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Wettflug der Welten Von Axel Nord Am 1006. Tage rufen sie Conny Clasen. „Sie müssen ’rüberkommen, Clasen“, sagt der Mann von der irdischen Raumfahrtorganisation U.C.A. so kurz, als handelte es sich um etwas ganz Alltägliches. „Winter ist erledigt.“ Conny Clasen erfaßt das nicht gleich. Er horcht noch mit halbem Ohr zum Wohnzimmer hin, wo sie tanzen und über die Segelpartie auf der Unterelbe reden. Der lange Bärenfleiß, dieser vollendete Angeber, tut wieder so, als hänge von seiner gütigen Mitwirkung die Existenz des ganzen europäischen Segelsports ab. „Winter ist erledigt?“ „Von ihm und seiner Trans-Pluto werden wir nichts wiedersehen“, sagt dei andere mit aufreizender Sachlichkeit. „Ob er einen Fehler gemacht hat, wissen wir nicht. Es kam für die Kontrolle ganz überraschend.“ „Explodiert …“ „Er halte den Marsianer eingeholt und war bis auf wenige Meilen an ihn heran. ‚Da löste er sich plötzlich in vier Teile auf. Wie mit dem Tortenmesser zerlegt.“ Conny Clasen hämmert es in der Brust. „Wann soll ich hinüberkommen, Stöverberg?“ „Sofort! Sie sollen …“ Was nun kommen muß, hat Conny Clasen einmal heiß herbeigesehnt. Vor 1050 Tagen und nachher auch noch. Aber damals war nichts zu machen gewesen. Über 300 Freiwillige hatten sich gemeldet, als heraus war, daß ein Schiff in das Gebiet des nächsten Fixsterns mußte. Als man sie zweimal gesiebt hatte, 3
blieben noch 30 übrig, und es war für Conny Clasen ein schlechter Trost, daß er zu ihnen gehörte. Losgeschickt hatten sie dann natürlich den Star der U.C.A., Fred Winter, und die 30 hatte man „für alle Fälle“ auf eine sogenannte B-Liste gesetzt. Conny hatte sich zunächst maßlos geärgert. Als er aber Vera kennenlernte, hatte er sich nicht mehr geärgert, sondern neidlos den Segen des Himmels auf Fred Winter herabgefleht. Conny war fünfundzwanzig, und Vera war ihm wichtiger als der ferne Proxima Centauri. Und nun …“ „Sofort! Sie sollen ‚raus’.“ „Jawohl. Stöverberg!“ „Wir haben gelost. Sie können natürlich noch zurücktreten.“ „Ich trete nicht zurück. Ich komme gleich hinüber.“ Er drückt rasch ab, und es ist gut, daß er es tut. Vera tritt ein. Sie weiß, daß er auf der B-Liste steht. Vera ist sehr schlank und sehr schön. Wenn sie Conny mit ihren großen, dunklen Augen ansieht, ist es ihm, als müsse er sorgsam und schützend seinen Arm um ihre schmale Schulter legen. Vera ist Bibliothekarin. Conny liebt sie mit der ganzen Hingabe eines Mannes, der bereits viel allein gewesen ist. „Wer war das?“ fragte sie leise. „Mein Chef, Vera! Ich muß gleich zur U.C.A. Einen netten, kleinen Befehl erhalten!“ „Nein“, sagt sie ganz ruhig. Sie ist plötzlich vor ihm, und ihre Hände sind an seinen Oberarmen, als wolle sie ihn halten. „Du sollst zum Proxima Centauri! Sag es doch!“ „Winter ist erledigt.“ „Du wirst nicht zurückkehren.“ „Vom Proxima Centauri kommt keiner wieder.“ Und dann reißt er sie an sich und küßt sie, sieht ihr klares, helles Gesicht vor sich und weiß nicht, was er ihr jetzt noch sagen soll. „Ich kann jetzt nicht mehr zurück, Vera.“ „Das könnt ihr Raumflieger nie“, lächelt sie, und Conny 4
Clasen muß tief atmen, als er das sieht. Sie zittert am ganzen Körper. Eine andere hätte jetzt vielleicht ein großes Drama aufgeführt. Vera lächelt. „Was soll ich dir jetzt noch sagen? Daß ich dich liebe? Daß ich dich nie vergessen werde?“ „Nur nicht so etwas, Conny.“ Sie schüttelt den Kopf, und ihre Hände lösen sich von ihm. „Es war alles sehr schön in diesen Wochen. Ich war sehr glücklich, wenn du bei mir warst. Und jetzt mußt du gehen, Conny. Du nimmst doch deine Maschine?“ „Ja“, sagt er rauh und wendet sich schroff ab. „Natürlich nehme ich meine Maschine!“ Dann jagt er in ihrem grünen Sportwagen über die breite Straße zum nächsten Flugplatz. Seine Hände halten das Lenkrad, daß ihm die Knöchel schmerzen. „120“, zeigt der Tachometer. Der Fahrtwind plustert ihm den dichten blonden Schopf hoch. Vera wird jetzt wieder zu dem albernen Bärenfleiß und den anderen gehen und mit ihnen tanzen und trinken. Es ist nun einmal so. Vera ist das Leben und die sonnenwarme Erde. Vera ist so unendlich viel, und ein Leben an ihrer Seite wäre eine wundersame Fügung gewesen. Aber Stöverberg hat das Los gezogen. Der Proxima Centauri wird sein Schicksal sein. Die Erde wird hinter ihm zurückbleiben wie jetzt Vera. * „Clasen kommt!“ Stöverberg zieht den Reißverschluß seiner Kombination hoch. Für einen Augenblick ist es still. „Also – Clasen.“ „Das Los hätte auch einen anderen treffen können.“ „Wohin wollen Sie, Stöverberg?“ „Zur R IV hinauf. – Kommen Sie mit, Henderson?“ Der Direktor der „Abteilung für Fernnavigation“ nickt, und 5
gleich darauf gehen sie durch die große Halle, die neben dem Konferenzraum des U.C.A.-Stabes liegt. Es ist die Ehrenhalle der U.C.A. Von den 3867 toten Raumschiffskapitänen, deren Namen hier in kostbaren Büchern und auf schwarzen Edelholztafeln verzeichnet sind, starben kaum 800 in ihren Betten. Das Weltall hat nicht nur leuchtende Sterne, das Weltall hat leere Räume von ungeheurer Ausdehnung und läßt sich alle hunderttausend Meilen davon teuer bezahlen. Ein Arbeiter bereitet den Platz für eine neue Tafel vor. „Fred Winter.“ „Das mußte kommen, Henderson! Solche Burschen wie Winter werden nicht alt.“ „Und – Clasen?“ Stöverberg hebt die Schulter und nimmt seine Zigaretten aus der Tasche, wartet aber pietätvoll, bis sie die Halle durchquert haben und auf der breiten Rolltreppe stehen, die sie ins Vestibül gleiten läßt. „Wahrscheinlich werden in der nächsten Zeit noch mehr Namen unter den Winters kommen. Diese verfluchte Aktion wird noch Menschen fressen, Henderson – aber wir können nicht anders.“ „Prestigeopfer für die Erde.“ „Werden Sie nicht gleich zynisch. Clasen schafft es nicht; das ist klar. Die Marsianer haben einen Vorsprung von über 1020 Tagen auf einer Distanz von 1510 Tagen. Wie soll er das schaffen, Mann?“ Die Rolltreppe ist zu Ende. Im Vestibül stehen zwei Wachtposten der kleinen U.C.A.-Treppe. Jenseits der gläsernen Wände des Verwaltungspalastes steht die afrikanische Nacht. Nicht weit von hier rollt der Atlantik gegen den Strand. Stöverberg steckt sich endlich eine Zigarette an. Henderson, der fanatische Nichtraucher, rümpft mißbilligend die Nase. „Mir ist, offen gestanden, nicht recht klar, warum wir Clasen noch hinterherjagen.“ 6
„Denken Sie mal daran, Henderson, wie es vor drei Jahren begann.“ * Drei Jahre früher. 28. September 2163. Die Urania VII vom 8. Transportgeschwader, das in der R IV einen neuen Heimathafen gefunden hat und vor allem die Verbindung zwischen der Erde und ihrem Stützpunkt auf dem Uranus aufrechterhält, kehrt mit einer Ablösung zurück. Es gibt das übliche Hallo von Männern, die einige Jahre lang die gute, alte Erde nicht gesehen haben und sich auf ihren Urlaub und die Mädchen zwischen Oslo und Melbourne freuen. Es ist wie immer, seit es eine irdische Raumfahrt gibt. Nur der Kapitän – er heißt Nikosa und ist Portugiese – macht auf den Stationschef einen höchst sonderbaren Eindruck. Er legt großen Wert darauf, den Stationschef unter vier Augen zu sprechen, und verlangt dann nach einem übergroßen „Black and White“, den er auch bekommt. „Kummer gehabt, Kapitän?“ „Gespenst gesehen“, knurrt der Portugiese wütend; und als er sieht, daß der andere grinst, wird er noch wütender und verlangt nach einem Schmalfilmgerät. Auch das bekommt er. Nikosa zieht einen 8-mm-Streifen aus der Kassette und legt ihn ein. Der Stationschef wird neugierig. Er lacht aber, daß ihm der Brustkasten schmerzt, als nur einige hundert Meter leerer Weltraum auf der Projektionsfläche zu sehen sind. Nikosa wird blaß. „Das – das geht wirklich nicht mit rechten Dingen zu.“ „Ihr Gespenst hat sich gut getarnt.“ „Ich will doch verflucht sein …“ Der Kapitän läßt den Film zurückrollen und ihn dann langsam 7
noch einmal ablaufen. Der Stationschef tut ihm den Gefallen, sich den Streifen noch einmal anzusehen, und er bereut es nicht. Er schreit sogar auf. „Anhalten, Nikosa!“ „Na also!“ Der Portugiese atmet tief auf und läßt das Bild stehen. Der Stationschef tritt ganz nahe heran. Auf der Projektionsfläche erkennt man einen großen Schatten, der irgendwie an ein zu stumpf geratenes aerodynamisches Raumschiff vergangener Jahrhunderte erinnert. „Ist das Ihr Gespenst, Kapitän?“ Kapitän Nikosa nickt lebhaft und wischt sich die Stirn ab, obwohl es in der R IV alles andere als warm ist. „Vorgestern habe ich das Phantom gesehen. Ich saß vorn in der Kanzel, neben meinem Radarmann. Plötzlich spukte was auf unserem Schirm, genau in unserer Fahrtrichtung. Ich hielt meinen Kurs, und das fremde Ding nahm immer mehr diese Konturen an. Ich schloß meine Kamera an und wollte gerade bei der Raumkontrolle anfragen, als das Ding verschwand.“ „Verschwand?“ blinzelt der Stationschef verständnislos. „Wieso – verschwand?“ „Es war plötzlich nicht mehr da.“ „Es stand nicht mehr in Ihrer Fahrtrichtung, meinen Sie. Es änderte den Kurs.“ „Möglich, aber auf jeden Fall machte es sich für unsere Augen und Instrumente unsichtbar. Auch auf dem Schirm hatten wir es nicht mehr.“ Der Stationschef starrt ihn an, wie einen Verrückten. „Nikosa, nehmen Sie es mir nicht übel, aber …“ „Ich bin gesund, Ford“, winkt der Kapitän ab. „Das können Sie mir glauben.“ „Aber so etwas gibt es doch nicht!“ „Ich werde den Streifen in London untersuchen lassen.“ * 8
Der Stationschef ruft Fred Winter an. Das ist so üblich. Wenn irgend etwas im weiten Bereich des Sonnensystems geschieht, was außerhalb des üblichen Betriebs liegt, wird Kapitän Winter angerufen. Winter steuert mit seinem kleinen Schiff den Mars an. Er hat drei Gelehrte an Bord, die ihren Kollegen von der marsianischen Wissenschaft einen Besuch abstatten wollen. Es gehört nicht mehr viel persönlicher Mut zu einem Besuch des Marsstaates, dafür aber sehr viel Taktgefühl. Die Marsianer sind stolz darauf, daß sie den Erdenmenschen geistig überlegen sind. Winter kennt den Mars und seine Menschen genau, und weiß, daß sie allen Grund zu einem solchen Stolz haben. Die Marsianer lieben die Erde nicht. Sie sind sehr klug und sehr kalt. Warmherzige Empfindungen scheinen sie nicht zu kennen; wenigstens gilt das für die Angehörigen der geistigen Oberschicht. Staatspräsident Suramnam ist von tadelloser Höflichkeit, wenn er mit Erdenmenschen spricht. Fred Winter traut dieser Höflichkeit nicht. Die Marsianer führen irgend etwas im Schilde. Vielleicht nicht einmal gegen die Erde. Ihr ganzes Wesen aber ist auf Expansion ausgerichtet. * „Meldung von R IV, Kapitän!“ Fred Winter geht den Mittschiffsgang nach vorn. Das kleine Schiff rast mit hoher Geschwindigkeit durch die Sternenräume, um an einem vorherberechneten Punkt auf den roten Planeten zu stoßen. „Kapitän Nikosa, Schiff Urania VII, hat 60 000 Meilen südöstlich Uranus unbekanntes Raumschiff gesichtet, das bei seiner Annäherung spurlos verschwand. Genaue Position: 25/163 im 9
27. Quadrat. Wartet weitere Berichte ab und rechnet mit Überraschungen. Ford“ Fred Winter schüttelt den Kopf. „Haben Sie das gelesen?“ fragt er seinen Funker. Der Mann sieht von seinen Instrumenten auf. „Ja, Kapitän! Ich kann mir aber keinen Vers darauf machen.“ * London. In der Raumauswertung ringen abgebrühte Experten, die nicht einmal der Untergang eines Planeten erschüttern könnte, angestrengt nach Luft; aber das Wunder bleibt. Nikosas Filmbeute muß aus einem anderen Sonnensystem stammen. Professor Burger hält dem Institutsleiter Vortrag. „Wir haben den Filmstreifen den neuen grünaktiven Strahlen ausgesetzt, mit dem Ergebnis, daß das schattenähnliche Gebilde vor dem Sternenfirmament immer mehr an Klarheit gewann. Es ist ein Raumschiff, allerdings eines von einer Art, die wir bei der irdischen Raumfahrt seit Jahrzehnten nicht mehr haben.“ „Marsianer?“ „Die marsianischen Raumschiffe haben bis jetzt nur kreiselartige Formen gehabt. Die Marsianer dürften kaum einen Grund haben, diese stumpfe Granatenform bei sich einzuführen.“ „Ein Außenseiter?“ „Natürlich, es kann ein Außenseiter sein“, gibt Professor Burger lebhaft zu. „Nikosa kann einen Schaden an seiner Radaranlage gehabt haben.“ „Die Radaranlage der Urania VII ist bereits gründlich untersucht worden“, erklärt Burger. „Sie ist in Ordnung. Dagegen spricht auch, daß der Filmstreifen erst klarer wurde, nachdem 10
wir ihn der Wirkung der grünaktiven Strahlen ausgesetzt hatten – Strahlen also, die es normalerweise bei uns nicht gibt. Es sind aber noch mehr Argumente …“ „Nämlich?“ „Die Schiffswände bestehen aus einer farblosen Materie. Ich habe den Eindruck, daß sie glasartig, also durchsichtig sind. Außerdem hat das Schiff um den Bug einen Kranz von kuppelartigen Erhöhungen, die verschiedene Deutungen zulassen. Ich nehme an, daß es sich um atomare Treibsätze handelt.“ Der Institutsleiter tritt ans Fenster. „Wir behalten das für uns, Herr Professor.“ „Es ist besser, Sir.“ „Wir wissen nichts von den Absichten der Lenker jenes fremden Schiffes“, sagt der Institutsleiter gedankenvoll. „Wenn sie aus einem anderen Sonnensystem eingedrungen sind, können sie aus reiner Neugierde handeln, können aber auch …“ „… aber auch aggressive Absichten verfolgen.“ Der Institutsleiter hebt die Schultern, kommt zurück und schaltet das Flutlicht ein. Er bleibt hinter einem Sessel stehen, stützt sich und starrt die bunten Buchrücken im Schrank an. „Wir beschwören eine Panik herauf, wenn wir das schon jetzt in alle Welt posaunen. Dabei bedenken die Menschen nicht, daß das Weltall mit seinen Geheimnissen bereits seit undenklichen Zeiten um sie ist. Sie selber waren nur noch nicht so weit, ihren eigenen Planeten verlassen zu können. Vielleicht haben schon in früheren Zeiten fremde Raumschiffe den Weg in unsere Nähe gefunden. Die Menschen haben es nur nicht gewußt. Fest steht, daß die Marsianer dreimal auf der Erde waren.“ „1701 in Nordchina“, doziert der Professor, und sein klobiger Zeigefinger pfropft den glühenden Tabak fester. „1883 in der Nähe New Yorks. Zwei Farmer sahen es damals und rannten mit der Nachricht von der Landung in ihr Dorf. Man hielt sie für verrückt und sperrte sie ein. Zuletzt waren die Marsianer 11
1958 in Süddeutschland. Damals wußte man allerdings noch nichts von ihrer Existenz.“ „Vielleicht auch schon einmal interstellare Raumschiffe?“ Professor Burger steht auf. Er glaubt es nicht, aber er kommt nicht mehr dazu, es seinem Vorgesetzten auseinanderzusetzen. Ein Summen unterbricht ihn. Eine tiefe Männerstimme meldet sich. „Hier Lundgreen! Uns wurde soeben vom Uranus ein Funkspruch übermittelt, den die dortige Station von einem unbekannten Schiff aufgefangen hat.“ Die beiden Männer sehen sich an. „Haben Sie den Text?“ „Von einem Text kann eigentlich keine Rede sein. Der Spruch ist ein wildes Durcheinander von konsonantenähnlichen Zeichen, aus denen kein Mensch klug wird.“ Der Professor klopft dem anderen auf die Schulter. „Da haben wir sie schon wieder!“ * Es ist gegen 22 Uhr. Professor Burger brummt der Schädel. Es ist ein langer Spruch, den die vom Uranus übermittelt haben, und der Professor peitscht sich selber in eine fieberhafte Spannung hinein. Der Institutsleiter sitzt neben ihm und versorgt ihn laufend mit schwarzem Kaffee und Tabak. Wenn einer mit dem rätselvollen Durcheinander fertig wird, ist es Professor Bürger. Sonst kaum jemand. Vielleicht noch ein Mann, den sie nicht kennen und der an diesem 28. September mit einem privaten Hubschrauber in Hamburg landet. Er bringt viel Reisegepäck mit. Die junge, elegante Dame, die noch vor ihm aus dem Schrauber klettert, winkt einen der uniformierten Wärter herbei. 12
„Haben wir es von hier noch weit zur Elektraallee?“ „Mit einem Wagen nur fünf Minuten.“ Gleich darauf geht sie mit einem weißhaarigen, alten Herrn über das Feld zur Anmeldung. Die Wärter gucken sich beinahe die Augen aus. Den unscheinbaren Alten in seinem hellgrauen Anzug sehen sie nicht an, nur die junge Dame. Und wahrhaftig – es lohnt, sie anzusehen. Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine Inderin, aber nur durch ihren dunklen Teint und die tiefliegenden, schmalen Augen. Ihr ganzes Wesen ist anders. Sie ist schon und kalt und scheint sehr auf Distanz zu halten. „Mein Name ist Malhmado“. sagt der Weißhaarige in der Anmeldung und verneigt sich leicht. „Ich habe in der Elektraallee ein Haus erworben.“ Der Beamte blättert kurz in seiner Kartei und nickt. „Sie sind uns bereits gemeldet, Herr Mathmado. Wünschen Sie einen Wagen?“ „Danke, ich habe bereits einen erworben.“ * Ein neuer Wagen bringt sie in die Elektraallee. Mathmado verliert viel von seiner Gelassenheit, als er sich schließlich im Arbeitszimmer seines neuen Hauses niederlassen kann. Die junge Dame bringt ihm eine Erfrischung, die er hastig zu sich nimmt. „Die Erde läßt mich nicht froh werden, Astra.“ Ihre schönen, schmalen Hände gleiten über das weiße Haar. „Vielleicht findest du hier deine Ruhe, Vater. Der Norden ist klarer und herber als die Mittelmeerküste.“ „Ich hoffe es, mein Kind. Lass’ mich jetzt allein.“ Sie sieht ihn voller Liebe und Sorge an und geht zögernd aus dem Arbeitszimmer. Er ahnt nicht, daß sie in einem dunklen 13
Nebenraum sitzt und auf seine Schritte horcht, die das Zimmer durchqueren. Immer wieder. Stundenlang. Mathmado ist fremd auf der Erde. Aber er will heimisch auf ihr werden. Er will Ruhe haben. Nur Ruhe. Mathmado ist müde und weiß doch, daß er hellwach sein muß. „Ich habe Durst, Astra.“ Wieder bringt sie ihm eine Erfrischung, die aus Fruchtsaft und leichtem Gebäck besteht, das man auf der Erde nicht kennt, und wieder ruhen ihre prüfenden Blicke auf dem einsamen Mann. „Du solltest jetzt zur Ruhe gehen, Vater. Vielleicht gibt Varno uns eine Nachricht durch.“ „Wenn ich nur Beweise hätte!“ sagt er bitter und ballt die Fäuste. „Wenn ich den Menschen der Erde nur sagen könnte: ‚Ihr müßt wachsam sein, sonst wird der Staatspräsident der Marsianer unser ganzes Sonnensystem in Gefahr bringen!’ Aber niemand wird mir glauben Wer weiß schon, wer ich bin!“ „Es wird schon gut werden, Vater.“ Mathmado legt ihr die Rechte auf die Schulter. „Ich muß etwas unternehmen, Astra – bevor es zu spät ist.“ „Sie werden dich auslachen.“ * „Nichts, Professor?“ „Nichts, zum Teufel!“ knurrt Burger wütend und wirft seine Pfeife in den Ascher. „Ich werde es noch entziffern, aber das ist eine Arbeit für Wochen. Meine einzige Sorge ist, daß die Marsianer uns dabei zuvorkommen könnten.“ „Glauben Sie, daß der Funkspruch wirklich von einem Raumschiff stammt, das nicht zu einem unserer Planeten gehört?“ 14
„Ja!“ sagt der Professor sehr bestimmt. „Soviel habe ich schon herausgefunden. Und es scheint mir auch, daß es sich um irgendeine Botschaft handelt.“ „An die Erde?“ fragt einer der Assistenten naiv. Der Professor verzieht dis Gesicht. „Die wissen wahrscheinlich nicht einmal, daß Erde und Mars von verschiedenen Lebewesen bevölkert werden. Für sie wird vorläufig nur interessant sein, ob in unserem Sonnensystem überhaupt Intelligenzwesen anzutreffen sind.“ Der Institutsleiter verläßt den Raum und ruft Nordafrika an. Der Präsident der U.C.A. – der Franzose Leclerc – ist persönlich am Apparat. „Burger darf sich keine Ruhe gönnen. Wir tun es auch nicht. Wir haben eine Flotille leichter Kreuzer auf die letzte Position des uns unbekannten Schiffes angesetzt.“ „Wann werden sie die Position erreicht haben, Präsident?“ „In 25 Stunden.“ * Die U.C.A. ist hellwach. Man weiß jetzt, daß Kapitän Nikosa kein Gespenst gesehen hat, und die jungen Kapitäne der schnellen Raumkreuzer wissen, was man von ihnen erwartet. In geschlossener Formation rasen sie mit ungeheurer Geschwindigkeit durch das All. Fischer heißt der Flotillenchef, und der Kaplan seines Flaggschiffes heißt Konrad Clasen, von allen nur Conny genannt. Niemand ahnt, daß auf diesen lachenden und immer vergnügten Jungen einmal ein schweres Los fallen wird. Es ist genau 15.30 Uhr allgemeiner Raumzeit, als neben ihnen der Radarmann auffährt. „Ich habe ihn!“ Auf dem Radarschirm zeichnen sich die Konturen eines 15
stumpfen Schiffes ab, das 40 000 Meilen vor ihnen mit mäßiger Geschwindigkeit fliegt. Der Flottillenchef bleibt gelassen. Er macht seine Berechnungen und wendet sich an Conny Clasen. „In zwanzig Minuten sind wir bei ihm.“ Signale gehen an die beiden folgenden Kreuzer. Alle Mann auf Station! Conny Clasen lacht und klettert in den Führerstand. „Distanz 30 000.“ „Rufen Sie das Schiff an.“ Es antwortet auf den Anruf nicht. Von vorn meldet sich Clasen. „Hallo, Fischer! Das Ding sieht aus wie ein fliegender Eisberg, der in der Sonne aufleuchtet. Wir können es schon deutlich ausmachen.“ „Der Professor hat recht. Wie aus Glas.“ Da brüllt es aus dem Bordlautsprecher dazwischen: „Marsianischer Raumkreisel über uns!“ „Will man uns hier etwas vorzaubern?“ schimpft der Flottillenchef los und beobachtet, wie ein Marsianer knapp zwanzig Meilen von ihm entfernt hinunterrast und Kurs auf das unbekannte Schiff nimmt. „Der interessiert sich auch für gläserne Raumschiffe.“ „Wir müssen vor ihm dasein!“ sagt Fischer hart und hantiert an der Apparatur seines Kontrolltisches. In diesem Augenblick beginnt das große Wettrennen zwischen Erde und Mars. Das Rennen nach einem Phantom aus einer anderen Welt. Die U.C.A.-Kreuzer aber sind dem Marsianer nicht gewachsen. Er gewinnt den ersten Anlauf. Erbittert sehen die Männer in den vorwärtsstürmenden Schiffen, wie der Raumkreisel bereits um das fremde Schiff kurvt, während sie noch gut 10 000 Meilen zurückzulegen haben. „Daß die Bande uns doch immer um eine Nasenlänge voraus ist!“ „Verflucht!“ schimpft Fischer weiter. „Das kann noch was nach sich ziehen.“ 16
Fischer traut keinem Marsianer. Der Raumkreisel nimmt keine Notiz von ihnen, als die U.C.A.-Einheiten heranbrausen. Mars und Erde tauschen selten Höflichkeiten aus. Fischer und seine Männer sehen deutlich das geheimnisvolle Raumschiff durch das All schweben, ruhig und gelassen. Der Flotillenchef läßt sein Flaggschiff ausscheren. Unermüdlich ruft der Bordfunker in das All. Keine Antwort von drüben. Nur, daß auch die Marsianer versuchen, mit dem gläsernen Schiff in Verbindung zu treten, kann er feststellen. Der Marsianer greift an. Er ist über dem Schiff. Seine Strahlenkanone hämmert auf das fremde Schiff hinab. Fischer reißt die Klappe auf und jagt einen Strahl aus seinem großen Atomwerfer auf den Marsianer. Verfluchter Halunke! Der Marsianer verschwindet auf den Uranus zu, der fern und majestätisch seine Bahn vor dem schwarzen Firmament zieht. Das fremde Schiff aber fliegt weiter, als sei nichts geschehen. Fischer hämmert das Herz, und der kalte Schweiß steht ihm auf der Stirn, als sie nahe an den anderen heranfliegen. Keine hundert Meter trennen sie mehr. Deutlich können sie alles sehen. Die aus einer glasartigen Materie geformte Schiffswand, hinter der sich menschenähnliche Gestalten bewegen. Vor dem Kranz der kuppelartigen Ausbauten eine in die Schiffsspitze eingefügte rote, kugelförmige Kabine, die brennend aus dem Schiff herausleuchtet. Wahrscheinlich der Führerstand. Auch hier zwei menschenähnliche Gestalten. An einer eigenartigen Steuerung. „Hallo, Fischer! – Sollen wir ihnen mal zuwinken?“ „Achtet auf den Abstand.“ „Das Schiff antwortet immer noch nicht“, gibt der Funker durch. Fischer geht vom Kontrolltisch an die große Sichtscheibe, 17
von der aus er in die rote Kugelkabine hineinsehen kann. Sie fliegen jetzt Bug an Bug in gleicher Richtung, das Erdenschiff und das fremde, gläserne, das aus der Tiefe der Sternenräume herangekommen ist. Plötzlich richtet sich eine der Gestalten auf und hebt die Hand zu Fischer hin. Fischer ist ein harter Bursche. Aber jetzt kommt ihm doch das große Heulen, und er schluckt heftig. Die Geste kann nur bedeuten, daß die dort drüben keine finsteren Absichten haben. Fischer macht das gleiche Zeichen. In Sekunden erkennt er auch die Bedeutung der Steuerung in der Kugelkabine. Es ist das Modell des Sonnensystems. „Sollen wir nicht aussteigen?“ ruft Conny Clasen fiebernd, und 17 U.C.A.-Männer denken jetzt das gleiche. Aber Fischer läßt sich nicht verführen. „Ausgeschlossen! Funkt, was ihr könnt! Das ist alles.“ Sie haben nicht mehr viel Zeit. Zwei Minuten vielleicht. Oder drei. Dann ergeht es ihnen wie Kapitän Nikosa. Das gläserne Schiff ist nicht mehr da. Vielleicht haben diese Wesen die Möglichkeit, sich unsichtbar machen zu können. Vielleicht hat es andere Ursachen. Vor den Augen der Männer vergeht das Schiff. Nur noch ein Schatten ist da. Dann nichts mehr. Auch nicht auf dem Radarschirm. „Haben wir auch geträumt, Kapitän?“ „Das war kein Traum.“ * Suram-nam ist von ausgesuchter Höflichkeit. Er geht sogar Fred Winter entgegen, als der zweimal vierundzwanzig Stunden später in der marsianischen Hauptstadt Nam eintrifft und gleich den Staatspräsidenten aufsucht. 18
„Ich sehe es deinem Gesicht an, Kapitän – du bringst mir keine gute Nachricht.“ „Verzeih, daß ich dich belästige, Suram-nam“, sagt Fred Winter ernst und setzt sich auf einen einladenden Wink dem höchsten aller Marsianer gegenüber. „Ein unbekanntes Raumschiff, von dem wir annehmen, daß es eine interstellare Reise hinter sich hat, wurde vor 53 Stunden im Gebiet des Planeten Uranus von einem deiner Raumkreisel angegriffen und beschossen.“ „Deine Regierung berichtet es dir?“ „Ja, Suram-nam, und sie hat mich beauftragt, offiziell ihr Befremden auszudrücken.“ Im Gesicht des schmächtigen Marsianer zuckt keine Muskel. Voller Aufmerksamkeit sind die klugen, schmalen Augen auf den Erdenmenschen gerichtet, während ein paar Worte in der seltsamen Singsangsprache der Marsianer einen Uniformierten in Bewegung setzen, der wartend neben dem niedrigen runden Tisch aus blauem Holz steht. Gleich darauf treten zwei Offiziere ein und breiten eine Karte auf dem Tisch aus. Wieder die Singsangsprache, die so schwer zu erlernen ist. Hin und her dieses leise zischende Singen. Dann schüttelt Suram-nam den Kopf. „Ich bedaure, Kapitän! Zu der angegebenen Stunde hat keiner unserer Kreisel im Gebiet um den Uranus gestanden.“ Fred Winter kennt seinen lieben Suram-nam. „Suram-nam, einer eurer Kreisel hat aber das fremde Schiff angegriffen.“ „Eure Leute müssen sich geirrt haben.“ „Das ist ausgeschlossen!“ sagt der junge Kapitän hart und unerschrocken. „Zwanzig unserer besten Männer irren nicht gleichzeitig. Suram-nam, wir nehmen an, daß das fremde Schiff aus einem anderen Sonnensystem zu uns vorgedrungen ist. Wahrscheinlich mit friedlichen Absichten. Es geht nicht an, 19
Suram-nam, daß deine Kreisel friedliche Sendboten einer anderen Sonnenwelt mit Waffen angreifen. Es kann unabsehbare Folgen für unsere Planeten nach sich ziehen.“ Wieder die Singsangsprache. Die Offiziere verlassen den Raum. Aus ihren halbgeschlossenen Augen, die ihren dunklen Gesichtern immer etwas Schmieriges und Verschlagenes geben, schießen feindselige Blicke auf Winter. Der Erdenmensch denkt daran, daß er hier im marsianischen Staatspalast so ziemlich wehrlos ist; aber dann federt die fächerartige Tür hinter ihm zu. Suram-nam lehnt sich zurück und legt sorgfältig die Fingerspitzen aufeinander. „Das interessiert mich außerordentlich, Kapitän. Ein Schiff aus einem anderen Sonnensystem? Das wäre phantastisch.“ „Es würde bedeuten, daß der Proxima Centauri – denn um ihn wird es sich handeln – bewohnte Planeten hat wie unsere Sonne.“ „Es würde die Welt erweitern!“ sagt der Maispräsident feierlich, und es scheint doch ein Wissen um die Schicksalsverbundenheit der beiden Nachbarplaneten in seinen Worten mitzuschwingen. Aber Fred Winter ist mißtrauisch und läßt sich nicht einlullen. „Unsere Astronomen haben festgestellt, daß der Proxima Centauri vier Planeten hat.“ „Das stimmt mit den Beobachtungen unserer Gelehrten überein“, pariert der Kapitän. „Was aber hast du, Suram-nam, uns zu sagen, da einer deiner Kreisel einen so unverantwortlichen und ganz unmotivierten Angriff auf ein friedliches Schiff führte?“ „Oh – ich werde die Angelegenheit untersuchen lassen!“ „Unsere Männer haben sich nicht geirrt, Suram-nam.“ „Du wirst von mir hören, Kapitän“, lächelt Suram-nam freundschaftlich und reicht Fred Winter verabschiedend die Rechte hin. „Sollte wirklich das fremde Schiff aus einem anderen Sonnensystem kommen, werden Erde und Mars vielleicht enger zusammenhalten müssen als bisher.“ 20
„An uns soll es nicht liegen“, sagt Fred Winter mit einer bedeutsamen Betonung und verneigt sich. Dann steht er vor dem Staatspalast. Niemand hindert ihn, in die große Stadt Nam zu gehen, die in einer Ebene vor dem gigantischen Massiv des Nam-NamiGebirges liegt. Die beiden Offiziere stehen drüben vor einem der kleinen Wachthäuser des Palastviertels und salutieren. Nam könnte auf der Erde liegen. In östlichen Bereichen der Erde vielleicht. Irgendwie erinnert das ganze Stadtbild an das asiatische Rußland. Nam ist kalt, und das macht nicht nur der frische Wind, der von den Bergen herunterkommt. Nam ist kalt, und Suram-nam ist unerbittlich. * „Der Marsianer bedauert.“ „Das war vorauszusehen“, sagt U.C.A.-Präsident Leclerc gelassen und sieht auf seine Armbanduhr. Es ist 16.30 Uhr, am 2. Oktober. Der Präsident steht auf und geht in die schmerzende Helle des nordafrikanischen Herbsttages hinaus. Ein ganzer Stab folgt ihm. Kapitän Nikosa ist da, und auch Flottillenchef Fischer und der junge, unbekannte Clasen. Noch vor seiner Maschine gibt Leclerc seinem Privatsekretär Anweisungen. Dann besteigen sie den Reiseflitzer, der sie nach London trägt. Zehn Minuten später betreten sie das Gebäude der Raumauswertung. Leclerc reicht dem Professor die Hand. „Ich gebe Ihnen noch eine halbe Stunde Zeit, Professor.“ „Das Geheimnis der fremden Sprache lüftet sich, Präsident“, erklärt der schwitzende Burger hastig und stopft sich eine Pfeife. „Aber warum diese Eile?“ „Melbourne erwartet einen Bericht.“ „Die Weltregierung?“ fragt Burger und sieht den U.C.A.Verantwortlichen an. „Warum denn die Weltregierung?“ 21
„Die schießwütigen Marsianer haben eine gefährliche Lage heraufbeschworen.“ „Sie denken an einen interstellaren Angriff auf unser Sonnensystem?“ Der Professor schüttelt nachdenklich den Kopf. „Wir wissen zuwenig von jenem gläsernen Raumschiff, um etwas Definitives sagen zu können; aber gewisse Maßnahmen können nie schaden.“ Das Wort steht sekundenlang zwischen ihnen. Einer der Assistenten schiebt sich vor. Er ist so übernächtig wie alle, die seit Tagen das bittersüße Glück genießen, in der Nähe eines wildgewordenen Genies arbeiten zu dürfen. Rasiert hat er sich nicht, und den Kragen trägt er offen. Aber er grinst. „Vorhin habe ich einen Marsianer hinausgeworfen.“ „Einen Marsianer?“ „Na ja, einen Verrückten, der sich für einen unserer roten Brüder ausgab. Er hieß Mathmado oder so ähnlich. Angeblich war er von Hamburg herübergekommen, um dem Professor einen Vortrag über die Absichten des gläsernen Raumschiffes und die finsteren Pläne seiner Landsleute zu halten und …“ Der U.C.A.-Präsident winkt ab. „Schon gut! Professor, die halbe Stunde!“ Burger brummt etwas Unliebenswürdiges und nimmt noch zwei tiefe Züge zu sich. Dann legt er die Pfeife hin und wendet sich wieder dem Schreibtisch zu. Präsident Leclerc bleibt hinter Burger stehen. Ein Marsianer ist hiergewesen? denkt Leclerc und sieht mit angehaltenem Atem auf die Hände des Gelehrten, die Wörter schreiben und Wörter durchstreichen. Zum Teufel, hat die Öffentlichkeit bereits Wind davon bekommen? Die Nachricht von dem gläsernen Raumschiff läßt sich nicht mehr zurückhalten. In diesen Abendstunden zischen bereits die ersten Gerüchte durch die Maschen des offiziellen Schweigens. Und es ist gut, daß Leclerc dem Professor die kurze Frist setzt 22
und daß dieser nach abermals zehn Minuten aufspringt und mit einer großartigen Armbewegung den ganzen Zauber vom Tisch fegt, daß seine Assistenten sich kaum in Sicherheit bringen können. Nur einen kleinen, abgerissenen Zettel hält er in der Hand. Die Fäuste des U.C.A.-Präsidenten knallen ihm in die Schulterblätter. „Los, Burger! Los doch, Mann!“ „Hören Sie zu. Unser Zentralgestirn hat eine Zwillingssonne und vier kleine Gestirne. Auf dem Planeten der roten Kugeln lebt ein Volk glücklicher Menschen. Unsere Wissenschaftler entdeckten in eurem Sonnensystem Flugkörper, die auf die Existenz intelligenter Lebewesen schließen lassen. Wenn ihr, Menschen einer benachbarten Sonnenwelt, so seid wie wir – glücklich und nur dem Frieden lebend – so sendet eure Botschafter zum Planeten der roten Kugeln.“ Professor Burger hat eine rauhe, barsche Stimme, die immer lauter wird, als er den Text vorliest. Es hört sich nicht sehr feierlich an, und es sieht auch nicht sehr erhebend aus, wie er das vorliest und mit dem rechten Arm fuchtelt, aber die Herzen der U.C.A.-Männer schlagen höher. Es ist 18.02 Uhr. Präsident Leclerc nimmt ihm den Zettel aus der Hand und liest ihn durch. „Das ist – dem Sinne nach – der Funkspruch des uns unbekannten Schiffes?“ „Dem Sinne nach!“ „Das kommt mir alles sehr menschlich vor.“ „Vielleicht unterscheiden sich die Wesen auf einem der Proxima-Centauri-Planeten nicht wesentlich von uns.“ „Möglich. Jedenfalls berühren diese Worte mich angenehmer, als wenn ich eine Nachricht von den Marsianern erhalten hätte.“ „Von den Marsianern trennen uns wahrhaftig Welten, Präsident.“ 23
„Nicht alle Marsianer sind so heimtückisch wie Suram-nam und seine Kreise.“ * Wieder landet der Hubschrauber in Hamburg. Diesmal steigt nur Mathmado aus. Es ist diesig, ein leichter Sprühregen macht das Flugfeld blank und kündet die Schwermut des Herbstes an. „Herr Mathmado?“ verneigt sich einer der Wärter höflich. „Ihr Wagen steht am Ausgang.“ „Danke!“ Mathmado ist müde und enttäuscht. Man hat nicht auf ihn gehört. Man hat ihm nicht einmal zugehört. Mathmado geht rasch durch die lange Halle des Hubschrauberfeldes und wundert sich flüchtig, daß seine Tochter nur einen Fahrer mit dem Wagen geschickt hat. Er denkt aber nicht weiter darüber nach und stutzt erst, als er sein Haus in der Elektraallee verschlossen findet. Eine fürchterliche Ahnung ergreift ihn. „Meine Tochter …“ „Die Dame gab mir heute nachmittag den Auftrag, den Herrn abzuholen.“ Mathmado stammelt etwas, schickt den Fahrer weg und schließt die Tür zum dunklen Haus auf. Das Schweigen schleicht ihm geisterhaft aus allen dunklen Ecken entgegen. „Ich habe doch nur sie“, schluchzt der alte Mann, „ich habe doch nur Astra.“ Doch als er auch im letzten Zimmer gewesen ist, weiß er, daß er Astra verloren hat. Sie ist abgereist. Auf dem kleinen Tisch vor dem Bücherschrank steht ein Magnetophongerät. Mathmado weiß genau, daß es dort noch nie stand. Mit bebenden Lippen schaltet er ein. Astra spricht wieder zu ihm, und er hört viele vertraute Worte, deren Sinn nur sie beide kennen. 24
„… wir können nicht länger warten …“ Mathmado läßt sich in einen Sessel fallen und birgt den weißen Kopf In den Händen. „…die Eroberungspläne Suram-nams bringen unser Sonnensystem in Gefahr …“ Der Regen wird stärker und prasselt gegen die Scheiben. Der Wind kommt auf und läßt die Zweige der Bäume unter dem wolkenverhangenen Himmel zusammenklatschen. Sterne zeigen sich nicht an diesem Himmel. Diese Nacht ist ohne Sterne. „… man wird dir in der britischen Hauptstadt keinen Glauben geschenkt haben …“ „Ja, Astra, man hielt mich sogar für einen Verrückten.“ „… ich tue alles, was auch du getan hättest, wenn du jünger und gesünder wärst. Vielleicht können Varno und ich das Unheil noch abwenden …“ „Astra“, weint er laut auf, „tapfere Astra!“ „… arbeite du weiter, Vater!“ * „Achtung! Die Weltregierung verbreitet eine wichtige Nachricht!“ In Hamburg wird in diesen Stunden getanzt. Getrunken und getanzt. Das ist auch 2163 nicht anders. Die Ankündigung des Fernsehansagers wird mit lautem Gelächter quittiert. Was hat die Weltregierung uns schon zu sagen! Die soll uns tanzen lassen! „… hat ein Raumschiff gesichtet, das nicht von einem unserer Nachbarplanelen stammt, sondern aus dem Gebiet des Proxima Centauri. Experten der U.C.A. haben einen Funkspruch dieses Schiffes übersetzt …“ So erfahren die Menschen von dem großen Geschehen. Am Abend des 2. Oktober 2163. In Hamburg, in New York, in Kairo und überall. Die Tanzenden sind nicht wild genug, um 25
nicht in ihrem Gestampfe einhalten zu können, die Musiker nicht snobistisch genug, um nicht impulsiv die Welthymne anzustimmen. „… seid umschlungen, Millionen!“ Niemand weiß, wer es zuerst tat, aber fünf Kontinente singen in dieser Stunde die Hymne, die eine Menschheit sich gab. „… diesen Kuß der ganzen Welt.“ Fieberhaft wartet man auf die nächsten Meldungen. Noch verschweigt die Weltregierung den Zwischenfall im UranusGebiet. Aber der Weltrat wird nach New York einberufen. * Die Organisation der U.C.A. arbeitet pausenlos. Man will wissen, was die Marsianer tun. Werden sie den großen Sprung zu einem anderen Sonnensystem wagen? Technisch haben sie gegenüber der irdischen Raumfahrt klare Vorteile. Aber – werden sie als friedliche Botschafter fliegen? Auf dem Uranus sichten sie am 6. Oktober einen marsianischen Raumkreisel. Er durchquert mit großer Geschwindigkeit das Blickfeld der Station. Die Männer der Station rufen die Erde an. Die U.C.A.Auswertung in London und Nordafrika leistet schnelle Arbeit. Bereits nach vier Stunden schlägt es bei der Weltregierung ein. „Marsianischer Raumkreisel auf wahrscheinlich interstellarem Flug von Uranus-Station gesichtet.“ Die Weltregierung fragt in Nam an. Die marsianische Regierung ist sehr selbstbewußt. Die Antwort Suram-nams ist kurz und klar. „Die Botschaft des fremden Raumschiffes wurde auch von uns entziffert. Einer unserer Raumkreisel ist zum Proxima Centauri unterwegs.“ 26
Die Verbindung zwischen Melbourne und Nordafrika spielt ununterbrochen. „Kann die U.C.A. einen interstellaren Flug wagen?“ „Er muß gewagt werden. Wir dürfen nicht zurückstehen.“ „Wann werden Sie soweit sein?“ „In spätestens drei Wochen startet das modernste unserer Schiffe, Präsident. Der Vorsprung der Marsianer ist nicht so groß, daß er nicht aufzuholen wäre. Wir bedürfen zu einem solchen Unternehmen jedoch der ausdrücklichen Zustimmung des Weltrates.“ „Die Abstimmung des Weltrates findet heute nacht statt.“ 800 Abgeordnete stimmen noch am gleichen Tage in New York darüber ab. Soll die Erde das Wettrennen mit dem Mars zum Proxima Centauri aufnehmen? 800 Abgeordnete stimmen dafür. Noch nie war die Menschheit sich so einig. * „Über 300 Freiwillige haben wir schon.“ U.C.A.-Präsident Leclerc winkt ab, als Stöverberg ihm die Liste vorlegt. Er liest sie dann aber doch durch. „Alles Unbekannte, Stöverberg! Bis auf die 24 der ersten Garnitur. Verständlich. Die Jungen sind begeistert, aber ihre Begeisterung nützt uns nicht viel. Das kann nur Winter machen. Ich warte stündlich auf ihn.“ „Aber man sollte diese Liste nicht einfach zerreißen.“ „Heben Sie sie auf. Wählen Sie meinetwegen 30 annehmbare Burschen aus. Für alle Fälle.“ Am nächsten Morgen steht Fred Winter vor dem Chef. Sein strenges Gesicht zeigt nichts von der blinden Begeisterung der Jungen. Er weiß, daß nur er diesen großen Flug ins Nichts wagen kann. Er zögert nicht, und doch fragt er gelassen: 27
„Mit welchem Schiff?“ „Kommen Sie.“ Sie fahren über das weite Gelände an der Atlantikküste. In einer riesigen Halle, die abseits vom Werftkomplex liegt und von der jeder weiß, daß sie nicht einer Laune wegen von drei Postenketten bewacht wird, steht Fred Winter dann vor der Antriebskabine des modernsten U.C.A.-Schiffes. Auf den ersten Blick ist er enttäuscht. Es ist eine Kugelkabine, wie sie jedes mittlere Schiff hat, das von einer der Raumstationen aus startet. Aber der Konstrukteur mit dem abgezehrten Vogelgesicht, der die beiden begrüßt, sagt nur: „Dieser Antrieb arbeitet mit Pluto-A!“ In Winters Augen blitzt es auf. Pluto-A? Macht der andere keinen faulen Witz? In Pluto-A liegt die einzige Chance für ihn. Allerdings eine große Chance. Er atmet tief durch und reicht dem Vogelgesichtigen impulsiv di« Hand. „Ich danke Gott, daß Sie schon so weit sind, Doktor!“ Der Mann wischt sich die entzündeten Augen. „Wir haben uns angestrengt, Kapitän.“ * Der Vorsprung des Raumkreisels ist beachtlich. Aber Fred Winter holt langsam auf. Er hat nur acht Mann mit. Unter ihnen den Konstrukteur, der den Pluto-A-Antrieb schuf und unentbehrlich ist. Dann einen Assistenten von Professor Burger und den berühmtesten amerikanischen Journalisten. Er hätte achtzig mitnehmen können und hätte auch dann noch das Gros der Weltprominenz, die das dringende Bedürfnis spürte, die Welt eines anderen Sonnensystems kennenzulernen, beiseite schieben müssen. Trans-Pluto, heißt das Schiff. 28
Das Schiff wird in allen Zeitungen der fünf Kontinente gezeigt und ruft größte Enttäuschung hervor. Es ist sicher das beste Raumschiff, das U.C.A.Techniker je schufen, aber es unterscheidet sich kaum von den bereits bekannten. Es fehlt ihm das Außergewöhnliche. Die Menschen bedenken nicht, daß das Außergewöhnliche des Unternehmens nur von den Herzen der Männer bestimmt wird, die den ersten interstellaren Raumflug wagen. Am 180. Reisetag haben sie sich dem Marsianer so weit genähert, daß sie es auf eine Überholung ankommen lassen könnten. Ein Funkspruch von der Erde bittet Winter jedoch, auf solche Zwischenspurts zu verzichten. Noch nicht, heißt es, wartet noch. Am 500. Reisetag liegt das Sonnensystem weit hinter ihnen. Das Nichts nimmt sie auf, das fürchterliche Nichts, in dem es nicht den kleinsten Weltkörper gibt und das von den kaltschnäuzigsten Raumfliegern gefürchtet wird. Die Welt versinkt für sie. Ihre Welt. Ihre Sonne. Was waren dagegen Raumflüge von Planet zu Planet! Ihre Sonne wird kleiner, und jede Stunde fast rennt der berühmte amerikanische Journalist, der sich immer gern als Mann ohne Nerven aufspielte, an die Sichtscheiben, um zu sehen, wie sie die Planeten, die Erde, den Mars und die anderen, immer mehr an sich heranzuziehen scheint. Schließlich sind sie nicht mehr zu sehen, und der Mann ohne Nerven bricht zusammen. Fred Winter läßt ihn in die Krankenkabine bringen. Am 508. Tag haben sie keine Dauerverbindung mehr mit der Erde. Nur noch gelegentlich können sie einen Funkspruch aufnehmen, der aus dem Sonnensystem mit den modernsten Geräten zu ihnen hinausgesandt wird. Am 521. Tage hört auch das auf. Am 708. Tage stirbt der Journalist. Das Weltall verschenkt nichts. 29
Auf der Erde arbeiten sie mit Hochdruck an einem Verfahren, die Verbindung zu Winter wiederaufzunehmen. Schließlich entsteht die „Nachrichtenbrücke“. Man schätzt, daß sie bis um 1110. Tage reichen wird. Vier Raumschiffe schickt man los. Eines von ihnen landet auf Pluto. Seine Mannschaft errichtet dort ein 120 Meter hohes Stahlgerüst, das eine Funkkabine trägt. Ein anderes Schiff jagt über die Grenze des Sonnensystems hinaus und ruft die Trans-Pluto an. Mit Erfolg. Die Brücke Erde–Raumschiff–Pluto–Raumschiff bewährt sich. Die Verantwortlichen haben noch andere Sorgen. Winters Schiff ist wie Staub in einer Unendlichkeit. Nicht mehr. Dagegen helfen alle schönen Worte der Weltregierung nichts. Man wünscht ihm alles Gute, aber insgeheim trifft man bereits Vorbereitungen, ein zweites und, wenn auch dieses verlorengeht, ein drittes Schiff einzusetzen. Man plant auf Jahre hinaus. In Nordafrika läuft im Herbst 2164 ein Sonderlehrgang. „Sonderlehrgang für Fernnavigation“, nennt sich der Verein; aber es gibt in der ganzen U.C.A. niemand, der nicht weiß, daß hier die 30 Auserwählten, die auf der B-Liste stehen – „für alle Fälle“, wie Leclerc so schön sagte –, von den ersten Experten der Riesenorganisation geschult werden. Und in der schwerbewachten Halle werden die Kabinen eines neuen Schiffes der Pluto-Klasse gebaut. Die Trans-Pluto II entsteht. Über die Nachrichtenbrücke meldet sich Fred Winter wieder. 803. Reisetag: „Können deutlich die Gestaltung des herannahenden Sonnensystems ausmachen. Assistent Berger wieder wohlauf.“ 878. Reisetag: „Marsianischer Raumkreisel weiterhin vor uns. Verhält, um weiterzufliegen, als wir auf 80 000 Meilen heran sind.“ 30
881. Reisetag: „Glaube, daß wir es schaffen. Winter“ U.C.A.-Präsident Leclerc lächelt. * Mathmado arbeitet. Er hat die Worte nicht vergessen, die seine Tochter für ihn auf Band sprach: „… arbeite du weiter, Vater!“ Niemand beachtet ihn in Hamburg. Mathmado arbeitet nicht ohne Grund. Er weiß, ein zweites Mal wird die U.C.A. ihn nicht abweisen können. Laufend erhält er Nachrichten, die ihm fast den Atem nehmen. Nur er weiß, auf welchem Wege sie die Erde erreichen. Aus diesen Nachrichten formen sich Tatsachen, die einen Planeten erschüttern werden – und wahrscheinlich nicht nur einen Planeten. Am 956. Reisetag Winters gibt er ein Telegramm an die U.C.A. auf. „Warnt Winter vor marsianischem Raumkreisel.“ Nach zwei Tagen wieder ein Telegramm. „Größte Gefahr für Winter! Marsianischer Überfall auf Trans-Pluto steht bevor! Warnt Winter! Mathmado …“ U.C.A.-Präsident Leclerc lächelt auch jetzt noch. * „Wer ist dieser Mathmado?“ Er läßt sich Stöverberg kommen. Der Himmel ist wie flüssiges Blei, und die Gedanken gehen träge und schwer. Stöverberg ist abgekämpft und sehnt sich nach einer längeren Atempause. Er grübelt nach und ruft London an. Als er eine Auskunft erhalten hat, schüttelt er verwundert den Kopf. „Tatsächlich! Das ist der angebliche Marsianer, der seinerzeit in der Auswertung vorsprach.“ 31
„Angebliche Marsianer können uns nichts nützen.“ „Wir können auch nicht mehr, als Winter warnen.“ „Winter wird sowieso auf der Hut vor dem Burschen sein. Aber geben Sie Immerhin eine Warnung durch.“ Winter wird gewarnt. Mathmado könnte zufrieden sein. Und doch weicht der beste Raumflieger der Erde seinem Schicksal nicht aus, oder er kann es nicht. Der 1006. Tag ist ein Sonnabend, noch dazu einer, der offiziell die Ferienzeit auf der nördlichen Halbkugel einleitet. Die U.C.A. ist die am exaktesten arbeitende Organisation der Weltregierung, und doch werden auch ihre Mitarbeiter von der großen Flaute angesteckt. Das „Unternehmen Kosmos“ läuft, die Nachrichtenbrücke meldet nichts Außergewöhnliches, und in der Halle stehen schon lange die montagereifen Kabinen unter den Greifern. Doch keiner glaubt mehr so recht daran, daß die Trans-Pluto II jemals die bittere Aufgabe zu erfüllen haben wird, Winters Nachfolger ins All tragen zu müssen. Auch Leclerc nicht. Am 5. August trifft die Meldung ein. Nachmittags gegen 17 Uhr holen sie den Präsidenten vom Tennisplatz herunter. Leclerc fährt zusammen, als er den Konferenzraum betritt und in die blassen Gesichter seiner engsten Mitarbeiter sieht. „Winter?“ Stöverberg nickt schwer und bedeutungsvoll, als wolle er sagen, natürlich Winter, du harmloser Optimist. Dann reicht er Leclerc den Streifen hin, und der liest die letzte von der Nachrichtenbrücke aufgefangene Meldung. „Werden von Marsianer angegriffen. Distanzpunkt 2889 bb. Winter“ „Das ist alles?“ fragt der Präsident mit zusammengezogenen Augenbrauen und wirft den Schläger in einen Sessel. „Zum Teufel, Stöverberg – das sagt doch nicht …!“ 32
Die Gesichter der Männer bleiben wie regungslose Masken. Stumm reicht ihm Stöverberg ein längliches Telefoto. Es wurde zwei Stunden nach dem Eingang der letzten Meldung Winters vom ersten Schiff der Nachrichtenbrücke mit der modernsten Optik der Erde „geschossen“. Das Verfahren beruht auf automatischen Selbstaufnahmen, die von dem Raumschiff TransPluto auf dem Funkwege an die Nachrichtenbrücke weitergeleitet und dort aufgefangen wurden. Leclerc sieht nicht lange darauf. Das Bild zeigt ein großes Raumschiff, das in vier Teile zerfällt. Leclerc weiß genug. Er schickt sie alle, bis auf Stöverberg, hinaus und setzt sich in seinem staubigen Dreß an den Konferenztisch. „Sollen wir die Trans-Pluto II auch gleich vernichten?“ „Präsident!“ begehrt Stöverberg auf und stellt sich vor den Franzosen. „Das ist ein verdammt fauler Witz!“ Sie sehen sich an, und dann klatscht Leclercs Rechte auf den Tisch. „Also – Winter hat es nicht geschafft!“ „Er hätte es geschafft, aber die Marsianer, diese feigen Hunde …“ „Der Überfall klärt die Fronten“, sagt Leclerc ernst. „Jetzt möchte ich zunächst einmal den geheimnisvollen Mathmado kennenlernen, den wir für verrückt hielten.“ „Ich werde ihn herbeiholen lassen.“ „Und dann“, fährt der U.C.A.-Präsident fort und steht wieder auf, „muß einer der Kapitäne von der B-Liste ’raus.“ „Wir haben abgemacht, daß in diesem Fall das Los entscheiden soll“, sagt Stöverberg. „Es fällt mir schwer, noch einmal acht Mann auf diese mörderische Reise zu schicken.“ „Es muß sein – wir dürfen nicht nachgeben.“ „Natürlich nicht“, Stöverberg nimmt aus seiner Konferenzmappe kleine Zettel mit den Zahlen 1 bis 30. Leclerc läßt seine Sekretärin kommen. Es geht dann alles sehr schnell. Es ist wie bei irgendeinem Vergnügen. Die junge Dame muß eine Num33
mer ziehen. 18. Mit angehaltenem Atem sieht Stöverberg die Liste durch und nennt einen Namen. „Clasen?“ fragt der Präsident. „Wer ist dieser Clasen?“ „Ein tüchtiger Junge“, erwidert Stöverberg. Er streicht den Namen ab. * Conny Clasen denkt nicht mehr an Vera. Er will nicht an sie denken. Er darf es nicht. Er gehört der U.C.A., und die U.C.A. interessiert sich nicht für zarte Herzensregungen. Es war schön mit dir, Vera – danke! Der Wagen rast über einen Platz, über den aus großen Vergnügungspalästen scharfe Rhythmen in die Nacht peitschen, die die drückende Schwüle eines nahenden Gewitters in sich birgt. Da toben sie nun herum und fühlen sich als die Herren der Welt und wissen nicht, was dieser 5. August für sie alle bedeutet. Fred Winter ist tot. Und nun ist Conny Clasen an der Reihe. Er grinst einem Verkehrsposten zu, der sich mit heftigen Armbewegungen über seine Geschwindigkeit aufregen will. Soll ich aussteigen, denkt er, und ihm sagen, daß ich nun auch die Ehre haben werde, zwischen der Sonne, die morgen hier wieder aufgehen wird, und einer anderen in Atome zu zerfetzen? Vielleicht sollte man sich noch so nebenbei die Löwen dieser Nacht ansehen und sie höflich einladen, mitzukommen – die Angeber aus den Bars, die Neunmalklugen aus den intellektuellen Zirkeln? Müßte ein großer Spaß für einen anständigen Raumflieger sein, euch klein und häßlich zu sehen. Conny biegt in eine Allee ein. Als er vor sich auf dem Fahrdamm einen Mann stehen sieht, will er mit einem lauten Fluch ausweichen, aber der Mann hebt 34
den rechten Arm. Conny weiß selber nicht, warum er so scharf bremst. Aber dann sind zwei zwingende Augen neben ihm. Conny sieht, daß der Mann alt und weißhaarig ist. „Sie sind der Raumflieger Clasen?“ Conny starrt den anderen verständnislos an. „Sie wollen nach Nordafrika und sollen versuchen, was Kapitän Winter nicht gelang.“ „Woher wissen Sie das?“ fragt Conny nicht sehr freundlich und zwingt sich, dem Blick der überaus klugen Augen standzuhalten. Der Alte verneigt sich lächelnd. „Mein Name ist Mathmado. Ich bin glücklich, daß Herr Leclerc mich nun endlich eines Gesprächs für würdig hält. Nehmen Sie mich mit. Man hat mich für morgen eingeladen, doch man weiß noch nicht alles.“ „Sie sprechen in Rätseln.“ Conny schüttelt den Kopf und läßt den Schlag hochgleiten. „Gehören Sie auch zur U.C.A.?“ Mathmado steigt ein. „Noch nicht, mein junger Freund.“ * Fred Winter ist tot. Auch die sechs, die außer ihm noch zur Besatzung der TransPluto gehörten, hat die Unendlichkeit erbarmungslos verschlungen. Sie sind in ihren prallen Kombinationen noch stundenlang durch das All gepurzelt und haben sich dann der großen Müdigkeit ergeben, die sie langsam umfing. Der marsianische Raumkreisel hat nicht einen von ihnen geborgen. Mit großer Geschwindigkeit setzt er seinen Flug fort. Sein Kapitän steht mit einigen Offizieren an der Sichtscheibe des Leitraums und beobachtet einen der armen Burschen, der noch mit Armen und Beinen strampelt und doch keinen Halt mehr findet. Als er den Raumkreisel vor sich sieht, gibt er mit 35
letzter Kraft Richtschüsse ab und kommt heran. Kapitän Ecco aber liebt keine Gefangenen. Er schießt eine kleine Strahlenkanone auf den Erdenmenschen ab und jagt ihn damit zurück. Ecco will sich ausschütten vor Lachen. „Beim Nam-Nami – habt ihr das gesehen?“ „Wie du ihn getroffen hast, Ecco!“ „Ich treffe alles, was ich will.“ „Die Erde wird uns nicht mehr einholen“, freuen sie sich und klopfen sich gegenseitig auf die Schulter. „In weniger als 300 Tagen sind wir am Planeten der roten Kugeln. Ecco, großer Ecco, was kommt dann?“ „Das Reich der Marsianer wird die Friedliebenden unter seinen Schutz stellen.“ Wieder freuen sie sich und klopfen sich gegenseitig auf die Schultern. Nur einer geht still hinaus. Varno heißt er und ist der dritte Ingenieur dieses Kreisels. Varno ist blaß. Er klettert rasch über eine kurze Leiter in die Navigation. Vor einem radarähnlichen Schirm steht ein junges Mädchen in der Uniform der marsianischen Raumflotte. Es ist Astra, die Tochter Mathmados. Sie trägt die Rangabzeichen eines Unterleutnants. Als Varno eintritt, winkt sie ihn heran und zeigt auf den Schirm. Ein Sonnensystem mit zwei Sonnen zeichnet sich ab. Um eine der Sonnen vier Planeten. Der Proxima Centauri rückt in das Sichtfeld der Marsianer. Ecco kann jetzt lachen und lästern. Ecco wird siegen. Varno lehnt sich gegen die Rundwand und schlägt die Hände vor das Gesicht. Sekundenlang ist Schweigen zwischen ihnen. Nur das Heulen des Antriebs, der den Kreisel weiter durch die Sternenräume jagt, ist leise hörbar. Astra tritt neben den Marsianer, der vielleicht einige Jahre älter ist als sie, und legt ihren Arm kameradschaftlich um seine Schulter. „Ich habe mit Sal und den anderen gesprochen, Varno.“ 36
„Sie sind feige“, murrt er in unterdrückter Wut. „Sie sind alle feige. Alle Marsianer. Hier an Bord und auf dem Mars. Suramnam und Ecco – solche Schufte regieren uns. Eben hat Ecco einen Erdenmenschen mit der Strahlenkanone zurückgetrieben, und sie lachen. Sie lachen! Sie sind feige.“ Sie sieht sich scheu um. „Wir haben 40 Leute an Bord. Es genügt, wenn zehn von ihnen mitmachen.“ Varno schüttelt den Kopf. „Ecco ist zu mächtig. Ich sah seinen Überfall auf das Erdenschiff nahen und konnte ihn doch nicht verhindern, weil ich an Meuterei dachte. Es gibt aber keine Meuterei auf einem marsianischen Kreisel, Astra.“ Er richtet sich auf und sieht sie ernst an. „Astra, ich hätte es dir gern erspart; aber wenn wir nicht dulden wollen, daß ein uns unbekanntes Volk von uns unterjocht oder ausgerottet wild, muß ich den Kreisel sprengen.“ Sie rührt sich nicht. „Wann, Varno?“ „Wenn wir noch hundert Tage zu fliegen haben werden.“ „Es gibt keine andere Möglichkeit? Mein Vater …“ „Nein, Astra – nein …“ * „Ich traue Varno nicht.“ Kapitän Ecco hört sich aufgeräumt an, was sein Chefingenieur ihm zu berichten hat. Das ist nicht viel, aber der Chefingenieur haßt Varno und möchte ihm schon lange eins auswischen. Ecco winkt lässig ab. „Ich danke dir für den Hinweis.“ „Er hat etwas mit Astra“, sagt der kleine Kerl mit dem schmierigen Gesicht gehässig. „Und Astra sprach gestern mit Sal und brach ab, als ich hinzutrat.“ „Du kannst gehen.“ 37
Der Chefingenieur verschwindet aus dem Leitraum. Ecco lächelt verächtlich hinter ihm her. Er ist aber durchaus nicht so gelassen, wie er in seiner lässigen Art zeigt. Seine wegwerfende Handbewegung war nur Theater. Kaum ist der Chefingenieur draußen, als schon der Erste wie herbeigezaubert vor ihm steht und sich verneigt. „Du hast mich gerufen, Kapitän?“ „Achtet auf Varno und die schöne Astra.“ „Auf Astra von mir aus jede Sekunde“, grinste der andere. „Ist was los mit den beiden?“ „Varno soll ein zu weiches Herz haben.“ „Ich verstehe.“ Dann geht der Kapitän in die Navigation, wo Unterleutnant Astra höflich grüßt. Er schlägt ihr auf die Schulter, mustert sie reichlich frech von oben bis unten und läßt sich das herannahende Sonnensystem zeigen. Ecco atmet tief auf. „Suram-nam wird sich freuen.“ „Man wird uns auf dem Planeten der roten Kugeln vielleicht schon bemerkt haben“, sagt sie ruhig. Er nickt, sieht sie prüfend an und geht weiter zur Funkkammer. „Nachricht aus Nam?“ „Suram-nam dankt uns, Kapitän.“ „Wir handeln, wie es sich für Marsianer gehört“, sagt Ecco gespreizt. „Versuche, den Planeten der roten Kugeln anzurufen.“ „Sehr wohl, Kapitän.“ * Der geheimnisvolle Planet wird angerufen. Was immer auch dahintersteckt, es ist ein großer Augenblick für das ganze Sonnensystem. Der Planet antwortet noch nicht. Aber Kapitän Ecco hat jetzt Geduld und Ruhe. Kein irdi38
sches Raumschiff wird ihn mehr einholen können. Als die Meldung von der Vernichtung der Trans-Pluto die marsianische Hauptstadt erreicht, wird dort eine neue Flotte von Raumkreiseln zusammengestellt. Ihre Angehörigen sind ausnahmslos Freiwillige. Suram-nam schickt sich an, die marsianische Macht weltenweit auf ein anderes Sonnensystem auszudehnen. Es stört ihn wenig, daß der Präsident der Erde bei der marsianischen Regierung scharf gegen die Vernichtung eines irdischen Raumschiffes protestiert. Er hebt nur verständnislos die Schultern. Zeugen gibt es nicht, und es würde ihn auch wenig stören, wenn es solche gäbe. Seine Antwort an die Erde ist von einer geradezu beispielhaften Unverschämtheit. „Wir bedauern tief das tragische Geschick eures Schiffes, das aber nicht auf einen Angriff unseres entsandten Raumkreisels zurückzuführen ist. Vielmehr hat Kapitän Ecco noch versucht, eurem explodierenden Schiff zu helfen.“ * Suram-nam bedauert sehr. In Melbourne ist man empört. „Das hat man der Erde noch nie geboten. Man sollte darauf mit militärischen Aktionen antworten.“ „Wir dürften dem Mars nicht gewachsen sein.“ „Noch nicht“, grollt der Weltpräsident und geht vor der großen plastischen Karte der Erde auf und ab. Seine Referenten stehen ziemlich betreten umher. „Natürlich, ein interplanetarischer Krieg ist gerade jetzt ein Anachronismus. Aber wenn es nicht anders sein kann … Ich möchte Suram-nam eigenhändig aus seiner grünen Uniform schütteln. – Leclerc, bitte!“ Ein Sekretär flitzt heran. Gleich darauf hat in Nordafrika der U.C.A.-Chef das Vergnügen, einen racheschnaubenden Welt39
präsidenten sprechen zu können, der sich benimmt, wie man es von ihm nicht erwarten sollte. „Wann geht Ihr zweites Trans-Pluto-Schiff ab, Leclerc?“ „Eine Woche wird es noch dauern.“ „Schneller, mein Lieber, schneller müssen wir sein!“ „Aufholen können wir doch nicht mehr. Ich werde das Schiff aber noch besser bestücken lassen, damit Clasen die Erde würdig vertreten kann, wenn es darauf ankommt.“ „Bei allen Teufeln! Es gibt keine Möglichkeit, diese verdammten Marsianer einzuholen?“ „Es gibt keine.“ * „Aus Hamburg?“ Stöverberg will gerade zur Vereidigung der Trans-Pluto-IIBesatzung. als er an den Apparat geholt wird. „Die Dame meldet sich aus Hamburg, Mister Stöverberg. Sie laßt sich nicht abweisen und verlangt einen der verantwortlichen Herren zu sprechen. Es sei wegen Kapitän Clasen.“ Stöverberg zieht die Augenbrauen zusammen, als er vor den Apparat tritt. „Hallo! Hier Direktor Stöverberg von der U.C.A. Mit wem habe ich die Ehre?“ Eine Frauenstimme, sehr warm und wohlklingend und voll unterdrückter Unruhe. „Mein Name ist Vera Hagemann. Ich bin eine – eine Bekannte von Kapitän Clasen.“ Und dann sehr rasch und überstürzt: „Ich will Ihnen die Wahrheit sagen: Ich liebe ihn und will ihn nicht verlieren.“ Stöverberg wird es unbehaglich. „Ich weiß, daß er zum Proxima Centauri soll. Ich muß noch einmal mit ihm reden. Bitte, Herr Stöverberg!“ Stöverberg schluckt heftig und verzieht das Gesicht. „Haben Sie Kapitän Clasen etwas Außergewöhnliches zu sagen?“ 40
„Ja – meine Bitte, mich mitzunehmen.“ „Zum Proxima Centauri?“ entfährt es dem entsetzten Direktor. „Aber ja! Ich liebe ihn doch!“ Stöverberg, verliere jetzt nicht die Geistesgegenwart! „Ich bedaure sehr, gnädiges Fräulein, aber es besteht keine Möglichkeit mehr, Kapitän Clasen noch zu sprechen, da er sich bereits auf der Raumstation R I befindet und in einigen Stunden starten wird.“ Das ist unverschämt gelogen, und es wirft Vera beinahe um. „In einigen Stunden schon?“ ruft sie zurück und kann ihr Schluchzen nicht mehr unterdrücken. „Das darf doch nicht sein, das …“ Es knackt im Apparat, und das Mädel in der Zentrale meldet, daß die Verbindung unterbrochen ist. Stöverberg kommt sich verdammt unfair vor, aber er kann es nicht ändern. Einer wie Clasen darf keine Freundin mehr haben. Er wird ihm nichts sagen. * „Sie haben keine Angehörigen?“ „Nein.“ „Sie sind nicht verlobt?“ „Nein.“ „Es gibt keinen Menschen, der auf Sie warten wird?“ Conny Clasen hämmert es in den Schläfen. Stöverberg betritt den Konferenzraum, und seine Augen sind groß und fragend auf ihn gerichtet. Dann wendet er sich ab. Conny antwortet mit fester Stimme. „Es gibt keinen Menschen, der auf mich warten wird. Ich bin frei und unabhängig. Ich gehöre nur der Raumfahrt.“ Stöverberg wischt sich die Stirn. Es ist heiß heute, verdammt heiß. Leclerc macht ein feierliches Gesicht. 41
„Dann sprechen Sie mir den Eid nach.“ Conny Clasen reckt sich. „Ich gelobe, als Angehöriger einer Sonderaktion der U.C.A. meine Pflicht bis zum letzten Atemzug zu erfüllen. Es gibt für mich weder eine Umkehr noch eine Übergabe an feindliche Raumstreitkräfte. Ich gelobe, alles daranzusetzen, um die Planeten des Systems Proxima Centauri zu erreichen.“ Mit diesen Worten gibt Conny sich preis. Es gibt endgültig kein Zurück mehr. Es gibt kein Hamburg mehr und keine Vera. Conny nimmt die Rechte des U.C.A.Präsidenten und drückt sie fest. Draußen dämmert der Morgen des sechsten Augusttages. Ein Sonntagmorgen. Irgendwo läutet eine Glocke. Clasen tritt zurück. Leclerc wendet sich dem nächsten der Männer zu, die im Halbkreis um ihn stehen. Es ist Mathmado. „Herr Mathmado, es ist Ihr freier Wille, in die U.C.A.Organisation einzutreten und am Flug zum Proxima Centauri teilzunehmen?“ „Mein freier Wille“, antwortet der greise Marsianer fest und ruhig. Er wird vereidigt. Dann der dritte, und Conny Clasen ist überrascht, daß es Stöverberg ist, der alles hinter sich abbricht, um den Flug ins Nichts mitmachen zu können. „Man müßte den marsianischen Gangstern eins auswischen“, sagt einer während einer kurzen Pause. Die anderen sehen verlegen auf Mathmado; aber der nimmt aus seiner Mappe einen Schnellhefter, den er sorgsam an sich drückt. Als die Zeremonie beendet ist, bittet er den Präsidenten um eine Unterredung. Leclerc führt ihn in sein Arbeitszimmer. „Nachdem man mich in die irdische Raumfahrtorganisation aufgenommen hat“, sagt der Marsianer ruhig und schlägt den Schnellhefter auf den Knien auf, „fühle ich mich verpflichtet, meinen Aussagen noch etwas hinzuzufügen.“ Leclerc steckt sich eine Zigarette an. 42
„Ihre Aussagen waren für uns so wertvoll, daß ich mir schon die heftigsten Vorwürfe gemacht habe, Herr Mathmado. Wie konnten wir aber auch ahnen, daß die Kreise um Ihren Staatspräsidenten Suram-nam nichts anderes als die Annexion des Planeten der roten Kugeln planen!“ „Ich kenne Suram-nam. Es wird ein entsetzliches Blutbad geben.“ „Sehen Sie hoch militärische Verwicklungen voraus, die eventuell auch die Erde treffen könnten?“ „Ja“, erwidert Mathmado sehr bestimmt, „leider sehe ich sie voraus. Ich war in Nam Lehrer an der Hochschule für kosmische Forschungen und gewann schon damals den Eindruck, als seien von den vier Planeten einer der Sonnen des Systems Proxima Centauri mindestens zwei bewohnt …“ Leclerc richtet sich auf. „Der eine der Planeten wird von der roten Kugel beherrscht. Ich nehme an, daß seine Bewohner in ihr das Symbol ihres Daseins gefunden haben, das voller Frieden sein dürfte, was ja auch aus ihrer Botschaft hervorgeht.“ „Verehrter Herr Mathmado, Sie überraschen mich immer mehr.“ „Ich habe dieses Bild aus vielen kleinen Einzelheiten zusammengefügt. Ob es der Wirklichkeit entspricht, wird uns erst die Zukunft zeigen; doch deutet alles darauf hin, daß außer dem Planeten der roten Kugeln noch ein zweiter bewohnt ist. Wie sich seine Bewohner bei einem räuberischen Eindringen ihnen fremder Lebewesen verhalten werden, wage ich nicht zu sagen.“ Leclerc legt rasch seine Zigarette ab. „Sie wissen sehr viel, Herr Mathmado.“ „Ich bin nur ein guter Logiker“, sagt der Marsianer mit bescheidenem Stolz. Und dann schlägt er ein mit Formeln bedecktes Blatt in seinem Schnellhefter auf und sagt ruhig: „Ich habe eine neue Antriebsmethode gefunden, Herr Leclerc.“ 43
* Die Zigarette wird zerdrückt. „Das interessiert mich, Herr Mathmado.“ „Ist Ihnen bekannt, daß das Raumschiff vom ProximaCentauri-Planeten anstelle eines üblichen Steuergeräts das Modell unseres Sonnensystems hatte?“ „Das ist uns bekannt.“ „Ich habe daraus auf eine völlig neue Methode geschlossen, die zwar von jenen Lebewesen nicht oder nur unvollkommen beherrscht zu werden scheint – wir können annehmen, daß sie Jahre unterwegs waren –, die aber für uns geradezu ideal wäre.“ „Nämlich?“ „Wir beschränken uns noch zu sehr auf die rein mechanische Überwindung einer Distanz, anstatt zu versuchen, mit der Harmonie des Kosmos eins zu werden. Ich möchte sagen, unsere Antriebsmethoden – das gilt für die Erde wie für den Mars – sind grob und roh, während uns die Wesen vom Planeten der roten Kugeln wenigstens in ihrem Einssein mit dem Kosmos voraus zu sein scheinen.“ „Ich kann noch nicht folgen, Herr Mathmado.“ „Verzeihung!“ lächelt der Marsianer höflich. „Ich will das Problem nicht philosophisch lösen.“ „Ich sehe, Sie haben dort Formeln.“ Mathmado reicht den Schnellhefter hin. Präsident Leclerc läßt sich Zeit mit seinem Studium. Viel Zeit. Stunden vergehen. Mathmado sitzt still und ganz in sich versunken. Leclerc beachtet nicht einmal seine Zigaretten. Auch nicht, als er sich aufrichtet. „Das ist phantastisch!“ „Nichts als die Anwendung einer logischen Folgerung.“ „Aber die angegebenen Geschwindigkeiten sind unfaßbar!“ ruft der Präsident aus und springt auf. Er zittert am ganzen Kör44
per. Für ihn bricht eine Welt zusammen, aber nur, um einer neuen zu weichen. „Mathmado – das ist doch nicht möglich!“ „Sie müssen sich von Ihrer subjektiven Denkungsart frei machen, Leclerc.“ „Sie haben hier Werte gesetzt, die ich einfach nicht fasse“, fährt der Franzose etwas ruhiger fort und legt den aufgeschlagenen Schnellhefter auf den Tisch. „Sehen Sie hier.“ Mathmado erhebt sich. „Wo habe ich die Möglichkeit, Ihnen die Richtigkeit meiner Theorie besser beweisen zu können?“ „Am besten in der Projektabteilung des chemischen Instituts.“ „Dann kommen Sie, bitte!“ * Sie stehen in der Projektabteilung. Mathmado, Leclerc, Clasen, Stöverberg und noch zwei Herren. Vor einer großen Projektionsfläche steht Mathmado. Was er sagt, klingt für die anderen ungeheuerlich. „Wir ordnen uns der Harmonie des Kosmos ein. Nach Überwindung des Sonnensystems werden wir den eigenen Antrieb ausschalten und nur noch eine Steuerung nach dem System des gläsernen Raumschiffes vorzunehmen haben.“ Conny Clasen kann nicht mehr an sich halten. „Und die Geschwindigkeit, Herr Mathmado?“ „Sie ist mit menschlichen Begriffen nicht zu erfassen, mein junger Freund“, lächelt der weise Gelehrte gütig. „Wer sich ganz dem Kosmos unterordnet, indem er sich meiner Methode der Sonnensteuerung bedient, muß Begriffe wie Geschwindigkeit, atomarer Antrieb, Beschleunigung, und wie sie alle heißen, aufgeben.“ Der Kapitän fragt nicht weiter.
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* Auch Kapitän Ecco fiebert. Er hat Verbindung mit dem Planeten der roten Kugeln. Das System Proxima Centauri antwortet auf seinen Anruf. Noch sind die Zeichen unverständlich, aber sein Bordastronom ist bereits an der Arbeit. Ecco läßt inzwischen Varno kommen. „Dies ist ein glücklicher Tag, mein lieber Varno. Die Menschen vom Proxima Centauri haben unseren Ruf aufgefangen und antworten. Wahrscheinlich rüsten sie bereits zu einem großen Fest.“ Varno möchte dem höhnischen Burschen an die Gurgel springen, beherrscht sich aber. „Wir werden alle glücklich sein, Kapitän, wenn wir ihnen die Hände reichen können.“ Ecco lehnt sich mit verschränkten Armen gegen die Wand des Leitraums. Seine Augen sind schmal und halbgeschlossen, aber sie lassen den dritten Ingenieur nicht los. „Wir werden unsere Aufgabe erfüllen, wie sie uns von Suram-nam gestellt wurde.“ Varno antwortet nicht. „Unsere Aufgabe ist es, die Landung der 4. marsianischen Flotte vorzubereiten.“ „Ich hörte davon, Kapitän.“ „Suram-nam will, daß der Mars die ganze Welt beherrscht. Er rechnet in Tausenden von Jahren. Das Sonnensystem des Proxima Centauri wird uns gehören, Varno!“ Varno steht wie aus Stein. „Jawohl, Kapitän!“ * Eine rote Kugel. Sie steht auf einem freien Feld, das im Osten von einem sil46
berglänzenden Meer begrenzt ist, vor dem eine Reihe schlanker Bäume steht, in deren Wipfeln sich blaurote Vögel wiegen. Zwei Gestalten besteigen die Kugel. Sie erhebt sich und fliegt auf das Meer hinaus. Das Meer scheint ohne Anfang und Ende zu sein. Nur ein leichter Wind bewegt es und kräuselt seine Wellen. Es ist warm. Das Zentralgestirn leuchtet von einem blauklaren Himmel herab, über den Wolken wie aus feinem, kostbarem Gewebe ziehen. Die rote Kugel fliegt über ein Meer der Ruhe und des Friedens. Nach einer Zeitspanne, für die die Erdenmenschen den Begriff „Stunde“ prägten, treffen sie vier, fünf große Boote, die in schneller Fahrt das Wasser schneiden. In ihnen stehen Gestalten, die hinaufwinken. Die Kugel steigt. Nach vier Stunden erst erreicht sie die Wohngebiete. Aus dem Meer leuchtet es vor ihr rot auf und brennt in der Sonne. Es sind riesige Gebilde, die wie halbierte Ballons auf dem Wasser treiben. Sechs von ihnen sind zu einem großen Ring formiert. Weiter östlich in verschwimmender Ferne das gleiche Bild. Ein Märchen? Die rote Kugel gibt nach unten Signale, die sofort beantwortet werden; Dann geht sie über dem Ring der seltsamen Gebilde nieder und legt an einem Kai an, der in das Meer hinausgelegt ist. Einige Gestalten stehen am Kai und sehen gelassen zu, wie die beiden aus der Kugel aussteigen und auf sie zukommen. „Habt ihr Nachricht von den Oberen?“ „Sie wollen das fremde Schiff mit einem Fest begrüßen.“ „Wann werden wir es erwarten können?“ „Wir hoffen es bald zu erfahren.“ *
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„Die Übersetzung, Kapitän.“ Kapitän Ecco reißt seinem Bordastronomen das Papier aus der Hand. Aber wie vor Jahren Professor Burger, mußte auch er sich darauf beschränken, den Sinn der fremdartigen Zeichen ungefähr zu erfassen. „Wir verstehen euch. Folgt unseren Anweisungen!“ Kapitän Ecco grinst höhnisch. „Sie wollen uns einlotsen. Achtet gut auf ihre Funksprüche!“ Der Bordastronom nickt und verschwindet. Im Leitraum und in der Navigation ballt sich unerträgliche Spannung. Immer klarer treten die Umrisse des fremden Sonnensystems hervor. Die Tage sind zu zählen … Ein Leutnant tritt auf den Kapitän zu, salutiert und reicht ihm eine Meldung aus der marsianischen Hauptstadt. „4. Flotte startklar.“ * Der Wagen hält. Kapitän Clasen ist noch vor seinem Präsidenten draußen. Conny trägt am linken Unterarm das Führerzeichen der Sonderaktion III und ist in diesen Tagen der wichtigste Mann der Erde. Conny Clasen aus Hamburg. Sie gehen über den klobigen Betonblock auf die große Halle zu. Energisch hämmern ihre Schritte. Die Posten nehmen Haltung an. In der weißen Grelle der Flutstrahler empfängt sie einer der besten U.C.A.-Ingenieure. „Wir haben die Sonnensteuerung heute vormittag eingebaut“, meldet er Präsident Leclerc. Der nickt aufgeregt und besteigt eine Plattform, die neben einer Kugelkabine ausgefahren ist. Die Kabine ist geöffnet. Leclerc kann die neuartige Steuerung vor sich liegen sehen. Das Modell eines Sonnensystems, allerdings ohne die planetenlose der Zwillingssonnen. 48
Ein Zentralgestirn mit vier Planeten, eingefedert in der Steuersäule und durch ein grünes Kabel verbunden mit einem kleinen, fächerartigen Gebilde über der Sichtscheibe des Piloten. „Wir können beginnen, Sir.“ „Herr Mathmado …?“ „Kommt gleich“, sagt der Ingenieur und zeigt auf eine der großen Türen, durch die eben der greise Marsianer eintritt und zu den Männern heraufgrüßt. „Es ist alles in Ordnung.“ „Glauben Sie an einen Erfolg?“ „Morgen abend starten wir.“ * Varno keucht. Wenn sie ihn jetzt überraschen, ist alles aus. Nicht nur mit ihm. Das wäre bedeutungslos. Aber der Planet der roten Kugeln wäre verloren. Varno trägt eine kleine, grüne Hülse in der Rechten. Er durchquert damit den kleinen Zwischenraum vor der Navigation. Der Kreisel vibriert unter der umbarmherzigen Härte des rasenden Antriebs. Varno weiß, daß er jetzt nur wenige Minuten Zeit hat, um ein Gramm der grauen, radioaktiven Masse an sich nehmen zu können, die in der Hülse aus Kunststoff steckt. Er weiß aber auch, daß der Erste ihn beobachtet. Aber Varno ist schlau, und Astra ist so schön, daß sie den Ersten hat ablenken können. Astra sieht auf, als Varno eintritt. „Hast du sie?“ fragt sie fast unhörbar und preßt die Hand auf das hämmernde Herz. „Ich habe ihn aufgehalten.“ „Wo ist er?“ „Gib her“, sagt sie und sieht zu, wie er das unscheinbare Ding vor ihr auf den Ständer legt. „Geh’ jetzt wieder in den 49
Leitraum; ich wechsele es aus und bringe die Hülse zurück. Geh’ jetzt, Varno, damit Ecco nichts merkt.“ „Aber sei vorsichtig – bei dem großen Nam-Nami!“ Über ihr strenges Gesicht huscht ein Lächeln. „Du tust, als ob es nicht gleich wäre, wann wir uns opfern.“ Er wendet sich schroff ab. * „4. Flotte startklar!“ Der Kommandeur der 4. marsianischen Raumflotte meldet dem Staatspräsidenten. Suram-nam macht das Grußzeichen und fährt in einem jeepartigen Wagen die Front der 60 großen Raumkreisel ab, vor denen die Besatzungen angetreten sind. Ein Musikkorps spielt. Noch ist alles geheim, aber in den nächsten Tagen sollen die drei Geschwader der Flotte starten. Was nun, nach der Abnahme durch den Staatspräsidenten kommt, sind nur noch Routineübungen. Suram-nam wartet auf das Zeichen von Kapitän Ecco. Er ist sehr aufgeräumt. „Ihr werdet den marsianischen Staatsgedanken über das Sonnensystem hinaustragen und künden, daß es für ihn keine Grenzen gibt.“ 2400 Raumflieger antworten ihm. „Wir werden von deinem Ruhm künden, großer Suramnam!“ * Diesmal kommt ihm die Erde zuvor. Um Stunden nur, aber es soll entscheidend sein, daß die TransPluto II das Sonnensystem vor der marsianischen Flotte verläßt. Am 1016. Tage nach dem Start Fred Winters. 50
„Kapitän Clasen, denken Sie immer daran, daß Sie für unseren Fred Winter fliegen! Sie sollen weitermachen, wo er aufhören mußte.“ „Ich verstehe.“ Dann starten sie. Von der Raumstation R I aus. Leclerc ist da, und der Weltpräsident läßt sich den Akt auf seinen Fernsehschirm in Melbourne übertragen. Die Öffentlichkeit nimmt leidenschaftlich Anteil. Fred Winters Tod und der Überfall der Marsianer haben sie maßlos aufgepeitscht. Die Weltregierung kann eine AntiMars-Psychose kaum unterdrücken. In Hamburg findet man nach dem Start Vera Hagemann in ihrer Wohnung bewußtlos auf. Sie wird mit einem Nervenzusammenbruch in ein Krankenhaus eingeliefert. Conny Clasen erfährt es nicht. Er weiß kaum noch, daß es eine Vera gibt. Mit dem unbewegten Gesicht des verantwortlichen Raumfliegers legt er auf ein Signal vom Kommandostand hin einen kleinen, grünen Hebel um. Die Trans-Pluto II schießt davon. * „Was ist mit Varno?“ „Ich habe ihn beobachtet“, sagt der Erste etwas unsicher. „Varno war vorhin in der X-Kammer.“ „Und?“ „Unterkapitän Zai hatte ihn beauftragt, einen C-Stecker zu holen. Ich hatte ihn in Verdacht, eine der X-Hülsen an sich genommen zu haben; aber ich habe eben nachgesehen – sie sind alle da.“ „Warum hast du Varno nicht in der Kammer gestellt?“ „Er hatte ja einen dienstlichen Auftrag“, erwidert der Erste verlegen, „und ich dachte …“ 51
„Schon gut! Achte weiter auf ihn!“ Der Erste verläßt die Kabine, in der Ecco sein Essen zu sich nimmt. Ecco trinkt noch eine halbe Flasche von einem Getränk, das eine gewisse Ähnlichkeit mit Kognak hat. Ecco kann es in rauhen Mengen vertragen. Dann geht er in die Funkkammer. „Meldung an Nam.“ Der Funker tastet über die Geräte. „Zeichen Proxima.“ * „Zeichen Proxima.“ Staatspräsident Suram-Nam läßt sich unverzüglich mit dem Befehlshaber der militärischen Raumflotten verbinden und gibt ihm den Angriffsbefehl. „Kapitän Ecco hat den Distanzpunkt XII erreicht. Er kann von heute an Einzelheiten des Proxima Centauri ausmachen. Die 4. Flotte wird heute abend in Marsch gesetzt.“ „Jawohl, Suram-nam!“ „Kein Erdenschiff wird uns mehr stören“, triumphiert der Oberste der Marsianer. „In vier Jahren wird die Flotte den Planeten der roten Kugeln erreicht haben. Also, starte die Flotte!“ „Jawohl, Suram-nam!“ Über Nam senkt sich einer der stillen Marsabende, die voller Melancholie sind. In der Stadt besuchen die Marsianer die schlichten Lokale, die nicht viel zu bieten haben. Bald wird es ruhig in der marsianischen Hauptstadt. Nach Einbruch der Dunkelheit dürfen nur noch die Schnellbahnen und Fahrzeuge der Staatsbehörden unterwegs sein. Der Mond Deimos geistert auf. Viele blasse Gesichter sind zu ihm emporgerichtet. Auf den Feldern der 4. Raumflotte: 2400 marsianische Raumflieger nehmen Abschied. Dann starten die Geschwader der Flotte. 52
Kreisel auf Kreisel heult sich über die aufschreckende Stadt hinweg in den dünnen, blauen Marshimmel. Stundenlang. * „Neptun passiert!“ Die Trans-Pluto II rast mit Vollgeschwindigkeit durch das Sonnensystem. Noch singt der Atomantrieb. Stöverberg sitzt am Steuer, während Conny Clasen kaum noch aus der Navigation herauskommt. Er drückt auf einen Knopf am Schiffssprecher. „Hallo, Herr Mathmado! Neptun ist passiert. In zwei Tagen sind wir bei Pluto, und dann sind wir ’raus! Haben Sie alles bereit?“ „Die Sonnensteuerung kann eingesetzt werden, Conny.“ „Lassen Sie sich inzwischen noch einmal ablösen. Frank kann nach achtern gehen, oder Petersen.“ „Danke, ich habe Petersen schon bei mir! Wenn ich müde werde, lege ich mich hier hin.“ „Sie müssen es wissen, Herr Mathmado.“ „Conny, wenn Sie fünf Minuten Zeit haben, können Sie mir einen Gefallen tun. Nehmen Sie bitte aus meiner Mappe, die in der Kabine liegt, das Bild meiner Tochter. Nein, Conny, ich habe mich nicht versprochen. Ich habe eine Tochter, und die fliegt weit vor uns im marsianischen Raumkreisel. Vielleicht werde ich sie nicht mehr lange haben, aber ihr Bild möchte ich neben mir sehen.“ Conny springt auf. „Gleich, Herr Mathmado.“ Er klettert in den Mittschiffsgang und geht in die Gemeinschaftskabine. Die Trans-Pluto II ist ein prächtiger Kasten; aber wenn sie das Sonnensystem hinter sich haben, soll sie erst zeigen, was sie kann. Hoffentlich geht die Rechnung auf. 53
Mathmado ist alles zuzutrauen, denkt Conny zuversichtlich und pfeift vor sich hin. Nun präsentiert er uns auch noch eine Tochter. Conny kennt die Marsianerinnen und verspricht sich nicht viel von ihr. Als er aber das Foto aus der Mappe zieht, pfeift er nicht mehr. Er ist erschüttert. Das ist eine Frau! Nein, er pfeift nicht mehr; aber in diesen Sekunden spürt er sein Herz wie noch nie in seinem Leben Anders als bei Vera. Heißer. Drängender. Das ist eine Frau, Conny Clasen! Wie im Fieber geht er weiter. Er hört nicht eine Ansage über den Bordlautsprecher, die die Antriebsstufungen bekanntgibt. Er sieht nur Astra. * Astra wird abgelöst. Ein Unterleutnant nimmt ihren Platz am Allsichtschirm ein. Immer deutlicher zeichnet sich das System des Proxima Centauri ab. Schon können sie den äußersten Planeten klar ausmachen. Der Bordastronom arbeitet bis zur Erschöpfung. Astra trifft Varno im Mittelraum. Er ist verzweifelt und bemüht sich krampfhaft, es dem technischen Offizier nicht zu zeigen, mit dem er gerade spricht. Als der aber geht, winkt er Astra verstohlen zu. „Die 4. Flotte kommt!“ Sie weiß, was das bedeutet, aber sie ist tapfer genug, um an den letzten Ausweg für sie und den fremden Planeten denken zu können, ohne zu zittern. „Wann sollen wir es tun?“ „In zehn Tagen.“ Sie nickt ihm zu und geht weiter. Man mißtraut ihnen, und es ist nicht gut, wenn man sie zusammen sieht. Sie geht zum Kapitän, und sie hat genügend x-aktiven Stoff, bei sich, um den ganzen Kreisel auseinandersprengen zu können. 54
„Du hast mich rufen lassen, Kapitän?“ „Ich habe etwas mit dir zu besprechen, Astra.“ „Ich stehe zu deiner Verfügung.“ * „Achtung! Hier Raumschiff Jupiter. Kapitän Simon.“ „Achtung! Hier Station Pluto. Wir hören.“ „Meine Position: Uranus S 14! Sichten in S 15 starke Verbände marsianischer Raumkreisel mit Kurs S 17.“ Der Streifen gleitet durch. Unbeweglich die Gesichter der Raumfunker vor der matten Silhouette der düsteren Plutolandschaft. „Wir wiederholen: Sichten in S 15 starke Verbände …“ Der Verantwortliche der Station überlegt nicht lange. Die Meute will das Sonnensystem verlassen und wird dabei vielleicht über Clasen herfallen, der noch vor dem Pluto steht. „Meldung an Trans-Pluto II.“ * Inzwischen funken schon andere. Acht Schiffe der Erde sichten die ausziehende Armada der Marsianer. Auf der Erde hat man mit weiteren Aktionen Suramnams gerechnet, aber die Anzahl der gesichteten Kreisel und die Angaben über ihre Grüße schockieren doch sehr. Leclerc wird zum Weltpräsidenten gerufen. „Das kann bedeuten, daß in einigen Jahren unser ganzes Sonnensystem brennt.“ Leclerc ist voll Entschlossenheit. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Sie dürfen nicht durch!“ „Also – Krieg?“ Der Franzose zieht den Reißverschluß seiner Konferenzmappe auf. „Ich habe bereits erste Maßnahmen getroffen. Die Kreuzer55
Geschwader 3 und 5 sind auf die marsianischen Verbände angesetzt, sollen sich ihnen aber nur bis auf 1000 Meilen nähern.“ „Zwei Geschwader sind wenig.“ „Ich weiß. Auch in der Bewaffnung sind die Marsianer uns überlegen. Die Kreuzer-Geschwader 2 und 4 starten in vier Stunden vom Uranus aus.“ „Schaffen Sie es noch?“ „Ich schätze, daß wir einen Spielraum von 10 Tagen haben: so lange können unsere Einheiten mithalten, werden allerdings keinen Erfolg mehr haben, wenn die Marsianer erst einmal durch sind.“ „Zehn Tage haben wir noch“, sagt der Weltpräsident aufatmend. „Ja, Sir!“ Der Weltpräsident erhebt sich und tritt ans Fenster. Draußen dehnt sich die verdämmernde Nacht über eine friedliche Erde. Was wird sein, wenn es zum offenen Krieg mit den Marsianern kommt? Läßt man aber die marsianischen Verbände das Sonnensystem verlassen, beschwört man noch furchtbarere Gefahren herauf. Der Weltpräsident wendet sich wieder um und tritt vor Leclerc. „Unsere Chancen in einem offenen Konflikt?“ „Sie sind gering“, gibt Leclerc ohne weiteres zu. „Die Marsianer sind uns militärisch weit überlegen. Unsere KreuzerGeschwader sind Polizeiverbände, die marsianischen Kreisel aber schwerbewaffnete Kriegsschiffe.“ Er nimmt eine Zigarette aus dem hingehaltenen Etui. „Ich hoffe aber, daß Clasen und Mathmado den Kreisel einholen werden, der vor dem Proxima Centauri steht, und ihn ausschalten können. Die marsianische Flotte würde dann ziemlich blind sein.“ „Sie denken an die Sonnensteuerung?“ Leclerc nickt und hält dem Weltpräsidenten sein Feuerzeug hin. 56
„Ganz offen, Leclerc – glauben Sie an diese ominöse Sache?“ „Sie ist unsere letzte Chance.“ * „Sie haben uns, Kapitän!“ „Wir haben sie, mein Lieber!“ Conny Clasen sieht auf den Radarschirm, auf dem die heranjagenden Verbände der Marsianer sichtbar werden. Die TransPluto II rast ihnen mit einer Geschwindigkeit voraus, die kaum noch zu verantworten ist. Conny geht zu Mathmado. „Jetzt hängt alles von uns ab.“ Mathmado lächelt. „Wir können den Göttern danken, daß sie uns diesen Vorsprung gaben. Halten wir ihn die nächsten vierzig Stunden?“ „Wenn der Antrieb diesen Irrsinn aushält, wohl.“ Das Raumschiff zittert unter den sich überstürzenden Stößen der Heckdüsen. Conny sieht aufmerksam zu, wie der Marsianer das Zentralgestirn seiner Sonnensteuerung richtet. Es ist ein Spiel um Millimeter, das durch die Raserei noch erschwert wird. Es ist heiß im Leitraum. Die Sonne bleibt immer mehr zurück, aber die Männer schwitzen. Conny hat keine Ruhe. Er will nach dem Antrieb sehen. An der Schottür wendet er sich noch einmal um. „Hoffentlich hauen wir Ihre Tochter gesund heraus.“ Mathmado richtet sich überrascht auf. Er sieht, daß Connys Augen glänzen. Ihre Blicke begegnen sich. Sie verstehen sich. Mathmados Rechte gleitet sorgsam über die winzige Sonnenkugel. „Sie werden Astra kennenlernen, Conny.“ „Sie ist schön, Herr Mathmado.“
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* „Ich stehe zur Verfügung, Kapitän.“ Ecco hat die Meldung erhalten, daß die 4. Flotte unterwegs ist. Ecco ist bester Laune, und er ist ausgesprochen freundlich, als er zu Unterleutnant Astra sagt: „Hebe beide Arme hoch!“ Entsetzt starrt sie auf sein verschwommenes Gesicht. Er wiederholt seine Aufforderung. Zögernd gehen ihre Arme hoch. Ihr Herz hämmert, daß sie glaubt, gleich umzufallen. Ich bin die einzige Frau an Bord, denkt sie verzweifelt, ihr Götter, was wird er jetzt tun? „Du trägst x-aktiven Stoff bei dir, Astra!“ Astra wankt gegen die Rundwand. Kapitän Ecco folgt ihr und hält sie. Aus, Astra, alles aus! Wie konnte das nur geschehen? Sie spürt seine Hände, die langsam ihre Uniform abtasten, langsam und vorsichtig. Er weiß, daß es nur im Sicherheitsgurt sein kann, und dort findet er es auch. Seine halbgeschlossenen Augen sind vor ihr. Angeekelt wendet sie sich ab. „Hast du mir nichts zu sagen, schöne Astra?“ „Nein“, stößt sie hastig hervor, „nein – ich weiß selber nicht …“ „Aber ich weiß es“, sagt er leise. „Varno hat es dir gegeben, weil er uns vernichten wollte. Varno wird in diesem Augenblick verhaftet. Er wird nicht mehr lange leben.“ Astra sagt kein Wort mehr, sie stöhnt nur auf und bricht zusammen. Als sie wieder zu sich kommt, hockt sie in einem stuhlartigen Sitz, und Ecco hält sie noch immer. „Ich will es dir vergeben.“ „Wo ist Varno?“ fragt sie tonlos. Ecco grinst nur. * 58
„Distanz 1000 Meilen.“ „Verhalten!“ Das Flaggschiff des 3. schweren KreuzerGeschwaders gibt den Befehl durch. Die schweren Raumkreuzer der Erde haben aufgeschlossen. Sie hängen sich an die marsianische Flotte. Commander Jenkins hat allerhand dagegen, jetzt zu verhandeln, anstatt einfach draufloszuschlagen. Er fragt noch einmal bei der U.C.A. an. Die Antwort ist kurz. „Auf Distanz bleiben.“ Der alte Jenkins flucht schauderhaft. Schweigend und drohend jagen vor ihnen die Marsianer dahin. Noch nie war der erste interplanetarische Krieg so nahe wie in diesen Stunden. Der erste Schuß genügt. Aber er fällt nicht. Noch nicht. * „Verbände der Erde folgen uns.“ Suram-nam hebt die Faust, als es ihm gemeldet wird. Aber die Faust fällt nicht auf den Tisch. Er lacht schon wieder. „Wer schlägt schon zu, wenn ein Zwerg sich aufspielt!“ „Vielleicht vergißt sich die Erde?“ Suram-nam sieht lange und schweigend auf seinen engsten Vertrauten. Es ist still im großen Arbeitsraum des Staatspräsidenten. Über Nam tobt wieder ein Sturm. Niedrig hängt die Wolkendecke über dem Meer der grauen, klobigen Dächer. Unheimlich sind diese marsianischen Stürme. Vergißt sich die Erde? Kann man sie dann besetzen? Ein herrischer Wink. „Die Flotten 2 und 6 stehen in zehn Stunden einsatzbereit!“ „Sehr wohl, Suram-nam!“ *
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Das Spitzenschiff der Marsianer sichtet die Trans-Pluto II. Noch 12 000 Meilen hat Conny Clasen. Er „drückt auf die Tube“, daß es jeden Augenblick krachen kann. Mathmado sitzt an seinem Sonnensteuer bereit. Da eröffnet der Marsianer das Feuer. Zwei Stöße aus einer mittelschweren Strahlenkanone sind es nur. aber sie peitschen die Spannung zur Siedehitze. Conny Clasen läßt sich nicht einschüchtern. Er jagt stur den Kurs, den sie berechnet haben. „Pluto S 27. Nun holen sie uns nicht mehr ein.“ Sechs Stunden später hebt Mathmado ruckartig die Rechte. Drei harte Hebelgriffe legen den atomaren Antrieb still. Das Schiff erzittert nicht mehr. Für Sekunden legt sich die Stille lähmend auf die Männer, die den Atem anhalten. Nur Mathmado ist so gelassen wie immer. Er stellt das Zentralgestirn seiner Sonnensteuerung und einen der Planeten. Draußen schreit einer auf. „Die Sterne stürzen auf uns zu!“ Mathmado achtet nicht darauf. * Die Schüsse sind gefallen. In Melbourne reagiert man blitzschnell. Man will Suramnam zuvorkommen, diplomatisch und militärisch. Die Weltregierung zeigt, daß sie keine Angst und keinen Respekt hat. Sie läßt ein Kreuzer-Geschwader vor der Hoheitsgrenze des marsianischen Planeten operieren. Gleichzeitig protestiert sie gegen den Feuerüberfall. Suram-nam findet das sehr amüsant. „Die Flotten 2 und 6 …“ „… stehen in zehn Stunden bereit, Suram-nam.“ Ein uniformierter Sekretär betritt den Arbeitsraum. Er ist 60
blaß und verstört. Er sagt ein paar Worte, leise, stockend. Suram-nam starrt ihn an wie ein Gespenst. Dann führt er ein langes Gespräch mit dem Leiter der Hochschule für kosmische Forschungen. Inzwischen treffen weitere Meldungen ein. Suram-nam fährt seinen Sekretär an. „Das ist Unsinn! Sie müssen sich irren! Frage Kapitän Ecco!“ Dann zu dem Befehlshaber der Raumflotten: „Wir nähern uns der Erde bis auf 350 000 Meilen.“ „Sehr wohl!“ * „Trink doch, Astra!“ Kapitän Ecco hält ihr ein Glas hin, das mit dem Zeug gefüllt ist, von dem er täglich große Mengen hinter die Binde gießt. Aber sie wendet den Kopf weg und schweigt. „Du bist nicht klug, Astra.“ „Wo ist Varno?“ „Varno?“ sagt er gedehnt und werdet sich an ihrer stummen Angst. „Die schöne Astra bangt um Varno. Sie liebt ihn. Es tut mir aufrichtig leid, daß sie ihn nicht wiedersehen wird.“ „Es ist alles meine Schuld, Kapitän“, sagt sie leise und bittend. „Varno weiß von nichts. Nur ich wollte den Kreisel sprengen.“ „Varno gehört dem Revolutionsbund an.“ Sie fährt zusammen. Ecco weiß alles. Wahrscheinlich hat Varno unter der Tortur der marsianischen Verhöre eine unbedachte Aussage gemacht. Es ist wirklich alles aus! Sie reißt sich zusammen und geht an dem Kapitän vorbei. Seine Blicke folgen ihr. Er will ihr nach, kommt aber nicht mehr dazu. Ein Offizier rennt herein. „Kapitän – ein Raumschiff der Erde! Ich will verflucht sein, aber es kommt näher!“ Ecco rennt los. 61
* Er wird blaß, als er es sieht. Aus der Tiefe dieses unfaßbaren Nichts zwischen Sonne und Sonne jagt ein Phantom heran. Ecco stiert auf den Schirm, als seien auf ihm böse Geister losgelassen worden. Ecco aber weiß, daß es keine bösen Geister sind. Das ist ein handfestes irdisches Raumschiff. Eben hat Ecco die Angst eines jungen Mädchens genossen, jetzt packt es ihn selber. „Das ist doch nicht möglich!“ sagt er heiser. „Distanz messen!“ Die Distanz beträgt immerhin noch einige Billionen Meilen. „Geschwindigkeit messen!“ Der Marsianer am Schirm versucht die Geschwindigkeit des heranjagenden Raumschiffes zu berechnen. Er legt aber rasch seine Tafel wieder hin, glotzt dumm auf den Kapitän und murmelt irgendeinen Unsinn. Ecco brüllt ihn an. Er erkennt, daß hier Außergewöhnliches geschieht. Das macht ihn wild. „Ich will die Geschwindigkeit, du Hundesohn!“ „Kapitän“, murmeln die bläulichen Lippen, „sie läßt sich nicht mehr messen.“ „Wann kann das Schiff heran sein?“ Der Navigator hebt die Schultern. „In zwei Tagen vielleicht.“ „In zwei Tagen? Großer Nam-Nami! Und wir haben Jahre gebraucht!“ Dann werden zwei der zitternden Offiziere zur Seite gestoßen. „Wir werden kämpfen, verstanden?“ * „Sie können Fräulein Hagemann sprechen.“ Die Schwester nickt dem langen, schmächtigen Kerl zu, der 62
ihr ziemlich unbeholfen in ein Krankenzimmer folgt, in dem ein angenehmes Dämmerlicht den brütenden Hochsommertag vergessen läßt. Vera sitzt schon wieder aufrecht in ihrem Bett. „Bärenfleiß, das ist nett von Ihnen!“ „Da haben Sie uns ja einen schönen Schreck eingejagt!“ Er räuspert sich und nimmt behutsam Platz. „Was machen Sie nur für Geschichten!“ „Ich hatte Angst um Conny“, sagt sie leise. „Das verstehe ich“, meint er und nimmt ihre Hand. Bärenfleiß, der große Angeber, entpuppt sich als ein guter Kamerad, der für Vera Hagemann viel Verständnis aufbringt. „Es muß nicht einfach sein, einen Raumflieger zu lieben – ungefähr so, wie früher bei der christlichen Seefahrt, nur noch härter.“ „Das ist jetzt vorbei, Bärenfleiß.“ „Vorbei?“ Er sieht sie an und schüttelt den Kopf. „Aber, Vera! Den Schock werden Sie rasch überwinden. Ich sehe, es geht Ihnen schon wieder ganz gut. Und Conny Clasen wird heil beim Proxima Centauri ankommen.“ Sie lächelt wehmütig. „Ankommen? Ja, das glaube ich auch, Bärenfleiß. Aber ich glaube nicht, daß er zurückkehren wird, für immer. Er ist jetzt in einer anderen Welt, in einer ganz anderen.“ „Sie machen sich unnötige Gedanken.“ „Nein, Bärenfleiß, es ist gut, daß ich hier zum Nachdenken gekommen bin. Conny ist zu sehr Raumflieger und denkt zu sehr in weltenweiten Begriffen, als daß er eine kleine Bibliothekarin wie mich wirklich lieben könnte.“ „Aber er sagte doch immer, daß Vera Hagemann ihm alles bedeute.“ „Nehmen Sie das so tragisch? Sie sind doch auch ein Mann.“ Und als er nicht weiß, was er darauf sagen soll, fährt sie so gelassen fort, als habe sie nie vor Sehnsucht nach Conny vergehen wollen, als habe sie nie die U.C.A. angerufen: 63
„Als ich Conny zum erstenmal sah, wußte ich nicht, daß er Raumflieger war. Das erfuhr ich erst später. Er war inzwischen dreimal auf monatelangen Raumflügen. Ich war glücklich, wenn er bei mir war, aber es war, als versinke ein schöner Traum, wenn er fortmußte. Verstehen Sie mich, Bärenfleiß: ein schöner Traum! Von Connys Beruf wollte ich nichts wissen; er war mir unheimlich.“ „Aber Sie sagten doch gestern, Sie hätten mit einem U.C.A.Direktor gesprochen.“ „Das war eine Dummheit von mir.“ Sie wendet ihren Blick vom Fenster ab und sagt sehr ernst: „Ich wollte ihn nicht verlieren; und jetzt weiß ich, daß ich ihn verloren habe. Conny fliegt für die Erde, Bärenfleiß; er braucht eine Frau, die den Mut hat, ein weltenweites Leben mit ihm zu teilen. Conny wird eine solche Frau treffen und dann nicht mehr an mich denken.“ „Lieben Sie ihn denn sehr?“ „Ich weiß es nicht, Bärenfleiß. Wir waren beide sehr glücklich in unserem Traum von Wald und Wasser und Sommer, aber das Leben haben wir gemeinsam nicht kennengelernt. Es wird weitergehen für ihn und für mich.“ Er läßt ihre Hand nicht los. „Vera!“ Ihre Augen sind groß und wissend. „Conny kehrt nicht zurück.“ * „Hallo, Leclerc!“ „Hallo, Sir!“ „Was ist mit Clasen?“ „Wir können es nicht fassen“, sagt der U.C.A.-Chef am Fernseher. Er sieht im Kommandostand der Raumstation R I und versucht dem Wunderflug der Trans-Pluto II zu folgen. Er versucht es so vergeblich wie alle, die um ihn sind. Die Männer an 64
den Meßgeräten und Tabellen haben längst ihre Plätze verlassen. Was sollen noch Meßgeräte und Tabellen! „Wir stehen vor einer Zeitwende“, fährt Leclerc fassungslos fort. „Sie werden den Marskreisel in einem Tag eingeholt haben.“ „Kann der Mann denn hexen?“ „Nein, Mathmado hat nur das letzte Geheimnis des Kosmos ergründet und sein Wissen darum mit genialer Einfachheit genutzt. Er hebt die Begriffe von Raum und Zeit auf, die ja nur für uns Menschen real sind.“ In diesem Augenblick brüllt ein Lautsprecher durch die Station: „Achtung! Achtung! Marsianische Verbände im direkten Anflug auf die Erde!“ Das ist der Krieg mit dem Mars! * „Suram-nam versagen die Nerven.“ Mathmado wird sehr ernst, als die Schreckensnachricht von der Erde durchkommt. Conny Clasen will aufspringen. Mathmado winkt ab. „Wir werden ihnen zuvorkommen.“ „Aber auf den marsianischen Diktator haben wir doch keinen Einfluß.“ „O doch, Conny!“ „Marsianischer Raumkreisel noch 3 Milliarden Meilen vor uns“, meldet die Navigation. Conny Clasen drückt einen Knopf. „Klar zum Gefecht!“ * „Führt sie ab!“ Kapitän Ecco ist maßlos vor Wut und Grauen. Es gibt keinen Ausweg mehr, Kapitän Ecco, und keinen marsianischen Siegesflug. 65
„Sollen wir sie töten, Kapitän?“ Ecco sieht auf Astra, die sehr ruhig und überlegen zwischen zwei marsianischen Raumfliegern steht. Sie ist verteufelt schön, denkt er zwischen Haß und Bewunderung. Aber was hat sie nur? In ihren Augen leuchtet ein Triumph, der ihn fast umwirft; und sie sagt etwas. „Das Raumschiff der Erde ist ein Werk Mathmados!“ Wie ein Blitz schlägt das ein. Die Raumflieger packen sie und schütteln sie. Der Kapitän tritt auf sie zu. „Sei verflucht! Woher weißt du, daß der Verräter Mathmado lebt?“ „Ich bin seine Tochter.“ Ecco jagt die Raumflieger mit einer Handbewegung hinaus. Wieder ist sie mit dem Scheusal allein. „Komm, Vater“, betet sie, „komm!“ Sie hätte es nicht sagen dürfen, aber sie mußte es sagen. Seine Fäuste packen sie, heben sie auf und tragen sie aus der Kabine. Draußen ist die Hölle los. Vierzig Männer sind in dem Kreisel, und mindestens dreißig von ihnen laufen durcheinander und schreien und verlangen Schnaps und wissen nicht, was sie tun sollen. Ecco trägt Astra vor die tobende Mannschaft. „Sie ist Mathmados Tochter!“ ruft er so laut, daß alle hinsehen. „Mathmado lebt! Er sieht im Dienste der Erde! Was soll ihre Strafe sein?“ „Werft sie aus dem Kreisel!“ schreit einer mit überschnappender Stimme, und alle anderen stimmen ein. „Schleuse auf!“ Astra sieht, wie drei, vier Männer vor ihnen herlaufen, und sie weiß, daß sie nur noch wenige Minuten zu leben haben wird. Aber jetzt will sie nicht mehr sterben. Jetzt nicht mehr. Rasend wehrt sie sich und zerkratzt Ecco das aufgedunsene Gesicht. „Vater!“ ruft sie. „Vater! Varno!“
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* Wieder fallen Schüsse. Zwischen Mars und Erde. Der Kommandeur eines schweren irdischen Raumkreuzers feuert sie ab, als an seinem Kasten vorbei ein marsianischer Verband in Richtung Erde stößt. Der Schuß löst den offenen Konflikt aus. Auf der Erde verkündet die Weltregierung den Verteidigungszustand und erläßt Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung. Wer hätte noch vor zwei Tagen an einen Krieg mit dem Mars gedacht! Jetzt haben sie ihn. Um einen fremden Planeten! Aber Conny Glasen hat den Raumkreisel erreicht. „Klar zum Feuern?“ „Alles klar, Kapitän!“ * Sie wissen, daß sie verloren sind. Aber sie soll zuerst sterben. Sie soll es ihnen vormachen, die schone Astra. Ein tobender Haufen Kerle drängt um den Kapitän und die sich verzweifelt Wehrende durch den Mittschiffsgang. Ecco keucht. Er weiß nicht mehr, was er tut. „Schleuse auf!“ Vorn gleiten langsam die schwarzen Tore weg. Die Kompressoren arbeiten. Bas Heulen des Antriebs ist die schauerliche Begleitmusik zu dem, was geschieht. Sie drängen das junge Mädchen auf die Schleuse, dem Nichts zu. Astra macht sich so schwer wie möglich, aber Eccos Fäuste halten sie. Sie schlägt ihm ins Gesicht, aber er lacht nur. „Schleuse ist offen, Kapitän!“ Noch vier Meter, noch drei, noch zwei. Dann wird man sie in die Kammer stoßen, die Tore wieder 67
zusummen lassen und die Außenluke öffnen. Astras Fäuste hämmern. Aber Ecco lacht nur. „Varno!“ ruft sie immerzu. „Varno! Vater!“ Da feuert die Trans-Pluto II. Es ist ein Warnschuß, der aber genügt, um den Kreisel erbeben zu lassen. Dann wieder. Wieder. Viermal noch. Das treibt die blinde Unvernunft aus den Hirnen der Marsianer, das reißt Ecco aus seinem Rausch, daß er das Mädchen fallen läßt und sich herumwirft. „Was ist das für eine Schweinerei!“ brüllt er. „Wollt ihr nicht kämpfen?“ Wieder rüttelt das Warnfeuer den Kreisel. „Wollt ihr nicht kämpfen, ihr Hundesöhne?“ Astra sieht, daß sie ihrem Kapitän folgen. Um sie kümmert sich keiner mehr. Sie will liegen bleiben. Sie kann nicht mehr. Ein Weinkrampf schüttelt ihren Körper. Aber dann denkt sie an Varno und richtet sich auf. Der Kreisel erwidert das Feuer. Das sind keine Warnschüsse mehr. Astra rennt den Gang zurück und reißt die Schottür zu einem der Mannschaftsräume auf. Leer. Hindurch. Noch eine Schottür. Noch eine. Dann sieht sie Varno ins Gesicht und taumelt zurück. Was haben sie mit Varno gemacht? Was hat seine klaren Züge so entstellt? „Varno – die Schleuse ist offen!“ Er ist „fertig“. Sie haben ihn mißhandelt und verhört und wieder mißhandelt. Seinen rechten Arm kann er nicht bewegen, und in der Brust ist irgend etwas kaputt. Aber er kommt auf sie zu. „Astra – Liebes – ich –“ „Komm, Varno! Vater ist da!“ * Mathmado, beeil dich! Präsident Leclerc fiebert in seinem Kommandostand in der R I. 68
Die Meldungen aus dem Planquadrat Mars N 18 klingen bedrohlich. Sie können die marsianischen Raumflotten Suramnams wohl stören, aber nicht aufhalten. „Wir müssen einen inneren Verteidigungsring bilden“, ordnet der Franzose an und tritt vor eine Leuchtkarte. „Wir sind in eine ganz verzwickte Situation geraten.“ „Nur, um einem fernen Planeten zu helfen“, murrt einer. Der Präsident mustert ihn kurz und wendet sich schweigend von ihm ab. „Vielleicht wird Suram-nam zur Besinnung kommen, wenn Clasen und Mathmado den verdammten Raumkreisel ausschalten.“ „Und – wenn nicht?“ „Dann sehe ich schwarz für die Erde.“ * Suram-nam fühlt sich noch stark. „Wenn es wirklich ein neuartiges Raumschiff ist, so soll Ecco versuchen, es zu entern. Ich muß Einzelheiten über das Schiff erfahren.“ „Sehr wohl, Suram-nam!“ Dann fliegt er zu den Feldern der Raumflotten hinaus. In der schwarzen Marsnacht liegt das langgestreckte Gebäude der Befehlszentrale hellerleuchtet vor ihm. Von hier aus feuert er die Raumflieger einer Reserveflotte gegen die Erde an. „Man versucht, uns zu überrumpeln. Wir lassen uns nicht überrumpeln! Unsere Aufgabe ist es, zurückzuschlagen! Die Machthaber unseres Nachbarplanelen werden die Folgen ihres Übermuts zu spüren bekommen!“ Ihre Augen glänzen. Noch glauben sie an Suram-nam, diese jungen Marsianer; noch gibt es für ihr Selbstbewußtsein keine Grenzen. Sie sehen ihren Staatspräsidenten zum letztenmal. Was er erfährt, als er 69
mit seiner Ansprache fertig ist und sich zwei hohe Offiziere des Abwehrdienstes bei ihm melden lassen, wirft ihn fast um. „Mathmado lebt!“ * „Nachrichtensperre!“ Das ist die erste Reaktion Suram-nams auf die Schreckensnachricht. Alles, nur jetzt keine innerpolitischen Schwierigkeiten! Die Nachrichtensperre kommt zu spät. Suram-nam rast zurück zu seinem Staatspalast. Schwerbewaffnete Leibgardisten erwarten ihn. Und Schüsse. Zwei sinnlose Schüsse. Ein junger Leutnant stürzt mit dem Ruf „Mathmado!“ in die Mauer der Garde und feuert sie auf Suramnam ab. Sie treffen nicht. Minuten später großer Staatsrat. „Mathmado führt den Revolutionsbund!“ „Er wollte die Freiheit des Individuums“, höhnt einer der Vertrauten Suram-nams. „Er ist ein Träumer – ein Träumer –“ „Der Revolutionsbund aber lebt!“ „Die Schüsse beweisen es – selbst die jungen Offiziere –“ „Er dürfte an Bord des irdischen Wunderschiffes sein.“ „Kapitän Ecco wird das Schiff entern.“ * Conny Clasen läßt die Trans-Pluto II elegant ausweichen, als der Kreisel zum erstenmal schießt. Der grüne Strahl der großen Bordkanone geht verdammt knapp über die Führerkabine. „Achtung, Kapitän!“ meldet sich Petersen von achtern. „Muß das Feuer verlegen; der andere ist nicht so rücksichtsvoll.“ Conny sieht auf Mathmado. 70
Der hebt erschrocken die Hand. „Nein, Conny, meine Tochter! Ich will nicht, daß sie stirbt! Wir müssen den Kreisel bewegungsunfähig machen.“ Wieder feuert der Kreisel. Ecco versucht zu entkommen. Er geht sogar vom Kurs ab und versucht es auf weitgezogenen Schlangenlinien. Aber Conny Clasen läßt sich nicht mehr abschütteln. Er hat den atomaren Antrieb wieder eingeschaltet und ist sogar beweglicher als der Marsianer. Stöverberg und Frank und Petersen und die anderen jubeln; sie jagen einen Marsianer. Aber Ecco ist kein wehrloses Wild. Wieder jagt er ihnen den grünen Strahl entgegen. Diesmal trifft er. Das Schiff bäumt auf, als er eine der Antennen wegrasiert. Conny Clasen beißt die Zähne zusammen. Wie können wir nur heran an ihn?, grübelt er verbissen. Der schießt uns nicht nur die Antennen weg. „Achtung! IV und V bereit zum Breitfeuern!“ Er fliegt so halsbrecherisch auf den Kreisel zu, daß er sich schon im Himmel sieht. Aber es geht gut. Nur wenige Meter vor der Rundwand des Marsianers schießt er steil hinab und bestreicht die nach unten ausbuchtende Antriebskuppel mit massivem Breitfeuer. Das scheint endlich zu wirken. Als er nach 800 Meilen den Kasten herumwirft und zurückkommt, schwebt der Marsianer bewegungslos in der Leere des Alls. Gleichzeitig funkt er eifrig. „Er will sich ergeben, Kapitän.“ Mathmado sieht von seiner Sonnensteuerung auf. „Vorsicht, Conny! Ich traue Ecco nicht. Ecco ist einer von Suram-nams besten Teufeln.“ Conny grinst. „Der hat doch keinen Sektenprediger vor sich. Frank, alles bleibt auf Station; nur wir beide und Hangström stellen uns in die Schleuse.“ „Okay!“ 71
* „Kannst du, Varno?“ Nein, er kann nicht. Das rechte Bein schmerzt beim Auftreten, daß er laut aufstöhnen muß. Aber plötzlich kann Varno wieder gehen. Sie stehen in einem der Mannschaftsräume und hören durch die offene Schottür Stimmen vom Mittschiffsgang her. „Der Kapitän will entern lassen!“ „Macht euch fertig!“ brüllt eine Kommandostimme in das Hämmern von Schritten hinein. „Zehn Mann zum Entern fertigmachen!“ Die Schritte verhallen. Varno strafft sich. Er fühlt nicht mehr, wie es ihn schmerzt; er ist wieder ganz der alte, und nur das harte Gesicht verrät, wie er sich anstrengen muß. Er sieht sich um, ist mit wenigen Schritten bei einem Mannschaftsspind, nimmt eine Strahlenpistole heraus und packt Astra. „Komm!“ Sie rennen auf den Gang hinaus. Das Mädchen unterdrückt einen Jubelruf. Durch die Bullaugen sehen sie die Trans-Pluto II ganz nah vorbeirasen. Gleich darauf schüttelt sich der Kreisel, daß sie vornüberfallen und sich an der Wand festhalten müssen. „Sie haben den Antrieb getroffen.“ „Du mußt hinaus, Astra“, sagt er atemlos, während er seinen Arm um sie legt und sie sich eng gegen die Gangwand pressen. Vor ihnen kommt das Enterkommando den Stufengang herauf. Sie alle tragen große, viereckige Kästen, und Varno kann sich denken, was die Burschen anstellen sollen. „Du mußt erst hinaus!“ „Und dann?“ fragt sie aufgeregt. „Das andere werde ich schon tun.“ Er lächelt. „Den Spaß 72
werde ich Ecco verderben, aber gründlich! Wir brauchen einen Fluganzug.“ „Zwei!“ „Natürlich zwei“, sagt er rasch. Die dort vorn schieben sich in die Schleusenkammer. Varno und Astra huschen über den Gang und verschwinden in einem Raum, in dem die kostbaren Fluganzüge lagern. Zwei Marsianer stellen sich ihnen in den Weg. Varnos Strahlenpistole wirft sie um. Varno zieht eines der länglichen Gebilde heran und hilft Astra hinein. Es geht alles sekundenschnell. Dann steigt er in einen Fluganzug. Der Kreisel fliegt der Trans-Pluto II entgegen. Im Leitraum gibt Kapitän Ecco seine Befehle. Er ist so überlegen, wie sie ihn alle kennen. Er legt drei Hebel um, die die Außenluke öffnen. Astra und Varno rennen wieder den Gang hinunter. Schwerfällig in ihren Fluganzügen. In jeder Hand eine Strahlenpistole. „Wir müssen eng beieinanderbleiben, Varno.“ „Natürlich, Astra!“ Der Kreisel funkt wieder das irdische Raumschiff an. Das langgestreckte Ungeheuer von der Erde ist keine 200 Meter mehr entfernt. In der Schleusenkammer wartet das Kommando auf Eccos entscheidenden Befehl. Die schwarzen Tore gleiten langsam zu. Varno reißt Astra mit sich. Sie stürzen geradezu die letzten vier, fünf Meter. Hinter ihnen berühren sich die Tore. Die Kompressoren heulen. Varnos Strahlenpistolen kommen den überraschten Burschen vom Enterkommando zuvor. Dann hebt sich die Außenluke. „Vorsicht, Astra – achte auf den Fallgrad!“ „Komm, Varno!“ „Du zuerst.“ *
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Sie sind sehr höflich. „Nehmt unsere Unterhändler bitte an Bord!“ „Einverstanden! Erwarten euch!“ Conny grinst und läßt die Rundwand des Kreisels nicht aus den Augen, die sich noch immer nähert und bereits das ganze Sichtfeld der Männer einnimmt. Sie stehen in der Schleusenkammer der Trans-Pluto II und sind nicht bereit, sich überrumpeln zu lassen. „Die Außenluke öffnet sich.“ „Ich sehe schon, Frank.“ „Jetzt – aufpassen, Kapitän! – Da!“ Sie reißen die Strahlenwaffen hoch und halten sich an den Hängeriemen fest. Auch das irdische Schiff schwebt mit offenem Einstieg. Conny beugt sich aus der Kammer. Eine Gestalt in einem marsianischen Fluganzug schießt heran. Conny winkt den anderen zu. „Kümmert euch nicht um den Burschen; den übernehme ich.“ Der Marsianer macht seine Sache gut; es gehört übermäßig viel Schneid dazu, den Sturz in die Leere dieser mörderischen Sternenwelt zu wagen. Conny beugt sich noch weiter vor. Mit gleichmäßigen Richtschüssen kommt er heran, direkt auf den Einstieg zu. Conny schießt eine kleine Rakete mit einer Leine ab, und der andere begreift auch sofort und hangelt sich daran an Bord. Frank und die anderen beobachten peinlich genau die Öffnung in der Rundwand des Marsianers; und Frank reißt plötzlich sein Fernglas hoch. Conny hilft dem marsianischen Raumflieger aus dem Rumpfpanzer und prallt zurück, als er unter der Schutzhaube ein weißes Mädchengesicht sieht. „Astra!“ stammelt er fassungslos. Sie ist erschöpft, läßt sich von ihm halten, und ihre Blicke treffen sich. Ganz flüchtig nur, aber Conny ist es wieder zumute wie vor Tagen, als er das Pfeifen vergaß. Sie sieht angespannt an ihm vorbei zur Rundwand hinüber. 74
Er folgt ihrem Blick und bemerkt, daß es drüben in der Schleusenkammer rot aufglüht. „Was bedeutet das?“ fragt er in seinem gebrochenen Marsianisch. „Varno – Varno soll kommen.“ * Varno kommt nicht. In diesen Minuten, da im Leitraum der Trans-Pluto II Mathmado vor dem Kontrolltisch steht, um das Schiff auf jeden Angriff blitzschnell reagieren zu lassen, geschieht es. Der Kreisel entfernt sich. „Zum Teufel – drüben stimmt was nicht!“ „Varno!“ ruft Astra und will an Conny vorbei ins Nichts springen; aber er hält sie. Er stemmt sich gegen den verzweifelten Willen des Madchens, das zu Varno will. „Astra“, sagt er leise und bittend. Sie reagiert nicht darauf, sie beachtet ihn nicht. Mit weitaufgerissenen Augen sieht sie. wie der Kreisel seine Geschwindigkeit erhöht. Der Abstand aber wird nicht größer. Mathmado handelt richtig – und doch falsch. Er folgt dem Marsianer. Wir müssen ihn einholen, befiehlt er sich selber, ist aber froh, daß sie ihn nicht eingeholt haben, als das All aufflammt. Aus dem roten Glühen im Einstieg wird ein grelles Weiß, das sich sekundenschnell durch den ganzen Kreisel frißt und das große Ding auseinanderreißt. So unheimlich und gespenstisch sieht es aus, daß keiner der Männer sich rühren kann und Conny erst imstande ist, das Geschehen zu fassen, als Astra schweigend in seinen Armen zusammensackt. Er hebt sie auf, und das bringt auch die anderen zu sich. „Die sind ziemlich hinüber, glaube ich.“ „In der Schleusenkammer bewegte sich einer im Fluganzug“, 75
berichtet Frank mit bebender Stimme. „Er machte sich an anderen zu schaffen, die neben ihm am Boden lagen. Ich will jede Wette eingehen, daß er es absichtlich getan hat.“ „Dieser Varno, was?“ * Conny trägt sie nach unten. Das Schiff fliegt mit großer Geschwindigkeit zur Explosionsstelle und Ist nach wenigen Sekunden dort. Sie finden keine Trümmer und keine Mannschaftsmitglieder. Ecco und Varno und Sal und Zai – sie alle sind nicht mehr. Varno hat sie ausgelöscht. Es war die einzige Chance, um Astra und Mathmado zu retten; und Varno erkannte sie. Aber eine ganze Sonnenwelt profitiert von seinem Opfertod. Braver Varno! Suram-nam erhält keine Meldung von Ecco mehr. Er weiß, was das bedeutet, und seine Gegner wissen es auch. Der Revolutionsbund ist plötzlich wieder da. Nam hatte ihn schon abgeschrieben. Nun erobert er Nam. Einige hundert Offiziere nutzen die Verwirrung in der Umgebung Suram-nams aus, um die Leibgarde zu überwinden und den Diktator zu verhaften. Ein Gelehrter wird neuer marsianischer Staatspräsident. Seine erste Amtshandlung ist der Befehl, den Angriff auf die Erde zu stoppen und den Annexionsflug der 4. Flotte zum Proxima Centauri abzubrechen. Hunderte von Raumkreiseln kehren zum Mars zurück. Seine zweite Entscheidung ist noch weittragender. Er will zur Erde fliegen. *
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„Wir haben gesiegt, Conny!“ Als die Meldung von der Revolution in Nam durchgegeben wird, springt der Alte vor Freude auf und schüttelt dem jungen Kapitän die Hände. Conny wehrt bescheiden ab. „Sie haben gesiegt, Herr Mathmado!“ „Ach wo! Was hätte ich ausrichten sollen, hätte ich nicht einen so überragenden Raumkapitän neben mir gehabt? Wir beide bleiben zusammen, Conny!“ „Ich habe nichts dagegen“, meint Conny Clasen lachend. Sie nehmen ihren Sonnenflug wieder auf. Wieder spielt die Sonnensteuerung in der Harmonie des Kosmos, wieder tasten die schlanken Finger des greisen Marsianers vorsichtig über das Zentralgestirn seines eigenartigen Modells. Conny, Stöverberg und Frank stehen neben ihm. Sie haben allerhand auf dem Herzen. „Sagen Sie, Herr Mathmado“, beginnt Frank, „wer sind Sie eigentlich?“ „Ein Marsianer namens Mathmado“, erwidert der Gelehrte lächelnd. Frank läuft rot an und wird verlegen. „Verzeihen Sie mir bitte – aber ich frage nicht nur aus Neugierde.“ „Ich weiß, Frank. Ich bin Spezialist für kosmische Forschungen. Sie würden sagen: Astronom, oder vielleicht: Astrophysiker.“ „Und auch – Politiker?“ fragt der Kapitän. „Ich kam auch mit der Politik in Berührung.“ Mathmado berechnet eine Teileinstellung, und sie sehen gebannt zu, wie sein Druckblei eine Formel niederschreibt. Dann richtet er sich wieder auf und sieht die drei ernst an. „Ich gründete den Revolutionsbund.“ „Gegen Suram-nam?“ „Suram-nam, früher ein berühmter marsianischer Raumflieger, machte aus dem Land einen Militärstaat mit straffer, zent77
raler Führung und expansionistischen Bestrebungen. Für andere als nur militärische Werte blieb kein Raum mehr. Wer die Freiheit liebte, mußte sich gegen ihn erheben, und auch viele Offiziere schlossen sich uns an.“ „Zunächst ohne Erfolg, Herr Mathmado?“ „Wir wurden verraten, und eine Zusammenkunft meiner Mitarbeiter ausgehoben. Ich konnte mit meiner Tochter fliehen. Unterwegs wurde unser Raumschiff in Brand geschossen; doch mußten sich unsere Verfolger zurückziehen, als ein Raumschiff der Erde sich unserer Position näherte. Wir konnten den Brand löschen und über dem Stillen Ozean niedergehen.“ „Das muß schon einige Jahre her sein“, wirft Stöverberg ein. „Es war vor sechs Jahren“, sagt Mathmado gedankenvoll. „Ich war ein verlassener Mann, und wir lebten von dem, was wir aus unserem Hausschatz hatten mitnehmen können.“ „Werden Sie jetzt zum Mars zurückkehren?“ „Ich liebe mein marsianisches Land, aber die Heimat des Menschen ist der Kosmos; und ich werde dieser Heimat vom Planeten der roten Kugeln aus dienen können wie von jedem anderen auch.“ Die Menschen der Erde verstehen ihn. * Der Weltpräsident trifft in Nordafrika ein. Er kommt gerade zurecht, um an einer wichtigen Sitzung des technischen Rates der U.C.A. teilnehmen zu können. Es geht um schwerwiegende Fragen. Leclerc erhebt sich, und seine Stimme ist nicht ganz sicher, als er sagt: „Ich habe eine Meldung von Clasen erhalten; sie werden in drei Tagen – nach unseren Begriffen, meine Herren! – am Planeten der roten Kugeln sein.“ Stille. 78
Dann bricht ein Jubelsturm los, in den auch der Weltpräsident einstimmt. Der erste Mann der Erde hat alle Ursache, froh zu sein. Der Mars hat der Erde eine enge Zusammenarbeit angeboten und sich bereit erklärt, allen angerichteten Schaden, soweit überhaupt möglich, wiedergutzumachen. Der neue marsianische Staatspräsident wird für nächste Woche erwartet. „Meine Herren“, fährt der Franzose fort, „der Beweis, daß die Sonnensteuerung des Raumschiffes für uns eine neue Zeit eröffnet, ist damit erbracht. Wir stehen nun vor der Frage, ob wir mehr Raumschiffe mit der Sonnensteuerung ausrüsten sollen.“ „Wäre das möglich?“ fragt der Weltpräsident aufgeregt. „Ohne weiteres. Die Sonnensteuerung an sich ist von einer geradezu verblüffenden Einfachheit, und wir könnten in einem Jahr alle Fernschiffe der Erde mit ihr ausrüsten.“ „Dann nehme ich doch an, daß keiner der Herren schwerwiegende Bedenken zu erheben hat!“ ruft der Weltpräsident begeistert aus. Es melden sich der Norweger und dann der Kanadier; den beiden ist das Prinzip der Sonnensteuerung noch nicht klar, und sie können den Wunderflug zum Proxima Centauri einfach nicht fassen; einer der beiden stimmt sogar dagegen. Es ist die einzige Gegenstimme. Die Erde erkennt die Sonnensteuerung an. Als Leclerc später mit dem Weltpräsidenten allein ist, bietet er seinem hohen Gast eine Zigarette an und geht dann voller Erregung auf und ab. „Wir stehen vor einer phantastischen Zeit, Sir! Der Proxima Centauri dürfte nur ein Anfang sein.“ „Wünschen Sie, daß die Erde einen Vertreter für den Planeten der roten Kugeln ernennt?“ „Wenn die Menschen dort so friedlich sind, wie wir wohl annehmen dürfen – ja.“ 79
„Mathmado?“ „Eine Persönlichkeit wie Mathmado wird niemals nur einen Planeten vertreten können.“ Der U.C.A.-Präsident schüttelt den Kopf. „Ich nehme an, daß wir uns bei den Besprechungen mit dem neuen marsianischen Staatspräsidenten auch mit Herrn Mathmado befassen werden. Wir aber brauchen einen Mann, der physisch und psychisch imstande ist, sich – wenn das überhaupt möglich ist – den Lebensbedingungen des fremden Planeten anzupassen und dort einige Jahre zu verbringen.“ „Direktor Stöverberg?“ „Stöverberg? Nein, er ist nicht mehr unvoreingenommen genug. Auch ist er jetzt für unsere Fertigung unentbehrlich. Stöverberg muß zurück. Ich denke an Kapitän Clasen.“ Der Weltpräsident zieht nachdenklich an seiner Zigarette. Wer ist eigentlich dieser Clasen? denkt er. Ein junger Raumkapitän, den das Los das wundersamste Abenteuer der Menschheit erleben läßt; aber er macht seine Sache gut. „Ich bin einverstanden, Herr Leclerc, muß aber zunächst den Weltrat einberufen.“ „Ich bitte darum, Sir!“ * Astra sieht auf. Sie steht an einem der großen Bullaugen und spürt in ihrem Herzen das Beglückende dieses Sternenfluges, der alles leicht erscheinen läßt. Der Kosmos hat sie aufgenommen, und es gibt in seiner Harmonie keine Schwere mehr. Conny tritt auf sie zu. „Wie geht es Ihnen, Astra?“ „Es ist mir, als hätte ich nie etwas so Entsetzliches durchmachen müssen“, sagt sie mit ihrer dunklen Stimme. „Ich kann nicht mehr traurig sein. Der Kosmos ist voller Frieden, und nur 80
auf einigen Planeten der Menschheit leidet die Harmonie noch unter der Unvollkommenheit ihrer Bewohner.“ „Sie sind sehr klug!“ „Nein“– sie schüttelt den Kopf, und er ist so hingerissen von ihr, daß er nur zögernd ihre Hand losläßt –, „es fiel mir nur gerade so ein. Ich habe Ihnen noch zu danken.“ „Wofür?“ „Sie haben sich meiner sehr angenommen, als ich vom Kreisel herüberkam und Varnos wegen zurück wollte.“ „Das war nicht so schwerwiegend, Astra“, sagt er. „Es tut mir nur leid, daß ich Ihrem Kameraden nicht helfen konnte; aber es war wirklich nichts zu machen.“ Sie sieht wieder in die Sternenwelt hinaus, und auf die rötliche Weltkugel, die sie schon seit längerem beobachten können und die backbord immer klarer aus der Schwärze des Alls hervortritt. „Ich werde ihn nie vergessen, aber es ist mir, als würden auch die Begriffe von Tod und Leben aufgehoben und …“ „Jetzt philosophieren Sie wieder“, entgegnet er gutmütig. „Ich glaube auch, daß wir umlernen müssen und alles ganz neu sehen werden. Aber man soll nicht zuviel über das grübeln, was vielleicht noch kommen wird.“ Ein Summzeichen ertönt. „Lagebesprechung, Astra. In einigen Stunden haben wir es geschafft. Kommen Sie mit?“ Sie gehen in den Leitraum. „In drei Stunden werden wir zur Landung ansetzen.“ Conny sieht die neuen Funkmeldungen durch. Der Planet der roten Kugeln ruft sie wieder, und Mathmado kann die fremdartige Sprache ohne weiteres übersetzen. „Ob sie etwas davon merken, daß wir nicht die sind, mit denen sie zuerst verkehrten?“ fragt Frank. Mathmado schüttelt den Kopf. „Ich glaube es nicht. Es wäre für sie auch unwesentlich.“ 81
* Planet der roten Kugeln! Die Trans-Pluto II steht 200 000 Meilen vor ihm, als Conny den atomaren Antrieb einschaltet und in drei großen Spiralen herangeht. Wie in einem Traum stehen die Männer an den Sichtscheiben und Bullaugen. 4 ½ Lichtjahre sind sie von der Erde entfernt. In wenigen Tagen haben sie diese Distanz überwunden. Auf einem freien Feld geht die Trans-Pluto II nieder. Sie sehen ein weites Meer, und am Himmel Hunderte rotleuchtender Kugeln, die den Landeplatz umgeben. Conny Clasen stellt den atomaren Antrieb ab und wendet sich impulsiv an Mathmado. Sie sehen sich an, und ihre Hände finden sich. Dann schüttelt er seinen anderen Kameraden und Astra die Hände. In ihren Augen stehen Tränen. Sie steigen noch nicht aus, sie stehen ganz still und können das Wunder nicht fassen. Proxima Centauri! Und sie haben festen Boden unter dem Schiff. Die Bäume, die vor dem Meer stehen, könnten vielleicht, auch auf der Erde gedeihen, und der Himmel ist blau. Wunderbare weite Welt! Dann drückt Conny einen Knopf. Die große Außenluke öffnet sich. Conny legt Mathmado die Hand auf die Schulter und führt ihn zum Einstieg. Dann tritt er zurück und beobachtet genau die Gestalten, die unter ihnen das Schiff umgeben. Menschen? Ja, es sind Menschen. Ihre Gesichter sind voll, und sie haben zwei Augen und einen etwas breiten Mund. Sie sind Menschen und keine Alpdruckwesen. Mathmado steigt aus. *
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Eine der Gestalten tritt vor. Sie macht ein Zeichen, das nur ein Gruß sein kann, und sagt ein paar Worte. Mathmado steht nur einige Meter vor ihr. Er sieht, daß es ein Mann ist, der mit ihm spricht. Er trägt einen weißen, zweckmäßigen Umhang, darunter aber nur eine shortähnliche, kniefreie Hose und ein ärmelloses Hemd. Die Kleidung ist nicht außergewöhnlich, und nur einige Gebärden des Mannes und einige Symbole am Umhang deuten auf eine Kulturwelt hin. Conny und die anderen treten hinzu. Der Sprecher der Menschen des Planeten zeigt auf eine rote Kugel, die unmittelbar neben ihnen niedergeht. * Die Kugel trägt sie aufs Meer hinaus. Astra hält sich immer neben Conny; und als er einmal seinen Arm um sie legt, wehrt sie ihn nicht ab, sondern lächelt nur. Conny pfeift vor sich hin. Jetzt pfeift er wieder. Er vergißt es nicht einmal, als sie über den riesigen, roten Halbballons niedergehen und feststellen, daß sie nichts anderes als stadtähnliche Siedlungen sind und daß in jedem von ihnen einige Tausend Menschen wohnen, die eigene Häuser haben und vom Fischfang und dem Abbau einiger Meerespflanzen existieren. Die Menschen dieses Planeten leben auf den drei großen Meeren ihres Heimatsterns; auf dem Festland, das in schmalen Kontinenten die Meere trennt, gibt es gartenähnliche Landschaften, die der Erholung dienen. Später sitzen sie mit den „Oberen“ des Planeten zusammen. 83
„Wir würden gern zu euch Menschen eines nahen Sonnensystems enge Beziehungen aufnehmen. Wie viele eurer Planeten sind bewohnt?“ „Zwei. Auf einigen anderen gibt es nur kleine Kolonien.“ „Wie bei uns. Leider sind unsere Brüder auf dem Planeten der blauen Berge noch nicht so weit, daß sie ihre Waffen vernichtet haben. Sie hatten uns aber ihren Beistand angeboten für den Fall, daß ihr – verzeiht! – mit unfreundlichen Absichten gekommen wäret.“ Mathmado verneigt sich lächelnd. „Von uns habt ihr nichts zu befürchten.“ „Vier Lichtjahre dauert eine Reise zwischen unseren Sonnenwelten. Auch wir haben bei der Entwicklung der Geschwindigkeit leider noch keine größeren Fortschritte gemacht.“ Mathmado und Conny deuten das Geheimnis der Sonnensteuerung an. Man sieht sie voll aufrichtiger und freudiger Bewunderung an. Zwei Männer lassen sich mit Mathmado in eine lange Fachsimpelei ein. Conny hat genug davon; er verläßt mit Astra das Gebäude. Sie gehen in einen Garten am Meer. Es dämmert. Weit im Westen, über dem stillen Wasser, geht die Zwillingssonne des Zentralgestirns auf. Der Duft herber Blüten umschmeichelt die beiden jungen Menschen. Aber Conny hat wenig Sinn für das, was der Planet ihm zu bieten hat. Er hat andere Sorgen. Langsam zieht er einen Funkstreifen aus der Tasche. „Ich bin vom Weltrat der Erde für vier Jahre zum Vertreter auf diesem Planeten gewählt worden. Einstimmig, Astra! Ich, Conny Clasen! Toll, was? Das ist was für mich; aber ich werde nur annehmen, wenn Sie bei mir bleiben.“ Sie zögert nicht. „Ich bleibe, Conny!“ – Ende – 84
Im nächsten (51.) UTOPIA-Kleinband lesen Sie wieder ein neues Jim Parker-Abenteuer im Weltraum
Jim und seine besten Jungen Von Alf Tjörnsen
Wieder Jim Parker. Wieder ein Alf Tjörnsen-Roman mit dem berühmten Kommodore, mit Fritz Wernicke, Generaldirektor Cunningham, Oberst Mortimer und vielen anderen Größen des amerikanischen Forschungszentrums S.A.T. Und der Titel:
Jim und seine besten Jungen Nicht nur eines der spannendsten Abenteuer Jim Parkers schildert der Roman; in ihm werden unseren Lesern zum erstenmal die Männer einer Sonderstaffel vorgestellt, die nur dem Kommodore unterstehen – es sind die besten der jungen Raumflieger der Erde, es sind „seine besten Jungen“. Auf dem Mond unseres Planeten, in der Nahe der geheimnisvollen Forschungsstation „M“, werden sie geschult. Sie sollen die Verschworenen des Kommodores werden. Einer von ihnen ist Bret Trojan. Er ist wie seine Kameraden: stolz auf seine Berufung in die Elitestaffel des S.A.T. tollkühn, aber nicht leichtfertig, besessen von dem Willen, für die Erde zu fliegen und, wenn es sein muß, für sie zu kämpfen. Und doch kommt für ihn eine Stunde, da er seine Pflicht verletzt. 85
Bret Trojan wird aus der Sonderstaffel ausgestoßen. Was aber wird aus Bret Trojan? Erst zum Schluß des atemberaubenden Geschehens erfahren es unsere Leser! „Jim und seine besten Jungen“ ist sicher der beachtenswerteste der bisher um den großen Raumflieger der Erde geschriebenen Romane. Sie dürfen ihn nicht versäumen.
UTOPIA-Kleinbände erscheinen vierzehntäglich SCIENCE-FICTION-Zukunftsromane, 48 Seiten, Preis 50 PE
UTOPIA-Großbände erscheinen jetzt vierzehntäglich SCIENCE-FICTION in deutscher Sprache, 96 Seiten, 1.– DM Wissenschaftliche Zukunftsromane des XX. Jahrhunderts Sämtliche bisher erschienenen UTOPIA-Kleinbände (Jim Parkers Abenteuer im Weltraum) von Nr. 1–49 und UTOPIAGroßbände SCIENCE-FICTION in deutscher Sprache Nr. 1–25 sind beim Verlag noch vorrätig. Sollten Sie die gewünschten Nummern durch Ihren Zeitschriftenhändler nicht beziehen können, dann wenden Sie sich bitte direkt (verwenden Sie hierfür bitte den umseitigen Bestellzettel) an den Verlag Erich Pabel, Rastatt (Baden).
UTOPIA Kleinband – SCIENCE FICTION in deutscher Sprache Copyright by Erich Pabel Verlag, Rastatt (Baden). Mitglied des Verbandes deutscher Zeitschriftenverleger e.V. Herausgeber und Verleger sowie Gesamtherstellung und Auslieferung: Druck- und Verlagshaus Erich Pabel, Rastatt (Baden). Alleinauslieferung für Österreich: Eduard Verbik, Salzburg, Gaswerkgasse 7. – Erscheint vierzehntäglich. Zur Zeit ist Anzeigenpreisliste Nr. 4 vom 15. Juli 1955 gültig. – Scan by Brrazo 11/2010 – Gewerbsmäßige Weiterverbreitung dieses Heftes in Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlegers zulässig. Gewerbsmäßiger Umtausch, Verleih oder Handel unter Ladenpreis vom Verleger untersagt. Zuwiderhandlungen verpflichten zum Schadenersatz.
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… und hier die Leseprobe aus dem Ende September erscheinenden UTOPIA-Großband 25 von Curt Siodmak:
Der Weg zu den Sternen 7. Kapitel Lockwood legte den Kugelschreiber auf den Tisch, riß den engbeschriebenen Bogen von dem Schreibblock, knüllte ihn zu einem kleinen Ball zusammen und warf ihn in den Papierkorb. Dann stand er auf und stellte das Radio an. Er wartete, bis die Röhren sich erwärmt hatten. Die schwere Musik Wagners erfüllte den Raum mit ihrer Tragik. Gordon kam aus dem Waschraum. Über seinem Arm lag ein Handtuch, und die nasse Seife hielt er in der Hand. „Ah – Wagner, was? Ist das nicht der Trauermarsch aus der Götterdämmerung’?“ „Ganz recht – die Beerdigung! Paßt ausgezeichnet zu meiner Stimmung.“ „Ist das nicht ein wenig übertrieben?“ Lockwood dachte eine Weile nach, ehe er sagte: „Absolut nicht. Im Gegenteil!“ Er lauschte auf die Musik und meinte dann: „Da kommt mir gerade der Gedanke, wie Wagner wohl auf die Idee kam, so etwas zu komponieren. Weißt du, in welcher Stimmung er gewesen sein muß? Etwa so: Er hatte ordentlich getrunken und wachte des Morgens in einem Hotel auf. Keine Ahnung, wo er sich befand, keine Ahnung, wie er hineingekommen war. In der Tasche keinen Pfennig Geld, die Schuhe vertauscht und außerdem nicht passend. Was wollte er anderes unternehmen“ – Lockwood zuckte mit den Schultern – „als die ‚Götterdämmerung’ zu komponieren?“ 89
„Du hast recht“, gab Gordon zu. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir den Kasten ganz abstellen.“ Leckwood nickte und ging zu dem Apparat hinüber. Die Ruhe war wie eine Erlösung. Gordon sah auf dem Tisch den Block liegen. „Willst du einen Brief schreiben?“ „Ich habe angefangen – aber meine Meinung geändert.“ „Ich möchte dich nicht stören.“ „Du störst nicht, Walter.“ Gordon nickte zu dem leeren Bett Richards. „Wo steckt unser Nachtwandler?“ „Er sagte, er müßte zum Arzt.“ Gordon lachte laut auf. „Das hast du sehr schön gesagt. Er muß zum Arzt!“ „Miß Flynn ist ein feines Mädchen – und Richard ein feiner Kerl. Sie passen gut zueinander.“ Walter Gordon zuckte unmerklich zusammen. Dann fragte er: „Was ist eigentlich mit euch beiden?“ „Mit wem?“ „Nun – mit dir und Richard? Warum seid ihr hier? Warum wollt ihr morgen euer Leben riskieren? Er hat Jane – und du hast doch auch jemand, der auf dich wartet. Aber ich – weißt du, bei mir ist das alles egal; ich habe keinen Menschen, der mich vermissen würde.“ Lockwood ließ sich auf sein Bett sinken. „Du irrst dich, Walter. Auch ich habe keinen!“ „Aber – aber du hast doch einmal erzählt, daß du ein Mädchen kennst. das du gerne hast. Du liebst sie doch, oder –?“ „Ich weiß es selbst nicht.“ „Man sollte meinen, daß sie schon tot wäre.“ „Vielleicht ist sie es. Ich habe ihr schon ein ganzes Dutzend Briefe geschrieben, solange ich hier bin – aber nie erhielt ich eine Antwort.“ 90
„So also ist das? Wie heißt sie denn?“ „Susan.“ „Susan? Ich glaube, du wirst ihr später erzählen müssen, daß du in dieser Stunde an sie gedacht hast. Wenn sie es dann versteht, dann ist es gut. Wenn nicht –“ „Vielleicht sehe ich sie gar nicht mehr wieder.“ „Du scheinst ja tatsächlich reichlich sauer zu sein.“ „Und ob ich sauer bin, Walter! Ich habe fast Angst vor morgen.“ Angst vor morgen! Das war es! Es hing wie eine Drohung über ihren Häuptern. 8. Kapitel Die Nacht war voller Schatten, voller Gedanken und voller Befürchtungen. Es war eine Nacht ohne Ende. Lockwood öffnete seine Augen und erblickte die seltsamen Lichter, die von den halbgeschlossenen Läden auf die Decke geworfen wurden. Er stützte sich auf den Ellenbogen und suchte nach einer Zigarette. Seine Gedanken wirbelten in einem wilden Chaos immer um den gleichen Gedanken, um die gleiche Befürchtung. Ein winziger Fehler in den Berechnungen, und die Rakete wird von der Erdgravitation gelöst und in den Weltraum geschleudert und kehrt niemals mehr zurück. Ein falscher Hebeldruck – und die Reise ins Nichts beginnt! Auf seiner Stirn stand der Schweiß und das Atmen fiel schwer. Welch gräßlicher Gedanke – allein im Weltraum! dachte er und mußte grinsen. Endlich einmal ganz allein! Doch das Grinsen verging ihm sofort wieder. Die Rakete wird in großer Entfernung die Erde umkreisen. 91
Mit einem guten Fernrohr wird man dich beobachten können – wenigstens die Rakete. Du selbst wirst dann schon lange tot sein, eine Leiche in einem Metallsarg. Plötzlich schienen ihm die Sterne gar nicht mehr schön. Wie konnte nur jemand behaupten, sie seien schön? Schön war nur der Dreckklumpen, der um die Sonne zirkelte und „Erde“ genannt wurde. Er legte sich zurück. Warum denke ich nur immerzu daran? fragte er sich wütend. Delmar würde behaupten: Weil du wünschst, daß es so kommt! Er atmete tief auf. Es würde kein angenehmer Tod sein, verdammt, nein! Was würde Susan wohl denken, wenn sie wüßte, daß er als zweiter Mond die Erde umkreisen würde? Der Teufel soll sie holen! Sie und die Rakete! Er schloß die Augen, nachdem er die Zigarette ausgedrückt hatte. Doch schon nach einer Minute tasteten seine Finger zu der Jacketttasche und suchten das Päckchen. Richard Stanton hatte ein Schlafmittel genommen. Die anderen zwar auch, aber sie hätten genausogut schwarzen Kaffee trinken können. Das Kissen unter seinem Kopf war zerknüllt und feucht. Er schwitzte – und er wußte, daß es nichts anderes als Angst war. „Verdammt! Wenn ich doch wenigstens schlafen könnte!“ murmelte er vor sich hin und wälzte sich von einer Seite auf die andere. Ob er nicht besser aufstand, in einem Buch las oder einen Spaziergang machte? Aber dazu war er auch wieder zu müde. Der dunkle Raum war lauernd und feindlich. Warum wollte er überhaupt morgen in die Rakete steigen? Ja, warum überhaupt? Er konnte jederzeit zurücktreten, kein Mensch würde es ihm übelnehmen. Oder etwa doch? Was würde 92
Jane von ihm denken? Wenn er nun einfach seinen Koffer nähme und – ohne sich zu verabschieden – mit dem nächsten Bus zur Stadt führe? Dann wäre er fort, und kein Mensch – aber Vater! Vater würde sich schämen! Er würde dann morgen abend bestimmt noch leben! Das war der Gedanke, der ihn faszinierte: Leben! Wie einfach das war: Er ging und war fort! Was ging es ihn an, was Jane dachte? Sie war ein Mädchen – und es gab noch Millionen anderer Mädchen auf dieser Erde, wenn er nur lebte. Aber – gab es noch Millionen Mädchen wie Jane? Er schloß die Augen und wußte, daß er morgen nicht durch das Tor gehen würde, sondern höchstens durch die Einsteigeluke der Rakete. Er wußte, daß seine einzige Richtung senkrecht nach oben sein würde – 300 Kilometer nach oben! Er dachte an die feuchten, warmen Lippen von Jane. Zur Hölle mit den ganzen Gedanken! Er würde in dieser Nacht kein Auge schließen. * Gordon lag wach und hörte, wie Lockwood und Stanton sich unruhig hin und her wälzten. Sie schliefen genausowenig wie er selbst. Gerne hätte er gewußt, was sie dachten. Warum aber konnte er selbst nicht schlafen? Diese Nacht war genau wie die damalige vor seinem Examen. Damals jedoch hatte er keine Angst gehabt, denn er wußte, daß er bestehen würde. Es war nur die Freude gewesen, und das Bewußtsein, ab morgen eine Persönlichkeit zu sein. Heute fühlte er die gleiche Erregung, aber die Ursache war eine ganz andere. Außer der Angst fühlte er eine unmißverständliche Drohung und Warnung, die aus der Nacht zu ihm kam. Er betrachtete die Lichtflecke, die durch die Läden in das 93
Zimmer drangen und an der Decke hingen. Es waren die gleichen Flecken, die Leckwood beunruhigten. Aber bald stellte er fest, daß es nicht das Licht war, das ihn so ängstigte. Nein, es hatte etwas mit der Stille der Nacht zu tun, war gewissermaßen akustisch. Und dann fühlte er auf einmal eine ungeheure Erleichterung, als die Erkenntnis über ihn kam. Auf einmal wußte er, was ihn so beunruhigt hatte, und er atmete tief auf. Das ewige Summen der großen Werkhalle war verstummt! Das war es! Zum ersten Male seit seiner Ankunft in Snake River schwiegen die Maschinen in jener Halle. Die drei Produkte ihrer rastlosen Arbeit standen nun irgendwo in der Wüste und warteten. Er atmete auf und schloß die Augen. Jetzt konnte er schlafen, denn vor der Rakete hatte er keine Angst mehr. Wenn man nicht mehr an ihr arbeitete, würde sie auch vollkommen sein. Doch dann kam eine Erinnerung in ihm hoch. Er war betrunken gewesen bei einer kleinen Party, die zu seinen Ehren abgehalten worden war. Er war jetzt Walter Gordon geworden, ein Mann mit einem Namen. Eine nette, kleine Blondine hatte ihm gesagt, daß sie ihn liebe – und er hatte ihr geglaubt. Doch dann, später, als er im Hotel sein Hemd ausgezogen hatte und sie das Muttermal sah, hatte sie leise aufgeschrien. Ihr Gesicht war voller Abscheu gewesen, und er hatte sie erschrocken angestarrt. Wie nüchtern er in jener Sekunde geworden war! Still, ohne ein Wort zu sagen, war er gegangen. Sie war genau wie alle anderen, nichts anderes als eine schöne Larve mit einer verrotteten Seele. Sein Name hatte sie bezaubert, und sie hatte sich Vorteile erhofft. Gordon wälzte sich auf die andere Seite, nachdem er die Form seines Kissens dementsprechend geändert hatte. Warum konnte er nur nicht schlafen? Und dann wußte er es! 94
Nicht vor der Rakete hatte er Angst, auch nicht vor dem Start. Noch nicht einmal vor der Landung – wenn es nur erst einmal so weit schon wäre! Er hatte Angst vor den Meteoren, die schweigend aus dem All zur Erde kamen, als brächten sie eine Botschaft. Teil VI 1. Kapitel Der wachhabende Sergeant drehte den Lichtschalter an, und der Raum wurde plötzlich grell erhellt. Sie bewegten sich unruhig. „Aufstehen, Jungens!“ sagte eine Stimme. Richard richtete sich hoch. „Es scheint soweit zu sein“, sagte er und wühlte in seinen Haaren. „Habe auch das Gefühl“, stimmte Gordon bei. „Stehen wir auf. He, Lockwood! Wecken!“ Lockwood rollte sich auf die andere Seite. „Wie spät ist es, Sergeant?“ „Zwei Uhr.“ „Danke.“ Der Sergeant verschwand befriedigt. Er hatte nicht damit gerechnet, sie so schnell wach zu bekommen. „Zwei Uhr?“ brummte Gordon. „Hat jemand von euch dem Geschäftsführer gesagt, daß wir um zwei Uhr geweckt zu werden wünschen?“ „Ich nicht“, ging Richard auf den Scherz ein. „Ich auch nicht – was denkt ihr?“ sagte Lockwood. „Da muß sich jemand einen Scherz erlaubt haben!“ „Ich meine allerdings, wir hätten heute etwas Besonderes vorgehabt. Wenn ich mich nur erinnern könnte –“ „Fischen gehen!“ behauptete Lockwood prompt. 95
„Richtig, Jerry! Wir wollen angeln gehen.“ Gordon wurde wieder sachlich. „Glaubt ihr wirklich, daß sie es ernst meinen?“ „Was? Mit dem Meteore einfangen?“ „Ja.“ „Keine Ahnung! Hört sich ziemlich verrückt an.“ „Allerdings. Ziehen wir uns an und fragen die Bande doch mal.“ Lockwood schwang die Beine aus dem Bett und gähnte. „Der Teufel soll mich holen, und außerdem will ich lebendig gebraten werden, wenn ich so verrückt bin, mich heute zu rasieren!“ Eine halbe Stunde später betraten sie den abseits stehenden massiven Bunker, auf dessen Eingangstür nur die Zahl 3 stand. Die Geräusche waren verwirrend. Regelmäßiges Ticken verschiedener uhrenähnlicher Instrumente, Klappern von Tasten, Fernschreibern und Funkgeräten, das Summen der elektronischen Gehirne und das leise Geflüster der Operateure wirkten beängstigend. Dr. Stanton begrüßte sie mit einem ernsten „Guten Morgen, meine Herren!“ und führte sie in einen kleinen Nebenraum, der die Geräusche ein wenig dämpfte. Jane Flynn, Dryden und Warner warteten auf sie. Obwohl sie alle drei lächelten, sah man ihnen die schlaflose Nacht deutlich an. Lediglich Delmar, der noch hinzukam, machte einen frischen und unbekümmerten Lindruck. „Well, Gentlemen, der Augenblick der letzten, kurzen Unterhaltung ist gekommen. Die Zeit der Worte ist vorbei, der Moment des Handelns gekommen.“ „Es wurde auch schon bald langweilig“, beeilte sich Lockwood zu versichern. „Darüber werden Sie sich heute nicht zu beklagen brauchen“, versicherte ihm Dr. Stanton. Er nahm die Brille von der 96
Nase, wischte sie mit einem Taschentuch sauber und setzte sie wieder auf. Er sah sie alle mit einem nachdenklichen Blick an, ehe er fortfuhr: „Wir wollen alles so persönlich wie möglich gestalten. Jeder von Ihnen bekommt eine Person zugeteilt, durch die er in ständiger Kontrolle und Verbindung mit der Erde bleibt. Wir benutzen keine Decknamen oder Code, sondern die richtigen Namen. Sie, Gordon, bekommen Dr. Dryden als Schutzengel. Lockwood und, Warner bilden das zweite Team. Und dann Jane und du, Richard.“ „Das ist fein!“ „Freue dich nicht zu früh – es wird kein Süßholz geraspelt! Hinter eurer Verbindungsperson steht der Techniker, der die Rakete steuert, solange das nötig sein wird.“ Sie verließen den kleinen Raum und gingen zu einer riesigen Schalttafel hinüber, auf der unzählige Hebelchen und Lämpchen befestigt waren. Drei solcher Tafeln waren vorhanden. „Dies also wäre das Gehirn der Rakete. Hier wird der Kurs bestimmt – auch später nach Ihren Angaben. Die Maschine arbeitet korrekt und kennt keine Irrtümer. Seien Sie genau bei Ihren eigenen Berechnungen; das gilt besonders für dich, Richard! Ich weiß, daß du einen dicken Kopf hast und lieber einen Umweg machst, als den geraden Weg zu gehen. Tue es diesmal nicht! Mit dieser Maschine als Hilfe kann es nicht schiefgehen. Sie irrt sich nicht und berechnet Kurs, Schub und Gravitation in einer tausendstel Sekunde. Sie rechnet mit allem – nur nicht mit dem Menschen an sich. Das ist Ihre eigene Angelegenheit!“ Sie schwiegen und betrachteten die Schalttafel. Dann gab sich Lockwood einen inneren Ruck. „Ich kann mich noch entsinnen, wie wir uns das erste Mal in jenem Gebäude in Los Angeles trafen. Wir hatten die Koffer in der Hand, und Richard stand vor mir.“ „Und dann sagtest du: ‚Ich komme mir vor wie ein Idiot!’, 97
worauf ich erwiderte: ‚Zwei Idioten sind nicht so hilflos wie ein Idiot!’ In dem Augenblick kam Gordon zu uns, und wir waren drei –“ „– Idioten!“ vollendete Gordon. „Aber du hättest damals besser sagen sollen: ‚Zwei vor Angst bibbernde Piloten sind nicht so hilflos wie ein bibbernder Pilot’.“ „Drei!“ korrigierte Richard ruhig. Lockwood meinte nachdenklich: „Komisch! Damals waren es ausgerechnet wir drei, die sich da am Aufzug trafen. Und heute, viele Wochen später, sind es wieder wir drei, die – auf einen anderen Aufzug warten.“ Dr. Stanton blieb ernst, als er sagte: „Es gibt seltsame Zufälle im Leben. Und nun kommen Sie bitte mit, ich möchte Ihnen noch ein Letztes zeigen, damit Sie ganz beruhigt sind.“ Er führte sie zu einem in der Wand eingelassenen Gerät, das Lautsprecher, Kurvenschreiber und Tonbänder in sich vereinigte. „In diesem Gerät – auch davon haben wir drei – werden genau 66 verschiedene Reaktionen registriert und überprüft. Ihr Blutdruck, Atemtätigkeit, Transpiration, die Stärke der kosmischen Strahlung. Luftwiderstand – alles läuft hier zusammen – und von hier auf in das Elektronengehirn. Sie sehen, wir haben die größtmöglichen Sicherheiten getroffen. Praktisch kann nichts passieren, wenn nichts Unvorhergesehenes eintrifft.“ „Das sagen die Versicherungen auch immer!“ beschwerte sich Gordon. „Don!“ rief in diesem Augenblick Dryden aus der anderen Ecke. „Don! Palomar gibt gerade die erwartete Meldung durch.“ „Danke, wir kommen.“ Alle beeilten sich, so schnell wie möglich zum Fernschreiber zu gelangen. Und dann starrten sie auf den Papierstreifen, der sich langsam über den Tisch schob. Sie lasen: 98
„Palomar an Snake River. Meteorschwarm berührt Erdperipherie um 3 Uhr 22 Minuten. Höhe genau 235 Kilometer. Richtung Nordwest zu Südost. Geschwindigkeit 27 950 Kilometer pro Stunde. Zeit für Start ist gleich minus 5 Minuten 22 Sekunden.“ Stanton richtete sich auf. „Ja – das wäre es. Wir haben nicht mehr viel Zeit, fürchte ich.“ Er streckte seine Hand aus und gab sie jedem von ihnen. Delmar, Warner und Dryden taten das gleiche und wünschten ihnen viel Glück. Jane kam näher, hob sich auf die Zehenspitzen und gab jedem einen Kuß auf die Wangen. Richard hielt sie einen Augenblick fest. „Ich werde dir die Ohren des Stiers mitbringen, Jane!“ Sie lächelte schwach, schüttelte aber den Kopf. „Bringe nur deine eigenen zurück!“ „Das verspreche ich dir!“ 2. Kapitel Der Jeep schaukelte durch die unebene Wüste, aber Richard spürte nicht das Stoßen und Rütteln. Seine Gedanken eilten dem Gefährt voraus und machten bei der glänzenden, senkrecht in dem Sand stehenden Rakete halt. Der silberne Riesenbleistift überragte die aufgefahrenen Brennstofftanks um ein Mehrfaches und schien das Bestreben zu haben, schon jetzt seinem Ziele näher zu kommen. Dort in der Wüste standen noch zwei andere solcher Bleistifte, aber Richard sah nur den einen, auf den sie zufuhren. Das war der seine! Seine Rakete! Dicht neben dem Startsockel sah er einen flachen Betonbunker. „Was ist das?“ wollte er wissen. 99
„Die Startkontrollstation“, gab der Fahrer Auskunft. „Ich dachte, sie würde von dort aus“ – er zeigte mit dem Daumen über den Rücken zurück – „gestartet und gelenkt.“ „Gelenkt, ja – aber nicht gestartet.“ „Aha! Übrigens ziemlich nahe an der Rakete, die Bude.“ Der Leutnant, der mit ihm im Jeep saß, hob die Augenbrauen. „Die Wände der Bude sind 4 Meter dick, Doktor!“ sagte er mit Betonung. „Und was meinen Sie, wie dick das Dach ist?“ „Keine Ahnung!“ „9 Meter!“ „9 Meter?“ „9 Meter!“ wiederholte er. „Und trotzdem ist man in dem Bunker im äußersten Notfall noch nicht völlig sicher.“ Richard betrachtete den Offizier mit einem kurzen, vorwurfsvollen Blick. Noch nicht völlig sicher! Was sollte er denn sagen? Der Jeep hielt, und Richard kletterte heraus. Er fühlte die Blicke der Männer, die den Treibstoff einfüllten. So mochten sie auch das Opfer eines Verkehrsunfalls betrachten, das man auf einer Bahre vorbeitrug. Er legte den Kopf in den Nacken und schaute an der blanken Hülle der Rakete hoch. Ja, das war sie! Ganz oben in schwindelnder Höhe befand sich die winzige Kabine, in der er bald sitzen würde. Wie ein Zwerg kam er sich vor, wie ein kleiner, unbedeutender Zwerg. Fast schien es ihm vermessen, daß er versuchen sollte, diesem riesigen Mechanismus seinen Willen aufzuzwingen. Seine Augen wanderten über die nahtlose Hülle, und er fühlte plötzlich das Wunder menschlicher Technik. Welche Kraft und welche Energie mochte in diesem Ungeheuer da vor ihm stecken? Und wieviel Wissen? Zum ersten Mal seit Wochen verließ ihn das vage Gefühl der Angst, das ihn sonst unbewußt oder auch bewußt verfolgt hatte. 100
Ja! Das Ding da vor ihm würde die bisher unbezwungene Schwerkraft der Erde überwinden! Wenn nichts dazu fähig sein würde – dieser Rakete würde es gelingen. Und damit auch ihm! Ohne zu zögern betrat er zusammen mit einem Offizier und zwei Technikern den Lift, der ihn hoch zu der Spitzenstufe bringen sollte. Seine Bewegungen waren etwas steif, und er fühlte den Stolz eines Mannes, der ganz genau wußte, daß noch niemals in der Geschichte ein Mensch vor ihm ein ähnliches Fluggerät betreten hatte. Während der Lift ihn sanft emporhob, erspähte er weit draußen in der Wüste zwei in dem Licht der Scheinwerfer aufblitzende Türme. Mit der Aufrichtigkeit ehrlicher Freundschaft wünschte er Gordon und Lockwood Glück. Die beiden Techniker halfen ihm in den Raumanzug und schnallten ihn auf dem schwebend angebrachten Pilotensitz fest. Dann gaben sie ihm die Hand und verließen ihn, die mächtige Luke hermetisch hinter sich verschließend. Nervös spielten seine Finger über die Selbststeuereinrichtung, die sich in einer Art Pistolengriff vereinigte. Er hoffte inbrünstig, daß er sie kaum benötigte. Denn wenn alles planmäßig verlief, würde die gesamte Steuerung der Rakete von der Erde aus erfolgen. Nur in einem Notfall – Über den Kopfhörer kam Janes Stimme. „X minus 25 Minuten! Kannst du mich verstehen, Richard?“ „Sehr gut, Jane. Und du?“ „Auch! Bist du sicher festgeschnallt?“ „Ja – ich bin sicher.“ „Gut!“ Ihre Stimme wurde weicher. „Dann wünsche ich dir alles Glück, das du zur Rückkehr benötigst!“ Seine Zunge lag schwer im Mund, wenigstens schien es ihm so. „Danke, Jane!“ 101
Dann folgte Schweigen. Er wartete. Sein Gesicht war angespannt und bleich. Nicht viel später sagte die Stimme aus dem Kommandoraum in Snake River die genaue Zeit an. „X minus 20 Minuten!“ Über der Feuerzentrale neben der Rakete stieg eine Leuchtrakete in die Höhe und erhellte die Umgebung. In einem Umkreis von 30 Kilometer beobachteten die Mannschaften der einzelnen Radarstationen das Leuchtzeichen und nahmen es zur Kenntnis. „X minus 15 Minuten!“ In der Feuerzentrale vergewisserte sich der leitende Offizier noch einmal, daß die Rakete tatsächlich genau vertikal zur Erdoberfläche stand. Der geringste Fehler würde furchtbare Folgen haben. „X minus 10 Minuten!“ Es war alles klar. Kein Mensch war mehr im Freien zu sehen. Über der Wüste hing ein schweres, drohendes Schweigen. Ruhig und still stand die Rakete im Licht der anstrahlenden Scheinwerfer und wartete. „X minus 5 Minuten!“ Über der Feuerzentrale erneut eine Leuchtkugel – diesmal eine blutrote. Eine letzte Warnung für eventuelle Nachzügler. Die Wüste schien tot und verlassen. „X minus 2 Minuten!“ Fast bewegungslos verharrten die Gestalten in der Hauptzentrale im Lager von Snake River. Die Augen aller lagen auf der großen, elektrischen Uhr, verfolgten den Sekundenzeiger. „X minus eine Minute!“ Im Innern der Rakete begann ein leises, gleichmäßiges Surren. Die Zündungsräder drehten sich brummend, und die Vorkammern erwärmten sich vibrierend. Sie begann zu leben! „X minus 30 Sekunden!“ 102
In der Kommandozentrale in Snake River, in der Feuerzentrale am Fuß der Rakete, in den Radarstationen der schweigenden Wüste – und in den Ohren von Richard Stanton ertönte die ruhige und gleichmäßig zählende Stimme aus dem Lautsprecher. „– 26 – 25 – 24 – 23 – 22 –“ Die ersten Flammen schlugen aus den Düsenöffnungen, färbten den bleichen Beton schwarz und wirbelten den umherliegenden Sand auf. Das Summen in der Rakete verstärkte sich. Dr. Stanton, Jane und Dryden hörten es in ihrer Zentrale und lauschten mit den gleichen Gefühlen, mit denen abergläubische Eingeborene auf das drohende Grollen eines ausbrechenden Vulkans lauschen mochten. Der Treibstoff mischte sich und wurde in die Explosionskammern gepreßt. Die Flammen wurden stärker und verrieten nichts als pure Energie. „– 4 – 3 – 2 – 1 – los!“ Das Flammenmeer unter der Rakete breitete sich aus und erweckte den Eindruck einer brennenden Sandwüste. Die Scheinwerfer verblaßten in dem grellen Licht entfesselter Energien. Langsam hob sich die Rakete von dem Sockel und schien auf einer Flammensäule zu stehen. Sie schwankte und wollte zurücksinken. Ganz langsam begann sie zu steigen. Immer schneller kletterte sie in den Himmel und schien plötzlich einen Sprung zu machen. Innerhalb Sekunden verwandelte sie sich in einen davonrasenden Lichtpunkt, 10 Kilometer entfernt. Eine Sekunde später war sie verschwunden. 3. Kapitel Ganz allmählich wurde das Dunkel der Bewußtlosigkeit ein wenig gelichtet. Irgendwo schrillte ein Wecker und rief eine 103
Stimme seinen Namen. Ein Kind! Seit wann besaß denn seine Mutter eine Kinderstimme? Sicher wollte sie ihn wecken. „Richard! Richard!“ Ja, das mußte seine Mutter sein! Aber er wollte nicht aufstehen, er hatte heute keine Lust, in die Schule zu gehen. „Richard!“ Nein, das war nicht seine Mutter! „Richard! Kannst du mich hören? Hallo, Rakete Nr. 1 – ich bitte um Meldung!“ Was war denn das für ein Unsinn? „Richard! So gib doch Antwort! Was ist denn passiert?“ Was passiert ist? Wenn er das nur selber wüßte! Passiert!? Wie ein heißer Strom durchzuckte ihn die plötzliche Erkenntnis. Er öffnete die Augen und sah, wo er sich befand. „Ja!“ schrie er in das Mikrophon. „Hier Rakete Nr. 1! Ich kann dich verstehen!“ Sein Magen war völlig leer, und eine gräßliche Angst kroch seinen Rücken hoch. Hatte alles geklappt? Wie hoch war er über der Erdoberfläche? Stieg er nicht zu hoch? Vorerst stellte er nur fest, daß er auf einem liegenden Sitz angeschnallt war, und kam sich vor, wie in einem Unterseeboot, das sich 100 Meilen unter der Meeresoberfläche befindet. Dann fiel ihm wenigstens früh genug ein, daß ja das Gegenteil der Fall war. Jetzt wußte er auch auf einmal ganz genau, wo er sich befand, und er erkannte die Instrumente. Aber er fürchtete sich davor, die Zahlen darauf abzulesen. Und dann wieder Janes Stimme, ruhig und sachlich. „Natürlich, Blackout! Völlige Ohnmacht. Geht’s wieder?“ „Bin wieder in Ordnung! Aber – es wäre besser, wenn du mir das gleiche erzählen könntest.“ „Kann ich! Du befindest dich genau auf dem errechneten Kurs in einer Höhe von 115 Kilometern.“ Ihre Stimme war oh104
ne jede Erregung, sie sprach langsam und deutlich. „Beschleunigung normal. Rakete reagiert auf Bodenkontrolle.“ Hörte sich gar nicht so schlecht an: 115 Kilometer! Kleiner Ausflug nach Hartford, mehr nicht. Nur die Richtungen waren etwas verschieden, das war alles. Dann kam wieder Janes Stimme. „Richard! Deine Höhe beträgt jetzt 150 Kilometer.“ Das ging ja ganz nett voran! „Fein! Die Verständigung ist gut.“ Auf dem Armaturenbrett flackerte es rot auf. Gleichzeitig kam Janes Stimme. „Richard! Du befindest dich bereits in der Gefahrenzone. Suche den Feuerknopf für Rakete Nr. 6! Hast du?“ Er suchte eine Sekunde, dann lag seine Hand auf dem Knopf. „Habe ihn!“ „Gut! Diese Rakete wird dich in die Kreisbahn drücken. Du darfst erst dann feuern, wenn ich es dir sage. Ganz genau!“ „Verstanden!“ „Fertig, Richard! Zehn Sekunden – drei – zwei – Feuer!“ Mit aller Kraft preßte er den Knopf. Eine unsichtbare Gewalt stieß ihn gegen die Seite. Dann begann sich alles um ihn zu drehen. Für einen Moment schloß er die Augen. Als er sie wieder öffnete, hatte das Drehen immer noch nicht aufgehört. Außerdem hatte er das unangenehme Gefühl, endlos ins Leere zu fallen. „Du befindest dich nun genau in deiner Kreisbahn, Richard. Mache die Schmidt-Kamera fertig; der Meteorschwarm nähert sich aus Richtung Stier und wird dich in – 25 Sekunden erreichen. Die Rakete kann nun von dir gesteuert werden, wie es nötig ist.“ „Die verdammte Sardinenbüchse dreht sich doch – und ich merke genau, daß wir fallen. Irgend etwas stimmt da doch nicht!“ Ihre Antwort kam schnell und voll drängender Angst. 105
„Die Rakete fällt nicht, es ist alles in Ordnung. Du hast vergessen, daß du jetzt schwerelos bist, dein Gleichgewichtsempfinden ist gestört, das ist alles. Nicht nervös werden! Stelle die Kamera auf das Sternbild des Stier ein und schaue immer auf ein und denselben Fleck. Das hilft bestimmt.“ „Schon gut, Jane. Werde mich daran gewöhnen. Stelle nun die Kamera ein. – Jane –!“ Eine Sekunde Schweigen. Dann: „Was ist los, Richard? Was ist passiert?“ Aber es kam keine Antwort. Wie ein gigantisches Mühlrad kreiste der gesamte Sternenhimmel um ihn und die Rakete, ein brillantes Feuerwerk unzähliger leuchtender Punkte. Über ihm, neben ihm und sogar unter ihm waren die Sterne; das furchtbare Gefühl, in diese Sterne hineinzufallen, erfaßte ihn mit grausiger Angst. Niemand in Snake River hatte ihn auf diese Sekunde vorbereitet – da keiner an sie gedacht hatte. Richard hatte das Gefühl, keinen Körper mehr zu besitzen. Nur sein Gehirn schien noch zu existieren. Er hatte das Empfinden, als fiele er in die Unendlichkeit des Weltraums. Es war das schrecklichste – aber auch das schönste Erlebnis, das er je in seinem Leben gehabt hatte. Nur schade, daß er es mit seinem Leben bezahlen mußte. Immer schneller drehte sich das Universum um ihn. Von Ferne kam eine Stimme. „Richard! Was ist denn? Hast du das Sternbild des Stier gefunden? Dir bleiben noch 15 Sekunden!“ Janes Stimme hatte einigen Erfolg, und er spürte, daß sein Körper wieder in die Rakete zurückkehrte. So ein Unsinn! Natürlich war alles nur eine Halluzination, weil er sich erst an den seltsamen Zustand der völligen Schwerelosigkeit gewöhnen mußte. Die Geschwindigkeit der Rakete war so, daß die Zentrifugalkraft die Gravitation der Erde genau aufhob. Ein wenig 106
langsamer – und sie fielen zur Erde. Ein wenig schneller – und sie verloren sich im Weltraum. „Ich versuche, es zu finden, Jane!“ Er blickte hinaus in die wirbelnde Masse der Sterne und dachte an Janes Rat: Schaue auf ein und denselben Fleck! Also suchte er sich einen größeren Stern aus und blickte nur auf diesen, obwohl er schräg über den Himmel schoß. Aber er wurde dabei langsamer, und schließlich – o Wunder! – hielt er an und blieb zitternd stehen. Gleichzeitig hörte die ganze Drehung des Sternenhimmels auf. Er hatte es geschafft! Und ganz plötzlich bildeten die einzelnen Sterne ihm so vertraute Bilder – besonders eins, das er genausogut kannte wie jedes Kind den Großen Wagen: das Sternbild des Stier! „Ich habe es gefunden!“ rief er aus. „Der Stier!“ Er wunderte sich für einen Moment, daß es ihm gelungen war, das Sternbild in dieser wirbelnden Masse ausgerechnet als erstes zu finden. Vielleicht war es nur Zufall gewesen. „Der Schwarm wird dich in acht Sekunden erreichen. Du müßtest ihn eigentlich schon sichten.“ Mehr erfahren Sie, wenn Sie den UTOPIA-Großband Nr. 25 „Der Weg zu den Sternen“ bei Ihrem Zeitschriftenhändler kaufen oder den umseitigen Bestellzettel für eine Bestellung direkt beim Verlag verwenden.
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