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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Science Fiction Spezial
Visionen 4
'Visionen' ist eine kost...
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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Science Fiction Spezial
Visionen 4
'Visionen' ist eine kostenlose Science Fiction Anthologie von www.WARP-online.de, dem Fantastik Magazin. Alle Rechte der Geschichten und Bilder verbleiben bei den jeweiligen Autoren und Künstlern.
Visionen 4 Copyright 2003 WARP-online Herausgeber: www.WARP-online.de Satz und Layout: Bernd Timm Alle Texte und Bilder sind bereits jeweils einzeln bei www.WARP-online.de erschienen und zur Veröffentlichung durch WARP-online freigegeben. Die Magazin-Reihe ist eine Sammlung von Beiträgen, die zusätzlichen Kreis interessierter Leser anspricht und die Namen der Autoren und Künstler bekannter macht. Weder das Fehlen noch das Vorhandensein von Warenzeichenkennzeichnungen berührt die Rechtslage eingetragener Warenzeichnungen.
1000 Seiten Fantastik www.WARP-online.de bringt das ganze Spektrum der Fantastik: Bilder, Geschichten, Artikel, Projekte, Reportagen, Interviews, Wissenschaft, Comic, Kostüme, SF-Kabarett, Lyrik, Film-& TV-Projekte, Modelle und mehr!
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Inhalt Cover von Volker Krug Ambrosia
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von Daniel Hengst Einst die Nahrung der Götter, wird die Speise nun zu dem, worum sich die ganze Welt der Menschen dreht. Und Ambrosia wird zugeteilt...
Erntezeit
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von Xaver Matthias Erst heißt es die Saat ausstreuen, dann muss es wachsen, und schließlich gibt es die Ernte. Wie aber sehen das die Früchte..?
RGX-4
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von Irene Salzmann Sie landen auf einem seltsamen Planeten und ahnen nichts Böses. Doch dann werden sie zu Gejagten von RGX-4!
Ausflug in eine andere Welt
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von Xaver Matthias Am Sylvesterabend 1999 kurz vor Mitternacht: Der Jahrtausendwechsel bringt ein seltsames Erlebnis mit sich!
Luna la Luna
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von Silke Rosenbüchler Komm mit auf eine Reise zum edlen Mondhotel ´Luna la Luna`. Und erlebe eine kleine Rache.
Haben Sie etwas gegen Antiautorität?
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von Irene Salzmann Auch in der Welt von morgen gibt es Sorgen von heute: Zum Beispiel unerhörte Gören!
Zeitsprünge
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von Karin Sittenauer Die Familie wird von einem Paradoxon heimgesucht, das in der Zeit verborgen liegt!
Jump
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von Alexander Kaiser Europa im Jahre 2002. Es kommt zu einer tödlichen Bedrohung. Doch die Menschheit hat "Jump" entwickelt.
Dinosaurier auf dem Mars
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von Alfred Bekker Knochenfunde auf dem Roten Planeten werfen die Frage auf: Wie kamen die Dinosaurier auf den Mars?
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Allein
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von Roland Roth Roger Newton wird von Aliens auf einen fremden Planeten gebracht und erhält eine neue Chance.
Das Geschenk der Marsianer von Alfred Bekker Warum die Pathfinder-Mission der NASA auf dem Mars Vertrautes fand.
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Ambrosia von Daniel Hengst
Einst die Nahrung der Götter, wird die Speise nun zu dem, worum sich die ganze Welt der Menschen dreht. Und Ambrosia wird zugeteilt...
Ambrosia, so hieß die Speise der griechischen Götter, die ihnen Unsterblichkeit verlieh. Jetzt waren die Menschen sozusagen selbst zu Göttern geworden, denn sie hatten ein Medikament entwickelt, welches das Altern verhinderte und sie unsterblich machte. Sie hatten es nach dem mythologischen Vorbild Ambrosia benannt. Die Sache hatte nur einen Haken. Wenn man das Medikament wahllos jedem verabreichte, wäre die Erde bald hoffnungslos übervölkert. Deshalb hatte man ein System entwickelt, das eine gerechte Verwendung des Ambrosia garantieren sollte. Dabei wurde mittels einer komplizierten Formel die Nützlichkeitskennzahl jedes Menschen berechnet, die den Wert des Betreffenden für die Menschheit darstellte. Nur diejenigen, deren Kennzahl eine bestimmte Grenze überstieg, waren berechtigt, Ambrosia zu bekommen. Richard Morgan betrat die regionale Ambrosia-Ausgabestelle, ging zum Ausgabeschalter, steckte seine Ausweiskarte in den Kontrollschlitz und ließ seine Netzhaut abtasten. Die Karte kam wieder heraus, aber sonst tat sich nichts. "Wo bleibt mein Ambrosia?", beschwerte er sich. "Es tut mir leid, aber Ihre Nützlichkeitskennzahl ist unter den kritischen Wert gefallen.", antwortete der Beamte am Ausgabeschalter. "Das liegt sicherlich daran, daß sie seit 3 Monaten arbeitslos sind." "Was heißt hier arbeitslos? Ich erhole mich lediglich von diesem bescheuerten MacrotelVerein. Außerdem arbeite ich derzeit an einer modifizierten Subraum-Gravitationsfeldtheorie und ich übertreibe keineswegs, wenn ich behaupte, daß die Veröffentlichung dieser Theorie das bahnbrechendste wissenschaftliche Ereignis des Jahrzehnts sein wird. Wenn Sie sich meine Daten anschauen, müssen Sie doch sofort erkennen, daß sie einen der besten Physiker weit und breit vor sich haben." "Sie stehen leider nicht in der Liste anerkannter Physiker des Zentralen Instituts für Physikalische Forschung. Warum schicken Sie Ihre Theorie nicht an das Institut? Wenn sie so wertvoll ist, dann wird man Sie umgehend auf die Liste setzen, und Ihre Nützlichkeitskennzahl wird sich entsprechend erhöhen.", antwortete der Beamte. "Ich bin aber mit den Forschungen noch nicht fertig. Bis dahin bin ich tot, wenn ich in der Zwischenzeit kein Ambrosia bekomme." "Dann schicken Sie eben ihre halbfertige Theorie an das Institut und bitten um etwas Zeit, um ihre Arbeit fertigzustellen. Ich bin sicher, man wird sie zumindest vorläufig in die Liste eintragen." "Können Sie mir nicht diesmal noch Ambrosia geben. Das Institut wird sicherlich etwas Zeit brauchen, um die Theorie zu bewerten.", fragte Richard. Der Beamte schüttelte den Kopf. "Die Ambrosia-Ausgabe ist computergesteuert, ich habe 5
keinen Einfluß darauf. Sie müssen schon die erforderliche Nützlichkeitskennzahl haben, sonst öffnet sich der Ausgabeschacht nicht. Aber keine Sorge, es dauert noch mindestens einen Monat, bis der rapide beschleunigte Alterungsprozeß einsetzt. Wenn Sie dem Institut ihre Situation erklären, werden sie sicherlich innerhalb dieser Zeitspanne eine Entscheidung treffen." "Man hätte mir wenigstens vorher Bescheid sagen können.", beschwerte sich Richard. Er verließ die Ambrosia-Ausgabestelle und fuhr auf dem schnellsten Weg nach Hause. Er würde einige Zeit brauchen, um seine Aufzeichnungen in einen präsentablen Zustand zu bringen. Ein paar Tage später rief Richard per Bildtelefon das Zentrale Institut für Physikalische Forschung an. Ein Mann namens Jason Downell nahm den Anruf entgegen. "Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?", erkundigte er sich. "Ich möchte Ihnen den Entwurf einer modifizierten Subraum-Gravitationsfeldtheorie vorlegen und beantrage, in Ihre Liste anerkannter Physiker eingetragen zu werden. Es wäre nett, wenn das möglchst bald geschehen würde, denn diese Bürokraten wollen mir kein Ambrosia mehr geben." Downell nickte. "Senden Sie uns Ihre Unterlagen; sie werden dann umgehend der zuständigen Prüfungskommission vorgelegt. Ich werde die Angelegenheit mit einem Dringlichkeitsvermerk versehen." "Ich danke Ihnen.", antwortete Richard und betätigte die entsprechenden Tasten, um seine Theorie auf den Rechner des Institutes zu überspielen. "Der Empfang Ihrer Daten wird bestätigt. Sie werden umgehend benachrichtigt, sobald die Kommission eine Entscheidung getroffen hat. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Auf Wiedersehen.", sagte Downell. "Auf Wiedersehen.", erwiderte Richard und beendete die Kommunikation. Nachdem er zwei Wochen auf eine Antwort des Institutes gewartet hatte, verlor Richard die Geduld und rief wieder dort an. Erneut wurde der Anruf von Jason Downell entgegengenommen. "Tag, Herr Downell. Wie geht es denn der Theorie, die ich vorgelegt habe.", fragte Richard. "Moment bitte." Downell rief die entsprechenden Daten aus der Datenbank des Institutes ab. "Ihre Theorie wird gerade von der Kommission für Dimensionalphysik geprüft. Voraussichtlich wird in acht Tagen eine Entscheidung gefällt." "Na hoffentlich.", meinte Richard. "Ich brauche bald eine neue Ration Ambrosia." "Wir tun, was wir können.", antwortete Downell. "Wir haben eine Menge zu prüfen und Sie haben sich leider etwas spät an uns gewandt." "Mir hat vorher niemand etwas davon gesagt.", sagte Richard mißmutig. "Falls Ihre Situation kritisch wird, können Sie eine sofortige Entscheidung der Kommission verlangen.", antwortete Downell beruhigend und beendete die Kommunikation. 6
Nachdem die acht Tage abgelaufen waren, rief Downell Richard an und erklärte: "Ich bedaure, aber die Kommission ist mit der Begutachtung Ihrer Theorie noch nicht ganz fertig. Ich hoffe, Ihr Gesundheitszustand ist noch in Ordnung?" "Es geht mir zur Zeit gut.", bestätigte Richard. "Allerdings wird die Frist von einem Monat, nach deren Ablauf die Wirkung des Medikaments nachläßt in Kürze erreicht." Downell versicherte ihm, daß die Kommission umgehend eine Entscheidung treffen würde. Schließlich kam der Tag, an dem Richard frühmorgens mit starken Kopfschmerzen aufwachte. Die Kopfschmerzen waren zwar nach einigen Minuten vorbei, aber er merkte, daß er sich schwächer fühlte als sonst. Er rief sofort das Institut an, um auf eine sofortige Entscheidung zu dringen. Auf dem Bildschirm erschien Jason Downell und erklärte: "Ich wollte Sie gerade anrufen, Herr Morgan. Es tut mir außerordentlich leid, aber ich muß Ihnen mitteilen, daß Ihre Theorie abgelehnt wurde." "Aber wieso?", fragte Richard verzweifelt. "Die genauen Gründe kenne ich leider nicht. Der Ablehnungsbescheid muß erst noch geschrieben werden und wird Ihnen in den nächsten Tagen zugesandt.", antwortete Downell. Richard war wie betäubt, als er die Kommunikation beendete. Wieso hatte diese verdammte Kommission seine Theorie abgelehnt? Er war sich so sicher gewesen, daß er recht hatte. Was war schiefgelaufen? Zur Hölle mit diesen verdammten Bürokraten. Sie hätten ihm zumindest etwas Zeit geben können, die Theorie zu beweisen. Ihm kam der Gedanke, daß die Kommission, wenn er den Ablehnungsgrund der Kommission entkräften konnte, ihre Entscheidung ändern würde. Aber er verwarf diesen Gedanken gleich wieder. Er hatte ganz einfach keine Zeit mehr. Ehe die Kommission erneut eine Entscheidung treffen würde, wäre er entweder schon tot oder er würde zumindest irreparable Gesundheitsschäden davontragen. Nun gut, wenn er auf diese Weise kein Ambrosia bekommen konnte, dann mußte er es sich eben auf eine andere Weise beschaffen. Richard Morgan betrat die Ambrosia-Ausgabestelle und ging zum Ausgabeschalter. Ohne Zeit zu verlieren, nahm er einen Sprengsatz aus der Tasche und befestigte ihn an dem Sicherheitsbehälter, in dem sich das Ambrosia befand. "He, was tun sie da?", rief der Beamte am Schalter. Richard zog eine Strahlenpistole hervor, richtete sie auf den Beamten und befahl ihm: "Mach keine Dummheiten und leg dich dort auf den Boden." Der Beamte beeilte sich, der Aufforderung nachzukommen. Richard aktivierte den Sprengsatz und nahm dann einen sicheren Abstanz ein. Der Sprengsatz detonierte mit lautem Krachen und der Ambrosiabehälter öffnete sich. Richard ging zu dem offenen Behälter und bückte sich nach den kostbaren Ambrosia-Kapseln. Mitten in der Bewegung brach er jedoch zusammen und blieb bewußtlos liegen. Kurz darauf stürmten ein paar Polizisten in das Gebäude, legten ihm Handschellen an und nahmen ihn mit.
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Der Ambrosiabeamte fing sofort, nachdem er wieder aufgestanden war, damit an, die Kapseln einzusammeln und in einen anderen Sicherheitsbehälter zu legen. Eine Untersuchungskommission würde herkommen und nachzählen, und wehe, wenn eine einzige Kapsel fehlte. Dann würden sie so lange nachforschen, bis sie herausfanden, was mit ihr geschehen war. Es war leider eine unvermeidliche Nebenwirkung des Verteilungssystems mittels einer Nützlichkeitskennzahl, daß diejenigen, die das Kriterium für den Erhalt des Ambrosias nicht mehr erfüllten, regelmäßig durchdrehten, weil sie es nicht ertragen konnten, ihr ewiges Leben zu verlieren. Während Richard in eine Zelle gebracht wurde, in der er die restlichen Wochen seines Lebens verbringen würde, fand zur gleichen Zeit an einem weit entfernten Ort ein Gespräch statt, dessen Inhalt ihn bestimmt sehr interessiert hätte. "Danke. Du hast mir das Leben gerettet.", sagte Lisa Cardigan und umarmte Jason Downell. "Ich würde fast alles für dich tun.", erwiderte Jason. "Kommst du denn mit der Theorie zurecht?" "Das Ganze ist ziemlich kompliziert, aber ich denke, ich habe die Grundidee verstanden. Ich habe ja jetzt zwei Jahre Zeit, bis die Kommission wieder einen Bericht von mir haben will.", antwortete Lisa. "Es ist nur schade um diesen Richard Morgan.", meinte Jason nachdenklich. "Aus ihm wäre bestimmt ein bedeutender Physiker geworden. Aber so ist das Leben nun mal. Es können nicht alle ewig leben."
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Erntezeit von Xaver Matthias
Erst heißt es die Saat ausstreuen, dann muss es wachsen, und schließlich gibt es die Ernte. Wie aber sehen das die Früchte..?
"Ist der Text fertig?", Norach wandte sich an seinen Begleiter Surebrec. Die beiden waren die ganze Besatzung einer Flotte von zehntausend Raumschiffen, die gerade aus einem Wurmloch gekommen waren und jetzt mit halber Lichtgeschwindigkeit auf die Erde zuflogen. Sie sassen im Kontrollraum des Flagschiffes. Die Flotte wurde komplett von Bioprozessoren gesteuert, nur zwei Mann Besatzung waren als Kontroll- und oberste Entscheidungsinstanz fuer unvorhersehbare Zwischenfaelle an Bord. "Ja, ich habe ihn in 835 Sprachen uebersetzen lassen. 99,8% werden ihn verstehen." anwortete er ohne vom Schirm aufzublicken. "Dann lass einen davon mal hoeren!" Er drueckte eine Taste. "ACHTUNG ACHTUNG! Bewohner der Erde! Hier spricht die Vertretung der galaktischen Foerderation. In zwei Monaten werden auf ihren Planeten Tausende von Meteoriten stuerzen. Sie werden einen Durchmesser bis zu 2 Kilometern haben. Leider sehen wir keine Moeglichkeit, diese Katastrophe zu verhindern. Sie wird alles hoehere Leben auf der Erde ausloeschen. Die galaktische Foerderation hat sich entschlossen, die Erde zu evakuieren. Unsere Raumschiffe werden sie auf einen Planeten mit Lebensbedingungen bringen, die der Erde gleichen. Wir werden Bodenstationen auf der Erde errichten. Wir werden so viele Bodenstationen errichten, dass jeder Bewohner der Erde eine in unmittelbarer Naehe haben wird. In 2 Tagen werden diese Bodenstationen aufnahmebereit sein. Sie erhalten dann weitere Informationen. Bleiben sie aber bis dahin an ihren Wohnorten! Die Evakuierung wird reibungslos und ohne Verluste an Menschenleben ablaufen, wenn Sie sich an unsere Anweisungen halten!" "Wird hoechste Zeit! Schau Dir mal die Werte an." sagte Surebrec. "Der CO2 Wert ist schon nahe am kritischen Bereich. Dazu jede Menge ABC- Waffen. Die haetten es nicht mehr lange gemacht.", setzte er noch hinzu. "Gehen wir die Werte durch!" meinte Norach sachlich ohne auf seinen Begleiter einzugehen. "Erfassung 87%; Rest 5%; Verlust 8%;" las er vor. "Acht Prozent - die neigen wohl zur panischen Reaktionen." kommentierte Surebrec. 9
Der Computer hatte auf Grund der erfassten Daten hochgerechnet, dass ca. 87% der Menschheit in die Bodenstationen kommen werden. Acht Prozent werden auf dem Weg zu den Bodenstationen sterben. Fuenf Prozent werden aus den unterschiedlichsten Gruenden die Bodenstationen nicht aufsuchen. "Die Sendung ist kein Problem. Sie haben ein flaechendeckendes Netz von TV- und Radiosendern. Das meiste geht ueber Satellit." sagte Norach. Alle Sender der Erde werden nach der Landung der Roboter und der Besetzung der Stationen Tag- und Nacht in allen Sprachen die Botschaft senden. Das Telefonnetz und alle Computernetze werden die Landeroboter zerstoeren. Danach werden sie mit dem Bau der Bodenstationen beginnen. "Stichprobengroesse 1000 von einer Million;", las Norach weiter. Aus der ersten Million Menschen werden 1000 ausgewaehlt. Aus der Leistungsfaehigkeit ihrer Gehirne wird der Computer die statistische Verteilung der Intelligenz auf dem Planeten errechnen. "Ausbeute 85%;" In den Bodenstationen werden 85% der Menschen getoetet. Ihre Gehirne werden sofort in einem speziellen Verfahren tiefgefroren um als Bioprozessoren Verwendung zu finden. Die restlichen 15% werden am Leben bleiben. Es werden dies die noch zur Fortplanzung Faehigen mit den leistungsfaehigsten Gehirnen sein. Nach der Ernte werden dann die Landeroboter alle ABC-Waffen, die meisten Flughaefen und Strassen und alle TV- und Radiostationen zerstoeren. "Naechste Ernte voraussichtlich in etwa 200 Jahren." Norach war fertig. In 200 Jahren werden sie wiederkommen. Ausser, wenn die zurueckbleibenden Bodenstationen einen Anstieg des CO2 Wertes in der Athmoshaere oder die Produktion von ABC-Waffen melden wuerden. "Also setzen wir die Landeroboter ab. Es geht los!" Norach drueckte eine Taste.
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RGX-4 von Irene Salzmann
Sie landen auf einem seltsamen Planeten und ahnen nichts Böses. Doch dann werden sie zu Gejagten von RGX-4!
Eine turbulente Wolkendecke überzieht den bräunlichroten Planeten, der sich einsam um die weiße Sonne RG-4 dreht. Zwei kleine Monde, einer, Alpha, kaum mehr als ein bizarr geformter Trümmer, der andere, Beta, fast schon selbst ein Kleinplanet, umkreisen ihn. Der Planet ist unter der Bezeichnung RGX-4 registriert worden, wobei R den Raumsektor bezeichnet, G den Typ der Sonne angibt, X bedeutet, daß die Lebensbedingungen für Menschen geeignet sind, und 4 verrät, daß es sich um das vierte System dieser Art handelt. Snikt! Im Zeitraffer drehen die Wolkenformationen irre Pirouetten, werden von den Windströmungen auseinandergerissen oder lösen sich zu Regentropfen auf. Seltsamerweise regnet es jeden zweiten Tag kurz nach elf Uhr Ortszeit - ein erstaunlicher Kreislauf. Snikt! Eine Detailaufnahme zeigt, daß der Planet aus einer einzigen Landmasse besteht. Es gibt keine Meere, keine Seen oder Flüsse, zumindest nicht auf seiner Oberfläche. Der Regen wird sofort von der Landmasse aufgesogen und verdunstet allmählich wieder. Nennenswerte Erhebungen sind nicht zu entdecken, der Planet ist eine einzige weite Ebene. Snikt! Die nächste Vergrößerung läßt etwas erkennen, das an eine Art Vegetation erinnert. In unregelmäßigen Abständen ragen dunkelbraune Wälder, borstenähnliche Bäume und Sträucher, aus dem planen Land, doch die Analyse hat ergeben, daß es sich nicht um Pflanzen handelt, sondern um anorganische Gebilde. Snikt! Vorkommen organischen Lebens: negativ!
Negativ! Reilly lachte lautlos in die Nacht, die niemals richtig dunkel wurde, da die Sterne nahe des Milchstraßenzentrums so dicht stehen, daß sich die Zwischenräume zu schmalen Korridoren reduzieren. Negativ! Alle hatten sich geirrt: die Sonde, die nach bewohnbaren oder an Rohstoffen reichen Planeten suchte, der erste Landungstrupp des ihr folgenden Forschungsschiffes, das genauere Untersuchungen anstellte, und auch die Wissenschaftler ihres Pionierraumers, die sich hatten täuschen lassen. Es war ein Irrtum, der tödliche Folgen hatte. Trotz Müdigkeit reckte Reilly ihre verspannten Glieder, ging einige Schritte und musterte besorgt den Rest ihrer Truppe. Zwei waren sofort vor Erschöpfung eingeschlafen, einer aß eine Kleinigkeit, die übrigen hockten nur da und stierten vor sich hin, zu nervös, um zu schlafen oder zu essen. Im Moment hatten sie Ruhe, man gönnte ihnen eine kleine Pause, aber wahrscheinlich nur, um die Jagd im nächsten Augenblick erneut aufzunehmen und sie gnadenlos weiterzuhetzen wie schon die letzten Stunden. Es war ein Wunder, daß sie überhaupt noch lebten, daß Reilly nicht mehr Leute verloren hatte. Doch welchen Sinn hatte diese Flucht überhaupt, flüsterte eine resignierende Stimme in ihrem Innern, irgendwann mußten sie dem Gegner zwangsläufig erliegen, denn es gab keinen Ort, an dem sie sicher sein würden. "Sanchez, Bauer", wies Reilly zwei Soldaten an, die einen weniger mitgenommenen Eindruck machten, "halten Sie Wache und wecken Sie die anderen, sobald es wieder losgeht. Lassen 11
Sie sich nach einer Stunde ablösen." Sie setzte sich wieder, lehnte sich an den elastischen Stamm eines dieser Auswüchse, die man der Einfachheit halber als Bäume bezeichnete, und zog den linken Stiefel aus. Noch immer schmerzte das Gelenk nach einem Fehltritt. Eine Weile massierte sie den geschwollenen Fuß, dann schlüpfte sie mühsam in den Stiefel und schloß die Augen, um ein wenig zu schlafen. Der Boden war angenehm warm, wärmer als sonst, und schien sich den Konturen ihres Körpers anzupassen, als wolle er es ihr besonders bequem machen. Wenn sie Glück hatten, konnten sie bis zum nächsten Abend den Stützpunkt erreichen und die nahende Siedlerflotte warnen - sofern der Stützpunkt überhaupt noch existierte.
"Die Arbeit geht besser voran, als erwartet", stellte Andersen zufrieden fest, als er in Begleitung seiner beiden ranghöchsten Offiziere die Fortschritte am Bau des Stützpunktes besichtigte. "Diesmal müssen wir unsere Kräfte auch nicht zersplittern, um Eingeborene, wilde Tiere oder fleischfressende Pflanzen abzuwehren", erwiderte Molo und ließ seinen Blick über die langgezogenen Baracken schweifen, in denen bald ein Teil ihrer Crew und die ersten Siedler einziehen würden. Daneben ragten die silbrigen Sendetürme und Radaranlagen der Funkstation in den bewölkten Himmel, und dahinter erstreckten sich die Hangars mit den landwirtschaftlichen Nutz- und Transportfahrzeugen, sowie die gerade im Bau befindlichen Silos und Verarbeitungsstätten für Feldfrüchte und Rohstoffe. "RGX-4 ist ein schöner Planet, wie man ihn leider nur selten findet", stimmte ihm Andersen zu. "Eigentlich ungewöhnlich, daß es keine Pflanzen, keine Tiere und nicht einmal niedriges Leben gibt, bedenkt man, wie ideal die Umweltbedingungen sind. Seht nur, wie das Getreide und der Kohl bereits wachsen! Solche Erträge erzielen wir anderswo nicht einmal mit den besten Düngern. Abgesehen vom Fehlen der Gewässer, ist RGX-4 durchaus vergleichbar mit der Erde." "Wann wird der Planet einen Namen erhalten?" erkundigte sich Reilly. Für sie war dies der erste Flug auf einem Pionierraumer, und sie war ein wenig enttäuscht. Eigentlich hatte sie es sich ganz anders vorgestellt, von einem tropischen Planeten geträumt, der mit urweltlichen Sauriern und halbmenschlichen Wilden bevölkert war, den sie unter Aufbietung all ihrer Kräfte für die Menschheit in Besitz nehmen würden, stattdessen bot sich ihr eine stille Welt bar jeglichen organischen Lebens. Da es seit der Landung keinerlei Probleme gegeben hatte, war der Bau des Stützpunktes rasch fortgeschritten. Man hatte Zisternen errichtet, um das Regenwasser aufzufangen, hatte auf das Klima abgestimmte Pflanzen in den mineralienreichen Boden gesät und den Funkspruch an die wartende Siedlerflotte ausgestrahlt, so daß diese in wenigen Wochen eintreffen würde. Sie brachten Vieh und weiteres Saatgut mit, sowie frisches Proviant und neue Ladung für den Pionierraumer, von dem ein Teil der Crew ausgetauscht werden würde. Dann startete das Schiff zum nächsten Planeten, dessen Koordinaten ihm von der Sonde und dem Forschungsraumer bereits mitgeteilt worden waren. "In fünf Jahren", erklärte Andersen, "sofern es bis dahin keine nennenswerte Schwierigkeiten gibt, wegen denen die Welt doch noch aufgegeben werden muß." Plötzlich begann eine Sirene in Intervallen zu heulen. Sofort spurtete Reilly, wie sie es im Training gelernt hatte, los. Auch die anderen eilten an ihre Plätze im Schiff und in den Schutzräumen. Im Bunker schwang sich Reilly auf den freien Sitz vor einem Monitor, stülpte sich die Kopfhörer über und schaltete die Überwachunsoptiken ein. Der Bildschirm wurde hell und zeigte ihr nach einem Kameraschwenk die Ursache des Alarms: Aus dem dichten dunkelbraunen Wald näherten sich langsam einige humanoide Gestalten. 12
Reilly war sofort hellwach, als sie das leichte Beben wahrnahm. "Aufwachen!" hörte sie Sanchez' Lispeln. "Wir müssen verschwinden!" warnte Bauer aufgeregt die Kameraden, die schlaftrunken auf die Beine taumelten. "Mann, mach die Augen auf!" Er zog Tanaka hoch, der leicht benommen wirkte. Reilly erinnerte sich, daß er schon zu Beginn ihres Unternehmens über eine aufkommende Grippe geklagt hatte, aber da waren sie schon zu weit vom Stützpunkt entfernt, um ihn zurückschicken zu können. Fest biß sie die Zähne zusammen, als sie den schmerzenden Fuß belasten mußte, und verdrängte die Befürchtung, daß sie mit dieser Verletzung den anstrengenden Marsch nicht mehr lange durchhalten würde. "Schnell", trieb sie die Leute an, "wir müssen von hier fort, bevor die Welle hier ist." Aufmerksam betrachtete sie den Boden, der unter jedem Schritt kaum merklich nachfederte, etwa wie ein sandiger Waldboden, der dick mit Laub und Nadeln bedeckt ist. Er zitterte leicht, schien sich an einer Stelle zusammenzuziehen und an einer anderen auszudehnen. Einige weiche Wogen näherten sich ihrem Standort, so daß es aussah, als stünden sie am Ufer eines braunen Meeres, dessen Brandung auf sie zu kräuselte. Die Wellen wuchsen, immer höher, immer riesiger, und am Horizont nahmen sie die gigantischen Dimensionen einer erdigen Springflut an. Reilly schluckte und riß sich von diesem Anblick los. Die Frauen und Männer hasteten an ihr vorbei und hofften, der mächtigen Welle zu entgehen, die wie ein böser Alptraum unaufhaltsam näher rollte. Der Boden schien nachzugeben, schien sie verschlingen zu wollen, und alle wußten, daß es keine Einbildung war.
Das Verhalten der Eingeborenen, zwei Frauen und zwei Männer, zeigte keine Spur von Aggressivität, sie standen nur da und warteten ab. Tatsächlich sahen sie aus wie Menschen, nur ihre Haut schimmerte in einem matten Rötlichbraun, die Haare und Augen waren dunkel, weder waren sie bekleidet, noch bewaffnet. "Es ist kaum zu fassen!" Andersen wunderte sich. "Wir sind viele tausend Lichtjahre von der Erde entfernt und begegnen erstmals Wesen, die uns völlig ähnlich sind." "Es gibt Unterschiede", korrigierte LaRoche, der Anthropologe, und drehte sich eine Zigarette. "Damit meine ich nicht ihre äußerliche Erscheinungsform, sondern die Tatsache, daß sie über kein Skelett und keine inneren Organe, wie wir sie kennen, verfügen - wenn Ultraschallund Röntgenbilder stimmen, woran ich nicht zweifle. Es ist, als habe man Wachspuppen vor sich, sie sehen aus wie wir, aber ihr Inneres ist leer." "Oder eine Masse Wachs", warf Reilly ein. "Gerne würde ich sie näher untersuchen", verlangte LaRoche, ohne auf den Einwurf zu achten. "Abgelehnt", Andersen schüttelte den Kopf. "Vielleicht ist das später möglich, wenn wir einen Weg gefunden haben, mit ihnen zu kommunizieren. Jetzt könnte sie jeglicher Annäherungsversuch verängstigen, schlimmstenfalls sogar Feindseligkeiten provozieren." Reilly schaltete den Bioscanner ein, um selbst einige Daten über die Eingeborenen einzuholen, und hielt überrascht den Atem an. Ein zweites Mal las sie die Resultate, um sicher zu sein, daß sie sich nicht getäuscht hatte. Das Gerät arbeitete offensichtlich fehlerfrei - es mußte stimmen. "Haben Sie eigentlich ihren Bioscanner einmal eingeschaltet, Doc?" wandte sie sich an LaRoche. Den Rauch aus der Nase blasend, lächelte er geringschätzig. "Sie sehen doch, daß da draußen Eingeborene stehen, Reilly. Was zum Teufel brauchen Sie 13
dann noch den Bioscanner? Das Ding kann ohnehin nur ..." Andersen beugte sich über ihre Schulter und sog hörbar die Luft ein. "Organisches Leben - negativ!" las er.
"Es kommt immer näher", sagte Bauer und griff besorgt nach Reillys Arm, um sie zu stützen, da der verletzte Fuß unter ihr nachzugeben drohte. "Die Leute sind fertig, wir können nicht länger weglaufen. Und Tanaka -", er senkte die Stimme, "er gefällt mir nicht." Reilly nickte verbissen und hinkte noch einige Schritte, bevor sie stehen blieb. Flüchtig drehte sie sich zu Tanaka um, dessen schweißüberströmtes Gesicht sich hitzig gerötet hatte. Bauer hatte recht, der Mann war ernsthaft krank, aber im Moment konnten sie nichts für ihn tun, da sie den Sanitäter samt seiner Ausrüstung verloren hatten. "Okay, in Stellung gehen. Wenn die Welle fünfzig Meter entfernt ist, Granaten werfen. Hält sie das nicht auf, Flammenwerfer einsetzen." "Das Ding ist verdammt groß, größer als die anderen", murmelte Tanaka unsicher. "Hoffentlich schaffen wir es." Die Soldaten kauerten sich nieder und nahmen die Waffen von ihren Schultern. Die gigantische Welle, die sich am Horizont aufgetürmt hatte, war keinen Kilometer mehr entfernt und bewegte sich schnell auf sie zu. Wie hoch sie war, vermochte keiner zu schätzen, es mußten gute hundert Meter sein. Sie ragte bedrohlich in den Himmel, der sich allmählich im Licht der aufgehenden Sonne orange färbte. Der ungewöhnlich heiße Boden war aufgewühlt und in ständiger Bewegung wie ein lebendiges Wesen in Agonie. Reilly löste eine Handgranate von ihrem Schulterriemen, riß den Bügel ab, schleuderte sie der Welle entgegen und warf sich zu Boden. Die anderen taten es ihr gleich, kurz bevor die Wurfgeschosse unter Donnern und grellen Blitzen, die trotz geschlossener Augen blendeten, explodierten. Sofort begann es, nach verbranntem Fleisch zu stinken. "Flammenwerfer Feuer!" schrie Reilly. Die Granaten hatten riesige Löcher in die dunkle Wand gerissen, doch noch immer rollte sie auf sie zu, zwanzig Meter, fünfzehn, zehn ... Die armlangen Waffen spuckten gleißende Feuerzungen, unter deren Hitze die Welle zu schmelzen begann, aber nicht schnell genug. Neben Tanaka schrie ein Mann voller Entsetzen auf, als ihn die Reste der Woge erfaßten, um ihn herumflossen, ihn einhüllten und zu begraben versuchten. "Schießen Sie endlich, Tanaka", bellte Reilly heiser. "Ich ... ich kann nicht", stöhnte er und fingerte nervös am Abzug seines Flammenwerfers. "Er würde verbrennen." Reilly stieß ihn zu Seite und bestrich die Masse mit Feuer, aber es war zu spät, der Mann versank unaufhaltsam im Boden. Sie fluchte und feuerte erneut, als sie die Masse an ihrem Bein spürte.
"Bedauerlich, daß sie nicht sprechen können", bemerkte Bauer. "Sie sind uns so ähnlich, aber sie können nicht reden. Eine merkwürdige Sache, daß der Bioscanner sie als - hm - tot einstufte. Eine vergleichbare Lebensform ist uns unbekannt." "Sie zeigen auch nicht die geringste Angst, als würden sie jeden Tag von Raumfahrern besucht werden", meinte LaRoche. "Ob sie uns in ihr Dorf führen?" "Wir haben kein Dorf gesehen", knurrte Reilly, "der ganze Planet wurde von Sonden kartographisch erfaßt, doch nirgends entdeckte man eine Siedlung." "Sie kann sich unter der Oberfläche befinden, oder sie leben in den Wäldern und kennen keine Hütten in unserem Sinn", überlegte LaRoche. Reilly zuckte mit den Schultern. LaRoche hatte immer eine Antwort parat. Hingegen schien 14
Bauer ihre Skepsis zu teilen, während Tanaka und die übrigen Männer nur Augen für die weiblichen Eingeborenen hatten. Mit anmutigen Bewegungen eilten sie dem Fahrzeug voraus und wiesen den Raumfahrern den Weg. Offensichtlich waren sie und ihre Begleiter außerordentlich ausdauernd, denn schon seit Stunden marschierten sie in einem raschen Tempo, ohne zu ermüden. Unwillkürlich fragte sich Reilly, was sie erwarten mochte. Ein unangenehmes Gefühl sagte ihr, daß sie trotz der zehn Soldaten, die unter ihrem Kommando standen, im Ernstfall hilflos waren. Der Stützpunkt befand sich schon fast eine Tagesfahrt entfernt, als vor ihnen einige Bauten sichtbar wurden. "Das gibt es nicht!" entfuhr es Sanchez verblüfft. "Seht doch, die Hütten ... sie schauen aus wie ... wie ..." "Wie exakte Copien unseres Stützpunktes", vollendete Reilly nicht minder überrascht, und LaRoche war ausnahmsweise sprachlos.
Es war knapp gewesen, doch die Welle war unter dem heißen Atem der Flammenwerfer zusammengebrochen, und die restlichen Ausläufer konnten mühelos abgewehrt werden. Sie hatten einen Mann verloren und waren somit nur noch sieben. Noch immer bebte der Boden unter ihnen und versuchte, ihre Füße festzuhalten. "Nicht stehen bleiben", ordnete Reilly an, "sonst sinken wir ein. Laufen, immer laufen. Vielleicht erreichen wir bis zum Abend den Stützpunkt. Wir müssen die anderen warnen." "Wenn es nicht schon zu spät ist", ergänzte Tanaka dumpf. Flüchtig blickte sie zu ihm hinüber und biß sich auf die Unterlippe. Normalerweise hätte sie ihn zurechtgewiesen wegen seines fahrlässigen Verhaltens, das einem Kameraden das Leben gekostet hatte, doch war er überhaupt in diesem Zustand zurechnungsfähig?
"Eine perfekte Copie unserer Station?" Andersens erstaunte Stimme riß mitten im Satz, sein Bild verzerrte sich, dann wurde der Monitor schwarz. "Die Verbindung ist unterbrochen", bedauerte Bauer, "ich kann nichts machen. Wahrscheinlich Störungen im Magnetfeld." "Versuchen Sie es in zehn Minuten nochmal." Reilly glitt vom Fahrersitz und sprang auf den weichen Boden. "Ist es Ihnen auch aufgefallen?" fragte LaRoche, der lässig am Fahrzeug lehnte und sich eine Zigarette anzündete. "Es gibt weder Kinder, noch Greise, nur Erwachsene, alle ungefähr zwischen fünfundzwanzig und fünfzig Jahren alt, nach unseren Maßstäben. Und die Häuser, waren Sie in einem drin? Nein? Sie haben zwar Eingänge und Fenster, aber drinnen ist nichts, das heißt, sie sind nicht hohl, sie sind voll mit dieser rotbraunen Masse. Alles ist übrigens rotbraun." "Vermutlich haben sie uns beobachtet und ahmen alles nach", überlegte Reilly laut, "doch bin ich kein Verhaltensforscher. Haben Sie eine Theorie?" "Wenn ich einen von den Jungs untersuchen könnte ..." "Sie wissen, was Andersen angeordnet hat. Haben Sie sonst noch etwas festgestellt?" "Genügt das nicht?" antwortete LaRoche gereizt. "Wir haben es hier mit einer erstaunlichen Spezies zu tun, und Sie verbieten mir Untersuchungen, wollen aber trotzdem Antworten hören. Verlangen Sie nicht etwas zu viel?" Reilly ließ ihn stehen und kehrte zum Wagen zurück. "Was neues?" Bauer schüttelte den Kopf. "Vielleicht ist das Ding auch kaputt. Tanaka soll es sich mal anschauen." 15
"Wo ist er überhaupt?" Reilly fiel ein, daß sie ihn schon seit geraumer Weile nicht mehr gesehen hatte.
"Können Sie noch laufen?" fragte Reilly mitfühlend. Tanaka schwankte und grinste verzerrt. "Es geht schon noch, ich habe nur ... so eine verdammte ... Grippe. Liegt bestimmt am Regen. Hätte mich schon vor ... zwei Tagen krank melden sollen, da fing es an." Reilly zog die Brauen über der Nasenwurzel zusammen. Allmählich bezweifelte sie, daß es sich wirklich um eine harmlose Grippe handelte, und Tanaka schien sich damit auch nur beruhigen zu wollen, hatte er doch schon kurze Zeit nach seinem Kontakt mit dem Mädchen über Symptome geklagt, die ihr im Zusammenhang mit einer normalen Grippe unbekannt waren. Vielleicht täuschte sie sich, aber sein Gesicht und der Körper schienen aufgedunsen, die feuchte Haut schimmerte eine Nouance dunkler als sonst. "Der Arzt wird Sie schon wieder hinkriegen", versuchte sie einen lahmen Trost. "Nur noch ein paar Stunden, dann sind wir beim Stützpunkt." Nach einer Weile mußte er sich stützen lassen, und Reilly ordnete eine kurze Rast an. "Tanakas Zustand verschlechtert sich", stellte Bauer fest. "Er ist nahezu bewußtlos. Verdammt, warum mußte es ausgerechnet den Sanitäter erwischen? Nicht einmal Hilfe können wir rufen, für die kleinen Funkgeräte sind wir immer noch zu weit vom Stützpunkt entfernt."
Tanaka tauchte erst nach geraumer Zeit in Begleitung einer Eingeborenen auf. Sein gerötetes Gesicht und das Glänzen seiner Augen sagte Reilly alles. Bevor sie ihn zur Rede stellen konnte, ertönte ein gellender Schrei. Ohne einen Laut von sich zu geben, brach das Mädchen zusammen, und auch die anderen Eingeborenen sanken sich krümmend auf den Boden. Ihre Körper befanden sich in Auflösung, wie Wachs schmolzen sie, um sich mit dem Boden nahtlos zu vereinigen, ebenso die Bauten, ganz, als wären sie schon immer ein Teil von ihm gewesen. Die Soldaten wichen erschrocken zurück. "Was ist das, Doc?" fragte Sanchez mit aufgerissenen Augen LaRoche, dem die Zigarette aus dem Mund fiel. Instinktiv zog Reilly ihre Waffe, wußte aber nicht recht, wohin sie zielen sollte. "Alle in den Wagen!" Mitten im Lauf blieben sie stehen, denn der Wagen begann wie in Zeitlupe einzusinken. "Bauer", rief sie entsetzt, "raus!" Der Soldat sprang aus dem Fahrzeug, rollte sich über die Schulter ab und kam sofort auf die Beine. Mit einem Satz hechtete er aus der Gefahrenzone, denn auch er drohte sogleich zu versinken. Der Soldat, der geschrien hatte, war weniger glücklich. Bevor seine Kameraden etwas unternehmen konnten, versank er gurgelnd. "Rüber", befahl Reilly, "dort scheint der Boden noch fest zu sein."
"Er stirbt", flüsterte Bauer hilflos. Tanaka hatte das Bewußtsein verloren, seine Glieder zuckten, und gelegentlich drang ein leises Stöhnen über seine aufgequollenen Lippen. Er hatte sich erschreckend verändert: Seine Haut hatte die gleiche Färbung wie der Boden und auch dessen Struktur angenommen, der Bauch hatte sich zu einer Kugel aufgebläht, und sein Gesicht war so aufgeschwemmt, daß die Augen darin regelrecht versunken waren. Reilly kniete neben ihm nieder. "Tanaka", sagte sie eindringlich, "können Sie mich hören?" Bauer legte eine Hand auf ihre Schulter. 16
"Bleiben Sie besser von ihm weg. Am Schluß kriegen Sie das gleiche." "Dazu dürfte es zu spät sein", meinte Reilly lakonisch. "Ist es ansteckend, sind wir längst infiziert. Noch fühle ich nichts. Sie?" "Mir tun die Füße weh. Und wenn ich es mir einrede, alles andere auch. Können wir es überhaupt riskieren, zum Stützpunkt zurückzukehren?" Wieder starrte er auf Tanaka. Bevor Reilly antworten konnte, rief Sanchez hysterisch: "Der Boden verschluckt ihn. Sein Rücken ... Wir müssen fliehen!" "Nein", erkannte Bauer, "er ... er fließt auseinander, genau wie die Eingeborenen. Er verschmilzt mit ihm ... wird zu einem neuen Stück Boden." Betroffen sahen sie zu, wie Tanaka langsam seine Gestalt verlor, zu einer bräunlichen Masse wurde und im Boden aufging.
Der nachgiebige Boden zwang sie, ständig in Bewegung zu bleiben. Er schien sie zu verfolgen und sie verschlingen zu wollen, wenn sie nur für einen kurzen Moment rasteten. Es hatte auch LaRoche erwischt, der erdrückt worden war, bevor man ihn mit den Flammenwerfern hatte befreien können. Projektilgeschosse hinterließen lediglich Löcher, die sich sofort wieder schlossen, die Laser verschmorten nur kleine Flächen, und erst bei den Flammenwerfern zeigte sich Erfolg, aber für den Anthropologen war diese Erkenntnis zu spät gekommen. Reilly wußte nicht, ob beim Stützpunkt ähnliches geschehen war und hoffte, daß man dort die Attacke hatte abwehren können - anderenfalls waren sie verloren.
Erst am Morgen des folgenden Tages erreichten Sie den Stützpunkt. Sie hatten mit dem Schlimmsten gerechnet, doch was sich ihren Blicken bot, übertraf alles. Sämtliche Gebäude waren fort, verschlungen, nur noch die Spitzen einiger Sendetürme ragten aus der dunklen Masse. An Stelle der Felder sahen sie eine pflanzenlose Ebene voller schwärzlicher Stellen, die darauf hinwiesen, daß sich Andersen und seine Leute gewehrt, doch selbst die mächtigen Geschütze des Schiffes versagt hatten. Es war genauso verschlungen worden wie der gesamte Stützpunkt, nicht einmal zu einem Startversuch hatten sie die Zeit gefunden. Obwohl er nicht an einen Erfolg glaubte, schaltete Bauer sein Funkgerät ein. "Sergeant Bauer an Stützpunkt. Stützpunkt, bitte melden! Kann mich jemand hören?" "Es hat doch keinen Zweck", sagte Sanchez mutlos. "Die anderen sind tot, und uns wird es auch erwischen. Warum machen wir nicht selber Schluß? Ist doch besser, als herumzuhetzen und sich von diesem ... diesem Monsterplaneten fressen zu lassen." "Still", fuhr Reilly sie an und trat neben Bauer, der das Gerät auf Empfang schaltete. "Lassen Sie die Waffe im Halfter, die werden sie vielleicht noch dringend brauchen." Gespannt lauschten sie, es rauschte, knackste, dann, ganz schwach, vernahmen sie die Antwort. "Stützpunkt ... Bauer ... hören Sie ... gefangen, ebenso ... Schiff. Können uns ... befreien ... zu dick. Neue ... unmittelbarer Nähe. Wiederhole: ... Welle in ... Nähe." Dann gewann das Rauschen wieder die Oberhand, und die leise Stimme verstummte. "Eine neue Welle", begriff Reilly, "nähert sich. Geben Sie durch, daß wir die Warnung verstanden haben und versuchen, uns zu verteidigen." Sie bezogen Stellung und warteten. Schon bald geriet der Boden in Bewegung, und die ersten Wellenberge türmten sich am Horizont. "Diesmal sind wir erledigt", bemerkte Bauer, "es kommt von allen Seiten auf uns zu, und wir haben nur noch wenige Granaten. Die Magazine der Flammenwerfer sind auch fast leer." "Wir konzentrieren unsere Feuerkraft auf einen Punkt", ordnete Reilly an. "Vielleicht gelingt es uns, eine Bresche zu schlagen, durch die wir entkommen können." Dann waren die Berge heran, und obwohl es ihnen gelang, ein Loch zu schießen, wußte sie, 17
daß sie es nicht schaffen konnten. Hilflos mußte sie mitansehen, wie Bauer bis zu den Hüften einsank, Sanchez neben ihm in ein Loch stürzte, dann rutschte sie selbst aus. Vorbei! Angestrengt versuchte Reilly, auf die Beine zu kommen, aber der Boden hielt sie fest, saugte sie ein, so daß sie kaum noch atmen konnte. Sie nahm den kühlen Regentropfen kaum wahr, der ihr in den Nacken klatschte. Es regnete mehr und mehr, während sich langsam eine Wasserlache um sie bildete, in der sie bald ertrinken würde, wenn der Boden sie nicht zuvor erdrückte. Plötzlich bekam sie einen Arm frei und starrte ihn ungläubig an. Wie war das möglich? Sie stemmte sich mit aller Kraft gegen die Umklammerung und befreite ihren zweiten Arm. Schließlich schaffte sie es, sich ganz aus dem Boden herauszuziehen, der sich schmatzend hinter ihr schloß und wieder stabil war. Ein Blick auf ihre Leute zeigte Reilly, daß diese sogar freiwillig vom Boden herausgegeben wurden. Selbst der Stützpunkt schob sich langsam an die Oberfläche, neben ihm das Schiff. Es war wie ein Wunder, mit dem keiner gerechnet hatte, und sie konnte nur mit weitaufgerissenen Augen auf das Unglaubliche starren.
... Viren nehmen in der Natur eine Sonderstellung ein. Sie enthalten nur eine der beiden Nukleinsäuretypen, entweder DNS oder RNS. Das betreffende Nukleinsäuremolekül ist der Träger der genetischen Information, doch fehlt dem Virus ein eigener Stoffwechsel, so daß sie ihre genetischen Informationen in fremden Zellen realisieren müssen, deren Stoffwechselapparat sie sich zu diesem Zweck "ausborgen". Der Weg, auf dem das Virus in die Wirtszelle gelangt, ist unterschiedlich. Von tierischen und menschlichen Zellen werden die Viren gleichsam als "Trojanisches Pferd" aufgenommen. Bei der sogenannten Infektion impft der Virus seinen Träger mit der Nukleinsäure, die die Replikation einleitet ... Snikt. RGX-4 ist ein Planet, der von einem gigantischen Virenkollektiv überzogen ist, das seiner Masse eine geringe Intelligenz verdankt. Die Viren sind fähig, menschliches Leben und Gegenstände täuschend echt nachzubilden, eine Kommunikation ist jedoch nicht möglich. Snikt. Sergeant Tanaka infizierte den Planetenvirus mit einem Grippevirus, der bei dem Kollektiv eine vergleichbare Krankheit auslöste. Der Planet fieberte und verlor die Kontrolle über sich. Die Folge waren der Tod von 57 Besatzungsmitgliedern, sowie erhebliche Schäden an Schiff und Stützpunkt. Der Regen senkte das Fieber, und das Virenkollektiv erlangten die Kontrolle zurück, so daß es Schiff und Stützpunkt freigab. Snikt. RGX-4 muß aufgegeben werden, da ähnliche Vorkommen für die Zukunft nicht auszuschließen sind. Es ist anzunehmen, daß das Virenkollektiv immer wieder Menschen als Fortpflanzungswerkzeug mißbrauchen und sich umgekehrt an relativ harmlosen Krankheiten infizieren wird. Der Planet ist in RGY-4 umbenannt und mit dem Vermerk "gefährlich" versehen worden. Snikt.
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Ausflug in eine andere Welt von Xaver Matthias
Am Sylvesterabend 1999 kurz vor Mitternacht: Der Jahrtausendwechsel bringt ein seltsames Erlebnis mit sich!
Silvester 1999, wenige Sekunden vor Mitternacht. Unsere Gäste und wir standen auf der Terrasse, das neue Jahrtausend zu begrüßen. "Gleich gehen alle Lichter aus!", sagte ich. Die letzte Stunde hatten wir über das Jahr-2000-Problem diskutiert. Halb im Scherz hatten wir uns ausgemalt was geschehen wird, wenn alle Computer die interne Uhr auf den 1.1.2000 schalten. Bekanntlich speichern viele ältere Programme das Jahr mit zwei Ziffern und der 1.1.00 wird vielleicht als der 1.1.1900 verstanden – mit unabsehbaren Folgen. "Dann komm her zu mir, damit wir uns auch im Dunkeln küssen können!", lachte mich meine Frau an. Ich drehte mich zu ihr um. Alle Lichter gehen aus! "Hoppla!", rufe ich. Keine Antwort. Völlige Stille umgibt mich - undurchdringliche Schwärze. Ich zünde mein Feuerzeug an. Immer noch alles schwarz. Im Schein der Flamme sehe ich zwar den eigenen Körper, aber sonst nichts. Ich strecke die Hand aus. Als ich ins Leere greife, mache ich einen Schritt nach vorne. Die Hand stößt an eine Wand. Ich leuchte sie an. Sie ist völlig schwarz. In allen Richtungen sind schwarze Wände. Offenbar bin ich in einem Würfel mit etwa zwei Meter Seitenlänge. "Versteckte Kamera!", ist mein erster Gedanke. "Sie haben blitzschnell Stellwände um mich aufgebaut. Mit mir nicht! Ich werde Ihnen den Spaß verderben." "Hallo, ist da eine versteckte Kamera?", rufe ich laut. Keine Reaktion. Mit dem Taschenmesser beginne ich an einer der Wände zu ritzen. Das Material ist so hart, daß ich es nicht schaffe auch nur einen kleinen Kratzer anzubringen. Ich beginne laut zu schreien und gegen die Wände zu treten. Kein Echo, keine Antwort. "Hallo, ihr da! Ich werde sowieso nicht erlauben, daß dies gesendet wird. Ihr könnt aufhören!" Immer noch absolute Stille und Dunkelheit. Ich setze mich zum Nachdenken auf den Boden. Wenn es nicht die versteckte Kamera ist, was dann? Gibt es eine andere natürliche Erklärung? Mir fiel keine ein. Also eine übernatürliche? Vielleicht war ich tot, in irgendeiner Art von Jenseits, auf dem Weg zu Jesus oder zu Allah 19
oder sonst wo hin. Ich stand wieder auf, machte mich an den Wänden zu schaffen. Es wurde heller. Zuerst glaubte ich, daß sich meine Augen nun an die Dunkelheit gewöhnten. Doch bald war es so licht, wie an einem nebelverhangenen Morgen. Danach wurde es nicht mehr heller. Die Wände allerdings blieben undurchdringlich schwarz. Es war nicht zu erkennen, woher das Licht kam. "Ist es überhaupt möglich, daß durch eine tiefschwarze Wand Licht fällt?", dachte ich. Die Wände wechselten ihre Farbe, wurden dunkelbraun, dann heller und heller immer schneller. Sie wurden leuchtend weiß und dann durchsichtig. Das Licht schien jetzt von rechts oben zu kommen. Ich begann schemenhaft Umrisse jenseits der Wände zu sehen. Sie wurden immer deutlicher. Die Wände ähnelten jetzt Milchglasscheiben. Ich stieß mit der Faust gegen eine. Wie eine Gummiwand gab sie nach. Immer durchsichtiger wurden die Wände. Als sie waren wie klares Glas, konnte ich in sie greifen wie in Wasser. Einen Herzschlag später waren sie nicht mehr sichtbar und fühlbar. Ich drehte mich zu meiner Frau um. Sie kam auf mich zu, fiel mir um den Hals. "Alles Gute im neuen Jahr, Schatz!" Die Glocken begannen zu läuten. "Das wird wohl nichts mit dem großen Stromausfall.", sagte sie. "Alles Gute Papa!", riefen die Kinder. Ich brachte nur unartikuliertes Stammeln hervor. Seit jenem Silvesterabend, denke ich oft, daß die Wände vielleicht noch immer da sind – schon immer da waren. Sie wurden am Ende durchsichtiger und weicher, bis ich sie nicht mehr sah oder fühlte. Aber sind sie wirklich verschwunden? Oder sind sie nur zu ihren vorherigen Zustand zurück gekehrt, so daß ich sie aus Gewohnheit nicht wahrnehme?
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Luna la Luna von Silke Rosenbüchler
Komm mit auf eine Reise zum edlen Mondhotel ´Luna la Luna`. Und erlebe eine kleine Rache.
Robert ist einer von den Männern, die eine derartige erotische Ausstrahlung habe, daß sie glauben, sich im Bett nicht mehr anstrengen zu müssen. So gesehen, sollte ich natürlich froh sein, dieses Windei endlich losgeworden zu sein. Aber daß ausgerechnet so eine brünette Kichererbse ihn mir ausgespannt hat, das schmerzt. Oh ja. Woraus eine Mischung aus Wut, Enttäuschung und Trauer resultiert, die meine Leistungen auf einen indiskutabel niedrigen Level drückt. Was sich demnächst verherend auf mein Gehaltskonto auswirken könnte. Bevor ich mir durch schlechte Leistungen weiter meinen guten Ruf im Web verderbe, ist es besser, ein wenig Urlaub zu machen und die ganze verkorkste Beziehungskiste in einem Meer des Vergessens zu versenken. Wohin ist mir im Prinzip egal, möglichst weit weg von allem lautet die Devise. Nicht eine Minute länger will ich in der selben Stadt wie diese Tussi bleiben, auswandern, am besten auf einen anderen Kontinent. Mein PC schnurrt brav die Anbots diverser Travelagenturen herunter, alle exakt zugeschnitten auf mein Persönlichkeitsprofil, inklusive Kontostand, Gesundheitszustand und Horoskop. „Genießen sie eine Woche ein der fast schwerelosen Atmosphäre des Mondes. Lassen sie die Lasten des Alltags auf der Erde zurück, um sich von unserem Team rund um die Uhr betreuen zu lassen." Ich staune Mikrochips. Seit wann kann ich mir eine Mondreise leisten? Da muß irgend ein Übertragungsfehler passiert sein. Ein Virus? Ah ja: „Angebot für schnell Entschlossene um ein Sechstel des Normalpreises." Sehr gut. Das bedeutete, irgend ein Verhinderter darf zähneknirschend für den Restbetrag aufkommen. Stornogebühr. Dafür habe ich nur mehr - oh, verdammt! Zwei Stunden Zeit zum Packen! Ich bestätige die Buchung und beginne, Zeugs in den eilig hervorgekramten Koffer zu schmeißen, während der Drucker ergeben meine Fahrtroute ausspukt, beginnend bei der U-Bahn vor meiner Haustüre bis zum Flug zum Orbiter, von wo aus die Mondfähre starten soll. Die erste Etappe der Reise endet wenige Stunden später in einem eleganten fliegenden Raumhafen. Offensichtlich werde ich schon sehnsüchtig erwartet, den eine Horde liebenswürdiger Damen und Herren in silberfarbenen Dressen stürzt sich auf mich und bringt mich in das Check-in. „Die anderen Reisenden sind bereits an Bord", wird mir erklärt, während eine der silbrigen Schönheiten meinen linken Ärmel hochschiebt und mir ein Derm verpaßt. „Keine Angst, sie werden die Reise über wunderbar schlafen." He, Momentmal! Frechheit! Was heißt hier schlafen! Ich will gefälligst in einer Rakete sitzen und angstschlotternd und mit Befriedigung die gute, alte Erde immer kleiner werden sehen! Verschwommen kriege ich noch mit, wie ich in eine Art Kiste gelegt werde, bei meiner Verladung aufs Schiff bin ich schon weggetreten. Das letzte, was ich höre, ist, daß ich mir keine Sorgen machen sollte, wenn ich in diesem Kasten aufwache: dann hat entweder das Derm nicht richtig gewirkt, oder der Kasten ist bei einer Havarie als Rettungskapsel ins All geschleudert worden, von wo aus er Funksignale gegen die Erde richtet, damit ich im Falle eines Falles wieder eingesammelt werden könnte. Na wunderbar. Ausgeruht und um etliche Kilo leichter, erwache ich in meinem Zimmer. „Willkommen im Mondhotel Luna la Luna", begrüßt mich eine rauchige Frauenstimme. „Bitte beachten Sie die veränderten Schwerkraftver-hältnisse und bewegen Sie sich vorsichtig. Neben Ihrer Liege stehen Magnetschuhe für Sie bereit. Das Team von Luna la Luna freut sich drauf, ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten." Ja doch, ja, dann hört doch bitte auf, mir die Ohren vollzuquatschen, O.K.? Das Zimmer sieht genau so aus wie im Prospekt, elegante 21
dunkelblau und silbrig gehaltene Einrichtung, nur viel kleiner. Der alte Weitwinkeltrick. Zugedeckt bin ich mit einer wunderbar seidigen Satindecke, obwohl ich noch sämtliche Klamotten anhabe, in denen ich auf die Reise gegangen bin. Vorsichtig richte ich mich auf und schlüpfe in die Magnetschuhe. Trotzdem gelingen mir alle Bewegungen zu heftig, die Muskeln müssen sich erst auf das veränderte Körpergewicht umstellen. Wenigstens sorgen diese Eisenpatscherl beim Gehen dafür, daß ich nicht unkontrolliert durchs Zimmer hopse. Die silbernen Schränke, in die mein Hab und Gut bereits fertig eingeschlichtet ist, sind originellerweise trapezförmig gestaltet, vermutlich, um das Zimmer ein wenig spaciger aussehen zu lassen. Prüfend fahre ich mit der Hand über die Schranktür: echt Plastik. Wie vermutlich der Rest der Einrichtung. Eine einfache Rechnung: je leichter das Material, desto billiger der Transport. Ein großes Panoramaholo von der Mondoberfläche mit funkelndem Sternenhimmel versucht, wie ein Fenster auszusehen. Über einer hellgelben Wüste blinken Sterne am nächtlichen Himmel, von dem eine bedrohlich große Halberde grinst. Allerdings immer an der selben Stelle. Auf meinem Nachtkästchen finde ich das vorbestellte Wiener Frühstück, Kaffee, Kipferl, Semmerl, Butter und Marmelade. Letztere besteht aus einem silbrigen Galert, welches intensiv nach Erdbeeren riecht. Da ich schon immer eine fliegende Untertasse sehen wollte, werfe ich das zur Kaffeetasse gehörende Exemplar wie eine Frisbeescheibe in Richtung Sofa, wo sie gekonnt zur Landung ansetzte. Fasziniert beobachte ich die ungewohnt langsame Flugbahn des Objektes. Vielleicht könnte ich hier oben endlich Jonglieren lernen? Da ich nach dem „Frühstück" nicht gerade hungrig bin, mache ich mich erst einmal auf die Suche nach einer Bar. Der Gang ist mit Tageslichtlampen ausgeleuchtet, in deren Schein die metallenen Wegweise verheißungsvoll blinken. Zielstrebig folge ich der Hieroglyphe mit dem Glas und der Flasche. Das Gehen in diesen Magnetlatschen ist doch einigermaßen tückisch. Aua! Die Bar. Das gibt’s doch gar nicht! Das kann nur ein schlechter Scherz sein! Nein, nicht die Bar, die ist ganz O.K., der Stil erinnert an alte 2DSciFi-Filme, spacig, spacig. Aber was für ein Wesen lümmelt mit verbitterter Mine beim Bar-O-Mat, den unvermeidlichen Limoncello vor der hängenden Nase? „Robert?" - „Was machst du hier?" - „Mein Text. Ich meine. Also. Wirklich..." Da plündere ich sämtliche Spar- und Notgroschen, um auf den Mond zu fliegen, nur um vor die Nase gehalten zu kriegen, daß ich den eigentlichen Zweck meiner Reise nicht nur verfehlt habe, sonder auch nur dann erreicht hätte, wenn ich schön brav auf der guten alten Erde geblieben wäre. Und ich hatte mich so darauf gefreut, nicht mehr dieselbe Luft wie er atmen zu müssen! Hoffentlich gibt es hier viele, viele Nebenräume. „Wo ist diese Tuss...diese Bettina?" - „Im Zimmer. Glaub ich. Schmollt." - „Schmollt?" „Nun, sie hat diese Reise gesponsert..." - „Hab’ mir schon sowas gedacht" - „..und ich hab’ für uns gebucht." - „Und?" - „Und jetzt hält sie mich für einen perversen Lüstling." - „Ach ja?" Ich kann mir trotz meiner weichen Knie und Herzflattern ein gehässiges Grinsen einfach nicht verkneifen. Wenn Robert zu etwas die Fantasie fehlt, dann zum Lüstling. Zum perversen Lüstling. „Habt ihr getrennte Betten?" - „Schlimmer. Die Hochzeitssuite." - „...und seit einer Woche...?" - „Unsinn. Wir sind gerade erst angekommen. Wie Du, vermute ich." Jetzt hat er mich doch etwas aus dem Konzept gebracht. Wie hat er es in der kurzen Zeit geschafft, zu so einem guten Ruf zu kommen? Aber vielleicht habe ich auch länger geschlafen als er, immerhin bin ich als letzte verladen worden. Verladen. Das trifft. „Das Bett hat Schnallen." - „Wie bitte?" - „Schnallen. Zum Fesseln und so." - „Tatsächlich?" Oh Junge Junge, mich hat es drei Wochen gekostet, um Mr. Bombastik zu einem winzig kleinen Fesselspiel zu überreden! Die Braut sollte schreien vor Freude und sich alle zehn Finger lecken! „Schon ausprobiert?" - „Von wegen. Sie hat mir eine Szene gemacht und mich vor die Tür gesetzt." Oh ja, diese Bettina paßt entschieden besser zu ihm als ich. Immer schön brav 22
im Dunkeln und unter der Decke, wie? Tolles Feeling, diese verringerte Schwerkraft hier. Ein Mal Whisky ohne Wasser ohne Eis. Das Klima hier bekommt mir. „Und wie kommst Du hier herauf?" - „Och, war ein Dumpingangebot für Schnellentschlossene. Irgendwie hatte ich die Erde satt." - „Weißt du, eigentlich können wir gar nicht sicher sein, ob wir tatsächlich auf dem Mond sind." Ich verschlucke mich. „Hm?!" - „Na hast du die Rakete gesehen, in der wir hierherverfrachtet worden sind?" - „Mm." - „Eben. Raus können wir nicht, und die tollen Aussichtswarten, die sie hier anbieten, könnten Hologramme sein." „Und das da?" gekonnt werfe ich einen Bierdeckel in seine Richtung, der in lässig - langsamen Schwebflug die hiesigen Gravitationsverhältnisse demonstriert. „Hypnose. Damit es uns so vorkommt, als ob. Oder Virtuelle Realität. Kennst du diesen Film, ,Total Recal’?" - „Jetzt komm schon, schließlich bin nicht ich hierhergekommen, um mir gerade von dir die gute Laune verderben zu lassen. Wäre außerdem ein schlechtes Programm, wenn ausgerechnet du darin vorkommst." - „Vielleicht, weil du mich unbedingt hierhaben willst?" Seht ihr, das ist es, genau das, was ich an diesem Typen so hasse. Daß er versucht, den größten Unsinn zu verzapfen, und dabei so argumentiert, daß jede ihm früher oder später auf den Leim geht. Egal, was ich jetzt erwidere, er wird es so drehen, daß es seine Theorie unterstützt. „He, das bedeutet ja, wenn ich in deiner VR vorkomme, bist du immer noch auf mich scharf!" Eins zu null für mich! „Schade, daß Bettina hier ist." In der Tat steht jene gerade beim Eingang, reißt Mund und Augen auf und verschwindet gleich wieder. Robert springt auf und rennt ihr hinterher. Hey, so kenne ich den doch gar nicht? Ein kleiner, schmerzhafter Stich in der Herzgegend sagt mir, das dies alles hier im Moment wirklicher ist, als mir lieb ist. In der VR hätte ich Robert jetzt abgeschleppt, um ihn nachher aus dem Zimmer zu werfen. Oder wir würden zu ihm gehen, wo ich ihn ans Bett gefesselt und spitz wie Nachbars Lumpi zurückließe. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Während ich mich langsam aufmache, um das Hotel zu erkunden, geht mir der Hinweis auf die Virtuelle Realität nicht aus dem Kopf. Würde ja alles passen: dieses rasche Eingeschläfert werden und dann gleich im Hotelzimmer aufwachen. Die begrenzten Bewegungsmöglichkeiten. Und die Menschen, die ich hier treffe, sind der Reisegesellschaft vermutlich ebenso auf den Leim gegangen. Im Prinzip ist es mir egal. Mit einem perfekt vorgetäuschten VRErlebnis kann ich zuhause genauso angeben wie mit einer echten Mondreise. Was ist schließlich schon Wirklichkeit? Das Erleben ist es, was zählt. Sauer werde ich erst, wenn sie anfangen, mir meine virtuellen Drinks ganz real vom Konto abzuziehen. Das Hotel unterscheidet sich nicht wesentlich von einem Ferienhotel auf der Erde, lediglich der Themenpark - ein Stück überkuppelte Mondlandschaft - ist etwas dürftig ausgefallen. Dafür gibt es drei spezielle Turnsäle, wo jeder nach Herzenslust die tollsten Kunststücke ausprobieren kann, die auf der Erde wegen mangelnder Kondition und übermäßigem Körpergewicht nicht so recht gelingen wollen. Auch das Hinfallen ist wesentlich angenehmer. Der Fußboden ist in verschiedenen Grautönen gehalten, wegen dem Eisengranulat, das auf die Magnetpatscherln diese unwiderstehliche Anziehungskraft ausübt. Wer will, kann sich auch einen speziellen Mantel umwerfen, in dem Bleiplättchen verarbeitet worden sind. Aber wer kommt schon auf den Mond, um sich genau so zu fühlen wie auf der Erde? Einige Fortgeschrittene springen bereits ohne Magnetschuhe herum, was für die anderen Besucher ziemlich nervig wird, weil nicht vorauszusehen ist, wo und in welcher Höhe der nächst Zusammenstoß stattfinden könnte. Zur weiteren Unterhaltung gibt es noch zwei Räume mit Videospielen, am belagertsten ist dabei eine kleine VR-Anlage, mit deren Hilfe ein Mondspaziergang simuliert wird. (VR in der VR? - Robert würde das eine Verschleierungstaktik nennen, um die Menschen in der Sicherheit ihrer Illusion zu halten.) Neben der Bar gibt es noch einen Speisesaal, ein Bistro und eine Art Orangerie mit seltsamen Pflanzen, die in seltsamen Ranken über die seltsamen Schwerkraftverhältnisse meditieren. Ein Mitbringselshop, zwei Aussichtswarten und ein winziges Mondmuseum mit dem Gipsabdruck des ersten Schrittes, den der Mensch auf dem 23
Mond machte, vervollständigen das Angebot. Naja, für eine Woche wird es schon reichen. Gespart wird offensichtlich vor allem am Personal, wo immer es geht, werden kleine Touchscreens verwendet, mit deren Hilfe Getränke und Speisen geordert werden können, die von einem mobilen Servierwagen zu dem Tisch gebracht werden, von wo aus die Bestellung getätigt wurde. Natürlich erst, wenn die Kreditkarte in dem dafür vorgesehenen Schlitz steckt. Das bißchen Personal, auf das nicht verzichtet werden kann, steht in erster Linie für Auskünfte zur Verfügung. Über den Mond, über das Hotel, und, ja, Reale Ausflüge auf den Mond können ebenfalls gebucht werden, kosten aber ein Heidengeld. Vor allem die Leihgebühr für die spezielle Ausrüstung. Außerdem muß eine Gruppe von mindestens fünf Teilnehmenden angemeldet sein, sonst zahlt es sich gar nicht aus, die Schleuse in Betrieb zu nehmen. Abgesehen davon sei die VR-Präsentation wesentlich interessanter. Auf dem Mond gibt es keine Uhrzeit. Jeder Gast kann nach seinem eigenen Rhythmus hier schlafen oder essen, wodurch auch die „Populationsdichte" ein wenig herabgesetzt wird, weil immer gerade gut ein drittel der Touristen ein Nickerchen macht. Vielleicht sollte ich mit Robert und Bettina eine Art Nutzungsplan aufstellen, wer wann wo nicht gefunden werden will? Verdammt! Wir sind hier miteinander eingesperrt! Wie soll ich in Ruhe Trauerarbeit leisten, wenn mein „Verstorbener" hier in alter Frische als lebenslustige Leiche um seine Geliebte herumscharwenzelt und nicht und nicht aufhört, in meinem Kopf herumzuspuken? Robert und ich waren über ein Jahr zusammen. Ich habe mich zusammengerissen, wirklich, ich wollte, daß die Beziehung funktioniert. Um ehrlich zu sein, hatte ich in letzter Zeit schon öfters überlegt, ob ich nicht das Handtuch schmeißen soll. Aber nein, hab’ ich mir eingeredet, nein, für eine gute Beziehung mußt du arbeiten, laß ihm Zeit, das wird schon. Er hat sich ja auch Mühe gegeben. Glaube ich. Vielleicht. Und dann taucht er auf und erzählt mir, er hat sich unheimlich in diese Bettina verknallt. War ich von den Socken. Klar, Schuß ins Ego: wenn, dann wollte ich ihn verlassen. Vorsichtig schlurfe ich durch die Gänge, die Ohren gespitzt. Ich komme mir dabei vor wie Jamie Bond persönlich, die auf einem feindlichen Raumschiff ihrem Erzfeind auflauert. Aus einem der Zimmer dringt mir hysterisches Gekreische und eine wohlvertraute, kaltzornige Männerstimme entgegen. Der Haifisch in mir schwimmt neugierig näher in Erwartung eines baldigen Gemetzels. „Erzähl mir doch nicht daß das alles ein Zufall ist! Du perverses Schwein! Du wolltest mich wohl an dieses - dieses Gestell schnallen und dann zu deiner Ex gehen! Macht dir wohl mehr Spaß, wenn du beim Ficken weißt, daß in einem anderen Zimmer eine andere hilflos auf dich wartet! Glaubst du, ich durchschaue das nicht!" - „Du wolltest auf den Mond". Hysterisches Geschluchze. Oj hat die einen Knall. Und wie ordinär. Tz. Tz. Tz. Das wird dem lieben Robert aber gar nicht gefallen. Hochbefriedigt über das eben gehörte, mache ich mich auf in Richtung Speisesaal. Hoffentlich wird das Kochen nicht auch von Androiden übernommen, diese Gerichte sind immer so scheußlich gesund. Wer auch immer gekocht haben mag, die „Tofuente à la Luna la Luna" schmeckt einmalig, in welcher Hinsicht auch immer. Jedenfalls weder nach Tofu noch nach Ente. Meinen Tischnachbarn, typischer „Sohn reicher Eltern", habe ich bald in ein Gespräch verwickelt, welches ich mit der Frage „Glauben Sie, das wir hier wirklich auf dem Mond sind, oder nur in einer Virtuellen Realität?" begonnen habe. Das Essen jedenfalls kann sowohl als Argument dafür als auch als Argument dagegen verwendet werden. „Vielleicht ist deswegen auch so wenig Personal hier, stellen Sie sich vor, was das an Programmierungsarbeit kostet!" Ha, jetzt habe ich diesen eingebildeten Schnösel, der glaubt, weil er auf dem Mond ist, ist er etwas besonderes, ernsthaft verunsichert. Mehr als Mann auf dem Mond kann er nicht werden, für Mister Universum fehlt es ihm entschieden an Muskulatur. Apropos: vielleicht sollte ich gleich einmal nachschauen, welcher der Turnsäle gerade „frei" ist. 24
Obwohl uns nicht gerade viel Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen, gelingt es uns doch einigermaßen, einander aus dem Weg zu gehen. Bei zufälligen Begegnungen ernte ich ein paar beinahe tödliche Blicke von Bettina, die ich mit meinem liebenswürdigsten Lächeln erwidere. Wirst schon sehen, was du an dem Kerl hast. Oder besser: nicht hast. Die Stimmung zwischen den beiden ist spürbar frostig. Ich hätte nie gedacht, daß mir diese Reise so viel Spaß machen könnte, ich darf mich nur nicht dabei ertappen, wie ich in sentimentalen Erinnerungen schwelge. Zwei Tage vor der Heimreise treffe ich Robert wieder in der Bar - allein. „Und, hast du schon herausgefunden, ob das alles hier echt ist, oder nur ein einziger riesen Schwindel?" Wie gut, daß ich gerade mein bestes Transparentkleid anhabe. Er soll sehen, was er an mir verloren hat. „Das ganze ist ein Riesenbeschiß" knurrt er zurück. „Ärger mit Bettina?" - „Wenn ich geahnt hätte, was für eine Hysterie diese Frau ist, wäre ich beim ersten Anblick davongelaufen. Vielleicht wollte sie deswegen mit mir auf den Mond. Weil es von hier aus kein Entkommen gibt." - „Aber ihr schlaft doch noch im selben Zimmer?" - „Im Moment ist sie dran. Noch fünf Stunden, dann darf ich mich auf’s Ohr legen. Und den Reisekostenanteil für mich soll ich ihr auch zurückzahlen. Ratenweise." Irgendwie mag ich diese Bettina. „Und? Willst du dieses wunderbare teure einmalige Reiseerlebnis in Frust und Wut zuende bringen?" mal sehen, ob mein Augenaufschlag noch bei ihm wirkt. „Naja," seine Stimme wird ein wenig heiser. Bingo! „Ich hätte da schon eine Idee... wenn du willst..." Klar will ich! Immerhin fehlt unserer Beziehung noch ein krönender Abschluß! „Das hier ist also deine bescheidene Bude?" - „Einzelbett und ohne irgendwelche Kinkerlitzchen. Wirklich schade, daß Bettina sich in eurem Zimmer eingeschlossen hat." - „Soll sie mitmachen?" - „Den Streß kann ich dir doch nicht zumuten..." Nein, er zieht schon wieder die Socken zum Schluß aus. Manche lernen es eben nie. „Hast du abgenommen?" - „Milchdiät." Robert muß ja nicht unbedingt wissen, daß ich zwei Wochen lang kaum was runtergebracht habe. Virtuell oder Real, seine erotische Anziehungskraft hat er immer noch. Oder nimmt er einfach nur eines von diesen Pheromonparfums? Ich hätte das mal überprüfen sollen, solange ich noch freien Zugang zu seinem Badezimmer hatte. Vielleicht wird das ja doch wieder. Oder nicht? Mal sehen. Jetzt jedenfalls bin ich scharf auf diesen Mann. „Komm, entspann dich." - „He, das ist mein erstes Mal hier!" - „Mondjungfer" O.K., ja, ich weiß. Ich will loskommen von diesem Typen. Andererseits muß ich mir jetzt weder mühevolle einen Aufriß zulegen, noch mir um diverse „Mitbringsel" Gedanken machen. Robert ist sehr gesundheitsbewußt. Und wenn ich schon auf dem Mond bin... „He, was soll das?" Roberts verdutztes Gesicht, als er mir entschwebt, war den Reiseaufwand allemal wert. Wie schon oben erwähnt, sind unsere Muskeln nicht auf die hiesige Schwerkraft abgestimmt. Oder anders ausgedrückt: wir wußten jetzt, wozu die Gurte im Hochzeitsbett da waren. Sex auf dem Mond ist wesentlich einfacher, wenn wenigstens ein Partner nicht unter ekstatischen Bewegungen von der Matratze abhebt. „He, hiergeblieben!" - „Kannst du nicht einfach ruhig liegenbleiben?" - „Du hättest doch Tantraübungen mit mir machen sollen, Robert. Da lernst du die richtige Technik." - „Verdammt." Ich schüttel mich vor Lachen, während Robert verzagt auf seinen Liebesdiener herabblickt, der sich unter diesen Bedingungen beleidigt zurückgezogen hat. „Du hättest dich am Bett festhalten sollen!" wirft er mir mit beleidigter Miene vor. Und in soetwas war ich verknallt! Nicht zu fassen! Vor Lachen hopse ich auf der Matratze wie ein Jojo auf und ab. Und wenn ich mir dann noch vorstelle, wie er und Bettina... „Jetzt hör bitte mit dieser Kicherei auf!" - „Sagst du Bettina jetzt, wozu die Gurte gut sind? Damit sie sich wieder beruhigt?" - „Weiber!" Wütend versucht Robert, seine Kleider aufzusammeln, wobei ihm sein überschäumendes Temperament eher hinderlich ist. Ohne die Magnetschuhe würde er wohl in dem Zimmer herumflitzen wie ein besoffener Flipperball. Ja, ich weiß, der arme Kerl sollte mir leid tun, und ich bin ein schadenfrohes Biest, aber ein 25
bißchen Ausgleich für all den Liebeskummer muß einfach drin sein. Der Rückflug zur Erde gestaltet sich wie der Hinflug: Ein Derm im Chek in, nur diesmal mit Aufwachen im Ruheraum eines Orbiters. War ich wirklich auf dem Mond oder war alles nur gut geträumt? Wie auch immer, ich kann jetzt wieder ruhig meiner Arbeit nachgehen. Immerhin muß ich mein Konto wieder auffüllen. Und außerdem soll es da ein wahnsinnig tolles Hotel im Mariannengraben geben...;-)
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Haben Sie etwas gegen Antiautorität? von Irene Salzmann
Auch in der Welt von morgen gibt es Sorgen von heute: Zum Beispiel unerhörte Gören!
Ich hielt das breite Schmuckband an meinem rechten Handgelenk dicht vor die Augen, um die winzigen Buchstaben auf dem Minimonitor des Personalcomputers erkennen zu können. Zu dumm, daß ich meine Kontaktlinsen auf der Ablage im Bad hatte liegen lassen. Da mein Mann als erster aufgestanden war, für gewöhnlich weder etwas sah noch hörte, waren sie natürlich weg gewesen, futsch, um genau zu sein. Die neuen würden erst morgen fertig werden, und bis dahin mußte ich mich ohne sie zurechtfinden. Sorgfältig ging ich die Einkaufsliste durch, um nichts Wichtiges zu vergessen, denn am Wochenende hatte nur der Galactoshop offen, und der war fast doppelt so teuer wie die anderen Einkaufscenter. Tatsächlich fehlten die Charachips, die mein Mann so gerne aß. Bah, dieses neumodische Zeug aus gepreßten Armleuchteralgen - einfach widerlich! Aber ihm und Millionen anderen Naschern, wenn man den Statistiken Glauben schenken durfte, schmeckten sie unverständlicherweise. Mit der Nase suchte ich die Regale entlang, bis ich die Tüten gefunden hatte. Während ich zwei in meine Schwebetasche packte, hörte ich ein lautes "Ssssssssss - bang, bang!" Unwillkürlich drehte ich mich in die Richtung, aus der das Geräusch kam und konnte gerade noch zur Seite springen, als ein sechs- oder siebenjähriger Junge wie ein Laserstrahl durch den Gang geschossen kam, meine Tasche umstieß, so daß die Hälfte ihres Inhalts auf den Boden polterte, und fast noch eine alte Frau aus dem Gleichgewicht brachte. Schon war er um die Ecke, und das "Ssssssssss - batsch, boing, bumm!" entfernte sich so schnell, wie es gekommen war. Schimpfend rieb sich die Frau das linke Schienbein. Kopfschüttelnd fragte ich mich, wo die Mutter des Bengels stecken mochte. Statt sich um ihn zu kümmern, ratschte sie gewiß mit einer Bekannten; so war das immer. Na ja, was ging es mich an. Ich sammelte die verstreuten Sachen ein und wandte mich wieder meiner Liste zu. Da war doch noch etwas gewesen ...? Richtig, Gänseblümchensalat und Tang für die Fischaugensuppe mußte ich noch besorgen. Unterwegs entdeckte ich das Früchtchen in der Spielwarenabteilung. Er riß gerade den Karton eines Plastikstrahlers auf und war gleich darauf mit der Beute verschwunden. Schade, daß gerade niemand vom Aufsichtspersonal in der Nähe war. Manche Eltern haben wirklich Nerven ... An den Automatkassen war nicht viel los. Um die Mittagszeit besuchten wenig Kunden das Center, und diejenigen, die vor mir standen, hatten keine vollen Schwebetaschen. Ich schloß mich einer Schlange an und bewegte mich genauso träge vorwärts wie die anderen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, meine Haare würden sich steil aufrichten. "Bang, bang - psch!" machte das ungezogene Kind unmittelbar hinter meinem Rücken. Mehr Worte schien sein Vokabular nicht zu umfassen. Ich wollte mich nicht umdrehen, da man mich sonst für neugierig gehalten hätte und ich, kurzsichtig, wie ich ohne Kontaktlinsen nun mal bin, auch nicht viel hätte erkennen können. Aber zu gern wollte ich wissen, wie die Eltern des Kindes ausschauten. So drehte ich mich ein wenig zur Seite, als würde ich prüfen, ob es an der Nachbarschlange schneller ging, und blickte dabei kurz über die Schulter. Zwischen dem zischenden Kind und einer überladenen Schwebetasche stand eine junge Frau, groß, knabenhaft schlank, topmodern gekleidet und grell geschminkt; zweifellos die Mutter. Spontan kam mir ein tropischer Vogel in den Sinn, vielleicht ihrer bunten, aufwendig gestylten Frisur oder des gelangweilten, hochnäsigen Gesichtsausdrucks wegen. Da es an der Kasse weiterging, beachtete ich die beiden nicht länger und schob meine Tasche 27
vor, damit der Scanner ihren Inhalt erfassen konnte. Die Summe würde von meinem Guthaben abgebucht werden, sobald ich die Kreditkarte in den Schlitz der Maschine steckte. "Psch - rrrrr!" machte es hinter mir: Das typische Geräusch eines Spielzeuglasers. Diesmal sträubten sich meine Haare wirklich, denn diese Dinger haben einen Akku und verschießen kleine, harmlose Elektroblitze, und von einem solchen war ich soeben getroffen worden. Vor Schreck fiel mir die Kreditkarte fast aus der Hand, und die Maschine forderte mich streng auf, endlich zu zahlen oder aus der Schlange zu treten. Etwas hilflos erwiderte ich den Blick des Mannes vor mir, der wie ich das zweibeinigen Ärgernis beobachtet hatte, während er auf seine Karte warten mußte. Es kann ja ein Versehen gewesen sein, versuchte ich, mich zu beruhigen, schließlich will ich nicht durch eine unfreundliche Bemerkung zu einer Kinderfeindin abgestempelt werden. Wenn man selbst keine hat, geht das sehr schnell. Als wäre nichts geschehen, schob ich die Karte in den Automaten und wartete darauf, daß sich die Schranken öffneten und ich mit meinen Einkäufen passieren durfte. Da traf mich ein zweiter Stromstoß, und der kleine Unhold lachte meckernd. Nun wurde ich allmählich wütend, denn alles muß man sich wirklich nicht bieten lassen. Ich drehte mich um und sagte mit dem letzten Rest Gelassenheit, den ich noch aufbringen konnte, zu der Mutter: "Bitte geben Sie auf Ihr Kind acht. Das ist bereits das zweite Mal, daß ich mit dem Laser beschossen wurde." Die Frau sah mich an wie eine Amöbe, wenn ihre Pfütze austrocknet. "Mein Sohn darf tun, was er will", entgegnete sie spitz, "wir erziehen ihn antiautoritär." Demonstrativ schaute sie zur Seite, als ich "psch - rrrrr!" die nächste Salve verpaßt bekam. Was macht man nur mit einem so schrecklichen Kind? Während ich noch überlegte, ob ich nach Rückerhalt meiner Kreditkarte so schnell wie möglich den Center verlassen sollte, dem kleinen Ungeheuer den Laser abnahm und ihm, seiner Mutter oder am besten beiden eine klebte, oder mir auch so ein Ding besorgte, um zurückzuschießen, betrat der Mann nochmals den Einkaufsbereich. Scheinbar hatte er etwas vergessen, denn er kam mit einer Familienpakkung Entengrütze aus dem Sonderangebot zurück. Seelenruhig stellte er sich hinter der jungen Frau in die Schlange, schraubte den Deckel der Drei-Liter-Dose ab und leerte den klebrigen Inhalt über der Überraschten aus. Mit schriller Stimme schrie sie: "Was fällt Ihnen ein, Sie ... Sie ... unverschämter Kerl, Sie! Sind Sie verrückt?" "Nein", der Mann grinste breit, "antiautoritär erzogen." Er zahlte an der Kasse die Entengrütze und hatte den Center bereits verlassen, als meine Nase endlich auf den Ausgang gestoßen war. Gern hätte ich mich bei ihm bedankt.
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Zeitsprünge von Karin Sittenauer
Die Familie wird von einem Paradoxon heimgesucht, das in der Zeit verborgen liegt!
Thomas blickte aus dem zugigen Fenster. "Nun sieh dir dieses Wetter an. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen solchen Sturm erlebt zu haben." "Das ist die Strafe Gottes für deinen Frevel!", antwortete die Mutter unheilschwanger. Die Scheibe hielt den Sturm nicht gänzlich ab. Mit jeder erneuten Böe pfiff es eisig durch die Ritzen. Der alte, riesige Kastanienbaum vor dem kleinen Bauernhaus ächzte quälend. Thomas erwartete, ihn in dieser Nacht stürzen zu sehen. Dabei konnte er sich so gut daran erinnern, wie er ihn gepflanzt hatte - vor nicht einmal einer Woche in seinem anderen Zuhause. Er wandte sich um, sah auf die kleine, siebzigjährige Gestalt, die auf dem alten Sessel kauerte. Sie trug ihre selbst gestrickten Strümpfe, die alte, verwaschene Schürze und in den Händen einen Rosenkranz. So hatte er sie seit jeher im Gedächtnis. Als er antwortete, verlieh er seiner Stimme einen ruhigen, milden Klang. "Mutter, fang nicht schon wieder damit an." "Jeden Tag bete ich fünfzig Mal den Rosenkranz, damit Gott dir vergibt." "Es gibt nichts zu vergeben." "Sieh dir doch den Sturm an! Er wird mir das Dach über dem Kopf abdecken. Das ist die Strafe Gottes dafür, dass ich dich in die Welt gesetzt habe!" "Ich dachte, für das Wetter wäre Petrus zuständig." Thomas konnte seinen unwilligen Spott nicht mehr verdrängen. Sie bemerkte es nicht. "Alles lenkt Gottes Hand!" "Dann hat er auch mich gelenkt, als ich es erfand, Mutter." Darauf erhielt er keine Antwort, wie jedes Mal, wenn er sie besuchte. Sie drehte den Rosenkranz ganz geringfügig in ihrer Hand, nahm die nächste Perle zwischen die Finger und murmelte monoton: "Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder ..." "Mutter, denkst du nicht, dass es Gottes Wille war, mir die Zeitreise zu ermöglichen? Warum musste ich beim ersten Versuch ausgerechnet dreißig Jahre in die Zukunft geraten? Ich sah, wie dieses ganze Land verwüstet wurde! Verseucht, bei dem gescheiterten Versuch, die letzten Kernkraftwerke abzubauen. Ich kann meine Kinder vor einem grausamen Tod bewahren, indem ich sie im neunzehnten Jahrhundert aufwachsen lasse. Hier müssten sie sterben!" Die Mutter schwieg. Thomas sah sie eine Weile an. Sie wirkte so alt und klein. Vermutlich glaubte sie wirklich an das, was sie ihm vorwarf: Er hätte Gottes wunderbare Schöpfung 29
missachtet. Er beugte sich zu ihr, fasste nach ihren Händen. Unter seinen Fingern drehte sie den Rosenkranz weiter, schien ihn nicht einmal zu bemerken. Sicherlich nahm sie ihn wahr, doch sie wollte ihn spüren lassen, wie sehr er sie enttäuschte. "Mutter, während des Krieges hat man dir einen Ahnenpass ausgestellt. Stimmt das?" "Vater unser im Himmel, geheiligt ..." "Mutter, ich rede mit dir! Besitzt du den Ahnenpass noch?" "...werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe ..." "Herrje, du machst mich wahnsinnig!", fuhr er sie an. Dabei hatte er sich diesmal so sehr vorgenommen, Ruhe zu bewahren. Er trat zurück, atmete tief durch, bis die Wut allmählich verrauchte. "Ich werde ihn suchen. Nicht dass du hinterher behauptest, ich hätte deine Sachen ohne dein Wissen durchwühlt." Thomas ging von der Küche ins Schlafzimmer. In der Kommode bewahrte sie wichtige Unterlagen auf, das wusste er. Die Zimmer im Haus waren klein, er konnte die Gebete seiner Mutter noch vernehmen. Das ganze Anwesen wirkte eher bescheiden. Natürlich tat es das! Immerhin war es nicht möglich gewesen, Vermögenswerte mit in die Vergangenheit zu nehmen. Als er vor vier Jahren mit seiner Frau und den drei Kindern den Zeitsprung gewagt hatte, musste er alles zurück lassen. Er hätte niemals gedacht, dass er selbst der Erbauer seines Elternhauses war. Seine Mutter sprach mit so viel Stolz davon, dass sich dieses Haus seit 200 Jahren im Besitz der Familie befand. Thomas zog die Schublade der Kommode auf, nahm den flachen Karton mit Papierkram heraus und setzte sich auf den hölzernen Boden. Wie alt und abgetreten die Dielen wirkten, dabei hatte er sie erst vor kurzer Zeit verlegt. Er stützte den Kopf auf eine Hand, mit der anderen wühlte er in Briefen und Urkunden. Endlich! Er stieß auf ein Heft, Größe DIN A 5, dunkelblau-graue Farbe, mit Reichsadler darauf. Er begann zu blättern, seine Hände zitterten. Was er erwartete, machte ihm Angst. Er suchte die Bestätigung, dass er mit seiner Vermutung nicht Recht behielt. Er hoffte so sehr darauf! Er durfte seinen Namen nicht in der Ahnenreihe seiner Mutter finden. Auf der ersten Seite stand lediglich: Ahnenpass für Maria Fuchs, A. G. Gruneberg-Verlag, Marburg/Lahn. Thomas blätterte um, fand einen Ausschnitt aus Hitlers Reichstagsrede vom Januar 1937, über Vorsehung und Rassen. Die nächsten Seiten waren leer, nicht ausgefüllt. Aber dann kam die Ahnentafel. Zwei Seiten Stammbaum. Ganz unten stand der Name seiner Mutter: Maria Fuchs. Darüber ihre Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, Ururgroßeltern. Für einen Augenblick schloss er die Augen, gönnte sich ein Zögern, bevor er las. Im Hintergrund betete seine Mutter weiter: "Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld ..." Er ging die Namen durch, systematisch, obwohl er wusste, dass er unter Ururgroßeltern zu 30
suchen hatte. Und da stand sein jüngster Sohn: Mathias Fuchs, geb. 16.12.1798. Jedem Namen war eine Nummer zugeordnet, Mathias trug die Nummer 10. Thomas blätterte weiter, fand die Nummer 10 und deren Erläuterungen: Sohn des Fuchs Thomas, Nr. 20 und der Herzog Magdalena, Nr. 21. Da stand es schwarz auf weiß: Er selbst war der Ururgroßvater seiner Mutter! Ihm schwindelte, wieder schloss er die Augen, stützte den Kopf in die Hände. "... und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung ...". "Sei endlich still", murmelte er. "Hör auf, um Vergebung zu beten." Lauter fuhr er fort: "Ich kann nichts dafür, dass dieses Land in dreißig Jahren unbewohnbar sein wird. Hörst du, Mutter?" Endlich sprach sie: "Ich will nichts davon wissen. Es verstößt gegen das Schicksal, das uns auferlegt wurde." "Was wurde uns auferlegt? Zu verharren und zu dulden? Keiner von uns befände sich am Leben, wenn ich dulden könnte!" Jetzt hatte er es ausgesprochen. Seine Großeltern wären nie geboren worden, seine Mutter nicht und auch er nicht. Er selbst war der Stammvater dieser Familie. Sein Sohn würde sie weiter führen. Hätte er den Zeitsprung nie gewagt, es gäbe ihn und seine Kinder nicht! "Bring meine Enkelkinder zurück!" Sie funkelte ihn wütend an, ihre Stimme klang keifend. Ja, auch so kannte er sie. Wenn sie nicht betete, versuchte sie, ihre Umgebung zu beherrschen. "Sie bleiben, wo sie sind. Ich gehe jetzt auch wieder. - Leb wohl, Mutter." Die alte Frau schenkte ihm kein Lächeln, keinen Abschiedsgruß, nur einen finsteren Blick, der ihn zu verdammen suchte. Jäh drehte er sich um, betrat den Gang, schloss die Küchentüre hinter sich, um ihren Blicken entzogen zu sein. Dann schluckte er zwei Tabletten, legte sich einen Gurt an und betätigte den Startknopf. Er durfte nicht in der Gegenwart verharren, musste in die Vergangenheit zurückkehren, um dieses Leben zu ermöglichen.
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Jump von Alexander Kaiser
Europa im Jahre 2002. Es kommt zu einer tödlichen Bedrohung. Doch die Menschheit hat "Jump" entwickelt.
"Hiermit stelle ich ihnen das Konzept Jump vor! Jump ist die Antwort auf alles: Satellitenabstürze, Alieninvasionen, aus der Bahn geratene Kometen... Jump wird unsere Zukunft verändern und bestimmen. Aber Vorsicht. Jump ist gefährlich! Zu oft angewendet, kann es die ganze Welt in ihr Verderben stürzen! Das Konzept ist interessant! Ja, ich denke, es ist wahrscheinlich die Antwort auf alles. Womöglich sogar der Schlüssel zum Weltfrieden, weil die ganze Welt am Projekt Jump teilhaben muss! Doch auch hier liegt wieder eine Gefahr, denn der Missbrauch ist größer, als man denkt. Die einzige sinnvolle Regulationsmöglichkeit liegt für mich in einem Rechnerverbund, der exakt und auf den Meter berechnet, wer wann und wo Jump einsetzt. Und noch eine weitere Gefahr gibt es. Wurde Jump einmal eingesetzt, muss es zu einem bestimmten Zeitpunkt erneut, also konträr eingesetzt werden, sonst kann die ganze Welt aus der Bahn geworfen werden!" Es war im Spätherbst 2002 in Norddeutschland. Der Euro war mittlerweile da, es gab mal wieder Bundestagswahlen, es hatte sogar schon geschneit, aber die weißen Flocken waren nicht lange liegengeblieben. Ach ja, und die Augen der Welt waren auf Amerika gerichtet. Dort wurde Al Gore, ehemaliger Vize-Präsident und jetziger selbsternannter Führer der freien Welt gefeiert wie ein Held. Die Amis hatten letztes Frühjahr Jump eingesetzt und damit verhindert, dass ein Komet auf der Erde einschlug. Der drei Kilometer große Brocken war nur lächerliche zweihundert Kilometer an der Erde vorbeigeschlittert. Die Gravitation der Erde hatte den Koloss dennoch beeinflusst. Der Komet war zu einem Achtel der Erdanziehung gefolgt, bevor sein eigener Schwung ihn wieder ins All gerissen hatte. Für drei lange Tage und vier Nächte hatte die Erde einen neuen Trabanten gehabt. Drei Kilometer war nicht soo viel. Das Riesending, das damals, vor fünfundsechzig Millionen Jahren die Yucatan-Halbinsel eingestampft hatte, war knappe fünfzig groß gewesen. Musste aber auch langsam reingekommen sein, vielleicht ein Viertel Lichtgeschwindigkeit, also gute achtzigtausend Kilometer pro Sekunde. `Na, da haben wir aber noch mal Glück gehabt!´ hatte der Bundeskanzler am Tag darauf im Fernsehen gesagt. Nun, er hatte es auf einen Punkt gebracht. Trotzdem war es eine selten dämliche Bemerkung gewesen. Diese und ähnliche Gedanken gingen Axel Frankenfeld durch den Kopf, während er mit dem Auto nach Hause fuhr. Jump war einfach super. Ob es wohl auch dazu taugte, die sich langsam regenerierende Ozonschicht zu flicken? Oder die Wale zu retten? Oder zumindest die FDP? Ach, man sollte eben keine Wunderdinge von Jump erwarten. Das letzte, was Jump gebrauchen konnte war eine gottgleiche Verehrung. Menschen hatten Jump entwickelt, und Menschen setzten Jump auch ein. Nein, das war so nicht richtig. Es gab auch Idioten, die Jump benutzten, als Partygag zum Beispiel. Sollten sie doch, wenn es ihnen Spaß machte. Als ob ein paar Dutzend Menschen die Erde verrücken könnten. Axel fuhr in Bonn ein, ab auf die B9, Richtung Köln. Dann die zweite Querstraße links und noch einmal zweihundert Meter geradeaus. Dann die Nebenstraße und er war zu Hause. Mit einem wehmütigen Gefühl verließ er seinen Wagen. Irgendwann würde ihn jemand stehlen, das wusste er genau. Irgend jemand, solange der arme immer draußen vor dem Haus stehen musste. Es wurde vielleicht Zeit, in einen der Vororte zu ziehen. Die hatten Garagen, sogar 32
doppelte. Hm, dafür konnte man eigentlich einen längeren Anfahrtsweg in Kauf nehmen. Als Axel das Treppenhaus betrat, checkte er kurz den Briefkasten ab. Rechnungen, Rechnungen, eine Einladung zu einer Hochzeit, zwei Taufen und eine Blind Date-Party. Ach ja, und ein Schreiben der Behörde für Jump! Jump??? Konnte es sein? Stand Deutschland ein Einsatz bevor? Und sie brauchten ihn dafür? Cool. Aber - Moment, es konnte auch eine Anfrage sein, ob er nicht Fördermitglied des Projektes werden wollte. In neuer Rekordzeit erklomm Axel die Treppe zu seiner Wohnung, riss beim Aufschließen fast die Tür aus der Angel und warf die Rechnungen in eine Ecke. Dann waren sie allein. Er... und der Brief von Jump. Komisch, eben konnte er es nicht erwarten, den Brief zu öffnen, aber jetzt... Gott, er kam sich vor, als enthielte dieser Brief die Höhe seiner Einkommenssteuerrückzahlung. Mit einem Ruck riss er ihn auf. Beinahe bedächtig entnahm er das Schreiben dem Umschlag. Er entfaltete den Brief und begann langsam zu lesen. "Sehr geehrter Herr Frankenfeld, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass der JumpRechnerverbund Sie dazu ausgewählt hat, mit hundert Millionen weiteren Europäern den ersten Einsatz von Jump in Europa mitzumachen. Wir bitten Sie daher, am Ersten Dezember 2002 um Punkt Drei Uhr daheim zu sein. Alle wichtigen Informationen für Jump werden auf beiden öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten laufend bekannt gegeben. Bitte lesen Sie hierzu das beigelegte Merkblatt : Wie verhalte ich mich als Teilnehmer von Jump? Hochachtungsvoll.... Jaaa, ich bin dabei! Ich mache mit! Hu, hu, hu. Yeah!" Oh, das Leben konnte so schön sein... *** "Danke, dass Sie die Öffentlich-Rechtlichen eingeschaltet haben. Wir unterrichten Sie von jetzt an laufend über alle wichtigen Daten zum ersten europäischen Einsatz von Jump. Achtung, wenn Sie ein ausgeschriebener Teilnehmer von Jump sind, halten Sie sich bitte bereit. Der Countdown liegt bei dreißig Minuten. Wenn Sie kein ausgewiesener Teilnehmer sind, tun Sie bitte nichts, was Jump stören könnte. Wir berichten nun live aus Houston, wo die Beobachtungsdaten des Space Shuttles über den ausrangierten russischen Satelliten eingehen. Sie erinnern sich, der Satellit, der von einem Atom-Reaktor betrieben wird, droht, sollte er seine Bahn beibehalten, direkt auf Mitteleuropa stürzen..." Nun war es also soweit. Im Hintergrund der Sendung lief eine Uhr mit. Sie zeigte noch achtundzwanzig Minuten an. Axel tobte noch einmal durch die Wohnung. War alles bereit? Wog er auch nicht mehr als achtzig Kilo? Oh, Mist, er musste noch mal auf Toilette. Als er wiederkam, war er ein gutes Kilo leichter. Scheiße! Und die Uhr zeigte mittlerweile nur noch fünf Minuten an. Hastig trank Axel einen Liter Wasser. Er hätte auch ein paar Bier trinken können, um das fehlende Gewicht wieder zu bekommen, aber er wollte Jump nicht unter dem Einfluss von Drogen zelebrieren - auch nicht, wenn es genehmigte Drogen waren. Dann ging alles ganz schnell. er war noch ein paar Gramm zu leicht, aber so genau wollte er es nicht nehmen. Auf die paar Gramm würde es doch nicht ankommen, oder? Ein letztes Mal maß er den Tisch nach. Ein Meter. Stand er auch sicher auf den Büchern? Gut! "..schalten wir jetzt direkt nach Mainz, wo Professor Haberstein Jump auslösen wird.!" "Hier spricht Professor Haberstein. Wenn Sie zum Projekt Jump gehören, vergewissern Sie sich noch einmal, dass Sie sich in exakt einem Meter Höhe befinden. Bitte vergewissern Sie sich auch, dass in Ihrer Nähe nur ausgewiesene Teilnehmer des Projektes teilnehmen. Ach33
tung, sind Sie bereit? Noch zehn Sekunden! ...Fünf...vier...drei...zwei..eins...Jump!" Und Axel sprang. Aus einem Meter Höhe gerade auf die Erde. Er wusste, dass dies zur exakt gleichen Zeit Hundert Millionen Europäer ebenfalls taten. Sie sprangen an vorberechneten Orten zu Boden, und die kinetische Energie des Sprungimpulses so vieler Menschen sollte jetzt laut der Computeranalysen ausreichen, die Erde einen halben Meter vom herabstürzenden Satelliten abzurücken. Die erhöhte Flugbahn wiederum sollte den Satelliten soweit stabilisieren, dass seine Reserven noch einmal reichten, um den Atlantik zu erreichen. Wieder meldete sich der Professor. "Wir bekommen die ersten Meldungen herein. Demnach hat es funktioniert: Die Flugbahn wird den Satelliten wie vorgesehen bis über den Atlantik tragen. Dort kann er gefahrlos verglühen. Ansonsten kann ich alle Skeptiker beruhigen. Der kinetische Impuls des Jump hat die Erdkruste nicht deformiert, dank der genauen Rasterberechnungen unserer Computer. Die Energie des Jump hat sich bereits totgelaufen. Auch am Rheingraben ist alles ruhig. Es kam zu keinerlei Kontraktionen. Damit kann ich den ersten europäischen Jump als erfolgreich beendet melden!" Axel lachte leise. Es war schön, dabei gewesen zu sein, als er und hundert Millionen andere die Erde verrückt hatten...
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Dinosaurier auf dem Mars von Alfred Bekker
Knochenfunde auf dem Roten Planeten werfen die Frage auf: Wie kamen die Dinosaurier auf den Mars?
Brent stieg vorsichtig in das Loch an der Grabungsstelle hinein, was in dem klobigen Druckanzug gar nicht so einfach war. Sikorski folgte ihm. "Hier ist es also!" sagte Brent mit spöttischem Unterton. "Das Loch, das der Menschheit Aufschluss über die Frühgeschichte des Mars geben soll!" "Sie sind gestern mit dem Raumtransporter angekommen, nicht wahr?" fragte Sikorski. "Ja." "Geologe?" "Geologe und Paläontologe " "Dann haben Sie also Saurierknochen ausgegraben!" lachte Sikorski. "Stimmt!" murmelte Brent. Sikorski schien ziemlich redselig zu sein. "Haben Sie Fritz Malmgren schon kennen gelernt?" Brent nickte. "Sie meinen den Leiter der Marsstation? Ja, ich habe kurz mit ihm gesprochen." - "Nehmen Sie sich vor ihm in acht", warnte Sikorski. "In wie fern?" Brent wandte sich zu seinem Kollegen herum und sah, dass Sikorski grinste. "Malmgren ist eine wissenschaftliche Kapazität, deshalb hat man ihm auch die Leitung der Marsstation übergeben. Aber das hält ihn nicht davon ab, seine Mitarbeiter mit üblen Streichen zu traktieren." "So?" "Er soll bei Ausgrabungen in Palästina einem Kollegen eine Tontafel mit althebräischen Schriftzeichen in die Schicht gelegt haben, die dort eigentlich nicht hätte auftauchen dürfen. Der Kollege dachte schon an eine archäologische Sensation, bis er die Zeichen transkribiert hatte .." Sikorski brach ab und kicherte. "Was stand drauf?" fragte Brent. "Fritz was here." "Sehr witzig!" Brent gab die nächsten Tage auf den Leiter der Marsstation acht, aber entweder Sikorski hatte ihm ein Märchen erzählt, um einen Keil zwischen ihm und seinen Vorgesetzten zu treiben, oder Fritz Malmgren hatte seine Neigung inzwischen abgelegt. Die Marstage gingen mit der täglichen Arbeit dahin. Meter für Meter wurden die Bodenschichten auf ihre Beschaffenheit untersucht, um aus den Ergebnissen Rückschlüsse auf die geologische Entwicklung des Planeten ziehen zu können. Brent hatte zwar mit Sikorski zusammenzuarbeiten, aber er verstand sich nicht besonders gut mit ihm. Eine Wand schien zwischen den beiden Männern zu stehen. Brent hatte den Eindruck, dass Sikorski ihn, den Neuen auf der Station, als eine Art Eindringling und Konkurrenten sah. Ein Grund mehr, nichts auf das zu geben, was er über den Stationsleiter gesagt hatte, zumal dieser sich als äußerst umgänglich und kameradschaftlich erwies. Einige Wochen später war Brent dann einmal allein draußen bei der Ausgrabungsstelle, weil Sikorski sich nicht gut gefühlt hatte und vom Stationsarzt arbeitsunfähig geschrieben worden war. Brent machte seine Arbeit wie immer. Doch dann glaubte er plötzlich seinen Augen nicht zu trauen. Er holte etwas Längliches aus dem Marsgeröll, das etwa die Länge eines Menschenarms hatte. Ein Knochen! Die Erkenntnis traf Brent wie ein Schlag vor den Kopf... Einen solchen Knochen hatte er schon gesehen, da war er sich absolut sicher! Es war der 35
Knochen eines Dinosauriers! * Brent brachte den Knochen zur Marsstation, ohne dass er irgendwem davon erzählte. Er hatte eine Ahnung, wollte aber erst sichergehen, bevor er den anderen von seinem Fund berichtete. Brent setzte sich an den Computer, um in der Datenbank nachzuforschen Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, denn ständig gingen ihm die Konsequenzen durch den Kopf, die der Fund eines Saurierknochens auf dem Mars nach sich zogen. Als erstes war da natürlich die Frage, wie er hierher kam. Unwahrscheinlich, dass frühere Expeditionen ihn mitgebracht und dann mehrere Meter tief verscharrt hatten. Was, wenn es unter den urzeitlichen Reptilien intelligente Arten gegeben hatte? Vielleicht sogar so intelligent, dass sie in der Lage gewesen waren, Raumschiffe zu bauen und zum Mars zu fliegen? Warum eigentlich nicht? dachte Brent. Man hatte auch lange geglaubt, dass die Saurier Kaltblüter gewesen waren, was sich längst als Irrtum herausgestellt hatte. Warum sollte nicht auch die Meinung, nach der es sich bei den Urzeitriesen ausschließlich um kleinhirnige Dummköpfe gehandelt hatte, eines Tages revidiert werden? Brent gelang es schließlich, den Knochen zu identifizieren. Die Größenverhältnisse stimmten. Es gab kaum einen Zweifel! Brent betrachtete den Knochen noch einmal genau und begann, ihn zu säubern. Die Materialanalyse würde letzte Gewissheit geben. Dann tauchte unter dem feinen Staub plötzlich eine winzige Erhebung auf. Ein Schriftzug. Made in Taiwan. Wütend schaltete Brent den Computer ab. "Fritz!"
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Allein von Roland Roth
Roger Newton wird von Aliens auf einen fremden Planeten gebracht und erhält eine neue Chance.
Gedankenverloren saß Roger Newton in diesem kleinen, dunklen Kino. Der Film, den er sich aus Langeweile anschauen wollte, war ein Reinfall. Mein Gott, dachte er, jetzt wollte ich mir einen guten Film ansehen, um mir meine Langeweile zu vertreiben und dann so was. Außerdem ist es schon traurig, dass ich ganz allein ins Kino gehe, und dann sitzen hier gerade mal drei Leutchen herum. Den traurigen Streifen hätte ich mir ja sparen können. Als ob ich nicht schon deprimiert genug bin! Ja, Roger war deprimiert. Er wohnte allein, Freunde hatte er in dieser Stadt nicht, in der er aus beruflichen Gründen gezogen war. Der Job war auch nicht das, was er sich vorgestellt hatte. Dabei sah er im Grunde nicht schlecht aus, wie ihm manche Leute hin und wieder sagten. Seine blauen Augen und das kurze, dunkelblonde Haar passten recht gut zu seinem kleinen Schnurrbart, den er aus Faulheit wachsen lies. Er dachte nach, ohne auf den albernen Film zu achten: Es ist schon merkwürdig. Da ziehe ich in eine Großstadt, und muss allein ins Kino gehen. Wie habe ich nur die Möglichkeit, hier Leute kennen zu lernen? Mann, wäre ich nur nicht so schüchtern. Ich könnte mich ruhig mal unter die Leute trauen. Aber wohin?... Der Film war aus. Längst war der Nachspann durchgelaufen und er saß noch immer auf seinem Sessel, bis ihn die Aufsicht bat, zu gehen. Kaum draußen, verzogen sich seine Mundwinkel noch mehr. Scheiß Wetter, murmelte er und bezog sich somit auf den hässlichen Dauerregen, der seit Tagen auf die Straßen prasselte. Wenn ich nicht ins Kino gegangen wäre, würde ich jetzt nicht im Regen herumlatschen. Ich hätte mir ja auch einen Videofilm holen können und diesen mir in meiner gemütlichen Stube ansehen können. Vorher noch etwas vom Drive Inn geholt... Ach Quatsch! Genau das ist der falsche Weg! Ständig tue ich nur Sachen, die mich noch mehr in die Einsamkeit führen. Gibt es laut Statistik nicht genug Alleinstehende und Singles? Gehöre ich jetzt auch schon dazu? Irgendwie fehlt mir der Mumm. Wenn doch endlich mal etwas passieren würde, was mein Leben verändern würde. Muss man denn immer sein eigener Schicksals-Schmied sein? Langsam trippelte er noch immer gedankenverloren durch die Straßen Richtung Wohnung. Der Regen hörte nicht auf und drang langsam durch seinen dunklen Trenchcoat. Er verfluchte es, dass er keinen Regenschirm dabei hatte. Plötzlich hielt er inne. Ein Rauschen der Blätter nahestehender Bäume riss ihn aus seinen Gedanken. Das rauschen wurde immer stärker und herabgefallenes Laub begann in der Luft zu tanzen. Im nächsten Moment blitzte ein helles, durchdringendes Licht aus der Richtung der Bäume auf und plötzlich war da, wo vorher noch die Bäume standen, ein lodernder Feuerkranz, der sich um gleißendes Licht legte. Nun konnte er etwas in diesem Licht erkennen. Es schien so, als ob sich dahinter unendliche Weiten befanden. Er konnte Landschaften und Anzeichen einer Zivilisation erkennen und... Im gleichen Augenblick erfasste ihn ein immens starker Sog, der ihn durch den gleißend hellen Ring zog. Augenblicklich verlor er das Bewusstsein. 37
Roger wusste nicht, ob er Stunden oder nur Minuten ohne Bewusstsein war, aber als er die Augen aufschlug, erfassten seine Sinne eine futuristische und atemberaubende Welt. In ziemlicher Entfernung erkannte er eine Stadt, die mit gewaltigen Häuserblocks und unendlich viel Trubel ausgestattet war. Fast wie zu Hause, dachte er, wenn da nicht die fliegenden Gleiter und das völlig fremdartige Aussehen gewesen wären. Und eine Sekunde später sah er etwas, das ihn ganz sicher machte, nicht mehr auf der guten, alten Erde zu sein: Am Himmel thronten zwei Sonnen! Ich weiß zwar nicht, wie ich hierher gekommen bin und was das soll, aber so habe ich mir gewisse Veränderungen in meinem Leben nicht vorgestellt. Bin ich hier auf einem anderen Planeten oder in einer anderen Dimension? Oder beides? Seine Gedanken rasten, versuchten, eine nennenswerte Erklärung für den Vorfall zu finden, als er in nicht allzu weiter Entfernung eine Gruppe von Menschen ausmachen konnte, die sich mit zweisitzigen, motorradähnlichen Luftgleitern seiner Position näherten. Egal, was passiert, ich kann nur hoffen, dass sie friedlich gesinnt sind, denn sonst... Er konnte den Satz nicht aussprechen, da sprang ihm ein geifernder und mit einem altmodischen Rasiermesser bewaffneter Mann aus einem nahegelegenen Busch entgegen. "Und wenn sie mich diesmal erwischen, dich nehme ich noch mit ins Grab, du lächerlicher Mensch!" Der unbekannte Angreifer hatte dies kaum ausgesprochen, da fiel er auch schon über Roger her. Dann ging alles sehr schnell. Beim Rollen konnte sich Roger dank seiner kräftigen Statur von dem scheinbar Wahnsinnigen befreien, richtete sich fast zeitgleich mit dem Angreifer auf und trat ihm mit einem beherzten Fußtritt das Rasiermesser aus der Hand. Augenblicklich brüllte der finster und geisteskrank wirkende Mann seine Seele aus dem Leib und wollte sich vor Wut auf Roger stürzen, doch dieser wich etwas zurück und trat abermals zu. Diesmal traf er mit voller Wucht dessen Bauchgegend und gab ihm noch einen mit der geballten Faust eine ins Genick, woraufhin der Mann zu Boden sank. Roger drehte sich zu der Gruppe von Leuten herüber, die nun fast bei ihm waren. Er erkannte, dass sie mit hochmodern aussehenden Handwaffen ausgestattet waren, was ihm gar nicht gefiel. Plötzlich richtete die Person an der Spitze der Gruppe die Waffe in Rogers Richtung. Er schluckte. Sieht so aus, als ob ich einen gewaltigen Fehler gemacht habe. Na dann, adios, schnöde Welt. Seine Gedanken wurden von einem zischenden Energiestrahl unterbrochen, der ihn um Haaresbreite verfehlte. Als er sich umdrehte, sah er, dass ihn der Strahl gar nicht verfehlte. Der wahnsinnige Angreifer war gerade im Begriff, mit zerfetzter Brust vornüber zu fallen. Uups! Gab Roger etwas erleichtert von sich. Ziemlich guter Schuss... "Bitte haben Sie keine Angst! Die Gefahr ist vorüber. Wir haben Ihren Zweikampf beobachtet. Eine beachtliche Leistung, die Sie da gezeigt haben." "Reine Glückssache." Stammelte Roger hervor. Die Person, die den tödlichen Feuerstoß abgab und sich jetzt an Ihn gewandt hatte, war eine Frau, noch dazu eine in seinen Augen sehr hübsche ihrer Art. "Was ist hier eigentlich los und wo, zum Henker bin ich überhaupt?" Seine Frage richtete sich direkt an die hübsche Frau. "Sie sind auf dem Planeten HOPE - so haben wir ihn getauft - und sind durch einen Riss in der Raum-Zeit-Struktur auf diesem Planeten gelandet, wie wir alle hier." Sie zeigte in die Runde der Gruppe, die sich gemischt aus Männern und Frauen zusammensetzte. Alle machten einen sehr freundlichen, aber bestimmenden Eindruck. "Zudem haben Sie so mal ganz nebenbei mitgeholfen, den ihnen ganz sicher ebenfalls bekannten, vielgesuchten Jack the Ripper kaltzumachen. Gratuliere! Wir sind schon seit etlichen 38
Jahren auf der Suche nach ihm. Zuletzt waren wir ihm dicht auf den Fersen, da standen Sie ihm plötzlich im Weg. Sie scheinen ein Glückspilz zu sein, oder auch nicht. Wie man´s nimmt." Nach diesen Sätzen der jungen Lady verschlug es ihm fast den Verstand: "Bitte, was?!! Das war Jack the Ripper? Wollen Sie mich vergackeiern? Und welcher Planet ist das?" "HOPE, heißt er und wir vergackeiern Sie nicht. Netter Ausdruck." Sie wirkte sehr beruhigend auf Roger, was wohl auch an seiner Sympathie der Frau gegenüber lag. Immerhin schien sie ihn auch wohlwollend zu betrachten. Hatte er etwa Eindruck geschunden? Oh Mann, dachte er, in einem solchen Augenblick zu flirten. Er konzentrierte sich auf die Situation: "O.K., ich bin bereit, das alles hier zu glauben, aber erklären Sie mir bitte, was ich hier tue und weshalb Jack the Ripper hier war." Die Frau holte etwas Luft, was anzudeuten schien, dass Sie etwas ausholen musste: "Sie sind sehr neugierig, deshalb erzähle ich Ihnen schon mal im Gröbsten, weshalb Sie hier sind und was Sie erwartet: Sie wurden wie wir alle hier durch die bereits erwähnte Anomalie auf unseren Planeten befördert. Eine uns wohlgesonnene Spezies hat uns scheinbar ausgewählten und aus verschiedenen Zeitepochen stammenden Menschen hierher verfrachtet mit der Absicht, einen Neuanfang zu starten, der ohne die verheerende industrielle Entwicklung vonstatten gehen soll, wie er auf der Erde vorherrscht. Ansonsten können wir uns frei entfalten. Die fremde Spezies, die Sie auch noch kennen lernen werden, gibt uns hilfreiche Unterstützung in allen technologischen und ethischen Fragen. Sparen Sie sich die Frage, weshalb die Spezies diese Hilfe nicht der ganzen Erde angeboten hat. Laut deren Aussage hat sich in den letzten zweihundert Jahren ein unwandelbarer Faktor auf der Erde abgespielt, der leider eine Korrektur unmöglich macht. Außerdem sind Versuche dorthin von uneinsichtigen Staatsführern verschiedener Nationen vereitelt worden." Er fiel ihr ins Wort: "Und deshalb holen diese Fremden ausgewählte Menschen hierher, um es besser zu machen? Wie kommt dann der gute, alte Jack auf diesen Planeten?" "Er muss ein grober Schnitzer der Spezies gewesen sein, denn er führte hier nach kurzer Zeit sein grässliches Morden weiter, nachdem er auf der Erde spurlos verschwand. Sehen Sie, die Fremden, wie Sie sie nennen, wählten stets Personen aus, die nicht allzu sehr auffallen. So wird es auch keinen großen Wirbel machen, wenn Sie plötzlich nicht mehr da sind. Oder vermisst Sie jemand?" "Nein, nicht unbedingt. Na dann ist die Sache ja klar." Roger meinte dies eher scherzhaft. Das ganze Zeug musste erst mal verdaut werden. "Erzählen Sie mir kurz, weshalb Menschen aus verschiedenen Zeitepochen hierher geholt werden und wo hier ist." "Hier ist in einer dem unserem Universum parallelen Welt und die fremden Helfer scheinen die Möglichkeit zu besitzen, in die irdische Welt zu jeder beliebigen Zeitepoche vorzudringen. Soweit wir wissen, sind die hier bislang lebenden 2.000 Menschen aus den vergangenen zweihundert Erdenjahren entführt worden. Diese Wesen haben anscheinend die Fähigkeit, die ausgewählten Menschen zu beobachten und dann aus ihrer entsprechenden Zeit herauszuholen. Die sind so etwas wie Wächter des Kosmos, die dafür sorgen, dass die kosmischen Rassen erhalten bleiben. Aber genug mit den Plaudereien. Folgen Sie uns in die Stadt. Wenn ich Ihnen alles gezeigt habe, wird es Ihnen bestimmt leichter fallen, sich hier einzugewöhnen. Außerdem habe ich heute Abend noch nichts vor..." Uff! Ein Wink mit dem Zaunpfahl, dachte Roger. Und das alles auf einmal. Na ja. Dann lasse ich mal alles auf mich zukommen. Es gibt hier sicher jede Menge zu lernen und außerdem wird es wahnsinnig interessant werden, denke ich. 39
Seine zeit, in der er allein war und sich seine Gedanken machte, schienen vorbei zu sein. Hier wartete etwas Großes auf ihn. Er spürte es und war begierig darauf, es zu erfahren. Und das ohne Jack the Ripper. Den Brocken hatte er noch immer nicht geschluckt. Ende, vorerst.
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Das Geschenk der Marsianer von Alfred Bekker
Warum die Pathfinder-Mission der NASA auf dem Mars Vertrautes fand.
Die irdische Marssonde mit dem nicht gerade besonders fantasievollen Namen Pathfinder plumpste auf den Marsboden, und die sie von allen Seiten umgebenden Airbags verhinderten, dass diese Mission zum Roten Planeten schon nach wenigen Augenblicken ein unrühmliches Ende nahm. Das Einfahren der Airbags machte ein paar Probleme, aber die fantastischen Bilder, die dann ins Kontrollzentrum in Pasadena geschickt wurden, lösten Stürme der Begeisterung aus, obwohl sie eigentlich nur das zeigten, was man ohnehin erwartet hatte: eine Wüste aus rotem Staub und Steinen. Natürlich konnten sich Dutzende von Fernsehmoderatoren weltweit die Bemerkung nicht verkneifen, dass von den grünen Männchen weit und breit nichts zu sehen sei. Sie hielten sich für originell, aber nur deswegen, weil sie bei der ersten Mondlandung beim Gerede über den fehlenden Mann im Mond nicht richtig hingehört hatten. Als Landeplatz hatte man sich ein Gebiet ausgesucht, das aussah, als wären hier vor Äonen große Wassermassen hergeflossen. Doch dann geschah es. Das kleine ferngesteuerte Landefahrzeug der Sonde - Sojourner genannt - reagierte nicht auf die Befehle der Bodenstation. Im Kontrollzentrum gab es erst lange Gesichter und dann hektische Aktivität. Als dann der kleine Wagen plötzlich auf die Befehle von der Erde hörte, war man darüber so erleichtert, dass sich die Frage danach, aus welchem Grund es zuvor Problem gegeben hatte, leicht verdrängen ließ. Man hatte alles überprüft. Alles. Und nichts gefunden. Niemand auf der Erde wusste, was wirklich geschehen war... "Lass uns kurz mal die Verbindung dieses kleinen Vehikels zu seiner Heimatwelt kappen und einen Augenblick nachdenken, was wir tun sollen", meinte der eine Marsianer zum anderen. "Ich weiß nicht", erwiderte der andere unentschlossen. Aber der erste war entschlossen. "Doch, soviel Zeit muss sein, um die Lage zu analysieren. Schließlich kommt es ja nicht alle Tage vor, dass die von da drüben so ein Ding herüberschicken.. " "Wenn du meinst!" Und so geschah es. Die beiden Marsianer waren natürlich keine grünen Männchen, und Glupschaugen besaßen sie auch nicht. Sie hatten auch keine Tentakel oder andere abstoßende Attribute. Im Sinne der Erdenbewohner zählten sie vielleicht nicht einmal zu dem, was man dort Leben nannte und wonach man nun auf dem Mars suchte. Allerdings ein paar Milliarden Jahre zu spät, denn der rote Planet hatte sein Wasser und den größten Teil seiner Atmosphäre damals verloren. Aber das Leben war geblieben. Es hatte sich angepasst, so wie es das immer tut. Die Marsianer hatten ihre körperliche Existenz aufgegeben und waren zu Energiewesen mutiert. Von ihren Vorfahren würde man vielleicht noch Fossilien finden, sie selbst waren für die Erdlinge nichts weiter, als eine elektromagnetische Störung. "Sie suchen noch immer nach Leben hier", stellte der Erste fest, nachdem er seine Analyse abgeschlossen hatte. "Leben in ihrem Sinn natürlich." "Natürlich. " "Es ist seltsam. Sie brechen auf in das Unbekannte und hoffen doch nur darauf, das Bekannte zu finden..." "Ja, das ist paradox." "Überall suchen sie nach Ähnlichkeiten. Alles andere, was ihrem vorgefaßten Denkschema widerspricht, übersehen sie." "Man darf ihnen das nicht zum Vorwurf machen." 41
"Sicher. Sie sind nunmal so!" Hätten die beiden Marsianer Schultern gehabt, so hätten sie diese jetzt zweifellos gezuckt. So tauschten sie nur die entsprechenden Gedankenimpulse miteinander aus. Der erste Marsianer hatte dann eine Idee. "Warum tun wir ihnen nicht den Gefallen?" "Welchen?" fragte der andere. "Sie etwas Bekanntes finden zu lassen." Einem Gast einen Gefallen zu tun, hatte bei den Marsianern einen hohen kulturellen Stellenwert. In der Reihenfolge der ethischen Prioritäten stand es ganz oben. Es war also gewissermaßen eine Verpflichtung! "Gut", sagte daher der Erste (richtige Namen besaßen sie schon seit Jahrmilliarden nicht mehr). "Wir haben doch da noch diese beide Steinbrocken, die eine unserer Expeditionen einst von der Erde mitbrachte, damals in der finsteren Zeit der körperlichen Existenz, als unser Volk noch mit so primitiven Dingen wie Raumfahrt befaßte..." "Wir könnten die beiden Brocken gegen zwei andere austauschen, die ganz in der Nähe der Sonde liegen. So müssen sie darauf stoßen!" "Gut!" Es dauerte nicht lange und auf der Erde machten sensationelle Meldungen die Runde. Die beiden liebevoll Barnacle Bill und Yogi getauften Felsbrocken, die die auf dem Sojourner angebrachten Geräte analysierten, waren dem Erdgestein erstaunlich ähnlich! Viel ähnlicher, als man gedacht hatte...
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