivvertragsergänzenden Betriebsvereinbarungen“ gehe; hier spreche vieles dafür, die Betriebspartner – wie beim KollV – nur einer bloß relativen Friedenspflicht zu unterstellen; dies vor der Hintergrund, dass bei den Betriebsvereinbarungen auf Basis von § 97 Abs 1 Z 7 bis Z 26 ArbVG kein Schlichtungsverfahren vorgesehen ist. Gleichwohl werde man sagen müssen, dass die Aufkündigung einer derartigen Betriebsvereinbarung nicht in jedem Falle die Rechtswidrigkeit von Kampfmaßnahmen ausschließe. Schwarz zufolge gehe es entscheidend um den Stellenwert, welcher der Ergänzung des KollV durch die Betriebsvereinbarung zukomme. Sei dieser so geartet, dass er einen maßgeblichen Faktor der kollektivvertraglichen Ordnung darstelle, werde man einen Arbeitskampf auch dann nicht schlechthin als rechtswidrig bezeichnen können, wenn er darauf gerichtet sei, die Betriebsvereinbarung so zu erweitern, dass den Intentionen der Kollektivvertragsparteien voll und ganz Rechnung getragen werde: Schwarz in FS Strasser (1983) 473 f; diesem Ansatz einer relativen Friedenspflicht folgend Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 783 und ders, RdW 2005, 33; ähnlich auch Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 202, die in diesem Zusammenhang den Standpunkt vertreten, dass Arbeitskämpfe, die um den zulässigen Inhalt einer freiwilligen Betriebsvereinbarung geführt werden, nur dann vom Verbot der Arbeitskämpfe um Betriebsvereinbarungen erfasst werden, wenn der formelle Abschluss einer Betriebsvereinbarung Kampfziel sei, nicht aber dann, wenn die betreffende Regelung auf einzelvertraglicher Ebene verankert werden soll. Vgl auch Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 458; Firlei, DRdA 2001, 227; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 114.
Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung
185
des betriebsverfassungsrechtlichen Kampfverbotes solche Arbeitskämpfe, die auf eine Erweiterung betrieblicher Mitwirkungsbefugnisse zielen, den Abschluss von Betriebsvereinbarungen erzwingen wollen951 oder auch solche Arbeitskämpfe, die sich bei der Kampfdurchführung betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse oder Einrichtungen bedienen.952 Verboten ist damit die Vornahme bzw Organisation von Kampfmaßnahmen durch Organe der gesetzlichen Betriebsverfassung in dieser Eigenschaft.953 Nicht verboten ist aber durch die so verstandene Friedenspflicht, dass ein AN, der auch gleichzeitig als gewählter Vertreter der Belegschaft fungiert, sich an einer Arbeitsniederlegung beteiligt. Nur darf sich ein Betriebsrat nicht in seiner Eigenschaft als Betriebsverfassungsfunktionär einem Streik anschließen.954 Ebenso wenig wird die Austragung eines Arbeitskampfes auf betrieblicher Ebene durch die betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht ausgeschlossen.955 Kritisch wird die vorhin zitierte und die bislang nur von der Lehre vertretene Annahme einer betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht bestätigende Entscheidung des OGH vor allem von Cerny gesehen. Seine Kritik richtet sich dabei gegen die von ihm so empfundene undifferenzierte Übernahme der hL durch den OGH, der in seiner Begründung die von der Literatur vorgenommenen Nuancierungen und Einschränkungen bei der Annahme einer betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht außer Betracht lasse. Mit seiner pauschalen Behauptung eines betrieblichen Kampfverbotes gelange der OGH aber zu einem Ergebnis, welches den von ihm zur argumentativen Un-
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Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 1047, weisen darauf hin, dass mit diesem Verbot aber nicht der Kampf um bessere einzelvertragliche Regelungen ausgeschlossen wird. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 458; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 1047; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 201; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 114, 160. OGH 19.11.2003, 9 ObA 125/03b, SZ 2003/151 = Arb 12.382 = DRdA 2004, 171 = DRdA 2004/48, 558 (mit Besprechungsaufsatz von Cerny) = ZAS 2005/6, 32 (Rebhahn) = wbl 2004/203, 389 = RdW 2005/52, 35 (mit Besprechungsaufsatz von Löschnigg) = ecolex 2004/142, 302 = ASoK 2004, 295 = infas 2004 A 26 = ARD 5472/5/200; Rebhahn, DRdA 1982, 240. Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 252; Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2002) §§ 38, 39 Rz 8; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 458; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 783; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 202; Radner in Binder/Radner, Arbeits- und Sozialrecht. Praxisfälle und Lösungen in systematischer Bearbeitung (2001) 187; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 114; Bohr, Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien (1992) 56; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 678. Dass diese Trennung schwierig (unpraktikabel) ist, darauf weist zu Recht Cerny, DRdA 2001, 485, hin. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 201. Zu weit daher Firlei in Grillberger (Hrsg), 30 Jahre ArbVG (2005) 85 und ders, DRdA 2001, 225.
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
terstützung herangezogenen Stimmen aus der Literatur widerspreche.956 Damit beschränke der OGH mit der Entscheidung 9 ObA 125/03b über § 39 ArbVG die Organisations- und Aktionsfreiheit der Arbeitnehmerschaft und statuiere ohne sachliche Notwendigkeit ein besonderes Kampfverbot und eine gesetzliche betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht.957 Soweit Cerny offenbar befürchtet, der OGH habe mit dieser Entscheidung Betriebsratsmitgliedern die Teilnahme an Arbeitskämpfen verboten,958 wird diese Befürchtung vom OGH selbst entkräftet, indem das Höchstgericht in dieser Entscheidung ausdrücklich betont, dass die betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht jedenfalls nicht so weit verstanden werden dürfe, dass den Mitgliedern des BetrR die Ausübung gewerkschaftlicher Tätigkeiten im Betrieb untersagt werde.959 Spenling960 präzisiert diese Einschränkung der betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht dahingehend, dass trotz der Existenz einer betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht den Betriebsverfassungsfunktionären die Beteiligung an gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen selbstverständlich freistehe. Mit der angegriffenen Entscheidung gehe es nicht um eine Beschränkung der Rechte der Arbeitnehmerseite im Allgemeinen oder der einzelnen Mitglieder des BetrR im Besonderen, sondern um eine der jeweiligen Rechts- und Aufgabenstellung entsprechenden „Arbeitsteilung“ zwischen Gewerkschaft und BetrR.961 Ein in Zusammenhang mit der betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht speziell diskutiertes Problem betrifft die Abgrenzung einer Streik(Protest-)versammlung von der Abhaltung einer mit der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung des § 42 ArbVG konform gehenden Betriebsversammlung. Dies vor dem Hintergrund einer Entscheidung des OGH, die diese Frage aufs Tapet brachte: Anlässlich der Entscheidung über die Durchführung einer Betriebsstandortverlegung wurde am Tag der (entscheidenden) Aufsichtsratssitzung von der Belegschaftsvertretung zeitgleich eine Versammlung der Belegschaft anberaumt, auf der außer der Artikulation des Protestes gegen die Werksabsiedelung keine weiteren Tagesordnungspunkte behandelt wurden. Den an dieser Versammlung teilnehmenden AN wurde das anteilige Entgelt 956
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Cerny, DRdA 2004, 518 ff; vgl auch dens, Entwicklung der Arbeitsverfassung aus der Sicht der Arbeitnehmer, in Grillberger (Hrsg), 30 Jahre ArbVG (2005) 9 (30 f). Krit zu dieser Entscheidung des OGH äußert sich auch Gahleitner in Cerny/Gahleitner/ Kundtner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht II3 (2004) § 39 Erl 6. Cerny in Grillberger (Hrsg), 30 Jahre ArbVG (2005) 31. Diese Befürchtung hegt auch Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht II3 (2004) § 39 Erl 6. OGH 19.11.2003, 9 ObA 125/03b, SZ 2003/151 = Arb 12.382 = DRdA 2004, 171 = DRdA 2004/48, 558 (mit Besprechungsaufsatz von Cerny) = ZAS 2005/6, 32 (Rebhahn) = wbl 2004/203, 389 = RdW 2005/52, 35 (mit Besprechungsaufsatz von Löschnigg) = ecolex 2004/142, 302 = ASoK 2004, 295 = infas 2004 A 26 = ARD 5472/5/2004. Dieser Präzisierung kommt insofern eine gewisse Autorität zu, als Spenling Mitglied des erkennenden Senates gewesen ist. Spenling in Grillberger (Hrsg), 30 Jahre ArbVG (2005) 113.
Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung
187
für zwei Stunden unter der Bezeichnung „unbezahlter Urlaub“ vom Entgelt abgezogen. Die gegen den Lohnabzug gerichtete Klage des BetrR stützte sich auf die Argumentation, dass die Teilnahme an dieser Versammlung als ein Dienstverhinderungsgrund zu werten sei, damit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehe und der Lohnabzug folglich nicht gerechtfertigt sei. Die Klage blieb allerdings in allen drei Instanzen erfolglos. Abgesehen von der fehlenden Anspruchsgrundlage für eine Entgeltfortzahlung während der Dauer einer Betriebsversammlung962 war vor allem die Qualifikation der Versammlung als Protestversammlung und nicht als Betriebsversammlung iSd §§ 40 ff ArbVG für den OGH ausschlaggebend. Der OGH sah in der abgehaltenen Versammlung keine Betriebsversammlung, da diese weder als solche einberufen noch der Wahrnehmung der in § 42 ArbVG aufgelisteten Aufgaben gedient habe. Auch seien keine Berichte des BetrR behandelt worden. Vielmehr sei die Versammlung als einseitige kurzfristige Arbeitsniederlegung im Sinne eines Kurzstreiks anzusehen, sodass die AN mangels Arbeitsbereitschaft auch keine Entgeltzahlung beanspruchen können.963 Daran anknüpfend möchte Jabornegg die Grenze zwischen einer Streikversammlung und einer gesetzeskonformen Betriebsversammlung dort ziehen, wo bereits in der Einberufung zur Versammlung die Abstimmung über einen Streik bzw die Fassung eines Streikbeschlusses in Aussicht gestellt werde. Abgesehen davon sei aber die im Rahmen einer Betriebsversammlung durchgeführte Behandlung von Berichten des BetrR, die sich mit betriebsübergreifenden Angelegenheiten befassen und die von der Gewerkschaft als möglicher Streikanlass diskutiert werden, für sich allein genommen noch nicht als rechtswidrig anzusehen. Dies selbst dann nicht, wenn schon in der Einladung zur Versammlung eine Protesthaltung des BetrR zum Ausdruck gebracht werde.964 Nur dürfe der erklärte Zweck der Betriebsversammlung nicht geradezu die Fassung einer Willensbildung zu einer möglichen Streikteilnahme sein. Selbst dann, wenn aufgrund der Eigendynamik derartiger Versammlungen die urspr als Berichts- und Diskussionsversammlung geplante Veranstaltung in ein reines Streikforum umschlage oder es zu Exzessen komme, verliere die einberufene Betriebsversammlung keineswegs rück962
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§ 47 ArbVG verschafft nur einen Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht zwecks Teilnahme an einer während der Arbeitszeit stattfindenden Betriebsversammlung. Ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für diesen Zeitraum muss hingegen im KollV, in einer Betriebsvereinbarung gem § 97 Abs 1 Z 11 ArbVG oder im Arbeitsvertrag verankert sein. Auch aus § 1154b ABGB bzw § 8 Abs 3 AngG – so der OGH – kann dieser Anspruch nicht abgeleitet werden. Ebenso Radner in Binder/Radner, Arbeits- und Sozialrecht. Praxisfälle und Lösungen in systematischer Bearbeitung (2001) 185. OGH 17.1.1990, 9 ObA 347/89, Arb 10.837 = DRdA 1990, 370 = ZAS 1994/1, 20 (Aigner) = ÖJZ 1990/48 (NRsp) = EvBl 1990/94, 467 = RdW 1990, 321 = infas 1990 A 66 = ARD 4146/16/90. In diese Richtung auch Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 160, mit dem Hinweis, dass die Artikulation von Protest zur gesetzeskonformen Vertretung der Belegschaftsinteressen gehöre; aA Gruber B., Betriebsversammlungen aus Anlass der aktuellen Reformvorhaben der Bundesregierung, ASoK 2003, 138 (140).
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
wirkend ihren Charakter als solche, sondern nur dann und insoweit, als es wirklich um die besagten Exzesse selbst gehe.965 Aigner wiederum stellt auf die im Zusammenhang mit der Abhaltung einer Betriebsversammlung vorgesehene gesetzliche Rücksichtnahme auf die Zumutbarkeit der Durchführung derselben während der Arbeitszeit für den AG ab.966 Wenn dabei bereits die Wahl des Zeitpunkts der Abhaltung der Versammlung den Charakter einer Kampfmaßnahme annehme, also ohne Notwendigkeit für die Belegschaft die Versammlung gezielt so terminisiert werde, dass dem AG daraus ein Schaden erwachsen solle, so resultiere daraus eine Vertragsverletzung für jene AN, denen die mit der Anberaumung der Betriebsversammlung verbundene Schädigungsabsicht bewusst sei oder bewusst sein müsste.967 Weiters möchte Aigner als Kriterien zur Unterscheidung einer Betriebsversammlung von einer Kampfmaßnahme die Intention der Einberufer, die vorgeschlagene Tagesordnung, die äußeren Umstände der Abhaltung der Betriebsversammlung und ihren tatsächlichen Ablauf heranziehen. Mutiere die korrekt einberufene Betriebsversammlung zu einer Streikaktion, sei der Vorsitzende verpflichtet, die Versammlung zu schließen.968 Für den Fall, dass in kurzen zeitlichen Abständen formal korrekt einberufene Betriebsversammlungen stattfinden sollen, die im Ergebnis nur zur kollektiven Arbeitsniederlegung dienen, könne von keiner gesetzeskonformen Betriebsversammlung ausgegangen werden.969 Einen strengen Prüfmaßstab möchte Aigner besonders bei der Behandlung von Berichten des BetrR, also einem gem § 42 Abs 1 Z 1 ArbVG zulässigen Inhalt einer Betriebsversammlung, anlegen. Damit diese Kompetenz des Belegschaftsorgans Betriebsversammlung rechtmäßig in Anspruch genommen werde, müsse der BetrR der versammelten Belegschaft auch tatsächlich Neuigkeiten aus dem Bereich seiner Interessenvertretungsaufgabe zur Kenntnis bringen.970 Als Konsequenz einer als Betriebsversammlung getarnten Streik-(Protest-) versammlung trifft dem AG – Marhold zufolge – trotz allenfalls bestehender Anspruchsgrundlage keine Entgeltfortzahlungspflicht für die Dauer der Versammlung und auch keine Verpflichtung, Räumlichkeiten für die Zusammenkunft der AN bereitzustellen.971
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Jabornegg in FS Bauer/Maier/Petrag 13 f. Die maßgebliche Regelung des § 47 Abs 1 Satz 1 ArbVG lautet: „Wenn es dem Betriebsinhaber unter Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse zumutbar ist, können Betriebs(Gruppen-, Betriebshauptversammlungen) während der Arbeitszeit abgehalten werden“. Aigner, Anm zu OGH 17.1.1990, 9 ObA 347/89, ZAS 1994/1, 21 (23 f). So auch Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 458 und Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 114, 160. Ebenso Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 160. Aigner, ZAS 1994/1, 24 f. Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 160 f; s zu den möglichen Maßnahmen des Betriebsinhabers gegen eine rechtswidrige Betriebsversammlung auch Gruber B., ASoK 2003, 140.
Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung
189
2.2. Die Gesamtaktion gemessen am Maßstab von § 1295 Abs 2 ABGB Zentralnorm zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit (Rechtswidrigkeit) einer Gesamtaktion ist § 1295 Abs 2 ABGB.972 Danach ist zur Schadenersatzleistung verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich einen Schaden zufügt. Daran anknüpfend wird der von § 1295 Abs 2 ABGB vorgegebene Wertmaßstab der guten Sitten an die Gesamtaktion gelegt und anhand dessen das Urteil über die rechtliche Zulässigkeit der Kollektivaktion gewonnen.973 Als Generalklausel verlangt § 1295 Abs 2 ABGB zur strukturierten Erfassung und Bewertung des Arbeitskampfgeschehens eine nähere Systematisierung, die Strasser/Jabornegg anhand folgender Einteilung vornehmen: Beurteilung der Gesamtaktion nach den Parteien des Arbeitskampfes, nach dem Kampfziel und nach der Kampfdurchführung974 oder anders formuliert kann ein am Maßstab des § 1295 Abs 2 ABGB gemessener Arbeitskampf deswegen sittenwidrig sein, weil der Kampfgegner die Kampfforderung nicht erfüllen kann, das Ziel des Arbeitskampfes gegen die guten Sitten verstößt oder die Kampfdurchführung in sittenwidriger Weise erfolgt.975
2.2.1.
Die Parteien des Arbeitskampfes
Dieses Kriterium bezweckt, eine wertungsmäßige Abgrenzung anhand der Beteiligten eines Arbeitskampfes zu treffen. Arbeitskämpfe sind zulässig, sofern sie zwischen den Parteien des Arbeitslebens ausgetragen werden.976 Nach hL 972
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So bereits die ErläutRV: 2 BlgHH 21. Sess 140: „Die Vorschrift bildet eine Schutzwehr gegen illoyales Vorgehen, namentlich im Geschäftsverkehre, gegen Auswüchse des Lohn- und Konkurrenzkampfes und gegen Äußerungen des Hasses, der sich allgemein zugänglicher Mittel bedient, um einen Gegner zu schädigen“. So die hL: Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 459; Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 253; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 355; Rebhahn, DRdA 2004, 505; ders, wbl 2001, 294; ders, DRdA 1982, 222 ff, 240; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 206; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 115; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 676. Einen abweichenden Ansatz verfolgt Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 781 f, der die Grenzen der rechtmäßigen Gesamtaktion anhand des § 2 KoalG 1870 ausloten möchte; teilweise in diese Richtung auch Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 205. Dieser Ansatz wird von Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 253, als „weniger überzeugend“ bezeichnet. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 207. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 459; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 115. Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 18 f; Kitzberger, ArbuR 1993, 237; Bohr, Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien (1992) 61; Strasser, Zur Problematik der sogenannten Änderungskündigung, DRdA 1988, 1 (14).
190
Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
besitzt eine Gewerkschaft und speziell der ÖGB dabei kein Streikmonopol. Somit sind auch „wilde Streiks“ – abgesehen von der sprachlich ausdrückten Missbilligung – nicht rechtswidrig.977 Umgekehrt muss aber auch auf Arbeitgeberseite keine kollektivvertragsfähige Arbeitgeberorganisation am Kampfgeschehen beteiligt sein, um von einer rechtmäßigen Gesamtaktion sprechen zu können.978 Ebenso unumstritten ist, dass der zwischen den Parteien des Arbeitslebens ausgetragene Arbeitskampf auf keinen Fall sittenwidrig ist, sofern die Gegenseite in der Lage ist, die gegenständliche Kampfforderung zu erfüllen.979 Beide Prämissen bedürfen allerdings einer näheren Klärung. Im Falle „wilder Streiks“ ergibt sich der Klärungsbedarf aus der Einbettung des Streikrechts des IPwskR in die Gewährleistung gewerkschaftlicher Betätigungsrech977
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Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 253; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 355; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 777, 781; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 207; Auer, Streik und Strafrecht (1999) 5; Schima, RdW 1993, 369; Rebhahn, DRdA 1982, 241; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 677; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 142 f; Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 83; Engelich, DRdA 1963, 334 ff; Seiler, JBl 1958, 88; Müller¸ DRdA 1954 H 14, 4; Maultaschl, ÖJZ 1954, 191; aA also für eine Differenzierung zwischen einem gewerkschaftlichen und einem wilden Streik: Mayer-Maly, RdA 1970, 335; ders, RdA 1963, 163; Jensik, Ist der wirtschaftliche Streik strafbar? Eine Untersuchung über die strafrechtlichen Grenzen des wirtschaftlichen Streiks, ÖJZ 1957, 337 und ÖJZ 1957, 372 (376); Kleiner, DRdA 1953 H 7, 8 f; Schneider, JBl 1953, 234; ArbG Steyr 2.3.1951, Cr 71/50, SozM I E 7, mit der interessanten Begründung, dass das Streikrecht als ungeschriebenes Privileg des Gewerkschaftsbundes angesehen werden müsse, sodass dieser als gesetzlich anerkannte Vereinigung der AN einen Streik zur Durchsetzung berechtigter Forderungen ausrufen könne; die Teilnahme an einem gewerkschaftlich organisierten Streik dürfe nicht als Grund zur Entlassung aufgefasst werden, weil sonst die Gefahr bestünde, dass das stärkste Kampfmittel der AN zur Durchsetzung berechtigter Forderungen an Wert verlieren würde, ein derartiger Streik durch die Duldung der fristlosen Vertragslösung auf Dauer geradezu unmöglich gemacht werde. Der VwGH wiederum zeigte in seinem Erkenntnis vom 11.6.1953, 1484/51, VwSlg 3020 A = Arb 5739, ebenso Ansätze zur Differenzierung zwischen einem gewerkschaftlichen und einem wilden Streik; ähnlich auch EA Innsbruck 5.7.1962, Re 10/62, SozM II B 635 und Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 74 f. Tomandl möchte auf rechtspolitischer Ebene den Arbeitskampf mit dem Kollektivvertragssystem verknüpfen; damit sei zwar weder ein strafnoch ein zivilrechtliches Verbot des wilden Arbeitskampfes angesprochen, nur die den Vertragsbruch heilende Wirkung des Arbeitskampfes möchte Tomandl nur solchen sozialen Auseinandersetzungen zubilligen, die auf den Abschluss von KollV zielen: Tomandl in Rüthers/Tomandl, Aktuelle Fragen des Arbeitsrechts (1972) 44 f. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 460; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 781; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 207; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 116. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 459; Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 466 f; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 207; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 115.
Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung
191
te, während sich beim Abstellen auf die Erfüllbarkeit der Kampfforderung das Problem der Bewertung von Sympathiearbeitskämpfen und von politischen Arbeitskämpfen stellt.
2.2.1.1.
Das Streikrecht des IPwskR als Recht der Gewerkschaft?
Art 8 IPwskR regelt in lit a bis c Rechte einer Gewerkschaft. Zwar fehlt der Verbürgung des Streikrechts der explizite gewerkschaftliche Bezug, doch spricht das Regelungsumfeld für die Einordnung des Streikrechts als ein gewerkschaftliches Recht.980 Auch der IPwskR-Ausschuss spricht im Zusammenhang mit den in Art 8 IPwskR verbürgten Garantien von Gewerkschaftsrechten.981 Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis zur österreichischen Arbeitskampfdoktrin, die die Durchführung eines Streiks auch einem gewerkschaftlich nicht organisierten Arbeitnehmerkollektiv rechtlich erlaubt.982 Zwei unterschiedliche Ansätze zur Auflösung dieses Spannungsverhältnisses sind denkbar: Entweder beschränkt man die rechtfertigende Wirkung des Streikrechts des IPwskR rein auf gewerkschaftlich organisierte bzw unterstützte Arbeitsniederlegungen und muss insofern die bisherige Prämisse der hL modifizieren. Oder aber man begreift die Vorgabe des Streikrechts nur als Vorgabe eines Mindeststandards,983 den die nationalen Rechtsordnungen qualitativ verbessern können. Letzterer Ansatz verdient mE den Vorzug. Art 5 Abs 2 IPwskR bestimmt nämlich, dass die in einem Land durch Gesetze, Übereinkommen, Verordnungen oder durch Gewohnheitsrecht anerkannten oder bestehenden grundlegenden Menschenrechte nicht unter dem Vorwand be980
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So auch: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 956; Kittner in Däubler/Kittner/ Lörcher, Internationale Arbeits- und Sozialordnung2 (1994) 149; Köhler, Sozialpolitische und sozialrechtliche Aktivitäten in den Vereinten Nationen (1987) 972 f; Beyerlin in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1166. Den Schutz „wilder Streiks“ nicht gänzlich ausschließend Cerny, DRdA 1983, 72 FN 101: „Auf Grund der systematischen Zuordnung dieser Regelung zu den Bestimmungen über die Gewerkschaftsfreiheit kann aber wohl angenommen werden, daß sich die Verpflichtung zur Gewährleistung des Streikrechts jedenfalls auf alle Streiks bezieht, die von einer Gewerkschaft organisiert bzw mit ihrem satzungsgemäß beschlossenen Willen durchgeführt werden“. aA Kaufmann, Globalisation and Labour Rights (2007) 41; Scherf, Die Umsetzung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland (1990) 149; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1975) 196 FN 60a und Zuleeg, RdA 1974, 325. Jeschke, Der europäische Streik (2006) 77, sieht von vornherein den einzelnen AN als Träger des durch den IPwskR garantierten Streikrechts. CESCR 8.12.1995, E/1996/22, Allgemeine Bemerkungen Nr 6. Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von älteren Menschen, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 212 (219). Vgl FN 977. Dieses Verständnis spiegelt sich in Art 5 Abs 2 IPwskR wider.
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
schränkt oder außer Kraft gesetzt werden dürfen, dass der IPwskR derartige Rechte nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß anerkenne. Dafür spricht weiters, dass auch andere internationale Menschenrechtsverbürgungen stärkeren innerstaatlichen Garantien von Menschenrechten explizit den Vorrang einräumen. Ein beredtes Beispiel dafür gibt Art 53 MRK, wonach keine Bestimmung dieser Konvention als Beschränkung oder Minderung eines der Menschenrechte und Grundfreiheiten ausgelegt werden darf, die in den Gesetzen eines Konventionsstaates oder einer anderen Vereinbarung, an der er beteiligt ist, festgelegt sind.984 In ähnlicher Weise regelt Art 52 Abs 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union das Verhältnis zwischen diesem Regelungswerk und der MRK. Danach wird den in der Charta verbürgten, den Gewährleistungen der MRK nachgebildeten Rechten der gleiche Schutzinhalt zugemessen, sofern es sich bei den Rechten der Grundrechtecharta um themenidente Verbürgungen entsprechender MRK-Garantien handelt.985 Dennoch ist gem Art 52 Abs 3 letzter Satz leg cit nicht ausgeschlossen, dass das Recht der Union einen weitergehenden Schutz gewährt.986 Der Grundgedanke, den diese Klauseln zum Ausdruck bringen, etabliert gleichsam ein „menschenrechtliches Günstigkeitsprinzip“, welches günstigeren Ausgestaltungen und Interpretationen von internationalen Menschenrechtsverbürgungen Raum gibt.987
2.2.1.2.
Der Sympathiearbeitskampf
Sympathiearbeitskämpfe988 zielen ab auf die Unterstützung eines anderen Arbeitskampfes, sind also zu letzterem akzessorisch.989 Die sympathisierende Kampfpartei kämpft damit für fremde und nicht für eigene Ziele.990 Unter dem Gesichtspunkt der Erfüllbarkeit der Kampfforderung fehlt es im Rahmen ei984
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Dazu etwa VfGH 17.12.1998, B 3028/97, VfSlg 15.394 = JBl 1999, 453 (Potz) = EuGRZ 1999, 600 (Bernegger) = ZfVB 2000/400 = ZfVB 2000/414 = ZfVB 2000/430 = ZfVB 2000/440 = ZfVB 2000/457. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 (2008) § 2 Rz 14 ff. Vgl dazu die Übersicht bei Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004) Rz 471. Dazu etwa Jarass, EU-Grundrechte (2005) § 2 Rz 19, 22. Vgl etwa für das Verhältnis der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu den nationalen Grundrechten Jarass, EU-Grundrechte (2005) § 3 Rz 15: „Der Bürger kann sich auf das Grundrecht berufen, das den weitergehenden Schutz enthält (Meistbegünstigung)“. Vgl weiters Craven, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (1998) 281: „(…) if higher standards were already in place, States could not lower them on the grounds of the Covenant as stipulated in article 5 (2)“. Zum Begriff s Seite 16. Vgl Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht (2006) § 1 Rz 33; Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 24 Rz 16; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 1137; Bulla, Sympathie-Maßnahmen im Arbeitskampf, in Nipperdey (Hrsg), Festschrift für Erich Molitor (1962) 293 (296). Rüthers, Zur Rechtmäßigkeit von Sympathie-Arbeitskämpfen, BB 1964, 312.
Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung
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nes Sympathiearbeitskampfes damit der bekämpften Gegenseite an der Möglichkeit, die Forderung der Kämpfenden zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund möchte Marhold solche Sympathiearbeitskämpfe mit dem Verdikt der Sittenwidrigkeit versehen, bei denen die vom Sympathiearbeitskampf betroffenen Organisationen nicht unmittelbar am Kampfgeschehen des Hauptarbeitskampfes beteiligt seien, sodass die vom Sympathiearbeitskampf betroffene Seite in einem Zusammenhang mit einem Arbeitskampf gebracht werden, dessen Ausgang von der im Rahmen des Sympathiearbeitskampfes bekämpften Seite nicht beeinflussbar sei.991 Nur für den Fall, dass der Bekämpfte in der Lage sei, auf den Adressaten des Hauptarbeitskampfes mit Aussicht auf Erfolg einzuwirken, bestünden – Strasser/Jabornegg zufolge – gegen den Sympathiearbeitskampf keine Bedenken, sofern auch der Hauptarbeitskampf um Arbeitsbedingungen zwischen Parteien des Arbeitslebens geführt werde.992 Tomandl wiederum deutet vorsichtig die mögliche rechtliche Zulässigkeit eines Sympathiearbeitskampfes an. Ausgehend vom Grundsatz der Arbeitnehmersolidarität993 sei nämlich die Vorfrage zu stellen, inwieweit die von den primär Kämpfenden angestrebten Ziele mittelbar auch den Interessen der sekundär Kämpfenden dienen. Allerdings stehe dieser Überlegung das große Interesse an der Erhaltung des Arbeitsfriedens gegenüber. Daher lasse sich die Zulässigkeit eines Sympathiearbeitskampfes nur ausnahmsweise rechtfertigen, nämlich dann, wenn die Interessenverknüpfung evident sei und die primäre rechtmäßige Kampfaktion aufgrund der Schwäche einer Kampfpartei ohne solidarische Unterstützung zum Scheitern verurteilt sei. Es müsse aber gesichert sein, dass der primär Bekämpfte durch die Kampfausweitung auch getroffen werde, es sei damit eine rechtliche oder wirtschaftliche Verknüpfung zwischen dem primär und sekundär Bekämpften notwendig. Auch für den Fall, dass ein Sympathiestreik dazu diene, den sekundär bestreikten AG zu veranlassen, auf den primär bestreikten AG zwecks Erfüllung der Hauptkampfforderung einzuwirken, sei nach Tomandl von der Zulässigkeit des Sympathiestreiks auszugehen. Hier sei der Sympathiearbeitskampf so lange erlaubt, bis der sekundär bestreikte AG alle ihm zumutbaren Mittel zur Beeinflussung des primär bestreikten AG erfolglos ausgeschöpft habe.994 Jedenfalls unzulässig sei aber ein solcher Sympathiearbeitskampf, der nur aus Unmut über den Verlauf des primären Kampfes oder nur zum Zwecke der solidarischen Unterstützung des Hauptkampfes geführt werde.995 ME spricht aber das Argument der fehlenden Erfüllungsmöglichkeit der Kampfforderung durch den Bekämpften ganz generell gegen die Zulässigkeit 991
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Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 115 f; ebenso Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 459 f. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 207; weitergehend offenbar Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 782, der ausgehend von § 2 KoalG 1870 in einem Sympathiearbeitskampf ein erlaubtes Kampfziel sieht. Dazu s Seite 50 ff. So auch Engelich, DRdA 1963, 337. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 122 ff.
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
von Sympathiearbeitskämpfen. Denn beim Sympathiearbeitskampf wird der Bekämpfte mit einer Forderung konfrontiert, die er selbst nicht unmittelbar erfüllen kann. Den Kampf und die damit verbundene wirtschaftliche Schädigung durch einseitiges Nachgeben zu beenden, ist damit seiner Disposition entzogen. Der Ansatz, den Sympathiearbeitskampf zuzulassen, sofern der in dessen Rahmen Bekämpfte auf einen der Kontrahenten des Hauptarbeitskampfes mit Aussicht auf Erfolg einwirken könne, übersieht, dass dieser Gedanke zugleich für den Bekämpften eine rechtliche Pflicht oder zumindest eine Obliegenheit impliziert, auf eine der Parteien des Hauptarbeitskampfes mit dem Ziel der Kampfbeendigung einzuwirken. Dazu müsste aber ein normativer Anhaltspunkt gegeben sein, der mE nicht erkennbar ist. Auch die Durchsetzungsschwäche einer am Hauptarbeitskampf beteiligten Partei kann den zu ihrer Unterstützung geführten Sympathiearbeitskampf nicht rechtfertigen. Die faktisch innerhalb der jeweiligen sozialen Gruppe bestehende Solidarität rechtfertigt aber nicht die Schädigung des Bekämpften im Sympathiearbeitskampf,996 der weder die Kampfforderung des Hauptarbeitskampfes erfüllen kann noch ein besonderes Interesse am Ausgang des Hauptarbeitskampfes hat, in den er allerdings gegen seinen Willen hineingezogen wird.997
2.2.1.3.
Der politische Arbeitskampf
Die Diskussion um die rechtliche Zulässigkeit politischer Arbeitskämpfe998 gewann durch die gegen die Pensionsreform im Jahre 2003 österreichweit durchgeführten Streikaktionen999 unerwartet an Aktualität.1000 Dabei berührt die Frage nach der Rechtmäßigkeit politisch motivierter sozialer Auseinandersetzungen zugleich die Frage nach der Konfliktfähigkeit, der Konfliktkultur
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Vgl Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 24 Rz 37. Für die völlige Unzulässigkeit des Sympathiearbeitskampfes spricht sich Bydlinski in Floretta/Strasser, Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 92, aus; ebenso ders, Schadensrecht und Arbeitskampf, ZÖR 9 (1958/59) 518 (546 f); in diese Richtung auch Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 356 FN 15. Zur Frage der Zulässigkeit von Sympathiearbeitskämpfen in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten s Hayen/Ebert, Zulässigkeit von Unterstützungsstreiks, ArbuR 2008, 19 (25 ff). Zum Begriff s Seite 14 f. Im vorliegenden Rahmen wird nur der Kampf um ein allgemeines arbeits- oder sozialversicherungsrechtliches Gesetz diskutiert. Zu dem Fall, dass der Staat als AG bekämpft wird, s Rebhahn, DRdA 2004, 512 ff. Dazu s etwa Horaczek, Das Streikjahr 2003 (2007) 75 ff; Karlhofer in Karlhofer/Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Österreichische und Europäische Perspektiven (2005) 26; Tálos, „Sozialpolitik neu“ – Eine Bilanz von fünf Jahren ÖVP/FPÖ-Regierung in Österreich, ZSR 2005, 273 (283 f). Zum Hintergrund Tálos/Stromberger in Karlhofer/Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Österreichische und Europäische Perspektiven (2005) 91. Firlei, DRdA 2004, 584, prognostiziert weitere politische Arbeitskämpfe, wenn es zB zu einer Neuorganisation des Gesundheitswesens mit einer geringeren Rolle der Selbstverwaltung, zur Dezentralisierung der kollektiven Verhandlungssysteme oder zu einer durchgreifenden Arbeitszeitflexibilisierung komme.
Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung
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und letztlich auch die Frage nach der demokratischen Reife1001 einer Gesellschaftsordnung. Wenngleich es übertrieben ist, den politischen Arbeitskampf in eine Wesensverwandtschaft mit einem gesellschaftlichen Umsturzvorgang zu bringen,1002 sind dessen ungeachtet politisch motivierte Arbeitskämpfe sensibel, da sie sich gegen staatliche (gesamtgesellschaftliche) Institutionen richten und versuchen, durch wirtschaftliche Druckausübung Entscheidungen außerhalb des verfassungsgesetzlich vorgegebenen Weges zu erzwingen. Politische Arbeitskämpfe werden auf der anderen Seite aber auch als „Notwehrmittel“ betrachtet, um überhaupt mit einzelnen Anliegen bei staatlichen Stellen Gehör zu finden. Klar ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass der soziale Gegenspieler im Rahmen des politischen Arbeitskampfes nicht unmittelbarer Adressat der Kampfforderung ist. Die Forderung richtet sich gegen den Staat, hauptsächlich gegen den Gesetzgeber.1003 Der soziale Gegenspieler als unmittelbarer Kampfgegner kann die Kampfforderung daher nicht erfüllen, wird aber durch die Kampfführung wirtschaftlich uU massiv geschädigt.1004 Damit sind auch bereits die beiden Hauptargumente gegen die Zulässigkeit politischer Arbeitskämpfe angesprochen: Einerseits der Schutz der staatlichen Willensbildung, andererseits die mangelnde Erfüllbarkeit der Kampfforderung durch den unmittelbaren Kampfgegner. Für den einen Teil der Autoren ist die Unerfüllbarkeit der Kampfforderung das ausschlaggebende Argument gegen die Zulassung politischer Arbeitskämpfe.1005 Andere gelangen zu demselben Ergebnis durch den Hinweis auf den notwendigen Schutz der staatlichen Willensbildung, die unbeeinflusst durch eventuellen „Druck von der Straße“ erfolgen müsse.1006 Müller zufolge lässt sich daher der politische Arbeitskampf überhaupt nicht rechtfertigen, da sich hier eine soziologische Gruppe mit dem Staat als Verkörperung der gesamten Gesellschaft gleichsetze, dies sei nicht sachgerecht und daher auch rechtlich verfehlt.1007 Rebhahn wiederum knüpft bei seiner Untersuchung der vorliegenden Problematik an der These von der Unerfüllbarkeit der Kampfforderung an und versucht diese durch zusätzliche Überlegungen zu untermauern. So müsse grundsätzlich danach unterschieden werden, ob die Streik1001
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Wobei die Zulassung politischer Arbeitskämpfe – je nach Standort – sowohl für als auch gegen die demokratische Reife einer Gesellschaft sprechen kann. So aber Kaiser, Der politische Streik, in Kummer (Hrsg), Der Streik in der gesellschaftlichen Ordnung von heute (1962) 30 (37): „Der politische Streik ist auch heute noch im Kern eine Revolution. Was seine rechtliche Beurteilung angeht, muß er mit der Revolution prinzipiell auf eine Stufe gestellt werden. Jeder politische Streik ist ein revolutionärer Akt“; diese Sichtweise relativierend Müller, DRdA 1953 H 7, 5 f. Müller, DRdA 1953 H 7, 5. Auf die Schädigung weist besonders Firlei, DRdA 2004, 585 f, hin. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 459; Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 466 f; Mayer-Maly in FS Cerny 431; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 115; Kitzberger, ArbuR 1993, 237; Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 92; ders, Ind 1962 H 2, 3. Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 781; Engelich, DRdA 1963, 337. Müller, DRdA 1953 H 7, 6.
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
forderung auch durch den Abschluss eines KollV erfüllt werden könne; sei die Streikforderung durch den Abschluss eines KollV umsetzbar, so sei zu beachten, dass der KollV im Arbeitsleben vorrangig dazu eingesetzt werde, Arbeitsbedingungen zu regeln. Eine generelle Regelung der Arbeitsbedingungen solle nämlich in erster Linie durch KollV möglich sein, ein Streik solle daher primär um einen KollV geführt werden.1008 Für den Fall, dass ein absolut zwingend wirkendes Gesetz den Abschluss eines KollV ausschließt, möchte Rebhahn ebenso den politischen Streik für unzulässig erklären; ausschlaggebend sei in diesem Zusammenhang, dass sich der Gesetzgeber höchst widersprüchlich verhalten würde, würde er auf der einen Seite die Schädigung der AG durch einen Streik um die Abänderung eines derartigen Gesetzes erlauben, es aber auf der anderen Seite den AG gleichzeitig verbieten, die Streikforderung durch eine entsprechende kollektivvertragliche Regelung zu erfüllen.1009 Grillberger gibt aber in seiner inhaltlichen Auseinandersetzung mit Rebhahn zu Bedenken, dass das Abstellen auf die prinzipielle Regelbarkeit der Kampfforderung durch einen KollV dort an seine Grenze stoße, wo ein Streik um gesetzliche Arbeitsbedingungen von einem nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmerkollektiv geführt werde. Mangels Kollektivvertragsfähigkeit dieses Kollektivs versage nämlich in einer derartigen Konstellation der Verweis auf den möglichen Abschluss eines KollV. Halte man dennoch an diesem Kriterium fest, so gelange man zu einem Verbot „wilder Streiks“ und damit in Widerspruch zur österreichischen Arbeitskampfdoktrin.1010 Zudem sei auch die zweite Annahme von Rebhahn, wonach absolut zwingenden Gesetzen ein Streikverbot immanent sei, wenig überzeugend. Es fällt Grillberger nämlich schwer zu glauben, dass „der Gesetzgeber des ArbVG, der nach hM diesem Gesetz zweiseitig zwingende Wirkung beigelegt haben soll, damit auch noch ein Streikverbot gegen seine Abschaffung bezweckt hätte“.1011 Angebracht sei nach Grillberger über eine jüngst von Jabornegg/Resch/Strasser formulierte These nachzudenken, womit Grillberger gleichzeitig auf eine Strömung in der Lehre aufmerksam macht, die eine differenziertere Behandlung politisch motivierter Arbeitsniederlegungen einfordert. Denn das Abstellen auf die Erfüllbarkeit der Kampfforderung führe nach Jabornegg/Resch/Strasser zu einer viel zu restriktiven Sicht der Arbeitskampffreiheit. Man solle sich vielmehr damit begnügen, dass „irgendein relevanter Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen bzw den Arbeitsplätzen der Kämpfenden besteht und der Arbeitskampf grundsätzlich geeignet ist, dem betreffenden Anliegen zu dienen“.1012 Mit diesem Ansatz wird damit ganz grundsätzlich die Fixierung auf die Erfüllbarkeit der Kampfforderung, als dem relevanten Kriterium zur Beurteilung 1008 1009 1010
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Rebhahn, DRdA 2004, 507 ff, mit der Widerlegung denkbarer Gegenargumente. Rebhahn, DRdA 2004, 509 f. Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 21 f. Die hL unterscheidet in der rechtlichen Beurteilung nämlich nicht zwischen gewerkschaftlichen Streiks und wilden Streiks. Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 22. Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht2 (2005) Rz 1047.
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der Rechtmäßigkeit einer Gesamtaktion, zur Diskussion gestellt, ein Ansatz, der in der Lehre Gefolgschaft gefunden hat.1013 Grillberger verfeinert nämlich den von Jabornegg/Resch/Strasser vorgetragenen Ansatz anhand einer Interessenabwägung. Als Ausgangspunkt wählt Grillberger die Annahme, dass die Rechtswidrigkeit der Organisation eines Streiks auf der Bewertung beruhe, dass ein grobes Missverhältnis zwischen dem Kampfziel und den Vermögensinteressen der bekämpften AG bestehe; dann aber müssten jedenfalls solche Arbeitskämpfe in einem anderen Licht erscheinen, mit denen Gesetze abgewehrt werden sollen, welche die Arbeitsbedingungen zu Lasten der AN verändern.1014 ME sollte zur Bewertung des politischen Arbeitskampfes nicht so sehr das Argument der fehlenden Erfüllungsmöglichkeit der Kampfforderung in Vordergrund stehen, da dieses die entscheidende Dimension der vorliegenden Problematik verdeckt. Den Ausschlag gegen die Zulassung politischer Arbeitskämpfe im Allgemeinen und politisch motivierter Arbeitsniederlegungen im Besonderen gibt mE der Schutz bzw der Respekt vor dem verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahren zur staatlichen Willensbildung. Denn ein Kampf gegen den Staat als solchen ist zugleich ein Kampf gegen das von der Verfassung etablierte demokratische Verfahren gesamtgesellschaftlicher Willensbildung und Entscheidungsfindung,1015 da der nur vordergründig gegen die Arbeitgeberseite geführte Arbeitskampf nämlich unter Umgehung des von der Verfassungsordnung vorgesehenen Weges in Wahrheit bezweckt, eine allgemeinpolitische Gestaltung im Sinne der Kämpfenden zu erreichen. Zur Rechtfertigung des politischen Streiks bringt aber Schindler vor, dass einzelne AG durch mehr oder weniger subtile Art und Weise über die Drohung, Betriebe und Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, staatliche Entscheidungen zu ihren Gunsten erreichen können und daher – quasi aus Paritätsgründen – auch der Arbeitnehmerseite die Druckausübung gegenüber
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Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 467; Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 24. Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 22 f. Gleichgültig von welcher Seite auch immer dieser Kampf geführt wird. Im Vordergrund steht aber wohl der politische Streik; so Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 24 Rz 54 und Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 1097. Vgl weiters Firlei, DRdA 2004, 584: „Unsere Bundesverfassung steht einer Zulässigkeit des politischen Streiks klar ablehnend gegenüber, zwar nicht explizit, aber vom Sinn und Zweck ihres Ordnungsgefüges her. Es wäre völlig widersinnig, einerseits einen fein abgestimmten und prozedural hochgradig ausdifferenzierten Gesetzgebungsprozess zu normieren und andererseits Arbeitskämpfe, die sich gegen diese Entscheidungsbefugnisse richten, zuzulassen“. Allgemein zur thematisch mit der Arbeitskampfproblematik zusammenhängenden Friedlichkeitspflicht s Leisner, Demokratie – eine „friedliche Staatsform“? Zu Friedenspflicht und Gewaltmonopol im Inneren, JZ 2005, 809 (811 ff). Leisner sieht in der Bürgerpflicht zur Friedlichkeit eine Grundsatznorm der gesamten innerstaatlichen Rechtsordnung; speziell für Arbeitskämpfe postuliert Leisner zwar keine arbeitsrechtliche, wohl aber eine verfassungsrechtliche Friedenspflicht.
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staatlichen Institutionen erlaubt werden müsse.1016 Dieses Argument überzeugt nicht. Gerade das von Schindler ins Treffen geführte demokratische Prinzip1017 spricht iVm dem Gleichheitssatz (Art 7 Abs 1 B-VG, Art 2 StGG) gegen die Zulassung politischer Kämpfe. Das demokratische Prinzip verortet zwar an sich die Herrschaftsgewalt beim Volk, zugleich überträgt das vom B-VG etablierte repräsentativ-parlamentarische System1018 die primäre Entscheidungsgewalt den demokratisch gewählten gesetzgebenden Körperschaften. Damit wird der politische Willensbildungsprozess schwergewichtig bei den gesetzgebenden Körperschaften zentriert, in deren Rahmen dieser Prozess grundsätzlich stattfinden soll.1019 Dennoch ist im österreichischen Verfassungssystem dem Souverän aber nicht jede direkte Einflussmöglichkeit genommen. Abgesehen von Wahlen kennt die Verfassung weitere Möglichkeiten, den gesamtgesellschaftlichen Willensbildungsprozess zu beeinflussen: Die Instrumente der direkten Demokratie, die Wahrnehmung verfassungsrechtlich verbürgter Freiheiten, wie Meinungsfreiheit oder die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Grenzen zieht die Verfassung aber dort, wo es um Vorrechte eines Standes, dh, einer sozialen Klasse geht.1020 Dass aber nur AN streiken,
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So im Wesentlichen das Kernargument von Schindler, DRdA 2004, 587 ff. In diese Richtung auch Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 19 f. Dieses Argument wurde bereits durch Abendroth, Verfassungsrechtliche Grenzen des Streikrechts, GMH 1951, 57 (60) und dens, Nochmals: Der politische Streik – Wissenschaftliche Diskussion oder politische Treibjagd? GMH 1954, 258 (261), in die Debatte eingeführt. Art 1 B-VG: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus“. Zum demokratischen Prinzip: VfGH 28.6.2001, G 103/00, VfSlg 16.241 = JBl 2002, 31 = EuGRZ 2002, 62 = ZfVB 2002/1100 = ZfVB 2002/1112 = ecolex 2001, 71; VfGH 1.7.1993, G 75/93, VfSlg 13.500 = JBl 1994, 244 (Pernthaler) = ZfVB 1995/393 = JAP 1993/94, 35 (Wiederin). Aus der Literatur s etwa nur Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht (2005) Rz 123 ff; Rill/Schäffer in dies (Hrsg), BVR-Komm, Art 1 Rz 22 ff; Hinterauer, Das demokratische Prinzip der Bundesverfassung der Republik Österreich, in Funk/ Holzinger/Klecatsky/Korinek/Mantl/Pernthaler (Hrsg), Der Rechtsstaat vor neuen Herausforderungen. Festschrift für Ludwig Adamovich (2002) 181 ff. Dass Demokratie aber nicht nur bestimmen, sondern auch bestimmt werden bedeutet, betont beispielsweise Zacher, Der soziale Bundesstaat, in Horn/Häberle/Schambeck/Stern (Hrsg), Recht im Pluralismus. Festschrift für Walter Schmitt Glaeser (2003) 199 (203): „Mit Demokratie, Rechtsstaat und Bundesstaat sind die Mechanismen gemeint, kraft derer sich die Wertvorstellungen, Interessen und Einsichten der einzelnen und der gesellschaftlichen Kräfte in definitive Politik und verbindliches Recht umsetzen, kraft derer aber Politik und Recht auch die Lebensbedingungen der einzelnen und der Gesellschaft gestalten“. Dazu Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht (2005) Rz 134; Rill/Schäffer in dies (Hrsg), BVR-Komm, Art 1 Rz 26. Vgl etwa Herdegen, Verfassungsinterpretation als methodische Disziplin, JZ 2004, 873 (874): „Es ist eine Konsequenz des demokratischen Prinzips, daß Konflikte zwischen sozialen Interessen und Interessengruppen im demokratischen Prozeß gelöst werden, also über Wahlen und Entscheidungen des parlamentarischen Gesetzgebers“; Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht (2005) Rz 137. Das betont auch Schindler, DRdA 2004, 588, selbst: „Richtig: AN und AG sollen und dürfen in einer Demokratie keine Sonderrechte haben! Aber vom Versammlungsrecht
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nur AG aussperren können und damit den gewünschten Druck auf den Staat erzeugen können, bedarf keiner näheren Ausführung, eine Privilegierung der sozialen Mächte des Arbeitslebens bei der Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber den Möglichkeiten, die den übrigen Staatsbürgern dabei zur Verfügung stehen, ist aber nicht begründbar.1021 AG und AN sollen und dürfen alle von der Verfassung vorgesehenen Möglichkeiten und Instrumente ausnützen, um die staatliche Willensbildung in ihrem Sinne zu beeinflussen,1022 nur sollen sie keine zusätzlichen Mittel erhalten, die nur den Akteuren des Arbeitslebens offen stehen.1023 Gegen die Zulassung politischer Streiks spricht zudem die Verletzung tragender Grundsätze der Verfassungsordnung. Überträgt man nämlich die von Gamillscheg1024 für das GG konstatierten Verstöße gegen Verfassungsgrundsätze, so kann für die österreichische Verfassungslage für den Fall eines politischen Erzwingungsstreiks eine Verletzung folgender Verfassungsprinzipien festgestellt werden: Der politische Erzwingungsstreik verletzt demnach Art 1 B-VG, wonach alles Recht vom Volk ausgeht1025 und verstößt weiters gegen den in Art 26 Abs 1 B-VG verankerten Grundsatz, wonach die Stimme eines jeden Wählers unabhängig von der dahinter stehenden wirtschaftlichen Macht das gleiche Gewicht besitzt.1026 Richtet sich der Streik speziell gegen den Gesetzgeber, verletzt dieser Art 56 Abs 1 B-VG, der das freie Mandat jedes Abgeordneten schützt, ein Streik gegen ein Gericht missachtet wiederum die in Art 87 Abs 1 B-VG verbürgte Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt. Das von Schindler befürchtete Entstehen einer neuen Plutokratie,1027 also einer Herrschaft des Geldes, lässt sich wohl nicht durch die Zulassung politischer Streiks verhindern, sondern erfordert zivilgesellschaftliches Engagement
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bis zur Streikfreiheit darf ihnen auch keines der verfassungsmäßigen Instrumente der (direkten) Demokratie verwehrt werden“. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 1102; Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht (2005) Rz 126; Firlei, DRdA 2004, 585, der zu Recht darauf hinweist, dass der Staat alle Interessen in der Gesellschaft integrieren muss, er also zwischen den verschiedenen Partikularinteressen ausgleichen muss: „Würde man politische Arbeitskämpfe zulassen, so würden dadurch andere Interessen als jene, die durch die Verbände von Arbeit und Wirtschaft repräsentiert werden, massiv benachteiligt (…)“. Vgl auch Firlei, DRdA 2004, 584, 586, mit dem Hinweis, dass die Kombination von wirtschaftlicher Kampffreiheit, einer Wählerzahl, die eine klare Mehrheit in der Bevölkerung darstellt, und einer doch sehr massiven Repräsentanz in den Parlamenten genügen sollte, um die Arbeitnehmerinteressen ausreichend zur Geltung zu bringen; so auch Adomeit, JZ 2006, 749. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 1100. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 1099; ebenso Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 24 Rz 54. So auch Schneider, JBl 1953, 234. Zum Grundsatz des gleichen Wahlrechts vgl nur Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht (2005) Rz 126, 515; Schreiner in Rill/Schäffer (Hrsg), BVR-Komm, Art 26 Rz 33 ff; Pernthaler, Allgemeine Staatslehre und Verfassungslehre2 (1996) 195. Schindler, DRdA 2004, 588 f.
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aller Bürger im Rahmen der Verfassungsordnung.1028 Gerade dieses notwendige Engagement lässt sich im bestehenden Rahmen der Verfassungsordnung verwirklichen. Dass der Staat Partikularinteressen – von welcher Seite auch immer – nachgibt, kann aber umgekehrt die Aushöhlung verfassungsgesetzlich vorgesehener Wege zur Entscheidungsfindung nicht rechtfertigen: „Daß auf den Gesetzgeber viele Einflüsse einwirken, ist unbestreitbar; aber man kann ein Gebrechen nicht mit einem anderen bekämpfen (…)“.1029 Das von Schindler eingeforderte zivilgesellschaftliche Engagement lässt sich – auch ohne zum Mittel des politischen Kampfes greifen zu müssen – im Rahmen der Verfassung mit den von der Verfassung zur Verfügung gestellten Mitteln verwirklichen.1030 Dass Demonstrationen und Versammlungen wirkungslos bleiben,1031 dass die Instrumente der direkten Demokratie den Gesetzgeber unbeeindruckt lassen, sind (unbewiesene) Behauptungen, die sich schon dadurch relativieren, als der ÖGB selbst erfolgreich zu Mitteln gegriffen hat,1032 die mit den verfassungsgesetzlich vorgesehenen direkt-demokratischen Instrumenten1033 vergleichbar sind. AN sollen zivilgesellschaftliches Engagement zeigen, AN sollen partizipatorisch an den gesellschaftlichen Diskursen mitwirken, sie sollen aber dafür auch jene Instrumente nutzen, die die Verfassungsordnung zur Verfügung stellt.1034 Zudem verlangen auch die einschlägigen internationalen Quellen keine Anerkennung politischer Arbeitskämpfe.1035 Das gilt insbesondere für das im
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Dies auch vor dem Hintergrund des Staatszweckes der Friedenssicherung: Pernthaler, Allgemeine Staatslehre und Verfassungslehre2 (1996) 117. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 1102; vgl auch Rebhahn, DRdA 2004, 506. Dass der Einfluss der Kapitalseite auf den Gesetzgeber wegen der hinter ihr stehenden Investitions- und Standortentscheidungshoheit besonders hoch ist, wird auch von Firlei, DRdA 2004, 585, eingeräumt. Vgl Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht (2005) Rz 130; Reuter in FS Hilger/Stumpf 584. So die Befürchtung von Beumer, Individuelles Streikrecht (1990) 76 f. Vgl nur die im Jahr 2001 unter den ÖGB-Mitgliedern durchgeführte Urabstimmung über die soziale Entwicklung Österreichs. Dazu etwa Leutner, Die Urabstimmung des ÖGB: Forderungen und Ergebnisse, ArbW 2002 H 5, 28 ff und Karlhofer in Karlhofer/Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Österreichische und Europäische Perspektiven (2005) 26. Als einen der Erfolge dieser Mitgliederbefragung wird die Wiederaufnahme der Tradition des der parlamentarischen Behandlung vorgelagerten Verfahrens zur Begutachtung von Gesetzentwürfen gesehen: Tálos/Stromberger in Karlhofer/Tálos (Hrsg), Sozialpartnerschaft. Österreichische und Europäische Perspektiven (2005) 99. Gemeint ist das Instrument des Volksbegehrens nach Art 49b B-VG, das – ebenso wie die vorhin erwähnte ÖGB-Urabstimmung – dazu dient, ein Anliegen an den Staat bzw an den Gesetzgeber heranzutragen. So auch Firlei, DRdA 2004, 584 f. Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 24 Rz 60; Dolzer, Die Streikfreiheit, in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1255 (1264).
Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung
201
IPwskR verbürgte Streikrecht.1036 Der politische Arbeitskampf ist daher rechtswidrig.1037
2.2.2.
Die Ziele des Arbeitskampfes
Rechtlich zulässig sind solche Arbeitskämpfe, die um Arbeitsbedingungen geführt werden,1038 die also ausgetragen werden, um „bessere soziale Bedingungen im Betrieb zu erreichen“.1039 Die Beschränkung möglicher Kampfziele auf solche, die durch den Abschluss eines KollV geregelt werden können, wird von der hL abgelehnt.1040 Unter dem im weitesten Sinne1041 zu verstehenden 1036
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Rebhahn, DRdA 2004, 405; Craven, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (1998) 278 f; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) 956; Scherf, Die Umsetzung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland (1990) 154 f; Beyerlin in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 1166; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht (1975) 499 FN 72; Zuleeg, RdA 1974, 329. Vgl auch Firlei, DRdA 2004, 586, der zu diesem Ergebnis durch eine Zusammenschau der „Unzuständigkeit“ der Verbände des Arbeitslebens im politischen Raum und der durch die Kampfaktion verursachten Schädigung unbeteiligter Dritter gelangt. Rechtsvergleichend dazu Jacobs in Blanpain (Hrsg), Comparative Labour Law and Industrial Relations in Industrialized Market Economies9 (2007) 647: „In all countries strikes which are purely political in nature are in principle considered as unlawful“. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 460; Rebhahn in Neumayr/ Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 254; ders, DRdA 1982, 241, 243; Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 18 f; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 355 f; Mayer-Maly in FS Cerny 431; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 208; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 116; Kitzberger, ArbuR 1993, 238; Schima, RdW 1993, 369; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 140 f; Engelich, DRdA 1963, 333; Mayer-Maly, RdA 1963, 163; Schneider, JBl 1953, 234; Kummer, ÖJZ 1952, 535. OGH 27.10.1953, 4 Ob 205/53, Arb 5856. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 460; Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 19; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 781; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 208; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 116; Kitzberger, ArbuR 1993, 238; Rebhahn, DRdA 1982, 241, 243; Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben (1963) 83; aA offenbar Tomandl in Rüthers/Tomandl, Aktuelle Fragen des Arbeitsrechts (1972) 45 und Dietz, ZAS 1970, 45, der als Ziel eines Arbeitskampfes eine bindende Gestaltung verlangt, die nur durch einen KollV herbeigeführt werden könne. Dietz stellt insoweit eine Verbindung zum deutschen Arbeitskampfrecht her. Dort wird für die Zulässigkeit des Arbeitskampfes gefordert, dass er um den Abschluss eines Tarifvertrages geführt wird. Vgl dazu nur Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht (2006) § 5 Rz 2 ff; Kissel, Arbeitskampfrecht. Ein Leitfaden (2002) § 24 Rz 1 ff. Teilweise aA auch Marhold, ASoK 2005, 82: Im Zusammenhang mit dem Problem des Entgeltanspruchs Arbeitswilliger im Falle eines Teilstreiks möchte Marhold denjenigen AN, die sich arbeitsbereit erklären, den Entgeltanspruch versagen, zugleich diese Rechtsfolge auf solche Arbeitskämpfe beschränken, die auf den Abschluss eines KollV oder zumindest auf die Erzwingung eines kollektivvertraglich regelbaren Ziels abzielen.
202
Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
Begriff „Arbeitsbedingungen“ werden nicht nur die konkreten Arbeitsvertragsbedingungen, sondern alle mit dem Arbeitsverhältnis mittelbar oder unmittelbar in Zusammenhang stehenden Interessen subsumiert1042 und damit jede Frage, „die die Stellung der AN in dieser ihrer Eigenschaft im Betrieb oder Unternehmen betrifft“.1043 Daran anknüpfend benennt Marhold Rationalisierungsmaßnahmen, die Verhinderung von Personalabbaumaßnahmen oder von Betriebsstandortverlegungen als mögliche zulässige Kampfziele.1044 Sieht aber die Rechtsordnung ein Verfahren zur Beilegung des ausgebrochenen Arbeitskonflikts vor, so muss in einem solchen Fall der Rechtsweg beschritten werden. Die kampfweise Interessenverfolgung wäre rechtswidrig, da hier die Rechtsordnung selbst ein Verfahren zur Konfliktregelung zur Verfügung stellt.1045 Dasselbe gilt auch dort, wo mit den Mitteln des Arbeitskampfes gerichtlich (verwaltungsbehördlich) verfolgbare Rechtsansprüche durchgesetzt werden sollen.1046
2.2.3.
Die Kampfdurchführung
Dieses Kriterium nimmt Bezug auf einen in der Lehre vertretenen Grundsatz, wonach Begleitmaßnahmen für die rechtliche Beurteilung der Gesamtaktion außer Betracht bleiben.1047 Zu den Begleitmaßnahmen zählen Handlungen, die über die schlichte Kampfhandlung bzw Kampfteilnahme und deren Organisation hinausgehen, wie Informationen an die Öffentlichkeit und an die Belegschaft, die Blockade eines Betriebes oder die Beschädigung von Eigentum im Zuge eines Arbeitskampfes.1048 1041
1042 1043
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1048
So Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 254; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 782; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 208; Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 188 FN 570; Engelich, DRdA 1963, 333. Engelich, DRdA 1963, 333. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 208; ebenso Runggaldier in Floretta (Hrsg), Österreichische Landesberichte zum XIII. Internationalen Kongreß für das Recht der Arbeit und der Sozialen Sicherheit in Athen (1991) 7; ders, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 188 FN 570. Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 116; ebenso Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 460. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 208, denen zufolge das Verfahren folgenden Anforderungen genügen müsse: Bei diesem Verfahren müsse Einlassungszwang bestehen und müsse weiters auch bei fehlender Unterwerfung durch die Streitparteien zu einer verbindlichen Entscheidung führen. Vgl weiters Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 255; dens, DRdA 1982, 242; Bohr, Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien (1992) 64; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 148 ff. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 208 f, auch unter Hinweis auf § 54 ASGG. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 209; Rebhahn, DRdA 1982, 244; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 133 f. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 216 f.
Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung
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Grundsätzlich gilt, dass die rechtliche Einordnung von Begleitmaßnahmen die Qualifikation der Kollektivaktion als rechtmäßig oder als rechtswidrig nicht zu beeinflussen vermag.1049 Eine Ausnahme wird allerdings dort gemacht, wo rechtswidrige Begleitmaßnahmen den Druck auf den Kampfgegner entscheidend verstärken, vor allem dort, wo die rechtswidrige Begleitmaßnahme derart in den Vordergrund tritt, dass sie insgesamt das Erscheinungsbild der Gesamtaktion prägt. Zudem wird verlangt, dass die Begleitaktion den Organisatoren des Arbeitskampfes zurechenbar ist. Dazu ist es notwendig, dass die Organisatoren die in Rede stehende Begleitaktion so in die Durchführung des Arbeitskampfes integriert haben, dass sie zu dessen Bestandteil wurde.1050 Strasser/Jabornegg benennen als relevante Begleitmaßnahmen, die auch zur Rechtswidrigkeit der Gesamtaktion führen können, groß angelegte wahrheitswidrige Propagandaaktionen, das systematische Absperren des bekämpften Betriebes, das systematische Ausüben von Koalitionszwang, zahlreiche eingeplante Sachbeschädigungen oder die Nichteinrichtung eines ausreichenden Notdienstes im Betrieben der Daseinsvorsorge.1051
2.2.4.
Sonstige Kampfgrenzen?
Die Frage nach dem Eingreifen sonstiger Kampfgrenzen stellt zur Diskussion, ob für die rechtliche Beurteilung der Gesamtaktion auch zwei Grundsätze zum Tragen kommen sollen, mit denen es darum geht, der Kampfdurchführung konkrete Schranken zu setzen, sowohl im Hinblick auf den Zeitpunkt des Kampfbeginnes als auch im Hinblick auf den in Verhältnis zu den mit Mitteln des Arbeitskampfes verfolgten Zielen gesetzten Einsatz derselben. Angesprochen sind damit das ultima-ratio-Prinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
2.2.4.1.
Das Ultima-ratio-Prinzip
Das Ultima-ratio-Prinzip verfolgt das Ziel, die Kontrahenten erst nach dem Ausschöpfen aller friedlichen Konfliktlösungsmöglichkeiten zu den Mitteln des Arbeitskampfes greifen zu lassen: „Das ultima-ratio-Prinzip gewährleistet, daß erst verhandelt wird, bevor gekämpft werden darf“.1052 Wird daher nicht von vorhandenen und zumutbaren Verhandlungsmöglichkeiten oder Schlich1049 1050
1051
1052
Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 209. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 461; Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 467; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 209 f; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 117; Kitzberger, ArbuR 1993, 238; vgl auch Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 257. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 209; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 205 f. Richardi, Die ultima-ratio-Regel als Prinzip des Arbeitskampfrechts, in Gamillscheg/ Rüthers/Stahlhacke (Hrsg), Sozialpartnerschaft in der Bewährung. Festschrift für Karl Molitor (1988) 269 (290).
204
Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
tungsverfahren Gebrauch gemacht, so verletzt der dennoch durchgeführte Arbeitskampf die ultima-ratio-Regel.1053 Die Geltung dieses Grundsatzes ist allerdings umstritten. Gegen die Geltung des ultima-ratio-Prinzips wenden sich hauptsächlich Strasser/Jabornegg mit dem Argument, dass sich ein solcher Grundsatz in der österreichischen Rechtsordnung nicht nachweisen lasse, zumal auch der nähere Inhalt alles andere denn klar sei. Aus dem Verbot sittenwidriger Arbeitskämpfe lassen sich Verfahrensvorschriften für Vorbereitung, Beginn oder Durchführung eines Arbeitskampfes nicht ableiten; insbesondere bestehe weder eine Pflicht zur Durchführung einer Urabstimmung vor Kampfbeginn, noch müsse ein vom Kampfgegner eingeleitetes Verfahren nach § 153 ArbVG bei Beginn des Arbeitskampfes durchgeführt werden.1054 Für das Eingreifen der ultima-ratio-Regel spricht sich hingegen dezidiert Tomandl aus. Als Mindestbedingungen, ohne deren Einhaltung die Rechtsordnung den kampfbedingten Eingriff in fremde Rechtsgüter nicht dulden könne, möchte Tomandl die fordernde Partei dazu verpflichten, vor dem Einsatz von Mitteln des Arbeitskampfes ihre Forderungen entsprechend zu konkretisieren und zu begründen. Dem Gegner müsse eine angemessene Zeit eingeräumt werden, um zu diesen Forderungen Stellung nehmen zu können. Letztlich müssten unter Abwägung allfälliger Gegenvorschläge Verhandlungen geführt werden. „Vor dem Scheitern der Verhandlungen ist eine Kampfführung unzulässig“.1055 Eröffne daher eine Berufsvereinigung unvermittelt einen Arbeitskampf, ohne vorher ernsthafte Verhandlungen mit der Gegenseite geführt zu haben, so lasse sich dieses Verhalten nicht billigen.1056 Die Frage nach der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor Kampfbeginn möchte Tomandl von Fall zu Fall entscheiden. Sofern die Durchführung durch staatliche oder privatautonome Norm verbindlich vorgeschrieben sei, sei diese Frage zu bejahen. Zudem seien die Bestimmungen über die freiwillige Schlichtung in die Betrachtung einzubeziehen.1057 Mit diesen Bestimmungen stelle der Gesetzgeber den Verbänden des Arbeitslebens ein freiwilliges Schlichtungsverfahren zur Verfügung, das über Antrag jeder der beiden Parteien abzuwickeln sei. Sei ein derartiger Antrag von der angegriffenen Partei nicht gestellt worden, so könne sich der Angegriffene auch nicht darauf berufen, dass der 1053
1054
1055 1056 1057
Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 461; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 210; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 117. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 210. Ebenso gegen das Ultima-ratio-Prinzip: Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 781 f; anders aber ders, RdW 2005, 34: „Streik und Aussperrung unterliegen dem Ultima-Ratio-Prinzip“. Gegen die Ultima-Ratio-Regel weiters: Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 257; Auer, Streik und Strafrecht (1999) 46 f und Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 93. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 151. Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 151. Die Argumentation von Tomandl bezieht sich dabei noch auf §§ 18 ff KVG 1947. Deren im vorliegenden Zusammenhang interessierender Inhalt findet sich heute weitgehend inhaltsgleich in §§ 153 ff ArbVG.
Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung
205
Angriff nicht das letzte Mittel gewesen sei. Ein bereits in Gang gesetztes Schlichtungsverfahren vor dessen Ende durch den Einsatz von Mitteln des Arbeitskampfes zu unterminieren, sei rechtswidrig.1058 Marhold ergänzt, dass ein kampfwilliger Verband taktische Verzögerungen der Gegenseite nicht hinnehmen müsse; auch bei Bestehen einer Schlichtungsvereinbarung könnten die Verhandlungen einseitig als gescheitert erklärt werden, ohne dadurch das Ultima-ratio-Prinzip zu verletzen.1059 Für das Ultima-ratio-Prinzip1060 lässt sich mE noch ins Treffen führen, dass die mit einem Arbeitskampf verbundene (uU massive) wirtschaftliche Schädigung es geradezu gebietet, Mittel des Arbeitskampfes nur als letztes Mittel einzusetzen. Dieser Gedanke spiegelt sich auch in der Entscheidung des BAG vom 28. Jänner 1955 wider, worin das Gericht auf die mit einem Arbeitskampf verbundenen volkswirtschaftlichen Schäden hinweist und daraus auf die Unerwünschtheit der kampfweisen Interessenverfolgung schließt.1061 In einer späteren Entscheidung führt das BAG aus, dass Arbeitskämpfe zur Lösung von Interessenskonflikten im äußersten Fall möglich sein müssen, wegen der tief greifenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Arbeitskämpfen, dürfen Arbeitskampfmaßnahmen nur nach Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten ergriffen werden. „Der Arbeitskampf muß also das letzte mögliche Mittel (ultima ratio) sein“.1062
1058 1059
1060
1061
1062
Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 152. Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 117; ebenso Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 461. Die Geltung des Ultima-ratio-Prinzips wird vertreten von: Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 461; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 117; Strasser, DRdA 1988, 14; Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988) 58; Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 186; Mayer-Maly, RdA 1970, 335; ders, RdA 1963, 163; Haslinger, DRdA 1968, 171; Kunschak, Ind 1965 H 8/9, 3; Schneider, JBl 1953, 234. EA Linz 19.12.1966, Re 48/66, Arb 8400 = Ind 1967/615 H 3, 4; LGZ Graz 6.5.1958, 2 Cg 6-55/58, Arb 6890; EA Amstetten 4.2.1955, Re 13/54, Arb 6165; LG Klagenfurt 17.9.1929, Cg 737/28, JBl 1931, 81. BAG 28.1.1955, GS 1/54, BAGE 1, 291 (300) = AP Nr 1 zu Art 9 GG Arbeitskampf = NJW 1955, 822 = JZ 1955, 386 = BB 1955, 412. Diesen Gedanken jüngst auch unterstreichend Löwisch, Modernes Tarifverhandlungsrecht: Förderung alternativer Konfliktlösung, in Rieble (Hrsg), Zukunft des Arbeitskampfes (2005) 35 (36), der in diesem Zusammenhang von einer „allgemeinen Rechtsüberzeugung“ spricht. BAG 21.4.1971, GS 1/68, BAGE 23, 292 (310) = AP Nr 43 zu Art 9 GG Arbeitskampf = EzA Nr 6 zu Art 9 GG = SAE 1972, 1 (Richardi) = RdA 1971, 185 = NJW 1971, 1668 = BB 1971, 701 = DB 1971, 1061 = ZAS 1971/27, 217 (Richardi); Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 186, weist darauf hin, dass dieser Grundsatz allerdings nicht zu extensiv ausgelegt werden dürfe, da die Handlungsfreiheit der Berufsverbände nicht übermäßig beschnitten werden dürfe. Die Sittenwidrigkeit eines Arbeitskampfes sei daher wohl nur bei grober Verletzung des Ultima-ratio-Prinzips anzunehmen.
206
2.2.4.2.
Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Als letztes Kriterium1063 zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Gesamtaktion bezieht sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die näheren Umstände der Kampfdurchführung. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit setzt der kampfweisen Interessenverfolgung insofern Schranken, als eine Gesamtaktion nur dann als rechtmäßig anerkannt wird, wenn diese zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet ist und der mit der Gesamtaktion verbundene Nachteil nicht außer Verhältnis zu dem kampfweise verfolgten Ziel steht.1064 Trotz der mit der Forderung nach einer Kampfführung, die ein angemessenes Verhältnis von Kampfziel und Schadenszufügung im Auge behält, verbundenen Unschärfe, lassen sich aus diesem Grundsatz dennoch Klarstellungen ableiten. Untersagt wird durch das Postulat der Verhältnismäßigkeit auf der einen Seite die Durchführung solcher Arbeitskämpfe, bei denen Kampfforderung und Schädigung des Gegners in einem auffallenden Missverhältnis zueinander stehen.1065 „Insbesondere darf eine Arbeitskampfpartei zur Durchsetzung bescheidener Forderungen oder Forderungen für eng umschriebene Personengruppen nicht unverhältnismäßig schwere Arbeitskämpfe durchführen (etwa Schwerpunktstreiks mit schädlichen Wirkungen für die gesamte Volks-
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Für die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes treten ein: Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 461; Reissner, Arbeitsrecht2 (2005) 467; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 356 FN 15; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 117; Strasser, DRdA 1988, 14; Haslinger, DRdA 1968, 171; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 153 f; Engelich, DRdA 1963, 333 f; Seiler, JBl 1958, 89; Müller, DRdA 1953 H 7, 4. OLG Graz 19.12.1929, 2 R 479/29, JBl 1931, 81; LG Klagenfurt 17.9.1929, Cg 737/28, JBl 1931, 81; Dagegen: Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 257; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 210; Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 93 f; dagegen wohl auch Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 781, der die Anhäufung von Generalklauseln kritisiert, wodurch der Rechtsprechung ein Feld des Ermessens eröffnet werde, das der freien Rechtsfindung recht nahe komme. Daher empfiehlt Löschnigg allein die Generalklausel der Sittenwidrigkeit anzuwenden. Mayer-Maly, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte. Beiheft 16 (1980) 19, streicht aber hervor, dass das Postulat der Verhältnismäßigkeit zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit dient. Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 210; Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 186. Krejci, Aussperrung (1980) 90, weist darauf hin, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine Besonderheit des Arbeitskampfrechts darstelle, sondern seine Ausprägung in verschiedenen Rechtsgebieten gefunden habe. Für das Arbeitsrecht vgl etwa Mayer-Maly, Die Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für das kollektive Arbeitsrecht, ZfA 1980, 473 ff. Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 461; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II Sachprobleme5 (2004) 356 FN 15; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 117; Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 186; Rebhahn, DRdA 1982, 245; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 210, wollen dabei auf die allgemeine Sittenwidrigkeit rekurrieren.
Rahmenbedingungen der Streikrechtsausübung
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wirtschaft)“.1066 Vernichtungskämpfe, also solche Kämpfe, die nicht auf Betriebsstörung, sondern auf Betriebszerstörung ausgerichtet sind, sind damit rechtswidrig.1067 Auf der anderen Seite kann das Verhältnismäßigkeitspostulat aber nicht dazu benützt werden, um die erhobene Kampfforderung auf ihre inhaltliche Angemessenheit oder Erforderlichkeit zu überprüfen.1068 Runggaldier warnt abschließend zu Recht davor, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu einem Instrument der Kontrolle und der Aufsicht über Tätigkeit und Politik der Gewerkschaften durch Gerichte und andere Behörden zu machen. Sittenwidrigkeit des Arbeitskampfes als Gesamtaktion könne daher nur bei grober Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Abwägung aller beteiligten und konfligierenden Interessen angenommen werden.1069
3.
Schlussfolgerung
Die Teilnahme an einer kollektiven Arbeitsniederlegung, die sich im Rahmen der vorhin beschriebenen Kriterien bewegt, also als Gesamtaktion rechtmäßig ist, bedeutet nach der hier vertretenen Konzeption keine Verletzung des bestehenden Arbeitsvertrages. Das Streikrecht gem Art 8 Abs 1 lit d IPwskR konstituiert die Beteiligung an einem rechtmäßigen Streik als „rechtmäßigen Hinderungsgrund“ gem § 27 Z 4 Fall 1 AngG. Damit scheidet die rechtmäßige Entlassung des AN als Reaktion auf die Streikteilnahme aus. Bei Betriebsverfassungsfunktionären wird dieses Ergebnis über die Interpretation des einschlägigen Kündigungszustimmungsgrundes erreicht.1070 Als Folge der Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik entfällt aufgrund der Konstruktion des 1066
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Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 186. Etwas abstrakter formuliert, sollen mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Auswüchse in der sozialen Auseinandersetzung verhindert werden: Loritz, Das überkommene Arbeitskampfrecht und die aktuellen Entwicklungen des Wirtschaftslebens, in Oetker/Preis/Rieble (Hrsg), Festschrift 50 Jahre Bundesarbeitsgericht (2004) 557 (569). Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980) 134; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 461; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 210; Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 117; Auer, Streik und Strafrecht (1999) 46; Haslinger, DRdA 1968, 170; Tomandl, Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes (1965) 126; Schneider, JBl 1953, 234. Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 186 f; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 210. Runggaldier, Kollektivvertragliche Mitbestimmung bei Arbeitsorganisation und Rationalisierung (1983) 186; für einen strengen Maßstab wohl auch Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht (2006) 461; Grillberger in FS Bauer/Maier/Petrag 20 und Marhold, Kollektivarbeitsrecht2 (1999) 117; insofern kann die Befürchtung von Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 257, wohl entkräftet werden. Gemeint ist damit, dass das streikbedingte Arbeitsversäumnis – infolge des Eingreifens eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes in Gestalt des Streikrechts gem Art 8 Abs 1 lit d IPwskR – nicht unbefugt erfolgt. Siehe dazu Seite 109 ff.
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Ein alternativer Ansatz auf Basis des IPwskR
Streikrechts gem Art 8 Abs 1 lit d IPwskR die Arbeitspflicht. Damit korrespondiert der Entfall des Entgeltanspruchs während der Dauer der kampfbedingten Arbeitseinstellung.1071
1071
Streikende AN haben mangels Leistungsbereitschaft keinen Entgeltanspruch. Das ist in Lehre und Rechtsprechung unbestritten: OGH 19.12.2005, 8 ObA 23/05y, SZ 2005/187 = Arb 12.585 = DRdA 2007/9, 107 (Jabornegg) = ZAS-Judikatur 2006/27, 72 = ZAS 2006/27, 183 (krit Tomandl) = ÖJZ-LSK 2006/72 = EvBl 2006/64, 368 = wbl 2006/127 = RdW 2006/231, 237 (mit Besprechungsaufsatz von Drs) = ecolex 2006/140, 307 = infas 2006 A 32 = ARD 5655/6/2006; OGH 17.1.1990, 9 ObA 347/89, Arb 10.837 = DRdA 1990, 370 = ZAS 1994/1, 20 (Aigner) = ÖJZ 1990/48 (NRsp) = EvBl 1990/94, 467 = RdW 1990, 321 = infas 1990 A 66 = ARD 4146/16/90; ArbG Graz 2 Cr 259/52, Ind 1953/22, 10. Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm (2006) § 1151 ABGB Rz 259; Marhold, ASoK 2005, 78; Laminger, Entgeltfortzahlungsanspruch nicht streikender Arbeitnehmer, ecolex 2003, 537; Rauch, ASoK 2003, 181; Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) 391, 785; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 (2001) 223; Tomandl/Marhold in Mosler/Bernhardt (Hrsg), Die Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (1980) 679; Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf. Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie (1972) 66; Bydlinski in Floretta/Strasser (Hrsg), Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben 90; ders, ZÖR 8 (1957/58) 335.
Zusammenfassung I. Die prinzipielle Möglichkeit, Mittel des Arbeitskampfes einzusetzen, ist Funktionsvoraussetzung für ein System kollektiv geregelter Arbeitsbedingungen. II. Die Rechtsordnung kennt das Phänomen Arbeitskampf, regelt aber nur Randbereiche desselben. Insbesondere fehlt eine spezielle Aussage der Rechtsordnung über das Verhältnis von Arbeitskampf und Arbeitsvertrag. III. Auch die gegen den Staat gerichtete, politisch motivierte Kampfführung (politischer Arbeitskampf) ist vom Arbeitskampfbegriff umfasst. IV. Es gibt kein systematisch in sich geschlossenes Arbeitskampfrecht im objektiven Sinn. V. Die staatliche Neutralität in Arbeitskämpfen, die Kampfparität und der Grundsatz der Arbeitnehmersolidarität sind jene Prinzipien des Arbeitskampfrechts, die für die arbeitsvertraglichen Implikationen der Kampfteilnahme von Bedeutung sind. VI. Die hL vom Vertragsbruchcharakter der Streikteilnahme ist in dieser pauschalen Form nicht haltbar. Sowohl die Struktur der einschlägigen Entlassungstatbestände sowie deren Konkretisierung durch Lehre und Rechtsprechung als auch die unterschiedlichen Formen einer streikbedingten Arbeitsniederlegung, die in Beziehung zu den Entlassungstatbeständen gesetzt werden, zwingen zu einer einzelfallbezogenen Betrachtungsweise. Diese wiederum aber wird dem Phänomen des Streiks als kollektiver Sachverhalt der sozialen Wirklichkeit nicht gerecht. VII. Die durch Art 11 Abs 1 MRK geschützte positive Koalitionsfreiheit ist keine taugliche Grundlage für die Annahme eines subjektiv-privaten Kampfrechts. VIII. Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte garantiert nicht eine Streikfreiheit, sondern ein Streikrecht, welches der Streikteilnahme den Vertragsbruchcharakter nimmt. Dieses international verbürgte Streikrecht ist Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung.
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Zusammenfassung
IX. Die Teilnahme an einem Streik, der die von der Lehre aufgestellten Kriterien einer rechtmäßigen Gesamtaktion erfüllt, ist über das durch den IPwskR garantierte Streikrecht ein „rechtmäßiger Hinderungsgrund“ iSv § 27 Z 4 Fall 1 AngG. X. Als Folge davon scheidet die rechtmäßige Entlassung eines streikenden AN, der im Rahmen einer rechtmäßigen Gesamtaktion die Arbeit einstellt, aus.
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OGH 25.1.2006
9 ObA 169/05a
DRdA 2007/39, 339 (Heilegger) = infas 2006 A 52
OGH 19.12.2005
8 ObA 23/05y
SZ 2005/187 = Arb 12.585 = DRdA 2007/9, 107 (Jabornegg) = ZAS-Judikatur 2006/27, 72 = ZAS 2006/27, 183 (krit Tomandl) = ÖJZ-LSK 2006/ 72 = EvBl 2006/64, 368 = wbl 2006/127, 276 = RdW 2006/231, 237 (mit Besprechungsaufsatz von Drs) = ecolex 2006/140, 307 = infas 2006 A 32 = ARD 5655/6/2006
OGH 29.6.2005
9 ObA 96/05s
RdW 2005/774, 703 = ARD 5685/7/2006
OGH 11.5.2005
9 ObA 30/05k
Arb 12.530 = ecolex 2005/375, 786 = ASoK 2005, 304
OGH 11.5.2005
9 ObA 31/05g
SZ 2005/74 = Arb 12.531 = DRdA 2005, 443 = DRdA 2005/39, 531 (Trost) = ZAS 2006/33, 226 (Kietaibl) = wbl 2005/230, 431 = ASoK 2006, 37 = infas 2005 A 54
OGH 20.12.2004
8 ObA 37/04f
Arb 12.475 = ASoK 2005, 114 = infas 2005 A 18
OGH 16.12.2003
4 Ob 241/03z
SZ 2003/171 = EvBl 2004/101, 468 = ÖJZ-LSK 2004/95 = ÖJZLSK 2004/96 = ÖJZ-LSK 2004/ 97 = wbl 2004/150, 291 = GesRZ 2004, 138 = RdW 2004/ 315, 343 = ecolex 2004/371, 794
OGH 19.11.2003
9 ObA 125/03b
SZ 2003/151 = Arb 12.382 = DRdA 2004, 171 = DRdA 2004/ 48, 558 (mit Besprechungsaufsatz von Cerny) = ZAS 2005/6,
239
Judikaturverzeichnis
32 (Rebhahn) = wbl 2004/203, 389 = RdW 2005/52, 35 (mit Besprechungsaufsatz von Löschnigg) = ecolex 2004/142, 302 = ASoK 2004, 295 = infas 2004 A 26 = ARD 5472/5/2004 OGH 21.5.2003
9 ObA 64/03g
Arb 12.323 = ARD 5463/7/2004
OGH 13.2.2003
8 ObA 6/03w
DRdA 2003, 458 = ASoK 2004, 26 = infas 2003 A 78 = ARD 5418/7/2003
OGH 23.1.2003
8 ObA 220/02i
DRdA 2003, 457 = ZASJudikatur 2003/150, 221 = ZASJudikatur 2003/175, 267 = ASoK 2003, 348 = infas 2003 A 57 = ARD 5410/7/2003
OGH 23.1.2003
8 ObA 113/02d
ARD 5418/10/2003
OGH 18.12.2002
9 ObA 249/02m
DRdA 2003, 286 = DRdA 2004/4, 45 (Posch) = RdW 2003/ 518, 597 = ecolex 2003/119, 266 = ASoK 2003, 386 = infas 2003 A 40 = ARD 5418/4/2003
OGH 4.12.2002
9 ObA 230/02t
Arb 12.276 = DRdA 2003, 285 = DRdA 2003/51, 557 (Risak) = RdW 2003/516, 597 = ASoK 2003, 387 = infas 2003 A 39 = ARD 5403/9/2003
OGH 4.12.2002
9 ObA 192/02d
ASoK 2003, 388
OGH 4.9.2002
9 ObA 51/02v
ARD 5410/5/2003
OGH 29.8.2002
8 ObA 179/02k
Arb 12.270 = DRdA 2003, 66 = ASoK 2003, 208 = infas 2003 A 5 = ARD 5424/9/2003
OGH 29.8.2002
8 ObA 12/02a
ASoK 2003, 416 = ARD 5382/6/ 2003
OGH 5.6.2002
9 ObA 41/02y
Arb 12.231 = ARD 5356/35/ 2002
OGH 16.5.2002
8 ObA 106/02z
SZ 2002/68 = Arb 12.223 = JBl 2003, 194 = ecolex 2002/324, 828 = infas 2002 A 111 = ARD 5356/39/2002 = ARD 5368/3/ 2003
OGH 8.5.2002
9 ObA 53/02p
SVSlg 49.749 = Arb 12.214 = DRdA 2002, 408 = ZASB 2002,
240
Judikaturverzeichnis 41 = ZAS 2003/15, 84 (Graf C.) = ZIK 2002/246, 173 = ZIK 2003/108, 90 (Weber) = RdW 2003/639, 722 = ASoK 2003, 103 = ARD 5342/9/2002
OGH 17.4.2002
9 ObA 279/01x
ASoK 2003, 245 = ARD 5381/3/ 2003
OGH 14.3.2002
6 Ob 155/01i
MietSlg 54.001 = EvBl 2002/145, 556 = ÖJZ-LSK 2002/148 = bbl 2002/98, 164 = ZVR 2003/24, 75 = ZVR 2003/33, 120
OGH 21.2.2002
8 ObA 21/02z
infas 2002 A 69 = ARD 5341/5/ 2002
OGH 16.8.2001
8 ObA 171/01g
ARD 5292/16/2002
OGH 10.1.2001
9 ObA 319/00b
Arb 12.070 = DRdA 2001/16, 176 (Smutny) = DRdA 2001, 452 = RdW 2001/634, 617 = ecolex 2001/220, 622 = ASoK 2001, 230 = infas 2001 A 61 = ARD 5232/8/2001
OGH 4.10.2000
9 ObA 216/00f
RdW 2001/256, 238 = ASoK 2001, 164 = infas 2001 A 18 = ARD 5193/30/2001
OGH 31.5.2000
9 ObA 19/00k
DRdA 2000, 535 = RdW 2000/677, 691 = ASoK 2001, 102 = infas 2000 A 110 = ARD 5196/19/2001
OGH 16.2.2000
9 ObA 335/99a
DRdA 2000, 537 = EvBl 2000/465, 608 = ÖJZ-LSK 2000/ 145 = RdW 2000/465, 497 = ASoK 2000, 362 = infas 2000 A 67 = ARD 5109/12/2000
OGH 24.2.1999
9 ObA 2/99f
DRdA 1999, 393 = RdW 1999, 608 = ASoK 1999, 334 = infas 1999 A 70 = ARD 5039/15/99
OGH 11.2.1999
8 ObA 21/99t
RdW 1999, 368 = ASoK 1999, 331 = ARD 5024/3/99
OGH 20.1.1999
9 ObA 294/98w
SZ 72/6 = Arb 11.813 = DRdA 1999, 395 = DRdA 2000/14, 148 (krit Trost) = RdW 2000, 14 = ASoK 1999, 272 = infas 1999 A 64 = ARD 5037/7/99
241
Judikaturverzeichnis
OGH 23.12.1998
9 ObA 286/98v
DRdA 1999, 231 = ARD 5013/ 9/99
OGH 19.8.1998
9 ObA 76/98m
Arb 11.762 = DRdA 1999, 76 = DRdA 1999/60, 481 (Klein Ch.) = ASoK 1999, 77
OGH 25.6.1998
8 ObA 268/97p
Arb 11.744 = DRdA 1998, 442 = DRdA 1999/19, 139 (Mayr) = ZASB 1998, 43 = wbl 1998/387, 543 = RdW 1999, 218 = ASoK 1998, 429 = ARD 4972/3/98
OGH 8.6.1998
8 ObA 22/98p
Arb 11.732 = ASoK 1999, 35 = ARD 4967/26/98
OGH 20.5.1998
9 ObA 15/98s
Arb 11.728 = DRdA 1998, 443 = DRdA 1999/16, 130 (Resch) = infas 1998 A 138 = Ind 1999/2482 H 1, 8 = ARD 4964/ 1/98
OGH 25.6.1997
8 ObA 101/97m
Arb 11.624
OGH 12.2.1997
9 ObA 8/97k
DRdA 1997, 404 = infas 1997 A 78 = ARD 4880/34/97 = ARD 4884/30/97
OGH 25.4.1996
8 ObA 2058/96x
SZ 69/105 = Arb 11.521 = DRdA 1996, 520 = ZASB 1997, 1 = ZAS 1997/5, 55 (Apathy) = RdW 1997, 88 = ecolex 1996, 786 = infas 1996 A 128 = ARD 4779/26/96
OGH 21.12.1995
8 ObA 253/95
SZ 68/249 = Arb 11.460 = DRdA 1996, 246 = DRdA 1996/43, 412 (Feik) = ZASB 1996, 10 = wbl 1996, 244 = EvBl 1996/87, 510 = ÖJZ-LSK 1996/ 155 = ÖJZ-LSK 1996/217 = ÖJZ-LSK 1996/218 = ÖJZ-LSK 1996/219 = ÖJZ-LSK 1996/ 248 = RdW 1996, 488 = ecolex 1996, 395 = GesRZ 1996, 121 = infas 1996 A 72 = ARD 4729/ 14/96
OGH 26.1.1995
8 ObA 201/95
DRdA 1995, 420 = ZASB 1995, 13 = wbl 1995, 335 = RdW 1995, 439 = ecolex 1995, 505 = infas 1995 A 85 = ARD 4643/25/95
242
Judikaturverzeichnis
OGH 28.10.1994
9 ObA 193/94
Arb 11.303 = RdW 1995, 152 = ARD 4644/19/95
OGH 31.8.1994
8 ObA 204/94
SZ 67/140 = DRdA 1995, 130 = ZASB 1995, 1 = ZAS 1995/13, 127 (Drs) = wbl 1995, 119 = RdW 1995, 270 = infas 1995 A 28 = ARD 4602/20/94
OGH 25.5.1994
9 ObA 6/94
SZ 67/93 = Arb 11.196 = DRdA 1994, 522 = DRdA 1995/24, 315 (Jabornegg) = ZASB 1994, 21 = ZAS 1995/18, 162 (Micheler) = RdW 1994, 357 = infas 1994 A 143 = Ind 1995/2255 H 2, 9 = ARD 4594/3/94
OGH 23.11.1993
10 ObS 243/93
SSV-NF 1993/120 = EvBl 1994/ 140, 698 = ARD 4542/24/94
OGH 2.9.1992
9 ObA 150/92
DRdA 1993/23, 223 (Eypeltauer) = infas 1993 A 79 = Ind 1993/2147 H 3, 7 = ARD 4426/ 18/93
OGH 27.5.1992
9 ObA 70/92
DRdA 1992, 466 = DRdA 1993/7, 45 (Ritzberger-Moser) = ZASB 1992, 17 = RdW 1992, 381 = infas 1992 A 144 = ARD 4379/10/92
OGH 11.9.1991
9 ObA 150/91
infas 1992 A 15
OGH 23.5.1990
9 ObA 136/90
ZASB 1990, 21 = wbl 1990, 341 = RdW 1990, 454 = infas 1991 A 129 = ARD 4203/10/90
OGH 17.1.1990
9 ObA 347/89
Arb 10.837 = DRdA 1990, 370 = ZAS 1994/1, 20 (Aigner) = ÖJZ 1990/48 (NRsp) = EvBl 1990/94, 467 = RdW 1990, 321 = infas 1990 A 66 = ARD 4146/16/90
OGH 18.10.1989
9 ObA 260/89
RdW 1990, 124 = ecolex 1990, 47 = ARD 4142/17/90
OGH 27.9.1989
9 ObA 269, 270/89
ecolex 1990, 171 = ARD 4151/ 14/90
OGH 28.9.1988
9 ObA 199/88
wbl 1989, 158 = RdW 1989, 139 = Ind 1990/1905 H 1, 20 = ARD 4044/15/89
243
Judikaturverzeichnis
OGH 27.4.1988
9 ObA 163/87
SZ 61/105 = Arb 10.714 = wbl 1988, 307
OGH 2.9.1987
9 ObA 61/87
RdW 1988, 53 = ARD 3954/ 14/88
OGH 17.7.1987
9 ObA 17/87
Arb 10.649 = DRdA 1988, 149 = wbl 1987, 342 = RdW 1987, 419 = infas 1988 A 33 = ARD 3979/18/88
OGH 24.3.1987
4 Ob 378/86
JBl 1987, 730
OGH 10.3.1987
14 ObA 25/87
Arb 10.614 = wbl 1987, 195
OGH 13.5.1986
14 Ob 74/86
Arb 10.521 = DRdA 1987, 23 = infas 1986 A 129
OGH 23.4.1985
4 Ob 49/85
Arb 10.449 = infas 1985 A 135
OGH 5.2.1985
4 Ob 3/85
DRdA 1985, 319 = infas 1985 A 109
OGH 15.1.1985
4 Ob 105/84
DRdA 1985, 315 = infas 1985 A 104
OGH 13.11.1984
4 Ob 114/84
Arb 10.427 = DRdA 1985, 223 = RdW 1985, 222 = infas 1985 A 80
OGH 24.1.1984
4 Ob 81/83
ARD 3625/13/84
OGH 14.12.1982
4 Ob 176/82
Arb 10.210
OGH 13.7.1982
4 Ob 73, 74/82
Arb 10.146 = DRdA 1983, 36 = DRdA 1985/11, 204 (Mörkelsberger) = SozM I A/d 1292
OGH 16.3.1982
4 Ob 17/82
DRdA 1982, 324 = SozM III B 227 = ARD 3408/11/82
OGH 23.6.1981
4 Ob 127/80
Arb 9991 = DRdA 1982, 53
OGH 15.7.1981
1 Ob 625/81
SZ 54/111 = JBl 1982, 197 (Wilhelm) = NZ 1982, 184
OGH 8.7.1980
4 Ob 352/80
SZ 53/102 = JBl 1981, 380 = ÖBl 1981, 13
OGH 25.3.1980
4 Ob 42/80
Arb 9863
OGH 28.2.1980
7 Ob 523/80
JBl 1981, 33
OGH 18.4.1978
4 Ob 7/78
Arb 9690
OGH 14.3.1978
4 Ob 162/77
Arb 9672 = EvBl 1978/145, 467 = Ind 1978/1113 H 5, 9
OGH 18.10.1977
4 Ob 95/77
SZ 50/132 = Arb 9678 = DRdA 1978, 141 = DRdA 1978, 346
244
Judikaturverzeichnis (Holzer/Posch) = ZAS 1979/7, 54 (Schumacher) = EvBl 1978/ 87, 243
OGH 19.4.1977
4 Ob 22/77
Arb 9578 = ZAS 1978/23, 180 (Fischer)
OGH 13.7.1976
4 Ob 61/76
Arb 9493
OGH 13.1.1976
4 Ob 71/75
Arb 9431 = ZAS 1978/7, 50 (Winkler) = EvBl 1976/128, 241
OGH 24.9.1974
4 Ob 51/74
Arb 9255 = DRdA 1976, 70 (Grillberger) = SozM I A/d 1106
OGH 3.6.1973
4 Ob 57, 58/73
Arb 9135 = SozM I A/d 1077
OGH 19.12.1972
4 Ob 96/72
Arb 9075 = SozM I A/b 91
OGH 14.11.1972
4 Ob 78, 79, 80/72
Arb 9046 = DRdA 1974, 27 (Schwarz B.) = EvBl 1973/114, 265 = SozM I A/d 1061
OGH 12.9.1972
4 Ob 59/72
Arb 9015 = ZAS 1976/1, 17 (Gutknecht) = SozM I A/d 1049
OGH 15.6.1962
4 Ob 14/62
Arb 7576 = SozM I A/d 477
OGH 29.8.1961
4 Ob 98/61
SZ 34/108 = Arb 7412 = SozM I A/d 443
OGH 4.5.1960
5 Ob 116/60
MietSlg 7821 = JBl 1960, 604
OGH 24.3.1959
4 Ob 91/58
SZ 32/38 = Arb 7020 = JBl 1959, 506 = SozM II C 7 = Ind 1959 H 5-6, 3
OGH 3.7.1957
2 Ob 58/57
Arb 6688 = SozM II C 1
OGH 27.10.1953
4 Ob 205/53
Arb 5856
OGH 2.7.1952
2 Ob 528/52
MietSlg 2174
OGH 13.12.1927
Ob I 1254/27
SZ 9/310
OGH 23.3.1926
Ob III 192/26
SZ 8/89
OGH 11.7.1923
Ob I 478/23
SZ 5/193
OGH 4.7.1923
Ob III 462/23
SZ 5/187
OGH 20.6.1923
Ob III 441/23
SZ 5/162
OGH 3.12.1913
Rv VI 458/13
GlUNF 6670 = ZBl 1914, 39
OGH 16.6.1911
Rv I 535/11
GlUNF 5508 = JBl 1911, 442 = ZBl 1911, 838
OGH 31.12.1907
14.094
GlUNF 4040 = JBl 1908, 237
OGH 20.6.1905
8369
GlUNF 3097 = ZBl 1905, 825
OGH 1.7.1903
9093
GlUNF 2395 = ZBl 1903, 705
245
Judikaturverzeichnis
Verfassungsgerichtshof VfGH 13.12.2001
G 213/01, V 62/01, V 63/01
VfSlg 16.404 = JBl 2002, 234 = EuGRZ 2002, 168 = ZfVB 2002/1430 = JAP 2001/2002, 187 (Kolonovits)
VfGH 28.6.2001
G 103/00
VfSlg 16.241 = JBl 2002, 31 = EuGRZ 2002, 62 = ZfVB 2002/1100 = ZfVB 2002/1112 = ecolex 2001, 71
VfGH 17.12.1998
B 3028/97
VfSlg 15.394 = JBl 1999, 453 (Potz) = EuGRZ 1999, 600 (Bernegger) = ZfVB 2000/400 = ZfVB 2000/414 = ZfVB 2000/430 = ZfVB 2000/440 = ZfVB 2000/457
VfGH 1.7.1993
G 75/93
VfSlg 13.500 = JBl 1994, 244 (Pernthaler) = ZfVB 1995/393 = JAP 1993/94, 35 (Wiederin)
VfGH 30.11.1990
V 78/90
VfSlg 12.558 = ÖJZ-VfGH 1992/13, 106 = wbl 1991, 230 = ÖZW 1991, 94 = ZfVB 1992/ 1310 = ZfVB 1992/1321 = ecolex 1991, 290
VfGH 14.10.1987
B 267/86
VfSlg 11.500 = JBl 1988, 302 = ÖJZ-VfGH 1988/23, 474 = ZfVB 1988/1233 = ZfVB 1988/ 1265 = ZfVB 1988/1317
VfGH 23.2.1985
B 517/84
VfSlg 10.344 = DRdA 1985/14, 283 (Floretta) = RdW 1985, 251 = infas 1985 A 117 = ARD 3703/14/85
VfGH 5.12.1984
B 370/83
VfSlg 10.297 = DRdA 1985/14, 283 (Floretta) = DRdA 1985, 317 = RdW 1985, 251 = infas 1985 A 71
VfGH 14.6.1979
B 378/78
VfSlg 8567 = ÖJZ 1980, 276
VfGH 4.10.1977
B 322/76
VfSlg 8141 = DRdA 1978, 46 = ÖJZ 1978, 410 = ÖBl 1978, 149 = ÖZW 1978, 87
VfGH 16.12.1964
V 25/64
VfSlg 4885
VfGH 1.3.1975
B 211/74
VfSlg 7478
246 VfGH 9.3.1959
Judikaturverzeichnis B 292/58
VfSlg 3496 = JBl 1959, 590
VfGH 19.10.1928
B 18/28
VfSlg 1082
VfGH 9.5.1927
B 467/26, B 6/27
VfSlg 774
VfGH 20.3.1925
B 4/25
VfSlg 405
VfGH 5.12.1923
B 39/23
VfSlg 254
Verwaltungsgerichtshof VwGH 26.4.1999
97/17/0334
ARD 5078/40/99
VwGH 27.10.1997
96/17/0425
VwSlg 7232 F = ÖStZB 1998, 650 = ARD 4931/17/98
VwGH 23.11.1995
94/18/1020
ZfVB 1995/1345
VwGH 22.3.1994
93/08/0176
VwSlg 14.020 A = SVSlg 42.099 = ÖJZ-VwGH (A) 1994/220, 748 = ecolex 1995, 200 = ecolex 1995, 580 = ZfVB 1995/1431 = ARD 4563/16/94
VwGH 9.11.1988
86/01/0153
ZfVB 1989/1406
VwGH 28.3.1985
83/01/0240
infas 1986 A 5
VwGH 21.10.1983
82/17/0087
VwSlg 5819 F = ÖJZ-VwGH (F) 1984/397, 559 = ZÖR 1985/ 35, 247 = RdW 1984, 192 = ÖStZB 1984, 289 = AnwBl 1984, 171
VwGH 15.6.1983
82/1/190
Arb 10.319 = DRdA 1984, 58 = DRdA 1985/5, 117 (Rabofsky) = RdW 1983, 117 = infas 1984 A 1
VwGH 6.10.1982
82/01/0153, 0154
VwSlg 10.841 A = Arb 10.151 = SozM II B 1211 = DRdA 1983, 115 = ÖJZ-VwGH (A) 1983/ 177, 495 = Ind 1983/1387 H 3, 10
VwGH 22.1.1980
1270/78
VwSlg 10.016 A = Arb 9850 = DRdA 1982/2, 43 (Csebrenyak) = ÖJZ-VwGH (A) 1981/3, 103 = ÖJZ-VwGH (A) 1981/4, 103 = ÖJZ-VwGH (A) 1981/5, 103 = ARD 3249/17/80
VwGH 12.1.1971
560/70
Arb 8836 = SozM II B 937 = ÖJZ-VwGH (A) 1971/272, 639
VwGH 21.10.1969
292/69
Arb 8673 = ÖJZ-VwGH (A) 1970/135, 443 = Ind 1970/780 H 9-10, 7
247
Judikaturverzeichnis
VwGH 13.4.1961
7/60
Arb 7362 = ÖJZ-VwGH (A) 1961, 640
VwGH 23.3.1961
1532/59
Arb 7356 = SozM II B 545
VwGH 9.2.1961
1298/59
SozM II B 541
VwGH 20.10.1960
668/59
SozM II B 517 = DRdA 1961, 293 (Weisgram)
VwGH 20.2.1958
690/55
Arb 6810
VwGH 13.4.1955
1629/54
SVSlg 4438 = SVSlg 5814
VwGH 22.10.1953
779/53
Arb 5907
VwGH 17.6.1953
872/52
SVSlg 2272 = SVSlg 2318 = SVSlg 2323 = JBl 1953, 636 = SozSi 1953, 380 = VersRdSch 1954, 123 = Ind 1953/43, 37 = SozM V G 101
VwGH 11.6.1953
1484/51
VwSlg 3020 A = Arb 5739
BAG 3.8.1999
1 AZR 735/98
EzA Nr 133 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Nicolai) = ARBlattei ES Arbeitskampf II Nr 44 = BB 2000, 776 = DB 2000, 677 = NZA 2000, 487
BAG 17.6.1997
1 AZR 674/96
AP Nr 150 zu Art 9 GG Arbeitskampf = EzA Nr 128 zu Art 9 GG Arbeitskampf = ARBlattei ES Arbeitskampf I Nr 45 = NZA 1998, 47 = DB 1997, 2384
BAG 22.3.1994
1 AZR 622/93
BAGE 76, 196 (201) = AP Nr 130 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Oetker) = EzA Nr 115 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Fischer/ Rüthers) = AR-Blattei ES Arbeitskampf II Nr 39 (Löwisch) = SAE 1995, 254 (Lieb) = RdA 1995, 57 = NJW 1995, 477 = NZA 1994, 1097 = BB 1995, 410 = DB 1995, 100
BAG 12.9.1984
1 AZR 342/83
BAGE 46, 322 = AP Nr 81 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Herschel) = EzA Nr 54 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Seiter) = RdA
Bundesarbeitsgericht
248
Judikaturverzeichnis 1985, 52 = RdA 1985, 61 = NZA 1984, 393 = DB 1984, 2563 = NJW 1985, 85
BAG 10.6.1980
1 AZR 822/79
BAGE 33, 140 = AP Nr 64 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Mayer-Maly) = EzA Nr 37 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Rüthers) = AR-Blattei ES Arbeitskampf III Aussperrung Nr 6 = SAE 1980, 169 = RdA 1980, 240 = JZ 1980, 484 = DB 1980, 1266
BAG 17.12.1976
1 AZR 605/75
BAGE 28, 295 = AP Nr 51 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Rüthers) = EzA Nr 19 zu Art 9 GG Arbeitskampf (Otto) = SAE 1977, 233 (Konzen) = RdA 1977, 194 = BB 1977, 595 = DB 1977, 824 = NJW 1977, 1079
BAG 21.4.1971
GS 1/68
BAGE 23, 292 = AP Nr 43 zu Art 9 GG Arbeitskampf = EzA Nr 6 zu Art 9 GG = SAE 1972, 1 (Richardi) = RdA 1971, 185 = NJW 1971, 1668 = BB 1971, 701 = DB 1971, 1061 = ZAS 1971/27, 217 (Richardi)
BAG 27.9.1957
1 AZR 81/56
AP Nr 6 zu Art 9 GG Arbeitskampf = SAE 1958, 17 (Molitor) = RdA 1958, 39 = NJW 1957, 1942 = BB 1957, 1142 = DB 1957, 1130 = ArbuR 1958, 341 (Frey)
BAG 28.1.1955
GS 1/54
BAGE 1, 291 = AP Nr 1 zu Art 9 GG Arbeitskampf = NJW 1955, 822 = JZ 1955, 386 = BB 1955, 412
Landesarbeitsgerichte LAG Hamm 9.9.1953 3 Sa 407/53
BB 1953, 1062
LAG Hannover 16.1.1952
Sa 700/51
BB 1952, 197
BSozG 30.8.1955
7 RAr 40/55
BSozGE 1, 115
BSozG 27.1.1956
7 RAr 81/55
BSozGE 2, 164
Bundessozialgericht
249
Judikaturverzeichnis
BSozG 26.11.1959
7 RAr 38/56
BSozGE 11, 79
BSozG 15.12.1971
3 RK 87/68
BSozGE 33, 254
BSozG 9.9.1975
7 RAr 5/73
BSozGE 40, 190 = AP Nr 1 zu § 116 AFG = SAE 1976, 237 (Löwisch)
Schweizerisches Bundesgericht SchwBG 28.6.1999
4 C 146/1998
SchwBG 18.6.1985
BGE 125 III 277 = ArbuR 2000, 69 (mit Besprechungsaufsatz von Andermatt) BGE 111 II 245
Oberlandesgerichte OLG Wien 20.10.2005 10 Ra 109/05f
ARD 5689/6/2006
OLG Wien 6.11.2000 9 Ra 176/00v
ARD 5185/40/2001
OLG Wien 28.4.2000 9 Ra 351/99z
ARD 5208/47/2001
OLG Wien 5.6.1998
ARD 4954/5/98
7 Ra 115/98b
OLG Wien 25.6.1990 32 Ra 59/90 OLG Linz 7.6.1988
12 Ra 14/88
OLG Graz 19.12.1929 2 R 479/29
ARD 4191/13/90 Arb 10.718 = ZASB 1989, 10 JBl 1931, 81
Landesgerichte LG St. Pölten 24.7.2003
33 Cga 144/02i
ZAS-Judikatur 2004/69, 127
LG Wr. Neustadt 17.9.1999
6 Cga 194/98b
Arb 11.933 = ZASB 2000, 43
LG Linz 14.9.1998
7 Cga 78/98w
Arb 11.775 = ZASB 1999, 27 = ARD 5124/33/2000
LG Wiener Neustadt 9.2.1998
6 Cga 158/98h
ZASB 1999, 35
LG Linz 24.4.1997
8 Cga 4/97v
Arb 11.595 = ZASB 1998, 35 = ARD 4982/38/98
LGZ Graz 27.5.1987
33 Cga 1008/87
Arb 10.645
LGZ Wien 17.11.1980 44 Cg 163/80
Arb 9918 = ZAS 1981, 121 = SozM I A/b 111
LGZ Wien 10.6.1976
44 Cg 86/76
Arb 9528
LGZ Wien 24.1.1963
44 Cg 17/63
Arb 7684
LGZ Wien 29.11.1962 44 Cg 203/62
Arb 7758
LGZ Wien 28.8.1958
44 Cg 153/58
Arb 6915 = SozM I A/d 351
LGZ Graz 6.5.1958
2 Cg 6-55/58
Arb 6890
250
Judikaturverzeichnis
LGZ Wien 15.6.1957
42 R 370/57
SozM II C 3
LG Klagenfurt 17.9.1929
Cg 737/28
JBl 1931, 81
Arbeits- und Sozialgericht Wien ASG Wien 30.6.2003
19 Cga 237/02i
Arb 12.303 = ZAS-Judikatur 2004/4, 30 = ARD 5463/9/2004
ASG Wien 30.10.2002 33 Cga 95/02k
Arb 12.259 = ZAS-Judikatur 2003/84, 125
ASG Wien 29.2.2000
ARD 5160/8/2000
24 Cga 242/99d
Kreisgerichte KG Leoben 25.1.1955 1 Cg 21/54
Arb 6154
KG St. Pölten 19.11.1953
Arb 5871
3 Cg 24/53
KG Leoben 30.6.1951 Cg 12/51
SozM II B 99
KG Wels 26.11.1923
Arb 3189
C 28/23/12
Magistrat der Stadt Wien Magistrat Stadt Wien 26.2.1952
M-Abt 14 L 12/52
SozM V G 27
Einigungsämter EA Salzburg 12.8.1986 Re 6/86
Arb 10.548 = ZASB 1987, 5 = RdW 1986, 380 = infas 1987 A 44
EA Innsbruck 12.2.1982
Re 14/81
Arb 10.076 = ZAS 1982, 121
EA Wien 5.6.1981
VI Re 85/81
Arb 9987 = ZAS 1981, 201
EA Linz 22.4.1980
Re 82/79
ZAS 1980, 201 = ARD 3286/ 23/81
EA Linz 5.12.1978
Re 82/78
Arb 9730 = ZAS 1979, 81
EA Linz 18.11.1977
Re 53/77
Arb 9634 = ZAS 1978, 81
EA Graz 7.12.1967
Re 55/67
Arb 8497
EA Linz 19.12.1966
Re 44/66
Arb 8400 = Ind 1967/615 H 3, 4
EA Graz 28.11.1966
Re 17/66
Arb 8397
EA Wien 10.6.1964
Re 171/64
Arb 7949 = SozM II B 735 = SozM II B 741
EA Wien 25.3.1964
Re 66/64
Arb 7915 = SozM II B 718 = Ind 1964/535 H 11, 1
EA Wien 21.5.1963
Re 105/63
Arb 7778 = SozM II B 696
251
Judikaturverzeichnis
EA Innsbruck 5.7.1962
Re 10/62
SozM II B 635
EA Wien 5.6.1962
Re 157/62
SozM II B 631
EA Wien 22.1.1962
Re 261/61
Arb 7607 = SozM II B 616
EA Klagenfurt 8.4.1957
Re 5/57
Arb 6638
EA Wien 26.11.1955
Re 445/55
Arb 6342
EA Amstetten 4.2.1955
Re 13/54
Arb 6165
EA Linz 23.11.1954
Re 164/54
Arb 6110
EA Wien 14.11.1953
Re 504/53
Arb 5868 = JBl 1954, 204
EA Wien 15.5.1953
Re 202/53
SozM II B 153
EA Linz 2.4.1953
Re 49/53
Arb 5669
EA Wien 16.2.1953
Re 45/53-2
SozM II B 109
EA Graz 29.1.1953
Re 11/53
SozM II B 157
EA Leoben 25.11.1936
Reg I 21/36
Arb 4706
EA Linz 1.9.1929
Reg I 198/27
Arb 3945
EA Wien 10.9.1928
A 555/28
Arb 3852
EA St. Pölten 8.9.1927 Reg I 115/27
Arb 3802
EA Wien 11.6.1927
A 379/27
Arb 3704
EA St. Pölten 21.4.1927
Reg I 38/27
Arb 3707
EA Leoben 20.12.1926 B 86/26
Arb 3647
EA St. Pölten 3.8.1925 Reg I 112/25
Arb 3464
EA St. Pölten 6.5.1925 Reg I 80/25
Arb 3452
EA Salzburg 1.7.1924 Reg I 114/24/3
Arb 3282
EA Salzburg 11.8.1923
Reg I 157/23
Arb 3181
EA Graz 28.7.1923
R I 103/23
Arb 3172
EA Innsbruck 2.6.1923
39, 40/23
Arb 3171
EA Wien 10.1.1923
A 1957/22
Arb 3360
EA Klagenfurt 15.11.1922
Reg I 180/22
Arb 3096
EA St.Pölten 23.12.1920
Reg I 108/20
GGSlg 3004
252 EA St. Pölten 18.10.1920
Judikaturverzeichnis
Reg I 91/20
Arb 3021
Arbeitsgerichte ArbG Wien 30.4.1958 6 Cr 15/58
SozM I A/d 343
ArbG Linz 23.9.1957
1 Cr 122/57
Arb 6706
ArbG Graz
2 Cr 259/52
Ind 1953/22, 10
ArbG Steyr 2.3.1951
Cr 71/50
SozM I E 7
ArbG Judenburg 29.1.1950
Cr 98/50
SozM II B 99
Gewerbegerichte GewG Wien 8.7.1924 Cr IV 936/24/4
Arb 3280
GewG Wien 19.4.1921 Cr I 341/21
Arb 3022
GewG Jägerndorf 12.8.1912
Cr 23, 24/12
GGSlg 2145
GewG Laibach 14.1.1911
Cr I 5/11
GGSlg 1991
GewG Graz 21.7.1905
Cr I 427/5
GGSlg 1111
GewG Brünn 9.3.1904
Cr I 127/4
GGSlg 1110
GewG Graz 22.6.1903
Cr I 353/3
GGSlg 595
Oberstes Schiedsgericht ObSchiedsG Wien 23.1.1973
OBW 3/71
Arb 9087 = EvBl 1973/196, 411
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR 11.1.2006 (GC), 52562/99, 52620/99, Sørensen und Rasmussen/Dänemark, ÖJZ-MRK 2006/12, 550 EGMR 6.11.2003, 48047/99, Popov ua, Vakarelova, Markov und Bankov/Bulgarien EGMR 13.2.2003, 41340/98, 41342/98, 41343/98, 41344/98, Refah Partisi/ Türkei, RJD 2003-II = EuGRZ 2003, 206 EGMR 6.2.2003, 46827/99, 46951/99, Mamatkulov und Abdurasulovic/Türkei, EuGRZ 2003, 704 EGMR 11.7.2002 (GC), 28957/95, Goodwin/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-VI = ÖJZ-MRK 2003/34, 766 = NJW-RR 2004, 289 EGMR 2.7.2002, 30668/96, 30671/96, 30678/96, Wilson ua/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-V = ÖJZ-MRK 2003/32, 729 = ArbuR 2003, 77 = ecolex 2003, 139
Judikaturverzeichnis
253
EGMR 27.6.2002, 38190/97, Oljearbeidernes Fellessammenslutning/Norwegen, RJD 2002-VI EGMR 28.5.2002, 46259/99, Stafford/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-IV EGMR 10.1.2002, 53574/99, Unison/Vereinigtes Königreich, RJD 2002-I = ÖJZ-MRK 2003/14, 276 = ARD 5407/3/2003 EGMR 21.6.2001, 57442/00, Sanchez Navajas/Spanien, RJD 2001-VI EGMR 9.11.2000, 29529/95, Schettini ua/Italien EGMR 29.4.1999, 25088/94, 28331/95, 28443/95, Chassagnou ua/Frankreich, RJD 1999-III = ÖJZ-MRK 2000/2, 113 = NJW 1999, 3695 EGMR 30.7.1998, 15573/89, Gustafsson/Schweden II, RJD 1998-V = ArbuR 1998, 494 (Lörcher) EGMR 25.4.1996, 15573/89, Gustafsson/Schweden, RJD 1996-II = ÖJZMRK 1996/32, 896 = ArbuR 1997, 408 (Lörcher) = ecolex 1996, 718 EGMR 23.3.1995, 15318/89, Loizidou/Türkei, Serie A 310 = ÖJZ-MRK 1995/38, 629 EGMR 23.9.1994, 15890, Jersild/Dänemark, Serie A 298 = ÖJZ-MRK 1995/18, 227 EGMR 18.12.1986, 9697/82, Johnston ua/Irland, Serie A 112 = EuGRZ 1987, 313 EGMR 17.10.1986, 9532/81, Rees/Vereinigtes Königreich, Serie A 106 EGMR 13.5.1980, 6694/74, Artico/Italien, Serie A 37 = EuGRZ 1980, 662 EGMR 9.10.1979, 6289/73, Airey/Irland, Serie A 32 = EuGRZ 1979, 626 EGMR 13.6.1979, 6833/74, Marckx/Belgien, Serie A 31 = EuGRZ 1979, 454 = NJW 1979, 2449 = FamRZ 1979, 903 EGMR 28.11.1978, 6210/73, 6877/75, 7132/75, Luedicke, Belkacem und Koç/Deutschland, Serie A 29 = EuGRZ 1979, 34 = NJW 1979, 1091 EGMR 28.6.1978, 6232/73, König/Deutschland, Serie A 27 = EuGRZ 1978, 406 = NJW 1979, 477 EGMR 25.4.1978, 5856/72, Tyrer/Vereinigtes Königreich, Serie A 26 = EuGRZ 1979, 162 = NJW 1979, 1089 EGMR 8.6.1976, 5100/71, 5101/71, 5102/71, 5354/72, 5370/72, Engel ua/Niederlande, Serie A 22 = EuGRZ 1976, 221 EGMR 6.2.1976, 5614/72, Schwedischer Lokomotivführerverband/Schweden, Serie A 20 = EuGRZ 1976, 62 EGMR 6.2.1976, 5589/72, Schmidt und Dahlström/Schweden, Serie A 21 = EuGRZ 1976, 68 EGMR 27.10.1975, 4464/70, Nationale belgische Polizeigewerkschaft/Belgien, Serie A 19 = EuGRZ 1975, 562. EGMR 21.2.1975, 4451/70, Golder/Vereinigtes Königreich, Serie A 18 = EuGRZ 1975, 91 EGMR 16.7.1971, 2614/65, Ringeisen/Österreich, Serie A 13 Europäische Kommission für Menschenrechte EKMR 7.5.1990 13537/88 Johansson/Schweden DR 65, 202 EKMR 13.5.1985 10550/83 Cheall/Vereinigtes Königreich, DR 42, 178
254
Judikaturverzeichnis
EKMR 5.7.1984, 10365/83, S./Deutschland, DR 39, 237 EKMR 14.7.1983, 9792/82, A.Union/Deutschland, DR 34, 173 EKMR 14.7.1981 9234/81 X. Association/Deutschland, DR 26, 270 EKMR 11.5.1981 7990/77 X./Vereinigtes Königreich, DR 24, 57 EKMR 14.12.1979, 7601/76, 7806/77, Young, James und Webster, DR 9, 126 = DR 12, 168 = EuGRZ 1980, 450 EKMR 8.5.1978, 7361/76, Trade Union X./Belgien, DR 14, 40 EKMR 6.7.1977, 6094/73, Association X./Schweden, DR 9, 5 EKMR 1.2.1971, 4125/69, X./Irland, Yb 14, 198 Europäischer Gerichtshof EuGH 27.6.2006, C-540/03, Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Union, JZ 2007, 39 (Bouchouaf/Britz/Richter) = NJW 2006, 3266 (mit Besprechungsaufsatz von Thym) = EuGRZ 2006, 417 = ZESAR 2006, 371 = EuZW 2006, 566 (Fremuth) = EuroAS 2006, 106 = migralex 2007, 30 (Huber St.) CESCR CESCR 20.1.2003, E/C.12/2002/11, Allgemeine Bemerkung Nr 15. Das Recht auf Wasser (Artikel 11 und 12), in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 314 ff CESCR 11.8.2000, E/C.12/2000/4, Allgemeine Bemerkung Nr 14. Das Recht auf ein Höchstmaß an Gesundheit (Artikel 12), in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 285 ff CESCR 8.12.1999, E/C.12/1999/10, Allgemeine Bemerkung Nr 13. Das Recht auf Bildung (Artikel 13), in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 263 ff CESCR 12.5.1999, E/C.12/1999/5, Allgemeine Bemerkung Nr 12. Das Recht auf angemessene Nahrung (Artikel 11), in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 250 ff CESCR 7.12.1998, E/C.12/1/Add.30, Concluding observations of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights: Switzerland, abrufbar unter: www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/(Symbol)/b4eeccfc529902c3802566d400587184? Opendocument (20.2.2008) CESCR 3.12.1998, E/C.12/1998/24, Allgemeine Bemerkung Nr 9. Die innerstaatliche Anwendbarkeit des Pakts, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 238 ff CESCR 4.12.1997, E/C.12/1/Add.19, Concluding observations of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights: United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, abrufbar unter: www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/ (Symbol)/c54abb67971c31c78025656b0054b9d8?Opendocument (20.2.2008) CESCR 8.12.1995, E/1996/22, Allgemeine Bemerkung Nr 6. Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von älteren Menschen, in Deutsches In-
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stitut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VNMenschenrechtsverträgen (2005) 212 ff CESCR 14.12.1994, E/C.12/1994/16, Concluding observations of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights: Austria, abrufbar unter: www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/(Symbol)/9405bdb75f68282dc12563e9003496a6? Opendocument (20.2.2008) CESCR 14.12.1990, E/1991/23, Allgemeine Bemerkung Nr 3. Die Rechtsnatur der Verpflichtungen der Vertragsstaaten (Artikel 2 Abs 1), in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VNMenschenrechtsverträgen (2005) 183 ff CESCR 24.2.1989, E/1989/22, Allgemeine Bemerkung Nr 1. Die Berichterstattung der Vertragsstaaten, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen (2005) 174 ff
Stichwortverzeichnis Arbeitnehmersolidarität 50 ff Arbeitskampf – Definition 2 ff – Entlassung siehe Entlassung – Erscheinungsformen 13 ff – Gesamtaktion 19, 181 ff – Individualaktion 19 – Parteien 189 ff – politischer siehe politischer Arbeitskampf – Rechtsgrundlagen 22 ff, 33 ff – Rechtsinstitut 43 f – Verhältnis von Streik und Aussperrung 44 f – Ziele 201 f Arbeitskampfrecht 33 ff – Prinzipien 45 ff Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte siehe IPwskR-Ausschuss Aussperrung – Definition 8 ff, 12 f – Erscheinungsformen 13 ff – Verhältnis zum Streik 44 f Begleitmaßnahmen 202 f Betriebsverfassungsfunktionäre – besonderer Kündigungsschutz 107 ff – Streikteilnahme als Zustimmungsgrund? 111 ff Betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht 183 ff Boykott 18 f Dienst nach Vorschrift 17
Einheitstheorie 56 ff – kollektivrechtliche Einheitslösung 60 f Entlassung 65 ff – automatische Vertragsbeendigung durch Streikteilnahme? 66 ff – Entlassungsschutz siehe Entlassungsschutz – Kampfstreik 78 ff – Konkretisierung der Entlassungstatbestände 70 ff, 75 ff – mögliche Entlassungstatbestände 72 ff – rechtmäßiger Hinderungsgrund 173 ff – Rechtsirrtum 87 ff – Streikteilnahme als Austrittserklärung? 68 – Unzumutbarkeit der Fortbeschäftigung 71 f, 78 ff – Verschulden 83 ff – Warnstreik 76 ff Entlassungsschutz 94 ff – „Tätigkeit in Gewerkschaften“ 96 ff – und Streikteilnahme 101 ff Erfüllungsvorbehalt 161, 163 Friedenspflicht – betriebsverfassungsrechtliche 183 ff – kollektivvertragliche 182 f Gesamtaktion – Begleitmaßnahmen 202 f – Begriff 19
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Stichwortverzeichnis betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht 183 ff kollektivvertragliche Friedenspflicht 182 f Kriterien der Rechtmäßigkeit 181 ff politischer Arbeitskampf 194 ff Ultima-ratio-Prinzip 203 ff Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 206 f wilder Streik 190 ff Ziele 201 f
Individualaktion – Begriff 19 Individualrechtliche Betrachtungsweise 63 f Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 155 ff – Allgemeine Bemerkungen (general comments) 158 f – Berichtssystem 156 ff – Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung 160 f, 162 – Erfüllungsvorbehalt 161, 163 – Staatenverpflichtungen 159 f – Streikrecht 164 ff als rechtmäßiger Hinderungsgrund 177 f gewerkschaftsbezogenes Recht? 191 f politischer Arbeitskampf 200 f Rechtswirkung 168 Streikrecht oder Streikfreiheit? 166 ff subjektives Recht? 165 f Wirkungseingrenzung? 171 ff
Interpretation – Einheit der Rechtsordnung 176 – Methoden des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte 138 ff – völkerrechtskonforme 162 f IPwskR-Ausschuss – Allgemeine Bemerkungen (general comments) 158 f – Streikrecht 168 Kampfparität 48 ff Kampfstreik – Begriff 16 – Entlassung 78 ff Koalitionsfreiheit 121 ff – positive siehe positive Koalitionsfreiheit – Rechtsgrundlagen 122 ff Koalitionsgesetz 25 ff Kollektivaktion siehe Gesamtaktion Kollektivrechtliche Einheitslösung 60 f Kündigung – von Betriebsverfassungsfunktionären? 107 ff, 111 ff Natürliche Kampffreiheit siehe System der natürlichen Kampffreiheit Neutralität im Arbeitskampf 45 ff Passive Resistenz 17 Politischer Arbeitskampf – Begriff 14 f – Rechtmäßigkeit? 194 ff Politischer Streik siehe politischer Arbeitskampf Positive Koalitionsfreiheit 121 ff – Art 8 IPwskR 164 ff
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– – – – – – –
Art 11 MRK 134 ff Art 12 StGG 128 ff Begriff 126 Case law der Straßburger Instanzen 143 ff Gewährleistungen 126 f Rechtsgrundlagen 122 ff Streikrecht 127 ff, 138 ff, 164 ff
Rechtsirrtum 87 ff Streik – Definition 8 ff, 10 ff – Entlassung siehe Entlassung – Erscheinungsformen 13 ff – politischer siehe Politischer Arbeitskampf – Streikrecht 127 ff, 138 ff, 164 ff – Verhältnis zur Aussperrung 44 f – wilder 13, 106 f, 190 ff Streikfreiheit 166 f Streikrecht – Art 8 IPwskR 164 ff – Art 11 MRK 134 ff – Art 12 StGG 128 ff – Case law der Straßburger Instanzen 149 ff – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 138 ff – IPwskR-Ausschuss 168 – Rechtswirkung 167, 177 – und Koalitionsfreiheit 127 ff Sympathiearbeitskampf
– Begriff 16 f – Rechtmäßigkeit? 192 ff Sympathiestreik siehe Sympathiearbeitskampf System der natürlichen Kampffreiheit – Begriff 40 ff – Konsequenz 42 f „Tätigkeit in Gewerkschaften“ 96 ff – und Streikteilnahme 101 ff Transformation – generelle 160 – spezielle 160 f Trennungstheorie 62 f – individualrechtliche Betrachtungsweise 63 f Ultima-ratio-Prinzip 203 ff Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 206 f Völkerrechtskonforme Interpretation 162 f Warnstreik – Begriff 16 – Entlassungsmöglichkeit 76 ff Wilder Streik – Begriff 13 – Rechtmäßigkeit 190 ff – „Tätigkeit in Gewerkschaften“ 106 f