Zionismus und palästinensischer Widerstand Geschichte und Gegenwart
Seminar mit Dr. Karam Khella Wien, im November 1989...
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Zionismus und palästinensischer Widerstand Geschichte und Gegenwart
Seminar mit Dr. Karam Khella Wien, im November 1989
Die Befassung mit der palästinensischen Frage ist kein Luxus. Der Zionismus hat nicht allein Palästina besetzt; Israel hat einen Aktionsradius, der in alle Kontinente reicht. Nicht zu unterschätzen ist der ideologische Einfluß des Zionismus. Er macht das rassistische Staatsprinzip zur Realität, und zwar nicht nur über das besetzte Palästina. Denn ein "Judenstaat" erklärt andere Staaten indirekt für nicht-jüdisch. Die konfessionelle Einstellung der Menschen wird von der privaten Sphäre zum Identitätsmerkmal erhoben. Der Zionismus schürt den Antisemitismus, ohne den er nicht gerechtfertigt wäre. In Europa will es der Zionismus den Menschen unmöglich machen, sich zu solidarisieren, denn wer sich nicht mit dem palästinensischen Volk solidarisiert, versagt auch in anderen Bereichen der politischen Praxis. Die rassistische, zutiefst menschenverachtende Gedankenwelt des Zionismus wird leider heute von Teilen der europäischen Öffentlichkeit sich zu eigen gemacht. Deshalb kann die Zionismus-Kritik nicht als das persönliche Anliegen der Palästina-Solidaritätsgruppen gelten, sondern muß zur Pflicht aller politischen und demokratischen Kräfte erklärt werden. Wien, am 25.3.1991 karam Khella
1. Auflage, 1991. Theorie und Praxis Verlag, D-W 2000 Hamburg 50. Eimsbüttelerstraße 45 A. Eigendruck. ©1991 Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 3-921866-44-8
Zionismus und palästinensischer Widerstand Geschichte und Gegenwart Inhaltsverzeichnis: Vorwort.....................................................................................6 Vorbemerkungen,Einleitung.....................................................7
Erster Hauptabschnitt 1. Kapitel Auf ein Wort: Die Legende vom "Gelobten Land“ / Die Ideologie vom "HeiligenLand"............................................................9 Woher kommt das europäische Judentum.............................10 Entstehung des Zionismus.....................................................12 Berliner Kolonialkongreß 1878...............................................13 Kolonialismus/Siedlerkolonialismus.......................................15 Wirtschaftliche Großprojekte im 19. Jahrhundert...................21 Vertreibung jüdischer Menschen von Ostnach Westeuropa...................................................................27 Vom Ersten Zionistischen Kongreß bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges (1897-1914)........................................................31 2. Kapitel Erster imperialistischer Weltkrieg 1914 -1918.......................34 Husain -Mc Mahon-Abkommen (1915)......... ........................36 Sykes-Picot Abkommen (1916)..............................................37 Ergebnisse des Ersten Weltkrieges.......................................40 Balfour-Deklaration (2. Nov. 1917).........................................41 Die Arabische Nationalbewegung..........................................44 Gründung Jordaniens.............................................................45
3. Kapitel Der deutsche Faschismus......................................................47 Zusammenarbeit von Zionisten und Nazis.............................49 Haavara-Abkommen..............................................................50 Judenpolitik der Nazis............................................................52 Zur Palästinapolitik des deutschen Imperialismus.................59 Zweiter Hauptabschnitt 4. Kapitel Palästinensischer Widerstand................................................65 5. Kapitel Entwicklung seit 1945.............................................................77 Der UNO -Teilungsplan, beschlossen am 29.11.1947...........78 6. Kapitel Zur Klassenanalyse Israels....................................................80 7. Kapitel Zur Klassenanalyse des palästinensischen Volkes...............86 8. Kapitel Politische Massen- und Kampforganisationen des palästinensischen Volkes................................................89 Palästinensische Revolution 1967-1970................................92 AI Karamah............................................................................92 Schwarzer September (September 1970 bis Juli 1971).............................................96 Hintergründe und Ablauf........................................................96 Ergebnisse des Schwarzen Septembers...............................98 Abzug der PLO aus Jordanien in den Libanon (Sommer/Herbst 1971)..........................................................99 Bürgerkrieg im Libanon 1975 -1976.....................................101 Kritik und Selbstkritik (an) der PLO zu ihrer Politik 1975 -76..................................103
9. Kapitel Der ägyptische Befreiungskrieg 1973 - Oktoberkrieg...........108 Ablauf und Entwicklung........................................................108
Waffenstillstand in Ägypten und Verrat Sadats....................111 Entflechtung an der ägyptischen Front.................................113 Das Abkommen von Camp David 1977-1979......................117 Erste israelische Invasion des Libanon................................120 Zweite und dritte Invasion in den Libanon............................121 10. Kapitel Palästinensische Widerstandstheorie..................................124 Haltung der KP Palästina.....................................................125 Perestroika und Zionismus...................................................131 Literatur................................................................................134 Nachwort..............................................................................136
Seite 6 Vorwort: Im November 1989 veranstaltete die Autonome Palästina Gruppe ein Seminar mit Dr. Karam Khella über Zionismus und die Geschichte Palästinas. Wir fanden es notwendig, der imperialistischen Desinformationspolitik entgegenzuwirken, die auch in den Köpfen der Linken verankert ist und mit der wir konfrontiert wurden, seit wir Solidaritätsarbeit zu Palästina machen. Die Idee, gerade Karam einzuladen, war naheliegend wegen seiner konsequenten, antiimperialistischen Haltung und seinem Fachwissen, von dem wir uns in verschiedenen Artikeln und Büchern, die er geschrieben hat, überzeugen konnten. Das Seminar dauerte drei Tage, wir haben es auf Tonbänder aufgenommen und haben weiter damit gearbeitet. Wir fanden es wichtig, diese Informationen nicht im kleinen Kreis isoliert zu halten, sondern an die Öffentlichkeit weiterzuleiten. Wir wollen mit allen Interessierten die Diskussion aufnehmen und entwickeln, die im Moment in gewissen Kreisen immer noch tabuiert wird. Ein heißes Eisen, an dem sich keiner die Finger verbrennen will. Wir machen es trotzdem, und deshalb gibt's dieses Buch. Autonome Palästina Gruppe Wien
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Vorbemerkungen, Einleitung: Wir schicken uns an, eine Zionismusschulung zu gestalten und uns über die Palästinafrage zu qualifizieren. Schulungen haben eine andere Aufgabe als die einer Ein-Abend-Veranstaltung. Sie haben den Sinn der Vertiefung, der Reflexion, der kritischen Analyse. Bei diesem Seminar geht es also nicht darum, wie es ist, sondern warum es so ist, also um eine Hintergrundinformation, Analyse. Und von dieser Analyse aus verstehen wir mehr von dieser Welt. Wir engagieren uns in der Palästina-Frage, was sollen wir tun, und all diese Fragen lassen sich nur klären, wenn sie von einem verläßlichen Wissen abgeleitet sind. Bevor wir mit unserer inhaltlichen Analyse beginnen, möchte ich einige Vorbemerkungen vorausschicken. Erste Vorbemerkung: Die Menschen hier in Europa meinen, es gäbe eine Besonderheit der Isrealfrage. Imperialismusanalyse lasse sich nicht auf Palästina anwenden. Damit ist schon der Grundstein für die Manipulation gelegt worden. Die Voraussetzung für die Manipulierbarkeit ist Informa-tionslosigkeit, Unwissen. Deshalb ist Gegenöffentlichkeit einer der wichtigsten Aspekte der politischen Praxis. Zweite Vorbemerkung: In letzter Zeit gibt es Abneigung gegen Theoriearbeit und ich sehe ständig, wie so eine Einstellung die Arbeit kaputtmacht. Politische Arbeit ohne Theorie, das ist, wie wenn du zu einem Chirurgen gehst, und dieser Chirurg hat nie etwas von der Anatomie des Körpers gehört, und soll jetzt deinen Bauch aufschlitzen, und was weiß ich operieren. Niemand von uns will sich solch einem Mann anvertrauen, aber merkwürdigerweise tun wir das selbst immer in der politischen Praxis. Da meinen wir, alles machen zu können, und noch viel gefährlichere Dinge, wo es nicht um einzelne Personen geht, sondern um ganze Gesellschaften. Nun, wir wollen nicht sagen, daß wir uns nun ein Jahr zurückziehen und nur Theorie machen und gehen dann in die Praxis, denn beides geht miteinander, Theorie und Praxis, und sowohl Praxis fördert Theorie, als auch die Theorie die Praxis fördert. Dann komme ich zu einer dritten Vorbemerkung zu diesem Referat und vielleicht schockiere ich damit, aber ich will keinen Nervenkitzel treiben, sondern den Schlaf in unserer politischen Bewegung ein bißchen wachrütteln. Das, was ich jetzt mache, ist nicht so sehr, daß wir Fakten ausgraben,
Seite 8 die andere nicht kennen, sicher wird vieles was ich erzähle unbekannt sein, aber das ist nicht das Wesentliche. Das Wesentliche ist, wie wir eigentlich Fakten verstehen. Ich kenne durchaus Leute, die beim selben Thema und den gleichen Fakten eine reaktionäre Politik machen. Revolutionäre Politik hat also nicht nur mit Wissen zu tun, sondern auch mit Interesse; weil wir haben mit dem bürgerlichen Wissenschaftsbetrieb absolut keine Gemeinsamkeit, das was uns trennt sind nicht Differenzen über Einzelaussagen, sondern eben in diesem System haben wir andere Interessen. Das, was uns stö rt und die politische Praxis kaputtmacht, ist die Tatsache, daß wir uns zwar als Linke, als Antiimperialistinnen und Antiimperialisten verstehen, aber sehr oft die Informationen von denjenigen beziehen, die wir bekämpfen. Das hat sich inzwischen auf der anderen Seite, auf der Seite des bürgerlichen Staates etabliert. Denn dieser Staat hat es verstanden, gezielte Informationen für die Opposition zu schaffen. Das ist inzwischen ein gut eingespieltes Team, der Staat und die Springer-Presse, aber auch für die Linke gibt es Organe, die dieses bürgerliche Wissen weiterverbreiten. Das tun sehr viele Leute nicht deshalb weil sie Agenten des Imperialismus sind, sondern weil sie diese Funktion und diese Methode nicht durchschaut haben. Man muß aber auch berücksichtigen, daß diese Organe der Linken auch von der Medienpolitik geschaffen worden sind um eine Marktlücke auszufüllen. So haben wir auch hier ein sehr eigenartiges Spiel: Leute die meinen, den Imperialismus und den bürgerlichen Staat zu bekämpfen, spielen in Wirklichkeit ein Rollenspiel, das für sie vorprogrammiert worden ist. Welchen Sinn hat das was ich jetzt sage? Es hat den Sinn, daß wir unsere Kritikfähigkeit und unser Urteilsvermögen extrem verschärfen, daß wir den Quellen auf den Grund gehen und daß wir uns überlegen müssen, wie wir die Informationen beschaffen. Die Frage ist, wie wir tatsächlich frei werden von diesem Einfluß und was wir jetzt tun ist der erste Schritt dazu. Die Gleichschaltung der Medien in den imperialistischen Staaten ist nicht geringer als zu Zeiten Goebbels', Hitlers und Himmlers. Mit der Medienpolitik heute kann der Imperialismus seine Ziele viel besser erreichen als mit dem Terror damals. Alle diese Dinge sollen uns klar machen, warum wir gezwungen sind Gegenöffentlichkeit herzustellen.
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Erster Hauptabschnitt Im zionistischen Sprachgebrauch wird undialektisch von "Juden" gesprochen. Demgegenüber müssen wir festhalten, daß in Westeuropa Juden entweder dem Mittelstand oder gar der Bourgeoisie angehörten. In Osteuropa dagegen waren Juden in den meisten Klassen vertreten. Diese Tatsache erklärt sich daher, daß das Chasarenreich das Judentum zur Staatsreligion erklärte.
Auf ein Wort: Die Legende vom "Gelobten Land" Die Ideologie vom "Heiligen Land" Im 4. Jahrhundert spaltete sich das Römische Reich. Das Weströmische Reich hatte sein Zentrum und seine Hauptstadt in Rom. Konstantin hatte das Reich nach Osten erweitert und beherrscht. Dieses Reich wurde unter seinen Kindern aufgeteilt; seine Nachfolger hatten nicht die gleiche Macht wie er. Das eine Geschlecht regierte in Rom, im klassischen Zentrum des Römischen Reiches, das aber ab dem Zeitpunkt an politischer Bedeutung verliert; die Germanen gewinnen in Norditalien an politischer Bedeutung. Konstantinopel, Ostrom ist ganz weit weg, auf dem Gebiet der heutigen Türkei, in Anatolien. Konstantinopel ist sehr mächtig, Rom spielt nur mehr zweit- oder drittrangige Rolle. Konstantinopel, gebaut auf einem kleinen Dorf namens Byzanzon, deshalb hieß das ganze oströmische Reich Byzanzium, ist nunmehr das mächtigste Zentrum. Westrom verfügte über eine Ideologie zur eigenen Weltherrschaftslegitimation. Hier liegt der Ursprung des Kaisertums, daher kam der Imperator Mundi, von hier aus ist das Imperium Romanum aufgebaut worden. Konstantinopel hingegen kann auf keine historischen Wurzeln zurückgreifen. Es ist ein kleines Dorf, das plötzlich ganz groß ist. Konstantin und seine Kinder überlegten sich, wie sie eine Ideologie, eine Legende fü r Konstantinopel machen können. Da ist ihnen eingefallen, daß unter anderem Palästina zu ihrem Reich gehört. Und in diesem Land hatten Jesus und die Propheten gewirkt, aber das liegt weit weg. Die Mutter von Konstantin, Kaiserin Helene, wurde nach Palästina geschickt, um die Lebensstätten Jesu auszuforschen. Das waren Sachen,
Seite 10 die historisch 400 Jahre zurücklagen. Wenn jemand namens Jesus gelebt hat, so ist er nicht identisch mit dem Jesus, der in den Evangelien vorkommt. Aber weil die Legende so stark im Glauben verankert war, brauchte Helene nur in den Evangelien nachzulesen, daß Jesus in einem Dorf namens Bethlehem geboren wurde. Da geht Helene in dieses Dorf und fragt ältere Leute, wo Jesus genau geboren sei. Die Leute zeigen ihr den Ort, (die spätere Geburtskirche) und so hat Helene nach und nach den vermeintlichen Lebensweg Jesu erschlossen. Und sie, bzw. Konstantin, sind die Begründerinnen der Legende des Heiligen, Gelobten Landes, um gegenüber Westrom eine Legende zu schaffen. Ich erkläre das deshalb so ausführlich, um uns einen Begriff zu machen, daß jede Herrschaft eine Ideologie, eine Legitimation braucht, eine Rechtfertigung ihrer Herrschaft. Den Leuten bleibt das im Kopf, auch wenn sie sich politisieren. Und so recherchierte der Zionismus diese Legenden und belebte sie und konnte sie benutzen. Die Frage, ob das historisch wahr ist, ist völlig unerheblich gegenüber der Tatsache, daß die Leute das glauben, daß das Fußvolk das alles für bare Münze nimmt, und das funktioniert. Das ist maßgeblich und nicht wie historisch wahr das ist oder nicht. Also so entsteht die Legende eines Gelobten Landes, und jede und jeder verlegte sie in die Urfrömmigkeit der Menschen, und in Wirklichkeit ist sie die Erfindung eines ehrgeizigen Königs.
Woher kommt das europäische Judentum? Ich möchte einen kleinen Exkurs machen. Also ich weiche vom Thema kurz ab, um über eine historische Tatsache zu informieren. Heute ist Judentum eine geschlossene Religion. Da geht keiner aus und ein. Aber vor allem tritt niemand dem Judentum bei. Das wäre eine Sensation, wenn jemand jüdischen Glauben annimmt. Früher aber war das Judentum eine missionarisch sehr aktive Religion. Und zwar müssen wir natürlich nicht an Judentum heute denken, sondern an eine Religion, geschichtlich gesehen, in der es nicht viele Götter gibt, sondern einen abstrakten Gott. Und diesen Gedanken, dieses monotheistische Monopol haben später Christentum und Islam gebrochen. Sie haben sich den Markt der Mission mit den Juden geteilt und sie sogar verdrängt. Damals war also das Judentum ganz was anderes als heute. Es war eine missionarische Religion, sie haben gesagt,
Seite 11 also wir müssen das und das so verstehen, das ist die Theologie, und alles andere ist Heidentum. Vergessen wir jetzt diesen Punkt. Ich mache jetzt einen ganz anderen Punkt. Ich sage, in der Geographie des 8. und 9. Jahrhunderts war die Welt eingeteilt. Da gab es im Westen den Katholizismus, Luther hat es noch nicht gegeben. Das war die Welt des Papstes, mit ihm als Oberhaupt, an der Spitze. Und im Osten war die Welt orthodox, unter der Leitung des byzantinischen Kaisers. Da kam es sogar zu einem Bruch zwischen Rom und Byzanz. Der Arabische Raum ihr wißt, daß ich den Ausdruck "Naher Osten" oder "Mittlerer Osten" nicht mag, das sind imperialistische Ausdrücke für diese Region, die also so zugekleistert, zugedeckt werden, heißt ja Arabischer Raum, bestehend aus Nordafrika und Westasien - diese Arabische Region und ein viel größeres Hinterland von islamischen Staaten, die die arabische Sprache nicht angenommen haben, die waren muslimisch. Sie sind dem Kalifat in Damaskus oder später in Bagdad unterstellt. Das Abendland war christlich-katholisch. Und was jetzt wichtig zu wissen ist, sie sind dem Heiligen Römischen Reich unterworfen. Hier hat niemand was zu sagen, außer dem Papst. In Konstantinopel oder in Serbien ist dein Geschmack nicht gefragt, da bist du dem byzantinischen Kaiser unterworfen. Ist ja völlig egal was du glaubst, ist ja völlig uninteressant. Ob in Wien oder Rom oder in Istanbul oder Serbien oder bist du nun in Kairo oder Damaskus.... ....und auch da ist dein Geschmack nicht gefragt. Das heißt mit anderen Worten: diese konfessionelle Einteilung der Welt war zugleich eine politische Einteilung. Nun folgendes: es beginnen da in Osteuropa Regungen, es beginnen Völker sich zu organisieren und Staaten sich zu bilden. Und dann wachen sie auf, eines Tages, und stellen fest, eigentlich hat man die Wahl: katholisch, orthodox, die byzantinische Religion oder islamisch. Was sollen wir werden? Antwort: keine von allen dreien, die alle wollen wir nicht. Nun aber, glauben müssen diese Leute, sonst zählen sie zu jener Zeit nicht als salonfähig oder politikfähig. Und dann recherchieren sie und suchen sie hier und da und entdecken sie eine Religion; das ist das Judentum. Es gewinnt deshalb für sie an Interesse, weil die Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben nicht die Zugehörigkeit zu einem Machtblock bedeutet. Und diese Völker bekennen sich kategorisch zum Judentum. Das sind vor allem Gebiete, dort wo heute Polen ist und wo heute westliche Teile Rußlands und wo östliche Teile des damaligen Deutschen Reichs sind. All
Seite 12 diese Gebiete bekehren sich zum Judentum. Es ist das Chasaren1 reich. Das Hauptmotiv war ein politisches. Nämlich, wenn sie muslimisch geworden wären, dann wären sie vom Kalifat vereinnahmt worden, das wollten sie nicht, sie wollten unabhängig bleiben. Wären sie orthodox, das geschah übrigens später, wären sie von Byzanz oder vom russischen Zaren vereinnahmt worden und als katholisch wären sie vom Papst vereinnahmt worden, was auch später geschehen ist. Das ist nämlich später so geschehen, daß diese Chasaren sich aufgeteilt haben, die einen sind islamisch geworden, die anderen sind orthodox geworden.
Entstehung des Zionismus Jetzt beginnen wir mit dem Thema Zionismus. Ihr werdet sehr viele Fakten vielleicht zum ersten Mal hö ren. Die Frage dabei ist, warum diese Fakten plötzlich eine besondere Wichtigkeit bekommen, wie sie eingeordnet werden, was daraus abzuleiten ist. Wenn ich hier in diesem Raum die Frage stelle, wann die zionistische Bewegung begonnen hat, dann werdet ihr wahrscheinlich sagen, der Zionismus hat begonnen mit dem ersten zionistischen Kongreß oder mit HerzI, der zum ersten zionistischen Kongreß eingeladen hat, und dazu kann ich nur sagen, da liegt ihr falsch. Wenn du die Akten des zionistischen Kongresses in Basel (1897) liest, stellst du fest, daß vorher schon was ausgereift war, um diese Akten überhaupt zu schreiben. Da hat etwas schon lange stattgefunden, und dieser Kongreß ist das, was da warm gegessen und serviert worden ist. Also offensichtlich gärt die Sache schon seit langem, und ähnliches kann auch von HerzI gesagt werden. Also ich fange an beim Berliner Kongreß. Es handelte sich hier um den Berliner Kolonialkongreß. Wichtiger als das Wort Berlin ist das Wort Kolonial, das in keinem dieser Bücher steht.
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Zu Chasaren siehe Karam Khella, "Geschichte der arabischen Volker“
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Berliner Kolonialkongreß 1878 Was ist dieser Kongreß? Damals, als es in Wien einen Kongreß gegeben hat, war natürlich Österreich in einem anderen Zustand. Österreich-Ungarn ist in den Hintergrund geraten, Deutschland hat nachgeholt. Mit 20jähriger Verspätung ist es nun 1878 sehr stark, guckt auf den Globus und stellt fest, die Welt ist eingeteilt von und unter England und Frankreich, und Deutschland hat von dieser Welt wenig, nichts, was seiner Macht entspricht. Der deutsche Militärexperte Clausewitz sagt, "Krieg ist die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln", also bevor man den Krieg macht, muß man die anderen Mittel, sprich Politik anwenden. So ruft Deutschland auf zu einem Kongreß. Die Hauptaufgabe dieses Kongresses ist es, die verteilte W elt neu zu verteilen, aber nicht mit den Mitteln des ersten Weltkrieges, der die Fortsetzung dieses Kongresses wird, sondern erstmal am Verhandlungstisch. Wer sitzt jetzt auf diesem Verhandlungstisch? Es waren die großen Häupter der imperialistischen Welt, jeder imperialistischer Staat war mit einer Delegation vertreten, und das erstaunliche, liebe Leute, ist: In einer Loge sitzen Leute, da fehlt das Etikett, worauf steht z.B. England, Deutschland, Frankreich... - da sitzen in einer Loge angesehene Leute, gut angezogen, sehr eindrucksvoll und da fehlt das Schild dazu. Die haben keinen Staat, und dann interessiert uns das natürlich - wer sind denn die, die sitzen gleichberechtigt neben Königen und Staatsoberhäuptern und da sitzt - die zionistische Delegation. Unter diesen hochkarätigen Leuten, da sitzt Rothschild, mit einer Delegation. Das ist liebe Leute eine sehr wichtige Sache, die nicht so zufällig ist, und es ist wichtig, von dem zu sprechen, welche Logik das hat. Denn die haben ja da nichts zu suchen, der Papst z.B. hat nicht dabeigesessen, obwohl der politisch wichtiger gewesen ist als Rothschild. Dieser Berliner Kolonialkongreß hat die Aufgabe, die verteilte Welt neu zu verteilen, und diese Aussage wollen wir noch etwas präzisieren. Es geht nicht nur darum, die Linien zwischen Deutschland und Frankreich ein bißchen zu verschieben, sondern es ist noch etwas besonderes dabei; und zwar, daß diese Zeit zu tun hat mit den letzten Jahrzehnten, den letzten Jahren des Osmanischen Reiches. Man brauchte kein großer Historiker zu
Seite 14 sein, um zu sehen, daß das Osmanische Reich demnächst zerfallen würde. Das Osmanische Reich war durch die Befreiungsbewegungen im Arabischen Raum, durch innere Klassenkämpfe so geschwächt, daß dieses Reich im Sterben lag. Es war keine Politik der kolonialistischen Mächte diesen kranken Mann totzuschlagen, ihre Politik war, ihn am Leben zu erhalten. Das ist ein bißchen widersprüchlich, etwas paradox, aber es hat schon seine Logik, die ich jetzt nicht weiter erläutern werde. Das Osmanische Reich hatte die größten Teile der Welt beherrscht, war im Vergleich zu England und Frankreich viel viel mächtiger. England und Frankreich wußten genau, daß, wenn sie jetzt diese Gebiete erobern würden, würden sie die Schläge abbekommen, die zu jener Zeit gegen die Sultane gerichtet waren. Es war ihnen sehr recht, wenn die Befreiungsbewegungen sich gegen das Osmanische Reich richten, und sie selbst nicht mit großen Eroberungsarmeen kommen mußten, sondern infiltrieren und unterwandern konnten. Sie kommen also im Stillen, im Geheimen, und versuchen hier und da Fuß zu fassen und erscheinen so als friedfertige Herren. Natürlich waren sie in keiner Weise friedlich, und selbstverständlich haben sie schon damals eine Politik der verbrannten Erde angewandt, aber das wäre ungleich stä rker gewesen, wenn sie damals schon so offensiv vorgegangen wären. Außerdem war das Osmanische Reich selber in vieler Hinsicht abhängig von Frankreich und England, die haben auch Strukturen geschaffen, die für die Abhängigkeit gesorgt haben. Dieses Reich hatte einen großen Nutzen, weil es zwar selbst formal eine Kolonialmacht war, aber die Vorteile dieses Kolonialismus kamen England, Frankreich und auch Deutschland zugute. Über diese Frage wurde in Frankreich und England sehr oft diskutiert, die Frage der Zerschlagung des Osmanischen Reiches. Sie sagten, wir können es mit guter Organisation endgültig zerschlagen, aber wozu eigentlich? Nun wollen wir den Berliner Kolonialkongreß mit zwei Aspekten abschließen. 1. Der erste Aspekt ist allgemein. Natürlich hat Deutschland diesen Kongreß als einen großen Erfolg seiner Politik verbucht. Bismarck hatte den Vorsitz und die Beschlüsse des Kongresses waren akzeptiert. Bismarck hat es verstanden, eine Politik zu machen, die die Übervorteilung der Rivalen in Grenzen hielt, aber so, daß dies einvernehmlich mit den anderen geschieht, aber die anderen Mächte wußten, welch gefährliches Potential in Deutschland steckt und es wurde hingenommen.
Seite 15 2. Jetzt kommen wir zu einem ganz speziellen Aspekt. Ich sagte also, unter diesen staatlichen Delegationen, die da gesessen haben, war eine Delegation, die keinen Staat vertrat, die gleichberechtigt mit den anderen gesessen und diskutiert hat. Nun wollen wir feststellen, was in den Köpfen der Imperialisten stattgefunden hat. Hauptsächlich ging es um das Erbe des Osmanischen Reiches, und hauptsächlich ging es dabei um die arabischen Länder. Der Berliner Kolonialkongreß war ein Kongreß um die Zukunft des Arabischen Raumes. Nun, was hier der Arabische Raum ist, das ist in unserem Bewußtsein etwas unterbelichtet, weil die Medien ablenken von der Bedeutung dieser Region. Es geht um die größte einheitliche kulturelle Region der ganzen Welt. Jeder 10. Quadratmeter der Welt ist arabisches Territorium. Diese Völker sind kulturell einheitlich, haben eine gemeinsame Wirtschaftsweise, eine gemeinsame Produktionsweise, gemeinsame Sprache, und was am wichtigsten ist: diese Region war im 19. Jahrhundert die politisch bewegteste und aktivste Region der Welt. Dort haben Revolutionen stattgefunden, die der Oktoberrevolution in Rußland um Jahrzehnte voraus waren. Nur redet man hier nicht davon, vor allem große Politiker wie Marx und Engels haben nicht kapiert und nicht gewußt, was da los war. Marx und Engels haben sich auch lustig gemacht über den ägyptischen Aufstand 1882 und ich behaupte, daß sich das 100 Jahre später nicht geändert hat.
Kolonialismus/Siedlerkolonialismus Zum Zeitpunkt 1878 hatte der europäische Kolonialismus in der arabischen Welt bereits eine achtzigjährige Vorgeschichte. Denn 1798 besetzte Napoleon Kairo. Ich will zusammenfassen, daß der Kolonialismus die W elt nicht beherrschen kann. Kurz möchte ich noch sagen, wie Kolonialismus Länder besetzt. 1. Der Kolonialismus beherrscht fremde Länder mittels einer kolonialen Armee, mittels Soldaten. Diese Soldaten sind arme Schlucker in ihren Herkunftsländern, die wahrscheinlich arbeitslos waren, oder soziale Delikte hatten, in die Knaste gebracht wurden, und der Kolonialismus hat sie rekrutiert als Armee. Sie wollten viel Geld verdienen, Familie haben, aber sie wollten nicht für den Kolonialismus, oder heute für den Imperialismus, sterben oder dessen Interessen verteidigen. Sie hatten die einzige Sorge gehabt, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, und wenn es heiß wurde in den Kolonialgebieten, dann haben sie zugesehen, daß sie von dort
Seite 16 schnell wegkamen. Und auch wenn sie fahnenflüchtig wurden, war ihnen das ein geringeres Übel, als der Tod im Kolonialgebiet. Viele von ihnen sind übergelaufen zu den Befreiungsbewegungen, weil sie nicht wirklich den Kolonialismus verteidigen wollten. 2. Der Kolonialismus herrschte mittels einer Kolonialverwaltung, schickte Personal, Verwaltungsbeamte, Techniker, Lehrer, Missionare und diese ganze Mannschaft fiel in den Kolonien ziemlich unangenehm auf. Sie hatten ganz andere Sitten gehabt, waren Christen, Protestanten oder Katholiken gewesen. In diesen unterjochten Ländern gab es eine andere Religion, ganz andere Sitten, ganz andere Festtage und die Leute sahen ganz anders aus. Die Verwaltungsbeamten haben eine komische Sprache gesprochen, nämlich englisch oder französisch und die Leute dort arabisch. Also in jeder Hinsicht fielen sie auf, und sie provozierten dort ständig, weil sie sich als Herren dort aufführten. Der Widerstand dort brauchte nicht so lange Schulungen wie hier, sondern kam sehr spontan und oft völlig unvorbereitet. 3. Das Problem ist, daß die Kolonialisten in einem fremden Land waren. Sie kannten sich hier nicht aus, sie haben zwar vorher ein bißchen Geographie studiert und ein bißchen dieses und jenes, aber trotzdem waren sie unwissend und unterlegen. Die Stärken und die Geheimnisse des Landes waren ihnen unbekannt. 4. Der Kolonialismus hat nie jenseits/außerhalb der großen Städte in den unterjochten Ländern geherrscht. Sie besetzten z.B. so ein großes Land wie Jemen, aber von dort nur eine Stadt, mit der Bedeutung von etwa Graz oder Salzburg. Er beherrschte nichts von einem Land außer ein winziges Städtlein. Wer sagt, daß Jemen englisches Protektorat war, liegt absolut falsch, weil der englische Kolonialismus außerhalb der Stadt Aden kaum Fuß gefaßt hat. Die Landgebiete waren eigentlich frei und da fühlten sich die Befreiungsbewegungen sehr stark, der Kolonialismus hat kaum gewagt, sich jenseits der großen Städte hinauszubewegen. Die großen Befreiungsbewegungen oder die Revolutionäre haben deswegen ihre Theorien so aufgebaut und sind davon ausgegangen, daß die unterjochten Länder von den Landgebieten aus zu befreien sind. Der Kolonialismus schreit um Hilfe und fragt sich, wie können wir bloß diese Gebiete beherrschen?!! Und so haben sich Kolonialinstitute gegründet um dieses Problem zu lösen und die Lösung war - Siedlerkolonialismus.
Seite 17 Die eben genannten vier Probleme sollte der Siedlerkolonialismus lösen: * Für die Soldaten, die nichts von diesen Kriegen hatten, sollte es die Möglichkeit geben, das Land für sich selber zu erobern. Die Soldaten sind damit zufrieden, weil das ist ja ein Stückchen Grund und Boden. Aber der Kolonialismus will ja mehr. Er will die Infrastruktur, die Häfen, die Industrie. Aber der Kolonialismus ist froh, daß die Soldaten in dem Land bleiben, und ihre Familien hinterherholen, sie sollen dort wie Könige leben, wenn sie wirklich das Gebiet erobert haben. * Die Kolonialverwaltung ist in diesen Gebieten fremd, und ruft durch ihre Fremdheit Widersprüche hervor. Also der Widerspruch zwischen fremden Kolonialherren und einheimischer Bevölkerung muß sich in irgendeiner Weise auflösen. Wenn das Kolonialpersonal im Lande verbleibt, dann ist ihm das Land nicht mehr fremd. Da kommen wir zum 3. Problem des Kolonialismus - die fremden kolonialen Armeen haben wenig Wissen über die Bedingungen des Landes. Wenn sie natürlich auf Dauer da bleiben wollen, muß dieser Mangel aufgehoben werden. Die kolonialen Armeen waren stationiert in den großen Städten, aber da sie ja das Land als ganzes besitzen sollen, müssen sie auch auf dem Land untergebracht werden. Das ist ja die Gemeinheit des Siedlerkolonialismus, dort den Widerstand zu zerschlagen, wo er am stärksten ist. Das Beispiel Palästina steht für den Perfektionismus des Siedlerkolonialismus. Die Kibbuzim, diese Wehrdörfer des Siedlerkolonialismus sind nicht diffus im Raum verstreut, sondern sie umgeben die arabischen Dörfer, sodaß sich ein palästinensisches Dorf in ein Reservat verwandelt. Sie liegen in den Hochlagen, auf den Bergen, und die palästinensischen Dörfer liegen in den Tälern, weil sie Landwirtschaft, Handel und Märkte betreiben. Wenn das nicht der Fall war, so wurden sie zwangsweise umgesiedelt, sodaß die Landkarte von Palästina in zionistische Wehrdörfer und in palästinensische Dörfer eingeteilt war. Das Schlagwort am Ende des Berliner Kongresses war Siedlerkolonialismus. Jedes Land sollte zusehen, daß die Schwäche des Kolonialismus, also die vier Punkte, die ich vorher genannt habe, in Stärke verwandelt werden sollte. "Das ist das Land, das uns die Vorsehung zugesprochen hat" - Dieses Zitat hat in "La Stampa" gestanden, im Jahre 1911, was ich damit sagen will, ist, daß der Zionismus absolut keine Besonderheit ist. Diese angebliche Ein-
Seite 18 zigartigkeit des Zionismus, die natürlich aus einer Kette von vielen Mythen und Theologien abgeleitet ist, hat absolut nichts besonderes. Jeder Siedlerkolonialist hat die gleiche Sprache gesprochen und die Parallelen zeigen sich in eindrucksvoller Weise. Das Fazit ist - bei diesem Berliner Kongreß ging es um das Erbe des Osmanischen Reiches. Deutschland, England und Frankreich sagten, daß es eine Sache von Jahren ist, dieses Reich ins Jenseits zu befördern. Aber vorher wollen wir diesen Kuchen unter uns aufteilen. Das Erbe dieses Osmanischen Reiches heißt konkret - Arabische Welt - die nicht ein Inselchen hier und ein Städtchen dort ist, sondern eine eindrucksvolle Region, die sehr gefü rchtet für den Imperialismus ist. Die Medien hier haben so ein Bild geprägt von der Arabischen Welt - Männer mit Tüchern, Frauen mit Schleiern, fliegenden Teppichen, 1001 Nacht... Aber vom Arabischen Raum kam viel know how nach Europa und tatsächlich sieht der Imperialismus den Arabischen Raum als Konkurrenten an. Der Imperialismus führt bis heute den psychologischen Krieg gegen die arabischen Vö lker, setzt sie herab und versucht bestimmte Vorurteile einzuprägen. Politiker wissen, daß das nicht so ist, und schon damals mußten sie sich am runden Tisch mit der Frage befassen, wer gibt uns die Kraft und die Macht diese unruhige Region und diese selbstbewu ßten Völker zu beherrschen? Die Antwort auf diese Frage war, möglichst selbst keine Kriege gegen diese Region zu führen, sondern den Sultan an diesen Kriegen bluten zu lassen, und in der Tat kommt eine Lösung: wir brauchen ein Gebiet, ein Sprungbrett in diese weite Region - Herrschaft über den Arabischen Raum beginnt mit Herrschaft über Palästina. Aber wir wollen aus der Sicht der Militärstrategen und der Geostrategen des 19. Jahrhunderts sehen, der Arabische Raum hat praktisch eine Achse, in der Arabischen Liga sind 23 Staaten organisiert. Aber diese Staaten sind ein neues Phänomen und ein Produkt des Kolonialismus. Aber trotz der Staatenbildung empfindet der arabische Mensch im Irak den arabischen Menschen in Marokko nicht als Fremden, sondern sie fühlen sich einer großen Familie zugehörig, das ist ein Mittel des Widerstandes gegen den Kolonialismus. Innerhalb des Arabischen Raumes gibt es Schwerpunkte, diese Schwerpunkte kann man auf eine Achse bringen. Die besteht im Norden aus Syrien und im Süden aus Ägypten. Nun hat also bisher keine Macht der Welt, ich rede von der Geschichte der letzten 6000 Jahre, es bisher geschafft, diese Achse auf Dauer zu beherrschen, bis zum heutigen Tag nicht.
Seite 19 Schon alte Militärstrategen haben begriffen, daß das Tor zu dieser Achse Palästina ist. Wenn Syrien und Ägypten besiegt werden, dann ist der Zugriff zum Arabischen Raum möglich. Der europäische Kolonialismus über den Arabischen Raum, abgesehen von den Kreuzzügen als Vorgeschichte, beginnt eigentlich mit Napoleon. Napoleon hat den ersten Versuch gemacht und ist damit bös auf den Bauch gefallen, obwohl er sehr schwere Verbrechen und Massaker begangen hat, ist es ihm nicht gelungen, diese Achse einzunehmen. Nach dieser Niederlage ist er in die Verbannung geschickt worden, dort konnte er darüber nachdenken, wie dieser Raum einzunehmen ist. Napoleon sagte wörtlich, daß das wichtigste Land der Erde Ägypten ist. Jetzt komme ich wieder auf den Wiener Kongreß zurück. Der Wiener Kongreß hat gesehen, daß mit diesem Mann Europa dort besiegt worden ist. Die europäischen Mächte von Rußland bis England sagen, jetzt hat Frankreich ein großes Experiment gemacht, dieses Experiment ist gescheitert, aber wir können daraus lernen. Das Ergebnis ist, daß niemand von uns diesen Raum für sich allein haben kann. Also müssen wir arbeitsteilig in diesem Raum vorgehen. Dieser Raum hat Schlüsselposition, der wichtigste Schlüssel dazu ist Palästina. Der Zionismus ist tatsächlich nicht in irgendwelchen jüdischen Gemeinden entstanden, wie viele annehmen, sondern am Verhandlungstisch der Kolonialmächte. Es war auch nicht automatisch, daß sie sagten, wir machen aus Palästina einen zionistischen Kolonialstaat, aber sie haben sich die Frage gestellt, ja, schön, Palästina Siedlerkolonialismus, aber durch wen?, und jetzt der zweite Satz von Napoleon. Er theoretisiert über die Frage, ob man nicht die europäischen Juden dafür gewinnen kann, daß sie dort für die europäischen Kolonialmächte einen Staat machen. Die Kolonialisten sind zufrieden, wenn sich die Soldaten das Land für sich selbst erobern, weil der Kolonialismus dieses Land nicht als Acker braucht, sondern er braucht es geostrategisch, als Stü tzpunkt, als militärische Infrastruktur. Diese Überlegungen hatte Napoleon angestellt, konnte sie selbst aber nicht mehr realisieren. Dieser Gedanke ist nicht sofort aufgegriffen worden, aber durch das 19. Jahrhundert hindurch haben sich Politiker von Metternich bis zur Gegenwart immer gefragt, wie sie Palästina beherrschen können. (Als Beispiel Moltke, ein preußischer General, der an der Zerschlagung der Pariser Commune 1872 beteiligt war, spricht das klar aus: "Wir müssen aus Palästina ein deutsches Fürstentum machen".)
Seite 20 Der europäische Kolonialismus in seiner bleibenden Form begann mit Napoleon. 1798 wird Kairo besetzt, und seitdem gibt es eine Koloni algeschichte für diese Region. Die Kolonialgeschichte führte dazu, daß die Herrschaft über den Arabischen Raum mit Palästina beginnen mußte. Palästina kann nur beherrscht werden mittels Siedlerkolonialismus. Der Gedanke, daß es jü dische Siedler sein sollten, kommt erst später.
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Wirtschaftliche Großprojekte im 19. Jahrhundert Ich möchte was anderes aus dem 19. Jahrhundert vermitteln. Wir müssen auch davon Abschied nehmen, daß Geschichte etwas ist, was schon lange her ist. Es liefen im 19. Jahrhundert einige Projekte in der Welt, um die sich die Finanzkapitalisten gerissen haben. Ich kann das gar nicht dramatisch genug schildern. Stellt euch vor, jemand kauft die ganze high-tech der Welt auf. Also in diesen Dimensionen soll man denken. Das größte Projekt des 19. Jahrhunderts, das mächtigste ökonomische Projekt überhaupt, das ist der Bau des Suez-Kanals. Wir befinden uns in einer Zeit vor der Luftfahrt, vor der Autoindustrie, die Schiffahrt war praktisch die Infrastruktur jener Zeit. Die Bedeutung der Schiffahrt für die damalige Zeit kann nicht genügend herausgestellt werden. Aber jetzt sind wir in der Mitte des 19. Jahrhunderts und es geht dabei um das Verkehrsmonopol. Die ganze Welt diskutiert über dieses Thema. Stellt euch vor, einerseits Schifffahrt, andererseits waren da die Karawanen mit Kamelen und Eseln, das soll endlich abgelöst werden. Neben der Schiffahrt gibt es auch noch die Eisenbahn. Das eine ist die Bagdad-Bahn, die andere ist die Haifa-Ghaza-Bahn. Das hört sich heute ganz anders an wie damals, weil heute die Bedeutung der Eisenbahn ganz stark relativiert worden ist, aber diese Bagdad-Bahn, das war eine große Vision. Das wäre, wenn jetzt jemand einsteigen will in die Autoindustrie, und von Detroit über Wolfsburg bis nach Japan alles mit einem Schlag aufkaufen wollen würde. Es war eine Vision, eine Bahn von Berlin bis nach Bagdad und von Bagdad bis ins ferne Asien zu bauen. Das andere sollte die beiden Weltmeere, Mittelmeer und Rotes Meer, mit dem Binnenland verbinden, durch die Haifa-Ghaza-Bahn, und wenn man das auf der Karte sieht weiß man, was diese beiden Städte bedeuten - wir erschließen das ganze Binnenland dort. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine zionistische Bewegung. Ich will darauf hinaus, daß es falsch ist zu denken, am Anfang war der Zionismus und am Ende war Israel. Das alles kam am Schlu ß, und niemand hat an diese Dinge überhaupt gedacht, und ich werde euch die wahre Geschichte erzählen. Das ist keine
Seite 22 Spekulation, ich kann also hier auch jeden Nachweis antreten, und über Kritik stehen, und standhalten. Der Suez-Kanal ist schließlich gebaut worden, 1869. Das ist vielleicht zu einem Datumsvergleich wichtig, zu dem ich neige. So ein Datum ist nicht wichtig für das Verst ändnis der Geschichte, aber bestimmte Daten, so wenn man sie in Vergleich stellt, 1869 Suez-Kanal, der Berliner Kongreß findet etwas später, 1878 statt, dann kriegt man so formal einen Zusammenhang, und dann fragt man sich, gibt es auch einen inhaltlichen Zusammenhang hinter diesem formalen. Das ist also ein Datum, sehr wichtig, 1869. Natürlich, die Diskussion um den Suez-Kanal ist ja sehr alt, und der Inhalt ist gegeben. So ist es ein Irrtum und eine Lüge zu sagen, daß England oder Frankreich diesen Suez-Kanal gebaut hat. Die Idee hat es gegeben, lange bevor England oder die Franzosen daran gedacht haben. Das ist aber nicht unser Thema im Augenblick. 186 9 wurde der Suez-Kanal eröffnet, aber da hat es schon 50 Jahre Diskussion, auch politische Entscheidungen, darüber gegeben. Das hei ßt, es gibt ihn nicht erst seit 1869.1869 wird er eröffnet. Anschließend: Bagdad-Bahn. Die Arbeiten beginnen, in beiden war das Osmanische Reich wichtig; Frankreich und England und Deutschland hä tten nicht in diese Projekte einsteigen können ohne die Schutzmacht des Osmanischen Reiches, und so versteht man die Schlauheit dieser Politik, die so im Geschichtsbuch nicht steht. Daß beide das Osmanische Reich nicht bekämpft haben, das steht in jedem Geschichtsbuch, ist aber falsch. Sie haben natürlich diesen Streit inszeniert, aber in Wirklichkeit ließen sie das Reich, bis die Stunde gekommen war, da sollte es eins auf den Deckel kriegen und dann verschwinden von der Weltgeschichte, aber nicht vorher. Nun möchte ich jetzt das sagen, was dem Ganzen einen Sinn gibt: Heute haben wir kein Problem damit, daß wir große Monopolkonzerne und multinationale Konzerne in der Welt haben, da haben wir keine Schwierigkeit, die Größenordnung ihrer Besitzer abzuschätzen. Das ist auch im Weltmaßstab eine Liste von nicht mal hundert Leuten. Es sind tatsächlich hundert Leute, die das gesamte produktive Vermögen besitzen und nicht mehr. Natürlich ist es eine Geheimliste, und wir k önnen ein paar von diesen Leuten wissen, aber es sind nicht mehr Leute. Natürlich sehen wir dabei von kleinen Fischen ab, wie zum Beispiel Axel Springer, oder Beitz, Generalbevollmächtigter von Krupp. Die kriegen zwar Millionengehälter im Monat, aber trotzdem zählen sie nicht zu dieser Liste von 100 Leuten. Aber hundert Leute besitzen wirklich den Reichtum der Welt, und dazu zählen natürlich Krupp, oder Flick, oder Thurn und Taxis oder Ford. Das zu diesen lebenden Haifischen. Diese Liste war natürlich
Seite 23 etwas größer im 19. Jahrhundert. Aber da stand an oberster Stelle der Name Rothschild. Rothschild, das ist das größte Finanzhaus des 19. Jahrhunderts, und kein Mensch der Welt war so groß, um sich nicht bücken zu müssen vor Rothschild und ihm die Hand zu küssen, und egal welche Konfession der hatte, ob Christ, ob Moslem oder Atheist oder Jude oder so. Das zu seiner Person. Er hat in seiner Loge gesessen im Berliner Kongreß, unter anderen Staatsoberhäuptern, obwohl er gar keine staatliche Funktion hatte in irgendeinem Land. Und der war der Hauptbesitzer vom Suez-Kanal. Er war natürlich kein Alleinbesitzer. Auch die europ äischen Mächte stritten sich um die Anteile an der Bagdad-Bahn, um die Anteile am Suez-Kanal, wieviel Anteil an der Haifa-Ghaza-Medina-Bahn. Und jetzt komme ich, liebe Leute, auf die Ursprünge des Zionismus. Es ist sehr wichtig zu wissen, daß der Zionismus eine spätere Erfindung ist. Rothschild hat sich lange Zeit den Kopf darüber zerbrochen, wie er seine Interessen schützen kann. Alle haben gesehen, dieser Raum hier, Ägypten, die arabischen Länder, die brennen. Der Boden dort ist zu heiß. Hier hat keine Kolonialmacht festen Fuß. Und jetzt entsteht eine Befreiungsbewegung, eine Rebellion aus Beduinen und Fellachen, sage ich einmal so herabsetzend - wie diese Leute das sagen - und nehmen unseren Reichtum weg. Das wollen wir schützen. Die Literatur dieser Leute, das was diese Leute geschrieben haben, da ist an keinem Punkt Frömmigkeit. An keinem Punkt von einem jüdischen Problem zu lesen. Das ist von A bis Z ihr eigenes Problem, nämlich den Reichtum dieser Länder unter der Hand zu halten. Und die überlegen hin und her, und Moltke kommt und sagt, ja, deutsches Fürstentum in Palästina, aber welche Deutschen wollen da hingehen. Und dann kommen die ganzen Probleme, Klima, Anpassung und Barbaren, und da wollen wir nicht mit diesen Untermenschen leben. Und dann nach und nach, aber mühsam, reift der Gedanke, also eigentlich können wir nur noch die Juden hinschicken. Die europ äischen Juden. Und da fängt für uns jetzt in dieser Schulung ein neues Kapitel an, das wir unbedingt verstehen wollen. Der Zionismus, der ja Realität geworden ist in Palä stina, verbreitet folgendes Bild: das Bild ist leider Dogma geworden, nicht nur in den bürgerlichen Schulbüchern, sondern auch bei Linken. Wenn ich vielleicht von der bundesdeutschen Szene ausgehe, obwohl ich meine, daß es in anderen europäischen Lä ndern oder Österreich nicht anders ist. Es gibt folgendes Dogma, das annimmt, es gibt den Antisemitismus, also Haß gegen Juden, mehr oder weniger irrationaler Haß. Ich erzähle was dieses Dogma ist, was dieser Glaube ist. Und als Antwort auf den Antisemitismus entsteht der Zionismus. Das ist ein falsches Bild,
Seite 24 und davon müssen wir Abschied nehmen. Das ist nicht zu 99% falsch, nein, das ist zu 100% falsch. Und wer sich in der Literatur des Zionismus des 19. Jahrhunderts auskennt, weiß sehr gut, welche Mühe die Zionisten hatten, ihre Ideen den Juden zu verkaufen. Das wollten sie nicht. Und ich möchte mit euch gemeinsam entwickeln, wie es dazu gekommen ist. Rothschild und andere Großfinanzkapitalisten, die sich die Welt unter den Nagel gerissen haben, (sie herrschen durch Frankreich und England, später auch durch die USA) wollten eben den Siedlerkolonialismus in Gang setzen. Die wollen Menschen dahinbringen. Am Ende kommen sie darauf, daß man eigentlich am besten Juden dahinbringen soll. Da kann man ihnen vorgaukeln, daß sie ja früher einmal aus Palästina ausgewandert sind. Eigentlich, politisch gesehen spielt diese Frage keine Rolle, ob jetzt Begin oder Sharon Vorfahren hatten, die vor 2000 Jahren in Palästina waren oder nicht. Das spielt absolut keine Rolle politisch. Das gehört zu den Legenden des Zionismus. Fazit: Im 19. Jahrhundert befand sich der Arabische Raum in einem großen Wiederaufstieg. Ägypten befindet sich in blühender Wirtschaft, in einem tiefgreifenden Prozeß der Industrialisierung und Kapitalisierung. Der europäische Kolonialismus trachtet nach Zugriff auf den Arabischen Raum. Ihm fehlt jedoch die soziale Basis. Der Gedanke des Siedlerkolonialismus gewinnt für europäisches Finanzkapital an Bedeutung. Rothschild als Großinvestor im Suez-Kanal und in der Bagdad-Bahn ist eigentlicher Initiator der zionistischen Bewegung. Hält sich jedoch schlauerweise im Hintergrund und schiebt Theodor Herzl vor, den er als Agitator fü r die zionistische Idee braucht. Ic h lege großen Wert darauf festzustellen, daß der zionistische Kongre ß ganz am Schluß gekommen ist. Und lange vorher zerbrachen sich diese großen Finanzkapitalisten den Kopf darüber, eben Juden dahin zu gewinnen. Und nun versuchen sie auch Agenten für diese Propaganda anzuwerben. Und sie stoßen auf einen Journalisten aus meiner Gastgeberstadt Wien. Und ihr wißt, wen ich meine. Und zwar Theodor Herzl. Kurz zu seinen Daten: geboren 1860, mit 24 hat er hier an diesem Gebäude seinen Doktor der Rechtswissenschaft gemacht. Ich will damit sagen, daß er aus einer sehr angesehenen Familie war, sehr reich, denn sonst hätte er das so nicht machen können. Gleich eingestellt als Journalist bei einer Zeitung, die heißt "Neue Freie Presse", eine deutschsprachige österreichische Zeitung. Warum erzähle ich das? Ich mö chte nicht unbedingt so den Ruf des bü rgerlichen Wissenschaftlers mit seinen
Seite 25 Detailfakten haben, nein. Diese Fakten haben einen bestimmten Sinn. Diese Schriften sind gut erhalten, und zwar fast alle. Dieser Mann hatte tatsächlich nichts Frommes im Kopf. Und er liebte Frankreich so sehr, daß er bei seiner Zeitung gebeten hat, die ihren Sitz in Wien hatte, ihn als Korrespondenten in Paris einzustellen, und von Paris aus hat er eine Rubrik, einen Abschnitt der Zeitung geschrieben, ein Feuilleton, also nicht mal politischer Teil der Zeitung. Dieser Abschnitt der Zeitung hatte die Überschrift "Belle Bourbon". Also völlig unpolitisch. Und da schrieb er über das Nachtleben von Frankreich. Interessant ist Herzls Auffassung zur Lösung der Judenfrage, bevor er Zi onist geworden ist. Er war Anhänger der Assimilation: ein Begriff, der später von den Zionisten diffamiert und mit Identitätslosigkeit gleichgesetzt wurde. Im damaligen Sprachgebrauch hatte "Assimilation" etwas von unserem heutigen Begriff von Emanzipation. Assimilation hatte etwa viel von der Funktion des Begriffes "Emanzipation", und zwar nicht Emanzipation im materialistischen Sinne des Wortes, welche Emanzipation als Überwindung von Entfremdung versteht, sondern einfach in dieser lässigen Form, wie sie in intellektuellen Kreisen vertreten wird, von jungen Menschen, die einfach von zuhause ausziehen wollen, und sagen, ich möchte mich emanzipieren, ohne große Theorie. Assimilation bedeutete damals das Bestreben, den selbstgewählten Sonderstatus, die Ghettoisierung zu überwinden. Herzl vertrat damals die Assimilationstheorie, wenn er überhaupt Interesse für die Judenfrage gezeigt hat. Und er hat über Frankreich sehr viele Gedichte geschrieben. Es ist bei ihm weder von Antisemitismus noch von Zionismus die Rede. Eines Tages wird er angeworben . So buchstäblich wird er angeworben als Agitator für den Zionismus. Und über Nacht verwandelt sich Theodor Herzl zum Chefagitator des Zionismus und weiß von nichts mehr, was er bisher vertreten hat. Er war praktisch Assimilationsvertreter wenn überhaupt, er war Atheist. Er war dem Bewußtsein nach nicht Jude, einfach der Geburt nach. Und plötzlich ist er von Saulus zu Paulus oder von Paulus zu Saulus verwandelt, und er ist jetzt der Vertreter der zionistischen Bewegung. Er ist ziemlich früh gestorben, glücklicherweise, oder unglücklicherweise, 1904 war er 44 Jahre, als er gestorben ist. Nicht ohne Interesse ist die Art, wie Herzl den politischen Zionismus begrü ndet. Er lebte, wohlgemerkt, vor Hitler und konnte deshalb mit Judenverfolgung zur Begründung eines jüdischen Staatswesens also der Rechtfertigung, die der spätere Staat Israel in Anspruch nimmt - nicht zu Felde ziehen. Wa Herzl übrigblieb; ist die Beanspruchung der angeblichen Agentenaffäre mit Dreyfus. Mit dieser – welt
Seite 26 geschichtlich wohl eine Lappalie - wollte Theodor Herzl die vorsätzlichen Verbrechen gegen das palästinensische Volk rechtfertigen. Herzl strukturiert sein geplantes Siedlerprojekt und befaßt sich sogar mit Einzelheiten des künftigen rassistischen Staatswesens. Er erkennt, daß die Entstehung von Klassen das Ende eines rassistisch motivierten Zusammenhaltes sein wird. Dem beugt er vor, es solle verhindert werden, daß es zu Privatkapitalismen im rassistischen Staat kommt. Herzl: "Das Land ohne Volk für das Volk ohne Land". In Texten zur Vertreibung der Palästinenser nimmt Herzl kein Blatt vor den Mund und läßt seinen Völkerhaß und Faschismus offen in Erscheinung treten (siehe Herzls Tagebücher, insbesondere Band 2). In einer normalen Gesellschaft, die historisch gewachsen ist, sind Menschen jüdischen Glaubens natürlich gespalten in Klassen. Deshalb gibt es in Osteuropa das, was es hier in Westeuropa nicht gibt, da ß nämlich Juden auch Bauern sind. Also das gibt es in Deutschland nich t. Und es gibt sie auch als Arbeiterinnen und Arbeiter. Das ist von großer Wichtigkeit, weil das unterschlagen dieZionisten. Wir haben aus dem 19. Jahrhundert zwei Bilder beschrieben. Erstens: der Kolonialismus, in seiner Neuumorganisierung. Dann haben wir über die Großprojekte im Orient und im Arabischen Raum gesprochen, über die die europäischen Mächte gestritten haben. Dann jetzt das dritte Bild: zum Verständnis Europas am Ende des 19 . Jahrhunderts.
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Vertreibung jüdischer Menschen von Ost- nach Westeuropa Rußland ist gegenüber Westeuropa unterentwickelt. Einiges, was in Westeuropa, England, Deutschland schon längst Regel war, wird in Osteuropa erst Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts nachgeholt, nämlich die Automation der Industrie. Auch das ist ein weltbewegendes Ereignis. Weil Automation bedeutet die Freisetzung von Arbeitern in Massen. Die Gro ßkapis, die großen und mächtigen Kapitalisten in Rußland haben am Anfang den Fehler gemacht, daß sie Arbeiter in Massen entlassen haben. In dem Maße wie sie die Automation eingeführt haben wurden Arbeiter entlassen. Das hat zu großen Aufständen geführt, die 1905 bei der ersten russischen Revolution eine große Rolle gespielt haben. Diese Revolution 1905 in Rußland ist zerschlagen worden, wie ihr wißt. Und hinterher begannen die Kapis eine schlaue Politik zu machen. Jetzt fangen sie an, oder jetzt kommen sie auf die Idee zu sagen, wir würden niemanden rausschmeissen, eure Arbeitsplätze, die nehmen euch die Juden weg. Und leider funktioniert diese Politik der Entsolidarisierung (es ruft unwillk ürlich die Assoziation wach, wie Arbeitsemigranten heute aus ihren Arbeitsplätzen vertrieben werden: Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg). Jene Juden waren tatsächlich verarmte Juden, aus proletarischer und bä uerlicher Herkunft. Sie werden in Massen entlassen, der Arbeitsmarkt in Osteuropa kann sie nicht mehr a ufnehmen, also sie wandern au s. Entsprechend dem Entwicklungsgefälle von Osten nach Westen.Und jetzt haben wir plötzlich in Deutschland, Mitteleuropa und im deutschsprachigen Raum allgemein viele Flüchtlinge. Und es gibt jetzt eine "Flüchtlingsfrage“. Die Presse schreibt darüber, und schon damals beginnt die Presse in Westeuropa, Mitteleuropa wieder über Juden zu hetzen. Es waren die von Europa eingewanderten Ostjuden. Leider auch die jüdischen Gemeinden, die ansässigen jüdischen Gemeinden, vor allem die deutschsprachigen, das sind die wichtigsten, hetzen auch gege diese Flüchtlinge. Sie empfanden jüdische Flüchtlinge aus dem Osten als einen ein negatives Image bildenden Faktor. Und die Gewerkschaften und die sozialistische Partei, das ist die SPD, machen sich diese Verhetzungen zu eigen. Sie sind plötzlich Spezialisten dieser Verhetzung. Es gibt eine "Flüchtlingsfrage" und ein Judenproblem". Und das beginnt dann zu eskalieren. Und sie entwickeln Theorien. Es wird verschiedenes vorgeschlagen. Sie haben sehr viele
Seite 28 Probleme mit diesen Juden. Zuallererst sind sie als verarmte und verelendete Arbeiter, die herausgefallen sind, gefährlich als revolutionäres Potential. Also man muß sie loswerden. Und auch damals beginnt die SPD zu theoretisieren über die Frage: eigentlich kann man diese Juden gut gebrauchen, indem man sie einsetzt in Palästina. Und so gewinnen wir dort Macht. Wer Interesse hat an dieser Frage möge in einer guten Bibliothek die "Monatshefte" aus dem Jahr 1907 bestellen. Das ist die theoretische Zeitschrift der SPD. Wir sind jetzt im Jahre 1907. Es gibt keine kommunistische Partei. Die SPD, das ist die Partei der Kommunisten, auch der Sozialisten. Die "Monatshefte", das war das Organ der Intellektuellen in Deutschland. Also auch Kautsky, Bernstein haben hier geschrieben. Und sie theoretisieren über diese Frage. Sowas machten wir auch in Arbeitskreisen, man breitet das aus, und sieht, daß auch hier die Idee des deutschen Imperialismus in der SPD auch schon damals, und nicht erst im ersten Weltkrieg verankert war. Und die wiederum sagen, eigentlich sind es die Juden, nach denen wir seit Bismarck gesucht haben, um ein deutsches Fü rstentum in Palästina zu machen. Und man schickte die nach Palästina. Dann aber fängt dieser Gedanke wenig bei Juden. Die meinten: Wir sind Europäer, wir sind hier zuhause, was sollen wir in jener, uns unbekannten Weltgegend machen? Und es verbreitet sich unter diesen jüdischen Zirkeln von Einwanderern und von Flüchtlingen sozialistisches Gedankengut. Dieser Sozialismus natürlich ist nicht das, was wir uns vorstellen, also der wissenschaftliche Sozialismus. Sondern es sind utopische Gedanken, soziale Gerechtigkeit, eine Gesellschaft, wo es keine Ausbeutung, keine Klassenspaltung gibt, und wir alle leben friedlich miteinander. Aber es sind sozialistische Ideen, die sich verbreiten unter diesen armen Menschen, und sie bleiben. Und sie bleiben h ier und sie werden in doppelter Hinsicht sehr gef ährlich. Ich lege großen Wert drauf, diese Erkenntnis zu unterstreichen liebe Leute, daß der Zionismus immer, von Anfang an bis zum heutigen Tage seine Funktion so verstanden hat, den Ideen, sozialistischen Ideen, kommunistischen Ideen - auch diesen utopischen Sozialismus soll man nicht abschätzend betrachten - den Wind aus den Segeln zu nehmen und diesen Juden zu suggerieren, es gäbe eine andere Lösung für ihre Probleme als Kommunismus und Sozialismus und klassenlose Gesellschaft. Und diese Lösung sei Palästina. Und darin sieht der Herzl seine Funktion. Ich möchte auch die zeitlichen Verhältnisse sagen: ich sagte, 1905 haben die großen Entlassungen in Rußland auch zur Revolution hingeführt, aber natürlich war das keine radikale. Auch schon vor 1905 waren die Juden betroffen von den Entlassungen. Viel stärker als ihre anderen Landsleute. Und das
Seite 29 hat hier Theodor Herzl mitgekriegt. Und offensichtlich war ihm das ganz recht. Das sehen wir in seiner Literatur ganz gut, schon in dem Buch "Der Judenstaat" 1896. Das heißt, ein Judenproblem als Folge dieser Automation war schon viel früher, obwohl Theodor Herzl nicht davon träumen konnte, welche Ausmaße diese Entlassungen zehn Jahre später erreicht haben. Aber schon damals konnte er das sehen. Also wenn du mich fragst, seit wann gibt es zum Beispiel Rassismus in einem Land wie der Bundesrepublik, kann ich dir sagen, solange ich lebe. Aber trotzdem gibt es in den letzten 7 Jahren eine Versch ärfung der Krise mit neuer Qualität. Das heißt also, ich hab auch vor vielen Jahren gegen diesen Rassismus geschrieben und wenn ich sage, das hat 1982 neue Qualität gewonnen, gibt es keinen Widerspruch. Und so hat der Herzl diese Dinge gesehen, minimal und das sehr ausgeschlachtet in seiner Literatur. Zwei Dinge hat er geschrieben, mit denen ich jetzt diese Stunde schließen möchte. Das eine ist das ideologische Buch "Der Judenstaat", erschienen 1896. Er war vielleicht ein Jahr Zionist. Also die Dinge haben sich sehr schnell entwickelt. Dieses Buch "Der Judenstaat" ist eine große Pleite für den Zionismus. Ich kann es nicht begreifen, daß die Zionisten immer noch mit diesem Buch hausieren gehen. Offensichtlich haben sie immer noch kein Gefühl fü r die humanistischen Gedanken, die heute sich durchgesetzt haben. Selbst wenn eine Bewegung rassistische und faschistische Ideen vertritt, braucht sie nicht diese faschistischen und rassistischen Ideen nackt zu vertreten. Ein Großteil dieser Bücher ist praktisch von Zionisten herausgebracht worden und das ist eine Waffe gegen den Zionismus. Obwohl es drei Editionen (Ausgaben) in deutscher Sprache gibt, ist das Werk am Buchmarkt nicht erhältlich. Werfen wir einen Einblick in dieses Herzliche Machwerk. Er macht sich den antisemitischen Sprachgebrauch zu eigen. Er spricht von "Juden" und "Wirtsvölkern". Er betrachtet Menschen jüdischen Glaubens als Parasiten in ihren eigenen europäischen Heimatländern. Mit diesem Werk ist Herzl bei den Repräsentanten des europäischen Imperialismus eine höchst begehrte Person geworden. Er wird auf hö chster Regierungsebene empfangen. Die Regierungen Englands, Deutschlands, Frankreichs und Rußlands sind bereit, ihn zu finanzieren, um ihre imperialistischen Interessen durchzusetzen. Zionismus (ein europäisches Produkt) wird exportiert nach Palästina. Unmittelbar nach dem Berliner Kongreß 1878_ wird die erste bewaffnete Truppe jüdischer Deutscher nach Palästina, mit Rückendeckung von Bismarck und Rothschild, entsandt. Schon 1882 meldet sie nach Berlin ihren ersten Erfolg. Der erste Muschahaw (Wehrsiedlu ng) ist gegründet worden. Damals jedoch fand der erste palästinensische
Seite 30 Widerstand gegen den Siedlerkolonialismus statt, weil die Kolonialisten Wasserquellen und Zufahrtswege eingezäunt und die Palästinenser von diesem Lebenselixier ausgesperrt haben. Der palästinensische Aufstand ist so alt wie der Zionismus. Er sei antisemitisch ist zionistische Propaganda. Es gab jüdische Kongresse gegen den Zionismus. Eine palästinensische Delegation kam zu Herzl, um mit ihm zu reden. Aber Herzl läßt sich von seinen rassistischen Ideen nicht abbringen. In seinem utopischen Roman "Alt-Neu-Land", der unter dem nicht authentischen Titel "Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen" bekannt ist - darin stellt er sich das siedlerkolonialistisch besetzte Palästina 20 Jahre danach vor -wird belegt, wie sehr er von seinem rassistischen Siedlerprojekt bis zu seinem Lebensende besetzt war.
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Vom Ersten Zionistischen Kongreß bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges (1897- 1914) Am Anfang des 20. Jahrhunderts, am Ende des Lebens Theodor Herzls, gab es eigentlich überhaupt keine Siedlerbewegung von Bedeutung nach Palästina. Aber es gab die gesamte Struktur und Konzeption, es brauchte nur me hr die Umsetzung. Weil die Großmächte das wollten, nicht die jüdischen Menschen, begann das zu funktionieren. Um das verstehen zu können, muß das mit den Augen des Anfangs des 20. Jahrhunderts, und nicht mit dem Blick des ausgehenden 20. Jahrhunderts gesehen werden. Die meisten Juden haben die Idee eines zionistischen Staates abgelehnt, seiner Verwirklichung keinen Glauben geschenkt. Auch deshalb, weil so viele Menschen jüdischen Glaubens nicht bereit waren, dieses zionistische Projekt mitzutragen. Aber die Großmächte wol len das Projekt mit aller Gewalt durchsetzen. Die Zeit bis zum ersten Weltkrieg, die 10 Jahre seit dem Tod Theodor Herzls und der Beginn des ersten Weltkrieges, steht im Zeichen des Versuches, diese jüdischen Einwanderer von Ost- nach Westeuropa nach Pal ästina umzuorientieren. Vergeblich, so gut wie niemand will dahin. Sie sind Europäer und sind stolz darauf und wollen hier bleiben, d.h. dem Zionismus gelingt es nicht , die Leute dahin zu bringen. Es beginnt jetzt die Politik der Einschü chterung, weil die Großmächte Interesse an Palästina haben. Menschen jüdischen Glaubens sollen nur nach Palästina. So beginnen die Großmächte propagandistisch den Juden klarzumachen, sie seien hier unerwünscht. Hier müssen wir uns Gedanken machen und Abschied nehmen von der Antisemitismus-Vorstellung, die der Zionismus geschaffen hat. Der Zionismus stellt den Antisemitismus so dar: Juden sind ein einzigartiges Volk, mit ihren Lebensformen, Gesetzen, Geboten, Verboten, verhalten sich anders, haben ihre Synagogen, die keine Kirchen sind. Die "Einzigartigkeit", ein wichtiger Punkt in der Selbstdarstellung der Zionisten, führt dazu, daß die Nicht-Juden einen irrationalen Haß, der bis zum Rassenwahn eskaliert, gegen Juden entwickeln.
Seite 32 Das ist absolut falsch, das muß bekämpft werden, das ist absoluter Rassismus und soll Rassismus auf beiden Seiten wachhalten, bei Juden und bei Nicht-Juden. Die Zionisten sind die großen Antreiber des Antisemitismus. Der Antisemitismus wird gemacht, der Mensch ist nicht einfach so antisemitisch, von Natur aus oder von der Neigung her. Da müßte sonst der Mensch von Natur aus rassistisch sein. Das ist eine große Gemeinheit des Zionismus heute, daß er den Rassismus auch jenseits der jüdischen Frage möglich macht und deshalb durch und durch reaktion är und menschenfeindlich ist. So beginnen auch die Großmächte nachzuhelfen, indem sie Judenha ß erzeugen, indem sie bei Menschen antijüdische Gefühle schüren. Das hat den Sinn, die Auswanderung, die immer noch nicht in Gang kommt, in Bewegung zu setzen. Die .Politik der Einschüchterung, in Form der Pogrome (russ. = Verfolgung), funktioniert nicht, die Wirkung ist immer noch sehr gering. Bis heute können Juden nur durch zwänge (finanzielle Verschuldung der Israelis gegenüber dem Staat ruht bis zu dem Augenblick, in dem sie die Auswanderung begehren) in Palästina gehalten werden. Wenn die in Israel akkreditierten westlichen Botschaften die Auswanderung ein Jahr lang ermöglichen würden, so würde es in Palästina keine Israelis mehr geben. In einigen Botschaften in Israel (USA, Kanada, BRD, Österreich, usw.) gibt es Wartelisten, die in die Zehntausende gehen. Seminarteilnehmer: Es hat mir ein bißchen gefehlt, daß es auch schon in den 20er Jahren antisemitische und antijüdische Elemente gegeben hat, als die Nazipartei gegründet wurde. Karam Khella: Antisemitismus ist ein Begriff aus dem irrationalen Begriffsinstrumentarium. Diese Sprache kommt aus einem unwissenschaftlichen Bereich, zu dem ja auch die bürgerliche und sicher auch die faschistische Ideologie zählt. Was richtig ist: Es hat sicher Konflikte gegeben und auch Haß gegen Juden, den man Antisemitismus genannt hat. Das ist natürlich wichtig, weil alle existierenden Phänomene bestehendes aufgreifen. Und es ist auch nicht leicht in der Öffentlichkeit darzustellen, warum es diesen Judenhaß gegeben hat und wie er genutzt wurde. Aber sehr wichtig ist darzustellen, warum der Faschismus in dieser Frage Erfolg hatte. Und natü rlich hatte er deshalb Erfolg, weil er diesen bestehenden Haß aufgreifen konnte und umlenken sollte und eine Entsolidarisierung in der Bevölkerung geschaffen hat, indem er sagt ja, da gibt es die einen, die Juden sind, und
Seite 33 die anderen, die, die Nichtjuden sind, das sind die richtigen Deutschen, das sind die "Arier". Der Faschismus war ja auch kein Bruch 1933. Der Faschismus war mehr eine Fortsetzung bestehender deutscher Politik, als eine Neuigkeit. Diese Kontinuität in der deutschen Politik vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis zum deutschen Faschismus ist viel größer als die Diskontinuität - und, wenn man so will, der Antisemitismus ist natürlich auch eine Kontinuität, Verfolgung der Kommunisten ist eine Kontinuität. Expansionsziele im Arabischen Raum, die sind viel ä lter als Hitler und sein Faschismus und sind erst möglch geworden durch eine faschistische, neu gebaute deutsche Wehrmacht. Deshalb ist es kein Widerspruch festzustellen, daß auch antisemitische Elemente, wenn man so will, vorher bestanden haben. Seminarteilnehmer: Also deine Relativierung von dem Antisemitismus: Man muß genauer fassen, daß es sich um Judenhaß handelt, weil Semiten sind einfach mehr. Das ist das eine, und das zweite, was ich mitgekriegt habe ist, daß man das jetzt nicht so, wie es die zionistische Propaganda macht, allgemein faßt, das sei so eine "menschheitliche Eigenschaft", so angeboren, sondern daß das in verschiedenen Phasen instrumentalisiert wird. Und da hat es auch diese klerikal -feudale Instrumentalisierung von Judenhaß gegeben, und es gibt eine imperialistische Instrumentalisierung von dem. Karam Khella: Der Imperialismus - der Faschismus ist eine der Herrschaftsformen des Imperialismus bzw. des Monopolkapitalismus greift Stimmungen, die er im Volk vorfindet auf und instrumentalisiert sie für seine Herrschaftszwecke. Der deutsche Faschismus hat den Antisemitismus aufgegriffen. Von Wichtigkeit an dieser Stelle ist der Hinweis darauf, wie der Zionismus vom Antisemitismus Kapital schl ägt. Wir historisieren demgegenüber die Phänomene von Faschismus und Antisemitismus, um zum Humanismus gelangen zu können. Der Zionismus etabliert den Antisemitismus, den er braucht, um sich selber rechtfertigen zu können. Ja, da ist ein Satz bei dir von großer Bedeutung, diese Frage "Singularität". Das ist ein zionistisches Begriffsinstrumentarium. Singularität, Einzigartigkeit der Juden und der weltweite Haß allgemein, als wären das menschliche Eigenschaften gegen die Juden. Das muß man in der Tat aufgreifen.
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Erster imperialistischer Weitkrieg (1914-1918) Der erste Weltkrieg war kein Weltkrieg, es war ein europäischer Krieg. In Wirklichkeit war die Welt Opfer dieses europäischen, kolonialistischen Krieges. Es gibt keine isolierte Geschichte, all das was wir machen, ist Universalgeschichte. "Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln", ein Grundsatz deutscher imperialistischer Politik. Damit will ich sagen, die anderen Mittel, das sind die Mittel des politischen Handelns am runden Tisch, sind ausgeschöpft. Deutschland kann weite re Kolonien nur mehr mit militärischer Gewalt erobern. Frankreich, Italien, England wollen nichts mehr von ihren Kolonien hergeben. Der Krieg muß gemacht werden, und vor allem scheint jetzt die letzte Stunde des Osmanischen Reiches geschlagen zu haben. Die imperialistischen Mächte meinen, das Osmanische Reich, das ausgedient hat, jetzt beseitigen zu können. So geht es darum, dieses Erbe aufzuteilen. Noch einmal zur Verdeutlichung: Der erste Weltkrieg ist der Krieg der europäischen imperialistischen, kolonialistischen Mächte um die Aufteilung des sterbenden Osmanischen Reiches. Es gibt Begriffe, die wir aus unserem Wortschatz streichen müssen, weil sie imperialistische Begriffe sind, die die Tatsachen verschleiern. Z.B. "Naher Osten" - wenn der Arabische Raum gemeint ist, so sind Gebiete mit ihrem Namen zu nennen. Das ist kein fortschrittlicher Begriff, ganz abgesehen davon, daß "Naher Osten" beleidigend, eurozentristisch und imperialistisch ist. Damit wird gesagt, das ist der Osten, der Europa am n ächsten liegt. Zurück zum ersten Weltkrieg: Im ersten Weltkrieg standen sich folgende Großmächte gegenüber:
Seite 35 Deutschland als mächtigster Staat, der vor allem seinen Anteil an Kolonien und Märkten erweitern will. Das kann nur auf Kosten Englands und Frankreichs gehen. England war sich am Beginn des ersten Weltkrieges nicht so sicher, diesen Krieg zu gewinnen. Die Politik der imperialistischen Mächte während des ersten Weltkrieges zielt auf Menschenvernichtung ab. Es werden chemische Waffen, Giftgas entwickelt. Dies zeigt, daß zwischen der Legende der Darstellung der europäischen Kultur und der abendländischen Kultur und der Realität eine ganz große Kluft ist. Weil England nicht sicher war den Krieg zu gewinnen, entwickelte es eine ganz bestimmte Kriegsdiplomatie. Deutschland auch. Jetzt ein kurzer Blick auf das Osmanische Reich. Es ist erschüttert von inneren Klassenkämpfen. Es gibt sehr viele Bewegungen in der Türkei, die auch mit dem Osmanischen Reich abrechnen. Der Imperialismus mußte nichts dazu tun, dieses riesige, aber morsche Reich zu zerschlagen. Diese Bewegungen innerhalb der Türkei sind nicht nur fortschrittliche, revolutionäre Bewegungen. So auch reaktionäre. Unter diesen gab es maßgebliche Bewegungen, wie z.B. die Jungtürken. Die Bündnispolitik dieser Bewegungen war nicht eindeutig, auch nicht die des Sultans. Er wollte sich alle Türen gegen über Frankreich, England, Deutschland und Rußland offenhalten. So wechselte der Sultan seine Bündnispartner ständig. Am Ende hat sich die Türkei auf Deutschland fixiert. So bildeten sich Fronten, Deutschland und Osmanisches Reich auf der einen Seite, England und Frankreich auf der anderen Seite Der Ausgang des Krieges ist offen. England tritt an die arabischen Staaten heran, vor allem an die Führer u nter den arabischen politischen Kräften, von denen England meinte, sie wären Bündnispartner für es. Also England wandte sich nicht an irgendwelche nationalen Bewegungen und im Volke verankerten Kräfte, sondern an Feudalfürsten. England bietet ihnen ein Bün dnis gegen Deutschland, aber vor allem gegen das sterbende Osmanische Reich an. England verspricht ihnen, nach Ende des Krieges bekommen sie ihre gestellten Forderungen, die Unabhängigkeit.
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Husain-McMahon-Abkommen (1915)
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In diesem Abkommen wird den arabischen Vertretern versprochen, da ß Sie ihre Unabhängigkeit bekommen, wenn der Krieg vorbei ist.
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Schreiben des Sherif von Mekka, Husain, an den britischen Hochkommissär von Ägypten, Sir Henry McMahon am 14.7.1915: "Erstens England erkennt die Unabhängigkeit der arabischen Länder an, die im Norden durch die Linie Mersina-Adana-Midiat-Jezirat-lbn 'Umar-Amana bis zur persischen Grenze reichen, ihre Ostgrenze ist Persien bis zum Golf von Basra, die Südgrenze der indische Ozean (mit Ausnahme von Aden, dessen augenblicklicher Status nicht verändert werden wird), die Westgrenze bildet das Rote Meer und das Mittelmeer bis Mersina." McMahon an Husain am 24.10.1915: "Die beiden Bezirke von Mersina und Alexandrette und Teile Syriens westlich der Bezirke von Damaskus, Homs, Hama und Aleppo, welche nicht als rein arabisch zu bezeichnen sind, sollten von der gewünschten Grenze ausgeschlossen werden. Mit obiger Einschränkung erkennen wir diese Grenzen, ohne die bereits zwischen uns und arabischen Staatsmännern geschlossenen Verträge anzutasten, an." (Karam Khella, Geschichte der arabischen Völker, S. 167-172)
Seite 37 Die arabische Nationalbewegung, die immer mehr an Stärke gewann, war damals schon ein ganz gef ürchteter Faktor. Sie war ein so gefürchteter Faktor, daß die großen Hauptstädte in Westeuropa arabischen Politikern anboten, dort Kongresse abzuhalten. Husain (Urgro ßvater des jetzigen jordanischen Königs) wollte den gesamten arabischen Osten besitzen, wollte "Kaiser" werden. Damals saß er einem Fürstentum um Mekka und Medina (die Heiligen Stätten) vor, 3 dem Higaz, auf dem Gebiet des heutigen Saudi-Arabien. Mittels der arabischen Nationalbewegung hätte er niemals so viel Macht erlangt. Er glaubte, seine Ziele mittels eines Geheimabkommens mit England zu erreichen. England hat niemals daran gedacht, Husain eine derartige Machtstellung zuzugestehen. England dachte nur daran, ihn für seine eigenen Interessen auszunützen. Das McMahon Abkommen brachte den arabischen Staaten gar nichts. Aber England hat es sehr geholfen. England konnte sich seinen imperialistischen Einfluß in der Arabischen Region verschaffen. Dadurch konnte England mit wenig Kräften durch diesen Krieg eine Machtstellung erlangen, die England st ärker gegenüber Deutschland, Frankreich und Ru ßland gemacht hat. Jetzt befinden wir uns mitten im Krieg, 1916, aber es ist abzusehen, wie dieser Krieg ausgehen wird. 4
Sykes-Picot Abkommen (1916)
Das Sykes-Picot Abkommen zerstückelt die arabische Welt in englische bzw. französische Einflußgebiete. Dieses Abkommen wurde geheimgehalten, um der arabischen Nationalbewegung, die am 5.6.1916 mit ihrem Aufstand gegen das Osmanische Reich begonnen hatte, um die arabische Nationalbewegung nicht zu provozieren. Die gesamte arabische Erdölregion samt Arabistan sollte von England beherrscht werden. Frankreich sollte im arabischen Osten Syrien und den Libanon erhalten. Die Auflösung Kurdistans geht auf das Sykes-Picot-Ab-kommen zurück. Darüber hinaus sah der Vertrag noch eine dritte Zone vor, 3 Weiterführende Literatur: Karam Khella, Golfkrieg, S. 15-34. 4 Sykes-Picot steht für Sir Mark Sykes für England und Francois Picot für Frankreich; Vertragstext: Karam Khella, Golfkrieg, S. 34-41; Landkarte: K.K., Geschichte der arabischen Völker, S. 169-172.
Seite 38 in der "eine internationale Verwaltung eingerichtet wird, über deren Form in Übereinstimmung mit den anderen Alliierten und den Vertretern des Scharif von Mekka entschieden wird". So wurde verklausuliert eingeräumt, daß die USA - damals noch keine Weltmacht - beteiligt wurden. Es sollte damit erreicht werden, daß die Vereinigten Staaten den anglo-französischen Teilungsplan nicht sabotierten. Bei dieser dritten Zone handelte es sich um Palästina. Von besonderer Bedeutung ist an dieser Stelle der Hinweis, wie sehr der Palästina-Konflikt und die Golffrage zusammenhängen. Das Pal ästina-Problem entsteht nicht isoliert, sondern als Bestandteil eines Desintegrationsplanes des gesamten Arabischen Raumes. Der Siedlerkolonialismus über Palästina auf der einen Seite, und die Besetzung der strategischen Schlüsselpositionen am Golf durch England sollen den Arabischen Raum in der Zange halten. Bereits 1914 erklä rt England ein Staatskonstruktum mit dem Namen Kuweit zu seinem Protektorat, obwohl England in diesem südirakischen Territorium weder politisch noch militärisch präsent war. 5 Es wurden damals durch die Aufteilung mit dem Lineal Verhältnisse geschaffen, die heute noch Ursachen von Kriegen sind, und so war es auch beabsichtigt, nicht nur Einflußspähren zu schaffen, sondern auch ständig Krieg und Krisenprobleme zu erzeugen. Das ist für die ganze Welt, für Asien, Mittel- und Südamerika gemach t worden, und zwar sind Konflikte geschaffen worden, die heute noch andauern, deshalb, weil sie dem Imperialismus Einfluß verschaffen. (Z.B. Tschad/Libyen, Iran/Irak) Die imperialistischen Staaten spielen Schiedsrichter in den Konflikten, als ehemalige Kolonialherren. So sind 200 Kriege angezettelt worden, die heute noch zum Teil auf der ganzen Welt brennen. Diese wurden durch diesen Coup von Sykes und Picot mit millionen Toten und der Vernichtung wertvoller Kulturgü ter und der Schaffung neuer Abhängigkeiten von den imperialistischen Staaten hervorgerufen. Das Sykes-Picot Abkommen bedeutete auch, daß England und Frankreich sich des Ausganges des Krieges sicher waren. Die Grenzen in der arabischen Region sind die des Sykes-Picot Abkommens, es sind keine historisch erwachsenen Grenzen; z.B. Grenze zw. Irak (englisches Einflußgebiet) und Syrien (franz. Einflußgebiet). Sykes hat das Lineal soweit nach Westen geschoben, bis der letzte Ölbrunnen auf englischer (irakischer) Seite war. 5
Siehe K.K., Golfkrieg, S. 51 -52.
Seite 39 Frage: Warum war Italien nicht an dem Abkommen beteiligt? Antwort: Italien war integriert, aber war keine bedeutende Kolonialmacht. Italien war seit dem Wiener und dem Berliner Kongreß integriert. Ähnlich Rußland und USA. Ausgeklammert wurde nur Deutsc hland. England und Frankreich wollten alles für sich haben, sie gaben Anteile nur dann ab, wenn sie andere Staaten zu fürchten hatten. Zu diesem Zeitpunkt war von Italien aus nichts zu befürchten, also gestand man Italien Libyen zu. Wenn Italien es schaffte, sollte es auch Äthiopien bekommen, das heißt, sie haben Belgien oder Holland nicht verdrängt, sie versuchten vielmehr, diese Länder mit irgendwelchen Teilen, von denen die meinten, sie wären damit ruhiggestellt, abzuspeisen. Im Falle von untergehenden Kolonialmächten wie Spanien oder Portugal ist es auch so gelassen worden. England und Frankreich hätten die Teile, die für Spanien und Portugal abgefallen sind, leicht an sich reißen können, aber sie haben es für schlauer gehalten, Spanien und Portugal die selbe Rolle spielen zu lassen wie die, die das Osmanische Reich gespielt hat.6 191 7 im Herbst war der Ausgang des Krieges entschieden. England hat ganz genau gewu ßt, daß die USA sehr viel schlucken werden. Aber einen Punkt werden sie nicht ohne weiteres hinnehmen, das ist Palästina. England spekuliert auf die Ölquellen, Frankreich auf Uran. Wenn England und Frankreich diese Einteilung machen wollen, m üssen sie Konzessionen an die USA machen. Und so sagten sie, um die USA ruhigzustellen, über Palästina haben wir kein endgültiges Wort gesagt, das beraten wir erst mit unseren Freunden, und so haben die USA diese Landkarte stillschweigend akzeptiert. Ich möchte euch, meine Freundinnen und Freunde, sagen, daß wir vielleicht diesen Punkt an die Nachbereitungsarbeit, an die Kleingruppen, delegieren. Daß wir all die Probleme heute weltpolitisch historisch ableiten, daß wir den Kolonialismus keineswegs als abgeschlossenes Kapitel ansehen, und daß der Imperialismus nicht vom Himmel gefallen ist, sondern seine historische Entwicklung hat. 6
Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Entstehung der Kollektivdiplomatie der Kolonialm ächte in den 30er Jahren des 19 . Jahrhunderts in "Golfkrieg", S. 20 ff. (die Red.).
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Ergebnisse des Ersten Weltkrieges: Der erste Weltkrieg, der ein europäischer Kolonialkrieg war, hatte fünf entscheidende Ergebnissse zustande gebracht, die bis heute noch wirksam sind. 1. Das erste welthistorische Ergebnis ist die Zerschlagung des Osmanischen Reiches. 2. Das zweite Ergebnis ist die Ausschaltung Deutschlands als Kolonialmacht, und die vorläufige Ausschaltung Deutschlands als imperialistische Macht. 3. Das dritte Ergebnis ist der Auftritt der USA als ein imperialistischer Staat. Sie sind noch keine Weltmacht, sie versuchen das seit dem 19. Jahrhundert zu sein. Sie haben politisch und militärisch auch im Arabischen Raum eingegriffen. 1917 melden erstmalig die USA ihren Weltanspruch an. Sie wollen jetzt auftreten. 4. Das vierte Ergebnis ist die Ausschaltung des zaristischen Rußlands, allerdings nicht als Kriegsfolge, sondern als Folge der Oktoberrevolution. Seitdem existiert Rußland nicht mehr als Kolonialmacht. Genau zu der Zeit, vor 72 Jahren, findet die Oktoberrevolution statt. Der Zar wird gestürzt, dieses Reich das auch ein Weltreich war, hat ein Ende, vor allem als Expansionsfaktor nach außen. Das verunsichert die imperialistischen Staaten. Einerseits freuen sie sich, daß sie die Welt nicht mit Rußland teilen müssen, andererseits könnte die sozialistische Gesellschaftsordnung die Stabilität des Kapitalismus stören, also das muß rückläufig gemacht werden. Heute fühlen sich imperialistische Staaten gegenüber den Ländern in Osteuropa souverän, da sie gesehen haben, daß diese gesellschaftliche Form, wie sie in Osteuropa geschaffen worden ist, nicht die große Herausforderung ist. Aber damals fürchteten sie, das könnte eine Epidemie sein, die die ganze Menschheit ansteckt und die Welt könnte im Handumdrehen sozialistisch sein. Nach 1917 war der Imperialismus entschlossen, die Entwicklung in der Sowjetunion rückgä ngig zu machen, wieder kapitalistische Verhältnisse zu schaffen. Am Tage des Sieges der Oktoberrevolution wird in London ein Brief geschrieben, der erstmalig dieSchaffuhg eines zionistischen Staates dokumentiert:
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Die Balfour Declaration (2. Nov. 1917):
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James Balfour, englischer Außenminister: "Mein lieber Lord Rothschild! Zu meiner großen Genugtuung übermittle ich Ihnen namens S.M. Regierung die folgende Sympathieerklärung mit den jüdisch-zionistischen Bestrebungen, die vom Kabinett geprüft und gebilligt worden ist: S.M. Regierung betrachtet die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk mit Wohlwollen und wird die größten Anstrengungen machen, um die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei klar verstanden werde, daß nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung der Juden in irgendeinem anderen Lande beeinträchtigen könnte. Ich bitte Sie, diese Erklärung zur Kenntnis der Zionistischen Föderation zu bringen. Gez. Arthur James Balfour" Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Das heißt, Israel - lange noch nicht entstanden - hat von Anfang an die Aufgabe, den Sozialismus, den Kommunismus, die Weltrevolution im Keim zu ersticken, abzudrosseln, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Das hat sich bis heute nicht geändert! 5. Das fünfte Ergebnis sind erste Ansätze zur Schaffung des zionistischen Staates. Das Dokument spricht eine eindeutige Sprache, die Nähe zu Rußland, über die schon Theodor Herzl theoretisiert hat, hat ihren Sinn und ist kein Zufall. Palästina hat schon lange bevor es eine jüdische Religion gegeben hat, weltpolitisch diese Funktion gehabt. Wir müssen hier zwischen materieller Grundlage der Geschichte und ideologischem Überbau unterscheiden. 7
Ka ram Khella, Israelisch-Arabischer Konflikt; AI Karamah: Zur Zionisierung des palästinensischen Bodens im einzelnen; K.K.: Geschichte der arabischen Völker, S. 171-175. Seite 42
Seite 42 Ich habe gestern davon gesprochen, daß der Zionismus immer schon ein Arm des deutschen Imperialismus war. Wieso kommt der Brief (Balfour Declaration) jetzt vom englischen Außenminister und nicht vom deutschen? Der Brief kommt in dem Moment heraus, in dem Deutschland besiegt worden ist. Der englische Imperialismus sagt, wir sind jetzt die Herren der Welt, und ihr als zionistische Bewegung dient nicht mehr dem deutschen Imperialismus, wir sind ab sofort die Herren der Welt, ihr sollt jetzt in unseren Diensten stehen. Der Ausgang des ersten imperialistischen Weltkrieges verursacht eine Wende hinsichtlich der Frage, welche imperialistiche Macht nunmehr führt. Damit wechselt der Zionismus die Position; statt Vorposten des deutschen nunmehr Bastion des englischen Imperialismus zu werden. Die zionistische Bewegung hat solchen Rollenwechsel immer völlig unproblematisch gemacht. Auch im zweiten imperialistischen Weltkrieg geschieht das in etwa ähnlich, aber in einwandere Richtung, da verliert England die Führung als Weltkolonialmacht und dieUSA treten auf den Plan. Die Balfour Declaration ist ein Brief, den der englische Außenminister an eine Privatperson namens Rothschild schreibt, also ein Privatbrief; allerdings so privat war Rothschild nicht. Denn inzwischen ist er Vorsitzender der Jewish Agency. Die Jewish Agency ist das staatsähnliche Ausführungsorgan des Zionismus. Die Balfour Declaration war das Versprechen, den zionistischen Staat zu gründen. Der Brief drückt aus, daß der zionistische Staat sehr bald gegründet werden soll. Die Frage ist, warum hat es 30 Jahre bis zur tatsächlichen Staatsgründung gedauert? Diese Declaration kündigt eine Realpolitik an. Um die Realisierung des zionistischen Staates zu schaffen, wurden internationale Organisationen gegründet. In beiden folgenden Sitzungen werden behandelt: Nun stehen Kolonialismus und Zionismus vor dem Hauptproblem, Menschenmaterial für das Siedlerprojekt in Palästina mobil zu machen. In Osteuropa beginnt die Spaltung der Arbeiterbewegung nach Konfessionen. Ein Jüdischer Arbeiterbund wurde in Polen und Rußland gegründet unter zionistischem Einfluß, er wurde später aus der dritten Internationale ausgeschlossen, innerhalb der Komintern - unter Lenin - wurde der Zionismus als konfessionalistische, das heißt klassenfeindliche Organisation verurteilt und ausgeschlossen; - Lenin war schon immer gegen konfessionelle Strömungen in der Arbeiterbewegung aufgetreten.
Seite 43 1920er Jahre: Die zionistische Bewegung verstärkt ihre Propaganda in Europa, um Emigranten für Palästina zu gewinnen. Die Siedler kommen in Palästina an und vertreiben mit Waffengewalt Palästinenserinnen und Palästinenser aus ihrem angestammten Arbeits- und Wohnraum; der palästinensische Widerstand gewinnt an klarer Orientierung gegen englischen Imperialismus und zionistischen Siedlerkolonialismus. Jüdische Siedler müssen bemerken, daß ein Volk in dem Land wohnt, in das sie getrieben wurden. Siedlern, die wieder zurückkehren wollen, wird die Rückkehr unmöglich gemacht, büro-kratische und finanzielle Hindernisse in den Weg gelegt. Kibbuz: 1. Wohnort, 2. Arbeitsplatz, 3. militärische Bastion zur Widerstadsbekämpfung der Palästinenser. Die Funktion des Kibbuzes wird mißgedeutet als eine sozialistische Lebensform. Sein eigentlicher Sinn besteht darin, die eben eingewanderten Siedler an das Land zu binden. Ihre Löhne werden nicht ausbezahlt, sondern gutgeschrieben. Sie genießen die Vorteile des Landraubes und des von Palästinensern weggenommenen Besitzes, aber nur solange, wie die Siedler in Palästina verbleiben. Zur zionistischen Politik in Palästina vor der israelischen Staatsgründung: Jüdischer Boden (Landenteignung), jüdische Waren (zionistische Produktion), jüdische Arbeit (existenzielle Vernichtung der Palästinenser), Vertreibung der arabischen Bevölkerung aus Palästina unter anderem durch immense Steuerlast (die Palästinenser mußten ihren Boden verkaufen, um ihre Steuerschulden begleichen zu können). Die Vertreibung der Palästinenser wurde verstärkt, die Rückkehr verboten. Eine zweite Generation von Siedlern entsteht. In Europa wird massive zionistische Propaganda zur Anwerbung von Siedlern betrieben, allerdings ohne ausreichende Erfolge. Viele Juden, die "wieder weg wollten, gingen nicht zurück nach Europa, sondern in andere arabische Länder. Jüdische Lehrer, die sich weigerten, den zionistischen Erzieh üngsrichtlinien zu folgen, wurden massiven Repressionen ausgesetzt. Zionisten betreiben Geschichtsfälschung zur Rechtfertigung ihres Siedlerkolonialismus in Palästina. Akkulturation Zerstörung palästinensischer Kultur. (Anm. der Red.: Die Tonbandaufzeichnung zu dieser Sitzung ist leider verloren gegangen. Die Redaktion verweist deshalb auch auf die schriftliche Darstellung beim Autor)
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Die Arabische Nationalbewegung: Nun also gibt es eine weitere Spur, die neu ist in dieser Diskussion. Die Arabische Nationalbewegung, von der die Rede eben war, ist sehr stark. Und sie setzt ihre Forderungen überall durch und der englische Kolonialismus steckt eine Niederlage nach der anderen im Arabischen Raum ein. Da gibt es großen Widerstand von Seiten der Nationalbewegung gegen den englischen Kolonialismus. Und diese Bewegung erfaßt auch Palästina. Es kommt in Palä stina 1919 zu einem großen Aufstand gegen den englischen Kolonialismus und gegen den, vom englischen Imperialismus geförderten Zionismus. Also gegen englische Kolonialgewalt und ihre Handlanger, die zionistische Bewegung. Dieser Aufstand 1919 ist gesamtarabisch, mit Schwerpunkt in Palästina, mit sehr vielen Flügeln und Flanken in sehr vielen Räumen der arabischen Welt. England muß anders denken, muß umdisponieren, flexibler werden und der englische Kolonialismus beweist hier, daß er sich nicht auf einen bestimmten Plan versteift, sondern der neuen Situation Rechnung trägt. England behindert die Errichtung eines palästinensischen Staates oder die Proklamation eines palästinensischen Staates durch die arabische Nationalbewegung. Stattdessen wird ein ganz anderer Staat ausgerufen. Da werdet ihr denken, das ist sicher jetzt der heimliche zionistische Staat. Nein, das ist er nicht. Nicht der Staat, der in der "Balfour Declaration" steht. Mensch denkt, das muß jetzt bald umgesetzt werden, zwei Jahre nach Balfour, aber nein das ist er nicht. Dieser Staat ist ein arabischer Staat. Und zwar unmittelbar am Jordan, das ist der Staat Jordanien. Und jetzt sagt ihr, das ergibt alles keinen Sinn. Die Balfour Declaration verspricht einen zionistischen Staat, und du redest jetzt davon, daß der englische Kolonialismus einen arabischen Staat errichtet. Welchen Sinn hat das? Verfolgen wir ein bißchen diese Spur, und sehen wir, ob sie eine Logik hat. Wenn wir die imperialistische Logik begriffen haben, können wir auch revolutionäre Logik dagegen entwickeln, "AntiLogik".
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Gründung Jordaniens England sieht, welche Gewalt diese arabische Nationalbewegung hat und welche Macht der palästinensische Widerstand hat und welches gewaltige widerständische Potential in der gesamten arabischen Region steckt. England versucht dieser revolutionären Bewegung im Arabischen Raum den Wind aus den Segeln zu nehmen und sagt: Nein, wir machen keinen zionistischen Staat, wir machen einen arabischen Staat, nennen wir ihn Transjordanien. Schauen wir uns diese Landkarte Jordaniens genauer an. Dieser jordanische Staat ist unfähig alleine zu leben: Also diejenigen, die diese politische Karte von Jordanien gezeichnet hatten, namentlich Sykes und Picot, die wußten ganz genau, was sie taten. Dieser Staat muß notwendigerweise vom Imperialismus abhängig bleiben, er kann aus eigener Kraft und aus eigenen Ressourcen nie unabhängig werden. Er ist im Arabischen Raum wirtschaftlich nicht integriert. Er ist in einem viel größerem Ausmaß als jeder andere arabische Staat ein zerstückelter Staat. Jetzt überlegt ihr euch sicher, das hat einen Sinn diesen Staat ins Leben zu rufen, das ist eine Konzession an die arabische Nationalbewegung. Aber das reicht eigentlich so nicht aus. Die Sache muß noch einen tieferen Sinn haben, und den gibt es tatsächlich auch. Wenn du ein gutes Rennrad hast, bist du in einem Tag durch ganz Libanon, Syrien, Palästina und durch Jordanien gefahren. Ja, du mußt natürlich ein bißchen tüchtig sein, aber das ist machbar. Ich will damit sagen, in dieser Region, auf diesem Landstrich gibt es zur Zeit fünf verschiedene Staaten. Keiner dieser Staaten ist wirklich integriert, wirtschaftlich und politisch, keiner dieser Staaten ist allein selbständig. Das hat alles einen Sinn. Diese Geographie will die Integration dieser Region vö llig zerstören. Jordanien ist kein historisch gewachsener Staat, so wie Ägypten oder Syrien etwa; das sind Staaten, die hat es in der Geschichte immer schon gegeben. Es hat vorher noch nie einen Staat Jordanien gegeben, das ist tatsächlich eine imperialistische Erfindung. Der Sinn dieser Frage ist genau die Liquidierung der Palästina-Frage. Da fragt ihr euch, wieso soll ein arabischer Staat, den Palästina-Staat vorläufig liquidieren? Ja, das ist eine imperialistische Logik, die durchschlägt. In diesem Landstrich, von dem ich eben sprach, gibt es nicht genug Platz fü r drei Staaten. Da reicht es eben gerade für einen arabischen Staat und einen zionistischen Staat, einen dritten Staat Palästina kann es nicht geben. Die Zionisten bekommen einen Staat, die Araber bekommen einen Staat, der heißt Jordanien. Einen dritten Staat Palästina gibt es nicht. Diese Landkarte: Jordanien und ein zionistisch beherrschtes Palästina haben Sykes und Picot vor ca. 70 Jahren gemacht. 1919,
haben Sykes und Picot vor ca. 70 Jahren gemacht. 1919, nach dem Ende des ersten Weltkrieges, begann England an einem JordanienProjekt zu arbeiten. Das Gebiet Palästina und Jordanien
Seite 46 ist so klein, daß England sagt, das Land ist viel, viel zu klein. Dieser kleine Landstrich reicht gerade für zwei Staaten, den jordanischen und den jüdischen Staat. Da kann jeder wählen. Aber das sagt nicht nur England vor rund 70 Jahren, das sagt Shamir heute. Wir sehen hier, wie diese Politik Kontinuität hat. Wenn wir jetzt von der Geschichte vor 70 Jahren reden, habt ihr an allen Beispielen gesehen, daß es die heutige Politik ist, daß diese Sprache von vor 70 Jahren die Sprache Shamirs von heute ist. Wenn er von Journalisten gefragt wird oder bei Staatstreffen oder bei sonstigen Verhandlungen, da sagt er: Wo soll dieses Palästina untergebracht werden? Da ist kein Platz mehr, die Palästinenser sollen/können in Jordanien unterkommen. In einer schärferen Form hat es Sharon noch deutlicher gesagt. Er sagt: "Der Palästina-Staat, der ist Jordanien, auf diesem Gebiet ist kein Platz mehr." (Der Sharon-Plan). Da seht ihr diese Kontinuität, das ist von großer Bedeutung. Das ist keine alte Gschicht, sondern Gegenwartspolitik. So forciert England mit Gewalt die Errichtung eines Jordanien-Projektes. Dieser Staat Jordanien, der heute ein etablierter Staat ist, der hat erst 1924 angefangen. Die Konferenzen die dahin geführt haben, sind San Remo, Venedig und vor allem Lausanne. Also, schließlich ist Jordanien errichtet worden. Tatsächlich als ein vom Kolonialismus abhängiges Land. Ein Land, das aus eigener Kraft niemals bestehen kann. Vor allem als entscheidender Schritt in der Liquidierung der Option, einen eigenen Palästina-Staat ins Leben zu rufen. Mit dieser Grundsteinlegung Jordaniens 1923 und seiner Ausrufung 1924 möchte ich diese Sitzung abschließen.
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Der deutsche Faschismus: Da ist was Neues, was Besonderes. Der Weltkapitalismus erleidet seine bisher größte Wirtschaftskrise. Diese Krise wird immer deutlicher und schärfer und greift auf alle kapitalistischen Staaten über, niemand bleibt verschont. Die Leidensträger dieser kapitalistischen Krise sind immer die ärmeren Bevölkerungsteile. Die ökonomische Krise ist immer eine soziale Krise der ärmeren und arbeitenden Bevölkerung, weil sie auf ihren Rücken abgewälzt wird. Die Arbeitslosigkeit nimmt in Europa stark zu. Massen stehen vor den Arbeitsämtern, vor den Stellenanbietern, vor den Unternehmen, suchen Arbeitsplätze, suchen Brot. Da scheint für die Zionisten die Stunde geschlagen zu haben. Sie betreiben massiv Propaganda unter den jüdischen Arbeitslosen, versuchen sie anzuwerben für Palästina. Das klappt einmal, das klappt in neun anderen Fällen nicht. Die Leute sind nicht ohne weiteres ansprechbar, trotz der sehr harten Situation, der späten 20er, der frühen 30er Jahre. Also auch eine große Weltwirtschaftskrise vom Kaliber 1929/30 reicht n icht aus, um den Zionisten Aufwind zu geben. Nun findet in Deutschland die faschistische Machtergreifung statt. Die Faschisten sind an der Macht. Ich möchte nur am Rande anmerken, in unserem Sprachgebrauch ist darauf zu achten, es gibt nur einen einzigen Namen, der richtig ist für die Herrschaftsform in Deutschland von 1933 - 45: das ist der Faschismus. Es verletzt immer mein Trommelfell, wenn ich in einem Seminar den Ausdruck "Nationalsozialismus" höre, weil er sich so genannt hat, oder "Drittes Reich", weil aller guten Dinge drei sind. "Nationalsozialismus" soll natürlich den Sozialismus diffamieren; er hatte nichts sozialistisches an sich, das war die Demagogie der Zeit, weil der sozialistische Gedanke stark verankert war. Man kann sie "Nazi" nennen, obwohl das so kein Fachausdruck ist. Auf jeden Fall ist "Faschismus" der einzig legitime Ausdruck dafü r. "Naziregime" auch, aber dieser Sprachgebrauch soll nicht einfach unkritisch übernommen werden. Die Faschisten kommen an die Macht. Da beginnt ein ziemlich schwieriges Kapitel, das unbedingt verstanden werden muß. Obwohl die Aufarbeitung dieses Kapitels in der Öffentlichkeit fehlt und der Erfolg dieser Öffentlichkeitsarbeit von einer allgemeinen Aufklärungsarbeit abhängig ist und weil diese Aufklärung immer noch fehlt. Es herrscht das Bild: Da sind die braunen Herren 1933 gekommen, niemand weiß, woher. 1945 verschwanden sie wieder und wir haben Ruhe. 1945 hat eine Entnazifizierung nicht
Seite 48 stattgefunden. Eine Entnazifizierung im Sinne einer Auseinandersetzung mit dem Faschismus, seinen Ursachen, seinen wirklichen Gründen und Bedingungen und warum er Erfolg hatte. Einige Nazis sind in den Nürnberger Prozessen hingerichtet worden, aber diese Prozesse waren keine Entnazifizierung, sondern sie waren Garantie dafür, daß der Faschismus in einer anderen Form weiterlebt. Durch diese Oberschweine, die stellvertretend geschlachtet wurden, ist suggeriert worden, jetzt haben wir mit dem Faschismus oder mit dem Naziregime abgerechnet und dann ist alles vorbei. Aber in Wirklichkeit und bei genauerer Betrachtung findet man, daß die gesamten faschistischen Strukturen weitergegangen sind. Der Lehrer ist Lehrer geblieben, mit seiner faschistischen Ausbildung, der Richter ist Richter geblieben, der Arzt ist Arzt geblieben und das ist so ungestört weitergegangen, nur unter einem neuem Deckmantel der "Demokratie" und unter neuen Bedingungen. Wir können das Thema Palästina von keinem anderen Thema abkoppeln. Ich möchte vielleicht einen Satz, der eigentlich morgen in die Diskussion gehört, sagen, es gibt, liebe Leute, und das müssen wir allen Freundinnen und Freunden klar machen, keinen Antiimperialismus ohne Antizionismus. Das sagen sehr viele, Palästina, das ist ein heißes Eisen, und die Judenfrage, da können wir nichts machen. Diese Leute können auch keine antiimperialistische Arbeit machen. Da sagen hier viele junge Leute, ja, du hast recht, war ein schöner Vortrag, aber ich mach was leichteres, ich mache Südafrika, ich mach El Salvador, ich halt mich da raus. Wir sollten diesen Leuten nicht die Illusion lassen, daß sie und er eine andere Form von Solidaritätsarbeit, von tatsächlicher Praxis machen kann. Wir sollten den Leuten sagen, besser ist, ihr haltet euch aus der Soli-Arbeit raus, weil ihr mehr zerstört, wenn ihr diese Entsolidarisierungspolitik einbringt. Wer den antiimperialistischen Kampf der Völker spaltet, der macht imperialistische Politik. Der Imperialismus kann einiges schlucken, wenn ihr Apartheid verurteilt, auch Nicaragua kann unabhängig werden, auch Vietnam haben wir in Ruhe gelassen, aber beim Thema Palästina oder Zionismus wird keine Konzession gemacht! Es wird auch täglich ein ungeheurer propagandistischer Aufwand betrieben, um den antizionistischen Kampf zu isolieren und ihn mit allen möglichen Verleumdungen des Antisemitismus zu bezichtigen. Das alles müssen wir unseren politischen Freundinnen und Freunden klar machen. Dieser Illusion darf niemand aufsitzen, Anti-Apartheidspolitik machen zu können, aber Antizionismus nicht.
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Zusammenarbeit von Zionisten und Nazis Ich möchte jetzt unbedingt das Thema Zionisten und Nazis einleiten. Es gab Zusammenarbeit. In der Öffentlichkeit ist darüber gesprochen worden, es gab Veranstaltungen dazu. Da sagten die Leute, sowas Dummes, wie kann man sowas sagen, auf welche Ideen kommen die Zionisten und wie arbeiten die zusammen? Zionisten und Nazis, das gehört ja überhaupt nicht zusammen, die sind ja unversöhnlich miteinander verfeindet! Da kamen die Belege, und die Ereignisse und die Namen wurden genannt. Da hieß es dann in der weiteren Argumentation, ja, das mußten sie machen (die Zionisten), um das Leben anderer zu retten. Nein, nein, das ist so nicht, weder Betriebsunfall noch Taktik noch sonst etwas. Das ist eine systematische organische Zusammenarbeit. Egal, wie schwierig dieses Thema ist, das muß erkannt werden. Ich möchte vorweg sagen, ihr hier im Raum solltet mir das hier nicht abnehmen, das bringt nichts, das ist mehr etwas, das in Kleingruppen aufgearbeitet werden muß. Das kann eigentlich nie begriffen werden, ohne das Wesen des Faschismus zu begreifen, und ohne das Wesen des Zionismus zu begreifen. Das was ich jetzt sage, ist eine persönliche Meinung von mir, und daß du dir eine solche Meinung zu eigen machst, hängt davon ab, wie gut die Kleinarbeit in euren Zusammenhängen läuft, deshalb erstmal hier zur Kenntnisnahme. Der Faschismus hat sich eine "arische" Ideologie zu eigen gemacht, der Zionismus hat sich der Judenfrage angenommen. Aber den deutschen Faschisten waren "die Arier" ein Dreck. Und den Zionisten sind auch die Juden einen Dreck wert. Sie wollten beide weder eine Judenfrage noch eine deutsche Frage lösen, sondern ganz bestimmte Interessen verfolgen, die wir auch begreifen müssen, und deshalb müßte jede und jeder sehen, die oder der sich mit dem Zionismus befaßt, daß das auch keine Wohltat an Juden war. Es gibt kein einziges Buch, das wirklich Zionismus so systematisch aufarbeitet und ihn aus seinen materiellen Grundlagen ableitet. Es gibt vielleicht zwei Titel zur Zionismuskritik, aber eine wirkliche systematische Darstellung zur Zionismusfrage gibt es nicht. Du kannst das auch bei keinem Verlag abdrucken, und das kann ich dir auch aus meinen eigenen Archiven zeigen, daß weder die "taz", noch "konkret", noch sonstwer bereit ist, die geringste wissenschaftliche Zionismuskritik zu machen. Sie kriegen dafür auch die entsprechenden Mittel als Preis für die Tabuierung, für die Verhinderung einer bestimmten wissenschaftlichen Kritik. Das wollen wir jetzt im Ansatz entwickeln.
Seite 50 1933 kann man sagen: Zionismus ist gescheitert an der Berechnung der Menschen, die nötig sind, den Aufbau eines zionistischen Staates zusammenzubringen. Der Faschismus in Deutschland, dessen Wesen politisch sehr wenig aufgearbeitet worden ist, hat heute noch sehr vieles vor. Deutschland schließt jetzt 1933 an die bisherige Tradition an, und diese kleine Unterbrechung von 1918-1933 ist schon längst vergessen, auch von den Alliierten. Eine Spur haben wir ja in aller Ruhe entwickelt: welchen Wert der deutsche Imperialismus auf Palästina gelegt hat. Ich habe zwar Moltke zitiert, indem er sagt, wir müssen aus Palästina ein deutsches Fürstentum machen. Aber man kann das so systematisch ableiten, noch vor Metternich und auch danach, nämlich wie jede Regierung, die an der Macht ist in Deutschland bzw. Preußen, Palästina als eine Priorität sieht. Kaiser Wilhelm trifft sich zweimal mit Theodor HerzI, und weil er aus vielen innenpolitischen Gründen diese Politik hier in Deutschland nicht offiziell machen konnte, trifft sich Kaiser Wilhelm mit Theodor Herzl außerhalb Deutschlands. Einmal in Istanbul und einmal in Jerusalem! Nun jetzt 1933 also kommt Deutschland und greift diese alte imperialistische Tradition auf, und will das endlich möglich machen. Und tritt in ganz offizielle Verhandlungen mit der Jewish Agency. Das ist sehr wichtig. Di e Vertretung der zionistischen Bewegung ist die Jewish Agency. Und wenige Tage nach der faschistischen Machtergreifung in Berlin sitzen beide Delegationen an einem Tisch und handeln ein Abkommen aus, das Haavara-Abkommen Das ist natürlich ein sehr großes und wichtiges Abkommen, geschlossen zwischen dem deutschen Faschismus, also Berlin und der zionistischen Bewegung, und hat folgenden Inhalt: Deutschland erklärt der Jewish Agency, oder sagen beide vielleicht: jetzt fängt für Juden bei uns hier die Auswanderungspolitik an. Das ist ja, liebe Leute, Neunzehnhundertdreiunddreißig, da hat niemand Begriffe gekannt wie Auschwitz und sonstwas, und niemand weiß auch, was die Nazis vorhaben. Sie sprechen wahrscheinlich eine höfliche Sprache und sagen, sie werden jetzt auswandern. Wir wollen das organisieren. Wenn die Juden aus Deutschland auswandern, wollen sie am liebsten nach Amerika, oder vielleicht mal nach Hongkong oder Schanghai, und - wenn sie genug Geld haben - dort große Banken, große Versicherungsgesellschaften, große Schiffahrtsgesellschaften aufbauen. Dann haben wir nichts davon, hier in Deutschland. Dann haben wir nichts von ihrem know how,
Seite 51 ihren Unternehmen, ihrer Wirtschaftsmacht. Dann haben wir ja nichts von dieser Partie!" Und das ist der Sinn des Haavara-Abkommens. Die deutsche Seite, die Jewish Agency war ja auch eine deutsche Seite, die Regierungsseite sagt folgendes, wir machen eine Bank. Wir errichten eine ExtraBank, eine Zentralbank. Jüdischer Besitz in Deutschland wird in Gegenwert auf Konten umgebucht, die auf dieser Bank sind. Und dann hinterher werden diese Juden auswandern, und sie kriegen das dann dafür, was sie hier eingezahlt haben auf dieser Zentralbank, aber nur, wenn sie in Palästina gelanget sind. Und wir zahlen auch nicht das Geld an sie, sondern über die Jewish Agency und über die Agenturen, die dafür sorgen, daß sie tatsächlich dort landen. Tun sie das nicht, und wandern sie aus nach Ägypten, England oder Amerika, dann ist ihr Besitz und ihr Kapital ade. Das ist kein Unfall und das ist keine Taktik, um einige Menschenleben zu retten. Das ist unmittelbare Teilhabe an diesem Plan, und ich werde natürlich für so eine gefährliche Aussage einige Belege bringen müssen, aber das mache ich im Zusammenhang. Frage: Wie hat die Bank geheißen die im Haavara-Abkommen genannt wurde? Und kannst du erklären wie das funktioniert hat? Antwort: Das hieß "Zentralstelle für das Auswanderungswesen". Die war angeschlossen an die deutsche Auswanderungsbehörde. Diese Auswanderungsbehörde, der offizielle Name ist eine Agentur, die speziell die Auswanderung von Juden organisierte. Sie hieß "Auswanderungsbehörde" ganz allgemein. Nur ihr Schwerpunkt waren Juden, und dann hieß die eben: "Zentrale FinanzstelleAuswanderungsbehörde", also an die angeschlossen. Das Haavara-Abkommen ist eigentlich nicht sehr umfangreich. Der Text ist sehr relevant und sagt an einer Stelle ausdrücklich, daß Juden, die ihren Besitz bei der Zentralstelle hinterlegen, diesen, wenn sie in Palästina eingewandert sind, über die Jewish Agency wiederbekommen. Das war so die erste Frage - wenn ich sie richtig verstanden habe. Frage: Wer hat dort eingezahlt? Antwort: Deutsche Juden oder jüdische Deutsche die auswandern wollten, die natürlich, wie es die Regel war, Besitz hatten. Frage: Das heißt also, daß nur besitzende Juden die Möglichkeit hatten? Antwort: Ja, das ist richtig. Frage: Hat sich diese Bank dann aufgelöst? Antwort: Die Bank ist 1945, zusammen mit dieser Behörde, aufgelöst worden. (Siehe auch am Ende dieses Kapitels)
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Judenpolitik der Nazis Dazu einige Worte. Ich bin nicht imstande Belege aus dem österreichischen Schulbuch zu bringen. Ich werde das jetzt einmal aus der BRD anführen, wo Schulbuchanalysen zu meinen beruflichen Aufgaben zählen, im weitesten Sinne. Ich möchte das unter dem Aspekt machen, wie die Judenfrage heute behandelt wird. Aber ich glaube, ihr werdet nicht bestreiten, wenn ich sage, Schulbücher sprechen über Judenverfolgung und auch über Judenvernichtung. Und sie sagen etwas über die Ursache. Aber was ist die Ursache? In jedem Schulbuch findest du die Erklärung in folgenden Begriffen: Das war "Rassenwahn", es war "Fanatismus", "deutscher Fanatismus", es war "Antisemitismus". Das Wort "Rassenwahn" ist ein Schlüsselwort. Das Wort "Wahn" ist ein Wort aus der Psychiatrie. Die ganze Sache wird psychiatrisiert. Derartige Ausdrucksweise will den Faschismus als "irrational" hinstellen. So kann man aber dem Faschismus nicht beikommen. Er ist das rationalste System, das es überhaupt gibt. Er hat absolut "wissenschaftlich" gearbeitet. Lange bevor die Obernazis Reden oder politische Maßnahmen ergriffen haben, war das in Spezialinstituten ausgearbeitet worden. Ein Spezialinstitut hier ist beispielsweise das "Institut für Deutsch-Ost-Arbeit" mit Sitz in Frankfurt am Main. Es hat sich speziell mit Bevölkerungsfragen befaßt. Es gab die Volkswirtschaft, die speziell eine Wirtschaftslehre für die Nazis entwickelte. Ich muß die Zeit ein bißchen einteilen, und sagen, daß an all diesen Dingen geforscht wurde, nur leider hat niemand Interesse daran, den Faschismus wirklich aufzuarbeiten, nicht einmal die DDR, die ja diesen Anspruch erhebt. Das müssen wir tatsächlich aus eigener Kraft machen. Ich will nicht den Faden verlieren, ich will nur sagen, daß die ganze Sache in einer gesamten Politik einkonzipiert war. Die Nazis haben tatsächlich ihre politischen Maßnahmen durch und durch wissenschaftlich abgeleitet, nur aus ihren Interessen heraus. Es ist nicht so, daß die Wissenschaft neutral wäre, das ist die Wissenschaft nicht. Sie machten auch bevölkerungspolitische Überlegungen, d.h. daß die Zahl der Menschen im deutschen Reich reduziert werden muß, auf ein Vielfaches von dem, was angenommen wird. Hier gibt es Überlegungen, die den Schülerinnen heute verschwiegen werden. Das Wort "Rassenwahn" soll natürlich eine plausible Ablenkung sein. Sie sagen, es gibt schon eine Erklärung, die Nazis hatten etwas gegen die Juden und deshalb deren Vernichtung. Das ist eine totale Verfälschung, die nicht zu 90% falsch ist sondern zu 100%. All diese Aspekte problematisiere ich jetzt schlagwortartig, um sie aufzugreifen
Seite 53 und vielleicht in der Diskussion ein bißchen zu vertiefen. Aber das wollen wir im Augenblick etwas zurückstellen. Wir bleiben bei der Frage stehen, die wir eben genannt haben: Zusammenarbeit von Nazis und Zionisten. Es reicht nicht aus, wenn Zionisten gestehen und sagen, ja - es gab diese unglücklichen Fälle, oder das war Taktik oder sie wollten was retten. Bevor irgendetwas begonnen hat, saßen die Jewish Agency und der Hitlerfaschismus am runden Tisch und handelten aus, wie sie die Juden aus Deutschland nach Palästina kriegen. Die Judenvernichtung hatte nicht einen Grund, sie hatte vielleicht sieben Gründe, die genannt werden können und die sind auch in Deutschland nicht spezifisch jüdisch. Die Menschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft sind eine Gruppe von vielleicht 30 anderen Volksgruppen, die in viel grausamerer Weise der Verfolgung ausgesetzt waren, die keine Lobby hatten, und die heute, dem Namen nach nicht einmal bekannt sind und von denen auch niemand mehr redet. Die Motive der Vernichtung, ganz allgemein haben bei der Judenvernichtung eine ganz spezielle Komponente, die vor allem darin besteht, es den Juden in Deutschland so heiß zu machen, daß sie von hier abhauen müssen, daß sie vor die Alternative gestellt werden: Tod in Deutschland -oder Auswanderung nach Palästina. Deshalb lautete die erste Naziparole "Juden ab nach Palästina". Wir müssen die Judenpolitik der Nazis in 3 Phasen einteilen: 1. Die erste Phase von 1933-1938, endet mit der "Kristallnacht" 8./9. November 1938; Dann begannen etwa 4 Tage nach der "Kristallnacht" die Ausschreitungen gegen jüdische Synagogen, aber ohne daß Menschen verletzt wurden. Also Synagogenverbrennungen und Verbrennungen von Büchern. Die Nazis , nannten diese Ausschreitungen "Kristallnacht", das ist ihr Begriff. 2. Die zweite Phase beginnt mit der Kristallnacht und dauert bis zur Wannsee-Konferenz Ende 1941, Anfang 1942. Diese WannseeKonferenz, benannt nach einem See in Westberlin, den es heute noch gibt, leitete eine neue Judenpolitik ein, die von 1942-45 andauerte. 3. Die dritte Phase, eingeleitet durch die Wannsee-Konferenz, dauert von 1942-45. Über diese 3 Phasen wollen wir im Augenblick das Wichtigste sagen. Die erste Phase kann als unblutig bezeichnet werden. Es gab Einschüchterungsterror gegenüber Juden. Die Kristallnacht war eine
Seite 54 typisch faschistische Operation, aber die war nicht so sinnlos wie mensch annimmt. Autoren und Intellektuelle in der BRD, wo die faschistische Tradition wahrscheinlich am stärksten ist, neigen dazu, das Ganze immer ins Irrationale zu drängen. Das ist ein völliges Mißverstehen des Faschismus. Der Faschismus ist der typische machiavellistische Staat. 8 Jeder bürgerliche Staat ist machiavellistisch, sonst kann er nicht existieren. Wie sollst du rechtfertigen, daß jemand wie Kemal C. Altun 9 umgebracht wird oder daß Menschen deportiert werden, oder daß bei Polizeiaktionen Menschen umgebracht werden? Der Staat setzt sich Ziele vor, und wenn der Staat auf Moral Rücksicht nehmen würde, da würde der Staat baden gehen, da kann er den Kommunisten, den Autonomen oder Antiimperialisten das Feld überlassen. Deshalb muß er eben rücksichtslos handeln und deshalb hat eben Machiavelli Berühmtheit erlangt. Der Machiavellismus beschreibt das und jeder bürgerliche Staat zieht Nutzen von der Wissenschaft und handelt wissenschaftlich. Es ist ja auch eine einfache Logik: Die Nazis mit ihren großen Plänen, ihren Kriegen und Schlachten, Erfindungen und Labors, können nicht Konzessionen in der gesellschaftspolitischen Frage machen und unwissenschaftlich arbeiten. Genauso, wie sie militärisch wissenschaftlich, technologisch wissenschaftlich und industriell wissenschaftlich gearbeitet haben, haben sie erst recht im gesellschaftlich politischen Bereich wissenschaftlich gearbeitet. (Ihr müßt sofort einhaken, wenn jemand die Irrationalität als Motiv für Nazipolitik anführt. Das war nicht irrational, das war durch und durch rational und zwar nicht teilweise sondern total und absolut.) 8 Niccolö Macchiavelli (1469-1527), italienischer Staatsmann und Historiker aus Florenz. In seinen politischen Schriften lehrt er, daß der Fürst in seinen Entscheidungen sich an kein Gesetz der Moral zu halten brauche (Macchiavellismus). 9 Kemal C. Altun, politischer Flüchtling aus der Türkei, wurde 1983 in Belin-West festgenommen und sollte an die türkischen Behörden ausgeliefert werden. Trotz einer starken Kampagne dagegen wurde dem Auslieferungsantrag der Türkei stattgegeben. Kemal Altun entzog sich der Auslieferung durch einen Sprung aus dem Gefangenenhaus. Er starb an den Folgen des Sturzes. Und jetzt zeigen wir das erstmal am Beispiel der Judenvernichtung oder der Judenpolitik. Eine Beschreibung der "Kristallnacht": bei
dieser "Kristallnacht" ist großer Psychoterror auf Juden gemacht worden, aber noch nicht physisch. Jeder jüdische Mensch in Deutschland mußte sich überlegen, ob er oder sie weiterhin in diesem Land bleibt. Da ist also in der "Kristallnacht" jedem jüdischen Menschen klar gemacht worden: da gibt es keinen Frieden mehr für Juden, wer hier bleibt, der muß mit dem Schlimmsten rechnen. Verbrennung der Bücher, Verbrennung der Synagogen haben unterstrichen: Ihr werdet von da an keinen Frieden mehr haben. Gleichzeitig standen Rabbiner vor den Synagogen und haben Lieder gesungen von der Art: "Hinaus in die Ferne", also praktisch ein religiös getarnter Aufruf: schnell mal nach Palästina! D.h. Rabbiner steckten vielfach unter einer Decke mit Nazis, das ist auch wahrscheinlich lange vorbereitet worden. Hinterher wartete man ab was dann passierte, und es passierten Massenauswanderungen und gleichzeitig begannen die Nazis, die nächste, zweite Phase der Judenpolitik zu machen, nämlich die Auswanderung zu intensivieren. Jetzt sagen die jüdischen Menschen, gut, wir haben in diesem Lande kein Leben mehr, wir müssen sehen wie wir wegkommen. Die Nazis organisieren die Flucht nach Palästina selber, also: die Leute fliehen vor den Nazis, aber die Nazis organisieren diese Flucht. Es gab die Auswanderungsbehörde, die Jewish Agency, die eine spezielle Behörde für Juden war. Es gab die Eichmann-Behörde. (Eichmann war der Verbindungsmann zwischen den Nazis und Palästina. Ich möchte am Rand erwähnen, daß Eichmann durch seine Entführung aus S üdamerika nach Palästina durch die Israelis spektakulär geworden ist. Er ist vor ein israelisches Gericht gestellt worden. Dieser Prozeß hatte sehr viele Zwecke. Natürlich macht dieser Prozeß 1960/61 erneut die Judenfrage aktuell und Eichmann macht wieder Presse. Aber bis heute gibt es keine Protokolle über diesen Prozeß. Es ist sogar aus Hamburg ein Team bei dem Prozeß gewesen und hat neun Kassetten aufgenommen. Diese neun Kassetten werden seit 28 Jahren, bis heute, vergeblich gesucht. Die sind verschwunden. Niemand hat über diesen spektakulären Prozeß geschrieben. Frage ist, warum ist Eichmann entführt worden? Wenn Eichmann vor ein Gericht gestellt werden soll, dann muß das ein
Seite 56 deutsches Gericht sein, oder ein Alliierten-Gericht. Das muß eben in dem Land sein, welches das Erbe des Deutschen Reiches angetreten hat. Also das kann ein Gericht sein, entweder in der DDR oder in der BRD. Die DDR hat wahrscheinlich kein Interesse an einem solchen Prozeß. Nein, er wird nach Israel entführt, als einziger Nazi, und es ist der einzige Nazi-Prozeß, der in Israel stattfindet. Der Grund für diese Entführung war, daß Eichmann der Verbindungsmann zwischen Nazis und Zionisten war, und der wußte natürlich viel über seine Verhandlungspartner und über seine Kompagnons auf israelischer Seite, die führend in der israelischen Politik sind. Deshalb mußte er schweigen. Das Entscheidende findet wahrscheinlich nicht im Gerichtssaal statt, sondern in den Folterkammern und in den Geheimgesprächen. Trotzdem war das, was öffentlich gesagt wurde so heiß, daß diese Protokolle bis heute verschwunden sind. Die einzige Quelle über diese Prozesse, das ist Frau Hanna Arendt, sie ist eine sehr einfache Frau, demokratisch intakt, politisch intakt. Sie ist dabei gewesen, soweit, daß sie gehört hat und sich erinnert an das, was gesagt wurde. Sie hat das in ihren Büchern eingearbeitet. Es gibt zur Zeit eine Kampagne, ausgerechnet in der linken Presse, also im "konkret" und in der "taz" gegen Frau Arendt, die ja wirklich keine Antizionistin ist, auf jeden Fall nicht so offensiv gegen Israel auftritt und sie schreibt gegen ejnige Schweinereien, soweit sie die mitgekriegt hat. U.a. ist sie eine Quelle für die Zusammenarbeit von Nazis mit Zionisten. Übrigens, sie selber war eine jüdische Frau, sie ist vor kurzem gestorben. Eine auffällige Geschichte, diese Eichmann-Sache. Eichmann hatte eine eigene Behörde, deren Chef er war, er fuhr zwischen Palästina und Berlin und koordinierte ständig bis zum Kriegsende. So ein Mensch wußte zuviel und mußte natürlich für immer schweigen. Deshalb konnte dieser Prozeß mit Öffentlichkeit in Deutschland nicht stattfinden, sondern in Israel jenseits der Öffentlichkeit.)
Jetzt - im Anschluß an die "Kristallnacht" - beginnen die Nazis die Flucht viel intensiver als in den 30er Jahren zu organisieren und dafür führen sie eigene Organisationsformen ein. Auswanderungswillige jüdische Menschen, meist junge, kommen auf einmal in den Genuß Ausbildung zu machen und eine Qualifikation zu bekommen. In Deutschland konnten bi s dahin junge Juden nicht Landwirtschaft studieren. Für Palästina müssen sie das lernen. Es gab Institute, wo diese Auswanderer, junge jüdische
Seite 57 Männer, speziell diese Ausbildung bekommen haben, u.a. in Esslingen und Hohenheim bei Stuttgart. Dort gibt es Professoren, die seitdem dort, in Hohenheim lehren, natürlich ganz alte und im Ruhestand. Einer davon heißt Bergmann. Mit dem habe ich gesprochen. In Esslingen gibt es noch Leute, die sich wunderten, wieso auf einmal, mitten unter diesen Pogromen, jüdische Menschen Rechte bekommen, die sie in den liberalen Zeiten nicht hatten. Die Elite unter diesen jungen Menschen kam hierher nach Wien. Irgendwo, wenn ihr das genügend recherchiert, werdet ihr das auch hier in Wien feststellen und finden (und auf dieser Suche bin ich auch). Hier gab es eine extra militärische Ausbildung für jüdische Einwanderer, die nach Palästina wollten. Es wurde ihnen beigebracht, wie sie gegen den palästinensischen Widerstand vorgehen und den Staat aufbauen, von dem sie dann natürlich Nutzen ziehen. Also diese Frage, Zionisten als Juden zu verstehen und die Zionisten müssen ein Herz für Juden haben, das ist ein Produkt der Propaganda. Die Judenfeindlichsten, und wenn man den Ausdruck gebrauchen sollte, die am meisten antisemitischen (Antisemitismus ist ja eigentlich kein wissenschaftlicher, sondern ein rassistischer Ausdruck und paßt mehr zu dieser irrationalen Konzeption vom Faschismus), diese am meisten antisemitischen Kräfte, die es überhaupt gibt, das sind die Zionisten selber, das kann ich vor jedem Forum sagen. Israel ist das einzige Land, in dem Menschen umkommen, weil sie Juden sind. Weil das eben der einzige Staat ist, der jüdische Menschen in gefährlichen Kriegen gegen andere Menschen einsetzt, anstatt dafür zu sorgen, daß die Menschen friedlich zusammenleben. Es ist also nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern zwar ungewöhnlich von der Vorstellung, aber das hat damit zu tun, daß eben offensichtlich niemand Interesse daran hat, überhaupt den Faschismus aufzuarbeiten und aufzuklären. Und das soll also noch einmal von euch aufgearbeitet werden. Verfolgen wir also diese Spur. Die ganzen Gesetze seit den Nürnberger Gesetzen in Deutschland bis 1938 haben eher einen unblutigen Charakter, sie sind deshalb nicht besser, aber sie sind eine erste Stufe. Ab 1938 ist die Judenpolitik der Nazis immer noch unblutig, dafür aber sehr repressiv. Die blutige Phase kommt erst ab 1941. 1943 setzt die Massendeportation ein, das heißt man macht den Leuten noch deutlicher, wenn ihr hier bleibt, da habt ihr keine Ruhe. Diese Deportation geht von Westen nach Osten. Also daher, von wo die ärmeren Juden gekommen sind, dahin werden sie deportiert. Ich möchte das belegen durch ein persönliches Erlebnis.
Seite 58 Im Februar 1987 hatte ich Gelegenheit in Berlin an einer Tagung teilzunehmen. Organisiert war sie von der Evangelischen Akademie. Die Evangelische Akademie führte die Tagung unter dem Namen: "Jewish, Christians, Moslems" (JCM). Weshalb ich eingeladen war, obwohl ich keiner dieser Gruppen angehöre, weiß ich nicht, wahrscheinlich, weil man das ein bißchen erweitern wollte, so Marxisten oder Atheisten. Ich war als Referent eingeladen und hatte keinen guten Grund, abzulehnen und war eigentlich neugierig. Es kamen moslemische Gelehrte, es kamen christliche Gelehrte, und es kamen auch sehr viele jüdische Gelehrte und zwar sehr viele ältere, was typisch war für diese Tagung. Es war repräsentativ für alle Altersgruppen, Studentinnen und Schülerinnen gab es auch. Das war für mich sehr aufschlußreich. Viele dieser älteren Juden sind Berliner, lebten in Berlin, und zwar auch im Jahre 1938. Andere kamen aus Frankreich, aus England, also Juden deutscher Herkunft, die mittlerweile dort leben. Auf dieser Tagung stand einer auf, es war sehr eindrucksvoll und ich möchte seinen Namen nennen: er lebt noch und man kann mit ihm reden, er heißt Fritz Teppich, Jude aus Berlin. Er erzählte von 1938 sehr spontan, stand auf und redete darüber, wie diese Deportationen nach Osten begonnen haben. Er präsentierte sich als Kommunist, er war sicher ein fortschrittlicher Mensch und verstand sich als Marxist. Damals war er als Untergrundkämpfer organisiert gewesen und er sagte zu seinen jüdischen Bekannten, daß er sich auskenne in Portugal. Er würde sich dort zurechtfinden und er biete diese Gelegenheit an, daß Leute mit ihm kommen. Er berichtete, das wollten die Juden nicht. Sie haben es vorgezogen, in den Osten deportiert zu werden. Sie wußten natü rlich nicht, daß dies eine Vorstufe zur "Endlösung" war. Und er sprach auch davon, ohne jede Ideologie, wie die Leute sich zu Palästina verhalten haben. Er sagte wörtlich: auch noch 1938,1939 wollten die Leute nicht nach Palästina, und er hat auch zugegeben, daß dies zum Teil aus eurozentristischen Gründen war und sie nicht mit Arabern zusammenleben wollten. Auf jeden Fall das, was er erzählte, war sehr aufschlußreich unter dem Aspekt, wie sich die Juden damals verhalten haben. Eines war klar, sie haben gegen diese Maßnahmen keinen Widerstand entwickelt. Immer noch ist Palästina aus verschiedensten Motiven, die oben genannt wurden, für sie tabu. Fritz Teppich lebt noch in Berlin, und er ist keine Geheimquelle, die man so nicht erschließen kann. Er kann über Dinge informieren, über die bis heute so noch nicht geschrieben wurden. Das war die zweite Phase. Die Auswanderung nach Palästina ist intensiver und die meisten waren Deutsche jüdischen Glaubens.
Seite 59 Offensichtlich war bis 1941 ihre Zahl nicht groß genug, um damit einen Staat zu machen. Und so beginnt die dritte Phase, die sogenannte "Endlösung". Das Auffällige bei der "Endlösung" war die spektakuläre Aufmachung. D.h., man will hier den Eindruck öffentlich machen, es wird sehr, sehr heiß werden, es wird das Ende sein, also seht zu. Gut, das sind diese 3 Phasen. Jetzt bleibt noch ein wichtiger Punkt übrig.
Zur Palästina-Politik des deutschen Imperialismus Hier gibt es ein Kapitel, das tabuiert wird, über das weder in deutscher, noch in einer anderen Sprache geschrieben wurde; ihr werdet gleich merken, warum das so ist: In Palästina ist die Kolonialmacht, die sogenannte Mandatsmacht England. Das Auffällige ist, daß die imperialistischen Staaten ihre Grenzen für Juden aus Deutschland schließen. Das ist ja merkwürdig, da England im Krieg gegen Deutschland ist, müßte es Interesse haben, diese Juden anzuwerben. Sie wären ja eine geballte Macht gegen den deutschen Rivalen gewesen. Wenn England das gemacht hätte, hätte es einen Strom von Juden nach England gegeben. Sie wären die konsequenteste Truppe gewesen, die gegen die Deutschen gekämpft hätte. Das hätte man in England sehr begrüßen müssen. Nein! England sperrt die Grenzen für jüdische Menschen und macht nur vereinzelt Ausnahmen, z.B. bei großen Unternehmern, vorausgesetzt sie nehmen ihren Besitz mit. Es hieß ja auch im Englischen "capitalist certificat". Sie mußten beweisen, bescheinigen, daß sie Großkapitalisten sind, dann konnten sie nach England. Das ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt, sonst ist die ganze Welt für Juden dicht. Regel ist, England ist für jüdische Menschen geschlossen, ebenso wie die Schweiz. Welchen Sinn hat das? Nach Amerika war die Einreise jüdischer Menschen sehr begrenzt möglich, in andere Staaten war es unmöglich. Der Vatikan, der größte Fluchthelfer für die Nazis, der diese, als es gefährlich heiß wurde, noch vor Untergang des deutschen Faschismus, in das katholische Südamerika geschleust hatte, hatte/hat auch kein Herz für jüdische Menschen. Der Sinn liegt auf der Hand. Die Juden sollten verstehen: es gibt nur einen Weg, und zwar nach Palästina, sonst ist die ganze Welt geschlossen. So erklärt sich, daß Palästina allein, das von Juden keineswegs angestrebt wurde, mehr Juden zu dieser Zeit aufgenommen hat, als die übrige Welt zusammen. Das ist kein Zufall.
Seite 60 Ja, warum macht England das. Natürlich hat England berechnet, daß Deutschland diesen Krieg nicht gewinnen kann. England hat seine Ambition auf Palästina nach wie vor. Das heißt: Wenn Deutschland untergegangen ist, gewinnen wir. Noch einmal: Wenn Deutschland untergegangen ist, haben wir, England, Palästina in unserer Hand und deshalb können wir nur Interesse haben, daß genügend Zionisten oder jüdische Menschen nach Palästina auswandern. Frage: Du hast gesagt, daß die Grenzen Englands während des Krieges, und schon vorher, für Juden geschlossen wurden, und daß die Grenzen Palästinas geöffnet waren. Antwort: Ja das ist richtig. Frage: Aber man hört, daß auch die Grenzen Palästinas für Juden geschlossen waren und daß viele Juden nach 1936 illegal in Palästina eingewandert sind, und daß die Grenzen Palästinas eben damals geschlossen waren. Antwort: Das ist sehr wichtig, das ist eine Darstellung die in der Literatur allgemein vertreten wird. Mit dieser Literatursichtweise müssen wir uns auseinandersetzen: England hat behauptet, so und so viele dürfen nach Palästina einwandern, später sagten sie, da gibt es überhaupt keine Einwanderung nach Palästina. Aber das war in der Tat ausschließlich zur Beruhigung der Kritik in Palästina, daß diese Kritik verstumme. In Wirklichkeit hatte England nie daran gedacht, diese Einwanderung nach Palästina zu unterbinden. Das ist behauptet worden, aber geregelt waren drei mögliche Fälle, die möchte ich nennen. Der erste ist, daß England die gesamten Hafengebiete besetzt hat und niemandem die Einsicht in diese Hafengebiete gewährt hat, sodaß die Einwanderung abgeschirmt war von jener Öffentlichkeit, die das kontrollieren hätte kö nnen. Zweitens merkten natürlich die Leute in Palästina, daß die Zahl der Einwanderer immer mehr zunimmt und deshalb hat es 1941 eine ziemlich verbrecherische Aktion gegeben, die exemplarisch ist für zionistisch-kolonialistische Kollaboration. Das Schiff "Exodus" mit jüdischen Flüchtlingen ist durch Zionisten, mit den Engländern abgesprochen, versenkt worden. Das Schiff wurde bombardiert und im Mittelmeer samt den jüdischen Flüchtlingen, die drauf waren, versenkt. Damit will ich sagen, die Rede vom Einwanderungsboykott kann man nicht mehr aufrecht halten und so sind Aktionen gemacht worden, die den Kritikern die Kritik an der zionistisch-kolonialistischen Politik unmöglich machen. D.h. man will nicht,
Seite 61 daß Juden tatsächlich im Meer umkommen, und diese Politik- ist auch tatsächlich weitergegangen mit allgemeiner Zustimmung der imperialistischen Staaten. Das dritte Beispiel der 3 Fälle: die Teilung Palä stinas durch die Vereinten Nationen. Ich komme später noch einmal drauf zurück. Ich möchte nur speziell ein Detail nennen, das ausdrücklich besagt, daß England der jüdischen oder zionistischen Verwaltung Palästinas unbedingt und sofort einen Hafen zur Verfügung stellt. Das ist ziemlich auffällig. Die gesamten Häfen standen unter englischer Verwaltung, und England hat die Einwanderung durch die ihnen unterstellte Infrastruktur, wie Häfen und Anlagen, reguliert. Die UNO sagt jetzt, England soll diese Häfen von englischer Hand in zionistische oder jüdische Hand übergeben. Das heißt, bis 1948 war die Einreise nach Palästina tatsächlich unter englischer Kontrolle. Und wie will jetzt dieser Teilungsplan aus dem Jahre 1947 das direkt den Zionisten übergeben? Also das beweist, daß England seit McMahon eine zweigleisige Politik gemacht hat, etwas, was den Arabern vorgegaukelt war und etwas anderes, was reale Politik war. Ich möchte am Rande anmerken, eine wirkliche materialistische Analyse des zweiten Weltkrieges in befriedigender Weise, universell, gibt es gar nicht. Mag sein, daß die Nazis ihr militärisches Potential überschätzt haben, an ihre Plä ne mögen sie tatsächlich geglaubt haben. England ging cool an diesen Krieg heran. Eine nicht schlechte Quelle über englische Militärpolitik im zweiten Weltkrieg sind die Memoiren Churchills, die unter diesem Aspekt nicht ausreichend ausgewertet wurden. Also den bürgerlichen Politikern wird man nicht ohne weiteres alles abnehmen, was sie schreiben. Aber ganz bestimmt sind diese Memoiren informativ unter dem Aspekt, wie England den Krieg berechnet hat - daß England sich darauf verlassen hat, daß das Potential Militärindustrie, die militärische Produktion in Ägypten und Indien, in der ganzen Welt, noch intakt bleiben wird, während Deutschland zermürbt ist. Wenn England beschädigt worden wäre, wäre dieses Hinterland noch intakt geblieben, sodaß England in Ruhe diesen Krieg langfristig planen konnte. Das heißt, England ging von Anfang an davon aus, daß Deutschland den Krieg verlieren wird, daß England eines Tages die Vorteile aus diesem Krieg ziehen würde. Ich muß dazu, sagen, daß der englische Student oder die englische Schülerin das in der Schule nicht so lernt, sondern sie lernen von Anfang an, daß England die Trägerin der Freiheitsideale in diesem Krieg
Seite 62 war, gegen die Faschisten vorging und die Freiheit Europas verteidigt hat. Das ist natürlich Hokuspokus, womit da eine englische Generation abgespeist wird. Das wollen wir jetzt beiseite lassen und uns den Schauplatz Palästina angucken. Ja, was will uns Karam Khella damit sagen? Ich will damit sagen, daß England in Palästina massiv Politik für die Errichtung eines zionistischen Staates gemacht hat. Seit der Balfour-Declaration bis 1947, 30 Jahre danach, machte England dort systematisch Politik in Hinblick darauf, eines Tages den zionistischen Staat in Palästina zu errichten. England hat deshalb auch eine jüdische Truppe aufgebaut, die der englischen Armee angegliedert wurde, aber nach außen unabhä ngig schien, also abgetrennt von der englischen Armee, mit dem Namen "Haganah". Das ist eine Terrororganisation, die Terror gegen die Zivilbevölkerung in Palästina macht. Man sagt dazu eine paramilitärische, eine heeresähnliche Organisation. Sie waren Engländer, sprachen englisch und machten die Drecksarbeit für die englische Armee, d.h. Ermordung palä stinensischer Politiker, palästinensischer Freiheitskämpfer, Niederschlagung von Aufständen und Demonstrationen. Das verstehen wir. Aber was wir nicht leicht verstehen werden ist, daß Deutschland eine gleich starke Armee in Palästina hatte mit dem Namen "Irgun". "Irgun" bestand aus jüdischen Polen, aus jüdischen Deutschen und anderen jüdischen Osteuropä ern. Es gibt Dokumente darü ber, unter anderem einen Brief der "Irgun" an die Nazis, unterzeichnet u.a. von Shamir. Zur "Irgun" gehörten Politiker, z.B. Begin, der einer der wichtigsten Führer der Irgun war. Shamir, der von England wegen Terrorismus gegen die Zivilbevölkerung und Sprengung des King David Hotels in Jerusalem, zum Tode verurteilt wurde. Dieses Urteil ist bis heute nicht aufgehoben. Obwohl Shamir in England gewesen ist, das Urteil immer noch aufrecht ist, hat man es immer noch nicht vollstreckt. Rechtlich müßte Shamir hingerichtet werden. Von Begin wird sogar offen gesagt, daß er ein Führer der "Irgun" war, der der "Irgun" ihre Bedeutung gab. Die Sache wird noch interessanter. Die in der "Haganah" organisierten jüdische Menschen fühlten sich als Engländer, natürlich. Wer von euch fühlt sich als Katholik oder als Protestant? Diese jüdische Identität hat es tatsächlich in dieser Form nicht gegeben. Das war etwas für die Frommen und die Synagogen. Jüdische Menschen, die in der "Irgun" organisiert waren, fühlten sich als Deutsche oder deutschorientierte Menschen. Weil es in Europa Krieg zwischen England und Deutschland gegeben hat, haben sich "Irgun" und "Haganah" auch in Palästina bekämpft.
Seite 63 Der Hagana standen Ausbildungsmöglichkeiten in ganz England zur Verfügung und auch in Palästina selbst. Die Irgun hatte diese Stärke nicht und war gefährdet, von der Hagana aufgerieben zu werden. Das hat Deutschland gesehen und die Gefahr erkannt, und hat von Kreta, das von Deutschland besetzt war, Truppen verlegt. Aber diese Truppen konnten aus völkerrechtlichen Gründen nicht nach Palästina, das nach dem Völkerbund englisches Mandatsgebiet war. Die Truppen sind von Kreta nach Syrien verlegt worden. Dann haben sie sich nicht in Damaskus oder sonstwo aufgehalten, sondern sofort Positionen auf dem Golan bezogen, also unmittelbar an der Grenze zu Palästina, um Irgun Rückendeckung zu geben, um Irgun mit den neuesten Waffen, die in Deutschland entwickelt worden waren, auszurüsten und um Irgun auszubilden. Das ging so ziemlich reibungslos an der syrischen Öffentlichkeit vorbei, weil in Syrien eine französische Administration bestanden hat, die deutschfreundlich war, die kollaborationsbereit war. Sie haben dies also sehr schnell abgewickelt - von Kreta über Damaskus - möglichst in einer Nacht- und Nebelaktion in die Golanhöhen, und dort haben sie Position bezogen. Der ganze Krieg, den die Deutschen geführt haben gegen die arabische Bevölkerung, mit dramatischen Höhen in Libyen und Ägypten, war ein Krieg, den die Deutschen ohne die Hilfe der Irgun nicht hätten führen können. Kein besseres Beispiel spricht dafür, als das nach der Wannsee-Rede, die öffentlich verbreitet wurde, weil sie den Sinn hatte, den Eindruck zu erwecken: hier wird es dann schlimm sein für Juden. Auch danach hat die Irgun Aktionen für Deutschland durchgeführt. Z.B. in Ägypten: Alexan-drien war schwer bombadiert worden, auch andere Städte, wie Kairo wurden von der deutschen Luftwaffe bombardiert. Die notwendigen Bodenoperationen - die Deutschen hatten keine Bodentruppen in Kairo und in den Städten, sie waren außerhalb, in der Wüste stationiert. In den Städten selber haben Irgun-Einheiten oder jüdische Bodeneinheiten das organisiert und sie konnten sich auch leicht in Ägypten bewegen, weil dort eine eher judenfreundliche Haltung bestanden hat. Unter anderem sprengte die Irgun 1942 -1943 in Kairo die britische Kommandozentrale, das war nach der Wannsee-Konferenz, und 1943/44 lokalisierten sie für die deutsche Luftwaffe Ziele. Das ist sicher ein Bild, liebe Leute, von der Zusammenarbeit von Nazis und Zionisten, das so ganz anders ist, als landläufig üblich ist. Niemand hat dazu ausführlich geschrieben, die DDR schon gar nicht, die den Anspruch erhebt, die Geschichte des 2. Weltkrieges aufzuarbeiten. Ich möchte gleich die Quellen nennen. Es gibt folgende Arbeiten dazu: 1) eine kleine Broschüre, Verfasser ist Faris Jaha; 2) die
Seite 64 zweite Publikation ist eine deutsche Übersetzung einer Broschüre, die das "Sowjetische Komitee gegen Zionismus" gemacht hat. Dieses Komitee wurde nach der israelischen Aggression 1982 gegründet, hat einiges zu Zionismus gemacht, und ist übrigens auf Druck von Israel und den USA aufgelöst worden, im Rahmen dieser Perestroika-Kastroika-Hokuspokus. Das war nicht so leicht, weil in diesem Komitee sehr viele verdiente jü dische Gelehrte mitarbeiteten. Generäle jüdischen Glaubens, die im zweiten Weltkrieg wegen Heldentaten geehrt worden waren, und also die älteren Mitglieder dieses Komitees waren. Dieses Komitee hat einiges über die Zusammenarbeit publiziert und es gibt schließlich noch einen Aufsatz in einem der AI Karamah Hefte, ich glaube in Nr.5. Das ist das Material, das es im deutschen Sprachraum von fortschrittlicher Seite her gibt. Und das ist alles sehr, sehr wenig. Frage: Die Engländer sollen die Haganah 2 unterstützt haben bzw. teilweise gebildet haben. Die Engländer hatten auch eine Jewish Agency gebildet, die ausschließlich aus Juden bestand. Das war eine Legion, die dem britischen Militär unterstand. Ist das was anderes als die Haganah ? Diese "Jewish Agency" wurde in Libyen und Ägypten eingesetzt. Während des zweiten Weltkrieges wurde sie auch in einigen Teilen Palästinas eingesetzt. Weißt du, ob es Kontakte zwischen der Haganah und der "Jewish Agency" gegeben hat? Wie war die britische Kolonialpolitik in Palästina zu der Zeit? Antwort: Das, was du eben beschrieben hast, paßt sehr gut und ergänzt sehr gut was ich eben beschrieben habe über den Einsatz der Irgun in Ägypten, möglicherweise auch in anderen arabischen Ländern; das wäre das Gegenstü ck von englischer Seite.
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Zweiter Hauptabschnitt Palästinensischer Widerstand Unser Seminar, liebe Frauen und liebe Männer, heißt Zionismus, d.h., viele Aspekte, die relevant sind für dieses Thema haben wir ausgeklammert. Insofern bin ich auch sehr wenig auf den palästinensischen Widerstand eingegangen. Die zugegeben wohlwollende Darstellung der Palästinenser und Palästinenserinnen als eine passive Masse in diesem Geschehen ist auch Bestandteil von europäischem Denken. Jedes außereuropäische Volk weiß, daß die Palästinenserinnen und Palästinenser die ganze Zeit Politik gemacht, Widerstand organisiert haben, sie haben eine ganze Menge geleistet, was auch heute von europäischer Sichtweise nicht wahrgenommen wird. Ich sagte, wer die Balfour-Declaration liest, bekommt den Eindruck, daß die in der Erklärung angekündigte Gründung eines Staates unmittelbar bevorstehe, und nicht erst in 30 Jahren. (Über den Namen war man sich da noch nicht so einig, dieser Staat hätte auch Palästina heißen können -das zionistische Projekt hieß schon Palästina.) Nachdem man gesehen hat, das Ganze wird nicht so heiß gegessen wie gekocht, hat man verschieben müssen. 1919 hat man verschieben müssen, in den 20ern hat man nochmal verschoben. In den 30ern, kurz nach der Machtergreifung Hitlers, nach der Haavara Konferenz der Jewish Agency und Nazis, wollte England die Situation nützen und sehr schnell diesen Staat ins Leben rufen. Da hat es einen großen Widerstand der Palästinenser gegeben. England hat das dann nochmal zurückgestellt. Dann ein paar Jahre später den Plan noch einmal aufgegriffen. Eine sehr günstige historische Situation ist für sie eingetreten, die Juden sind überall verfolgt worden, jetzt konnte man einen Judenstaat machen. In den 30 er Jahren wollte England das Projekt verwirklichen, und so kam es 1936 zu einem sehr gewaltigen Aufstand des palästinensischen Volkes. Dieser Aufstand, liebe Leute, ist hier sehr wenig bekannt. Es gibt in der Bundesrepublik, in der deutschen Sprache oder überhaupt in einer europäischen Sprache, kein einziges Buch über diesen Aufstand. Es gibt übrigens auch kein einziges Buch über den Siedlerkolonialismus. Das heißt, die Geschichte wird immer noch von europäischer Sicht aus geschrieben. Ich möchte diesen Aspekt Palästinaaufstand 1936 klar darstellen. Das ist
Seite 66 sowas wie die Intifada heute. Aber damals wars viel stärker, viel intensiver. Weil die Palästinenser hier auch begriffen haben, allein mit politischen Mitteln ist nicht sehr viel zu erreichen. Sie organisierten den bewaffneten Widerstand gegen den englischen Kolonialismus. Das war allerdings sehr stark mit zivilen und politischen Kampfmitteln beflügelt. Es kam zu einem Generalstreik, der 6 Monate angedauert hat. Meines Wissens war das der längste Generalstreik, nicht der längste Streik, aber Generalstreik der Weltgeschichte überhaupt, der total von allen Kräften eingehalten wurde, und von Tag zu Tag gewann dieser Aufstand an Kraft. Bald wurde er von allen Palästinensern getragen, gestü tzt von der arabischen Natio nalbewegung, was ja auch England zu spüren bekommen hat. Nun wurde die gesamte von England beherrschte Welt aufmerksam und sieht in diesem palästinensischen Aufstand große Hoffnungen und Solidarität. Dieser Aufstand findet sein Echo in Asien, in Afrika und der Karibik, ganz besonders in den von England beherrschten Gebieten und Kolonien. Dieser Aufstand hat tatsächlich das ganze English Empire erschüttert! In Indien und Ägypten fanden große Aktionen zur Unterstützung dieses Aufstandes statt, als England begann, die Wirkung des palästinensischen Widerstandes zu spüren. Die Zerschlagung des Widerstandes haben Irgun, Haganah und Stern übernommen. Das ist auch die Zeit, in der diese Terrororganisationen an Bedeutung gewonnen haben. Sie begannen, die Führer und Aktivisten des palästinensischen Aufstandes physisch zu liquidieren, während England sich eine weiße Weste gegeben hat, obwohl die Parolen dieses Aufstandes sich gegen England gerichtet haben. England machte einen gemeinen Trick: England veröffentlichte ein Weißbuch über die Lage in Palästina. (Weißbuch nannten sie dieses Buch, weil es einen weißen Deckel hatte.) Das Buch heißt: "Bericht über die Lage in Palästina". Es existiert auch in deutscher Übersetzung und ist in guten Bibliotheken zu finden. Wenn ihr in diesem Buch lest, werdet ihr feststellen, England nennt sehr viele Mißstände, d.h. England denunziert sich selber. Welchen Sinn ergibt das? Das hat wohl einen Sinn, einen großen Sinn. England will mit diesem Buch, das ja auch an die arabische Adresse gerichtet war, bei den Arabern den Eindruck erwecken, wir wußten bisher von nichts, und jetzt wissen wir, daß es den Palästinensern schlimm geht, daß sie sehr zu leiden hatten, und daß die Tränen der Palästinenser nicht gezählt werden können. Es wurden konkrete Sachen aufgezählt, und das hat natürlich den Sinn, Opium unters Volk zu bringen: Die Sache ist jetzt bekannt und befindet sich in bester Hand. Überlaßt uns eine politische Lösung. So etwas gehört zur imperialistischen Politik, seit
Seite 67 dem es die "Palästina-Frage" gibt. Meine eigene politische Geschichte - solange ich zurückdenken kann, gibt es ein "Palästinaproblem", aber auch vor allem - solange ich zurückdenke gibt es eine "Lösung" der Palästinafrage; und es wird immer suggeriert, daß diese Lösung nahe ist, sie steht vor der Tür. Nahe bevor, das höre ich seit Jahren, seit Jahrzehnten. Und wer Zeitungen liest, irgendwann, überall, vor allem in der Arabischen Welt, es steht immer in der Schlagzeile: nicht "Palästinaproblem", sondern "Palästinalösung". Das ist eine Politik, die bis heute noch funktioniert, und die Leute fahren darauf ab, aber immer wenn wer eine Lösung präsentiert, ist es noch nie eingetreten, daß diese Lösung tatsächlich umgesetzt worden ist. Es ist also eine Lösung, die nur die Funktion hat, den Eindruck von einer Lösung zu erwecken. So nebenbei die Funktion dieses Weißbuches aus dem Jahre 1939. Dieser Aufstand ist ohne die erwünschten Erfolge beendet worden, auch durch die politische Manipulation der arabischen Regime, die natürlich Angst hatten, daß der Aufstand auf ihre Länder übergreift. Es ist allerdings Unrecht zu sagen, der Aufstand hatte keine Erfolge. Ein wesentlicher Erfolg ist eingetreten: der "Staat" der Zionisten war eigentlich für das Jahr 1936 vorgesehen, das war so der dritte große Anlauf zur Ausrufung dieses "Staates" - und wegen dieses Aufstandes ist dieses Projekt verlegt worden. Wahrscheinlich nicht auf das Jahr 1948, aber auf jeden Fall ist es zurückgestellt worden. Frage: Du hast gesagt, daß 1936 der Kampf gegen den Faschismus in den arabischen Ländern sehr heftig war. Da muß man auch sagen, daß der arabische Faschismus in diesem Jahr stark geworden ist. Wenn ich zum Beispiel an die Gründung der Falange Partei im Libanon denke, die war eben 1936. Die Falange Partei im Libanon wurde nach dem Vorbild der Falange Partei in Spanien gegründet. Antwort: Die Falange ist überhaupt eine europäische faschistische Gründung in einem arabischen Land, im Libanon. Natürlich gehörte sie zu einer allgemein praktizierten Politik der Kolonialmächte, die bestrebt waren, in den einzelnen Zielländern ihre koloniale Ambition durchzusetzung und Parteien zu schaffen, die ihnen nahestehen. Die Falange ist eine deutschitalienisch-spanische Gründung, die Falangisten haben in Berlin am Reichstag immer als Beobachter teilgenommen, schon 1936, und sie beteiligten sich auch an den Olympischen Spielen von 1936. Diese Organisationen, die vom Kolonialismus geschaffen wurden, haben bis heute eine ununterbrochene Tradition und kommen langsam unter USA-Kontrolle. Die BRD versucht nach wie vor diesen Verband zu haben. Über Franz Josef Strauß wurde zu seinen Lebzeiten schon bekannt - es wurden mehrere Enthüllungen gemacht, die in
Seite 68 die Richtung gehen - daß er diese faschistische Internationale leitet, koordiniert und organisiert. Soweit ist Konsens unter uns. Faschismus geht stets einher mit Imperialismus, mit Monopolkapitalismus. D.h. z.B. bei Ländern wie Thailand oder Kamerun von "Faschismus" zu reden ist nicht korrekt. Denn Faschismus hat die Funktion, imperialistische Herrschaft aufrechtzuerhalten. Z.B. eine faschistische Gruppierung wie die "Grauen Wölfe" ist nicht dadurch faschistisch, daß diese Organisation in der Türkei selber faschistische Methoden anwendet, sondern dadurch, weil die imperialistischen Mächte hinter ihnen stehen, sie finanzieren, sie bewaffnen, ihnen Bewegungsfreiheit verschaffen, um imperialistische Interessen zu vertreten, sowohl nach außen, gegenüber türkischen Emigranten, als auch gegenüber Kurdistan, das formal in einem Kolonialstatus der Türkei steht. Die Türkei hätte diese faschistische Bedeutung nicht gehabt, wenn hinter dem türkischen Faschismus nicht der Imperialismus stecken würde. Faschismus ist ident mit dem Monopolkapital, und dort, wo das Monopolkapital fehlt, wären faschistische Organisationen, wie z.B. Falange, nur Marionetten der großen imperialistischen Kräfte. Die Gründung faschistischer Organisationen ist auch in anderen arabischen Ländern versucht worden. Daß die Falange im Libanon eine bedeutende, spezielle Rolle gespielt hat, hat damit zu tun, daß die libanesische Bourgeoisie, die Maroniten, Interesse hatten an der Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft im Libanon. Deshalb war und ist sie noch immer angewiesen auf die Unterstützung imperialistischer Staaten: 1936 Deutschland, später Frankreich, heute USA. Gefürchtet sind heute die Fundamentalisten, sie haben immerhin eine gewisse öffentliche Wirkung. Man nennt sie trotzdem nicht Faschisten, obwohl sie diese Rolle spielen kö nnten, wenn diese Staaten in die Rolle kommen, faschistische Politik zu betreiben. Und jetzt ein letztes Wort zu diesem Thema, welches Verhältnis die europäische Linke zu diesem Palästina-Aufstand hat. Nirgends sehen wir, daß das jemand registriert hat. Und auch die Komintern, die diese Frage oft zynisch aufgreift, hat nicht begriffen, daß hier ein antikolonialer Widerstand ist. Das ist übrigens eine massive Kritik an der europäischen kommunistischen Bewegung. Sie hat nicht begriffen, daß die Weltrevolution von der antikolonialen und anitimperialistischen Revolution ausgeht, und dafü r auf einen Klassenkampf spekuliert, der dem antiimperialistischen Kampf die Vorrangigkeit genommen hat. Ich möchte vom Verhalten der Linken in Europa heute zum Palästinaaufstand 1936 reden, es ist vielleicht etwas
Seite 69 unverschämt, aber ich möchte sagen, welches Verhältnis wir hier in Westeuropa haben zu diesem Aufstand. Ich kenne in der Bundesrepublik Genossinnen und Genossen, die hervorragend archiviert haben. Wenn ich sie besuche, führen sie mich in den Keller, oder in große Räume, wenn sie eine große Wohnung haben, und zeigen mir Archive über den spanischen Bürgerkrieg. Und es gibt Genossen, die den Ehrgeiz haben, jedes Flugblatt, das über Spanien erschienen ist, wenn schon nicht im Original, dann zumindest fotokopiert. Es gibt Wohngemeinschaften, die hunderte Flugblätter und Broschüren über den Bürgerkrieg in Spanien haben, hervorragend, ich mache mich darüber nicht lustig. Aber frage ich diese Genossen: Habt ihr was über den Palästinaaufstand 1936? Was, Palästinaaufstand 1936, gibts denn sowas? - Dieses Mißverhältnis... Deshalb einige Worte dazu. Keine Antwort sondern Fragen an uns, nicht jetzt an die Zionisten und Imperialisten, die nicht angesprochen sind in diesem Augenblick. 1936 hat der Faschismus wirklich seinen Hö hepunkt angetreten in Deutschland, in Spanien, in Italien, in Portugal; und die Antifaschisten waren aufgerufen,"dagegen vorzugehen - das ist geschehen. Aber erschüttert wurde der Faschismus nicht in Europa. Die entscheidenden antifaschistischen Kämpfe haben in den arabischen Ländern stattgefunden. Es ist auch kein Fehler, hier zu übertreiben, denn wir reden von einem Phänomen, das überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wird. Wie groß dieser antifaschistische Widerstand in seiner Bedeutung ist, ist untergeordnet gegen über der Frage, daß wir hier einmal etwas bewußt machen wollen: Lange bevor die ersten KZs in Europa errichtet wurden, sind sie in Afrika errichtet worden, in arabischen Ländern, in Libyen, vor allem in Südafrika -dazu sagt man nicht Holocaust. "Holocaust" ist ja ein Ausdruck", der nur weißen Opfern vorbehalten ist. Es ist noch nie der Ausdruck Holocaust oder Po grom gebraucht worden, wenn die Opfer schwarz waren oder dunkelhäutig. Das libysche Volk, das vom italienischen Faschismus angeschlagen war und zur Hälfte vernichtet worden war in KZs, mobilisiert nun alle Kräfte gegen den Faschismus. Die Zahl des libyschen Volkes ist auf 750 000 gesunken! D.h. über eine Million Menschen sind in KZs, bei Aktionen, Vernichtungsaktionen von italienischen - unterstützt von deutschen - Faschisten, umgekommen. Als Rommel nach Ägypten marschierte, zog eine arabisch-libysche Truppe gegen ihn. Man redet vom "Afrikakorps" aus Deutschen bestehend, aber daß die Schlacht tatsächlich gegen eine arabischlibysche Truppe geführt
Seite 70 wurde, und daß Rommel dadurch in die Niederlage getrieben wurde na schön. Daß England uns besiegt hat, uns Deutsche, das können wir schlucken, das sind ja Vettern, aber daß diese Barbaren uns vernichtend schlagen... damit begann der Niedergang der deutschen Wehrmacht, das will man heute noch nicht zur Kenntnis nehmen. Der Punkt ist, daß hier ein koordinierter Widerstand stattfindet in allen arabischen Ländern, flankiert von Unterstützungen in ganz Asien, Afrika und der Karibik, gerichtet gegen alle Kolonialmächte, die allesamt unterschiedslos faschistische Metho den angewendet haben. Und so zeigt sich der ideologische Verfall der Komintern, die sich an die "demokratischen Staaten", England, Frankreich, die hinter den deutschen Faschisten gesteckt haben, gewandt hat und die aber nicht weniger arg waren, und dem deutschen Faschismus in nichts nachgestanden haben in Algerien, in Asien, und das will man hier natürlich nicht zur Kenntnis nehmen. Dimitroff steht vor der Komintern und kriegt Applaus wo er sagt, "wir appellieren an die demokratischen Staaten England und Frankreich", während diese Staaten genauso faschistisch in anderen Ländern sind, aber das will man nicht zur Kenntnis nehmen. Jetzt also koordinieren die arabischen Widerstandsbewegungen gegen Faschisten, ungeachtet der Tatsache ob es Italiener, Deutsche oder Engländer, Franzosen oder Zionisten sind. Der Aufstand findet synchron in allen arabischen Ländern statt - Libyen, Palästina und Äthiopien, wobei ich letzteres nicht als arabischen Staat beschlagnahmen will, aber sicher sitzt Äthiopien in diesem antikolonialen Kampf in einem Boot mit den arabischen Ländern. Und so wird der deutsch-italienische Faschismus hauptsächlich hier, in den arabischen Staaten angeschlagen und nicht erst durch die späteren Kämpfe in Europa. Zu diesem Zeitpunkt ist die Sowjetunion in eine Koalition mit Deutschland getreten, sie sind in einer Allianz, in einem Beistandspakt, das muß man ja auch deutlich sagen, die ganze Last des Kampfes gegen den deutschen Faschismus war tatsächlich den Arabern auferlegt, die außerdem noch gegen Italien, England und Frankreich und gegen die Zionisten zu k ämpfen hatten. Liebe Leute, das ist ein ganz anderes Bild des antifaschistischen Kampfes als das hier in Europa übliche und auch ein anderes als das Bild der Internationalen, der Komintern. Mag sein, wenn ihr das aufarbeitet, daß ihr nicht soweit kommt, wie ich das jetzt formuliere, aber wichtig ist, daß das zur Kenntnis genommen wird, denn bis heute hat noch nie jemand den europä ischen Faschismus aus afrikanischarabischer Sicht gesehen. Es
Seite 71 wäre ganz gut, wenn Leute, welche Archivarbeit über Spanien und den antifaschistischen Kampf führen, mal ein einziges Flugblatt zu diesem Thema hätten. Natürlich ist diese Nichtzurkenntnisnahme sehr groß, diese Entsolidarisierung auch, bezeichnend für vieles heute, aber auch bezeichnend dafür, daß die europäische Linke und auch die europäischen Kräfte, die einen revolutionären Anspruch hatten, bis heute eigentlich nicht zur Kenntnis genommen haben, was an Widerstand in diesen Ländern war und ist. Im Gegenteil, wir erleben heute noch, daß diese Linke mit dem Anspruch auftritt, den Ländern in Afrika oder Asien oder Süd -Mittelamerika die Freiheit zu "schenken", an Ausdrücken wie "sie werden in die Freiheit entlassen". Diskussion: Frage: Kann man wirklich sagen, daß die europäischen Staaten der AntiHitler-Koalition ihre Grenzen für Juden geschlossen haben? Antwort: Ich habe so zu meiner Bestätigung an einer Stelle gesagt, daß Palästina mehr Einwanderer aufgenommen hat, als die ganze Welt zusammen. Nun sie haben also die Grenzen abgeschottet. Daß die jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland nicht nach Osten flüchten konnten ist klar, weil diese Gebiete ja von Deutschland besetzt worden waren. Daß England ein Kapitalzertifikat verlangt hat, ist auch nicht bestritten worden. Die Juden sind auch teilweise in andere arabische Länder geflüchtet, nach Shanghai, nach Hongkong, was eine Bestätigung für diese Politik ist. Frage: Wenn von der Zusammenarbeit Zionisten - Nazis die Rede ist, kommt von vielen Linken das Argument: Husseini, der war Mufti von Jerusalem und ab 1943 Gast in Hitlers Berlin - Die Nazis haben auch ein Buch über ihn herausgegeben. Antwort: Mir ist der Fall bekannt, also ein Palästinenser, namens Husseini ist in Deutschland gewesen, und das führen die Zionisten an, als Beleg für die Zusammenarbeit - also immer wenn man auf die Zusammenarbeit Zionisten - Faschisten kommt, kommen die Zionisten mit Husseini und Nazideutschland. Nun, was hat es real mit Husseini auf sich? 1. Wir sind jetzt im Jahre 1940. Husseini hat einen richtigen Schritt gemacht - der natü rlich frei von jeder Diffamierung dargestellt werden soll. Husseini ist kein Politiker, der mir lieb ist, er war ein religiöser Mensch und er war eher konservativ. Er ist nach Deutschland gefahren um Druck auf die Nazis auszuüben, mit politischen Mitteln, aufzuhören mit dieser Verfolgung, die Probleme schafft, für Leute in Palästina, die unschuldig sind, und die Deutschen mußten natürlich wissen, daß sie auch als Feinde der Araber erklärt werden, wenn sie weiterhin diese Palästina-/araberfeindliche Politik betreiben.
Seite 72 Das Jahr, liebe Leute, in dem Husseini in Deutschland war, ist das Jahr 1940. Einige Wochen später hat die Sowjetunion mit Deutschland einen Beistandspakt geschlossen, und alle Staaten, die Ansehen hatten, hatten mit Deutschland verhandelt, viel intensiver als Husseini. (Der Papst von Rom, England, Frankreich.....) Insofern ist daran überhaupt nichts besonderes. Husseini wollte, daß Deutschland aufhört Politik mit arabischen Ländern zu machen. Das ist das Deutschland des Jahres 1940, das ist ein Land, das public relations macht, das Propaganda macht. Man kann auch nicht unterstellen, daß Husseini wußte, was da gemacht wurde. Die "Endlösung" war noch nicht da und auch nicht abzusehen. Man überschätzt also den Informationsstand von Husseini, ein mehr oder weniger religiöser Imam, ein Geistlicher also, und man kann ihm nicht unterstellen, er hä tte von allem was gewußt. Deutschland war 1939 noch als zivilisierter Staat angesehen, niemand hat es dem anderen übelgenommen, wenn der andere Staat in Verhandlungen getreten ist mit Deutschland. Der Propagandaeffekt, dieses Arguments von zionistischer Seite ist eher ein Schuß nach hinten. Hannah Arendt berichtet darüber wie die sogenannten jü dischen Räte in den Warschauer Ghettos zusammen mit den Zionisten bestimmt haben, wer von den Juden nach Palästina auswandern kann. Also insofern glaube ich kratzt dieses Argument niemanden. Aber selbst wenn Husseini das wäre, was ihm unterstellt wird, wüßte ich nicht, welche Konsequenzen daraus gezogen werden sollten. Frage: Was hat denn der für eine Stellung gehabt? Antwort: Dieser Politiker hatte die Stellung eines Muftis. Ein Mufti hat ungefähr so viel zu sagen, wie Kardinal König in Österreich. Wie er zu dem Palästinenseraufstand gestanden hat, zeigt sich am nächsten Beispiel. Einer der Führer dieses Aufstandes hieß al-Qassam. Dieser Führer ist von der Haganah ermordet worden, kurz vor dem Aufstand. Der ging zu Husseini. Er selbst war zwar nicht sehr religiös interessiert, hat aber diese Ausbildung genutzt, er ging also zu Husseini, und fragte ihn, ob er als Wanderprediger tätig sein darf. Husseini war natürlich bekannt, wer al-Qassam war, sagte zu ihm: nein, du bist nicht der Typ, der predigen darf, weil er wußte, da ß politische Inhalte die Predigt anführen würden, und das war ihm nicht recht. Husseini gab ihm die Urkunde nicht und hat so al-Qassam ausgeliefert. AlQassam mußte in den Untergrund gehen, und eines Tages hat die Haganah ihn aufgespürt, und ihn ermordet. Aber ich wüßte wirklich nicht, welche Kritik ich an diesem Punkt ansetzen sollte.
Seite 73 Frage: Selbst wenn Husseini als Propagandamittel mißbraucht wird, sollten seine Verhandlungen mit Nazideutschland, genauso wie auch andere Verhandlungen mit Nazideutschland kritisiert werden. Das Treffen zwischen Muftis und Nazis rechtfertigt auch nicht den Hitlerund Stalin Pakt. Was noch an ihm zu kritisieren ist, ist daß er in den Kriegsjahren die deutsche Führung ersucht hat, den muslimischen Balkan für die deutsche Armee zu gewinnen. Antwort: Also, die Bedeutung von Husseini darf man eigentlich nicht überschätzen. Ich habe diesen Mann erlebt - ich komme aus einer Stadt in Oberägypten. Nach der Niederlage der palästinensischen Revolution fuhr Husseini durch die Städte und kam nach Ägypten. Dazu ist zu sagen, daß Ägypten nicht direkt betroffen war von der zionistischen Invasion. Und dann kam Husseini, der jede Gelegenheit nutzte um für sein Land und das palästinensische Volk Verständnis zu wecken, und natürlich hat er dabei den Ehrgeiz gehabt, wenn Palästina unabhängig wird, daß er ein wichtiges Amt einnimmt im Staat. Diesen Traum muß er gehabt haben. Ansonsten hat der Mufti von Palästina in der islamischen Welt eigentlich so gut wie keine Bedeutung. In Assud hat er wohl gesprochen in einer Islamischen Schule, obwohl diese spezielle Stadt nicht besonders islamisch ist, da ist eine koptisch-christliche Mehrheit, und Husseini hat die Palästinafrage islamisch legitimiert, hat versucht, muslimische Freunde zu gewinnen und so kann ich mir gut vorstellen, daß er diese Funktion auch in anderen islamischen Gemeinden auf dem Balkan getragen hat. Ich möchte noch ein bißchen klarmachen, wie die Diskussionslage 1940 war. Deutschland hat sich präsentiert als Kulturland. Zum Beispiel Spee r hat in seinen Memoiren nach 1945 geschrieben, er wußte nichts von den KZ's. Er wußte nichts von den KZ's! Aber wer war Speer? Der war nicht irgendwer, er war Aufrüstungsminister Hitlers, und der Aufrüstungsminister will von KZ's nichts gewußt haben. Das schreibt Speer, das kann man ihm abnehmen oder nicht, wahrscheinlich lügt er meiner Meinung nach, aber immerhin glaubte dieser Mensch, er lebte in Freiheit, wurde als Kriegsverbrecher nie hingerichtet und lief hinterher frei herum in der Bundesrepublik, bis zu seinem Tod. Das heißt, ein Aufrüstungsminister kann sich das erlauben und wenn wir jetzt einen konservativen palästinensischen Politiker mit religiös eingeengter Perspektive haben, erwarten wir, daß er all diese Informationen über die Nazis hatte, die wir heute noch nicht vollständig haben. Frage: Ich habe eine politische, theoretische Frage zum Thema Nationalismus und Befreiungsnationalismus: Du hast gesagt, Nationa-
Seite 74 lismus in imperialistischen Ländern ist reaktionär und in den kolonial unterdrückten Ländern ist er fortschrittlich. Ich würde sagen, der Befreiungsnationalismus hat zwei gravierende Haken. Erstens: er kriegt regelmäßig Probleme mit ethnischen Minderheiten, zum Beispiel in Nicaragua. Zweitens: Auch unter dem Befreiungsaspekt gibt es zwei Alternativen: Entweder ein Bündnis und eingeschränkte Kritik mit den herrschenden traditionellen Kräften, oder eben der Kampf gegen sie. Konkretes Problem: Geschichte der chinesischen Revolution. Antwort: Die nationale Frage ist tatsächlich in der Theoriebildung immer eine sehr schwierige Frage gewesen, und ich wäre kein guter Ratgeber, würde ich die Frage hier vereinfachen. Vielleicht sollte man dieses Problem erweitern. Die Tradition der revolutionären europäischen Linken beginnt mit Marx. Natürlich gab es auch schon vorher revolutionäre Theoretiker und auch Revolutionen, nur mit Marx beginnt eine neue Tradition, die des wissenschaftlichen Sozialismus. Wir alle haben irgendwie diese Schule besucht, und hundert oder hundertvierzig Jahre danach müssen wir diese Dinge noch einmal neu prüfen, das heißt aufarbeiten, ob diese Sichtweise wie die Revolution gemacht wird, so richtig ist. Ich sage gleich, was problematisch ist und zwar gehe ich davon aus, daß das unbekannt ist. Das heißt, ihr alle wißt ja das eine oder andere, aber ich erkläre die Dinge so, daß sie kein Vorwissen über die marxistische Revolutionstheorie voraussetzen. Marxs Ausgangs- und Ansatzpunkt war der Klassenkampf. Diese Theorie selber ist theoretisch abstrakt richtig, aber wie die Anwendung eingetreten ist, möchte ich hier an einem Beispiel klarmachen. Das revolutionäre Ereignis der 70er und 80er Jahre des 19. Jahrhunderts, das ist die Zeit des Höhepunkts des Wirkens der marxistischen Theorie, war die Arabische Revolution. Es war nicht die russische, die war in keiner Weise ausgereift zu diesem Zeitpunkt, niemand hat geahnt, daß in Rußland der erste sozialistische Staat ausgerufen werden würde - dagegen fand ein antikolonialer Kampf in heftigster Weise in den arabischen Ländern statt, und der Höhepunkt dieses antikolonialen Kampfes war die Ägyptische Revolution. Dieser Aufstand ist vom Kolonialismus besiegt worden, nicht zuletzt deshalb, weil in Europa Entsolidarisierungen eingetreten sind. Marx hat sich mit dieser Frage beschäftigt aber keinen einzigen Artikel dazu geschrieben. Dafür aber haben Engels und Marx darüber korrespondiert und hatten mehr oder weniger nur noch Witze dafür übrig. Engels wettet mit Marx 10:1, daß es sich in Ägypten um die Wiederauferstehung feudaler Fürsten gegen den ja so fortschrittlichen Kapitalismus, der von Europa - als englische militä rische Invasion, wohlverstanden
Seite 75 - nach Ägypten kommt. 1882 ist der 'Urabi-Aufstand letztlich besiegt worden. 'Urabi sind von der englischen Invasionsarmee festgenommen und nach Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, deportiert worden. Wir zählen jetzt 1882, also noch keine Luftfahrt, motorisierter Fernstraßenverkehr, aber auch das Eisenbahnnetz war in dieser Region noch nicht angelegt worden. Die ägyptischen Revolutionäre mußten also über den Schiffverkehr zu ihrem Exil gefahren werden. Ihr Schiff mußte an verschiedenen Hafenstädten zur Zwischenversorgung anlegen. Und siehe, was da in diesen Hafenstädten Arabiens, Persiens oder Indiens passiert. Es bewegen sich Menschen, die in großem Aufgebot aus dem Binnenland und Waterkant gezogen sind, um die ägyptischen Aufständischen und Führer dieses Aufstandes zu begrüßen, bis letztlich 'Urabi mit seinen Kampfkameraden in Ceylon angekommen ist. Die Welt wußte, welches Potential das ist, und welche Verankerung diese Führer auch in nichtarabischen und nichtislamischen Ländern hatten; deswegen konnte jeder wissen: das ist bestimmt ein Ausgangspunkt der Arabischen Revolution. Dieser Aufstand hatte eine nationale Komponente, d.h. daß diese Länder als Nationen historisch gewachsener Identität befreit werden. Erstmals sollen sie vom Kolonialismus befreit werden, und dann die Frage nach der gesellschaftlichen Gestaltung und nach der sozialen Ordnung, d.h. Kapitalismus - Sozialismus soll erst hinterher geklärt werden, aber erstmal zerschla gen wir den Kolonialismus. Das war ein Grund für Marx und Engels sich rauszuhalten, da die Aufständischen die Parolen des Sozialismus und der klassenlosen Gesellschaft nicht ausgerufen hatten. Die Aufständischen sagten: Erstmal muß das Land vom Kolonialismus befreit werden. Das war vorerst einmal Konsens, auf den sich das gesamte Volk und alle politischen Kräfte geeinigt hatten. Damit will ich sagen, es soll heute, 140 Jahre nach dem Kommunistischen Manifest und 120 Jahre nach dem Kapital, geprüft werden, ob tatsächlich die Weltrevolution und Klassenbefreiung mittels Klassenkampf stattfinden sollte, oder es durch eine geballte Macht unter der Stoßrichtung zur Zerschlagung des Imperialismus geschehen wird. Ich persönlich bin der Meinung, daß das die Stoßrichtung sein muß. Diese Stoßrichtung ist zwangsläufig eine sozialistische, volksdemokratische und schließlich klassenlose, weil heute niemand auf dem Kapitalismus bauen kann, am Imperialismus vorbei. D.h. der Antiimperialismus ist notwendigerweise eine sozialistische, volksdemokratische Revolution, und am Ende wird die Weltrevolution eintreten, aber nicht als ein spontaner, globaler Aufstand, sondern als Zusammenschluß dieser Einzelkämpfe.
Seite 76 Die nationalen Revolutionen sind die Hauptsäule und tragen die Kraft der Weltrevolution. Dieser nationale Befreiungskampf bedeutet nicht Ausschluß von sozialistischen Programmen und Konzepten, im Gegenteil. Der nationale Befreiungskampf hat in der Regel durch die lange Ausdauer und durch die Notwendigkeit des langanhaltenden Volksbefreiungskrieges eine kommunistische Stoßrichtung, weil alle anderen bürgerlichen Kräfte sehr schnell rausfallen. Die Frage von Nicaragua ist zum teil bestimmt durch Nachrichten, denen ich, soweit ich dem nachgegangen bin, tatsächlich Manipulation und zum Teil Erfindungen der "linken Presse" unterstelle. Hier speziell die taz hat die Nachrichten verbreitet von der Verfolgung der Ur-Amerikaner in Nicaragua, der sog. Indianer. Diese Meldungen sind nicht zutreffend. Zurück zum Ausgangspunkt: Es leuchtet ein, daß die öffentliche Darstellung des Themas der Zusammenarbeit von Zionisten und Nazis auf Probleme stößt, da den Menschen weder das eine noch das andere klar ist. Weder der Charakter des Faschismus noch das Wesen des Zionismus ist bekannt. Obwohl beide Ideologien dem Wesen nach identisch sind, beiden gemeinsam ist die Menschenverachtung, trotzdem scheint den Menschen eine Zusammenarbeit unglaublich zu sein.
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Entwicklung seit 1945 Liebe Frauen, liebe Männer! Das letzte Thema ist die Entwicklung seit 1948, oder seit 1945 bis zur Gegenwart. Freundinnen und Freunde, Ziel dieser Sitzung ist, einen Überblick über diese Entwicklung zu verschaffen, sodaß ihr in etwa die Entwicklung von den Anfängen bis zur Gegenwart versteht. Mit diesem Wochenende sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Lage sein, diesen Konflikt nach außen hin darzustellen. Imperialistische Art der Aufarbeitung des Faschismus 1945 hat der zweite Weltkrieg aufgehört, der Faschismus ist zerschlagen. Der zweite Weltkrieg hat weltpolitisch sehr viele Folgen herbeigeführt. Wir schränken unsere Ausführungen auf den Aspekt Palästina ein. 1945/46 ist natürlich viel von den Greueltaten der Faschisten bekannt geworden. Aber bereits damals ist die bürgerliche Aufarbeitung, (das Wort "bürgerlich" ist nur eine höfliche Form für den Ausdruck imperialistische, kapitalistische Aufarbeitung) eingetreten. Der Faschismus existiert heute nur noch in der Form, wie der bürgerliche Staat ihn aufgearbeitet hat. Schon damals hat man damit begonnen, den Faschismus auf Judenverfolgung zu reduzieren, ansonsten hat nichts stattgefunden. Nicht wenige Leute in der BRD, z.T. Linke, aber auch Liberale und Sozialdemokraten sagen ganz offen, wenn der Faschismus keinen Clinch (Auseinandersetzung, Streit) mit den Juden gehabt hätte, dann wäre er überhaupt nicht verwerflich. Jeder Versuch der Aufarbeitung des Faschismus, der ihn anders darstellt, als bloßen Judenhaß, wird unterdrückt. Es ist damals schon kaum was anderes bekannt geworden als Repression und Verfolgung gegen Juden. Faschismus ist praktisch heute in diesem öffentlichen bürgerlichen Bewußtsein identisch mit Antisemitismus. Der Begriff Antisemitismus ist natürlich kein wissenschaftlicher Begriff, er paßt nur zu einer irrationalen Aufarbeitung der Geschichte. Antisemitismus gehört zu einem rassistischen Begriffsinstrumentarium, das offensichtlich von den Gegnern des Antisemitismus mit übernommen wird. Diese brauchen den Antisemitismus, weil sie auf ihn zur Rechtfertigung des Zionismus
Seite 78 angewiesen sind. Die Philosemiten gehen nicht gegen das Prinzip Menschenverachtung schlechthin vor, sondern allein vom Antisemitismus, den sie umkehren, um zu ihrem Zionismus zu gelangen, aus. Eines ist klar gewesen, die imperialistischen Mächte, die USA allen voran, wußten genau, wenn jetzt der zionistische Staat nicht ausgerufen wird, wird er niemals zustande kommen. Das ist wahr, und deshalb die forcierten Schritte der Gründung des Staates, der später Israel benannt wurde.
Der UNO-Teilungsplan, beschlossen am 29.11.1947 So konnte sehr schnell nach dem Krieg und in der Hektik der Kriegsaufarbeitung in der UNO eine Debatte ü ber die Teilung Palästinas inszeniert werden. Am 29.11.1947 stimmt die UNO diesem Teilungsplan zu. Dieser Tag ist deshalb nachträglich als der Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk deklariert worden. Ihr könnt euch überlegen, an diesem Tag eine Veranstaltung zu machen. Die Frage des UNO-Teilungsplanes ist nicht ohne Bedeutung. Vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit, weil praktisch jedem Besucher Israels und in der israelischen Selbstdarstellung, in der zionistischen Propaganda gesagt wird, daß Israel der einzige Staat ist, der kraft eines UNO-Beschlusses ins Leben gerufen wurde. Zu diesem UNOTeilungsplan ist einiges zu sagen: 1. Es ist eine Lüge der israelischen Propaganda zu behaupten, der israelische Staat wäre kraft UNO-Beschluß entstanden. Israel hat diesen Beschluß niemals anerkannt. Natürlich beruft sich Israel darauf und anerkennt diesen Beschluß nur in der Weise, in der der Beschluß einräumt, daß es einen jüdischen Staat gibt. Die Grenzen, die in diesem Beschluß festgelegt wurden, die weitgehend prozionistisch waren und Grenzen, von denen der Zionismus nicht einmal gewagt hat zu träumen, die sind nicht einmal einen Tag lang von Israel anerkannt worden. Ich möchte den israelischen Politiker kennenlernen, der sagt: Wir sind bereit einen Staat innerhalb dieser Grenzen zu haben. Weder damals noch heute ist der zionistische Staat bereit innerhalb dieser Grenzen zu leben. 2. Hatte die UNO überhaupt ein Recht, ein Land wie Palästina zu zerschlagen, eine Herrschaft an die Macht zu bringen, ohne die betroffene Bevölkerung selber zu fragen? Die UNO setzt mit diesem Beschluß ihre eigenen
Seite 79 Beschlüsse, die dem vorausgegangen sind, vor allem die UNOCharta 1945, und auch die nachher proklamierten Menschenrechte von 1948, außer kraft. Beides steht im Widerspruch zu diesem Beschluß, d.h. die UNO hat eine UNO-feindliche Teilung gemacht. 3. Wer war die UNO zu diesem Zeitpunkt? Die UNO war ein Club imperialistischer Staaten. Die UNO ist keine Erfindung der Befreiungsbewegungen und ist auch nicht der Zusammenschluß von Völkern, die die Unabhängigkeit kraft der UNO durchsetzen wollen, sondern die imperialistischen Staaten haben die UNO geschaffen, um imperialistische Politik zu machen. Obwohl so, in der Weise, die UNO nicht funktionalisiert werden kann, wie die Urheber dieses Planes es gewollt haben. Es gab und gibt kein Recht für die UNO diese Frage und in dieser Form zu entscheiden. Bei der Abstimmung über diesen Beschluß stimmen 33 Staaten dafür, 10 enthalten sich der Stimme, 13 stimmen dagegen, nämlich alle afroasiatischen Staaten, die zu diesem Zeitpunkt bereits Mitglieder sind. (Später sind viel mehr afroasiatische Staaten in der UNO vertreten. 10 Jahre später wäre diese Abstimmung sicher zu Gunsten Palästinas und nicht Israels ausgefallen.) England hat sich der Stimme enthalten (wäscht seine Hände in Unschuld), die SU hat dafür entschieden. 4. Der UNO-Beschluß von 1974, der Zionismus mit Rassismus gleichsetzt, bedeutet eigentlich eine Außerkraftsetzung des UNOTeilungsplanes.
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Zur Klassenanalyse Israels Eigentumsverhältnisse im besetzten Palästina Die Histadrut produzierte allein 40% der gesamten israelischen Produktion, vor allem im militärischen Bereich; sie hat Monopolstellung im Weltmaßstab, weil dort vor allem Waffen produziert werden, die gegen Befreiungsbewegungen eingesetzt werden, nicht nur gegen reguläre Armeen. Ihr folgen die regulären Parteien Likud und Mapam. Likud stuft man als rechte Partei ein, in Wirklichkeit sind es unterschiedliche Namen, die sich aus der Vorgeschichte erklären. Dann kommt die israelische Armee. Insgesamt besitzt Israel als Staat 92% des gesamten palästinensischen Bodens. Das heißt im Prinzip: Monopol des gesamten Landes. Und diese Besitzverhältnisse schaffen kapitalistische Bewegungsformen, ohne daß es Privatkapitalismus gibt. Frage: Du hast gesagt, Israel ist eine Siedlergesellschaft. Und ich meine: wenn das so organisiert ist, - Lohnarbeiter gibt es ja trotzdem. Antwort: Ja, genau. Frage: Was die Arbeiter der Histadrut betrifft, und so. Von Österreich kann ich das sagen, da gibt es auch eine Bank, die BAWAG, die ist einflußreich, und sie gehört der Gewerkschaft. Trotzdem sind bei uns in Österreich 35% der Firmen verstaatlicht. Trotzdem spricht man aber von Proletariat. Antwort: Ich habe diese Frage der Klassenanalyse Israels so entschieden, und will zu eurer Information sagen: bis heute ist zu dieser Frage nur das geschrieben worden, was in kurzen Readern steht, AI Karamah, wo es Ansätze gibt, Israel klassenanalytisch zu verstehen. Ich will nicht verheimlichen, daß es noch einen zweiten Ansatz gibt, den ich so nicht richtig finde. Der ist von Akiwa Oal, das ist ein jüdischer Deutscher, der nach Palästina ausgewandert ist. Der hat einen Ansatz geschrieben, wo er Widersprüche konstruiert, wo ich teilweise einverstanden bin, aber das ist in der Frage unerheblich gegenüber dem eigentlichen Widerspruch. Zum Beispiel schreibt er, daß die israelische Armee der Leidensträger des Besatzungsverhältnisses ist, weil sie durch die Kriege ständig im Einsatz ist. Da hat er so die Siedlerstruktur und die Siedlergesellschaft nicht erfaßt und die Unterdrückung und Verfolgung der Palästinenser verharmlost, wenn er sie dem aggressiven Militär nachordnet. Er ist nicht bis zu diesem Punkt
gekommen, hat aber sehr, sehr relativiert und die Frage der Klassenverhältnisse liquidiert. Ich möchte beim Vergleich Österreich-Israel gerne bleiben und festhalten: Der moderne Kapitalismus entwickelt eine anonyme Form des Kapitals (Banken als Konzentrationsorte des Finanzkapitals). Namhafte Finanzkapitalisten und Unternehmerdynastien treten gegenüber Strukturen wie Deutsche Bank, Dresdner Bank, Barclays, National First City Bank, nicht zuletzt der Weltbank in den Hintergrund. Der Betrieb und die Betriebsorganisation und die Spaltung in Klassen allerdings bleiben. Diese allgemeine für alle imperialistische Staaten gültige Klassenanalyse berücksichtigt nicht die Besonderheiten der Siedlergesellschaft. Ich denke, daß man sehr deutlich eine Klassenanalyse von Siedlergesellschaften machen kann, und diese Klassenanalyse sehr deutlich charakterisieren kann, gegenüber anderen historisch gewachsenen Gesellschaften. Wenn ich das wesentliche in wenigen Worten sage: zum einem der Begriff Staatskapitalismus. Der Begriff Staatskapitalismus sagt nicht viel aus. Staatskapitalismus kann durchaus eine Übergangsform zu kollektiveren Besitzverhältnissen sein, wie zum Beispiel in der Sowjetunion früher. Das ist Übergang zu Sozialismus über Staatssozialismus gewesen. Auch in Libyen zum Beispiel, und in anderen Ländern, kann der Staatskapitalismus eine arbeitsteilige Form der Organisation des Kapitals selber bedeuten. Du hast Österreich genannt. Ich nenne noch eindrucksvoller England. In England sind rund 50% der Produktionsmittel in staatlicher Hand. Die BRD ist ein schlechtes Beispiel. Hier gibt es nur wenige Staatsbetriebe; diese sind insbesondere das Eisenbahnnetz, die Post und die öffentlichen Rundfunkanstalten, und nicht zuletzt die Müllabfuhr. Typisch für Staatsbetriebe der BRD ist, daß sie ohne Gewinn, aber für Großbetriebe arbeiten. Aber ich will damit sagen: in allen kapitalistischen Staaten, in allen großen kapitalistischen, imperialistischen Staaten gibt es einen großen öffentlichen Sektor. Und es gibt ständig Diskussionen über die Frage, wann ist es sinnvoll, diese Betriebe zu privatisieren. Das heißt, man überlegt sich das für die Stahlindustrie - in der BRD ein wichtiger Industriezweig - lebt sie besser durch eine private Bundesbahn als Hauptabnehmer, oder lebt sie besser von einer staatlichen Bundesbahn. Diese Frage: Staatskapitalismus ja oder nein, sagt absolut nichts darüber aus, ob das ein Schritt hin zum Sozialismus oder zum Monopolkapitalismus ist. Für Israel hat das schon einen Sinn. Israel ist hier am ehesten zu vergleichen mit Südafrika und mit Rhodesien. Dort, in Rhodesien vor Simbabwe, vor der Befreiung, und in Südafrika, und in anderen siedlerkolonialistischen Staaten war der Boden Privatbesitz. In Israel ist der Boden heute noch
Seite 82 Allgemeinbesrtz. Entweder Kibbuz-, Parteien- oder Staatsbesitz. Trotzdem sage ich, für den Kolonialismus ist die juristische Besitzform unerheblich, wenn gewährleistet ist, daß das Ausbeutungsziel realisiert ist. Inzwischen gibt es in Israel auch Privatbesitz. Verbleibt noch ein letztes Wort dazu: Vor der Klassengesellschaft gab es nicht die klassenlose Gesellschaft. Die Klassengesellschaft ist 6000 Jahre alt. Die Gesellschaftsorganisation ist rund 40 000 Jahre alt. Das sind nicht 1000e Jahre menschliches Sein, sondern die Menschen haben sich vor 40 000 Jahren gesellschaftlich organisiert. Das heißt, die längste Periode unseres Daseins haben wir also klassenlos, aber organisiert, mit öffentlicher Verwaltung und Versorgung verbracht, d.h.: Menschen können ohne Staat leben, in dieser Zeit gab es soziale Differenzen, aber keine Klassenspaltung. Ich fasse zusammen: Das Vorhandensein von Widersprüchen in Israel, zum Beispiel der Widerspruch von jüdischen Arabern und jüdischen Europäern, oder das Vorhandensein von Besitzverhältnissen privater Art, oder das Vorhandensein von Unterschieden durch die unterschiedliche Verfügung über die Produktionsmittel, das heißt nicht, alle haben Null Besitz, sondern die einen haben gewisse Prozentsätze; und all das macht noch keine Klassenspaltung aus. Die Klassenspaltung in Israel verläuft also zwischen den Israelis auf der einen Seite und den Palästinensern als besitzlosem, verarmten Proletariat auf der anderen. Zwischen Palästinensern und Israelis besteht tatsächlich ein Klassenwiderspruch. Einen ethnischen, konfessionellen Widerspruch funktioniert der Siedlerkolonialismus in einen Klassenwiderspruch um. Die Palästinenser stehen in diesem problematischen Verhältnis, in dem sich so Juden nicht befinden, weder durch die Löhne, die sie bekommen, noch durch die Stellung im Produktionsprozeß. Frage: Ja, aber mir kommt das immer noch so vor, daß das ja eher eine Frage der Ideologie ist, die in dieser Siedlergesellschaft herrscht. Weil ja die Arbeitsverhältnisse von den Leuten, die dort in den Fabriken arbeiten, keine anderen sind. Antwort: Ich akzeptiere diesen Satz, wenn du hinzufügst, daß diese Ideologie materielle Verhältnisse schafft. Dann bin ich so einverstanden. Also es ist nicht so, falls du das meinst, daß wir beide vor einer Maschine sitzen, du hast dann das Recht, in der israelischen Armee zu sein, du hast einen Ausweis, indem steht, daß du Israeli bist, und ich habe einen Ausweis, in dem steht, daß ich einer anderen ethnischen Gruppe angehöre (sie würden ja nicht Palästinenser sagen), sonst ist alles gleich. Du beziehst deinen Lohn und ich genauso, und du gehst samstags zur Synagoge und
Seite 83 ich freitags zur Moschee, falls du das meinst, da muß ich widersprechen, das ist es nicht. Du existierst als Chef, als leitender Angestellter, du existierst als Politiker an der Macht, als Minister, als Abgeordneter, das alles ist für Palästinenser nicht möglich. Der Palästinenser existiert nur als Tagelöhner, als Raus-schmeißobjekt, das angezogen oder abgezogen werden kann, je nach Bedarf. Frage: Ja. das schon. Aber auch das gibts in unseren Gesellschaften. Nur nicht mit dieser Vorgeschichte, und nur nicht in dieser Situation, wies in Israel ist. Aber wenn ich in Österreich an der Maschine stehe, und neben mir steht eine Immigrantin aus der Türkei, sind die Verhältnisse auch so. Antwort: Das einzige europäische Beispiel, das ich hier für relevant halte, ist Irland. Ansonsten wüßte ich nicht, wo das genauso vorkommt. Vergleichbar, aber mit qualitativen Unterschieden, sind Arbeitsimmigrantinnen und Arbeitsimmigranten gegenüber weißen Bodenständigen, zum Beispiel in der BRD, das ist also in einem Punkt vergleichbar. Die Emigranten wären die Palästinenser der BRD. Wenn nur die Emigranten untersucht werden, würden sie weniger als 10% der Lohnabhängigen in der BRD sein. Dadurch haben sie nicht das Ge wicht der Palästinenser und Palästinenserinnen. Ich finde den Gedanken wichtig, auch unter dem Aspekt die Klassenstruktur in den Metropolen in den imperialistisch/kapitalistischen Staaten zu verstehen. Ich bin, wie ihr gesehen habt, kein orthodoxer Marxist oder kein dogmatischer Kommunist. Ich würde schon die Frage stellen, warum das westeuropäische Proletariat versagt hat, die Revolution zu machen. Das war kein Fehler, wie die Leute von den klassisch orthodoxen Parteien denken, das hat mit der Klassenspaltung im Weltmäßstab zu tun. Ich möchte aber trotzdem darauf bestehen, einen Unterschied zu machen zwischen einer historisch gewachsenen Gesellschaft wie z.B. in Spanien, El Salvador, und einer künstlich geschaffenen Siedlerstruktur wie in Palästina und Südafrika. Die Tatsache, daß es noch keine/n weiße/n Freiheitskämpfer/in in einer der südafrikanischen Befreiungsbewegungen gibt, ist sehr bezeichnend. Wenn ich weißer Reformist wäre, dann wäre der ANC ganz recht für mich. Wenn ich radikal wäre, dann würde ich in die PAC gehen. Es gibt für mich eine Reihe von Strukturen, aber da ist bis heute keine/r einzige/r weiße/r Freiheitskämpfer/in in diesen Organisationen nachgewiesen worden. Das kann kein Zufall sein, das muß eine Gesetzmäßigkeit haben. Frage: Politisch strategisch ist es im südlichen Afrika interessant, was es da für Unterschiede gibt zwischen ANC, der die dominierende Gruppe in
Seite 84 Südafrika ist, und der SANO, die es in Simbabwe gegeben hat, die ja unterschiedliche Konzepte vertreten. Wenn der ANC gesagt wird, sie muß mit der weißen Arbeiterbevölkerung Bündnispolitik machen und wenn du dir das Ergebnis anschaust, kommt raus, daß nur einzelne Intellektuelle, die Bücher schreiben, beteiligt sind. Gegenfrage: Bezogen auf welches Land? Frage: Das beziehe ich noch auf Südafrika, wo die stärkste Fraktion innerhalb der ANC dieses Bündniskonzept vertritt. Das hat eben bislang noch keine besonderen Ergebnisse gebracht. Deshalb: in dieser politisch/strategischen Ebene stimme ich mit dir überein, daß das für Israel auch zutrifft. Auch wenn zugestanden würde, da bestünden Klassen, muß gesagt werden, daß das durch den Widerspruch zwischen dem zionistischen Siedlungsprojekt und den Palästinensern überlagert wird. Antwort: Das hier ist keine Antwort, es ist lediglich eine Ergänzung der Beispiele, die du nanntest: Die PLO hat eine Reihe von Politikern, die ex-Israeli sind. Arafat hat auch unter seinen engen Beratern exIsraeli. Ein prominenter unter ihnen ist Halevi, der in Paris im Büro der PLO sitzt. Ein Vertreter der PLO gegenüber der sozialistischen Internationale ist auch ein ex-Israeli. Aber ob es jetzt eine Schwalbe gibt oder nicht,.... ANC hat ja ein begrenztes Verhältnis zum bewaffneten Kampf. Der bewaffnete Kampf ist tatsächlich als Befreiungsprinzip und als Hauptwaffe, und nicht als Hilfsfunktion Sache derPAC. Dieser Satz stammt unmittelbar vom Vorsitzenden der PAC. Er sagt, daß er bis jetzt noch keinen Weißen gefunden hat, der mit der Waffe in der Hand gegen den Siedlerkolonialismus in Südafrika kämpft, aber das besagt nicht, daß die Apartheid keine Gegner unter den Weißen hätte. Niemand würde das sagen, weder er noch ich noch sonstjemand. Und so würden wir für Israel sagen, daß der Siedlerkolonialismus dort keine bewaffnete Gegenmacht hatte unter den Israelis, das hängt mit der Revolutionstheorie, die wir hier vertreten, zusammen, ob wirklich eine andere Form denkbar ist, um imperialistische-siedlerkolonialistische Strukturen abzuschaffen. An der Klassenanalyse im besetzten Palästina sollten wir weiterarbeiten. Vor 20 Jahren sagte ich: Israel ist in Klassen gespalten. Nach genauerer Analyse dieser Gesellschaft nahm ich Abschied von dieser Vorstellung und sagte, die Klassen in Israel werden verdrängt durch die Gemeinsamkeit unter den Siedlern. Dieses Wort "verdrängt" habe ich inzwischen auch verlassen und sagte,... wird durch die Gemeinsam
Seite 85 keit der Siedler überlagert. Das ist das Wort, das du eben gebraucht hast. Jetzt muß ich das noch schärfer formulieren, und sage, Israel ist überhaupt keine Klassengesellschaft, sondern eine Siedlergesellschaft, und weiter, daß die Israelis zunächst einmal selbst, gegenüber den Palästinensern, eine Klasse, genauer eine Kolonialkaste, bilden. Ich sehe, daß es hier keine Widersprüche sind, sondern Entwicklungen, jetzt Abschied zu nehmen von einer Lehre, die wir im klassischen Marxismus gelernt haben. Wir lernen jetzt, die Gesellschaft tatsächlich real zu sehen, wie sie zusammengesetzt ist.
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Zur Klassenanalyse des palästinensischen Volkes Eine historisch gewachsene Gesellschaft hat eine Klassenspaltung, die allerdings auch nicht schematisch zu verstehen ist. Das heißt: für Polen oder für Rußland gibt es eine Klassenspaltung, Menschen jüdischen Glaubens verteilen sich in diese Klassen. Die Klassenspaltung nimmt keine Rücksicht auf religiöse Unterschiede, das heißt: die Menschen befinden sich im Proletariat oder in der Bourgeoisie, je nachdem welches Verhältnis sie zu den Produktionsmitteln haben und ungeachtet dessen, welcher Religion sie angehören. Die Palästinenser spalteten sich früher im Osmanischen Reich in Feudalherren und in eine Bauernklasse, aus der die Arbeiter und Arbeiterinnen hervorgegangen sind und aus der auch Kaufleute und Händler kommen. Zwei Dinge charakterisieren die palästinensische Klassenspaltung: Das eine ist die Klassenanalyse aller unterjochten Völker. Der klassische Marxismus hat gesagt: alle Gesellschaften spalten sich in eine Bourgeoisie und in eine Arbeiterklasse und Schluß. Das ist unzureichend. Der Imperialismus und vor ihm der Kolonialismus hat selber eine Klasse geschaffen; das ist der Berührungspunkt; nämlich in den Metropolen und in Israel (Israel als Bestandteil der Metropolen), wo trotz der großen Unterschiede in der Klassenanalyse, die es gibt, es einen Konsens zwischen der Arbeiterklasse und dem Kapital in der Frage der Herrschaft über die Welt gibt. Das heißt, daß ein Arbeiter in der BRD nicht will, daß er einen Teil seines Lebensstandards aufgeben muß, z.B. für die Versorgung Indiens. Diese Frage kümmert ihn nicht. Er ist auch bereit in der Bundeswehr gegen eine Befreiungsbewegung im Arabischen Golf zu kämpfen, wenn er genötigt ist. Die unterjochten Völker sind dadurch, daß sie unterjocht sind, nicht zu einer Klasse zusammengeschweißt worden. Die Klassenwidersprüche dort existieren, verlieren aber an Bedeutung gegenüber dem Gesamtkampf gegen den Imperialismus, ausgenommen der Kompradoren, die an den Imperialismus gebunden sind. Wir müssen vieles, was der klassische Marxismus sagt, unter diesem Gesichtspunkt nachprüfen. Die unterdrückten Völker kämpfen gegen den Imperialismus, und wenn die einheimische Reaktion bekämpft wird, dann nur, weil dieses Regime hinderlich ist für die Befreiung vom Imperialismus. Für die palä stinensische Klassenanalyse gibt es aber eine zweite wichtige Besonderheit, die die palästinensische von anderen Klassengesellschaften unterscheidet. Israel besitzt heute 92,5% des
Seite 87 palästinensischen Bodens, gleichzeitig Beschlagnahmung der palästinensischen Produktionsmittel, Rausschmiß palästinensischer Arbeiter; Einstellung israelischer Arbeiter. Dadurch sind die Palästinenser in eine Klasse totaler Besitzlosigkeit geraten. Das Wort Proletariat bedeutet ursprünglich nicht Industriearbeiter, sondern Besitzlose. Das sind die Palästinenser im wahrsten Sinne des Wortes geworden. Sie sind zusammengepfercht in Flüchtlingslager, ohne jeden Besitz. Ein Großteil des palästinensischen Volkes ist, weil sie gar keine Arbeit finden, angewiesen auf die Flü chtlingshilfe. Oder auf die Solibeiträge die von uns kommen. Diese Proletarisierung des palästinensischen Volkes im extremsten Maße ist einmalig in der ganzen Welt. Die palästinensische Bourgeoisie, sofern sie innerhalb des besetzten Palästina ist, hat eine Anhängselfunktion. Die Palästinenser, die tatsächlich zu Besitz gekommen sind, außerhalb von Palästina, sind eigentlich integriert in der arabischen Bourgeoisie, die auch in Jordanien und Ägypten ihre Rolle hat. Frage: Diese Analyse mit Proletarisierung der Palästinenserinnen und Palästinenser, das man also von palästinensischer Bourgeoisie nur sprechen kann, als integrierte Europäer, oder im Arabischen Golf. Aber was ist zukü nftig mit z.B. Arafat und seinen Leuten? Das ist ja auch Bourgeoisie. Karam Khella: Beschränkt sich deine Analyse nur auf diese dünne Schicht der Politfunktionäre? Es ist in der Tat ein großes Problem, jetzt, weil du sagtest, auch in der Zukunft. Wir sollten die Sache konkretisieren, weil der Begriff Bourgeoisie ein bißchen abstrakt ist. Der Zionismus hat 60% der Palästinenserinnen und Palästinenser vertrieben, sie leben außerhalb Palästinas. Aber zum größten Teil unmittelbar an der Grenze zu Palästina, wo gerade eben der Herrschaftsbereich des Zionismus aufhört. Sie haben also praktisch ihr Land nie verlassen. Sie leben gerade eben an der Grenze zu Palästina, auf libanesischem Boden, auf syrischem, jordanischem Boden. Sie tauschen sich sehr oft mit ihren Landsleuten aus, so über den Jordan, über die Grenze hinweg. Sie bleiben nach 40 oder 20 Jahren der permanenten Vertreibung verbunden mit ihren Landsleuten. Aber ein Teil der Palästinenser versuchte sich abzufinden mit den Verhältnissen, suchte nach einem Job. Meistens in einem arabischen Land, als wichtigster Arbeitgeber der Palästinenser. Palästinenser haben einen sehr hohen Bildungsgrad. In einer UNESCO-Statistik ist angegeben
Seite 88 worden, daß die Palästinenser den höchsten Anteil an Ärztinnen und Ärzten im Verhältnis zu Bevölkerung haben. Sie sind sehr bildungsfreudig, das sind sie immer gewesen. Was ja auch zeigt, daß sie sich schon im 19. Jahrhundert mit dem Zionismus befassen. Viele Palästinenser haben sich arrangiert, daß sie nach einem Job suchen, obwohl ich sagen muß, daß wo immer ich Palästinenserinnen und Palästinenser antreffe, bleibt diese Verbundenheit zu Palästina bestehen. Nun gibt es aber eine dünne Schicht, das habt ihr zu Recht gesagt, die auch zu großen Besitz gekommen ist. So einige Beispiele: Der IBM-Vertreter in Kuweit, der kann uns alle einstellen, der ist ein Palästinenser. Er war auch lange Zeit mit Sitz und Stimme in der PLO vertreten und heißt Khalid al Hassan, der ist aufgrund einer bestimmten Operation von Palästinensern vom Nationalrat zurückgetreten. In Jordanien gibt es viele, in Ägypten einige Betriebe von Palästinensern. Nach allem was ich beschrieben habe, von der Klassenstruktur des palästinensischen Volkes, wiederspiegeln die palästinensischen Organisationen diese Klassenstrukturen nicht. Sonst müßten im PNC eigentlich 98% Flüchtlinge bzw. Besitzlose sein. In der PLO ist die Bourgeoisie überproportional durch Abgeordnete und Sitze vertreten, durch Funktionen, auch durch Teilnahme an der Leitung und zwar nicht zahlenmäßig sondern von der Exekutive her. (In der folgenden Sitzung analysiert der Referent die israelischen Aggressionen von 1956 und von 1967. Diese Ausführungen stimmen weitgehend mit seinen Buchpublikationen (Israelisch-Arabischer Konflikt, S.48f) überein, worauf wir - anstelle einer Protokollabschrift verweisen. (Anm. d. Red.) Und jetzt weiter nach 1967:)
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Politische Massen- und Kampforganisationen des palästinensischen Volkes Der bewaffnete palästinensische Widerstand in Jordanien hatte eine Massenbasis, die das gesamte palästinensische Volk erfaßt und organisiert. Auf einmal verwandelten sich Organisationen die bestanden haben in Massenorganisationen. Ich selber habe Jordanien besucht in dieser Zeit, wohin dann die Palästinenserinnen und Palästinenser abgeschoben wurden. (Die beiden großen Vertreibungswellen der Palästinenserinnen und Palästinenser sind 1948 und 1967.) Wer da in Jordanien war 1968-70, konnte sehen, daß praktisch ganz Jordanien eine Einbahnstraße war in dieser Zeit. Die Menschen wirklich marschierten alle in eine Richtung. Junge Menschen, die sich organisieren wollten in den Kampforganisationen. Ich habe diese verschiedenen palästinensischen Organisationen besucht, informationshalber. Die Sprechstunde der Organisationen war eine gewaltige Kundgebung, wo alles mögliche stattgefunden hat. Eltern kommen von weit her, alte Frauen, alte Männer kommen von weit her und suchen ihre Kinder, die ausgerissen sind. Es ist also typisch für diese Zeit, daß die Jugendlichen ausreißen von ihren Familien, um sich dem bewaffneten Kampf anzuschliessen, Mädchen und Jungs. Wer auch da war, konnte sich beeindrucken lassen von der Erziehung der jungen Kämpferinnen und Kämpfer. Diese Erziehung war nicht allein eine militärische, sondern auch eine Erziehung in Werten. Obwohl die Organisationen unterschiedlich sind in diesem Punkt. Einige haben schon vorher bestanden, einige sind auf dieser Welle ausgerufen worden. Die Fatah hat schon vorher bestanden, seit Januar 1965. Die PLO ist 1964 gegründet worden. Die PFLP ist im Dezember 1967 auf dieser neuen Welle der Widerstandsbereitschaft des palästinensischen Volkes gegründet worden. Die DFLP ist eine spä tere Gründung als Abspaltung der PFLP, das war Februar 1969. Dann haben natürlich die arabischen Regime versucht, Einfluß auf den Widerstand zu gewinnen, indem sie von ihnen abhängige Organisationen geschaffen haben. Syrien schuf die Al-Saika, die PFLP-GC ist eine syrienabhängige Organisation gewor den, sie ist nicht zu verwechseln mit der PFLP, da ist keine Gemeinsamkeit. Zwischenruf: Sie ist eine Abspaltung der PFLP. Nein, eigentlich nicht. Es gibt Abspaltungen von der PFLP. Eine Abspaltung, die heute noch lebt, ist die DFLP. Andere Abspaltungen von der PFLP haben nicht überlebt. Die PFLP-GC hat ausschließlich eine
Seite 90 Namensähnlichkeit; hat keine Gemeinsamkeit mit der PFLP. Die Ideologie der PFLP-GC ist eine militärische. Sie sagt: Palästina kann nur militä risch befreit werden. Sie hält nicht viel von Politik und Ideologie und Aufbau von Kadern und Genossinnen und Genossen und sagt, man muß nur einen guten militärischen Plan und gute Waffen und trainierte Soldaten, und dann kann man Palästina befreien. Die PFLP ist eine politische Organisation mit Konzept und Ideologie, da ist in der Tat keine Ähnlichkeit. Al-Saika ist syrienabhängig, natürlich aus Palästinenserinnen und Palästinensern, die aber syrienloyal sind. Der Irak hat eine Arabische Befreiungsfront eingerichtet, die aber inzwischen keine Bedeutung mehr hat, keine Mitglieder mehr hat; nur mehr auf dem Papier existiert. Die PLO hat insgesamt acht Mitgliedsorganisationen. Heute allerdings haben folgende Organisationen Bedeutung durch Massenbasis: AI Fatah war die bisher stärkste Organisation. Aber nach ihrer Spaltung 1983, in einen in Syrien untergebrachten Fatah Flügel, Abu Mussa genannt, und in einen Arafat loyalen Flügel, ist möglicherweise die PFLP die stärkste Organisation. Also jetzt die Reihung: PFLP. Fatah Arafat. Fatah Abu Mussa und DFLP. Diese Organisationen sind vor allem legitimiert dadurch, daß sie Basis im besetzten Palästina haben. Durch die Vertreibungspolitik der Zionisten leben 60% des palästinensischen Volkes außerhalb und 40% innerhalb Palästinas. Vor allem Fatah Arafat, PFLP und DFLP haben starke Basis im besetzten Palä stina und sind dort auch durch Befreiungsaktionen aktiv. Und das ist ihre Hauptlegitimation. Da gibt es noch eine Organisation, die genannt werden sollte, das ist die PLF, sie gewinnt und verliert an Bedeutung. Im Prinzip weiß jede Palästinenserin, jeder Palästinenser, wel cher Organisation wer angehört, das ist praktisch ein offenes Geheimnis. Wir sind jetzt in der Zeit nach 1967 und vor dem Aufbau einer neuen, eigentlich mächtigen revolutionären Bewegung, die 1968 die Situation in Jordanien total beherrscht hat, und wer in den Jahren 1968/69 dieses Land besucht hat, konnte sich einen Eindruck davon machen. Ich möchte diese Phase politisch verständlich machen. Auch wenn ich vielleicht die Zensur, die ich mir selbst auferlegt habe ein bißchen sprenge, ohne zu sehr in die Analyse zu gehen. Aber hier gibt es für uns politisch, aber auch im Verständnis vom palästinensischen Widerstand einige Punkte, die man in keiner Weise kürzen darf. 1968 beginnt das, was später palästinensische Revolution genannt wird. Ich möchte einen Eindruck von der schnellen
Seite 91 Stärke, die diese Revolution erreicht hat, vermitteln. Das ist natürlich sehr wichtig, liebe Freunde, auch für uns selber Lehren daraus zu ziehen, daß eine Revolution auch sehr schnell wachsen kann. Und daß mensch die Hoffnung aufgeben kann, wegen der eigenen momentanen Schwäche für immer schwach zu sein. Auch im Kampf gegen den Imperialismus. Das Kräfteverhältnis kann sich sehr schnell ändern. Israel hat 1967 vier arabische Armeen vernichtend geschlagen und Gebiete erobert, die viermal so groß sind wie das damals vom Zionismus beherrschte Gebiet. Diese Armeen waren: die äygptische Armee, die jordanische Armee und die syrische Armee. Und außerdem noch die palästinensische Befreiungsarmee, PLA, nicht zu verwechseln mit der PLO - und diese Armee ist keine Volksbefreiungsarmee, die heißt nur so, ist in Wirklichkeit eine reguläre Armee; sie ist eine Vorläuferin der PLO, und hat mehr eine reguläre Organisationsform. Übrigens gibt es bei all diesen Kriegen Legenden von der militärischen Stä rke Israels, die auch von der militärischen Propaganda Israels genährt werden. Also z.B. 1948, beim ersten zionistischen Krieg gegen die Araber, haben die arabischen Armeen trotz aller Schwächen der arabischen Regime, trotz des Verrats der Herrschenden Palästina befreit. Der ä gyptische König hat bei zionistischen Waffenhändlern Waffen für die ägyptische Armee gekauft, die eigens so präpariert waren, daß sie in den ägyptischen Militärlagern explodierten. Das war einer der wichtigsten Gründe, daß der König später gestürzt wurde. Trotzdem haben diese Armeen real, bei aller Schwäche, und bei aller Kollaboration ihrer Regime Palästina befreit. Daraufhin haben die Kolonialmächte durch die UNO einen Waffenstillstand erzwungen, an den sich die arabischen Regime brav gehalten haben. Und Israel hat immer Nachschub bekommen, nicht nur an Waffen, sondern auch an Hilfstruppen aus den USA und aus England, und dadurch kamen natürlich die Zionisten zu einer großen Stärke, die dieses Krä fteverhältnis verändert hat. Auch 1967 gab es eine Niederlage, aber diese Niederlage hat in der Analyse ganz andere einsichtige Gründe, die nichts mit der Legende zu tun haben, daß Israel hier ungewöhnliche Tapferkeit und militärische Stärke hatte.
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Palästinensische Revolution (1967 bis 70) Nun zur Entstehung und Entwicklung der palästinensischen Revolution. Deshalb habe ich daran erinnert, daß Israel 1967 immerhin vier arabische Armeen besiegt hat. Das ist nun eine Tatsache. 9 Monate später wird die israelische Militärmaschinerie in Bewegung gesetzt, mit der Artillerie, mit der Luftwaffe und mit schweren Panzerfahrzeugen und überquert den Jordan. Für diejenigen, die ihn nicht gesehen haben, das ist ein ganz kleines Flüßchen, was gar keinen Eindruck macht. Als ich den Jordan zum ersten Mal gesehen habe, war ich total deprimiert, weil ich so an den Nil gewohnt war. Insofern ist der Jordan keine richtige Grenze zwischen Jordanien und Palästina. Den Jordan kann mensch stellenweise zu Fuß überqueren. Und nun besetzt Israel ganz Palästina bis an den Jordan.
AI Karamah Die gewaltige israelische Maschinerie wird in Bewegung gesetzt, um ein ganz kleines Dorf, ein Dörfchen, an der Ostseite des Jordan anzugreifen. Und zwar deshalb, weil dort palästinensische Freiheitskämpfer ausgebildet wurden, es handelte sich um ca. 1000 Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer. Israel mobilisiert dagegen rund 20 000 Soldaten mit Luftwaffendeckung. Flugzeuge und schwere Maschinen besitzt der palästinensische Widerstand nicht, sondern es sind Freiheitskämpferinnen und Freiheitsk ämpfer, die mit selbstgebastelten Waffen, zum Teil aus den Restbeständen des zweiten Weltkrieges, in der SU hergestellt, kämpfen, Und auf der anderen Seite wird diese gewaltige Maschinerie unter der Führung von Moshe Dayan in Bewegung gesetzt, mobil gemacht, gegen diese kleine Ortschaft. Und eigentlich müßte diese Ortschaft dem Erdboden gleichgemacht werden. In dieser Ortschaft, deren Name euch sehr vertraut ist, AI Karamah, da wird die israelische Armee besiegt. Und zwar vernichtend besiegt, daß sie nicht wußten, wie sie abziehen sollten. Die Palästinenser kommen zum ersten Mal in den Besitz von Informationen über die innere Struktur der israelischen Armee. Es sind dort Panzer erbeutet worden, und sie stellten fest, daß die Fahrer der Panzerfahrzeuge an den Panzer angekettet sind. Weil die israelische Armee davon ausgeht, daß die Panzerführer bei der ersten Konfrontation fliehen würden. Also, sie sollten entweder sterben, oder mit dem Fahrzeug zurückkommen. Flugzeuge, Hubschrauber die abgeschossen wurden, beweisen dasselbe, daß die israelischen Piloten
Seite 93 dort angekettet sind, damit sie sich nicht durch Fallschirme rechtzeitig retten können. Und damit also zeigt sich, daß hier offensichtlich keine Bereitschaft besteht, eigenes Leben dem Staatsgebilde zu opfern, wovon diese Soldaten nicht überzeugt sind. AI Karamah hat tatsächlich eine Wende herbeigeführt. Der Sieg von AI Karamah hat bei der palästinensischen Jugend auf einmal ganz neue Hoffnungen geschaffen und die Stärke der palästinensischen Revolution, die bisher erreicht worden war, ist bei weitem überholt worden durch den neuen Massenansturm, der eingetreten ist. Jede junge Palästinenserin und jeder junge Palästinenser waren stolz darauf, wenn sie von einer Organisation für den bewaffneten Befreiungskampf aufgenommen wurden. Das arabische Wort fü r Befreiungskämpfer heißt Fedayin, und heißt: Selbstaufopferer. Jemand, der sich selbst opfert für die Freiheit anderer. Also auf der einen Seite der israelische Söldner, der das für Geld tut, und auf der anderen Seite, die Menschen, die bereit sind für die Freiheit zu sterben. Das ist auch eine unbesiegbare Stärke auf der palästinensischen Seite. Die israelische Armee kann sich in keinem arabischen Gebiet bewegen ohne große Truppenverbände. Den israelischen Soldaten, der so allein geht in einer Gasse oder in einer Höhle oder in einem Berg, den gibt es so nicht. Und das ist wiederum eine zweite Stärke des palästinensischen Widerstandes, daß die Leute tatsächlich so in den Kampf ziehen, ohne sich zu überlegen, ob sie zurückkehren oder nicht. Ich hab einmal so in der Zeit, ich war damals noch unpolitisch, hab also keine politische Theorie gehabt, die mich in die Situation versetzt, so etwas darzustellen wie jetzt, dieses Gebiet besucht. Ich wollte mich informieren. Ich hab zwar damals durch das Mittel der antizionistischen Propaganda, mehr aus Gründen der Menschlichkeit und nicht aus revolutionärer Perspektive heraus, versucht, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, z.B. Asta-Leute, Pastoren, Studenten und Schriftsteller für eine Reise nach Jordanien und dem Libanon zu mobilisieren. Dort leben die meisten palästinensischen Vertriebenen. So bin ich in den ersten Kontakt mit der palästinensischen Revolution gekommen. Dann hat mich diese Sache so gereizt, daß ich einmal alleine fahren wollte. Ich wollte nicht diese Delegation haben, mit denen man eine Führung macht, und eigene Bedürfnisse so nicht realisiert werden. Ich habe versucht in einem Flüchtlingslager zu leben, und das war nicht schwer. Man fällt dort natürlich auf, man ist anders angezogen, man ist dort nicht bekannt. Im Flüchtlingslager angekommen, wurde ich sofort begrüßt. Ich habe arabisch gesprochen, das schafft auch
Seite 94 ein Vertrauensverhältnis. Die Lager waren jeweils Stützpunkte der verschiedenen Organisationen. In diesem Lager war Fatah verankert, und hat auch den Volksrat dieses Lagers, den Volksausschuß, gestellt. Die Fatah hat das Lager organisiert, hat dort praktisch die Funktion einer lokalen Regierung angenommen. Hat in einem Lager die PFLP Basis, so stellt sie dort den Volksausschuß. Wenn die Basis geteilt ist, dann teilen sich die Organisationen, ähnlich der Situation im besetzten Palästina, die Aufgaben. Also bin ich das erste Mal in meinem Leben mit Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfern konfrontiert gewesen. Zum ersten Mal sehe ich diese Leute in ihrem Alltag, in ihrer Familie, wo sie leben, von wo sie ausziehen. Sie boten mir auch an mitzuziehen, mit zur Front zu gehen, was ein sehr gefährliches Unternehmen ist. Ich habe dort im Lager ganz wenige Tage verbracht, also vielleicht eine halbe Woche. Aber diese drei, vier Tage haben mein Leben total verändert. Auf einmal erkenne ich in Bruchteilen von Sekunden, mache ich Erkenntnisse, die mein ganzes Weltbild auf den Kopf stellen. Also z.B. bin ich erzogen worden, aufzusteigen. Ich habe eine Ausbildung bekommen, ich will mal eine Stellung haben im öffentlichen Leben. Ich möchte sehr bald möglichst Abteilungsleiter werden, vielleicht mal Fachbereichssprecher, vielleicht mal Professor, vielleicht auch mal mehr. Und man muß alles tun, um sowas zu erreichen. Im Bruchteil von Sekunden erkenne ich, welchen Unsinn das bedeutet, daß man ganz anders sein kann. Und es war in der Tat so eine Lehre, die man niemals in einem Vortrag oder Seminar erlernen kann. Das war ja alles für mich eine neue Welt. Es war ein arabisches Land, so von der Sprache und von den Sitten her vertraut, aber das waren ganz andere Umgangsund Kommunikationsformen. Jordanien war tatsächlich zu diesem Zeitpunkt unter der Herrschaft der Revolution. Einmal bin ich an einem Wagen vorbeigegangen, den die PFLP zur Verfügung gestellt hat, und da sagten mir die Leute und zeigten auf einen Wohnort: In diesem Haus hier, da wohnt der Hussein, da sagte ich: Ja, wer ist denn Hussein? Da sagten sie: Der ist arbeitslos. Ich: Ja, warum ist er denn so wichtig? Er behauptet, König von Jordanien zu sein. Das entsprach tatsächlich der Situation hier, die Präsenz der Regierung war nahezu verschwunden. Es gab in dieser revolutionären Situation ganz andere Regeln. Die Zentren des Widerstandes waren jederzeit von israelischen Angriffen bedroht. Ich muß sagen, ich habe noch nie in meinem Leben wirklich Frieden empfunden so wie da. Offensichtlich kommt diese Bedrohung, diese Angst, die wir empfinden, von den Strukturen, von den Menschen
Seite 95 und nicht von der äußeren Gefahr. So lebst du hier (Jordanien) in einer Situation, in der du mit absoluter Solidarität rech nest. Diese Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer frühstücken mit ihrer Familie. Hinterher ziehen sie sich an und gehen dann zur Arbeit. Stell dir vor du ziehst dich an, was nimmst du? Einen Hut, dann siehst du, daß du deinen Ausweis in der Tasche hast. Vielleicht guckt noch jemand ob die Brille da ist. Da steht aber der oder die und nimmt die Kalaschnikov und eine Handgranate mit sich, und guckt dann die Lage an einem Plan an. So erinnere ich mich an einen jungen Mann, vielleicht 14 oder 15 Jahre alt, der hat sich angezogen, und guckte, nachdem er gegangen war, und bemerkte, daß er noch eine Tasche frei hatte. Dann ist er nach Hause zurückgegangen, schnappte sich noch eine andere Handgranate in die freie Tasche und so fühlte er sich wohl. Diese Sachen, wirklich liebe Leute, bedeuten eine Menge Lehre. Die Palästinenser waren bewaffnet. Alle. Und jeder trug Waffen mit sich, so waren sie unbesiegbar. Niemand fühlte sich bedroht. Ich hörte von einer Geschichte, die aber schon vor meiner Anwesenheit stattgefunden hat. Das Thema war, daß eine Frau vergewaltigt worden ist. Dann ist derjenige, der diese Vergewaltigung begangen hat, von einem Kommando der Revolution nach einem Revolutionsgericht erschossen worden. Es gab eine Diskussion darü ber, ob das richtig ist. Aber diese Geschichte für sich bedeutet, welcher Friede da unter den Leuten herrschte, mit welchen Mitteln so ein Vergehen bestraft worden ist. Wo ich wohnte, da stand so ein Schild am Haus, worauf stand: "Es ist verboten, eine Person festzunehmen ohne Beschluß des Lagerrates, des Volksausschußes." D.h. mit anderen Worten, daß die Leute wegen Kleinigkeiten relativ harte Strafen bekommen haben, weil das ein sehr großer Verstoß gegen die Solidarität unterden Menschen war. Daß die Leute davon ausgehen mußten, daß sie Beistand, gegenseitige Unterstützung erfahren, und jemand der dagegen verstößt, eine große Strafe verdient. Jordanien ist faktisch befreit, ich habe also dieses Land unter einer Situation, die bestenfalls als Doppelherrschaft bezeichnet werden kann, wo die Regierung gar keine Präsenz hatte und wo die Revolution überall präsent war, kennengelernt.
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Schwarzer September (September 1970 - Juli 1971) Hintergründe und Ablauf Ich bemerke die Debatten innerhalb des imperialistischen Lagers, wie mit dieser Revolution umgegangen werden soll. Die erste Überlegung war, daß es Aufgabe Israels sein soll, die palästinensische Revolution anzugreifen. Das hat Israel versucht, und hat dabei die große Schlappe von AI Karamah und später auch andere Schlappen erlebt. So wagt es Israel nicht einzumarschieren, ebensowenig eine Bombardierung von der Luft aus. Die USA überlegt sich nun selber zu intervenieren, (Wir wissen, daß hinterher die NATO und ihre Basen und die militärischen Stützpunkte der USA im Mittelmerrraum in Alarmbereitschaft gestanden haben. Die USA hat so etwas vorher im Libanon versucht und ist damit schwer auf den Bauch gefallen. Die sogenannte "Ledernackeninvasion" von 1958 des Libanon, hat den Amis gezeigt, daß ist nicht unser Boden.) Ich bin jetzt im Jahre 1970 angekommen. Ich habe Jordanien in der Zeit dreimal besucht. Jetzt rede ich vom Spätsommer 1970. Der Schlag gegen die palästinensische Revolution kommt weder von Israel noch vom Imperialismus, den USA oder der NATO. Der kommt von einer Quelle, mit der überhaupt niemand gerechnet hätte. Hier ist Selbstkritik der palästinensischen Revolution von großer Wichtigkeit. Das Regime von König Hussein ist real nicht existent. Das jordanische Regime holt gegen die palästinensische Revolution aus, es kommt zum "Schwarzen September" 1970, in dem 20 000 Palästinenser und Palästinenserinnen physisch liquidiert werden. Die Frage ist, wie kann Hussein das schaffen? Natürlich mit imperialistischen Waffen und mit israelischer Unterstützung und Deckung, aber es waren arabische Soldaten, die dieses Verbrechen begangen haben. Hier ist zu sa gen, daß diese Soldaten nicht der regulären jordanischen Armee angehö rten, diese Armee hätte dieses Massaker nie begangen. Deshalb mußte das reaktionäre Regime in Jordanien mit imperialistischer und zionistischer Unterstützung eine neue Widerstandsbekämpfungsarmee, die Jordanien extra für diesen Zweck mit US-Hilfe aus
Seite 97 jordanischen Beduinen ohne Ausbildung und ohne Wissen, die nur in den militärischen Waffen ausgebildet wurden, die nicht wußten was sie tun, aufbauen. Den jordanischen Beduinen ist teilweise suggeriert worden, daß sie gegen Israel Krieg machen werden, auf der anderen Seite hat man ihnen vorgemacht, daß sie gegen eine fremde Präsenz im Lande Krieg führen würden. Jedenfalls wußten sie natürlich auch, daß sie gegen Palästinenser Krieg machten. Dies konnte durch Fehler, die die palästinensische Revolution selbst gemacht hat, gelingen: sie hat wenig getan, um die jordanische Bevölkerung selber zu politisieren und die Revolution in Jordanien selbst zu verbreiten, sodaß König Hussein die Ignoranz und Rückständigkeit der Beduinen benutzen konnte, um letzere gegen Palästinenser mobil zu machen. Die Palästinser sind davon ausgegangen, daß sie vorläufig in Jordanien sind und daß ihr Ziel die Befreiung Palästinas ist. Sie haben wenig getan, um das jordanische Volk wirklich an der palästinensischen Revolution zu beteiligen. Die PLOFührung hat sich total aus der jordanischen Politik herausgehalten, daß heißt, daß sie indirekt eine reaktionäre Politik in Jordanien toleriert hat. In der Zeit, wo ich da war, war der Ruf überall zu hören, daß das Regime weg muß. In der Zeit sind auch verschiedene jordanische Verbände zu den Pal ästinensern ü bergelaufen und hofften dadurch, daß sie überhaupt die Machtstrukturen in Jordanien verändern, und diese Situation hätte bedeutet, daß die Palästinenser tatsächlich unbesiegbar wären. Der Sturz von Nur ad-Din al-Atasi ist natürlich ein imperialistischer Plan. Diese fortschrittliche, oder relativ fortschrittliche Fraktion der Baath mußte verschwinden, um vor allem die Unterstützung, die die Palästinenser von Syrien hatten, das ist eine wichtige Grenze, auch zu den Palästinensern, abzuziehen. Und so kommt als Punkt des Schwarzen Septembers mehreres: Nasser wird umgebracht. Nassers Absicht wie ich vorhin sagte - war, da die Palästinenser zu mächtig waren und das Gleichgewicht in der Region verä ndern würden, daß sie diszipliniert würden, aber er war nicht dafür, daß sie vernichtend geschlagen werden sollten. Er wurde umgebracht am 28. September des Schwarzen Septembers, als die dramatischen Ereignisse gerade angelaufen waren. Kurz danach wird die Regierung in Syrien gestü rzt, Assad kommt an die
Seite 98 Regierungsspitze und ist seit 1970 bis heute an der Macht. Ebenfalls geschieht eine Veränderung im Irak, der auch nicht gleichgültig gegenüber dem Schicksal Palästinenser geblieben wäre. Man sieht also hier, daß eigentlich israelische Politik und imperialistische Politik in der Region ohne die arabische Reaktion und ohne die arabischen reaktionä ren Regime niemals möglich gewesen wäre. Aber die PLO-Spitze sagte: Nein, wir sind nur vorläufig hier. Und Jordanien, das ist nicht unsere Sache, wir mischen uns nicht ein. Das war eine offizielle Parole, "keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der arabischen Staaten", was dem gleich kommt, daß wir mit dem Regime nichts zu tun haben, und daß es nicht unsere Sache ist, Politik dagegen zu machen. Schließlich hat die PLO ihre eigenen Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer, die Fedayin, politisch nicht darauf vorbereitet, daß sie möglicherweise gegen eine arabische Armee kämpfen müssen. Sie sind also ausgebildet worden, daß ihr Feind der Zionismus ist und als der Schlag von einer arabischen Truppe kam, waren sie nicht vorbereitet, auch nicht psychologisch. Ihnen ist beigebracht worden, daß die Araber Verbündete sind, daß es eine arabische Solidarität gibt. So standen sie politisch unvorbereitet gegenüber diesem Schlag. Dank der fehlerhaften Politik der PLOSpitze kommt es zum "Schwarzen September", die palästinensische Revolution verliert ihre befreiten Territorien in Jordanien. Dies ist tatsächlich eine Katastrophe in der Geschichte der palästinensischen Revolution.
Ergebnisse des "Schwarzen Septembers": Der "Schwarze September" begann im September 1970 und dauerte bis Juli 1971. In diesen 9 Monaten haben die Palästinenser nach und nach ihre Macht und ihre militä rische Stärke verloren. Nach Beendigung dieser Säuberungsaktionen durch das jordanische Regime konnte Hussein aus einer Position der militärischen Stärke heraus seine Bedingungen an die Palästinenser diktieren: 1. Abgabe der Waffen, das wird getan; 2. die PLO zieht von Jordanien ab; und 3. wer aus Gnade seiner Majestät König Husseins in Jordanien verbleibt, unterwirft sich den jordanischen Staatsautoritäten. Es bleiben also Palästinenserinnen und Palästinenser, aber ohne wie bisher mit eigener Verwaltung und eigenem Gesetz.
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Abzug der PLO aus Jordanien in den Libanon (Sommer/Herbst 1971) Jetzt zieht die PLO von Jordanien ab, aber wohin? Die politische Konstellation in dieser Zeit führt dazu, daß nur der Libanon in Frage kommt. Für die Aufnahme in den Libanon gibt es vier Gründe: 1. Im Libanon leben die größten palästinensischen Flüchtlingsverbände nach Jordanien, also dort hat die PLO eine Basis. 2. Der Libanon ist ein Frontstaat zu Palästina, das heißt, der Befreiungskampf kann vom Libanon aus weiter gefü hrt werden. 3. Im Libanon gibt es eine reaktionäre Clique an der Macht, aber die politischen Widersprüche sind sehr stark, die National bewegung ist sehr stark, fortschrittliche Kräfte haben Einfluß und öffnen das Land für die Palästinenser, begrüßen die Palästinenser als Verbündete. 4. Die anderen arabischen Staaten schließen ihre Grenzen für die PLO, sodaß faktisch nur der Libanon offen bleibt. Zu diesem Zeitpunkt stirbt Nasser. Wie wir erst seit kurzem wissen, ist er nicht eines natürlichen Todes gestorben, er ist von einem Agenten Israels vergiftet worden, der jetzt vor einem ägyptischen Gericht steht. Weder Nasser noch die gesamte arabische Bourgeoisie waren unschuldig an den Massakern vom "Schwarzen September". Einwurf eines Seminarteilnehmers: Vor 10 Jahren habe ich angefangen, über die Massaker des "Schwarzen Septembers" zu hören. Ich habe von vielen Syrern, die zur Bourgeoisie gehören erfahren, daß es nicht in ihrem Interesse ist, daß die palästinensische Revolution in Jordanien siegt, weil es könnte ja sein, daß sie nach Syrien übergeht. Karam Khella: Du hast absolut recht, das muß ergänzend unbedingt gesagt werden, daß natürlich hier bestimmte arabische Kreise eine solche Revolution mit den gesellschaftspolitischen Konsequenzen, die sie hat, verhindern mußten. Wiederaufbau des palästinensischen Widerstands im Libanon Die PLO konnte sich erstaunlich schnell von diesem schweren Schlag erholen. Total zerschlagen in Jordanien, Mitte 1970/71. Ein Jahr spä ter war diese Organisation wieder intakt, die militärische Stärke wiederhergestellt. Aktionen gegen das besetzte Gebiet in Israel, im besetzten Palästina,
Seite 100 werden wieder gemacht. Die Frauenverbände sind reaktiviert, die "Jungen Löwen", die Jugendorganisation in der palästinensischen Revolution ist wieder sichtbar und wichtig. Ein Berufsbildungswerk, Samid, ist sehr breit und jeder palästinensische Jugendliche kann unter den Bedingungen der Flucht eine Ausbildung bekommen, nicht nur Lesen und Schreiben, sondern auch berufliche Ausbildung. Die Lager werden elektrifiziert,... Ich habe diese libanesischen Flüchtlingslager erstmalig 1966 besucht, also noch vor dem Einzug der PLO in diese Lager. Solch ein Elend habe ich kein zweites Mal in meinem Leben gesehen. Nun aber führt die PLO ein System der gesundheitlichen, sozialen und schulischen Ve rsorgung in die Lager ein. Die PLO ist in den Libanon eingezogen und hat ihre Basis wieder aufund ausgebaut. Es ist in der Tat in eindrucksvollerweise und in ungewöhnlicher Geschwindigkeit eine Revolution wieder aktiv gemacht worden. Selbst wenn ich kürze, hier das Fazit: Die Tragödie, die wir in Jordanien erlebt haben, wiederholt sich im Libanon. Das Wesentliche daraus: Es muß gerechterweise gesagt werden, daß die PLO einiges gelernt hat, von dem was in Jordanien passiert ist, offensichtlich aber nicht genug. Kritik an - Selbstkritik der PLO zu ihrer Politik im Libanon bis 1974 1. Eine starke Revolution wird niemals toleriert. Weder vom Imperialismus, noch von Israel, noch von der arabischen Reaktion. 2. Man muß gelernt haben, daß die Waffen abzugeben so gut wie Selbstmord zu begehen ist. D.h. lieber mit der Waffe in der Hand sterben, als die Waffe abzugeben. Es ist noch nie eine Freiheitskämpferin oder ein Freiheitskämpfer deshalb honoriert worden, wenn sie oder er ihre oder seine Waffe niedergelegt hat. Der nächste Schritt ist immer, den zu liquidieren, der bisher die Waffe hatte, weil der Gegner ihm sowieso mißtraut und sagt, der wird sehr bald wieder Waffen haben, also lieber bringe ich ihn um. Die PLO hat in der Tat gelernt, das muß man gerechterweise sagen. Z.B. hat sie ihre Zusammenarbeit mit der Libanesischen Patriotischen Front verstärkt, das was in Jordanien verabsäumt worden war, sie hat auch die libanesische Bevölkerung selber politisiert, in den Waffen ausgebildet. Aber all das wurde, so gut sich das auch anhört, offensichtlich nicht in gen ügendem Maße geleistet. Die PLO hat wenig darauf geachtet, was sich auf der reaktionären Seite abspielt. Die Faschisten bekommen Nachschub, sie organisieren sich, ich kürze jetzt ab, nur die wesentlichste Entwicklung soll uns klar werden.... es kommt nach langem und wiederholtem Scharmützel zum Bürgerkrieg im Libanon.
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Bürgerkrieg im Libanon 1975-76 Ich möchte noch einmal eine Hierarchie wiederholen: Zerschlagung einer arabischen Revolution ist in erster Linie Aufgabe Israels. Israel hat das im Libanon einige Male versucht, hat versagt, wurde zurückgewiesen, deshalb wollte Israel jetzt selber nicht in Erscheinung treten. In zweiter Instanz muß der Imperialismus das tun. Das haben wir kurz vorher gesagt, daß er das im Libanon versucht hat und zurückgeworfen wurde. Also muß das hier -im dritten Rang - die arabische, hier die libanesische Reaktion tun. Die libanesische Reaktion hat zwar diese Stärke nicht, die Hussein hatte, es bleibt ihr aber keine Wahl, sie muß. Sie rekrutiert paramilitärische Organisationen au ßerhalb der regulären Armee, schafft terroristische Organisationen, die diese Säuberungsarbeiten gegen die Pal ästinenserinnen und Palästinenser tun, die physische Vernichtung pal ästinensischer Kämpfer und Kämpferinnen ausführen sollten. Die Pal ästinenser aber halten Widerstand und haben immer noch großes Durchhaltevermögen. Sie machen zwar keine offensive Politik, aber sie wehren die Aggression der Faschisten ab, und sie wehren auch die Unterstützung dieser Aggression von der israelischen Luftwaffe ab. Es kommt zu folgenden Fehlern: Auch hier im Libanon wird der Ruf laut, daß dieser reaktionäre Staat, bestehend aus Händlern, Maklern, Managern, Vertretern von ausländischen Agenturen, zerschlagen werden muß und ein revolutionärer Staat unter der revolutionären Führung des Volkes geschaffen werden soll. Noch einmal hält sich die PLO in dieser Frage zurück, was soviel bedeutet wie die Verhinderung der Lösung dieser Frage. Das wird aber nicht etwa honoriert, im Gegenteil, dieser Staat wird bald zum Instrument der Zerschlagung der palästinensischen Revolution. Der Bürgerkrieg beginnt mit Angriffen auf die Flüchtlingslager der Pal ästinenser, die immer Stützpunkte der palästinensischen Revolution sind; der entscheidende Angriff geschieht auf das Flüchtlingslager Tall az Za'tar und zwar: Jugendliche kommen nachts nach einem pal ästinensischen Festival in ihr Lager, steigen aus dem Bus und werden alle von libanesischen Faschisten umgebracht. So entsteht eine direkte Front - die libanesischen Faschisten auf der einen, die Pal ästinenser auf der anderen Seite. Und der Schauplatz dieses Krieges ist Tall az Za'tar selber. Das Flüchtlingslager wird insgesamt 53 Tage von den libanesischen Faschisten belagert. Die Palästi-
Seite 102 nenser sind eigentlich ziemlich erfolgreich bei der Abwehr der Faschisten, und diese Faschisten geben bald auf, weil sie sich in eine Situation hineinmanövriert haben, zwischen dem Amboß der Abwehr innerhalb des Lagers und dem Hammer der Palästinenser, die außerhalb des Lagers wohnen und herbeigeeilt waren, um ihre Freunde im Lager zu unterstützen. Dieser Krieg wäre also entschieden worden zugunsten der Palästinenser, nicht nur der palästinensischen Revolution, sondern auch der libanesischen National bewegung. Nun geschieht aber etwas, das diese strategische Konstellation ändert. Zum ersten Mal marschiert die syrische Armee in den Libanon, im Jahr 1976. Sie heißen Abschreckungstruppe, arabisch ar-Rad', und sie belagern die Faschisten, d.h. sie bilden einen äußeren Belagerungsring. Der Sinn dieser Belagerung ist, die Faschisten abzuschirmen vor Angriffen der Palästinenser, die von außerhalb des Lagers angreifen. So haben die Faschisten eine unverhoffte Rückendeckung bekommen. Und damit werden natürlich die Palästinenser in Tall az Za'tar den Faschisten ausgeliefert. Das hat den Ausschlag gegeben und es ist zu einem Massaker gekommen, dem 36 000 Pal ästinenser und Palästinenserinnen zum Opfer gefallen sind. Die Faschisten waren selbst Libanesen, aber ausgerüstet mit israelischen und US-Waffen, aber abgeschirmt von der syrischen Truppe der Baath-Partei, und diese syrische Truppe ist finanziert mit saudischen Mitteln. Also mensch sieht hier, daß die arabische Reaktion sehr verflochten ist mit dieser konterrevolutionären Konstellation. Was ist das Ergebnis? Ein schwarzer September ist eingetreten hinsichtlich der Opfer. Aber er ist nicht eingetreten in dem Sinne, daß die Palästinenser ihre Positionen im Libanon verloren hätten. Mensch muß bedenken, wohin der Reformismus führt. Wenn z.B. eine Revolution sagt nein, wir mischen uns nicht in die Frage des Staates, der muß vielleicht neu gewählt werden, aber das ist nicht unsere Sache, den Staat zu zerschlagen. Die Palästinenser haben gemeinsam mit der libanesischen Nationalbewegung ein Gebiet kontrolliert, das berechnet ist mit 84,5% des gesamten libanesischen Territoriums. Das heißt praktisch, daß die Gebiete, die der Zentralstaat in Beirut kontrollierte, minimal waren, der Großteil war von der Revolution kontrolliert, und diese Situation hä tte tatsächlich die Machtergreifung der Revolution gerechtfertigt. Das ist nicht geschehen. Nach dem Bürgerkrieg 1976 war diese Revolution nicht besiegt, aber sehr geschwächt worden. Die Palästinenser und die libanesische Nati onal bewegung, die aus 14 Organisationen zusammengesetzt ist, haben große Opfer
Seite 103 gebracht, viele Menschen verloren. Trotzdem ist diese Revolution geblieben, und es war klar, daß die libanesische Reaktion diese Revolution nicht besiegen konnte - die war zwar erfolgreich gewesen bei einem Massenverbrechen, aber sie hatte keinen Erfolg hinsichtlich der Liquidierung einer Revolution.
Kritik und Selbstkritik der PLO zu ihrer Politik im Libanon 1975-76 Dieser Bürgerkrieg war für die palästinensische Revolution hier im Libanon anders als in Jordanien. Die palästinensische Widerstandsbewegung hat hier sehr eng zusammengearbeitet mit der Nationalbewegung des Libanon. Aber in keiner Weise war hier ein Schwarzer September. Es war ein verlustreicher Bürgerkrieg, aber ein Schwarzer September hat nicht stattgefunden. Die Palästinenser gingen trotz aller Verluste zuversichtlich aus diesem Krieg hervor. Die Verluste waren auch territoriale Verluste der befreiten Gebiete, die sind an den Zentralstaat gegangen, was identisch ist mit Bourgeoisie und Reaktion im Libanon. Man muß ja bedenken, 85% des Libanon waren unter der Kontrolle der Revolution, im Prinzip war das Kräfteverhältnis zugunsten der Revolution und eine revolutionäre Machtergreifung im Libanon 1975 ist genauso versäumt worden wie 5 Jahre zuvor in Jordanien. Und dieses Versäumnis ist nicht ein Versehen gewesen, sondern eine prinzipielle Haltung der PLO-Führung, das ist indirekt Stabilisierung der reaktionären Regime und verhindern, daß diese Regime gestü rzt werden, und das ist ein sehr wichtiger Punkt der Selbstkritik der PLO, nein - Kritik an der PLO, leider ist diese Sichtweise noch nicht bis an die Führung vorgedrungen, sie sieht das möglicherweise heute noch nicht als einen Fehler. Geschwächt war die palästinensische Revolution vorübergehend, aber viel stä rker angeschlagen waren die reaktionären Kräfte. Das ist sehr wichtig. Am Ende dieses Bürgerkrieges wurde Bekannt, daß die libanesische Reaktion, Bourgeoisie, Feudalherren, Faschisten nicht imstande sind und nie imstande sein werden, die palästinensische Revolution zu vernic hten. Liebe Leute, es ist ein sehr wichtiger Punkt, auch eurer Nachbereitung und der Nachgespräche, zu verstehen, wie der Imperialismus mit revolutionä-
Sei te 104 ren Situationen umgeht in der Welt, und das ist hier keine Besonderheit. Daß das Aufkommen einer revolutionären Bewegung an keinem Punkt der Erde toleriert wird, dieses Aufkommen wird mit allen Mitteln bekämpft und wenn sie sonst nicht zersetzt und angeschlagen werden kann, dann kommt die physische Vernichtung. Das hat eine lange Geschichte und jedes Land, in dem eine Revolution stattgefunden hat oder stattzufinden drohte, hat diese Erfahrung gemacht. Millionen von Menschen sind umgebracht worden, also die Fixierung auf KZ's allein, in Deutschland, als wäre das das einzige Massaker, will nicht zur Kenntnis nehmen, was sonst in der Welt geschieht. Und damit will ich gleichzeitig sagen, welche Überlegungen unmittelbar nach dem Bürgerkrieg stattgefunden haben. Erneuter imperialistischer Plan zur Zerschlagung des palästinensischen Widerstands. Ich rede davon, welche Überlegungen im Zentrum des Imperialismus stattfinden, im Pentagon, in Brüssel, NATO-Hauptquartier, CIA, das ist nicht unbedingt jetzt formal zu sehen, lokalisiert in einem Büro, Pal ästina-Abteilung des CIA oder des Pentagon oder in Israel, im israelischen Kriegsministerium, sondern der Imperialismus sagt, wenn wir jetzt nicht handeln, dann gibt es eine Revolution im Libanon, in Palästina und auch im ganzen Arabischen Raum und dann ist es sehr schwer, dann kann auch der Imperialismus seinen Hut nehmen, vom Globus verschwinden und das wird nicht so leicht geschehen. Diese Überlegung ist sehr grundsätzlich für das, was jetzt kommen wird. Ich sagte eben, es gibt gegenüber der palästinensischen Revolution eine Hierarchie, eine Abfolge der Prioritäten, wer zuerst angreift. Das ist die Zuständigkeit Israels, dazu ist es geschaffen worden, dafür wird es finanziert, Israel muß vorschreiten. Versagt Israel, dann muß der Imperialismus direkt eingreifen. Und dies ist auch je nachdem flexibel. In Jordanien war es Aufgabe der arabischen Reaktion. Sie stand unter dem Druck zu handeln, das ist in der Regel auch die erste Instanz der Konterrevolution, wenn die Revolution in einem arabischen Land stattfindet. Versagt die heimische Reaktion dann muß 2. Israel eingreifen. In Jordanien war es so, daß eben diese erste Instanz, die arabische Reaktion, Hussein und seine Beduinenarmee intervenierte und Erfolg hatte, nicht aus eigener Stärke, sondern wegen Fehlern der Strategie der PLO, über die wir gestern gesprochen haben. Und jetzt hier im Libanon griff die erste Instanz ein in diesen Bürgerkrieg und scheiterte. 1976 auch nach Tall az-Za'tar und nach dem verbrecheri -
Seite 105 schen Massaker, von dem wir gestern gesprochen haben, war erkennbar, die Reaktion würde damit nicht fertig werden, das heißt, die zweite Instanz wird gerufen, und das ist Israel. Aber was kann Israel machen? Israel ist zu diesem Zeitpunkt zermürbt und kann nicht handeln im Libanon. Wir erinnern uns, also noch vor zwei Jahren hat Ägypten seinen Befreiungskrieg geführt, Israel schwer angeschlagen und die strategisch bedeutsame Ostseite des Suez-Ufers befreit - darauf kommen wir gleich zurück. 1976 hat sich Israel auf die neu entstandene Situation noch nicht eingestellt, kann deshalb im Libanon nicht ausreichend tätig werden. Ihn bombardieren und die pal ästinensischen Flüchtlingslager von der Luft aus zerstören, das kann Israel allerdings. Zivilbevölkerung, palästinensische Frauen und Kinder - die Kämpfe sind ja in den Bergen -werden täglich bombardiert. Aber das vernichtet die Revolution nicht, im Gegenteil, das ruft immer mehr Leute auf den Plan. Israel kann immer noch nicht einschreiten. Der Libanon ist ein kleiner Staat mit 3 Millionen Menschen, von denen rund 750 000, ein Viertel, Palästinenser sind. Eigentlich für Israel eine Kleinigkeit, wenn es nach seiner Legende ginge, trotzdem kann Israel nicht intervenieren und wir fragen: warum nicht? - Und um das zu beantworten müssen wir ein paar Jahre zurückgehen: Israel hat 1967 drei arabische Staaten angegriffen und postiert sehr viele Kr äfte an den Grenzen zu diesen Staaten - in Syrien ist Israel auf den Golan-Höhen stationiert, von den Golan-Höhen aus kann man gesamt Syrien kontrollieren und auch bis Damaskus bombardieren, ohne dahin marschieren zu müssen. Also Israel kann Syrien mit relativ wenigen militärischen Kräften kontrollieren von den GolanHöhen aus. Das jordanische Regime hat sein Wohlwollen und seine Friedfe rtigkeit, also seine Kapitulation gegenüber Israel hinreichend bekundet. Israel braucht nicht viel an der jordanischen Grenze zu stationieren, aber auch Jordanien absorbiert sehr viele israelische Kräfte und zwar nicht weil das Regime "böswillig ist" oder etwas vorhat gegen Israel, sondern Jordanien hat mit Israel die längste Grenze. Also Jordanien hat mit dem besetzten Palästina die längste Grenze, die ein arabischer Staat mit Palästina bzw. mit dem zionistischen Kolonialstaat hat, das sind 650 km, eine sehr lange Grenze. Entlang dieser Grenze lebt der Widerstand. Auch wenn er relativ still ist, dieser Widerstand, vor allem unter rund 2 Millionen Palästinensern, die in Jordanien als Flüchtlinge leben und er lebt natürlich auch in der jordanischen Bevölkerung, die doch auch ein Teil der arabischen Nationalbewegung ist und die bedroht ist vom zionistischen Feind. Das heißt, auch wenn das Regime friedfertig ist gegenüber dem Zionismus, ist die Bevölkerung in Jordanien
Seite 106 aus Palästinensern und Jordaniern sehr feindselig gegenüber Israel, sodaß Israel hier viele Kräfte stationiert. Aber weil es nicht damit rechnet, daß es angegriffen wird von Jordanien, ist das auch in Grenzen. Und damit will ich darauf hinaus, daß der größte Teil der israelischen militärischen Kräfte stationiert ist an der ägyptischen Front. Und das nimmt so viel Energien Israels in Anspruch, daß Israel dadurch gebunden ist und nicht flexibel seine milit ärischen Einheiten versetzen kann, weil diese ganze Kraft an der Suez-Front stationiert ist. Das sollen wir uns klar machen um die folgenden Schritte verstehen zu k önnen und in ihrem Umfang wahrnehmen zu können. 1967 besetzte Israel ägyptische Territorien - von Jordanien, Syrien und ganz Palästina abgesehen - ägyptische Territorien bis Suez. Suezka nal ist schon immer eine strategische Linie gewesen, es war also ein Ziel des israelischen Militä rs, diese Linie zu erreichen. Es hat sie erreicht und hat auch sehr viel Kraft investiert, um diese Linie zu halten, baute also eine Linie auf, die von Strategieexperten als die bestverteidigte militärische Linie in der ganzen Welt bezeichnet wird. Zwei Institute des Imperialismus machen diese Arbeit mehr oder weniger öffentlich, es gibt sicher Arbeiten, die nicht veröffentlicht werden, NATO und US-Militarismus, aber von dem Londoner Institut für strategische Studien wurde diese Arbeit in Fachzeitschriften veröffentlicht und ebenso von einem Institut in Stockholm werden solche milit ärische Untersuchungen erarbeitet. Von diesem Londoner Institut wurde diese Linie als die mächtigste der Welt und als auch als Idealform von Frontbildung dargestellt und hat den legendären Namen Bar-Lev-Linie, benannt nach einem israelischen General, der diese Frontlinie gebaut hat. Von diesem Stockholmer Institut, in Übereinstimmung mit dem Londoner Institut, in einer fachlichen Übereinstimmung, las ich auch, daß diese Linie uneinnehmbar, UNEINNEHMBAR - stell dir das vor - wäre. Das war 1967 und das ägyptische Militär hat schon unter Nasser und vor allem auch, was ja ein Anliegen der ägyptischen Nationalbewegung war, die Befreiung Sinais, ganz allgemein der besetzten arabischen Territorien, aber vor allem auch der ägyptischen Territorien gefordert. So ist der Plan zur Befreiung dieser Linie praktisch gemacht worden und es war ein gro ßes Anliegen Nassers, auch diese Befreiung zu erleben. Dazu ist es aber nicht gekommen, er ist am 28. September 1970 umgebracht worden. Aber die Planung war fertig unter Nasser, nach 1967 wurde die israelische Front, die israelische Besatzungsfront ständig angegriffen nach einem ägyptischen militärischen Konzept, welches den Namen "Zermürbungskrieg" hatte.
Seite 107 Zerm ürbungskrieg 1967-71 in diesem Zusammenhang bedeutet die täglichen Angriffe Ägyptens gegen die israelische militärische Besatzung auf Sinai. Das hat natürlich Israel sehr zermürbt, tatsächlich, weil Israel muß vor allem nicht mit seinen Waffen und nicht mit dem Geld haushalten, sondern mit Menschen. Es gibt sehr wenige Soldaten, die bereit wären, dieses zionistische Projekt zu verteidigen und auch vor allem unter Eingriffen dort zu leben. Das war deshalb tatsächlich für Israel eine ganz große Strapaz und wie der Ausdruck schon sagt, Zermürbung. Damit will ich klarmachen, welche Bedeutung der Machtwechsel in Ägypten für Israel hatte. Nach Nasser kam Sadat an die Macht und leitete eine Politik der Kapitulation und Öffnung gegenü ber dem Imperialismus und eine seiner ersten Maßnahmen war die Einstellung des Zermürbungskrieges 1971, was für Israel eine große Erholung und Entspannung war. Das war schon ganz am Anfang. Er hatte natürlich noch sehr viele andere prozionistische, pro-imperialistische Maßnahmen eingeleitet, das geht schon bis zu dem Detail, daß die ägyptischen Solidaritätskomitees mit dem pal ästinensischen Volk, die in jedem Stadtteil, in jedem Betrieb, in jeder Schule, Hochschule, Universität in Ägypten präsent waren, daß Gruppen wie hier von Sadat aufgelöst wurden - per Gesetz 1972. Soweit ging die Öffnung Ägyptens gegenüber dem Imperialismus, Zionismus, bis hin zum Hochverrat gegenüber dem nationalen Feind und vor allem auch den Feinden des palästinensischen und der arabischen Vö lker. Ich sagte aber, daß in der Armee ein vollständiger Befreiungsplan für den Sinai bestanden hat, und zwar war Sadat gegenüber Israel sehr zu Kapitulation und zu vielen Konzessionen bereit, aber im Volk selber lebte die Idee der Befreiung der besetzten Teile des Vaterlandes und in der Armee erst recht, die weitestgehend aus patriotischen Soldaten und aus patriotisch eingestellten Offizieren zusammengesetzt ist. Und so kam es unter dem Druck des Volkes und des Militärs zu dem Befreiungskrieg 1973.
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Der ägyptische Befreiungskrieg 1973 – Oktoberkrieg Ablauf und Entwicklung Dieser Befreiungskrieg hat am 6. Oktober 1973, das ist ein solches wichtiges Datum, - OKTOBERKRIEG - begonnen. Diese Befreiung, dieser Krieg war für Imperialismus und Zionismus eine große Überraschung. Keine Überraschung in der Hinsicht, daß sie jetzt angreifen in einem Überraschungsschlag, nachträ glich ist bekannt geworden, daß das israelische Verteidigungsministerium davon wußte, daß ein Angriff im Wege ist, nein, überraschend ist in jeder Hinsicht gegenüber Imperialismus und Israel: welches militärische Potential in den arabischen Armeen steckt, welche Kraft Ägypten hat, Überraschung auch hinsichtlich des Talentes in der Militärtechnik eines arabischen Staates, die diese Linie, von der praktisch alle so sicher waren, daß zwar dort Zerm ürbung und Störung gemacht werden können und daß ein paar Soldaten Israels sterben werden bei diesen Zermürbungsangriffen, aber die Linie war als uneinnehmbar eingeschätzt, und das war Dogma im Militär und tatsächlich glaubten alle - die Araber eingeschlossen -, daß man da nichts machen kann. Die Bar-Lev-Li-nie, das war eine Legende. Es ist vielleicht ein bißchen in Vergessenheit geraten, wenn wer diese Zeit nicht so unmittelbar erlebt hat, aber niemand glau bte so richtig daran, diese Linie einzunehmen. Insofern hat dieser Krieg mit seinem Ergebnis sehr vieles erschüttert, die territoriale Befreiung zum Schluß - das ist ein Nebengewinn. Vor allem war dieser Krieg auch unter dem psychologischen Effekt zu verstehen, daß sowohl innerhalb des zionistischen Lagers die Leute, die in Israel lebten und meinten, hier das Ausplünderungsparadies gefunden zu haben, in dem sie in einem Schlaraffenland leben, die waren total erschüttert und die erfuhren durch dieses Ergebnis daß es hier gar keinen Frieden mehr geben wird und daß hier jederzeit der arabische Riese aufstehen kann und all das verändert, wovon sie meinten, das Traumland gefunden zu haben. Auf arabischer Seite hat natürlich dieser Krieg mit seinen Ergebnissen die Moral ungeheuer gehoben. An sich gäbe es hier sehr viele Punkte zum Nachdenken, die auch ruhig in der Nachbereitung aufgegriffen we rden sollten.
Seite 109 Der eine Punkt war ein verräterischer Kopf an der Spitze des Staates, verkö rpert durch Sadat und sein Team. Sadat hat in seiner zu diesem Zeitpunkt dreijährigen Herrschaft sehr viel gesäubert und nicht nur Linke aus der Regierung vertrieben und auch eingesperrt, sondern auch einfach patriotisch und national gesinnte Nasseristen, die man zwar nicht revolutionär nennen kann oder antiimperialistisch, die wohl aber das Wohlergehen des Landes und das Wohlergehen des Volkes an strebten. Die waren gesäubert, aber die Umstrukturierung des Militärs konnte er so schnell nicht durchführen. Und wenn dieser Angriff unter dem Druck des Militärs und des Volkes nicht so schnell stattgefunden hätte, wäre es später gewesen, wäre es wahrscheinlich zu spät gewesen. Wir wissen, daß Sadat schon vom ersten Tag an begonnen hat zu säubern. Ein kleines Beispiel: Er hat einmal zehn führende Militärs eingeladen zu einer Konferenz in Alexandrien, darunter den gesamten Generalstab und den Verteidigungsminister, und auf dem Rückflug von Alexandrien nach Kairo ließ er dieses Flugzeug mit 13 der milit ärischen Führungskräfte und Spitzenstrategen abschießen, einschließlich des Verteidigungsministers Badawi, und damit sind eben diese 13 führenden Militärs umgebracht worden. Das heißt, er betrieb tatsächlich eine Politik, von der man sagen kann, wer da an der Spitze des Staates sitzt, muß ein Agent des Imperialismus und Israels sein. Und das war er auch. Seine Vorgeschichte ist praktisch eine Karriere von Spitzentätigkeiten, einschließlich des deutschen Faschismus, und man muß natürlich sagen, daß sein Machtantritt kein Zufall ist, sondern geplant und durchgeführt worden ist vom CIA und Israel. Und der Zeitpunkt des Todes von Nasser war auch sehr schlau terminisiert, sodaß er unmittelbar seine Nachfolge antreten konnte. So hat das ägyptische Militär mit der Initiative zum Befreiungskrieg die letzte Chance ergriffen und es war offensichtlich so, daß Sadat das offensichtlich nicht sehr einvernehmlich gemacht hat. Ein paar Hinweise so zur Militärtechnik: Gesiegt hat Ägypten hauptsächlich durch die Opferbereitschaft der Soldaten, die auch vorher davon ausgegangen sind. Jeder wu ßte von der Bar-Lev-Linie und von ihrer Uneinnehmbarkeit, ihrer angeblichen Uneinnehmbarkeit, und jeder wußte, daß Befreiung der ägyptischen Territorien nur durch große Opferbereitschaft möglich sein würde. Das heißt, es wurde in den Truppen, die den Suez-Kanal überqueren würden eingeschätzt, daß 80% von ihnen fallen werden und sie waren auch dazu bereit. So gro ß waren dann die Opfer nicht.
Seite 110 Bei der Aktion der Befreiung verloren die ersten Einheiten, die Pioniereinheiten, jeden zweiten Kämpfer. Das zeugt von großer Opferbereitschaft die nicht zu untersch ätzen ist. Aber dann waren die Verluste viel geringer und außerdem haben ägyptische Ingenieure einen relativ einfachen Plan entwickelt zur Einnahme der Bar-Lev-Linie, der in seiner Einfachheit ebenso schlicht wie genial ist. Sie haben diese Linie nicht, wie man auf israelischer Seite und auf NATO-Seite erwartet hat, von der Luft angegriffen und nicht von der See (das wäre Selbstmord gewesen), sie haben diese Linie von unten angegriffen, unterhalb der Wasser- und Bodenfläche, natürlich unbemannt, ohne Menschen, sondern nur mit Wasserschläuchen. Mit massiven Wasserschläuchen haben sie die unterste Schicht des Sandbodens überstr ömt. Und damit löste sich der Boden in Gewässer auf. Also Israel hat buchstäblich den Boden unter den Füßen verloren und das war wie ein Erdbeben, und überhaupt nicht verlustreich - das war völlig unblutig geschehen. Anschließend aber mußten die Truppen sehr schnell überqueren und diese Linie einnehmen - und das war freigestellt. Die Soldaten konnten sich für diese Aktion, die sehr verlustreich ist, freiwillig melden, und das waren tatsächlich viel mehr als erwartet, es gab viel mehr Angebot an Soldaten als das Militär für die Überführung tatsächlich brauchte. Von diesen ersten Truppen, die den Suez-Kanal überquert haben, sind 50% Märtyrer gewesen. Dann aber waren die großen Opfer nicht mehr notwendig, nachher war es praktisch leichtere Arbeit. So heißt dieser Krieg im arabischen Sprachgebrauch Überquerungskrieg. Das ist der arabische Name für diesen speziellen antizionistischen Krieg. Auf dem Sinai gibt es drei wichtige Pässe. Diese Pässe waren das zweite Kriegsziel, das sich das ägyptische Militär gesetzt hat. Ich werde, liebe Leute, nicht übertreiben, wenn ich sage, daß in den USA, im Pentagon, Washington und im NATO-Hauptquartier in Brüssel eine Erschütterung da war, eine Aufregung. Um die hier anschaulich zu machen: auf einmal, mitten im Krieg treffen sich in Ägypten die Spitzenpolitiker des imperialistischen Lagers, mit Kissinger an der Spitze, damals Hauptsicherheitsberater des US-Präsidenten und sehr vieler anderer führender Militärs, die mit Korea und Vietnam Erfahrung haben. Sie kommen alle nach Kairo, konferieren mit Sadat.
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Waffenstillstand in Ägypten, Verrat Sadats Auf US-amerikanischen Wunsch erließ Sadat den Befehl zum Waffenstillstand. Das, obwohl die Kriegshandlungen den weiteren Vormarsch der ägyptischen Truppen notwendig machten, zumal die syrische Front noch offen war. Damit sind die Pässe in israelischer Hand geblieben. Und so wurden die Pässe nicht eingenommen, die praktisch nur ein Spaziergang gewesen wären. Sinai wäre praktisch nur eine Zeitfrage gewesen, also wäre einzunehmen und zu befreien gewesen in einem Zeitraum, der nötig ist für den Vormarsch der Soldaten. Israelische Verteidigungslinien mitten im Sinai hat es nicht mehr gegeben, die Soldaten brauchten nur weiterzumarschieren und das wäre in der Tat die Fortsetzung des Krieges bis zur Befreiung nicht nur der 1967 besetzten arabischen Territorien möglich gewesen, sondern auch - bei vorhandenem politischen Willen - die Befreiung Palästinas. Man muß bedenken, daß Syrien auch im Krieg war und daß in Jordanien die Situation brannte, sodaß das Regime Schwierigkeiten hatte einen Aufruhr der Bevölkerung zu verhindern. Wenn dieser Krieg nicht so schnell beendet worden wäre, wäre auch dort ein Angriff und Widerstandsaktionen von palästinensisch jordanischer Seite nicht mehr zu verhindern gewesen. Außerdem bildeten die Palästinenser selber eine Front mitten durch die israelisch besetzten Territorien. Im besetzten Palästina selber entfalteten die Palästinenser gro ße Widerstandsaktionen. Natürlich, wenn das israelische Militär vollständig absorbiert ist, an der Front zu Ägypten und Syrien vorsichtig sein muß, daß nicht auch noch eine dritte Front in Jordanien, am Jordan eröffnet wird, hatten natürlich die Palästinenser, diejenigen die heute die INTIFADA machen, große Flexibilität und die konnten sich frei bewegen und auch in den Besitz von Waffen kommen, soda ß die gesamte Situation für Israel brannte. Und dann kann man das verstehen, was das tatsächlich bedeutet wenn der Befreiungskampf an der ägyptischen Front eingestellt wird. Das war eine Aktion die in keiner Weise gerechtfertigt ist. Und Sadat hätte diesen verräterischen Schritt im Auftrag des US-Imperialismus nicht machen können, ohne gleichzeitig sehr viele patriotische Offiziere und Gegner und Oppositionelle entweder zu erschießen oder ins Exil zu vertreiben. Mitten in den militärischen Handlungen kam es zum Waffenstillstand an der ägyptischen Front, noch während die syrische Armee im Krieg gegen Israel war! Also hier noch ein zweiter großer Verrat am syrischen Volk, das ja der israelischen Brutalität voll ausgeliefert wurde.
Seite 112 Israel brauchte unbedingt diesen Waffenstillstand von der ägyptischen Seite, um die Armee abzuziehen von der ägyptischen Front und vollständig gegen die syrische Front einzusetzen, sodaß am Ende auch die syrische Armee einen Waffenstillstand akzeptieren mußte. Als das geschehen war, ruhten die Waffen an der ägyptischen und an der syrischen Front. So konnten große Einheiten der Armee nach Palästina abziehen. Und so hat Israel zwar große Verlu ste in diesem Krieg erlitten, aber ein unverhofftes Ergebnis erreicht. Zwar eine Niederlage für Israel, eine militärische Niederlage, aber das hätte für den Zionismus vernichtende Folgen haben können. Ich übertreibe an keinem Satz von dem was ich sage, Israel hat das auch so gesehen, trotz der Propaganda im imperialistischen Lager, die alles heruntergespielt hat. Daß es so war, erkennt man daran, daß die gesamte Gründergarde Israels mit legendären Personen wie Golda Mair zurücktreten mußte, einschließlich damals kriegsverbrecherischer Personen, die man hier im Westen heroisch-legendär darstellt wie Moshe Dayan. Seine Person war mit Israel identisch, es gibt kein Israel ohne Moshe Dayan, der ist schon Held oder Krimineller, wie man es sagen will, der seit 1947, 48 von Israel nicht mehr wegzudenken war. Der mußte abtreten! Israel hat vollkommen versagt in diesem Krieg. Aber größer, viel größer als die militärische Niederlage Israels ist die psychologische Niederlage. Israel hat gelebt von einer Legende, die typisch ist für jeden faschistischen Staat. Jeder faschistisch-militärische Staat wendet eine Legende von der Unbesiegbarkeit an. Der deutsche Faschismus war unbesiegbar und hatte schon das 1000-jährige Reich eingeleitet, noch bevor 1000 Monate um waren, und wir wissen, daß er nicht 1000 Jahre herrschen konnte. Japan war unbesiegbar und die USA sind heute noch unbesiegbar und der Imperialismus ist unbesiegbar, die NATO und allen voran ist Israel unbesiegbar. Diese Legende ist erschüttert, aber man hört bis heute nichts davon. Das Israel-Bild bei den Zionisten war nicht nur faschistisch, sondern auch mythisch und mythologisch geprägt - das war am Ende und das hat eine ganz große Stärkung vor allem für die Palästinenser zur Folge. Die Palästinenser wissen, daß dieser Status unter dem sie leiden, nicht ewig ist und das hat selbstverständlich auch den Elan der arabischen Völker insgesamt gestärkt. Und nun aber wird mit diesem neuen Kapital nicht politisch gearbeitet. Nach dieser Szene, die wir uns gemalt haben, können wir die folgenden politischen Maßnahmen besser einschätzen und beurteilen, die jetzt eintreten werden. Wir sprachen vorhin vom Bürgerkrieg im Libanon 1975, 76, vom Versagen der libanesischen Reaktion, mit der palästinensischen
Seite 113 Revolution fertig zu werden, und sagten, diese erste Instanz, die gerufen wird um mit einer Revolution fertig zu werden, die erste Instanz der Konterrevolution, war nicht imstande, die palästinensischli banesische Revolution zu liquidieren, also muß die 2. Instanz, Israel, gerufen werden. Und die 2. Instanz Israel ist so zerstreut, und es brennt überall, daß Israel nicht wußte, wo es zuerst dieses brennende Feuer der Befreiung in den arabischen Ländern löschen wollte/mußte. Israel verstreute seine Kräfte an der syrischen Front, an der ägyptischen Front, die zwar ruhten, die Fronten, aber immerhin postierten sehr viele Kr äfte dort. An der jordanischen und libanesischen Front mußten außerdem noch Kräfte eingesetzt werden, selbst wenn die Regime sehr friedfertig waren, aber dem Volk war nicht zu trauen... Insofern war Israel wieder verstreut, und auch noch im Inneren des Landes brennt der Aufstand der Palästinenser. Insofern sagt Israel, wir können nichts im Libanon machen, sucht euch eine andere Lösung, wir haben keine Kräfte mehr, wir sind am Ende. Die folgende Entwicklung zeigt eine neue Qualitä t von imperialistisch -zionistischem Einfluß in der arabischen Region, die nach wie vor ebenso wichtig wie aktuell ist. Der Imperialismus leitet diese Politik ein, die in den bevorstehenden Jahren Israel in einen Stand versetzen sollte, gegen den Libanon zu handeln. Diese Politik beginnt mit einer Phase, die den Namen "Entflechtung" hat.
Entflechtung an der ägyptischen Front Das ist inzwischen ein geprägter Ausdruck, "Entflechtungsverhandlungen". Sie beginnen unmittelbar nach dem Oktoberkrieg. Also schon nach dem Waffenstillstand tritt Ägypten mit Israel in sogenannte Entflechtungsverhandlungen ein. Sie sind auch buchstäblich zu nehmen, d.h. Israel und Ägypten entflechten ihre Truppen. Das hörte sich sehr gut an, aber in Wirklichkeit bedeutet das: "Israel, du brauchst uns nicht mehr zu fürchten, wir tun euch nichts, wir ziehen uns zurück, ihr könnt eure zionistischen Soldaten nehmen und woanders einsetzen!" Entflechtung ist allerdings begrenzt, also so sicher war Israel nicht, jederzeit könnte Sadat gestürzt werden und es könnte wieder in Ägypten ausgeholt und die Sinaihalbinsel befreit werden. Befreit war nur der Streifen östlich des Kanals von rund 25 km - also nicht viel. Israel besetzt jetzt ägyptische Territorien - große Gebiete. Das Sinaigebiet, das viel größer ist als ganz Österreich, 3 oder 4 mal so groß,
Seite 114 ist also nicht zu unterschätzen, aber Israel sitzt nicht am Kanal, hat also eine strategische Position verloren, aber besetzt nach wie vor die Pässe, 3 Pässe, und besitzt auch den Sinai. Aber die Entflechtung ist nicht zu unterschätzen, die versetzt Israel in die Situation Truppen abziehen zu können. Und diese Truppen werden dann eingesetzt gegen Syrien, an der Front, innerhalb Palästinas zur Unterdrü ckung und Repression gegen das palästinensische Volk, auch an der jordanischen und der libanesischen Grenze um zu verhindern, da ß von dort aus Befreiungsaktionen gemacht werden. So war diese Entflechtung zunächst mal eine sehr wichtige Wiederbe lebungsspritze für Israel. Aber diese Spritze ist relativ bedeutungslos zu dem, was hinterher kommen wird. Sadat eskaliert diese Politik der Kapitulation, ja des Verrats im Interesse Israels in den folgenden Schritten: er tritt in Friedensverhandlungen mit Israel, in dieser Situation, wo vier arabische Länder besetzt sind!! Wo jedes arabische Land auch an der Front mit einer israelischen Aggression rechnen muß, und Sadat sitzt am Verhandlungstisch mit Israel, um mit den Zionisten ein Friedensabkommen zu machen. Insofern werden hier Grundsätze der arabischen Politik gebrochen, denn eine Doktrin, eine arabische Doktrin und Maxime, eine Selbstverständlichkeit ist, daß über die Palästina-Frage und ü ber arabische Fragen geschlossen verhandelt werden muß, und niemals separat mit Israel, weil das bedeutet Ausliefern der anderen arabischen Staaten an den Zionismus, der noch nie Mitleid gezeigt hat mit den anderen Völkern in der Region, und insofern hat Sadat hier in extremer Weise provoziert, kommt mit dieser Politik durch, und beginnt eben die Friedensverhandlungen mit Israel und es kommt zum spektakulären Auftritt Israels, zu dem spektakulären Auftritt Sadats in der israelischen Knesset am 21. November 1977, vor 12Jahren. Die sogenannte Friedensinitiative Sadats Dieser Auftritt war wahrscheinlich die größte Provokation der letzten 50 Jahre an den arabischen Völkern. 1977 spricht Sadat in der israelischen Knesset und provoziert die Araber in einer Weise, wie das wahrscheinlich in diesem Jahrhundert nie geschehen war. Alle bisherigen arabischen Spitzenpolitiker wie Abdalla, wie Faisal, wie Hassan von Marokko - wie andere Politiker verhandeln mit Israel direkt, Sadat ist nicht der erste, der mit Israel direkt verhandelt, aber die haben das alles geheim getan, weil sie sons t nicht überlebt hätten. Sadat verhandelt mit Israel nicht so einfach in einer Geheimdiplomatie wie das üblicherweise z.B. von Assad und dem Assad-Regime zum gleichen Augenblick gemacht wird, nein, er tut das ganz provo
Seite 115 kativ, ganz flagrant und tritt in der israelischen Knesset auf, und das wird auch in den Medien spektakulär aufbereitet - mit Ausnahme der arabischen Medien, das hat kein arabisches Fernsehen gezeigt auch das ägyptische nicht. Sadat ist nach diesem Auftritt nach Ägypten zurückgekommen und ist nicht hingerichtet worden, er hat erstmal weiter regiert! Damit will ich sagen, er hat sich eine Chance ausgerechnet, die niemand für wahrscheinlich gehalten hätte; so eine verräterische Maßnahme provoziert genug Leute, die ihn gebührend bestrafen - das ist nicht eingetreten, sowas. Es gibt genügend Untergrundgruppen und Geheimverbände wie den "Schwarzen September" und Bünde im Verborgenen, Bünde die sowas tun, auch einzelne Kämpfer, die das im Alleingang machen, trotzdem ist er nicht hingerichtet worden. Diese Frage besch äftigt das Denken sehr vieler, die über das Verhalten von Völkern und politischen Bewegungen, gegenüber verräterischen Regimen, also nicht speziell daß Sadat nicht umgebracht worden ist, das ist eine Leichtigkeit, sehr viele politische Kräfte wären dazu bereit und fähig, nur sagten sie, es ist ja nicht so sehr das Problem Sadat zu beseitigen, sondern das Problem ist jetzt ein alternatives Regime aufzubauen und so waren die Kräfte nicht parat, nicht vorhanden, die nach einem Sturz und der Hinrichtung Sadats den Staat aufbauen hätten können. Das ist die eigentliche Krise. Also daß niemand Sadat liquidiert, wie man später sieht, ist das nicht das Problem. Das Problem vielmehr ist, daß hier ein ganz großes Versagen der Politik von unten eingetreten ist. Das müssen wir uns klarmachen, das ist auch ein Problem, das uns hier in den Metropolen angeht. Darüber müssen wir nachdenken. Ich habe durch meine Darstellung genügend dramatisiert und dargestellt welche Tabus Sadat gebrochen hat. Kein Mensch ist bis dahin davon ausgegangen, da ß ein arabischer Politiker mitten im zionistischen Lager auftritt und dem Feind Frieden anbietet, wä hrend arabische Territorien besetzt sind, während das Land nach wie vor ständig bedroht ist, während Israel täglich massakriert am palästinensischen Volk und an anderen arabischen Völkern, hat im ganzen Raum niemand damit gerechnet, da ß in dieser Situation ein führender arabischer Politiker - nicht weil Sadat, sondern weil Präsident von Ägypten - im israelischen Parlament auftritt. Und das geschieht! Und da ist hier ein ganz großes Problem, mit dem wir uns alle befassen müssen - das ist kein arabisches Problem und kein ägyptisches, sondern ein Problem unserer Zeit allgemein und deshalb möchte ich einen Exkurs machen und den Punkt jetzt verlassen und ganz was
Seite 116 anderes jetzt besprechen und hinterher komme ich zu diesem Punkt zurück. Der Punkt, liebe Leute, der uns angeht und mich eingeschlossen, ist die Fähigkeit des Imperialismus heute Bewußtsein zu zerstören durch Bewußtseinsindustrie durch Manipulation. Wir haben alle so gelernt, der politische Demagoge der heißt Goebbels. Nur jemand der so arbeitet kann manipulieren - das könnt ihr vergessen. Wenn Goebbels heute auftreten würde oder wenn er heute leben würde, wenn er heute das Amt hätte, dann wäre er der erste Arbeitslose, der in der Schlange steht vor dem Arbeitsamt und niemand würde ihn einstellen, weil untauglich, so macht man heute keine politische Propaganda mehr, mit: "Wollt ihr Butter oder Kanonen...". Die politische Propaganda ist ganz anders. Das ist auch der Grund, warum wir gestern mit 70 Leuten eine faschistische Provokation ungeheuren Ausmaßes nicht verhindern konnten. "Man kann eh nix tun", und schauen zu, wie sowas abgezogen wird - als wäre das eine Kleinigkeit; aber das hat auch damit zu tun, daß beispielsweise in der Bundesrepublik, einem führenden NATO-Staat, da kommen die Freaks und sagen "... ach, die BRD muß raus aus der NATO. Was machen wir? Sammeln wir Unterschriften." Und sie werden unterschre iben gegen die Mitgliedschaft der BRD in der NATO. Als wäre das ein Mittel dafür, diese fürchterliche Kriegsmaschinerie zu beenden. Und das heißt, wir leben in einer Zeit der totalen Bewußtseinszerstörung. Wie entsteht das? Damit müssen wir uns befassen, darüber sollt ihr diskutieren, warum man ganz gerechte Fragen nicht darstellen kann. Daß ich also, wenn ich in einer Öffentlichkeitsveranstaltung, sagen wir zu dem Thema Palä stina, daß ich mich entschuldigen soll, daß ich mir erlaube, Kritik an Israel zu üben - das mache ich natürlich nicht, aber das tun eben die Leute, und was schreiben sie in ihren Flugblättern? "Wir wollen die Juden nicht ins Meer werfen"- so als hä tte irgendjemand das vor! Damit unterstellen sie natürlich auch, die Araber hätten das vor, oder die Palästinenser. Das heißt, wir lassen uns die Logik des Imperialismus aufdrängen. Das ist der Zustand in dem wir leben. Ohne Zerstörung des arabischen Bewußtseins und ohne Zerstörung der ursprünglichen Solidarität wäre diese Politik nicht möglich gewesen. Du kannst irgendwo auftreten, erzählen von den Verbrechen in Sabra und Shatila, zum gleichen Zeitpunkt zucken die Leute mit den Achseln und sagen "Schlimm, ach schlimm" -"Und kommst du morgen zur Demo?" - "Nein, ach nein, zu weit, kann nicht...".
Seite 117 Die Fragen der Solidarität sind nicht nur arabische, also national, sondern international, und eine Widerstandsbewegung muß sich mit solchen Fragen befassen. 10 W ährend des Seminars fand in Wien ein Umzug der Grauen Wölfe statt, der nicht verhindert werden konnte.
Das Abkommen von Camp David Sadatinitiative Der Besuch Sadats in Israel war der erste Schritt in einer Initiative von 3 Schritten, einer Initiative, die Sadat "Friedensinitiative" genannt hat. Mit einem Besuch beginnt die sogenannte Friedensverhandlung mit Israel, aber in der Tat ist es ein von den USA auferlegter Friede, eine pax americana. Ihr seht gleich, daß kein Friede kommt. Kleiner Nachtrag: Oktoberkrieg 73 - ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was das weltweit bedeutete! Im Sog des Oktoberkrieges haben viele Befreiungsbewegungen diese Welle genützt, sind auf der Welle geritten und haben ihre Befreiung durchgesetzt, es sind noch nie in den letzten 50 Jahren so viele Länder befreit worden wie in der Zeit unmittelbar nach dem Oktoberkrieg: Vietnam, Angola, Mocambique, Rhodesien, Simbabwe, die Befreiungsbewegungen in Mittel- und Südamerika haben großen Aufschwung gewonnen... Man darf also nicht übersehen, wenn ein einziger Stein des Imperialismus wackelt, dann stürzt ein ganzes Gebäude zusammen, und so unbesiegbar der Imperialismus erscheinen mag, so leicht ist er zu stürzen, wie ein Kartenhaus, wenn man es nur richtig anpackt. Die "Friedensinitiative" besteht also aus 3 Schritten. 1. Schritt: Besuch Sadats in Jerusalem im November 1977. Und dieser Besuch wird ü bergeleitet in den 2. Schritt der Kapitulation und des Verrats - die Friedensverhandlungen mit Israel, die ihren Höhepunkt erreichen im 3. Schritt, dem Abkommen von Camp-David . Dazu ist einiges zu sagen. Geschlossen wurde dieses Abkommen am 21. September 1978. Nun zuerst aber die Darstellung von Camp David in den europäischen Medien. Nun, Camp David ist der Feriensitz des amerikanischen Präsidenten. Unterzeichnet wurde das Abkommen von dem ägyptischen Präsidenten Sadat, vom israelischen Regierungschef Begin und vom amerikanischen Präsidenten Carter. Sadat wurde zum Mann des Jahres gewählt, Newsweek wählte ihn zum Mann des Jahres, tagaus, tagein wird hier ein arabischer Politi
Seite 118 ker präsentiert; normalerweise werden Leute aus dem arabischen Raum lächerlich gemacht hier, sodaß die Menschen, die vor ihren Fernseher hier sitzen, Verachtung gegenüber diesen Menschen dort empfinden müssen. Das gehört zur Kriegsführung hier allgemein. Und deshalb fällt natürlich auf, daß die Medien plötzlich in einer ungewöhnlichen Art und Weise über einen arabischen Politiker reden und von ihm positiv gesprochen wird. Sadat wurde immer in einer nachdenklichen Pose dargestellt - sehr medienfähig, und die ganze Geschichte gipfelt darin, daß er dann auch noch den Friedensnobelpreis bekommen hat. Für diese "Friedensinitiative" Sadats, bzw. paxamericana mußte ursprünglich eine viel längere Zeit anberaumt worden sein, als tatsächlich eingetreten war. Unvorhergesehene Ereignisse haben den dritten Schritt der Initiative beschleunigt, sodaß er zeitlich vorverlegt werden mußte. Es handelte sich nämlich um den für den Imperialismus unerwarteten Fall des Schah im Iran. Sommer 1978: Aufstand im Iran, Sturz von Mohammed Reza Pahlewi. Es ist festzuhalten, daß dieser Sturz eine Errungenschaft des iranischen Volkes war und nicht in irgendeiner Art und Weise manipuliert worden ist, so wie das dargestellt wird. Es ist sehr typisch für die bü rgerliche Darstellung, die Geschichte so aufzuarbeiten, daß den Völkern die Fähigkeit zum revolutionären Handeln genommen wird. Das Volk erscheint als passive Masse, unfähig, Geschichte zu machen, Dinge zu verändern. Wir sehen also, daß wir unser Wissen neu aufbauen müssen. Ursprünglich mußte eine längere Zeit vorgesehen sein, um die ägyptische und israelische Annäherung propagandistisch und psychologisch vorzubereiten. Der Sturz des Schah hat lä ngeres Warten nicht mehr erlaubt. Der Imperialismus muß sehr schnell handeln und Sadat muß dieses Vakuum auffüllen, das durch das Verschwinden des Schah eingetreten ist. Der dritte Schritt der "Friedensinitiative", die ägyptisch-israelische Versöhnung, wird nun getan: Der ägyptisch-israelische Friedensvertrag vom 21.3.1977. Wir werden gleich sehen, daß dieser Vertrag alles andere als Frieden zum Inhalt hatte. Der Friedensvertrag Ägypten-Israel hatte den Sinn, da ß Israel sein begrenztes militärisches Potential abzieht und woanders neu einsetzt. Die Pal ästinenser haben zwar große Verluste im libanesischen Bürgerkrieg erlitten, aber sie haben ihr Kräftepotential beibehalten, also da mußte gehandelt werden von imperialistisch-zionistischer Seite her, diese Revolution mußte zerschlagen werden. Israelische militärische Einheiten mußten von der ägyptischen Seite abgezogen werden, können nur kraft der "Versöhnung" an den Libanon verlegt werden. Dieser Friede damals war in Wirklichkeit ein
Seite 119 Vernichtungskrieg und jede Nachricht hier in den Medien darüber auch. Sadat hat vielleicht Milliarden Mark auf sein Privatkonto bekommen. Nebenbei ist zu erwähnen, daß dieser Camp-David Vertrag eine ganz individuelle Handlung von Sadat selber war.
Erste israelische Invasion in den Libanon Israel also braucht seine Truppen, die von der ägyptischen Front abgezogen werden, um konzentriert den pal ästinensischen Widerstand anzugreifen. Israel konnte nicht mal auf die Unterschrift des Camp -David Abkommens warten, sondern schon in der Verhandlungsphase hat es -einvernehmlich mit Ägypten - Truppen abgezogen, um die Invasion in den Libanon zu machen im März 1978. Und zur gleichen Zeit, also als Folge dieser Entflechtung, hat Sadat seine Truppen weit zur Westgrenze verlegt, an die libysche Grenze. In Libyen begann in dieser Zeit eine neue Phase der Revolution, und wenn es nach dem Willen der USA und nach der Zustimmung Sadats gegangen wäre, wollten die USA am liebsten einen iranisch/irakischen Krieg dort machen, d.h. einen Bruderkrieg zwischen Ägypten und Libyen. Das war aber nicht gelungen. Sadat hat schon die libysche Luftwaffe bombardieren lassen, aber zu einem Krieg ist es nicht gekommen, weil die Soldaten sich geweigert haben. Es kam zu vielen Hinrichtungen in der ä gyptischen Armee, auch von Offizieren, weil sie sich geweigert haben, Befehle umzusetzen. Diese Armee war nicht einsatzbereit gegen ein anderes arabisches Volk. Es war die gleiche Armee, die den Suez-Kanal befreit hat. Also es gab hier ein Bewußtsein, das noch nicht völlig zerstört worden war. Dieser Krieg mußte eingestellt werden, die USA waren gezwungen, selber Libyen anzugreifen. Sadat übernimmt die Rolle des Schahs, er sandte überall Truppen hin, nach Zaire, um dort den Aufstand niederzuschlagen, in die Westsahara, in den Sudan, nach Afghanistan, in den arabischen Golf, ... Also der Imperialismus ist angewiesen auf die Kollaboration von Regimen der unterjochten Länder. Ein wichtiger Punkt ist, da ß es sehr verkürzt ist, den Zionismus als Kolonisierung von Palästina zu verstehen. Das Ziel des Zionismus ist nicht nur auf Palästina beschränkt, oder den Arabischen Raum, sondern er steht im Auftrag des Imperialismus. Die USA und die BRD zahlen Jahr für Jahr Milliarden von Dollar. Das ist eine ungeheure Dimension, das sind so ungeheure Beträge, und die zahlen das nicht aus Liebe zu den Juden, sondern aus Interesse.
Seite 120 Aber weiter bei unserer Entwicklung: Wir sind bis jetzt bis zum Friedensvertrag gekommen. Der sieht so aus: Das Abkommen besteht aus zwei Teilen. Camp David, das ist ein Vertragswerk mit vielen Einzelheiten und technischen Überlegungen, welche Waffen und wieviel und so, Camp David, dort wurde eines der wichtigsten Vertragswerke des Jahrhunderts geschlossen. Der eine Abschnitt ist auf Ägypten bezogen, welches Beziehungen zu dem zionistischen Staat Israel hat, der zweite Abschnitt ist auf Palästina bezogen und diesen Abschnitt kannst du praktisch vergessen, der steht nur auf dem Papier, davon ist nichts gemacht worden. Trotzdem zeigt es, was der Imperialismus für Plä ne mit diesem Vertragswerk hatte. Dort steht was von einer "Autonomielösung'' Palästinas, weil sie nicht so offen sagen wollen: "Wir wollen keinen palästinensischen Staat". Das Abkommen ging so weit in die Einzelheiten, daß auch geregelt wurde, wieviel Wasser von Palästina nach Israel geleitet werden sollte, mit welchen Gewehren die palästinensische Polizei ausgerüstet werden sollte, wo die palästinensische Polizei nicht ausgerüstet werden durfte, denn die Palästinenser sollten entwaffnet werden, aber die Polizei natürlich muß es geben. Und dann hat Israel die Waffen mit Namen genannt, und diktiert, es sollen solche oder solche sein. Es sollten Waffen sein, die nicht geeignet sind, sich gegen Israel zu wenden. Jetzt, 12 Jahre danach wissen wir, daß dieses Abkommen für Palästina nur auf dem Papier existiert, mit gewisser Überspitzung wäre zu sagen, daß Camp David möglicherweise auch gescheitert ist, hat also die Erwartungen, die der Imperialismus und Israel in das Abkommen gesetzt haben, nicht erfü llt. Es wurde auch gesagt, daß Sadat persönlich 30 Milliarden Dollar fü r diesen Vertrag bekommen hat. Jetzt beginnt der Abzug der israelischen Truppen
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Die zweite und dritte israelische Invasion des Libanon Der Sinai ist noch besetzt, der Abzug beginnt. Diese Truppen werden von Sinai über ganz Palästina verlegt nach dem Libanon, dort kommt es zur 2. Aggression im Jahre 1981. Mitte Juli bis Ende Juli ist die 2. israelische Invasion im Libanon. Das ist ein wichtiges Eckdatum. Israel hat nicht vorgehabt, den Sinai zu räumen, trotz Vertrag. Israel hat den Vertrag so gedreht, daß nur ganz wenig Truppen vom Sinai abziehen mußten. Vertragstreue ist für Israel sowieso nie ein Grundsatz gewesen. Entgegen dem Vertragswerk blieben viele israelische Truppen auf dem Sinai. Ich nenne das im Libanon eine Invas ion, das hei ßt: Besetzung ganzer Territorien, der Libanon wird bombardiert bis zum heutigen Tag, und nicht nur der Libanon, sondern die palästinensischen Flüchtlingslager und die Gebiete, wo der palästinensische Widerstand sehr stark ist, also eine Invasion mit Besetzung ganzer Territorien im Süden und Osten Libanons. Und das geschieht jetzt zum zweiten Mal. Man muß sich klarmachen, welcher Widerspruch zwischen der Propaganda des Friedens und der Realität des Krieges besteht. Diese 2. Invasion hat an Verbrechen nicht gespart. Ganze Stadtteile des Libanon wurden vernichtet, z.B. der Stadtteil Fake-Hani, das ist der rote Stadtteil in Beirut, wo die Arbeiter und Arbeiterinnen wohnen, wo arme Familien wohnen und wo natürlich der Widerstand ist. Der Libanon ist seit vielen Jahren auf See von israelischen Marineeinheiten belagert. Syrien betreibt seit 1976 durch das Baath -Regime eine feindliche Politik gegen den Widerstand im Libanon und gegen die palästinensische Befreiungsbewegung, aber es war auch die Politik der PLO, Syrien möglichst nicht zum Gegner zu machen. Und wenn das Regime in Syrien nicht als Freund zu gewinnen ist, dann soll es wenigstens neutralisiert werden, weil jetzt der palästinensische Widerstand konzentriert sein muß gegen den israelischen Feind. Aber seit 1975/76 ist erkennbar, daß zum syrischen Regime kein Vertrauen mehr ist, Tall az-Za'tar wäre ohne Syrien nicht möglich gewesen. Die israelische Aggression kommt Mitte Juli 1981 in aller Grausamkeit, neue Waffen werden erprobt gegen die Zivilbevölkerung. Aber größer als die Kriegskriminaiität der Israelis war die Bereitschaft des palästinensischen und libanesischen Widerstands zur Abwehr. Und so ist die 2. Invasion zurückgeschlagen worden, Israel hat keine Gewinne daraus erreicht, außer Massenmord an Palästinensern und auch Libanesen. Begin und dessen Regierung müssen einsehen, daß trotz aller Verbrechen der Widerstand nicht schwächer, sondern stärker wird. Und so muß Begin
Seite 122 einsehen, da ß er seine Truppen aus dem Sinai abziehen muß, wenn Israel im Libanon etwas erreichen will. Nun das wichtige Eckdatum: 25. April 1982 - Abzug der letzten israelischen Truppen aus dem Sinai. Kurz aber noch zur Medienpolitik hier, mit welch spektakulärer Aufbereitung die westlichen Medien und BRD-Fernsehen den Abzug der israelischen Truppen aus dem Sinai dargestellt haben: Ja, die Friedfertigkeit Israels, da sieht die ganze Welt diese Friedenstaube Israel, mitten in einer feindlichen Welt zieht es seine Truppen ab, und macht sich dadurch erpreßbar. Das westdeutsche Fernsehen hat nicht gespart zu zeigen, mit welcher Gewalt Israel die Siedler aus dem Sinai wegtransportiert... da konnte niemand mehr an der Friedensfähigkeit Israels zweifeln. Am 4. Juni 1982, das sind 6 Wochen später, greifen die gleichen "friedlichen Truppen" Israels, die vom Sinai abgezogen wurden, den Libanon an. Die Darstellung der dritten israelischen Invasion vom Juni bis August 1982 ist identisch mit den Ausführungen des Autors in: Karam Khella, Israelischarabischer Konflikt. Wir verweisen auf diese Literatur. Die israelische Aggression gegen den Libanon vom Sommer 1982 endet mit der militärischen Zerschlagung der PLO; ein Ergebnis, das weniger auf die zionistische Kriegslinguistik, als vielmehr auf fehlerhaftes Widerstandsverhalten der PLO zurückzuführen ist. Die wichtigsten Fehler der PLO sind: 1. Zunehmendes Abrü cken vom Prinzip des langanhaltenden Volksbefreiungskrieges und Zurückgreifen auf Formen der regulären Kriegsf ührung. 2. Zu starke Konzentration des Widerstands in den Städten, insbesondere Beirut, und relativ geringe Präsenz auf dem Land. 3. Die verstärkte Illusion der PLO-Führung in die Bereitschaft Israels, sich mit den Palästinensern zu einigen. Der Libanon, der zu einem Grab der israelischen Invasoren hätte werden sollen, ist zum Aufmarschgebiet für die Zionisten zur Zerschlagung der PLO geworden. In einer Vierecksvereinbarung von USA, Saudi-Arabien und Israel wurde ein Waffenstillstand mit der
Seite 123 PLO herbeigeführt, der am 21. August 1982 eingetreten ist. Nun wird im Libanon eine faschistische Macht installiert und Imperialisten und Zionisten und die arabische Reaktion können der PLO ihre Bedingungen diktieren. Diese Bedingungen lauten: * Abgabe der Waffen * Abzug der PLO aus dem Libanon und Zerstreuung der Kämpfer auf sieben verschiedene, weit entfernte arabische Staaten Dieses Ergebnis erinnert fatal an die Folgen des Schwarzen September. Seit 1982 stellt die PLO keine militärische Macht mehr dar und wird deshalb von keiner Seite ihrer Gegner ernst genommen.
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Palästinensische Widerstandstheorie Bis 1982 war die Widerstandstheorie ungefähr folgende: jede Theorie zur Befreiung Palästinas ging davon aus, daß die Befreiung von au ßen kommen wird, von Palästinensern, die jenseits der israelisch besetzten Gebiete ihre Basen in den Flüchtlingslagern haben. Die Befreiung wurde erwartet von dem im Libanon organisierten Widerstand, und vielleicht mit Hilfe der arabischen Armeen. Das war die Strategie bis dahin. Niemand war der Auffassung, daß die Befreiung auch von innen her kommen konnte. Die militärische Zerschlagung der PLO im Libanon wurde nun vom Volk im besetzten Palästina als Herausforderung verstanden, nunmehr selbst initiativ zu werden, und das palästinensische Volk ruft zum Aufstand auf, was auch eingetreten ist. Offensichtlich hat die Schwäche der Palästinenser außerhalb Pal ästinas und auch das Nichterreichen des Zieles durch die Widerstandsorganisationen außerhalb des besetzten Landes die besetzte Heimat, das Volk motiviert, nunmehr seine Anstrengungen von innen her zu verstärken. Das heißt, dieses sehr negative Ergebnis des Li banon, der Invasion im Libanon durch den Zionismus stellte eine gro ße Herausforderung an die Palästinenser im Inneren Palästinas dar. Und so haben die Palästinenser allen Bedingungen zum Trotz sich zusammengeschlossen und sich in Bewegung gesetzt, den Widerstand und Aufstand ins Leben gerufen, der ja nicht aus dem Nichts gekommen ist, sondern eine Eskalation des bisherigen Widerstandes darstellt. Und so kam es nach einer systematischen planvollen Steigerung in den Jahren 1983, 84, 85, 86 zu einem Volksaufstand in P alästina seit dem 8. Dezember 1987. Zwischenruf: Die Abu Mussa Abspaltung ist auch vertreten im besetzten Palästina. Karam Khella: Ich habe den Eindruck, wenn ich persönliche Eindrücke von mir geben kann, daß Abu Mussa nichts hält vom bewaffneten Kampf in Palästina. Die berufen sich nicht einmal auf die Basis in Pal ästina. Die politischen Erklärungen der Intifada, das sind über 40 bis jetzt, zeigen auch deutlich, daß Abu Mussa kein Bein im besetzten Palästina hat. Seine Organisation wird auch sehr oft kritisiert in den Erkl ärungen, sodaß man sagen kann, daß er an der Intifada nicht beteiligt ist. Zwischenruf: In der Vereinigten Nationalen Führung sind vier Organisationen vertreten, die hauptsächlich in den besetzten Gebieten operieren. Das sind die Fatah Arafat, die DFLP, die PFLP und die Kommunistische Partei
Seite 125 Pal ästinas. Es gibt aber Zusammenarbeit zwischen der Vereinigten Nationalen Führung und den anderen Gruppen, die nicht in der Vereinigten Nationalen Führung sind. Dazu muß man sagen, daß die Vereinigte Nationale Führung im Laufe der Intifada und ihrer Entwicklung eine gewisse Hierachie gebildet hat. Es gibt sozusagen die Führung für das ganze Land, für Westbank und Gazastreifen, aber es gibt auch lokale Führungen. Diese Führung, die für das ganze Land ist, koordiniert die Arbeit der verschiedenen Führungen auf lokaler Ebene. Also auf lokaler Ebene sind die Leute anders vertreten als auf Landesebene. Karam Khella: Das ist richtig. Ich wüßte für meinen Teil z.B. nichts an einer Beteiligung Abu Mussas an der Vereinigten Führung von den besetzten Gebieten. Aber ich kann sehr gut verstehen, wenn in einem Dorf oder in einer Ortschaft eine politische Kraft wichtig ist und Basis hat, daß sie auf jeden Fall in der lokalen Führung beteiligt ist und außerdem ist dort eine Organisation beteiligt, die außerhalb von Pal ästina nicht vertreten ist, und das ist Gihad, und zwar nur im Ghazastreifen, nicht aber auf der Westbank. In Jerusalem schon. Was wir dabei zu tun haben, ist : Öffentlichkeit dafür herzustellen. Die politische Praxis wird sich beschäftigen, welchen Sinn die imperialistische Politik allgemein und besonders in bezug auf Palästina hat. Die Welt in der wir leben ist vielfach geteilt, es gibt sehr viele Widersprüche, sehr viele Konflikte, aber der Widerspruch, der mit Abstand der wichtigste ist, ist die Spaltung der Welt in imperialistische Staaten, die Vorteile haben und eine Minderheit stellen und die unterdrückten Völker auf der anderen Seite. Wir müssen uns damit befassen, wie wir diese Situation verändern. Wenn ein Baustein des imperialistischen Gebildes fällt, droht das ganze Gebäude zusammenzufallen.
Haltung der KP Palästina
Die kommunistische Bewegung in den Drei Kontinenten und ihre Krise, jetzt speziell bezogen auf Palästina. Diese Frage ist einer der brennendsten Punkte der Theoriediskussion heute. Die Krise der KP Pal ästinas spiegelt in etwa die Krise der kommunistischen Weltbewegung wieder, diese hängt zusammen mit einer fehlerhaften Darstellung der Revolutionstheorie. Die Frage ist: wie findet die Befreiung der Welt statt; was anderes will der - Kommunismus nicht, und der Marxismus hat dazu einen Ansatz. So sagten die kommunistischen Parteien, es gibt einen Weg zur Befreiung, das ist der Klassenkampf. Aber was wir real erlebt haben im Laufe der Jahrzehnte un d
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zwei Jahrhunderte ist, daß die Völker ihre Bewegungen, ihre Mobilisierung gegen die Fremdherrschaft, gegen die imperialistische bzw. kolonialistische Herrschaft geführt haben, das hat zur Befreiung geführt, die Befreiung von der Klassenherrschaft folgte hinterher. Deshalb hat die nationale Befreiungsbewegung Gewicht gegenüber kommunistischen Parteien. Die kommunistischen Parteien standen sehr oft außerhalb der nationalen Befreiungsbewegungen, bis sie ganz isoliert wurden, oder bis sie eine Korrektur vorgenommen haben. Diese Krise finden wir auch in der KPÖ und den anderen kommunistischen Parteien. Sie ist also keine besondere Krise. Die kommunistische Partei sagt jetzt, Zionismus oder nicht, kolonialer Kampf, wichtig ist, daß wir hier die Herrschaft der Arbeiterklasse installieren, die Arbeiterklasse an die Macht bringen. Alles andere kommt dann von selbst, und deshalb hat sie die Frage der zionistischen Einwanderung in Palästina völlig ausgeklammert, ja noch mehr als das, es sind Zionisten in diese Partei eingetreten, bzw. sind jüdische Mitglieder eingetreten, da ist ja nichts dagegen zu sagen; in allen arabischen Parteien gab und gibt es noch heute Menschen jü discher Herkunft in wichtigen Positionen, sie sind Funktionäre, nicht wenige führende Kader der arabischen kommunistischen Parteien sind auch jüdische Araber, sodaß dies keine Besonderheit darstellt. Nur diese Juden in der KPP, oder diese Fraktion, die jüdische Fraktion in der KPP hat die arabische Nationalbewegung diffamiert, des Chauvinismus bezichtigt. Und jede Maßnahme gegen die zionistische Einwanderung als reaktionä r hingestellt und sogar dem Palästinaaufstand 1936 die Unterstützung versagt und sagt: "Nein, das ist kein Kla ssenkampf, diesen Aufstand können wir so nicht unterstützen." Obwohl er sich gegen den englischen Kolonialismus gerichtet hat. Das hat zu einer Spaltung innerhalb der KP geführt und diese Spaltung war sehr stark eine Spaltung zwischen einer arabischen und einer jüdischen Fraktion, das heißt sehr viele, nicht alle Juden begü nstigten direkt oder indirekt eine Linie, die den Zionismus unterst ützt, und sagten: "Diese Ausschreitungen gewisser paramilitärischer Organisationen sind Entgleisungen." Diese zionistische Fraktion der KPP diffamierte den Palästina-Aufstand 1936 -1939 als Feudalismus-hörig, forderten dafür sogar die Forcierung der Einwanderung von Europäern jüdischen Glaubens nach Palästina: "Die würden hier Kultur und Zivilisation einbringen, während diese arabische nationale Befreiung nationalistisch ist und kein Klassenkampf." So hat eine große Spaltung zwischen der KP Palästinas und einer jüdischen Fraktion stattgefunden. Diese jüdische Fraktion hat verschiedene Entwicklungen gemacht, bis sie später in Israel nach unterschiedlichen L äufen in den 60er Jahren in die Rakah Partei umbenannt wur
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de, zu deutsch: Kommunistische Wahlliste, eben eine Gegenliste von Kommunisten. Israel hat diese Partei zugelassen, übrigens können sich Palästinenser in allen israelischen Parteien organisieren, also unter gewissen Bedingungen, in Grenzen, die Zionisten freuen sich sogar, wenn Palästinenser dahin kommen. Viele Palästinenser sagten, Rakah ist noch am ehesten die Partei, in der wir uns organisieren können. Heute noch betrachtet die Rakah die arabische Nationalbewegung als eine chauvinistische B ewegung, offiziell vertritt sie die zionistische Legende von der Unabhängigkeit Isreals, das heißt Palä stina sei nicht vom zionistischen Siedlerkolonialismus besetzt, sondern der Zionismus habe Palästina für die Israelis befreit. Der Apartheidstaat Israel, das rassistische Herrschaftsprinzip wird von Rakah voll bejaht. Konzessionen macht Raka nur noch in der Grenzfrage. Sie fordert ein Israel innerhalb der Grenzen vor 1967, lehnt jedoch nicht alle Annexionen, die Israel nach dem Junikrieg vorgenommen hat, insbesondere bezogen auf Jerusalem, ab. Das heißt, Rakah fordert nicht einmal die Rückkehr zum UNO-Teilungsplan 1947. Den bewaffneten Kampf lehnt die Rakah ab, vor allem gegen Israel, und das hat das Interesse der palästinensischen Araber an Rakah seit den 70er Jahren sehr geschwächt, und dadurch hat abna el balad einen großen, starken Zulauf erhalten. Frage: Mir kommt vor, deine Darstellungen beziehen sich irrsinnig stark auf den Arabischen Raum, der seine Besonderheiten hat, weil diese antiimperialistische Befreiungsrevolution findet ja statt in anderen Kontinenten unter der Führung von Organisationen, die deklariert marxistisch -leninistisch sind... außer im Arabischen Raum. Heißt das, im Arabischen Raum gibt es keine Kommunisten? Komme ntar von anderem Seminarteilnehmer: Ja, schon, aber die sind marginalst. Zu dem Argument, die Kommunisten würden den Befreiungskampf der Völker, die antiimperialistische Revolution negieren - das zeigt sich ja in Südamerika, in Schwarzafrika und in Asien, daß das so nicht stimmt. Karam Khella: Dieser Eindruck von dir steht zu unrecht. Richtig ist, da ß Kommunisten und andere Marxisten-Leninisten sowohl in den arabischen Ländern als auch in anderen afro-asiatischen und südamerikanischen Ländern in dem Maße soziale Basis gewonnen, sich verankert haben, wie sie sich den Befreiungskampf zu eigen gemacht haben. Also, diese Situation hat sich sehr verbessert in den letzten Jahren, denn keine KP und überhaupt keine Partei kann dort Basis gewinnen ohne eine antiimperialistische Orientierung. Du wirst dich wundern, du nennst sie Kommunisten - aber nenn mir einen arabischen
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Staatschef, egal wie reaktionär er ist, der keine antiimperialistische Haltung hat, der Sprache nach. Das tun alle, egal ob König Hassan von Marokko, oder König Hussein von Jordanien, d.h. in diesen Ländern kann kein Politiker Fu ß fassen ohne zumindest verbalen Antiimperialismus. Frage: Assad träumt ja schon von einem großsyrischen Reich, oder? Antwort: Assad ist der größte Antiimperialist überhaupt, wenn es der Sprache nach geht. Was ich jetzt versuche zu problematisieren, ist in der Tat nicht sehr einfach, und wahrscheinlich handle ich mir dabei berechtigte Vorwürfe ein. Ich möchte diese Frage der Theoriebildung nicht polemisieren, d.h. meine Position als die richtige oder falsche darstellen, das führt zu keinem besseren Verständnis. Ich möchte lediglich sagen, worin diese Probleme bestehen. Es stimmt, viele Befreiungsbewegungen prä sentieren sich als marxistisch-leninistisch, z.B. innerhalb der PLO ist die PFLP die Organisation, die ganz links steht. Die nennt sich marxistisch -leninistisch, oder genauer gesagt, sie sieht den Marxismus-Leninismus als Weg zur Befreiung an, das steht im Programm, d.h. allgemein, praktisch, daß dies eine revolutionäre Tradition ist, die wir so annehmen; das heißt aber nicht, daß der MarxismusLeninismus in seiner klassischen Form und im europäischen Verst ändnis übernommen wird. Ich bin der Meinung, daß z.B. die vietnamesische Revolution, die auch den Marxismus-Leninismus anerkannt hat, ganz was anderes gemacht hat. Das sollen wir herausstellen. Ich möchte jetzt nicht den Marxismus-Leninismus als eine nicht revolutionäre Ideologie darstellen, sondern vielmehr sagen, da ß hier Mängel sind, die wir herausfinden sollen. Sehr oft haben sich Parteien marxistisch-leninistisch genannt, und wenn sie wirklich revolutionär wären, so müßten sie eigentlich diesen Mangel ausfü llen. Daß das, was ich gesagt habe, richtig ist, zeigt sich an einigen Beispielen, die ich jetzt in aller Schnelle sagen will: Einmal die algerische Revolution, das ist typisch für diese Kritik - aber diese KP in Algerien durfte es gar nicht geben. Sie wurde verboten, aber nicht vom französischen Kolonialismus, sondern von der kommunistischen Partei Frankreichs. Sie erlaubte es nicht, in Algerien eine eigene Partei zu haben, sondern duldete nur eine "algerische Sektion" der KPF. Diese algerische Sektion der KPF hat sich herausgehalten aus der FLN. Die KPF sagte, in Frankreich muß die Arbeiterklasse an die Macht kommen, dann kommt die Befreiung Algeriens von selbst. So konnte die KP Algeriens, als Teil der KPF, real mit der FLN nicht zusammenarbeiten, bis sie gesehen hat, daß das gesamte algerische Volk für die Befreiung kämpft, und am Ende versuchte sie ihre Isolation zu überwinden und den Anschluß an die FLN wieder zu finden.
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Frage: Die KP Palästina, die ja jetzt in der PLO ist, weil es ja offensichtlich darum geht, wer sich jetzt kommunistisch nennt, dies aber in der Praxis nicht ist, diese KP Palästina führt ja bis heute keinen bewaffneten Kampf. Sie dürfte eigentlich gar nicht in der PLO sein, weil in der Nationalcharta steht, daß jede Organisation, die im Exekutivrat sitzt, den bewaffneten Kampf führen muß. Wenn sich wer kommunistisch nennt, heißt das so einmal noch gar nichts. Antwort: Ja, das ist richtig. Die Palästinensische Nationalcharta sagt, da ß die PLO eine Dachorganisation von Kampforganisationen ist. Eine Organisation, die den bewaffneten Kampf nicht führt, hat tatsächlich keinen Sitz, außerdem hat die PLO beschlossen, um Organisationsbildungen nicht beliebig zu fördern, jetzt werden überhaupt keine neuen Organisationen aufgenommen, um auch ein bi ßchen die Gründungsfreudigkeit von Organisationen zu bremsen. Trotzdem ist die KP Pal äst ina aufgenommen worden. Dazu ist einiges zu sagen: Zwischenruf: Als eine Stimme zur Stärkung Arafats. Karam Khella: Ja, ganz richtig. Kurz, Palästina ist eingeteilt in sehr viele geopolitische Unterteile. Einmal gibt es die 1948 besetzten Gebiete, das sogenannte Kerngebiet Israels (der zionistische Sprachgebrauch "Kerngebiet" ist nicht unkritisch zu übernehmen, weil dahinter das Konzept Groß-Israels steht, also Israel bis 1967 als Ausgangspunkt für Groß-Israel betrachtet wird.), dieses Gebiet ist das Einzugsgebiet der Rakah, die den Pal ästinensern der 1948 besetzten Gebiete verbietet, eine eigene KP zu grü nden und eigene Gewerkschaften - außerhalb der zionistischen Histadrut - zu formieren oder gar die palästinensische Fahne bei politischen Aktionen, Demos, Veranstaltungen zu tragen. Ferner die Westbank, die 1967 von Israel besetzt wurde, und bis dahin unter jordanischer Verwaltung gestanden hat. Deren Kommunisten waren bis 1967 Mitglieder der im Untergrund tätigen jordanischen KP. Der Gaza-Streifen, ebenfalls von Israel 1967 besetzt, bis dahin aber unter ägyptischer Verwaltung, verfügte jedoch über eigene Organisationsformen; das heißt von analogen ägyptischen Organisationen unabhängig. Sie führten die Tradition der alten KP Palästinas fort. 1982 verselbständigte sich die KP Palästinas von der jordanischen KP. Die KPP wurde neu gegründet und umfaßte Westbank und Gaza unter dem Vorsitz von Barguti.
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Es gibt außerdem noch das annektierte Jerusalem, das Rakah als ihr Einzugsgebiet beanspruchte und es gibt die syrischen Golanhöhen, deren Kommunisten ebenfalls von Rakah beansprucht werden.
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Perestroika und Zionismus Der Palästinakonflikt kann nicht losgelöst gesehen werden von dem, was im Weltmaßstab geschieht. Und auch die Politik des Imperialismus gegen über der SU stellt die Palästina-Frage an oberste Stelle der Tagesordnung. Es hört sich paradox an, aber ich möchte das an einem Beispiel klar machen: Dieser Beginn des Aufstandes war natürlich abzusehen von denen, die das verfolgen dort, sowohl von den Soli -Kräften als auch vom Imperialismus. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß am Vortag sich Reagan und Gorbatschow das erste Mal getroffen haben, um eine neue Politik einzuleiten, Kastroika-Politik oder wie das heißt. Aber dieser Kastroika-Pe-restroika-Hokuspokus hat natürlich auch mit dem zu tun, was allgemein im Weltmaßstab geschieht und was in Palästina geschieht. Und ich möchte nur ein kleines Detail darstellen, wie die Dinge hier zusammenpassen: Offensichtlich hat die Sowjetführung unter Gorbatschow großen Wert gelegt auf das Abkommen mit den USA. Das haben die USA am Anfang abgewehrt, aber... Zwischenfrage: Welches Abkommen meinst du? Antwort: Das, das nachher zwischen Gorbatschow und Reagan am 8.12. unterzeichnet wurde. Die USA haben dann, nach anfänglicher totaler Ablehnung, ihre Politik ge ändert und sagten: "Nein, wir einigen uns mit euch, aber vorher muß einiges geregelt werden." Und das Erstaunliche ist: Lange, bevor sich Gorbatschow und Reagan getroffen haben, hat die US-Administration verschiedene Orientierungen gesetzt, die erst nachdem Abkommen einsetzen sollten. Aber eine Bedingung mußte vorher erfüllt werden, und zwar: Israel befand sich in einer großen Krise, in einer seiner größten Krisen seit der Staatsgründung. Ihm fehlt nicht an Geld, das wird in Hülle und Fülle von USA und BRD zur Verfügung gestellt. Bedrohlich war aber die Situation Israels deshalb, weil die Wanderungsbewegung rückläufig ist. Seit Jahren wandern mehr Israelis aus als ein. Israel braucht vor allem und in erster Linie Menschen, Waffen kommen von allen imperialistischen Staaten dorthin und werden den Israelis nachgeschmissen. Aber Menschen gibt es nicht, die die Aggression und Expansion Israels realisieren. Und es gibt nicht viele Lä nder in der Welt, die dem zionistischen Staat Menschen jüdischen Glau bens zur Verfügung stellen. Die meisten Juden in der Welt, etwa die Hälfte, leben in den USA, die denken nicht daran auszuwa ndern,
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aber die Juden in der SU wü rden auswandern, allerdings nicht nach Pal ästina oder Israel. Und deshalb hat die US-Administration von der SU verlangt, j üdische Auswanderung zu organisieren. Da sagt die SU, ja, ok., von uns aus, das machen wir, ihre Anträge werden genehmigt. Nun wanderten die Menschen jüdischen Glaubens aus, gingen aber nicht nach Palästina. Und noch vor dem Treffen sagen die USA, das geht nicht, ihr solltet dafür sorgen, daß diese Juden nach Palästi nach Israel kommen. Wie ihr das macht, das ist euer Problem. Deshalb hat die SU Non-Stop-Flü ge von Moskau nach Lod im besetzten Pal ästina organisiert, sodaß diese Juden weder in Wien noch in Rom, wie bisher, aussteigen konnten, um sich dort umzuori entieren in die USA oder die BRD. Und weil dieser Flug sehr lang ist und nicht als Non-Stop-Flug mit normalen Maschinen gemacht werden kann, wurde vereinbart, daß ein kurzer Zwischenaufenthalt in Rum änien stattfindet. Die Maschinen werden dort aufgetankt, die Passagiere dürfen das Flugzeug nicht verlassen und werden gleich weitergeflogen nach Israel. Und in diesem Jahr 1987 mußte die SU 1000 Sowjet-Bü rger jüdischen Glaubens nach Israel exportieren, deportieren, um überhaupt zu diesem Abkommen zu kommen, und sich verpflichten, jedes Jahr ein bestimmtes Kontingent abzuliefern. Und das geschieht Jahr für Jahr. Viele dieser Leute fliegen widerwillig nach Israel und wollen eigentlich gar nicht (dort) sein. Aber für Israel reicht es aus, daß die erst einmal kommen. Damit diese Flucht oder damit diese Auswanderung aus der SU gelingt, mußten verschiedene Schritte gemacht werden: Die antizionistischen Komitees in der SU mußten aufgelöst werden, das war sehr peinlich, weil die meisten antizionistischen Komitees sehr oft von jü dischen Sowjetbürgern getragen worden waren, und Israel muß die Möglichkeit haben, zionistische Propaganda in der SU zu machen. Israel hat inzwischen überall in den Sowjetrepubliken, wo Juden leben, Propagandaeinrichtungen, die für Israel Werbung machen und Sowjetbü rger für Israel anwerben. Und drittens weiterhin, daß dieseJüdischen Bürger in der SU nur dann auswandern können, wenn sie wirklich sagen, daß ihr Ziel Israel ist. Sonst wird dieser Antrag oder Vertrag nicht gebilligt. Man kann also sagen, daß auch ehemals sozialistische Staaten dafür sorgen, daß dieses israelisch-zionistische ag gressive Gebilde nicht zusammenbricht, auch nicht aus inneren Gründen, sondern daß es erhalten bleibt. All das macht uns klar, welche Schwierigkeiten die Solidaritätsarbeit hat und mit wie vielfältigen Aufgaben wir zu tun haben werden.
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Literatur: Karam Khella, Geschichte der arabischen Völker von den Anf ängen bis zur Gegenwart Aus dem Inhalt: *) Vor- und Frühgeschichte; *) Arabien in der Urgesellschaft; *) Entstehung und Lehre des Islam; *) Das arabische Weltreich; *) Aufstieg und Niedergang des Kalifats; *) Orientalischer Feudalismus; *) Herausbildung der arabischen Weltregion; *) Moderne arabische Staaten; *) Gegenwärtige Gesellschaft und aktuelle Probleme der arabischen Länder. Karam Khella, Golfkrieg Zwei Ereignisse bestimmen heute noch die Weltpolitik: Vorgeschichte -Zusammenhänge - Hintergründe - Folgen. Karam Khella, Imperialismus heute ökonomische Ausbeutung, politische Herrschaft und militärische Bedr ohung des Globus. Über die Ursachen von Reichtum und Armut in der Welt. Einige Kapitel des Buches: *) Leninsche Imperialismustheorie; *) Technologie-Transfer; *) Verschuldung der Dreikontinente und der europäischen Peripherie bei den imperialistischen Staaten; *) USmilit ärische Einkrei-sungs- und Globalstrategie; *) Die US-militärische Intervention in der arabischen Region; *) Die Perspektiven des Imperialismus und des Befreiungskampfes; *) Aus der Imperialismustheorie abzuleitender Faschismusansatz - Versuch einer neuen Faschismusthese; *) Ist der Imperialismus besiegbar? Alle Bücher erschienen im Theorie und Praxis Verlag, Hamburg Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem München, 1964 Abraham Leon, Kapitalismus und Judenfrage München, 1971
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So, liebe Leute, ich bin wirklich am Schluß. Ich werde eventuell im Laufe der Diskussion sagen, wo einzelne wichtige Punkte durch Lektü re nachzubereiten sind, nachdem ich vor allem gesehen habe, da ß die meisten von euch unsere Literatur haben, was ihr ja auch für eure Soli-Arbeit und eure revolutionäre Qualifikation braucht. Ich bin aber sehr, sehr beeindruckt von diesen drei Tagen. Das ist mein erster Besuch in Wien, ich werde in der Tat sehr oft eingeladen, und ich habe auch gesagt, daß ich nichts gegen das Reisen habe. Ich habe aber auch das Bedürfnis, daß dieser Aufwand, den ich mache, wirklich auf mich angewiesen ist, oder daß ich das mir gegenüber rechtfertigen kann. Ich meine, daß eine revolutionäre Qualifikation vorrangig ist, das ist in der Tat Voraussetzung einer jeden fortschrittlichen revolutionä ren antiimperialistischen Praxis. Deshalb bin ich also sehr gerne gekommen. Ich möchte aber nachträglich sagen, daß ich in der Tat nach dem Erlebnis mit euch und nach der Bekanntschaft mit jedem und jeder von euch ein gutes Gewissen und das Gefühl habe, daß ich etwas Gutes gemacht habe. Ich habe natürlich auch durch eure Teilnahme ein Gefühl bekommen, daß meine Arbeit akzeptiert wird. Ich f ühle mich hier in eurem Kreis akzeptiert, und ihr habt mich in der Tat alles sagen lassen, habt mir Gelegenheit gegeben, die Dinge vorzutragen. Ich bin sicher, daß nicht alles, was ich gesagt habe, Konsens ist, vieles sicher, aber auch nicht weniges kontrovers ist. Das ist auch meine Absicht, daß wir durch TheseAntithese im Gespräch miteinander zu einer Praxis kommen. Und du sollst keineswegs alles akzeptieren. Das, was dich überzeugt, wird hingenommen, wird vertieft, und das, was dir offen erscheint oder umstritten ist, soll weiterdiskutiert werden, bis sich dann Thesen in unserem, in eurem Kreis allgemein durchsetzen. Und mit diesen Thesen sollt ihr arbeiten. Jedenfalls ist eines nicht mehr wegzudenken: Daß hier eine Solidaritätserfahrung unter verschiedenen Kräften gemacht worden ist. Und ich bin sehr dankbar, daß ich an dieser Solidaritätserfahrung teilnehmen durfte.
Das Titelbild ist von Naji al-Ali, Palästinensischer Journalist und Karikaturist geboren 1936 im Dorf Shajara. Er wurde am 6.5.1948 mit seiner Familie von zionistischen Banden aus Palästina vertrieben. Seitdem lebte er im palästinensischen Flüchtlingslager Ain-al-Helweh im Süden des Libanon. Er arbeitete für mehrere arabische Zeitungen. 1985 kam er nach London und arbeitete für die Zeitung AlQuabas. Am 22.7.1987 wurde er vom israelischen Geheimdienst Mossad ermordet da er immer für den Kampf gegen Zionismus und Imperialismus Stellung bezogen hatte.
"Er ist für mich wie ein Kompaß, und dieser Kompaß zeigt stets nach Palästina: Aber nicht nach Palästina im geographischen Sinne, sondern symbolisch für den menschlichen, das heißt für den der gerechten Sache, egal wo, in Ägypten oder in Vietnam oder im südlichen Afrika." (Naji al- ali, aus AI Hadaf Nr.878)