STUDIEN ZUR GESCHICHTE UND KULTUR DES ALTERTUMS Neue Folge l. Reihe: Monographien Im Auftrag der Görres-Gesellschaft herausgegeben von HEINRICH CHANTRAINE, TONY HACKENS, HANS JüRGEN TSCHIEDEL U. ÜITO ZWIERLEIN
16. Band
Ferdinand Schöningh Paderbom · München · Wien · Zürich
•
STEFAN FREUND
Vergil •
lill
frühen Christentum Untersuchungen zu den Vergilzitaten bei Tertullian, Minucius Felix, Novatian, Cyprian und Amobius
2. Auflage 2003
Ferdinand Schöningh Paderborn · München · Wien ·Zürich
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die DeuL..che Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; derailliene bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrutbar.
Einbandgestalrung: Anna Braungan, Regensburg Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichte m und alterungsbeständigem Papier@ ISO 9706 2., korr. u. erw. Auflage 2003
© 2000 Ferdinand Schöningh. Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH, Jühenplatz I, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheben·echtlic h geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn ISBN 3-506-79066-8
Vorwort zur ersten Auflage Das vorliegende Buch ist die überarbeitete und gekürzte Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 1998/99 von der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt angenommen wurde. Wenn aus der für mich sehr lehrreichen und vergnüglichen Beschäftigung mit dem Gegenstand , wie zu hoffen, ein Erkenntnisgewinn erwachsen und in diesem Buch festgehalten ist, gebührt der Dank dafür einer Reihe von Menschen: Herr Prof. Dr. Hans J ürgen T schiedel, Eichstätt, regte die Entstehung der Arbeit an und förderte sie unermüdlich mit wissenschaftlicher und menschlicher Anteilnahme. Frau Prof. Dr. Antonie Wlosok, Mainz, zeigte von Anfang an freundliches Interesse an dem Projekt, begleitete engagiert die Arbeit mit entscheidenden Ratschlägen und scha rfsinniger Kritik, schließlich übernahm sie auch die Mühen des Korreferats. Herr Prof. Dr. Eberhard Heck, Tübingen, gab wichtige Hinweise und stellte freundlicherweise Material zur Verfügung, Herr Prof. Dr. Walter Kißel , Erlangen, ermöglichte die Präsentation und fruchtba re Diskussion des Projektes in einem Forschungskolloquium zur lntertextua Htät, Herr Prof. Dr. Peter Krafft, Eichstätt, leitete meine ersten Annäherungen an den Themenbereich an, Herr Prof. Dr. Jürgen Malitz, Eichstätt, gab vor a llem in der Anfangsphase wichtige Hilfestellungen. Herr Dr. Dietfried Krömer gewährte mir in sehr entgegenkommender Weise den Zugang zum Archiv des Thesaurus linguae Latinae. Herr Dr. Peter Grau und Herr Dr. Friedrich Heberlein, beide Eichstätt, standen mir stets mit sachkundiger Hilfsbereitscha ft und wohlwollendem Interesse bei. Unter den Freunden, welche die Arbeit durch Ermutigung, Diskussion und entsagungsvolles Korrekturlesen er- und mittrugen, seien Christian Albert M.A., Margit Glück, Dr. Peter Hefele, Klaus Meier, Christian Schöffel und Wolfram Zimek, vor allem aber Sr. M. Gratia Rotter und Wolfra m Schröttel genannt, dessen unerbittlicher Kritik ich viel verdanke. Während meines Promotionsstudiums erhielt ich über die Konrad- Adena uer- Stiftung ein Stipendium a us Bundesmitteln. Den Herausgebern dan ke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe 'Studien zur Geschichte und und ihrem Präsidenten Prof. Kultur des Altertums', der Görres-Gesellschaft .. Dr. Dr. mult. h.c. Paul Mika.t für die Obernahme der Druckkosten. Herr Pcter Zimmermann, Eichstätt, half mit großer Geduld und Sachkunde bei der Erstellung der Druckvorlage. Schwabach, Allerheiligen 1999
Stefan Fre und
Vorwort zur zweiten Auflage Es ist ein Grund zur Freude, wenn ein Buch dieser Art seine zweite Auflage erlebt, denn zum einen zeigt dies dem Verfasser und allen, ohne deren Beteilig ung die Arbeit nicht entstanden wäre und denen hier nochmals ausdrücklich gedankt sei, daß der behandelte Gegenstand tatsächlich auf das erhoffte Interesse gestoßen ist. Zum anderen bietet sich die Gelegenheit , Fehler zu korrigieren, neu Erschienenes einzuarbeiten und manches im Licht der Rezensionen 1 besser oder zumindest anders zu gestalten: 1. Bekannt gewordene Fehler und Errata wurden durchgehend beseitigt.
2. Seit 1999 erschienene einschlägige Forschungsliteratm wmde berücksichtigt. Hervorzuheben sind zwei materia!J·eiche Aufsätze von Renato Uglione über Tertullians Nutzung von Vergil (1999) und anderen Dichtern (2001), eine anregende Untersuchung von Christiane Ingremeau ü ber den Umgang d es Minucius Felix mit seinen Quellen ( 1999) sowie die grundlegenden Monographien von Anto ine Foucher über den Einfluß epischer Sprache in der lateinischen Historiographie (2000) und von Gerhard Müller über die Vergilzi ta te bei Augustinus (2003). 2 3. Den Anregungen der Rezensionen wurde im Rahmen des Mögüchen Rechnwlg getragen. Natürlich konnte nicht alles, woran berecht igte Kritik geäußert wurde, geändert werden. Insbesondere sollte das Buch etwas leserfreundücher gestaltet werden, nä mlich d urch
(a) Straffungen im Anmerkungsappa rat , (b) Erweiterungen der Stellenregister , .. (c) eine kri tische Uberprüfung der Einstufung und Interpreta tion einiger Zitate, was teil weise zu einer vertieften Begründung des bisherigen Sta ndpu nktes, teilweise zu Änderungen führ te.
Besonderer Dank hat an dieser Stelle allen Rezensentinnen und Rezensenten zu gelten , vor allem auch denjenigen, die mir noch über ihre Besprechungen hina us Hinweise und Material für Verbesserungen zukommen ließen: Herrn Prof. Dr. E berhard Heck, Tü bingen, Herrn Prof. Dr. Rarner Henke, Münster, Fta u Prof. Dr. Karla Pollma nn, St . Andrews, und Frau Dr. Gud run Schickler, Tübingen. Herr Peter Zimmerma nn vom Rechenzent rum der Katholischen Universität Eichstät t- Ingolstadt half wiederum sachkundig und geduldig bei Fragen zur Textvera rbeitu ng. Für dennoch verbliebene sowie neu hinzugekommene Fehler und Unzulänglichkeiten in der Da rstellu ng ist allein der Verfasser vera ntwortlich. Eichstätt, im Mal 2003 1
2
Stefan Fre und
F . C HAPOT, REAug 47 (2001 ) 370sq. ; P.V . COVA , Athenaeum NS 90 (2002) 667-669; J. F'l LEE, L EC 69 (2001) 209sq.; Therese F'UIIRER, M H 58 (2001) 246; J. GRUBER, Plekos 3 (2001 ) http:/ f www.plekos.uni-muenchen.de/200 1/ rfreund.ht ml ; E . H ECK, demnächst i m I JCT; R . HENKE, JbAC 44 { 2001) 207- 210; G .A . MÜLLER, T hLZ 127 (2002) 409411 ; Karla POLLMANN , ZAC 7 (2003} 167sq.; U lr ike RIEIIIER, KJio 84 (2002) 240sq.; Gudrun SCHICKLER, Gymnasiu m 109 (2002) 242- 244. Siehe Literaturverzeichnis, S. 423sqq.
Inhaltsverze ichnis Vorwort zur ersten A·ufiage . Vorwort zu1· zweiten Auflage .
4 •
•
•
0
•
•
•
•
•
•
•
•
•
0
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
0
•
•
•
•
•
•
0
•
•
•
0
•
•
•
•
•
•
0
•
•
I
Einleitung . . . . . . . .
1
Thematische Einordnung . .
1.1
Oie Anfänge cluistlicher Vergilrezeption
1.2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
•
•
5
11
•
11
•
11
15
•
Vorüberlegungen zur Methodik . .
21
2.1
Zu Begriff und Theorie des Zitates
21
2.2
Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit .
II
Ve7'-gil bei den einzelnen Autoren
1
Tertullian . . . . . .
1.1
Zur Forschungslage .
1. 2
Oie Vergilzitate . . .
41
1.2.1
Apologetische Schriften
41
1.2.2
Antihäretisch- dog matische Schriften
1.2.3
Praktisch- asketische Schriften
1.3
Exkurs: Oie namentUchen Erwähnungen von Vergil , Aeneas . und Oido •
78
1.3.1
Vergil .
78
1. 3. 2
Aeneas
80
1.3.3
Oido . .
85
1.4
Auswert ung .
90
1.4.1
Oie Zitatsegmente: Formen und Veränderungen .
1.4.2
Oie Zitate im Folgetext: Verteilu ng und Position
94
1.4.3
Oie Zitate im Prätex t: Herku nft und Thematik
97
1.4.4
Vergil bei Tertullian: Funkt ion w1d Bewertung
98
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
24
•
•
•
•
•
•
•
0
32 32
•
62
•
73
. . .
•
.•
32
•
•
90
8
lnh al tsverzeich nis
101
2
Minucius Felix . . .
2. 1
Zur Forschungslage .
2.2
Die Vergilzitate .
2.3
Auswert ung . . . .
2.3.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränder ungen .
169
2.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
176
2.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik .
183
2.3.4
Vergil bei Minucius Felix: Funktion und Bewertung
184
3
Novatian . . . . . .
3.1
Zur Forschungslage .
3.2
Die Vergilzitate .
3.3
Auswertung . . .
3.3.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen .
3.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Posit ion
3.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
211
3.3.4
Vergil bei Novatian: Funktion und Bewertung .
212
4
Cyprian . . . . . . .
4.1
Zur Forschungslage .
4.2
Die Vergilzitate .
4.2.1
Briefe . . . . . .
.
218
4.2.2
Apo logetische Schriften
.
219
4.2.3
Biblische Testimonien, pastora le und ekklesiologische Schriften
4.3
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen .
249
4.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Posit ion
251
4.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und T hematik
4.3.4
Vergil bei Cyprian: Funkt ion und Bewertung
5
Amobius . . . . . .
5.1
Zur Forschungslage .
5.2
Die Vergilzitate . . . .
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
193
•
•
•
•
•
208
•
•
208 210
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
218
236
•
252
•
253 256
•
•
•
. 249
•
•
215 215
•
•
192 192
•
•
114 169
•
•
•
•
•
•
•
101
•
256 265
Inhaltsverzeichnis
9
.
5.3
Auswertung . . .
. . . . . . . . . . . . . .
333
5.3.1
Die Zitatseg mente: Formen und Veränderungen .
333
5.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Posit ion
•
5.3.3
Die Zitate im Prätext: He rkunft und Thema tik
•
5.3.4
Vergil bei Arnobius: Funktion und Bewer t ung .
III
Zusammen schau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
1
Linien der Individ·u alität -
1.1
Tertullian . ..
1.2
Minucius Felix
1.3
Novatian und Cypria n
1.4
Arnobius
2
Linien der K ontinu.ität -
2.1
Die Zitatsegme nte: Form und Ver ä nderungen . .
347
2.2
Die Zita t e im Folgetext: Ve rteilung und Posit ion
350
2.3
Die Zitate im Prätext : He rkunft und Them atik .
350
2.4
Ve rgil bei de n erste n chris tliche n Autoren: Funktion und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
3
Entwicklungslinien - Versuch eine1· abschließenden Z·u sammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
IV
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Ausgeschieden e P arallelen .
1.1
Tertullia n . . .
1.2
Minucius Felix
1.3
Novatian
1.4
Cyprian .
1.5
Arnobius
. . .
. 336 •
337 339
Versuche einer Einzelcharakteristik 343 343 •
344
•
•
345
•
. . . . . . .
345
Vers·uch ein er Gesamtauswertung .
. .
.. .
. .
34 7
. . 362 362 362
•
370
373
•
•
•
382 385
10
Inhaltsverzeichnjs
389
2
Stellenregister .
2.1
Vergil . .
389
2.2
Arnobius
401
2.3
Cyprian
2.4
Minucius Felix
2.5
Novatian
2.6
Tertullian
3
Literaturverzeichnis .
3.1
Ausgaben und Kommentare .
3.2
Konkordanzen, Lexika und Handbücher
3.3
Einzelliteratur .
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
.
•
•
•
•
•
•
•
•
.
•
.
•
•
•
.
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
410
•
•
•
•
•
405 407
•
•
•
•
•
411
•
414
•
•
•
•
•
•
•
414 421 423
Teil I
Einleitung 1
Thematische Einordnung
Die vorliegende Arbeit besteht in ihTem Kern a us der Untersuchung von ungefähr 200 Vergilzitaten aus der christlichen lateinischen Literatur der vorkonstantinischen Zeit, genauer gesagt a us den J ahren 197 bis etwa 310. Bei den meisten dieser Zitate aber wird Vergil nicht wörtlich wiedergegeben. Vielmehr liegen oft nur Textberührungen vor. Auf den ersten Blick mag daher der Eindruck einer über stilistische Fragen kaum hinausreichenden Detailinterpretation entstehen. In ihrer Gesamtheit bet rachtet weisen die Vergilbezüge jedoch weit über die Einzelstelle hina us. Zum einen nämlich zeichnet sich darin der Beginn der W irkungsgeschichte Vergils im Christentum ab. Was in den Zitaten sichtbar wird, ist also der Anfang eines Prozesses der Auseinandersetzung und Aneignung, der Literatur und Denken der Spätantike und des Mittelalters in entscheidender Weise geprägt hat . Zum anderen repräsentiert Vergil römisches Selbstverständnis und römische Kult m in solchem Maße, daß der Umgang mit ihm z ugleich als ein Paradigma für die Auseinandersetzung des frühen Christentums in der lateinischen Welt mit der röm ischen Kultu r insgesamt gelten kann . Diese beiden Aspekte beschreiben den t hematischen Rahmen der vorliegenden Arbeit und stellen gewissermaßen das obiectum m ateriale der Untersuchungen an den Vergilzitaten dar.
1.1
Die Anfänge christlicher Verg ilrezeption
In der Forschungsdiskussion über die christliche Vergilrezeption 1 in der Antike zeichnen sich deutlich zwei Schwerpunkte ab: zum einen die messianische Deut ung der vierten Ekloge durch Kaiser Konstantin und zum anderen die zwar teils kontroverse, jedenfaJls aber umfangreiche Aufnahme Vergils bei den Kirchenschriftstellern des vierten und fünften Jahrhunderts.2 Die 1
2
Zur Vergilrezeption im Überblick noch immer 0 . COMPARETTI, Virgilio nel medioevo, Fire nze 1895 2 ( Neuausgabe von G. PASQUALJ, Firenze 19432 ; de utsch von H. DüTSCHKE, Leipzig 1875; englisch von E.F.M. B ENECKE, Vergil io the Middle Ages, London 1908, ND 1966). Bei W . SUER.BAUM , Hundert Jahre Vergii- Fo rschung: Eine systematische Arbeitsbibliographie mit besonderer Berücksichtigung der Aeneis, ANRW U 31,1 (1980) 2- 358, dominiert z um Problemfeld ' Vergil im C hristentum' (312- 315; ähnlich ders. , 'Vergilius', D P 12/2 [2003] 53), obwo hl nur in Auswahl berücksichtigt, die Literatur übet· die vierte Ekloge; seitdem etwa G. RADKE , D ie Deutung der 4. Ekloge Vergils durch Kaiser
12
l. l
T hematische Eino rd nung
Vorgeschichte der Aneignung Vergils durch d as C hristentum in Spätantike und Mittelalter hingegen findet kaum Beachtung. Obwohl sich in der Rückschau der Umgang der ersten christlichen Autoren mit Vergil als Beginn einer entscheidenden Entwicklungslinie in der emopäischen Geistesgeschichte erweist, berücksichtigen die Gesamtdarstellungen zur W iTkungsgeschichte Vergils im Christentum die vorkonst ant inlsche Epoche nur a m Rande. 1 Es sind aber a uch nur wenige Einzeluntersuchungen, die sich mlt diesem Zeit raum beschäftigen: Die Arbeit von B üRNER2 kommt über den Charakter einer Materialsammlung nicht hinaus und enthält vieles Ungeprüfte und bloß Assoziierte. Immerhin knappe Darstellungen bieten in jüngerer Zeit Art ikel in der Enciclopedia Virgiliana zu den ersten Latini Christiani.3 Ausdrücklich hat bislang überhaupt nur ein Beltrag4 von H ECK den Bogen der Entwicklung
1
2
3
4
Konstantin, in: R. CHEVALLIER (ed.), Presence de Virgile, Paris 1979, 147- 174; Autonie WLOSOK, Zwei Beispiele frühchristlicher 'Vergilrezeption': Po lemik (Lact., div. inst.. 5,10} und Usurpation (Or. Const. 19--21) , in: dies., Res humanae - res divinae. Kleine Schriften, Heidelberg 1990, 437-459, erstmals in: 2000 Ja hre Vergil. Ein Symposion, hg. v. V. P öSCHL, Wiesbaden 1983, 63-86, v.a. 444-455. - Be i den Untersuchungen zur Vergilrezeption einzelner christlicher Autoren nehmen in SUER.BAUMs Bibliographie (cf. 329--334} Kirchenväter wie Ambrosius, Hieronymus, Paulinus von Nola und Augustinus - zu diesem anregend miteinem bemerkenswerten biographischen Ansatz Sabine MACCORMACK, T he Shadows of Poet ry. Vergil in t he Mind of Augustine, Berkley et al. 1998, und jüngst umfassend G.A. MÜLLER, Formen und Funktionen der Vergilzitate und -anspielungen bei Augustin von Hippo, Paderborn 2003 - den meisten Raum ein. Sie werden weder bei COMPARETTI noch, um ein Beispiel aus der neuesten Literatur zu nennen, in den Beiträgen zur Nachwirkung Vergi ls im von C. MARTINDALE herausgegebenen Garnbridge Companion to Virgil, Garnbridge 1997, zusammenhä ngend behandelt; ähnliches gilt etwa a uch für K. BüCHNERs RE-Artike l (VIII A,l !1955, Sonderdruck München 19783 ] hier 444) und A. CERESA- GASTALOO, 'Cristianesimo', EV L (1984) 934- 937. Zwei von etwa 25 Seiten seines skizzenhaften Gesamtüberblicks widmet den Auto ren der vorkonstantinischen Zeit E . GALLICET, Vergil in der christlichen Welt der ersten Jahrhunderte, in: Vergilius Romanus. Codex Vaticanus Latinus 3867 !FaksimileausgabeJ. Kommentarband , Zürich 1986, 196-232. Vor a llem eine Materialsammlung zu den Vergilzitaten aus dem sechsten Aeneisbuch bietet P. COURCELLE, Les peres de l'eglise devant les enfers virgiliens, AHDL 22 (1955) 5-74; auf die gesamte • Aeneis erweitert: Lecteurs pa'iens et chretiens de l'Eneide, Paris 1984. - Noch weniger Aufmerksamkeit schenken der Wirkung Vergils die Untersuchungen zur Auseinandersetzung der C hristen mit der paganen Literatur im a llgemeinen, etwa G. ELLSPERMANN , 'fhe Attitude of Early C hristian Latin Writers toward Pagan Literature and Learning , Washington 1949; H. HAGENOAHL, Latin Fathers and tbe C lassics , Cöteborg 1958; W . KRA USE, Die Stellung der frühchristlichen Autoren zur heidnischen Literatur, Wien 1958; H. HACENOAHL, Von Tertullian zu Cassiodor . Die profane literarische Tradition in dem lateinischen christlichen Schrifttum, Göteborg 1982. In einem umfangreichen Forschungsber icht zur frühen christlichen Latinität für die Jahre 1975 bis 1994 sind gerade drei Titel zum Stichwort 'Vergil' verzeichnet (BRAUN Chronica Tertullianea et Cyprianea 628, stat t 'SC, 26' ist 'SC, 29' zu lesen). G . BüRNER, Vergils Einfluß bei den Kirchenschriftstellern d er vornizänischen Periode, Diss. Erlangen 1902 C. CU RTI, 'Ar nobio', EV l ( 1984) 372sq. ; Maria Cra.zia f\IARA , 'Cipriano', EV 1 (1984} , 790sq.; S. P RICOCO, ' Minucio Felice', EV 3 ( 1987) 537; C. TIBILETTI, 'Tertulliano', EV 5 {1990) 14o-142. E. HECK, Vestrum est - poeta noster. Von d er Geringschätzung Vergils zu seiner Aneignung in der frühchristlichen lateinischen Apo logetik, MH 47 (1990) 102- 120.
l.l. l
Die Anfänge cluistlicher VergiJrezeption
13
"von der Geringschätzung Vergils zu seiner Aneignung in der früh chr istlichen latein ischen Apologetik" bis einschließlich Laktanz nachgezeichnet. Da her richtet sich das Augenmerk gezielt auf die Autoren der vorkonstant in ischen Zeit . Als Repräsentanten dieser ersten Phase der christlichen Latinität sollen Tert ullian, Minucius Felix, Novatian, Cyprian und Arnobius untersucht werden. Nicht berücksichtigt werden hingegen der erste christliche Dichter Commodian, den die neuere Forschung in die Mitte des dritten J ahrhunderts datiert, 1 die Pseudocyprianea aus Cyprians Zeit und Laktanz. Commodian bleibt außer acht , da er die poetische Form gewählt hat. Indem er nämlich Dichtung in lateinischer Sprache abfaßt - mag er dies a uch in auffälliger Ku nstlosigkeit t un - , stehen seine Vergilzitate unter formalen Bedingungen, die weniger mit denen der zeitgenössischen Prosaiker als vielmehr mit denen späterer christlicher Dichter zu vergleichen sind. 2 Die Auswertung der pseudo-cyprianischen Schr iften aus der Zeit Cyprians3 würde zwar die empirische Basis der Untersuchung erweitern , brächte zum einen a ber qualitativ kaum Neues und trüge zum anderen wenig zu einer Profliierung der Darstellu ng bei, da hinter den kurzen Werken unsicherer Herkunft kaum Autorenpersönlichkeiten faßbar sind, um deren Verhält nis zu Vergil es letztlich geht. Schließlich endet die Reihe der Autoren mit Arnobius und bezieht dessen Schüler Laktanz4 nicht mehr mit ein, da er schon der folgenden Epoche zuzurechnen ist: Während erstens Arnobi us stilistisch noch unter dem Einfl uß der Zweiten Sophistik steht und eher neben Apuleius und Tert ullian einzureihen ist, gehört Laktanz bereits dem von Nemesian angestoßenen Klassizismus zu, der 284 den Neubeginn paganer lateinischer Literatur nach j ahrzehntelangem Verstummen markiert. 5 Zweitens steht Laktanz auch in seinem Umgang mit Cf. E. HECK HLL 4 ( 1997) §498. 2 Insbesondere die Eutscheidung zur Verwendung einer Vergilreferenz bei Dichtern und bei Prosaikern wäre kaum systematisch zu vergleichen: Während nämlich der Dichter mit der Wa hl der Form sich bereits in die dichterische Thadition und somit in die Nachfolge Vergils begibt, ohne daß dem Einzelzitat eine besondere Aussagekra ft zukä me, kann der Prosaiker zum einen die Entscheidung für oder gegen ein Zitat im Einzelfa ll treffen und zum a nderen ausdrücklich über d as Zitat reflektieren, was in poetischen Texten nur ausnahmsweise möglich ist. - Die Rolle Vergils bei Commodian stellt HECK ( Vestrum est 112- 117) zusammenfassend dar; allgemein zur Auseinandersetzung mit den paganen poetae in der christlichen Dichtung P.- A. DEPROOST, Ficta et fa cta. La condamnation du 'mensonge des poetes ' dans Ia poesie latine cbretienne, REAug 44 (1998) 101- 121. 3 Cf. J . Do tC NON HLL 4 (1997) §480. l. 2.3. Hervorgehoben sei darunter die Predigt de laude martyrii, in der sich deutliche Spuren vergilischen Einflusses finden , daz u A. HARNACK, Eine bisher nicht erkannte Schrift Novatian 's vom Jahre 249/ 50 !'Cyprian ' de laude martyrit], TU l3,4b, Leipzig 1895 (Vergilreminiszenzen a ls Argument fUr die Verfasserschaft Novatians); BüR.NER 31 - 36. Die Schrift quod idola dii non sunt mit ihren zahlre ichen Vergilzitaten gehört ins 4 . .Ja hrhundert, cf. Antonie Wlosok, HLL 4 ( 1997) 583sq. 4 Cf. Antonie WLOSOK, HLL 5 (1989) §570. & Zur Phaseneinteilung der lat.einischen Literatur in der Spätantike R. HERZOG, HLL 5 (1989) §500, v.a.. 3G-32; zum Klassizismus des Laktanz in der f'olge des Nemesian L
14
LI
Thematische
Einordnung
Vergil am Anfang einer ne uen Phase. Sein a pologetisches Programm, das er in ausdrücklicher Abgrenzung von den früheren Christiani Latini entwickelt , deren Vorgehen er als zu esoterisch empfindet, 1 zielt darauf ab, den christlichen Glauben in die Sprache und Vorstellungswelt seiner gebildeten paganen Leser zu übertragen 2 . Das schlägt sich sowohl in seiner neuen Technik des wörtlichen3 und umfangreichen4 Zitierens als auch in einer neuen Qualität der Auseinandersetzung mit Vergil nieder: Konstantins christliche Deut ung der vierten Ekloge zeigt zahlreiche Einflüsse des von ihm zum Prinzenerzieher berufenen Laktanz. 5 Drittens erlebt Laktanz zwar selbst am Hof des Diokletia n den Beginn der letzten Verfolgungsphase im J ahre 303, durch deren Erleben das apologetische Programm der divinae institutiones noch geprägt wird , sein literarisches Schaffen umgreift aber auch schon die Phase des Umschwungs der kaiserlichen Religionspolitik unter Konstantin. Im Mittelpunkt stehen sollen also, positiv formuliert, diejenigen Autorenpersönlichkeiten der Anfangszeit, welche die gedankliche und die sprachlichliterarische Entwicklung des lateinischen C hristentums und seiner Kunstprosa in wesentlichen Zügen repräsentieren und bestimmen. Ausgehend von dieser t hematischen Grund lage ergibt sich für die folgende Untersuchung zum einen die Frage, welche Anstöße die ersten christlichen Autoren für die weitere Wirkungsgeschichte Vergils und für seine Aneignung durch das Christentum geben, und zum a nderen, wie sich die christliche VerWLOSOK H LL 5 (1989) 380. 1 Cf. La.ct. inst. 5,1 ,21. 2 Cf. WLOSOK HLL 5 (1989) 386. 3 Cf. H . HAGENDAHL, Methods of C itation in Post- C lassical Latin Prose, Eranos 45 ( 194 7) 114- 128. 1 ' Überblick im Index auctorum ( hier 266- 268) in der Gesamtausgabe von S. BRANOT, Wien 1893, CSEL 27; cf. L.J. SwJFT, Arnobius and Lactantius: Two Views of Pa.gan Poets 1 TAPhA 96 {1965) 439-448; E. MESSMER, Laktanz und die Dichtung, Diss. München 1974, i.n sbesondere 121- 126; A. GouLON, Les citations des poetes tatins d ans l'oouvre de Lactance, in: J. FONTAINE (ed.), Lactance et son temps, Paris 1978, 107156; P. MONAT, Lactance et Ia bible, Paris 1978, I 55-61; R.M . OGILVJE, The Library of Lactant ius, Oxford 1978, v.a.. 7- 19; V. B UCHHEIT, Goldene Zeit und Paradies auf Erden (Lactanz, inst. 5,5-8) , WJA NF 4 (1978) 161- 185 & 5 (1979) 219-239; L. F ERR.ERES, PresEmcia de Virgili a Lactanci , in: Studia virgiliana. Sodetat espanyola d 'estudios classics, Actes del Vle simposi, Barcelona 1983, 147- 152; WLOSOK Zwei Beispiele 437-44.4; R.M. ÜGILVtE, Vergil and Lactantius, in: Atti del coovegno mondiale scientifico di studi su Virgilio, Mil.a no 1984 , I 263-268; T . AOAMIK, Die FUnktion der Vergilzitate in La.ktanz' de mortibus persecutorum, AAASzeged 25 (1984) 85-95; GALLICET Vergi.l 198sq.; P. MONAT, ' Lattanzio', EV 3 (1987) 137sq. ; E . H ECK, Laktanz und die Klassiker, Philologus 132 (1988) 16G-l79; H ECK Vestrum est 117- 120; J. BR.YCE, The Library of Lactantius, New York / London 1990, 276-314; V. BUCHHE!T, Cicero inspira.tus - Vergiüus propheta? Zur Wertung paganer Autoren bei Laktanz, Hermes 118 ( 1990) 357- 372, v.a . 368- 372; ders. , Vergil als Zeuge der natUrlie hen Gotteserkenntnis bei Minucius Felix und Laktanz, RhM 139 ( 1996) 254- 259; demnächst eine TUbinger Dissertation von Gesine BECHTLOFF. 5 Dazu etwa WLOSOK Zwei Beispiele 454; GALLlCET Veryil 198; B. BLECKMANN, Ein Kaiser als Prediger: Zur Datier ung der Konstantiniscben "Rede an die Versammlung der Heiligen ", Hermes 125 ( 1997) 183- 202, v .a. 185 Anm. 12.
1.1.2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
15
gilrezeption innerhalb des untersuchten Textcorpus, also während des dritten und frühen vierten J ahrhunderts, entwickelt hat.
1.2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
Die Vergilzitate bei den ersten christlichen Autoren sind nicht nur als der Beginn christlicher Vergilrezeption von Interesse, sondern auch wegen ihres exemplarischen Charakters. Denn der Dichter repräsentiert in wesentlichen Aspekten die pagane Kultm und Umwelt, mit der sich die Christiani Latini konfrontiert sehen. Die Vergilzitate stellen daher konkrete Berührungspunkte in der Auseinandersetzung von Antike und Christentum dar. 1 Das wird an den folgenden vier Aspekten deutlich: 1. Veryil als Schulklassiker
Im Kaiserreich ist Vergil der wichtigste Klassiker im Kanon der schulischen Lektüre und Gegenstand des Unterrichts in allen Ausbildungsstufen: Der grammaticus erklä rt den Dichter, beim 1·hetor spielt die Schulung an Vergil eine wesentliche Rolle, a uch die wissenschaftliche Philologie setzt sich mit ihm auseinander. 2 Es spiegelt sich daher zum einen im Umgang der christlichen Autorenmit Vergilderen Haltung gegenüber paganer Rhetorik und Bildung wider. Einerseits sind sie selbst in ihrer rhetorischen Ausbildung an Vergil geschult, andererseits stehen sie als Christen der heidnischen Kunst der Verführung durch Sprache a blehnend gegenüber.3 Zum a nderen ist Vergil a uch fü r die Leserschaft der Christiani Latini 1
2
3
G rundsätzlich dazu etwa 0 . GJGON, Die a ntike Kultur und das C hristentum, G titersloh 1969 2 ; C. A NDitESEN, ' Antike und C hristentum ', TRE 3 ( 1978) 50-99; C. GNILKA. Der Begriff des rechten Gebrauchs. Xpijot ~ . Die M ethode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kul tur I , Basel/ St uttgart 1984 ; ders., Kultur und Conversion . Xpi'jot~ . Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit d er antiken Kul t w· Il , Basel / Stuttgart l993; zu GNILKAs Konzeption aber MüLLER Ver·gilz'itate 34- 39. Cf. H. ORTH, The Use of Poetry in t he 'n'ai.ning or t he Ancient Orator, 'n'aditio 8 (1952) 1- 33; H.- 1. i\IARROll , Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, Freiburg / Mtinchen 1957 (Original: Histoire de l 'ed ucation dans l 'ant.iquite, Paris 19553 ), v.a. 401--4 12; R. KASTER, G uardians o f Language: the Grammarian and Society in Late Antiquit.y. Berkeley 1988, v.a. 169- 196; J . C HRISTES, 'Er ziehung', DN P 4 (1998) ll ü- 120. Zur entsprechenden Stellung Homers R .F. HOCK, Homer in Greco-Roman Education, in: D .R. t-.l ACD ONA J. D (ed.), Mimesis and lnt.ertextuality in Antiquit.y and C hristianity, Harr isburg 2001 , 56-77 (mit Forschungsüberblick ). Dazu grundlegend P.G. VAN DER NAT, Zu d en Voraussetzungen der christlichen lateinischen Literat ur: Die Zeugnisse von Minucius Felix und La.ktanz, in : Ch ristianisme et formes litteraires de l 'antiquite tardive en occident, E ntretiens Fo ndation H ardt. 2.3, Vandceuvres / Ceneve 1976, 191- 234, v.a. 211 sq.; zum Umgang mit der Rhetorik im besonderen etwa A .F . MEMOLI, Diversi ta di posizioni e apparenti incoerenze degli scrittori latini cristiani di fronte alla eloquentia classica, Aevum 43 (1969) 114- 143; A . AI..BERTE, Actitud de los crist.ianos ante Ia ret6rica, Fort.unatae 1 ( 1991 ) 133-142; detailliert am Beispiel des Arnobius A . VJCIANO, Ret6rica, filosofia y grarmitica. en el ' Aduersus nationes' de A rnobio de Sicca, Frankfurt am Main et al. 1993.
16
1.1
Thematische Einordnung
in vorkonstantinischer Zeit von zunehmender Bedeutung. Da nämlich das Christentum im Verlauf des dritten Jahrhunderts immer mehr Anhänger gewinnt 1 und immer mehr - vor allem in Nordafrika, woher Tertullian , Minucius Felix, Cyprian und Arnobius stammen - in die höheren Schichten vordringt, 2 nimmt die Zahl derjenigen unter den Lesern christlicher Literatur zu, die aufgrund ihrer höheren Bildung mit Vergil vertraut sind und daher seine Benutzung nach paganem Vorbild zu schätzen wissen oder auch erwarten. Das gilt zum einen im Hinblick auf die Auseinandersetzung nach außen in Protreptik und Apologetik, die sich nun an die gebildete pagane Oberschicht richtet. 3 Zum anderen aber steigt mit dieser Ausbreitung des Christentums auch der Bildungsstand innerha lb der christlichen Gemeinden. 4 2. Vergil als Nationaldichter
Daß unter den Holztäfelchen, die sich bei Ausgrabungen in dem in Schottland gelegenen römischen Militärstützpunkt Vindolanda fanden, eines e inen Aeneisvers enthält,5 illustriert nicht nur die Bekanntheit des Schula utors Vergil sogar an den äußersten Grenzen des Imperiums, sondern deutet zugleich seine Rolle als Repräsentant des Römerturns
•
1
2
3
4
5
Durch die relat iv kurzen Verfolgungsphasen unter den Kaisern Decius {2-491250) und Valerian (257 - 259) wird das Wachstum des C hristentums nicht nachhaltig eingeschränkt, cf . HKG(J) I 260. Dazu allgemein W . EcK, Das Eindringen des C hristentums in d en Senatorenst and bis zu Konstantindem G roßen , C blron 1 (1971 ) 381-406; A.H .M. J ONES, Der soziale Hintergrund des Ka mpfes zw ischen Heidentum und C hristentum, in: R. KLEIN (Hg.), Das Crübe C hristent um im römischen Staat, Darmstadt 1982, 337- 363, erstmals: The Social Background of the Struggle between Paganism and C hristianity, in: The GonRiet between Pa.ganism a.nd C hristianity in t he Fourth Century, ed. by A. MOMICLIA NO, Oxford 1963, 17- 37; VAN DER NAT 191- 197; W . WtSCHMEYER, Von Golgatha zum Ponte Molle. Studie n zur Sozialgeschichte der Kirche im dritten Jahrhundert, Göttingen 1992, v .a. 63-90; C. MARKSCHIES, Zwischen den Welten wandern. Strukturen des antiken Christentums , Frankfurt am Main 1997, v.a. 53-68. - Insbesondere zeigt G . SCHÖLLGEN, Ecclesia sordida '? Zur Frage d er sozialen Schichtung fTiihchr istlicher Gemeinden am Beispiel Karthagos zur Zeit T ert ulUans, Münster 1984, daß sich cüe Gemeinde Karthagos schon in den ersten J ahrzehnt.e n des dritten J a hrhunderts aus a llen Schichten zusammensetzt und die Angehörigen der untersten Schicht nur in geringem Maße vertreten sind. Zur intellekt ueHen Auseinandersetzung mit dem C hristentum grundsätzlich W . NESTLE, Die Ha upte inwände d es antiken Denkens gegen das Christentum, in: J . MARTIN I Barbara. QUlNT, C hristentum und antike Gesellschaft, Darmstadt 1990, 17- 80, erstmals in: W. NESTLE, Untersuchungen zur Religion , Dichtung und Philosophie der Griechen , Stuttgart 1948, 597-660; J . WALSH I G. GOTTLIEB, Zur C hristenfrage im zweiten J a hrhundert , in : G . GOTTLIEB I P. BARCELO (Hg .), C hristen und Heiden in Staat und Gesellschaft des zweiten bis vierten J a hrhunderts, München 1992, 3-86. So beispielsweise die Märty rerin Perpetua (t7.3. 202 oder 203) , dazu P. MCK ECHNIE, St. Perpetua and Roman Educati.on in A.D. 200, AC 63 ( 1994) 279-291 ; zum theologischeil Bildungsstand in der karthagiscl1en Gemeinde zur Zeit Tertullians SCHÖLLCEN 270286; siehe unten 88 Anm. 5. Verg. Aen. 9,473, wobl eine Scbulübung, cf. A.K. B ow~tAN I J .D. T HOMAS, T he V ind ol.a.nda Writing- Tablets, London 1994, 65-67 (Nr. 118). Für den Hinweis danke ich Herrn StR Wo lfram SCHRÖTTEL, Scheinfeld.
I. l .2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
17
an: Insbesondere am Nationalepos Aeneis konstituiert sich römische Identität. 1 Das bedeutet freilich, daß in der Auseinandersetzung der Christen mit dem römischen Staat, vor allem in der Zeit der Verfolgungen und Repressionen,2 Vergil immer a uch als Dichter eines religiös begründeten römischen Herrschaftsanspruchs zu sehen ist. Das Verhältnis der Christen zum römischen Staat spiegelt sich also in ihrem Umgang mit Vergil , umgekehrt steht ihTe Vergilrezeption stets unter dem Vorzeichen der ideologischen Vereinnahmung des Dichters. 3. Vergil als Theologe
Vergil stellt in seinem Werk römische religio in konstitutiver Weise dar. Er verleiht älteren religiösen und theologischen Konzepten, nicht zuletzt der Unterweltsvorstellung, ihre klassische Ausprägung und gültige Begrifflicbkeit. 3 Überall dort also, wo sich .. die Christen mit den traditionellen religiösen Empfindungen und Uberzeugungen , von denen sie auch selbst geprägt sind , kritisch oder durch d ie Anknüpfung an Analoges a useinandersetzen , ist mit dem Einfluß Vergils zu rechnen. Umgekehrt muß jede christliche Annäherung an den Dichter unter dem Vorzeichen seiner Ansprüche und seiner Rezeption im römischen Verständnis von religio stehen. 4. Vergil als Poet
Vergil stell t sich mit seinen Werken in die Nachfolge Homers. Damit übernimmt er auch Tradit ionen der dichterischen Mythologie. Für den Umgang mit der poetisch- fiktionalen Deutung von Wi1·klichkeit sehen sich die christlichen Autoren einerseits mit pagan- philosophischen und Dazu beispiels weise li .J . T SCHI EDEL, Erwachendes, a ufbegehrendes und verstörtes Ich : Manifestationen de1· S ubjektivität in der römischen Literatur, in: R.L. FETZ et al. (Hg.) , Geschichte und Vorgeschichte der modernen S ubjektivität , Berlin I New York 1998, 255- 285, hier 279: "Mit der ' Aeneis' 1... ] schenkt er !sc. Vergil] seinen Mitbürgern eine gleichsam nationale ldentit.ät, die in ihrer idealisierenden Sicht a ls Aufgabe und Verpflichtung verstanden werden konnte und sollte. E r schenkt ihnen die Möglichke it , sich der faktisch errungenen G röße a uch intellektuell zu bemächt igen und zu vergew issern." Allgemein zur Suche nach historischer Begrü11dung römischen Selbstverständnisses W . EDER, Augustus and the Power of Tradition, in: K . RAAFLA US I M. TOHER (edd.) , Between Republic and Empire, Berkeley et al. 1990, 71- 122; zur Inanspruchnah me Vergils jetzt anregend R.F'. Thomas, Virgil and the Aug ustan Reception, Cambridge 2001. 2 Grundsätzlich zur Auseinandersetzung der Christen mit dem römischen Staat etwa Al1tonie WLOSOK, Rom und die C hrist en, Stuttgart 1970; die Beiträge bei K LEIN Christentum; am Beispiel Tertullians etwa R. KLEIN. Tertullian und das Römische Reich, Heidelberg 1968; E. HECI<, MT! 9tOIJ.<XX.tiv oder : d ie Bestrafung des Gottesvru·ächters, Frankfurt am Main et al. 1987, v.a. 30-41. 3 Cf. Antonie WLOSOK, Vergil als Theologe: luppiter - pater omnipotens, in: d ies. Res humanae 368- 383, erstmals: Gymnasium 90 ( 1983) 187- 202; zur Nachwirkung der Vergilischen Unterweltsdarstellung in Vorste llungswelt und Begriffiichkeit J acqueline AI\IAT, Songes et visions. L'au-dela dans Ia Iitterature latine tardive, Paris 1985, v.a. 381- 389; Gabriete THOME, Vorstellungen vom Bösen in der lateinischen L iteratur, Stuttgart 1993, v.a. 182- 205.
18
1.1
Thematische Einordnung
andererseits mit spezifisch christlichen Aspekten der Dichterkrit ik und Dichterbenutzung konfrontiert: (a) Pagane Voryaben In der antiken Kunstprosa s tellt das Dichterzitat, im philosophischen Dialog seit P laton mehr noch als in der Rede, ein ganz geläufiges Mittel der Beweisführung und rhetorischen Gestaltung dar. 1 Dah er muß auch christliches literarisches Schaffen zu Vergil Stellung beziehen. 2 Dabei t reten die christlichen Autoren aber auch in die von Platon kons tatierte 1t<XA<Xla 8la<popa
Zu mehreren Autoren etwa E. HOWIND, De ratione citandi in C iceronis Plutarchi Senecae Novi Testamenti scriptis obvia , Diss. Marburg 1921 ; grundsätzliche Erwägungen an band von Plato n und Cicero bei J . ANDRIEU, Procedes de citation et de raccord, REL 26 {1948) 268-293. Die neuere Literat ur {dazu unten 23 Anm. 4) steht unter dem Vorzeichen des lntertextua litätsbegriffes, doch liegen die Schwerpunkte auf de r Dicht ung und neuerdings a uf Hteraturtheoretischen Erwägungen, so etwa L. EDMUNDS, lntertextuality and the Reading of Roman Poetry, Saltimore I London 2002. Meist aber beschäftigt s ich d ie Forschung mit einzelnen Autoren und Aspekten , so etwa 'Come dice il poeta ... ' Percorsi greci e latini d i parole poetiche, a c ura di A. D E Vtvo I L. SPINA, Napoli 1992. 2 Die Rolle, die verschiedene poetae in Oieeros philosophischen Schriften spielen, übernimmt ab Seneca beinahe ausschließlich Vergil. Senecas Umgang mit. Vergil, dem daher exemplarische Bedeutung zukommt, hat in der Forschung eingehende Beachtung gefunden, so etwa H . KRA USS, Die Vergii-Zitate in Senecas Briefen an Lucilius , Diss. Harnburg 1957, und die weitere bei SUERßAUM 323- 325 genannte Literatur, seitdem beispielsweise D. GAGLIARDI, Seneca e Virgilio, in: Scritti in onore di S. P UGLIATTI, M ilano 1978, V 313-315; Luciana C ARANCI ALFANO, La presenza di Virgilio neUe let.tere a Lucilio, in: dies., Studia Humaoitatis, Napoli 1981, 31- 39; J .M. ANDRE, La presence de Virgile chez Seneque, Helmant ica 33 ( 1982) 21 9-233; Emily E. BATINSKY, Vergilian C itations in Seneca's Prose Works, Diss. U niversity of Colorado 1983; S. TtMPANARO, La tipologia delle citazioni poetiche in Seneca: Aleune considerazioni, G IF 36 {1984) 163-182; C lara A UVRAY, La citation virgilienne d a.ns les Lettres d Lucilius de seoeque, BFLM 15 {1987) 29- 34. 3 Cf. Plat. rep. 607b. 4 Grundsätzlich zum Konflikt R. KANNICKT, "Der alte Streit. zwischen Philosophie und Dicht ung.2" Zwei Vorlesungen über G rundzüge der griechischen Literaturauffassung, AU 2316 {1980) 6-36; T . GOULD, T he Ancient Quarre! between Poet ry and Philosopby, Princeton 1991; zur formal-didakt ischen FUnktion der Dichterzitate im philosophischen Sprachregister aufgrund ihrer Prägnanz und Einprägsarnkeit Sen. ep ist . 108,8sq. ; H. BERTHOLD, D ichtervers und Pbilosophenspruch. Ko nkurrenz und Zusammenspiel, Pbilologus 135 {1991) 184- 190. 5 losbesondere bei Giemens von Alexandiren , dazu etwa W. DEN BOER, Oe allegorese i.n het werk van G iemens Alexandrinus, Diss. Leiden 1940; M. F tEDROWlCZ, Apologie im frühen C hristentum. Die Kont roverse um den christliche n Wahrheitsanspruch
1.1.2 Vergil als Repräsentant paganer Kultw-
19
(b) Christliche Vo1yaben Die Christen finden in der Dichtung polytheistische Vorstellungen und mythologische Gottesbilder vor , die zwar wesentlicher Bestandteil paganer Kultur sind , dle ihrem Glauben a ber grundsätzlich zuwiderlaufen. 1 Von Anfang setzt sich das C hristentum unter diesen Vorzeichen mit der Dichtung a useinander: Bereits im Neuen Testament finden sich Dichterzitate 2 , namentlich aber die griechischen Apologeten nehmen d azu Stellung: 3 So zeigen beispielsweise Justin und Athenagoras ein sehr differenziertes Verhält nis zu den Dichtern, indem sie einerseits die Analogien zu C hristlichem hervorheben und a ndererseits gezielte Krit ik üben, während bei Tatian unversöhnliche Polemik und bei T heophilos Ablehnung überwiegen. Auch für den formalen Rahmen einer Dichterrezeptio n liegen darin so unterschiedliche Vorgaben wie die philosophische Hermeneutik der A6ro~ 01t€f>~!<X"t~x6~-Lelue bei J ustin, die bald platte, bald pointierte Polemik bei Tatian oder die antiquarische Fü lle der Zitate bei Theophilos. Vergil prägt also die pagane Lebenswelt und Kultur , von der sich die Christen einerseits absetzen und in der sie a ndererseits ihre geistigen Wurzeln haben und ihre eigene Position finden müssen. Die Auseina ndersetzung mit Vergil stellt , so läßt sich die zweite Begründung der vorliegenden Unters uchung zusammenfassen, einen bedeutsamen und in vielerei Hinsicht beis pielhaften Faktor bei der Inkulturation des Christentums in d er römischen Ant ike dar. Aus den oben skizzierten vier Punkten ergeben sich a uch wesentliche Fragen, dle a n die zu w1tersuchenden Zitate zu stellen sind: Wie gehen die Autoren rhetorisch mit Vergil um - sowohl in der Selbstd a rstellung und Verteidigung
1
2 3
in den ersten Jahrhunderten , Pade rborn 2000, 58; grundsätzlich J. PEPIN, Mythe et allegorie. Les origines grecques et !es Contestations judeo-c hretiennes, Pa r is 19762 ; C. BLÖNNINGEN , De r griechische Ursprung der jüdisch- he llenistischen Allegorese und ih.re Rezeption in der a lexandrinischen Patristik, Frankfurt am Main et al. 1992. Daß be reits Vergil selbst mit eine r e ntsprechenden Deutung seines Werkes rechneL, zeigt Antonie WLOSOK, Gemina doctrina? Über Berechtigungen und Voraussetzunge n allegorischer Aeneisinterpretation , in: dies. Res humanae 392-402, e rs tmals in: Filologia e forme lel.terarie. Studi F. DELLA CORTE, Urbino 1987, n 517- 527. Zu diesem KonAik t im a Ugemeine n und seiner Austragung bei Laktanz VAN DER NAT 212- 225; Grundsätzliches zur protreptischen und pole mischen Verwendung von ( Dichter-)Zitaten a ls Argumentationsmittel in der Apologetik FlEDROWICZ 17o-179. Cf. L Kor 15,33; Tit l , 12; Apg 17,28. Dazu etwa G . GLOCKMANN, Homer in der frühchristlichen Literatur, Be rlin 1968; Nicole ZEEGERS- VANDER. VoRST, Les citations des poetes grecs c hez !es apo logistes c hretiens du Ile s iede, Louvain 1972; zu einzelnen Autore n: H. FUNKE, Euripides, JbAC 8/9 ( 1965/66) 233- 279; T . WOLBERGS, ' Hesiod ', RAC 14 ( 1.988) 1191- 1205; G.J.M. BARTELINK, ' Homer', RAC 16 (1994) 126-132; Forschungsüberbück bei P. BEATRICE, Helle nisme et c hristianisme aux premiers siecles de notre ere. Ke rnos 10 (1997) 39-56; grundsätzliche geist.esgeschicht lic he Einordnung bei C. SCHNElDER, Geistesgeschichte der c hrist lichen Antike, München 19702 , 189sq.
20
1.1
Thematische Einordnung
nach a ußen a ls auch im innerchristlichen Diskurs? Inwieweit wird Vergil weniger als Autor denn als Sprachrohr römischer Herrschaftsideologie und als exempla rische Formulierung nationalrömischen Selbstverständnisses zitiert? Wo distanzieren sich die Christen von vergilischen Ausdrucksformen römischer religio, wo dringen diese umgekehrt in christliches Reden und Denken ein? Besonderes Augenmerk hat dabei der U nterweltsschilderung im sechsten Aeneisbuch zu gelten. Inwieweit steht der Umgang mit Vergil schließlich unter den Vorgaben der philosophischen Literatur und der griechischen Patristik in bezugauf die Dicht ung?
2
Vorüberlegungen zur Methodik
Nach diesen Vorüberlegungen zum thematischen Rahmen der Untersuchung ist ihr Gegenstand , das obiectum formale, zu bedenken. Das Zitat nämlich wird hier als der Berührungspunkt von Texten betrachtet , deren Wechselwirkung einzelne Rückschlüsse a uf einen Prozeß kultureller Auseinandersetzung ermöglicht .
2.1
Zu Begriff und Theorie des Zitates
Versteht man in einem weit gefaßten Sinn 1 unter einem Zitat jedes Element in einem Text , das a uf eine andere Quelle zurückgeht als sein Kontext, so wird deutlich, daß damit ein ganzes Spektrum gegenseit igen Ineinandergreifens von Texten umschrieben wird. Die antike Rhetorik kennt keinen Ausdruck, der die ganze Breite dieses Zitatbegriffes abdeckt. 2 Am nächsten kommen nach LA US BERG 3 die auctoritas als "allgemeiner Weisheitsspruch aus der Folklore oder a us der Dicht ung, der vom Redner im Pa rteiinteresse mit der causa in Beziehung gesetzt wird" 4 , und die chria als anekdotenhafteingekleidete Sentenz einer berühmten Persönlichkeit5 . Damit grenzt das Zitat einerseits an die gehobene sententia in der Form des geflügelten Klassikerwortes und das volkstümliche pmverbium. 6 Anderereits aber erfaßt der Begriff des Zitates auch Phänomene, die die antike Rhetorik unter dem Begriff der imitatio subsu miert, also des Prinzips rhetorischer Schulung und Gestaltung durch die Überna hme von Wortschatz, Ausdruck und Inhalten eines nachahmenswerten Vorbildes. 7 Ein So etwa H .- U. S tMON, ' Zitat', Reallexiko n der deutschen Literaturgeschichte 4 (19842 ) 1049- 1081, hier l049sq.: ""Zitat" m eint ein aus seinem Kontext gelöstes und in einen anderen Kontext transponiertes E lement [...]." 2 Es g ibt kein e ntsprechendes S ubsta ntiv, in d er Regel werden Umschreibungen nach dem Muster to )..qo!J.tV0\1 toü &tivo~ bzw. i /lud alicuius gebraucht, dazu grundsätzlieb M. VON ALBRECHT, ·Zitat', LAW ( 1965) 3339. Das Verb citare findet sich a llerdings im modernen Sinne schon ab Cicero (cf. ThLL lli s.v. cito 1201 ,2Q-27) : C ic. fin . 2,18 Groect, qui hoc anapaesto citantur; cf. Liv. 4 ,20,8; Iuv. 2,43 ; Arnob. nat. 5,21 illum citabimus Tarentinum notumque senarium. - Ähnlich verhä lt es sich mit dem Begriff ' Anspielung': Auch dort um faßt d er moderne Terminus eine Reibe von F iguren der antike n Rhetorik (<Xtlll)'IJ.O~ , Ü1tOVOl<X , ouvl!J.f<XOl~ , figura, significatio, suspicio, a.llusio), dazu P. HUGHES, ' Ans pielung', Historisches W örterbuch der Rhetorik 1 ( 1992) 652655. 3 Unter dem Stichwort "citation" (definiert a ls "passage emprunte a un auteur qui pe ut fai re autorite") verweist LAUSBERC §1246 a uf aucto1'itas und chria. 4 LAUSBERG §426; cf. Quint. inst. 5, 11 ,36. 5 Cf. LAUSBERG §1 I 17; Quint. inst. 1,9.4 . 6 Zu dieser Differenzierung H. BERTIIOLO, Das "klassische" Zitat. VerS'US notissimi der Augusteischen Epoche, Klio 67 ( 1985) 302- 3 14. 7 Cf. Quint. inst. 10,2; LAUSBERG §§ 1143sq.; Anne Marie GUILLEMIN, L'imitation dans les Iitteratures antiqueset en particulier da.ns Ia Iitteratu re lati ne, R.EL 2 ( 1924) 3557; E. LÖF'STEDT. Reminiscence a nd Imitation. Some Problems in Lat in Literature, 1
22
1.2 Vorüberlegungen zur Methodik
gewichtiges Problem sieht die antike Rhetorik beim Dichterzitat schließlich darin , daß die Wiedergabe von Versen in Prosa dem Gebot der stilistischen und rhythmischen Einheitlichkeit widerspricht. 1 Die moderne Terminologie kennt ein ganzes Wortfeld zum Begriff Zitat herkömmlich etwa Anklang, Reminiszenz, Anspielung, Verweis, Bezugnahme und Referenz. Der zentrale Begriff in den letzten Jahrzehnten jedoch ist Intertextualität.2 Die literaturwissenschaftliche Diskussion und Theoriebildung im Zusammenhang damit,3 die mittlerweile auch häufig zum Verständnis antiker Texte herangezogen wird ,4 kann hier nur insoweit Berücksichtigung
1
2
3
4
Eranos 47 (1949) 148- 164; A. REIFF, interpretatio, imitatio, aemulatio. Begriff und Vorstellung literarischer Abhängigkeit bei den Römern , Diss. Köln 1959; A.N. CIZEK, Imitatio et tractatio. Die literarisch- rhetorischen Grundlagen der Nachahmung in Ant ike und Mittela.lter, Tübingen 1994; Jacqueline DANOEL, Imitation creatrice et style chez les latins, in: G. MOLINlE I P. CAHNE, Actes du colloque internationa.le Qu'est- ce que le style? , Paris 1994, 93-113; A. FOUCHER, Historia proxima poetis. L' influence de Ia poesie epique sur le style des historiens latins de Salluste a Ammien Marcellin, Bruxelles 2000, 264- 272. Cf. LAUSBERG §1074 1b); zur Diskussion dieser Frage in der antiken Rhetorik L. SPINA, Ermogene e Ia citazione poetica., in: DE V1vo I SPINA 7- 20; zum Sonderfall Geschichtsschreibung FOUCHER 332- 357. ln der vorliegenden Arbeit werden alle diese Begriffe verwendet, und zwar nicht auf der Basis bestimmter terminologischer Konventionen (cf. unten 23 Anm. 2) , sonelern in ihren gemeinhin üblichen Denotationen im Bewußtsein ib.rer Ranclunsc.härfe. Knappe Zugänge bieten, von der theoretischen Literaturwissenschaft herkommend, M. PFISTER, ' lntertextua lität' , in: D. BORCHMEYER I V. ZMEGAC {Hg.), Moderne Literatur in Grundbegriffen, Tübingen 19942 , 215-218, und Renate LACHMANN , ' lntertextualilät', in: U. RJCKLEFS (Hg.), Fischer Lexikon Literatur, Frankfurt am Main 1996, II 794- 809; J . KLEIN I Ulla FIX (Hg.), Textbeziehungen. Linguistische und literaturwissenschaftliche Beiträge zur lntertextualjtät, TUbingen 1997 (v.a. 21- 176). Einen guten Überblick Uber die Geschichte des Begriffs und der damit verbundenen Konzeptionen geben 0 . ETTE, lntertextualität. Ein Forschungsbericht mit Hteratursoziologischen Anmerkungen, Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 314 {1985) 497- 522, und M. PFISTER, Konzepte der Intertextualität, in: U. BROICH. I r-.11. PFISTER (Hg.), Jntertextualität.. Formen, Funktionen, angHstische Fa.llstudien, Tübingen 1985, 1- 30; übersichtliche Darstellung der unterschiedlieben Verstebensweisen von lntertextualität bei G. Allen , Lntertextuatity, London I New York 2000; Bibl.iographie zur älteren Literatur U.J. HEBEL , lntertextuality, Allusion, and Q uotation. An International Bibliograpby of Critical Studies, New York 1989; interpretationsorientiert M. WORTON I Judith STILL (ed.) , lntertextua.lity: Theoriesand Practices, Manchester I New York 1990; übersichtlich zu den verscbi.e denen Verständnisweisen des Begriffs lntertextua.lität; knapp und a uf die Erschließung antiker Texte bezogen A. BENDLIN, ' lntertextualität', DNP 5 {1998) 1044- 1047, v.a. 1045sq., EOMUNDS 133- 163, und T .A. SCiiMITZ, Moderne Literaturtheorie und antike Texte. Eine Einführung. Darmstadt 2002, 91-99. Meistens freilich zur Interpretation dichterischer (bzw. fiktionaler) Texte, so insbesondere die methodisch wegweisenden Arbeiten von G.B. CONTE, Memoria dei poeti e sistema letterario. Ca.tullo, Virgilio, Ovidio, Lucano, Torino 1974 (The Rhetoric of ImitaLion: Genre and Poetic Memory in Virgil and Other Latin Poets, lthaca I London 1986; cf. ders., "Rhetoric of Imitation" as Rhetoric of Culture. Some New Thoughts, Vergilius 38 [1992] 45-55); daneben mit exemplarischer Anwendung auf Einzelfragen etwa J. BLÄNSDORF, Senecas Apocolocyntosis und die lntertextuaJitätstheorie, Poetica 18 (1986) 1- 26; Maria Gra.zia BONANNO, L'allusione necessaria . Ricerche intertestuali su ll.a poesia greca e Latina, Roma 1990 (zur Rezeption des Intertextua.litätsbegriffes v.a.
1.2.1
Zu Begriff und Theorie des Zitates
23
finden , als es der Lösung des methodischen Grundproblems der vorliegenden Arbeit dient. 1 - Das aber besteht, verkürzt gesagt, darin, daß a us einer bestimmten Anzahl punktueller Textbeziehungen Rückschlüsse au f einen lnkult urationsprozeß zu ziehen sind, wie er sich in der Berührung von Texten vollzieht. Bei dieser Berührung von Texten spielen drei Konstituenten eine Rolle: erstens der Prätext, also derjenige Text, auf den rekurriert wird , zweitens der Folgetext, also derjenige Text, der auf den Prätext rekurriert, drittens das Zitatsegment , also diejenigen beiden Texten gemeinsamen Elemente, in denen dieser Reku rs besteht. 2 Im Zusammenspiel dieser drei Größen ist ein Zitat nach PLETT "ein aus einem Prätext abgeleitetes Sprachsegment , das in einem (Folge-) Text eingelassen ist, wo es ein proprie-Segment sub-
2
11- 40; d azu a uch die Rezensionen R . G uERRJ NI, Allusione e intertestua.lita, G IF 45 jl993J 121- 126; W . R öSLER, Gnomon 66 [1994] 193- 196); S. HINDS, AUusion and lntertext. Dynamics of Appropriation in Roman Poetry, Cambridge 1998. Wichtig wegen prinzipieller ( kritischer) Überlegungen zur Anwendung d er Begriffiichkeit ist R.O.A.M. LY NE, Vergil's Aen eid: Subvers ion by Intertextuality. CatuUus 66.39-40 and Other Examples , G&R 41 (1994) 187- 204, v.a. die Appendices " lntertextuality and Latin Literature: Some Selected ßibliography" [200, fast ausschließlich zu Vergil] und "Objections to the Term 'Intertextuality '" [200sq.]) . Prinzipielle Überlegungen für die Dichtung des ersten vorchristlichen Jahrhunderts anhand der SchlUsseibegriffe Text, Dichter , Leser , literarische Figur und Adressat bietet Eol\nJN DS, v .a.. 1- 94. - Hier von besonderem Interesse sind wegen ihrer Auseinandersetzung mit nicht- fiktio nalen Texten d er Nachklassi k Maria La.ura ASTARITA, La citazione in Gellio, in: DE V1v0 I SPINA 139- 150; Teresa PISCITELLO CARPINO, La parola d ei poeti nelle Epistole di Paolino di Nola: t ra citazione e a llusione, in : DE V1vo I SPINA 151- 166; Ma.ri..'la SQUILA NTE, Strategie intertestuali in Mal~.t iano Capella, in: DE VIVO I SPINA 167- 185; H . KRASSER, extremos pudeo.t r-ediisse - Plinius irn Wettstre it m it der Vergangenheit. Zu Vergilzitaten beirn jUJ1geren Plinius, A&A 39 (1993) 144- 154 (legt Elemente aus H.F. PLETT, Sprachliche Konstituenten einer intertextuellen Poetik, in : BROICH I P FISTER 78- 98, zugrunde) , P. SCHENK, Formen von lntertextualität im Briefkorpus des jüngeren Plinius, Philologus 143 ( 1999} 114- 134 (auf der Basis von BROICH I PFISTER, mit. Lite1·at urhinweisen zum Zi tat), und Ellen F'INKEI.P EAR.L, Paga.n Traditio ns of Intertext uality in the Roman World , in: MACDONALD Mimesis 78- 90 (zu Apuleius). Die besondere Problematik der antiken christlichen Literatur in ihrem Spannungsfeld zwischen biblischen und paganen Vorbildern berücksichtigt exemplarisch etwa V.A . NAZARRO. lnter test ua.lita biblica e classica in testi cristiani antichi , in: B. AI\IATA. C ul t ure e lingue dassiehe 3, Roma 1993, 489-5 14 (mit a usrührliehen Überlegungen zu T heorie und Nlethodik, a.m Beis piel vo n Paulinus von Nola und Ambrosius). Konzepte und Ansätze zur Anwendung in der Interpretation bieten beispielsweise G . GENETTE, Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe , Frankfurt a.m Main 1993 (Origina l: Palim psestes. La Iitterature au second degre, Pa r is 1982); ßROICH I PFISTER passim; H.F. PLETT, The poetics of Quotation. Grammar and Prag ma tics of a n l ntertextual Phenomenon , in: Bu lletin de Ia commission interuniversitaire S uisse de linguistique appliquee 48 ( 1988) 66-81; H.F . PLETT (ed .), Intertextuality, Berlin I New York 1991; Susanne HOLTHUIS, lntertext ua lität . Aspekte e ine rezeptionsorient ierten Konzeption , Tübingen 1993; J . HELBIC, lntertextualität und Markierung, Heidelberg 1996; KLEIN I FIX 179-402. - Musterhaft sind Interpretationsmodelle der lntertextualitäts forschung a uf die Vergilrezeption des Augustinus angewandt bei Mü LLER Vergilzitate, zur Methodik 19- 34 . Eine kritische Übersicht zur einschlägigen Terminologie bietet H ELBIG 75-81. Allerdings entscheidet sich HELBIC für den Begriff ' m a nifester Text ', nicht für den Begriff 'Folgetext', der hier a ls der kompa ktere und a nschaulichere Terminus verwendet wird.
24
1.2
Vorüberlegungen zur Methodik
stituiert" 1 . Ein Prozeß intertextueller Kommunikation kann nach dem von HELBIG entwickelten Modell folgendermaßen vorgestellt werden: 2 Bei der Textproduktion greift der Autor selektiv a uf den ihm zur Verfügung stehenden Zeichenvorrat zurück. Dabei kann er auch markierte oder nicht markierte Zitate in den Folgetext setzen, die Referenzen a uf Prätexte darstellen. Diese Einschreibungen kann der Rezipient wiederum unter Rückgriff auf seine Kenntnis der Prätexte identifizieren und dadurch zu einer Neuinterpretation des Folgetextes gelangen. Ergebnisse der neueren Forschungen zu Zitat beziehungsweise lntertextualität sollen aber vor allem in die bei der Untersuchung der Zitate anzuwendende Methodik einfließen.
2.2
Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
Die erste Aufgabe, die sich noch vor jedem interpretatorischen Zugriff stellt, ist die Auffindung der Zitate. Eine besondere Schwierigkeit besteht im vorliegenden Fall darin, daß es sich meist nicht um wörtliche und somit eindeutig identifizierbare Zitate handelt , sondern um Parallelen, die sich nur in Wendungen, Junkturen oder E inz.elwörtern fassen lassen. Der erste Schritt besteht also darin, möglichst viele solcher Parallelen zwischen den untersuchten Christen und Vergil zusammenzutragen. 3 Die wichtigsten Quellen sind dabei die Indizes der Ausgaben, die Materialsammlungen von BÜRNER und CouRCELLE, Untersuchungen zu Stilistik und Quellenbenutzung der einzelnen Autoren sowie die Kommentare und Similienapparate. 4 In einem zweiten Schritt werden diese Parallelen daraufhin untersucht, ob und inwieweit darin tatsächlich Beziehungen zwischen beiden Texten faßbar sind. Diese Überprüfung besteht meistens in der Klärung der Frage, ob die P arallele (also die Formulierung, die Junktur oder das Einzelwort) entweder außerhalb der beiden Belege selten, für Vergil charakteristisch ist oder auf diesen zurückzugehen scheint. Ziel dabei ist die Non- Falsifikat ion derjenigen Zitate, die eingehender interpretiert werden. 5 Daraus ergibt sich die folgende Einteilung: 1
2
3
4
5
PLETT Konstituenten 81; cf. ders., Poetics 67. Zusammengeraßt in der Skizze HELBIG 82. Auf eine gezielte eigene Suche nach bislang unentdeckten Zitaten wurde verzichtet (zu deren Schwierigkeit MüLLER Vergilzitate 17 mit Anm. 30). Keine noch so systematische Recherche nämlich hätte mehr leisten können , a ls die Zahl der Zitate - und zwar eher der undeut.lichen und somit für die Lnterpretation weniger aussagekräftigen - um ein weniges zu erhöhen. Vollständigkeit wäre aber in keinem Fall zu erreichen gewesen. ln den einleitenden Bemerkungen zum Forschungsstand werden zu jedem einzelnen Autor auch die wesentUchen Quellen für Angaben zu Vergilzitaten vorgestellt. Bei Tertullian und Cyprian werden jedoch die durchgesehenen (im wörtHcben Sinne, denn meistens fehlt ein Stellenindex zu den paganen Autoren - daher ist hier vielleicht auch manches übersehen) Kommentare in der Regel nur im Literaturverzeichnis aufgeführt, da sie meist zum Umgang mit Vergil keine weiteren Hinweise enthalten. Diese Methode fordert und praktiziert schon HAGENDAKL Latin Fathers 13.
1.2.2
Vorgeh en swe ise und Aufba u d e r Arbe it
25
1. A-usgeschiedene Parallelen
Dabei handelt es sich um Stellen, für die in der Forschung ein Bezug auf Vergil angenommen wurde, der sich aber nach näherer Überprüfung nicht halten oder widerlegen läßt. Diese Stellen sind im Anhang (362sqq. ) dokumentiert und als Block zu Beginn der einzelnen Autoreneinträge ins Stellenregister (389sqq.) a ufgenommen. 2. B ehandelte Zitate Diejenigen Stellen bei den untersuchten christlichen Autoren, an denen sich Indizien für eine Verbindung zu Vergil gefunden haben, werden im Teil II der Arbeit ('Vergil bei den einzelnen Autoren') besprochen . Das Spekt rum reicht dabei von eindeutigen wörtlichen Zitaten ganzer Verse bis zur wahrscheinlichen Nachwirkung einer Sprachschöpfung Vergils. Im Register sind Stellen, die keinesfa lls ohne Überprüfung des vorne dazu Angemerkten als Zitate verbucht werden sollten, durch '?' gekennzeichnet.
Es ist prinzipiell schwierig, das Vorhandensein oder die Deutlichkeit eines Vergilbezuges objektiv zu fassen. Insbesondere a ufgrund der Tendenz nachklassischer Prosa, a uf Vokabeln und Ausdrucksformen zu rückzugreifen, die klassisch noch streng auf die Dichtung beschränkt sindl, bleibt die Grenze zw ischen Vergilnachklang und rhetorischer Stilisierung nach dem Geschmack der Zeit unscharf. Es gibt also sicherlich Stellen, an denen man zu einer anderen Bewertung als der hier vorgetragenen und begründeten gelangen kann. Die Einzeluntersuchung der Zita te bildet den Kern der Arbeit. Nach einem einleitenden Forschungsüberliek über den betreffenden christlichen Autor, sein Verhältnis zur paganen Kultur, Literatur und Dicht ung werden die Vergilzitate behandelt. 2 Die Reihenfolge richtet sich dabei zunächst nach der Chronologie und , bei den mit mehreren Schriften vertretenen Au toren, nach 1
2
G ru ndsätzlich nimmt die Verwendung poetischer Worte und Fo rmulierungen in der Kunstprosa seit der Si lberneu Latinität zu, cf. NORDEN Antike Kunstprosa f 286sq. Gewissermaßen eine Vorreiterrolle nimmt dabei die nach dem antiken Gattungsverständnis dem Epos na hestehende Geschichtsschreibung ein , dazu Foucher 7- 14.256- 260. Verstärkt zeigt sich diese Tendenz in der Zweiten Sophistik, v.a. bei Apuleius, dazu etwa M. BERNHARD. Der Sti l des Apuleius von Madaura, Stuttgart 1927, der zu jeder Schrift , also auch zu den philosoph ischen , einen Paragraphen über das "poetische und rhetorische Kolorit" bietet ; Caterina LAZZARJNI , II modello virgiliano nel lessico delle Meta.morfosi di Apuleio. SCO 35 (1985) 131 - 160. Ein typischer solcher Grenzfa ll ist beispielsweise das Wort ineluctabilis, dazu unten 388. Die Gefahr einer Unters uchung, die sich d er Rezeption eines e inzigen Autors widmet, liegt sicherlich in der Engführung und darin, daß das untersuchte Vorbild zu stark in den Mittelpunkt rückt und nicht mehr im Cesamt der Abhängigkeiten oder Benutz ungen gesehen wird - das gilt für andere p agane A utoren (so m it Recht MÜLLER Vergilzitate 12 Anm. 15), aber auch für biblische Vorlagen. Um dem im Rahmen des Möglichen entgegenzuwirken , ist der Rezeption anderer Autoren bei dem jeweiligen C hristen im Forschungsüberliek jewei ls relativ viel P latz eingeräumt.
26
1.2
Vorüberlegungen zur Methodik
Werkgruppen. 1 Ein alphabetischer lndex2 findet sich im Anhang (401sqq.). Für die einzelnen Autoren wird jeweils zunächst ein knapper Überblick zur Forschungslage gegeben, der das Verhältnis zur paganen Dichtung im allgemeinen und zu Vergil im besonderen zum Gegenstand hat. Dann folgt die Diskussion der einzelnen Zitate, an deren Beginn jeweils Folgetext, Zitatsegment und Prätext wiedergegeben und beschrieben werden. Zur anschließenden Interpretation der Zitate dient ein Raster von Kriterien, die freilich nicht alle in jedem Fall zum Tragen kommen können, sondern vor allem sicherstellen sollen, daß sich möglichst viele Aspekte des Zitates in vergleichbarer Weise erfassen lassen: 3 1. Deutlichkeit des Zitates Das wichtigste Kriterium liegt in der Frage, worin der Bezug auf den Prätext besteht und wie deutlich er wird. Alle weiteren Kriterien hängen damit unmittelbar zusammen. 4 2. Gestalt des Zitatsegmentes
Die Frage nach der Gestalt des Zitatsegmentes5 bezieht sich nicht nur a uf dessen syntaktische Form, also darauf, ob es sich etwa um einen vollständigen Satz, eine Prädikation, eine Junktur, mehrere oder ein 1
Vorbild ist die Anordnung des HLL. 2 Angeordnet nach dem Muster des T hLL. 3 Die lite raturwissenschaftliche Forschung zur lntertextualität bietet einjge Vorbilder für d ieses Verfahren, ein bestimmtes Raster von Kriter ien zur Beurteilung einer intertextuellen Struktur heranzuziehen, so beispielsweise Monika Lt NDNER, Integrat ionsformen der lntertextualität, in: BROICH I PFISTER 116- 135. Eine vergleichbare Liste für die Vergilzitate bei Augustinus entwickelt MÜLLER Vergilzitate 29-34: Er geht in siebzehn Einzelschritten vor, d ie in Beschreibung, Ana lyse und Interpretation eingeteilt sind. Zunächst beschreibt er Umfang (1.), Umformung (2.), Markierung (3.) und Einführung (4.) d es Zitates, u m schließlich dessen Signifikanz (5.,- handelt es sich um ein absicht liches Zitat oder eine zufällige Parallele?) und Transparenz (6.) zu ermitteln. Dann anaylsiert er die Stellung Zitatsegment im Folgetext (7., MüLLER spricht vom ' manifesten Text') und im Zusammenspiel mit anderen Zitatsegmenten (8.), den 'Referenzraum ' (9.) des Zitates im Hinblick a uf den Prätext, den Zusammenbang des Prätextes (10.) und das Verhältnis d es Zitatsegmentes zum Prätext (11.}, um dara us Funktion (12.) und Fokussierung (13.) des Zitates zu erschließen. Am Ende steht die Frage nach der Bewertung ( 14.) d urch Aug ustinus, seine m Verstehenshori.zont (15.), eventuellen Zwischenquellen ( 16.) und anderen Rezeptionsbelegen (17.). 4 Prinzipiell richtet sieb die Untersuchung in diesem Punkt nach dem von M. PFLSTER, Konzepte d er Intertextualität, in: BROICH / PFISTER 1- 30, entwickelten Modell zur quantitativen Skalierung von lntertextualitä t , das von sechs qualitativen Kriterien aus~ geht, näm lich R.eferentialität (wie nachdrücklich ist die Bezugnahme?), Kommunikativität (wird die Referenz Autor und Leser bewußt ?), Autoreflexivität (werden die BezUge thematisiert?), Strukt uralität (welche Rolle spielt der Prätext im Folgetext?) Selektivität (wie p rägnant und pointiert ist der Bezug a uf den Prätext?) und Dialogizität (wie groß ist die Spannung zwischen Prätext und Folgetext?). Doch treten diese allgemeinen Gesichtspunkte in der Praxis meist hinter die Erörterung s prachlicher Indizien zurück. 6 Diese Kriterium liegt der von W . KARRER, Intertextualität als Elementen- und Strukt urreproduktion, in: BROICtl I PFISTER 98--116, erarbeiteten Differenzierung zwischen der Wiedergabe von Wortfolgen und von gedanklichen Mustern zugrunde.
l.2.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
27
Einzelwort handelt, sondern auch auf das Verhältnis von sprachlicher, logisch- synta ktischer und gedanklicher Gemeinsamkeit. 3. Ver-änderungen am Zitatsegment
Die Veränderungen am Zitatsegment werden zum einen formal als Addition, Subtraktion, Su bstitution, Permutation einzelner Elemente des Zitatsegmentes oder als Kontamination mehrer Zitate1 gegenüber dem Wortlaut im Prätext beschrieben. Zum a nderen ist nach Veränderungen im Gehalt durch die formalen Eingriffe, aber a uch durch die Segmentierung oder die Transposition in den neuen Kontext zu fr agen. Als Motive für Veränderungen am Zitatsegment kommen in Frage: (a) die morphosyntaktische Adaptation, also die Anpassung an den grammatikalischen Kontext gemäß der Kongruenz, (b) die syntaktische Ada ptation , etwa durch Weglassen oder Hinzufügen von Konjunkt ionen, (c) die Prosifika.tion, also die Beseit ig ung von d iatypischen (Poetismen) oder prosodischen (dichterische Rhy thmik) lnterferenzen,2 (d) dje inhaltliche Adaptation a n den Gedankengang des Folgetextes, (e) die Verfremdung, also die bewußte Entfernung vom P rätext. 4. Markierung
Unter Markierung wird hier nach dem Entwurf von H E LBJ G jedes Vorgehen des Au tors verstanden, mit dem er die Wahrscheinlichkeit beeinftußt, daß ein Zitat als solches erkannt wird. Da bei unterscheidet H E LBJG vier Progressionsstufen: unma rkierte Intertextualität , implizit markierte Intertextualität, explizit ma rkierte Intertextualität und thematisierte Intertextualität 3 - je nachdem, ob der Autor die Wa hrnehmung des Zitates ganz dem Leser überlä ßt , sie nahelegt, sie zwingend 1
2
3
So d ie Termi no logie frei nach Pu:rr, der aber außerdem die Repetition ( Konstituenten 82sq.) hinzun immt und nicht a usdrücklich von ' Kont ami nation ', sondern von 'complexities' durch 'serialization ' und 'condensatio n ' spricht; cf. P LETT, Lntertextua lit,ies, in: ders. Jntertextuality 3- 29, hier 23- 25. Unter den von PLETT Poetics 70sq. festgehaJtenen Typen von Interfer enzen (interlingua l, diachron. diatopisch , diastratisch , diatypisch, graphemisch und prosodisch) kommen im vorliegenden Fa ll nur die diat,ypische und die prosodische in Betracht. - Zum Umgang mit der interlingualen Interferenz Otta WEN SK US, Zitatzwang aJs Motiv für Codewechsel in der lateinischen Prosa, G lotLa 71 ( 1993) 205- 216. H ELBIG l7- 57. Unmarkierte Jnter textua lität liegt vor, "wenn neben einem notwendigen Verzicht auf linguistische und /od er gra phemiscbe Signale eine sprachliebstilistische Kongruenz von Zitat und Kontext vorliegt - eine Art literarischer Mimikry, welche die intertex:tuelle Kommunikat,ivität des Textes reduziert und es ermöglicht, eine inte.r textueUe Spur nahtlos in einen neuen Kontext zu integriere n, ohne daß hierbei Interferenzen entstehen" (88). Grundsätzlich ist dann von einer Markierung auszugehen, wenn die intertextuelle Spur entweder durch Emphase oder durch eine ling uist ische Interfe renz oder du rch hinzutretendeAngaben hervorgehoben wird. Implizit ist eine Markierung, die nur a ls Indiz. nicht jedoch a ls u nzweideutiger Beweis des referent iellen C har rakters einer Äußerung fung iert, indem sie die Referenz aJs eine solche fok ussiert, aber
28
1.2 Vorüberlegungen zur Methodik
vorgibt oder über das Zitat reflektiert. Da bei kann der Autor über eine Reihe von Techniken ve.rfügen: (a) Die Verfremdung des Zitatsegm entes gegenüber dem vergilischen Original erschwert das Erkennen der Referenz und wirkt als Entma.rkierung. (b) Durch Steuerung der Interferenzen, insbesondere der prosodischen und der diatypischen, die belassen, gemindert oder beseitigt werden können, läßt sich die Deutlichkeit der Markierung steigern oder vermindern. (c) Die Position des Zitates im Folgetext kann als Markierung wirken: Die W~hrscheinlichke it , daß ein Zitat erkannt wird, steigt, wenn der Leser ein Zitat, insbesondere ein Dichte.r- oder Vergilzitat, erwartet . Damit ist namentlich in den folgenden Fällen zu rechnen: i. Die rhetorische Praxis legt an bestimmten Stellen den Gebra uch von Zitaten nahe, vor a llem in exponierten P assagen (prooemium, peroratio) eines Textes oder in der argumentatio, wenn Belege oder exempla aufgezählt werden. ii. An Stellen, an denen erkennbar andere Dichter zitiert oder genannt, dichterische Themen, vor allem Mythologisches, angesprochen oder überhaupt über Dicht ung reflekt iert wird, rechnet der Leser eher mit einem weiteren Dichterzitat. w . Zitate aus dem Werk des VergU im besonderen wird der Leser bei vergilischen, also im Vergilischen Werk a bgehandelten (Aeneas, aetas aurea usw.), und vergiltypischen, also vornehmlich mit VergiJ assozüer ten (religiösen , nationalrömischen usw.) , Themen erwarten. (d) Dem Zitatsegment können sprachliche Hinweise unterschiedlicher Deutlichkeit beigegeben sein, nämlich: i. der Hinweis a uf etwas dem Folgetext nicht originär Zugehöriges,
also a uf das factum brutum einer Referenz , ii. der Hinweis auf ein Dichterzitat, ohne daß der Dichter identifiziert wird , häufig im P lura l ( poetae) oder w1ter Hinweis auf die Gattung, oder noch nicht notwendig offenlegt. "Als Abgrenzungskriterium der expl.iziten gegenüber der impliziten Markierungsart gilt desha lb erstens eine Tendenz zur Mo nosemierung, die es einem Rezipienten a uch ohne h.inreichende literarische Vorkenntnisse erleichtern soll, einen intertextuellen Verweis als solchen zu erkennen. Zweitens bedingt die explizit markierte Einschre ibung einen mehr oder weniger deutlichen Bruch in der Rezeption und macht es daher unmöglich, die Markierung zu übersehen." (112). Ke nnzeichen der thematisie.r ten Lntertextualität ist die ausdrückliche Benennung der Bezug nahme. Das kann durcb meta- kommunikative Verben ('zit ieren', ' (vor) lesen', ... ), durch Hinweise auf Literatur und Gattung im Allgemeinen oder durch die Identifizierung d es Prätextes oder seines Autors geschehen. - Vor a lle m bei dieser letzten Differenzierung wird deutlich , daß H ELBIG seine .Konzeption mit Blick a uf die fikt ionale Literatur der Neuzeit entwirft. Während dort noch e in wesentl icher Unterschied besteht, ob ein Prätext unübersehbar zitiert oder ob von Romanfiguren über ein Zitat gesprochen wird, ist der Schritt von d er Objekt- auf die Metaebene innerhalb eines nicht- fiktionalen Textes weniger gravierend.
1.2.2
Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit 111.
29
die einde utige Zuordnung durch Periphrase oder Nennung des Na-
mens und/ oder des Werkes.
Die Wahl des Markierungsgrades läßt gewisse Rückschlüsse auf die Intention des Autors z u: Unmarkierte oder implizit markierte Vergilreferenzen eignen sich , die eigene Bildung und souveräne Fähigkeit im Umgang mit dem Klassiker z u beweisen, den Leser dU1·ch Rätselspannung zu unterhalten und eine esoterische, exklusive Kommunikationssituation zu suggerieren, könnten aber auch auf eine rein produktionsästhetische Vergilbenutzung hinweisen. Andererseits läuft der Autor Gefahr, daß die Zitate nicht erkannt werden. J e größeres argumentatives Gewicht der Autor dem Zitat also beimißt, desto stärker wird er es markieren. 5. Der Refe·renzp·unkt des Zitates In Anlehnung an die von B RO ICH und P F ISTER entwickelte Differenzierung von E inzeltextreferenz und Systemreferenz 1 lassen sich solche Zitate, bei denen gezielt auf eine bestimmte Vergilstelle Bezug genommen wird , von solchen unterscheiden , bei denen eher auf ein bestimmtes Sprachregister oder die C harakteristika einer bestimmten Gruppe von Te>..'ten rekurriert wird , also etwa auf die Kultsprache, die Sprache des Epos oder die Dichtersprache. 6. Die argumentative Punktion des Zitates im Kontext Die in der Fo rschung mehrfach vo rgeschlagene Einteilung in die drei Funktionstypen Au toritätszitat, Argumentationszitat und Schmuckzitat 2 ließe sich prinzipiell gut a uf christliche Vergihezeption anwenden: (a) Autoritätszitat: Der Autor macht sich die unbestri ttene Autorität Vergils wesentlich zunutze. Er unte rma uert seine eigenen Kernaussagen dadurch, daß er sie a ls vergiüsche darstell t, er bringt also in einem zentralen Punk t seiner Argumentation seine und die verg ilische Aussage zur Deckung. Da bei sind drei Möglich keiten der Sinnkomplexion durch Zusatzkodierung - eine solche muß stattfinden, da die zugrunde liegenden Wi rklichkeitsmodelle ja nicht identisch sind 3 - d enkbar: i. Der Autor läßt das Vergilzitat durch Auswahl od er Kon text in einem seiner eigenen (chTistlichen) Aussageabsich t zuträgüchen Licht erscheinen ( interpr-etatio christiana). Cf U. BROICH. Zur Einzeltextreferenz, in: BROICH I PFISTER 48- 52; M . PFISTER, Zur Systemreferenz, in : 8ROICH I PFISTER 52- 58. 2 Zu dieser Unterscheidung vor a llem P LETT Poetics 73- 79; z um Aspekt der Wechselwirkung von Prätext und Folget.exL in diesem Zusammen hang B. SCHULTE- MIDDEUCH, Funkt ionen intertextueller Textkonstitution, in: BROICH I P FISTER 197- 242. 3 Obwohl sich natürlich übereinstimmend formulierte Einzelaussagen zu bestimmten Themen (E thi k, Kosmologie, Monotheismus usw.) finden lasse n, entstammen sie doch verschiedenen Grundanschauungen bzw. Weltbildern und sind daher verschieden fundiert und intendiert , a lso wese nhaft divergent. 1
30
1.2
Vorüberlegungen zur Method.ik
ü. Der Autor stellt seine eigene (christliche) Position in einer vergil-
konformen Weise dar. w. Der Autor nähert in der Darstellung sein eigenes und das vergilische Wirklichkeitsmodell einander an. (b) Argumentationszitat: Der Autor zieht eine Vergilstelle als Beleg für eine Aussage, eine Vorstellung oder einen Sachverhalt heran, mit dem er sich dann auseinandersetzt. Die Position des Autors kann positiv (affirmativ) anknüpfend, neutral oder negativ (kritisch) sein. Affirmation oder Kritik können sich auf die Form, auf den Inhalt (bzw. dessen Rezept ion) oder auf den Autor selbst beziehen. (c) Schmuckzitat: Der Autor zitiert Vergil zum Zweck der kunstvollen Ausgestaltung einer Passage. Man könnte noch unterscheiden: i. das Zitat mit offenbar gezielter Wirkung im engeren Kontext, die durch die Referenz auf den Prätext zustande kommt , ii. das Zitat einer klassischen Wendung oder eines treffenden poetischen Ausdruckes, den der Leser zumindest in seiner Klassizität gout ieren soll, iii . das produktionsästhetisch motivierte Zitat.
Die vorliegende Untersuchung befaßt sich freilich zu einem überwiegenden Teil mit Reminiszenzen, die gemäß der obigen Einteilung in die Kategorie Schmuckzitat gehören. Hier werden im Einzelfall auch weitere Kriterien wie etwa die Thematik des Zitates in die Gesamt bewertung einzubeziehen sein, die am Ende der Besprechung eines jeden Einzelzitates versucht wird. Auf die Einzeluntersuchung der Zitate eines jeden Autors folgt jeweils eine Auswertung und abschließende Bewertung d er Beobach tungen und Ergebnisse zu diesem Autor. Deren Gliederung richtet sich nach den drei Konstituenten des Zitierens, Zitatsegment - zusammengefaßt werden Beobacht ungen zu Morphologie, Veränderungen, Markierung - , Folgetext (Verteilung und Stellung der Zitate im Folgetext) und Prätext (Provenienz und T hematik der Zitate). Abschließend wird eine Typisierung der Zitate nach ihrer Funkt ion und eine Gesamtbewertung der Stellung zu Vergil versucht. Es könnte bei alldem der Eindruck einer mechanistisch- schematischen Vorgehensweise entstanden sein. Tatsächlich aber liegt die unverzichtbare methodische Grundlage dieser Arbeit in einem Interpretationsverfahren , das auf der Basis des für sich genomm en meist wenig aussagekräftigen Materials eine möglichst umfassende Annäherung an d en thematischen Rahmen der Arbeit gewährleistet, wie er im ersten Teil der Einleitung kurz umrissen wurde. Da bei soll vor allem erreicht werden, daß nicht einzelne, vielleicht angesichts der Unsicherheiten im Referenzcharakter mit einer gewissen Kühnheit a usgelegte Zitate d as a bschließende Urteil über Absichten und Tendenzen der einzelnen Autoren bestimmen, sondern daß ein so gut wie möglich fundiertes Gesamtbild entsteht. Weiteren Interpretationen, sei es zu Einzelstellen , sei es
1.2.2
Vorgehensweise und Aufba u d er Arbeit
31
zu bestimmten Fragestellungen, soll und wird das hier dargebotene Material ohne Zweifel noch offenstehen. Deshalb beschränkt sich auch die Zusammenschau im dritten und let zten Teil der Arbeit dara uf, die Ergebnisse aus den Untersuchungen zu den einzelnen Autoren nach dem Kriterium der Individualität, der Kontinuität und der Entwicklung zusammenzufassen , um Anknüpfungspunkte für weitere Studien zu bieten.
Teil II
Vergil bei den einzelnen Autoren Tert ullian
1 1.1
•
Zur Forschungslage
Der Karthager Quintus Septimius Florens Tertullianus wendet sich erst als Erwachsener nach einer gründlichen Ausbildung in Grammatik und Rhetorik dem Christentum zu.1 Der einzige chronologische Anhaltspunkt sind seine zahlreichen Schriften , die in den Zeitraum zwischen 197 und 212 fallen , aber ihrerseits oft nicht genau datierbar sind. Schon in den J a hren zwischen 203 und 207, also wohl nicht allzu lange nach seiner Bekehrung, schließt sich Tertullian der rigoristischen Sekte der Montanisten an. Die ältere Forschung hat bei der Beurteilung von Tertullians Haltung gegenüber der paganen Literatur und Bildung vor allem dessen Neigung zum Rigorismus und die polemischen Passagen im \'Verk vor Augen und folgert daraus eine grundsätzliche Ablehnung. Einige neuere Arbeiten hingegen weisen Tertullians schroffe Polemik ihrem jeweils spezifischen Kontext zu und .. stellen das Element der Ubernalune und Kontinuität, die, nach FRBDOU ILLE (1972), 'Konversion der antiken Kultur' hera us. 2 Dementsprechend ist 1
2
Zu Biographie, Datierung und Forschungsstand H. TRÄNKLE, HLL 4 (1997) §474; Eva SCHULZ- FLÜGEL, 'Tertulüan', LAC L (2002) 668-672; zur P ersönlichkeit auch T .O . BARNES, Tertullian . A Historkai and Literary Study, Oxfo rd 1985 2 ; zur Verbindung von Biographie, Persönlichkeit und Werk P. STEINMETZ, Untersuchungen zur römischen Literat ur des zweiten Jahrhunderts nach C hristi Geburt, Wiesbaden 1982, 228- 236. Der Text wird zit ie rt nach der Ausgabe im Corpus C hristia.norum (Series Latina I & 11), Quinti Sep timi Florentis Tertulliani op era. Pars 1: Opera Catholica. Adversus Marcionem, Pars ll: O pera Montanistica, Thrnbout 1954. Schon l
II.l.l
Zur Forschungslage
33
auch Tertullians Verhältnis zur Dichtung im allgemeinen nicht nur von den Äußerungen schroffer Ablehnung her zu betrachten: 1 Die Auseinandersetz ung mit poetae und poetica2 find et hauptsächlich in den frühen apologetischen Schriften ad nationes, Apologeticum und de testimonio animae statt. 3 lm Werk ad nationes kritisiert Tertullian die Dichtung wegen ihres mythologischen und daher unwürdigen Gottesbildes (nat. 2,1,13 apud poetas omnia indigna, quia turpi a) und nimmt das zum Anlaß reichlicher Polemik. Diese bezieht sich frei lich nicht zuletzt auf die widersprüchliche Haltung der Heiden den Dichtern gegenüber, einerseits die Unangemessenheit der mythologischen Religion einzugestehen , sie aber andererseits beizubehalten. 4 Auch
1
2
3 4
gang zum Vorschein kommt" (23), aufgrund derer ihm weitergehende Kompromisse mit paganem Denken unmög lich seien. fm Sinne einer grundsätzlichen Ablehnung beispielswiese E LLSPERMANN (1949). Er untersucht die Einlassungen Tertullia ns zu den Bereichen Philosophie, Literatur, Dichtung, Wissenschaft und Rhetorik. Für das Dichterbild stellt er insbesondere fest : (1) Tertullian sieht bei de n Dichtern gewisse Grundwahrhe iten, die freilich ursprünglich der alttestamentlichen Offenbarung entstammen und von ihren heidnischen Rezipienten vollkommen entstellt wurden (28; 41). (2) Die Versuche griechischer Apologeten , christliche Wahrheiten und pagane Dichtung und Philosophie zu harmonisieren, hält Tertullian für unangemessen (cf. 32sq. mit Bezug auf test . an im. 1). (3) Zwar kann nach Ter tullinns Ansicht die Kennt nis pagane r Literatur in der argumentativen Auseinandersetzung bisweilen nützlich sein , "the poets, however, he regarded as the betrayers of the truth , the inventors of falsehood, and the fostere1·s of immorality" (42). - Abseitig KRA USE (1958, 91- 109), mehr als berecht igt die Kritik von HECK Vestrum est 103. Eine umfassende Untersuchung der Stellungnahmen Tertullians über die Dichtung steht noch aus. Hier seien einige Beobachtungen zu den Äußerungen über die Stichworte poeta und poetica zusammengetragen, die Stichworte carm.en, auctor und scriptor bieten nichts WeiterfUhrendes. Über die Stichworte poeta und poetica sind daher die wesentlichen Aussagen über die Dichtung im a llgemeinen we nigstens soweit erfaßt, daß sich ein ungefä hres Bild ergibt. Auf die lateinischen Dichter im besonderen wird im Anschluß noch einzugehen sein, zu den den griechischen A. D"ALES, T ertullien helleniste, REG 50 (1937) 329-356, v.a. 331- 334 . Auch kann Tert ullians Auseinandersetzung mit dem T heaterwesen weitestgehend unberücksichtigt bleiben , da sie sieb vor allem auf die Praxis des gesamten Schauspielwesens und öffentlichen Unterhaltungsbetriebes seiner Zeit bezieht, dazu grundsätzlieb H. J ü RCENS, Pompa diaboli. Die la teinischen Kirchenväter und das antike Theater, Stuttgart et al. 1972, 173- 247. Was Tertullian also über das Theater äußert, wird man kaum mit seinem Verhältnis zu Vergil in Zusammen hang bringen dürfen, dazu a uch unten 108 Anm. l. Nur vereinzelt äußert Tertullian s ich kritisch über die dramatische Dichtung, etwa über den unschicklichen Ödipus- Stoff (nat. 2, l6,5sq.). Dem entgegen stehe n übrigens zahlreiche Zitate aus der lateinischen dramatischen Dichtung. In diesen drei Werke n finden sich 31 von insgesamt 48 Belegen für die Worte poeta und poetica bei Tertullian. ln ad nationes polemisiert Tertullian re ichlich gegen die Dichter, die als Mythographe n (nat. 1,19,7 nec mythici ac poetici soli talia canunt, {... }; nat. 2,7,1 ut ad mythicum transeamus, quod poetis deputatur; ä hnlich a uc h na t . 2,3,2; 2,7,8 und 2,12,16) ein sowo hl lächerliches und unwürdiges (nat. 2,13,17 De qu.o fsc. Iove} poetica sie lusitavit, {. .. /)als auch verwirrendes und fa lsches (nat. 1,10,40 Exinde quis non poetarum ex auctoritate principis sui fsc. Homeri} in deos insolens aut vera prodendo aut falsa fingendo?) Götterbild verbreiten . Für diese G leichsetzung von Dicht ung und Mythographie beruft sich Te rtullian ausdrücklich auf Varros theologia tripartita ( nat. 2,1,10, ähnlich nat. 2,9,1), mit deren Ebenen er sich dann kritisch und po le misch a.useinandersetzt. (nat.
34
11.1
Tertullian
in der überarbeiteten Fassung, dem Apologeticum, kritisiert Tertullian die mythologische Darstellung der Götter bei den Dichtern , doch zum einen läßt die polemische Schärfe nach, zum anderen tritt ein neuer Aspekt hinzu: Der Dichtung liege eine verderbte und verdunkelte göttliche Wahrheit zugrunde. 1 In der Schrift de testimonio animae spricht sich Tertullian ausdrücklich gegen eine apologetisch- protreptische Verwendung von Dichterzitaten aus, in denen er keinen geeigneten Anknüpfungspunkt einer natürlichen Theologie sieht. 2 In den späteren apologetischen Schriften sowie in den anti häretisch-
1
2
2,1 ,13 Denique apud philosophos incerta, quia varia; apud poetas omnia indigna, quia turpia; apud populos passiva omnia, quia voluntaria. ). Bezüglich der Dichtung (nat. 2,7 passim) hält er den Heiden insbesondere ihren widersinnigen Umgang mit den Aussagen der poetae vor: Obwohl ja auch Platon aus seinem ldealstaat die Dichter samt Homer als Gotteslästerer verbannt hätte (nat. 2,7,11 Criminatores deorum poetas eleminari Plato censuit, ipsum Hornerum sane coronatum civitate pellendum.), behalte man sie, ohne ihr verkehrtes Gottesbild zu hinterfragen - Jgitur si creditis poetis, cur tales deos colitis? Si ideo colitis, quia non creditis poetis, cur laudem mendacibus fertis nec cavetis ne offendatis quorum detrectatores honoratis? (nat. 2,7,13). Auch im Apologeticum brandmarkt Tertullian das unangemessene Gottesbild der Dichter, doch ist hier sein Ton weniger polemisch. Das zeigt sich ganz deutlich beim Vergleich zwischen der Urfassung des dichtungskritischen Satzes nat. 1,10,40 Exinde quis non poetarum ex auetoritote principis sui fsc. Homeri} in deos insolens aut vera prodendo aut falsa fingendo? mit seiner Endfassung apol. 14,4 Exinde quis non poeta ex auetoritote principis sui fsc. Homeri} dedecorator invenitur deorum? Außerdem steht die Dichtungskritik eher am Rande: Nur apol. 14,4 enthält e.ine negative Äußerung über die poetae im allgemeinen. Zwar bezieht sich Tertullian wie schon in der vorigen Schrift ebenfalls auf philosophi, poetae und vulgus als Autoritäten pa.ganer Gottesvorstellungen, nun aber überwiegend konstruktiv, indem er bei ihnen gewisse, wenn auch oft verschüttete oder verdunkelte, Vorprägungen christlicbet' Lehraussagen aufzeigt, insbesondere bezUglieh der Dämonen (apol. 22,Isq. Sciunt daemones philosophi Socra.te ipso ad daemonii arbitrium exspectante. Quidni 'f Cum et ipsi daemonium a puef'itia adho.esisse dicatur, dehortatorium plane a bono. Omnes sciunt poetae; etiam vulgus indoctum in usum maledicti frequentat.) und des Totengerichts (apol. 23,13: Vor dem Richterstuhl Christi werden die daemones allenfalls sagen Minoen et Rhadamanthum secundum consensum Platonis et poetarum hoc fsc. tribunalj esse sortitos; 47,11- 14: Die spiritus erroris haben die salutaris disciplina ver fälscht, ut quis ideo non putet Christianis credendum, quia nec poetis nec philosophis, vel ideo magis poetis et philosophis existimet credendum, quia non Christianis {11). Daher werden die Christen nicht ernstgenommen, wenn sie, wie es d.ie Philosophen und Dichter tun, ein tribunal ap1ld injeros verkünden.). Diese Grundwahrheiten seien, so Tertulüan, aus göttlicher Offenbarung genommen (apol. 47,2 Quis poetarum, quis sophistarum, qui non de prophetarum fonte potaverit? und apol. 47,14 Unde haec, oro vos, philosophis aut poetis tam consimilia.? Non nisi de nostris sacramentis. Allein im Fragmentum Ftildense (apol. 19,5*sq.) findet sich außerde m: 5* A.deo respici potest tam iura vestro quam studia de lege deque divina doctrina concepisse. Quod prius est, hoc sit semen necesse est. lnde quaedam nobiscum, vel prope nos habetis. 6* De sophia amor eius philosophia vocitatus est: de prophetia affectatio eius poeticam vaticinationem deputavit. Gloriae hominibus, si quid invenerant, ut proprium jacerent, adulteraverunt. Etiam fructibus a semine degenerare contingit.) , dann aber von spiritus erroris verdunkelt worden ( cf. apol. 4 7,11 ), so daß die christliche Wahrheit von dort aus nicht mehr zugänglich ist, apol. 49,1: Haec sunt, quae in nobis solis praesumptione vocantur, in philosophis et poetis summae scientiae et insignia ingenia. Im Einleitungskapitel wendet sich TertuUjan gegen die Versuch e einiger griechischer Apologeten, aus paganer Literatur, Dichtung und P hilosopbje testimonia Christianae
11.1.1
Zm Forschungslage
35
dogmatischen und praktisch- asketischen Werken bleibt die Auseinandersetzung mit der Dicht ung im allgemeinen auf stereotype Floskeln beschrä nkt: Zweimal vergleicht Tertullian häretische Lehren mit dichterischer Fiktion, 1 jedoch stehen die poetae öfter auch für en passantherbeigezogenes Bildungsgut2. Häufiger verweist Tertullian nur noch im Werk de animaauf die poetae, meist a ber nur ganz marginal und im Rückgriff auf allgemeines Bildungsgut. 3 Der Dichterkritik liegen zum einen der schon in der paganen Tradition immer wieder erhobene Vorwurf der Fiktionalität und unwürdigen Darstellung der Götter zugrunde, zum anderen der spezifisch christliche Gedanke verdunkelter göttlicher Wahrheit. Der letztere Aspekt wird aber über das Apologeticum hina us nicht weiter a usgeführt. Als durchgängige Linie läßt sich lediglich die Ablehnung dichterischer Fiktion ausmachen. 4 Bei aller Verkehrtheit des .. Gottesbildes der Dichter, bei aller Verderbtheit ihrer einst wahren Uberliefe-
1
2
3
4
ve1'itatis ( cf . test. an im. 1,1) herauszupicken, da solches Material von d en Heiden ja doch nicht. a nerkannt werde. Diese würden, konfrontiert mit den widersprüchlichen Gottesaussagen der Dichter, einfach deren Aussagekraft leug nen und in ihrem Irrtum verharren, test. a u im 1,3: Sed suis quidem magistris alias pmbatissimis atque lectissimis fidem inclinavit hum ana de incredulitate duntia, sicubi argumenta Chnstianae def ensionis impingunt. Time vani poetae, cum deos humanis passionibus et fabulis designant, tune philosophi dun, cum ventatis jores pulsant. Auffälligerweise denkt Tertullian hier offensichtlich dara n , a us den Philosophen zwar positiv bestimmte christliebe Lehren zu belegen , mit den Dichtern aber nur negativ heidnische Vorstellungen ad absurdum zu führen. Von einer Möglichkeit, C hristliches aus d er paganen Dichtung zu beweisen, ist hier nicht die Rede, wenngleich oben ( 1,1 ex littens [... } philosophorum vel poetarum [... } testimonia excerpere Chnstianae veritatis) offensichtlich dieses positiv a rgumentiere nde Vorgehen gerneint ist. Zu Tertullians Bewertuug der poetae im Rahmen d er naUirlichen Theologie a uch C. TISILETTI, Q .S. F. Te rtulliani de testimonio anima.e. lntroduzione, testo e cornrnento, Torino 1959, 151- 153. So p olemis iert er adv. Mare. 1,3 ,1 gegen die Hä resie als eine Verirrung, die die poetica et pictona licentia noch übertrifft, in der Häretikerpolemik adv. Val. 7,1 greift er die Lehre der Ketzer a ls Irrtum an , der noch verwunderlicher sei als die Vorstellungen eines Ennius oder Horner. Tertullian beruft s ich ledig lich spect. 30,4 auf die poetae als Autoritäten , die die Existenz e ines Totengerichts b elegen. Allgemein als Bildungsgut, doch mit d espektierlicher Konnotation des Fiktionalen , werden die Dichter pa ll. 6,2; coro n. 7,3; 13,8 genannt. So etwa a nirn. 1,4; 18 ,1 (aus Plat. Phaid. 65e übernommen) ; 35,5; 53,6; 56,2. Nicht überbewerten sollte man die Äußerung poetis ne vigilantibus credam (an im. 33,8) so eLwa schon der öfter zitiert e J . VAN DER VLIET, Studia Ecclesiastica. Tertullianus I, C ritica et fnterpret atoria, Leide n 1891 , 10: "Poetas irnprimis spernit, quibus ne vigilantibus q uidern, nedurn sornnianti bus credat." Hier nimmt Tertullia n in seiner Widerlegung d er Seelenwa nderungslehre auf den 'Jl·aurn des Ennius von Horner als Pfau (ann. 15) Bezug. Die Pointe richtet sich a lso nicht gegen die Dichtung, sondern gegen die Vorstellung von d er Reinkarnation in einer dem Verha lten im Vorleben entspreche nden Gestalt. Zugrunde liegt ledig lich der stereotype Gedanke von der Fiktionalität der Dicht ung im allgeme inen. in ebe n diese Richtung geht a uch der erneute Verweis auf die licentia poetarum (anim. 57,12). Vielleicht wird ma n hier auch die Schriftstellerpersönlichkeit berücksichtigen müssen . D'ALEs · (334) vielzitiertes Urteil: "Tertullien est ne pour Ia. prose" weist in eben diese Richtung: Tertullian scheint der Dichtung nicht nur als C hrist distanziert gegenüberzustehen, sondern auch , und vielleicht vor allem, als Rhetor mit d er poetischen Fiktion wenig anfangen zu kön nen.
36
0.1 Tertullian
rung, bei aller Fruchtlosigkeit der Dichterzitate zur Heidenbekehrung, denkt dennoch Tertullian nicht daran, die Dichter aus dem christlichen Bewußtsein tilgen zu wollen; er hebt nur hervor, wo man sich als Christ nicht auf sie verlassen darf. Er setzt also keineswegs, wora uf FREDOUILLE mit Recht hinweist , pauschal stets Dicht ung und ablehnenswerte Mythologie gleich, sondern verurteilt die Dicht ung nur, soweit sie t atsächlich die Irrtümer der Mythologie verbreitet, nicht aber schon das Poetische an sich, wenngleich er diesem nur eine sehr ent fernte Annäherung an die Wahrheit zugesteht. 1 Der an vielen Stellen, meist freilich recht stereotyp, zum Ausdruck gebrachten Ablehnung der Dichtung im allgemeinen ist daher deren Benutzung in praxi gegenüberzustellen: Tertullian nennt und zitiert in seinen Werken zahlreiche pagane Autoren, wobei tendenziell die Griechen gegenüber den Lateinern und die Prosaiker gegenüber den Dichtern vorherrschen. 2 Die Grundlinien in der Rezeption lateinischer Dichter hat BRAUN 1967 in einer maßgeblichen Untersuchung hera usgearbeitet :3 Der am meisten zitierte römische Dichter ist Vergil, obwohl er nur an zwei Stellen (praescr . 39,3sq.; adv. Mare. 1,5,1) namentlich genannt wird. Unter den Epikern kennt TertuJlian, der archaistischen Mode entsprechend , darüber hina us Ennius: In der Schrift de animazitiert er im Zusammenhang mit der Seelenwanderungslehre Ennius' Traum von der Wiedergeburt des Homer in der Gestalt eines Pfa u, eine polemische Spitze gegen die Valentinianer setzt er mit dem Enniuswort cenacu.la maxima caeli.4 Lukrez wird zweimal mit dem Vers tangere enim et tangi, nisi corpus, nulla potest res (1,304) zitiert, einmal ohne Namensnennung gegen doketistische Irrlehren über den Kreuzestod Christi (adv. Ma re. 4,8,3), einmal mit der Einleitung unde et Lucretius im Sinne einer Körperlichkeit der Seele (anim . 5 ,6) , beide Male aber wohl angeregt durch Senecas Zitat des Verses (epist. 106,8). Außerdem zeigt sich Tert ullian an mehre ren Stellen von der lukrezischen Säuglingsschilderung beeinflußt,5 dem Werk de anima insgesamt scheint eine Auseinandersetzung mit dem dritten Buch de
1
2
3 4
5
FREDOUILLE Culture 200; 205. Einen ersten Zugang bieten der Index scriptorum (11 1495sq.) und der Index nominum (li 1497- 1507) im Corpus Christio.norum, das Material faß t HAGENDAHL ( Von Tertullian 17sq. ) zusammen. Die Benutzung griechischer Autoren untersucht D"ALEs, 331- 334 die Dichter, 334- 347 die Prosaiker, insbesondere zu Homer BAJUELINK Homer 129sq.; C. WEIDMANN, Unentdeckte Dichterimitationen in Tertullians Ad Nationes, WS 108 {1995) 467-479, hier 471-479, weist ein Homerzitat nat. 1,10,37 nach. Einzelne, bislang nicht erkannte Zitate aus Lukrez, Horaz, Ovid, JuvenaJ, Martial und Pacuvius bietet R. UGLIONE, Poeti latini in Tertulliano: intertestualita e riscrittura, A&R 46 (2001) 9- 34, dazu aber unten 38 Anm. 3. Mit der Benutzung lateinischer Prosaiker setzt sich S. OSWIECIMSKI, De scriptorum Romanorum vestigiis apud Tertullianum obviis quaestiones selectae, Krak6w 1951, auseinander. R. BRAUN, Tertullieo et les poetes latins, AFLNice 2 (1967) 21- 33, jetzt auch in; ders., Approches de TertulJien, Paris 1992, 97- 109. Tert. anim. 33,8; Enn . ann . fr. 15 V. = 11 SKUTSCH und Tert. adv. Val. 7,1; Eno. ann . fr. 60 V. = 5 1 SKUTSCH, cf. BRAUN Poetes 25; SKUTSCH203. Tert. adv. Mare. 3,13,2; 4 ,21,11; anim. 19,7sq.; adv. lud. 9,5; Lucr. 5,222- 230.
11.1.1
Zur Forschungslage
37
rerum natura zugrunde zu liegen. 1 Auf das Werk des Ovid nimmt Tertullian mehrmals Bezug: Das bekannte spectatum veniunt, veniunt spectentur ut ipsae (ars 1,99) gibt er zweimal (spect. 25,3; cult. fern. 2,11 ,1) verkürzt zu videre ac videri wieder, in der Polemik gegen die Va lentinianer erwähnt er die Metamorphosen, die Ovid seiner Meinung nach vernichtet hätte, wenn er die Veränderungen gekannt hätte, die jene Irrlehrer in ihrem Pieroma annehmen (adv. Val. 12,1). Auch die Formung des Menschen durch Prometheus (Ov. met. 1,76- 88) nimmt Tertullian auf (carn. 9,2).2 BPATYXHI1 (2001 ) nimmt a ußerdem die Benutzung Ovids als mythologische Quelle an zwei Stellen a.n. 3 Einiges zitiert Tertullian - indirekt? - aus den Dramatikern, wobei die Komödie und der Mimus überwiegen: In der Schrift de pallio gibt er einen Vers des Laberius über einen Ziegenbock (pall. 1 ,3), einen Vers des P acuvius über eine Schildkröte (pall. 3,3), und den Vers eines unbekannten Komödiendichters über die chlamys (pall. 4,8) wieder, hinzu kommen Hinweise a uf die Fullones des Novius und die Catinenses des Lentulus (pall. 4,4). Ebenfalls von Laberius stammt das im Apologeticu.m (48,1) zitierte hominem fier"i ex m ·ulo, colubram ex muliere. Erwähnt werden a ußerdem der Laureolus des Catullus (adv. Val. 14,4) sowie die Mimegraphen Lentulus und Hostilius (nat. 1,10,44; apol. 15,1). Auf die Tragödie verweisen die Erwähnung der Medea des Hosidius Geta als Beispiel einer Centonendichtung (praescr. 39,4) und , wie neuerdings von WEIDMANN (1995) bemerkt, eine Referenz a uf Senecas Thyestes und Oedipus (nat. 1,7,28). 4 Einzelne Spuren schließlieb verweisen auf die satirische Dichtung, auch wenn kein einschlägiger Autor namentlich genannt wird: In der Schrift ad nationes (1,10,7) klingt die Scheltrede des Davus a us Horazens Satiren (2, 7,22- 24) an, im Apologeticum (35,9) spielt Tert ullian unter Rückgriff a uf Martial (4 ,78,7 sq. ) a uf eine Palastint rige unter Domitian an, auf Juvenal (3,230sq. und 4,1sq. ) schließlich beziehen sich Reminiszenzen in den Schriften adversus Mareionern (4,24,9) und de pudicitia (1,1), hinzu kommen noch einige fr agliche Pa.rallelen. 5 Zusa.mmenfas1
2
3
4
5
Dazu im einzelnen BRAUN Poetes 25- 28. ältere Liter atur 27 Anm . 29. Insbesondere möchte BRAUN die von I-I AGENDA HL (Latin Pathers 79-81) zusammengetragenen Stellen und dessen Wert ung, wonach unter d en Apologeten vor Arnobius und L aktanz ein nennenswerter Einfl uß des Lukrez nur auf Tertullian erkennbar sei (81), relativiert sehen. Kaum Neues in dieser Hinsicht bringt E. ÜTON SoBRJNO, Epicuro y Lucrecio en Ia poiE~mica de Tertuliano y Lactancio, Helmantica 40 (1989) 133- 158, hier 142sq. Dazu im einzelnen BRA UN Poetes 29. Die im index scriptorum des Corpus C hristianorum zusätzlich genannte St elle coron . 7,4 nimmt led ig lich allgemein auf den Faden der Ariadne Bezug. A . K) . ßpnTyX IHI . 0DHJllti:f KIU< Mt-t~lonor H4 CC:K H!;I H ("T0 4HH K T<~ JlTYJIJI IHLtl a, Hyperboreus 7 (2001 ) 242- 246: Der Janus apol. 28,1 gehe auf Ov. fast. 1,89-96 zurück , die Schilderung der Heraklestaten pall. 4 ,3 auf Ov. epist.. 9,67- 118. Dazu allgemein B RAUN Poetes 29sq. W EIDMANN (468-471) sieht. in den W ortengrande ne.scio quid (nat. 1,7,28) und dem Be-.wg au f tragoedia Thyestae vel Oedipodis (nat. 1,7,27) eine Referenz auf Sen. Oed. 925 grande n escio qu.id parat und Thy. 267- 270. BRAUN Poetes 3G-33. Einen starken Einfluß der Gattung Satire insgesamt auf T ert ullian, was thematische Schwerpunkte (Unmäßigkei.t und Völler ei , Fehlverhalten von Frauen, A bergtaube und Idolatrie) und bestimmte literarische T echniken ( Apostrophe,
38
ll.l
Tert ullian
send kommt BRAUN zu dem Schluß: Zwar kenne Tertullian sicherlich mehr, als er zitiere. Nach seiner Bekehrung aber träten davon nur noch einzelne Spuren hervor, vor allem in satirischen Sottisen und in polemischen Zusammenhä ngen.1 Einen ganz neuen Blickwinkel auf Tertullians Verhältnis zu den Dichtern sucht UGLIONE (2001 ) zu eröffnen, indem er bislang unbekannte Reminiszenzen aus Lukrez, Horaz, Ovid, Juvenal, Martial und Pacuvius bei dem Christen namhaft macht und daraus folgert, daß man zum einen dem Umfang der Dichterbenutzung bei Tertullian bei weitem unterschätzt und zum anderen die intertextuelle Dimension übersehen habe, denn "il testo di Tertulliano sovente vive di a ltri testi , Ii assume, Ii trasform a e definisce se stesso in quanto portatore di altre realta" .2 Freilich sind manche der von U GLIONE angeführten Zitate so schwach markiert und in ihrer Referentialität so fraglich, dass mancherorts eine zurückhaltendere Interpretation des scheinbaren intertextuellen Zusammenhangs angebracht schiene. 3 Die Vergilbenützung des Tertullian ist erst in der jüngeren Forschung eingehender betrachtet worden. Die ältere Literatur beschränkt sich dar-
1
2 3
fictus interlocutor, Pe rsonifikation, sententiae, exempla) seines Sch affens a ngeht, s ucht R.F. BouG HNER, Satire in Tertullian, Diss. Saltimore 1975, zu er weisen. Insbesonde re kenne Tertullian Varro (14), Juvenal (14- 16, mit Diskussion einiger Parallelen) und Seneca (16- 18). Cf. BRAUNs ansc hauliche Gesamtbewertung Poetes 33. UGLIONE Poeti 34 . Es ist hier nicht möglich, die über zwanzig von UGLJONE angeführten Stellen in gleicher We ise zu würdigen, wie es wohl nötig wäre u nd wie im Fall seines ergänzenden Beitrages Uber die Vergilzitate bei Ter tullian auch geschie ht, dazu unten 98 Anm. 3. Hie r nur exemplarisch zum erste n Lukrez- und Horazzitat: (1) Wenn man neben de n von UGLIONE ( Poeti 11 ) z u Recht angeführten Dichterparallelen für Tert. apol. 9,13 sanguine f.. .J vel intra viscera sepulto ( nur eine davon ist Lucr. 5,993 viva videns vivo sepeliri viscera busto) auch Stellen wie Ps. Quint. decl. 12,2 aestuant adhuc intra pectus sepulta ventribus nostris cognata viscem und Apul. met. 5,18 saevissimae bestiae sepeliri visceribus berücksichtigt, wi rd klar, daß es sich bei Tertullians intra visceribu.s sepultum um e ine vielleicht poetisch inspirierte, aber für die barocke Rhetorik der Zeit ganz übliche Wendung hande lt, im Zusammenhang mit der besser nicht mehr von einer "sicura agn izione del' ipotesto" (l.c. - gemeint is t tatsächlich Lukrez! ) die Rede sein sollte. Daran ändert a uch die von UGLJONE ins Feld geführte v- Alliteration nichts. (2) Tert. ani m . 26,2 at cum partu.s fsc. Rebeccaej aperitur et numerus inspicitur et augura.tu.s recognoscitur, puto, iam non animae solummodo probantur infantum, sed et pu.gnae (zur Sache Gen 25,22; Röm 9, 12) bringt UG LIONE ( Poeti 19} zusammen mit Ho r. carm. saec. 13- 16 rite maturos aperire partu.s I Lenis, llithyia, tuere matres, I sive tu Lucina 7J1'0bas vocari I seu Genetyllis. Gemeinsam sind partus aperire und probare. Ersteres ist e ine horazische Junktur, die hier erstmals in Prosa erscheint (ThLL X,l s.v . partus 537,54; 538,48; 542,38) . Die Verbindung mit dem (syntaktisch freilich nicht direkt angebundenen und semantisch divergierenden) probare läßt eine Nachwirkung , weniger eine bewußte Benutzung der s ublime Sprache im carmen saeculare hier den k bar erscheinen . ln s päterer c hristlicher Literatur ersche i11t die Wendung partus aperire aber oft (etwa Ambr. Cain. et Ab. 1,10,46; P etr. C hrys. serm. 40,1 in Zusammenhang mit biblischen Geburtsschilderungen), so daß man s ich fragen muß, ob nicht die Wendung partus aperire a ls (horazisch ins pirierter?) Euphe mismus ihre n P latz in S prache christlicher Predigt und Paränese gehabt haben kann. - In gleiche r Weise wären alle übrigen namhaft gemachten Paralle len zu d iskut ieren.
JI .l. l
Zur Forschungslage
39
auf, Vergilparallelen a uszuweisen und die Bewert ung des Dichters unter einer Tertu llian unterstellten grundsätzlichen Ablehnung paganer Kultur, Bildung und Literatu r zu subsumieren. 1 Über die bloße Bestandsauinahme 2 der Vergilzitate geht erst BRAUN (1967} hina us: Zunächst weist er darauf hin, daß die Zitate überwiegend aus der Aeneis stammen, während die Georgika kaum und die Bukolika gar nicht herangezogen werden.3 Bei den Zitaten aus der Aeneis unterscheidet BRAU N erstens sentenziöse Verse, die auch andernorts hä ufig angeführt werden und sprichwörtlichen Charakter haben,4 zweitens Zitate, die mit Karthago und seiner Schutzgöttin Juno zu t un haben,5 und drittens satirisch oder polemisch gebrauchte Zitate6 . Daraus gewinnt BRAUN das Gesamtbild eines zwar einerseits an Vergil geschulten Autors, der immer wieder auf eindrückliche Stellen Bezug nimmt , andererseits aber eines christlichen Polemikers, vielleicht a uch eines lokalpatriotischen Afrikaners, der sich vom römischen Nationaldichter distanziert. 7 Nach GALLICET (1986) gebrauche Tertullian den Dichter zwar rhetorisch als ornatus und zur Argumentation, grundsätzlich aber sei Vergil für Tertullian ein Gegner, der "nicht mit Sympathie gesehen, wohl aber oft mit Ironie zitiert" 8 werde, wie die Anspielungen auf die Vergilcentonen (praescr. 39,3) 1
So etwa VAN DER VLIET (189 1} 10. B üRNER (1902} beschränkt sich auf eine bloße Aufzählung von Parallelen ( 15- 18) . ELLSPERMANN {1949) erwähnt Vergil in seinem Kapitel über T er tullian (23-42) gar nicht, er hebt lediglich Tertullians A blehnung der Dichtung i m allgemeinen hervor. KRAUSE ( 1958) geht zwar die Vergilzitate durch (153- 174}, erwähnt sie aber nicht in der Darstellung von T ert u.llians Gesamturteil über die pagane Literatur (91 - 109). KRA USE beschränkt sich auf die grundsätzHelle Bemerkung (108): " Die Dichtung, deren formale Seit e er anerkennt, lehnt er wegen des Inhalts in Epik und Dramatik völlig ab." Auch J(ouRJ (1982) und STEINER (1989) gehen, offenbar eng an l(RAUSE angelehnt (BRAUN Poetes scheinen beide nicht zu kennen) , eine Auswahl paganer Zitate i m Werk des Tertullian durch (KOURJ 83- 100; STEINER 101- 127) , beurteilen aber sein Verhältnis zu paganer Literatur und Dicht ung - Vergil wird nicht mehr ausdrücklich erwähnt - etwas differenzierter (KOURI 100sq.; STEINER 128- 130). Allerdings steht. auch in der neueren Literatur Tert.ullians Verh ält nis zu Vergil im Rahmen der F'rage nach seiner Einstellung zur paganen Kultur insgesamt nu1· ganz am Rand , so etwa bei FR.BDOU ILLE ( Conver·sion 78sq. - im Abschnitt tiber die Auseinandersetzung mit dem Heidentum, 235- 254, kommt Vergil gar nicht vor) , H;\GENDAHL (Von Tertullian 18sq.) und BARNES (vor allem im K apitel ' A Pagan Education ', 187- 210). 2 eben B ÜRNER (1902, 15- 18, dort auch ältere Literatur) und COURGELLE ( 1984 , Lecteurs, jedoch fehlt das Lemma 'Tert.ullien' im ' l ndex des noms' 759, T ertulUan wird erwähnt auf den Seiten 24 , 31 , 75, 179, 240, 257, 310, 318, 391, 431, 433, 446, 482, 568, 573, 581, 608, 684 , 692) sowie den K ommentaren (ausgewiesen zu den j eweiligen Werken) geben auch C. BECKER {Ter t u.lliaos Apologeticum. Werden und Leistung, München 1954 , 294sq.). BRAUN (1967, Poetes, vor allem 22) , HECK (1990, Vestrum est, vor allem 105) und TtBILETTl Ter·tulliano. 3 Poetes 22- 24; nat. 2, 1.3 ,14; spect. 9,3; adv. Mare. 1,1 ,3; a.nim. 27,8. 4 pall. 1,3b; nat. 1,7,2; apol. 7,8; fug. lO, I s pall. J ,Ja; nat. 2,17 ,6; apol. 25,8 6 apol. 25,16; adv. Mare. 1,5,1; nat. 2,9, 12- 18 7
P oetes 24.
8
Vergil 197.
40
11.1 Tertuman
und d as Sauprodigium (adv. Mare. 1,5,1) als Pointen in der antihäretischen Polemik zeigten. HECK (1990) attestiert Tertullian, er behandle Vergil "mit einer Geringschätzung, die unter den als Vergillesern fassbaren römischen Autoren selten ist". 1 Denn erstens werde der Dichter zwar etwa fünfzehnmal zitiert, aber nur zweimal beim Namen genannt, einmal in antihäretischem Zusammenhang (praescr . 39,3) als "Steinbruch für Centonendichtern und einmal in apologetischem Zusammenhang (nat. 2,13,20) a ls "Lieferant eines falschen Gottesprädikates für einen Gott, der nie einer hätte werden dürfen" (106). Zweitens leite Tertullian das einzige wörtliche Zitat, das den Heiden entgegengehalten werde (apol. 7,8), "eher abwertend - 'bei euch gibt es so ein Dichterwort' " ein mit den Worten vestrum est (107). Schließlich könne man "sogar bei Tert ullian antivergilische Töne vernehmen" ( l. c.), wenn imperium sine fine dedi (Aen. 1,279) in einem herabsetzenden Kontext (apol. 15,16) zitiert werde, wenn Tertullian gegen die Gestalt des Aeneas polemisiere (nat. 2,9,12- 15) und wenn Dido entgegen der vergilischen Fassung Aeneas nie treffe, sondern a ls Beispiel der Sittsamkeit und der über den Tod hinausreichenden Gattent reue sterbe, wenn also bei Tertullian, vielleicht unter dem Einfluß afrikanischer Tradition, eine "Dido pudica et Punica" (109) auftrete. Tertullian ignoriere also Vergils infelix Dido, tue den pius Aeneas verächtlich ab und würdige den Dichter nur als "Verfasser von uestra, von Dichterworten heidnischer Römer" ( l. c.). TIBILETTI (1990) kommt nach einer Vorstellung der wichtigsten Vergilzitate zu dem Schluß, daß Tert ullian zwar eine gründliche Kenntnis des Klassikers erkennen lasse, daß aberangesichts des Umfangs des Gesamtwerkes Vergilzitate nicht allzu häufig vorkämen, und wenn, dann in rhetorischpolemischem oder moralischem Kontext, ohne Zugang zu deren poetischem Gehalt.2 Daneben konstatiert TIBfLETTI einerseits einen afrikanischen Lokalpatriotismus in der Vorliebe ftir Stellen über die Größe Karthagos und andererseits eine antirömische Tendenz, vor allem in der Polemik gegen die Figur des Aeneas (nat. 2,9,12- 18). Eine ganz neue Perspekt ive eröffnet UGLfONE (1999):3 Er benennt elf in der bisherigen Forschung nk ht berücksichtigte Stellen, an denen er einen "dialogo intertestuale tra Virgilio e Tert ulliano" 4 zu entdecken glaubt, ein subt iles Spiel mit der Spannung zwischen Prätext und Folgetext, das man bisher gar nicht beziehungsweise nicht in hinreichender T iefe gewürdigt habe.5 Lediglich mit der vertieften Interpretation einzelner Zitate beschäftigen
1
2 3 4
5
Vestrum est 105. TI BJLETTI Tertulliano 141. R. UC LJONE, VirgiJio in TertuHiano: lntertestuaJita e riscrittura, BStud.Lat 29 (1999) 504- 522. Virgilio 505 Zur Bewertung aber oben 38 Anm. 3 und v.a. unten 98 Anm. 3.
II.l. 2
Die Yergilzi tate
41
s ich schließlich die im gleichen Jahr (1964) erschienenen Beiträge 1 von RAPISARDA und QUACQ UARELLI. Von besonderem Interesse ist also die Frage, welche Bewertung Vergils dessen Verwendung in polemischen Kontexten impliziert . Daneben verdienen die Figuren der Dido und des Aeneas vor dem Hintergrund einer afrikanischen Sichtweise und einer antirömischen Tendenz Beachtung. Schließlich ist dara uf zu achten, ob Ter tullian an manchen Stellen auch eine subtile inter textuelle Auseinandersetzung mit dem vergilischen Prätext zeigt.
1.2 1.2.1
Die Vergilzitate Apologe tische Schrifte n
ad nationes Eine apologetische Zielsetzung verfolgt Tertullian in den beiden Büchern ad nationes, entstanden im Frühsommer 197. 2 Im ersten Buch setzt er sich mit den gegen die Christen erhobenen Vorwürfen auseinander und begegnet diesenmit einer retorsio, das zweite Buch ist der Krit ik an den paganen Gottesvorstellungen gewidmet, wobei sich Tertu Uian in der Gliederung an ValTOS Konzept ion der theologia t1ipartita orientiert. Das Werk ist nur in e inem einzigen, an vielen Stellen unleserlichen Codex überliefert und weist deutliche Merkmale der Unfertigkeit auf. Wahrscheinlich war es in der vorliegenden Form nicht zur Veröffentlichung bestimmt, vielmehr dürfte aus einer gr ündlichen Ü berar beitung das Apologeticum entstanden sei n.3 n at. 1,7,1.2 (1) 'Unde ergo', inquitis, 'tantum de vobis Famae licuit, cuius testimonium suffecerit for·sitan conditoribus legum?' Quis, om, sponsor aut illis tune aut exinde vobis de fide Famae? (2) Nonne haec est
Fama malum, quo non aliud velocius ullum? Gur malum, si vera semper sit? Non mendacio plurimum ? [... ] {3} [... ] Tamdiu enim vivit non probat quicquam, siquidem approbata cadit et quasi officio nuntiandi functa decedit [.. .]. [... } (5} Fama quantacumque ambitione diffu sa est, ab uno aliquando o1·e exorta sit necesse est; ea-'inde ·i n traduces quodammodo linguarum et aurium serpit et modicum originum vitium rumoris obscurat, ut nemo r-ecogitet, ne primum illud os mendacia seminave1'it, quod saepe fit ( a) ut aemulationis ingenio aut suspicionis arbitrio aut etiam 1.
2
3
E. RAPISARDA. L 'angelo della morte in Yirgilio e in Tertulliano, in: Societas Academica Dacoromana, Act.a Philologica 111, Romae 1964, 309- 312 (zu anim. 53,6); A. QUACQUAFlELLI, Una difesa retorica in Tertulliano. L 'auxesis di Virgilio Aen. 4,174 a favore dei Cristiani , in: Oikumene. Studi paleocristiani pubblicati in onore d el Concilio &umenico Yaticano II , Catania 1964, 159- 164. Zur Datierung und insgesamt zur Forschungslage H. TR.ÄNKLE HLL 4 (1997) 443sq. So BECKER Ter·tullians Apologeticum, passim, v.a. 175; 195sqq.
42
11.1
Tertullian
nova mentiendi voluptate. (6) Sed bene quod omnia tempus revelat, testibus sententiis et proverbi( i) s vestris ipsaque natura, quae ita ordinata est, ut nihil lateat, etiam quod Fama non prodidit. In den ersten sechs Kapiteln greift Tertullian das widersprüchliche Vorgehen der Justizbehörden gegen die Christen an: Die Verfolgung des nomen Christianum entspringe reiner Unkenntnis und sei daher auch durch ein ent-
sprechendes Gesetz nicht gerechtfertigt. Am Anfang des Kapitel 7 steht der Einwand eines fictus interlocutor. Die Fama habe dem Gesetzgeber einen Anhalt für seine Maßnahmen gegen die Christen gegeben (nat. 1,7,1). Daraufhin kritisiert Tertullian, ehe er auf die Unglaubwürdigkeit der Christengreuel eingeht (nat. 1,7,22- 34) , ausführlich die Unzulänglichkeit dieser Entscheidungsgrundlage (nat. 1,7,2-21), indem er zunächst allgemein auf das Wesen der Fama und ihre geringe fides ( nat. 1,7,2- 7) eingeht, dann die besondere Situation der Christen (nat. 1,7,8-21) erläutert. 1 (1) Schon das einleitende tantum de vobis Famae licuit scheint sich an Vergil anzulehnen, und zwar an die Worte, die Aeneas in der Unterwelt bestürzt an Deiphobus richtet, Aen. 6,502 (502- 504): cui tantum de te licuit? mihi fama suprema nocte tulit f essum vasta te caede Pelasgum procubuisse super confusae stragis acervum. Der Ausdruck tantum licet alicui (rei) de aliquo findet sich noch einmal bei Seneca und ein weiteres Mal (mart, 4,9, dazu unten 73) bei Tertullian selbst aufgenommen. 2 Das Stichwort fama im selben Vers könnte diese sekundäre Reminiszenz angeregt haben. (2) Denn Ausgangspunkt der Vergilbenutzung an dieser Stelle is t sicherllch die bekannte Darstellung der Fama, die die Kunde von der Liaison zwischen Aeneas und Dido verbreitet, Aen. 4,173- 195: 173
Extemplo Libyae magnas it Fama per urbes,
Fama, malum qua non aliud velocius ullum:
177 181
183 1
2
mobilitate viget virisque adquirit eundo, parva metu primo, mox sese attollit in auras ingrediturque solo et caput inte1· nubila condit. monstrom horrendum, ingens, cui quot sunt corpore plumae, tot vigiles oculi subter (mirabile dictu), tot linguae, totidem oro sonant, tot subrigit auris .
Zur Rolle der jama in Tertullians apologetischer Argumentation J . LORTZ, Tertullian als Apologet, I 1927, 89-91. Cf. ThLL Vll,2 s.v. liceo 1362,29-32. Entsprechend dieser Parallele ist für Tertullian wohl auch nicht, wie SCHNEIDER (ad l . 167) vorschlägt, nach dem Vorbild von adv. Hermog. 36,5 de motu et alibi licebit ein verbum dicendi zu ergänzen, sondern der Ausdruck absolut zu fassen , etwa im Sinne von 'jemandem so übel mitspielen ', wohin letztlich auch SCKNEIDERS Übersetzung ( "Ia Renommee s 'est permis (sie! tant de libertes a votre egard") ZU tendieren sche int.
11.1.2
43
Die Vergilzita te 188
tam ficti pravique tenax quam nuntia veri.
195
haec passim dea foeda virum diffundit in ora.
Wie Q u A CQ UA RELLI in seiner Interpretation des Zitates zeigt, wählt Tertullian einen sentenzenhaften Vers zu dem in Rhetorik und Dichtung hä ufig behandelten Topos des Gerüchtes. 1 Er leitet das Zitat durch den syntaktisch angebundenen Zusatz nonne haec [... ]?ein und gest altet es z ur rhetorischen Frage um . Tertullians folgende Ausführungen über die Fama sind zum einen, wie Q uACQUA RELLI herausaTbeitet, als eine ganz in der Art der Schuilhetorik entfaltete amplificatio des Verses über die Fama als malum zu sehen, die die gesamte Topik zum Stichwort Gerücht berücksichtigt, 2 zum anderen steht dabei a ber auch die weitere Beschreibung der Fama bei Vergil im Hintergrund: 3 So übernimmt Tert ullia n nicht nur die seit Homer (11. 2,93) und Hesiod (op. 763sq.) in der Dichtung bekannte Personifikation der Fama4 und zahlreiche Stichwörter (etwa nuntiare, lingua, aures, os, diffundere), sondern vor allem Aussagen über Entstehung und Wesen der Fama: Um einen wahren Kern wachsen bösartige Lügen (Aen. 4,188 zu nat. 1,7,2), erlangen in der Weiterverbreitung eine gefährliche Eigendynamik und entfernen sich immer mehr vom Ausgangspu nkt (Aen. 4,175- 177.195 z u nat. 1,7,5) . In zweierlei Hinsicht jedoch setzt sich Tertullian von seinem Vorbild a b: W ährend zum einen Vergil die Fama allegorisch darstellt a ls ein federbedecktes, mit Augen, Mündern und Ohren übersätes, gefiedertes, von der Terra geborenes Scheusa1,5 begegnet Tertu llian dem Phä nomen des Gerüchtes rationalistisch und .. interessiert sich für seine antluopologischen Dimensionen, wie die Uberlegungen zum Sprachgebra uch (nat. 1,7,3), zur psychologischen Disposition des für 1
2
3
Q uACQUA RELLI Difesa 162- 165; als sententia superlativa eingestuft bei Prosc. rh et. 3 p . 553sq. Bei T ertullian handelt es sich um das erste belegte wörtliche Zitat., die Abweichu ng zwischen qtta im Vergiltex t und quo bei T er tu llian spielt dabei keine Rolle, schon die antike Philologie sch wankt zwischen den Varianten (cf. Serv. ad l.). QUACQUARELJ,J Difesa 166- 168. Den vergilischen Kontext sieht Q uACQUARELLI eher zurücktreten, Dijesa 162: " L 'ard ente apologeta cartaginese fa cadere l 'accento su malum, ehe di per gia una d efinizione della fama. Presuppone ehe iJ Ietlore conosca tutta Ia descrizione virgiliana fermandosi a consider are Ia fama come un male, di cui nulla si d iffonde piu celerm ente." Was l (RAUSE ( 153) und, in Abhängigkeit von diesem, K OURI (85) und STEINER ( 101) auf den Gedanken b ringt, Tert ullian habe Vergils personifizierte Fama durch di.e abstr akte fama ersetzt, bleibt. rät selhaft (bei B ECKER Te,·tullians Apologeticum 80, der a ls Beleg zitiert wird , findet sich dergleichen nicht) . Abgesehen davon , d aß die Entscheidung zwischen jama und Fama beim modernen Herausgeber liegt und deswegen nicht zur Interpretation herange-.wgen werden dür fte, haben sowohl Ü EHLER als auch B ORLEFFS im CC- Text Fama. Außerdem zeigt der Gebrauch von Verben wie defert, intexat ( nat. 1,7,2} , mentitur, vivit, probat, cadit, decedit (nat. 1,7,3) , daß, in der Beschreibung wie auch in der Wiedergabe des Verses Aen. 4, 174, sicher an ei ne personifizierte Fama zu d enken ist . Allerdin gs bietet F. ÜEHLER in sei ner Gesamtausgabe (Q . Septimi Flor entis T ertu lliani quae supersunt omnia I , Leipzig 1853) für nat. 1,7,7 qualem prodigam unter Herbeiziehung von A en. 4 ,18 L rnonstrum horrendum, ingens, cui quot sunt c01-pore plumae die K o njek tur quale prodigium.
se e
4
5
44
ll.l
Te rtullia.n
Gerüchte Empfä nglichen (nat. 1,7,4) und z u den emotionalen Impulsen der Verbreit ung (nat . 1,7,5) zeigen. Zum anderen nimmt Tertullian keinen Bezug auf den vergilischen Kontext, die Liebesgeschichte von Dido und Aeneas. Das wäre seiner Arg umentation auch wenig zut räglich, da bei Vergil der geschilderte Inhalt der fama, die Liaison zwischen dem Fremden aus Troja und der Königin (Aen . 4,191- 194), in nuce sachlich zutrifft, während Tertullian im folgenden die Absurdität und Haltlosigkeit der über die C hristen verbreiteten Greuelmärchen betont (nat. 1,7,22- 34). Der von Tert ullian gesuchte Anknüpfungspunkt liegt a lso weder in der poetischen Ausgestalt ung der Stelle , der in der Dichtung eine bedeutende Nachwirkung zuteil wird, 1 noch im Zusammenhang der Didohandlung, sondern in der allgemeingült igen Phä nomenologie der Fama. Deren sentenzenhafte Kurzfassung im wörtlich zitierten Vers Aen. 4,174 und deren personifizierende Darstellung nutzt Tertullian hier für seine Argumentation aus. Da ß es vor allem um die Lebensweisheit und deren sprichwörtliche Formulierung geht, zeigt auch die Gedankenführung in bezugauf die Grenzen der Macht der Fama, nat . 1,7,6: omnia tempus revelat,
testibus sententiis et proverbiis vestris ipsaque natura. 2 Insgesamt gesehen sucht Tertullia n nicht die Auto rität des Dichters, 3 sondern eine allgemein einsicht ige und anerkannte Le bensweisheit über die Fama: Die einleitende Reminiszenz (nat. 1,7,1) scheint ein durch dasßticbwort fama angeregter spontaner Einfall zu sein , den Tertullian in der Uberarbeit ung (apol. 25,8) nicht wieder a ufnimmt, der Vers über die Fama wird mit einem proverbiellen Charakter zit iert, a us der Schilderung der Fama interessiert das Allgemeingült ige. Mit welchem rhetorischen und psychologischen Geschick freilich Tert ullian gerade an diesem Punkt der Argumentation einen sentenziösen Vergilvers wählt , hat Q UACQUA RELL I gezeigt: Die a uf dem Boden von Fremd heit und Unkennt nis gedeihenden C hristengreuel gehen gerade in den ha lbgebildeten Schichten um und lassen sich daher mit rationaler Argumentation kaum widerlegen. Deshalb antwortet Tertullian a uf entsprechendem Niveau mit den Mitteln der Schulrhetorik, die a us einer eingängigen Klassikersentenz von nicht anzuzweifelnder Gült igkeit eine kuns tvoll gedrechselte Rede entspinnt.4 nat. 1,18,3 Dido: Siehe unten 85sqq. nat. 2,9,12- 19 Aeneas: Siehe unten 80sqq. nat. 2, 13,14 {13) Fu.rtivus infans (Iuppiter vester), indignus et tecto et ubere humano, merito quem Cre(tae nutrix) tam mala manebat. (1 4) Adultus deni-
que qualemcumque genitorem peUit, felicissimum regem, aurei scilicet saeculi, 1
2 3 4
Cf . COURCELLE Lecteurs 310 Anm. 205; Anne-Marie T UPET, La survie d 'un t heme virgiJjen: Ia Fama, in: C HEVALLI ER 497- 505. Cf. ÜTTO 343 Nr. 1757. Anders KRA USE 153 u nd STEI NER 101.111. Q UACQUARELLI Difesa 173sq.
11.1.2
Die Vergilzitate
45
sub q·uo laboris inopiae (........ ) ae pax quiescebat, sub quo nulli subigebant arva coloni; ( ipsaque omnia te) llus nullo poscente ferebat. In den Kapiteln 12 bis 16 greift Tert ullian nochmals das genus mythicum a uf. Zunächst (Ka pitel1 2sq.) geh t er a uf die gebürt igen Götter ein, d a nn (Ka pitel 14- 16) a uf die vergöttlichten Menschen. Nachdem er sich im Kapitel 12 vor allem mit Saturn auseinandergesetzt hat , wendet er sich im Kapitel 13 Jupiter zu, der herangewachsen seinen Vater Saturn verjagt und somit dem Goldenen Zeitalter ein Ende setzt. Dieses aureum saeculum charakterisiert Tertullia n mit Versatzstücken a us Vergils berühmter, schon von Seneca und später häufig zitierter 1 Schilderung im ersten Georgikabuch, 125- 128: Ante Iovem nulli subigebant arva coloni: ne signare quidem aut partiri limite campum Jas emt; in medium, quae1·ebant, ipsaque tellus omnia liberius nullo poscente ferebat . In einem d ie Herrscha ft des Saturn charakterisie renden Relativsatz (sub quo) gibt Tertullia n zunächst den Vers 125 von der TI·it hemimeres an vollständig wieder. Dann folgt eine Lücke in der Überlieferung, an deren Ende das Zitat im Vers 128 mit dem Wort tellus und dem Schlußteil d es Hexameters von der Penthemimeres an weiterfährt. Die in d er editio princeps2 vorgeschlagene Konjekt ur mit ipsaque a us Vers 127, einem vorgezogenen omnia und der unzweifelha.ften Vervollständig ung von tellus, wird noch immer a kzeptiert. 3 Daraus ergibt sich zwar ein vollständiger Satz, aber ein metrisch a uffälliges Gefüge a us zwei Hexameterschlüssen. Tertullian liegt also offenbar, die Richtigkeit der Konjekt ur vorausgeset zt, an d er syntakt ischen, nicht aber an der rhythmischen Adaptation des Zitatsegmentes. Aus der Beibehalt ung der prosodischen Interferenz ergibt sich dementsprechend eine Markierung. Auf die bemerkenswerte inhaltliche Schwerpunktsetzung bei der Zusammenstellung des Zitatsegmentes weist mit Recht schon KRA USE (155) hin: Tertullian g ibt wieder , was den Zustand der Natur im Goldenen Zeita lter betrifft, d ie ohne Bearbeitung von sich a us Früchte bringt , und lä ßt die Aussagen über die sozialen Verhältnisse und die Eigentumsregelung fort. Das wird a ber wohl ka um, wie K RAUSE a nnimmt, deswegen geschehen , weil jene Zustände in der Latifundienw irtschaft Nordafrikas gegenstandslos geworden seien. Vielmehr geht es Tert ullian gerade nicht um die Bezie hungen der Menschen untereinander, sondern um die ideale Beziehung des Menschen zur Natu1·, t heologisch gesprochen um eine Schöpfungsordnung, die zunächst geprägt ist von einer Harmonie zwischen Natu r und Mensch, dann aber d urch das E ingreifen Jupiters zerstört wird. Darin liegt zunächst eine Polemik gegen den paganen Gott. 4 Darüber hinaus aber steht der Mythos vom E nde des Goldenen Zeita lters hier in einer gewissen Analogie zur Vertreibung des Menschen a us 1
2 3 4
Sen . epist. 90,37sq. Die Verse georg. l ,l 26sq. zitieren Lact. inst. 5,5,5; Macr. Sat. 1 ,8 ,3. Von I. GOTHOFREDUS, Genf 1625. So etwa von BoRLEFFS in seiner Ausgabe und H A tDENTH ALLER in seinem Kommentar. So auch K ouRt 92.
46
11.1
Tertullian
dem Paradies. 1 Vielleicht steht also hinter der apologetischen B enutzung des locus classicus über das Goldene Zeitalter in der Polemik gegen Jupiter die religionsphänomenologische Parallele zwischen der aetas aurea und dem jüdisch- christlichen Paradies. nat. 2,13,20 (20} Si enim re( ....................... )pibus et pro seminatoribus suis morata plebs eadem q( ..... ... .... .. .. .... ) natura, alibi auctoritas exigebat similitudinem morum. ( .............. ) Quanto deterior, qui non melior? Privato enim titulo Iovem Opti(mum dici)tis et est Veryilii 1aequus Iuppiter'. (21} Omnes proinde incesti in suos, impudici (in ex) traneos, impii, inittsti: cui nullam insignem infamiam fabula reliquit, ( is) deus fieri non fuit dignus. Tertullian kommt, nachdem er das Verhalten gegenüber Saturn abgehandelt hat (nat. 2,13,11- 14), auf den Inzest mit Juno (nat. 2,13,15), auf andere erotische Abenteuer (nat. 2,13,16) und auf die Verwandlungen zu sprechen, die der Mythos dem Göttervater zuschreibt (nat. 2,13,17sq.). Für die folgenden beiden Paragraphen (nat. 2,13,19sq.), die das Kapitel beenden, läßt sich die Aussage nur erahnen, da der Text lückenhaft und das Erhaltene a nscheinend verschrieben ist. 2 Offenbar erscheint Jupiter als Herrscher über eine Schar von göttlichen Wesen ( daemones oder die weiteren Nachkommen des Saturn?), d ie er an Schändlichkeit noch übertreffe. Dazu werden die Gottesprädikationen Iuppiter Optimus Maximus und aequus l uppiter in Kontrast gesetzt. Daraus folgert Tertullian, Jupiters schlechte Eigenschaften träfen auf alle Götter zu. Den T itel aequus verwendet Vergil , auf den Tertullian sich ausdrücklich bezieht, nur einmal, nämlich in den Worten der Siby lle über d ie Schwierigkeit, aus der Unterwelt zurückzukehren, Aen. 6,129sq.
pauci, quos aequus amavit Iuppiter aut ardens evexit ad aethera virtus, dis geniti potue7'e. Die Polemik scheint man fo lgendermaßen erklären zu müssen: Jupiter ist erstens schändlich und zweitens das Oberhaupt einer Götterschar, er heißt Optimus Maximus und aequus, demnach sind alle Götter Übeltäter. Die Pointe liegt aJso im Spiel mit dem Bezug von Optimus Maximus auf die oben aufgeführten Untaten des Gottes und von aequus a uf die gleichmä ßige Verworfenheit aller Götter . Damit wird , unter Ausnutzung des semantischen Spektrums von aequus ('gleich' und 'günstig'), a us dem aequus Iuppiter, also aus dem d ichtersprachlichen gnädigen Gott,3 der die Wiederkehr aus dem 1
2
3
So ist in der Genesis das Paradies dadurch gekennzeichnet, daß d ie Bäume von sieb aus Ihre Früchte spenden (Gen 2,9), mit der Vertreibung geht d i.e Notwendigkeit dEe Ackerbaues einher (Gen 3,19). - Zum Zusammenfließen der Vorstellung vom Goldenen Zeitalter und vom jUdlsch-christlicbeh Paradies bei Laktanz (inst. 5,&-8) und in der späteren christlichen Literatur BUCHHEIT Goldene Zeit, PG8-'im. Dazu ausführlich HAIDENTHALLER csd l. 180sq. ThLL I s.v. aequus 1035,22-41 nennt bis auf Fronto p.l66,22 N. nur poetische Belege.
II .l.2
Die Vergilzitate
47
.. Totenreich gestattet, der Ubeltäter, der gena uso schlimm ist wie seine ganze Bande. 1 Bemerkenswert ist, daß eine vergilische Gottes bezeichnung neben dem offiziellen T itel Juppiter Optimus Maximus steht und Vergils Theologie ein e benfalls offiziöser Wert beigemessen wird. Die Ma rkierung des Zitates d urch die ausdrückliche Nennung Vergils 2 soll sicher stellen, daß der Leser diese Pointe, auf die der ganze Gedanke hinauslä uft und für deren Perzeption die Herkunft der Gottesprädikation bekannt sein muß, in jedem Fall goutieren kann.
nat. 2,17,6 Vellet (Iuno urbem suam) posthabita Samo dilectam et utique Aeneadarum ignib'us adoleri'? ( Quod sciam:)
hic illius arma; hic currus fuit; hoc regnum dea gentibus esse, si qu( a fata) sinant, iam tune tenditque fovetque.
(7) Misera advers'us fata n( on valuit)! N ec tarnen tant'um honoris Romani fatis decreverunt, tLt dedent( ibus Cartha) ginem sibi, quantum Larentinae! Im letzten erhaltenen Kapitel des Werkes widerlegt Tertullian die Ansicht, Rom verdanke seine G röße den Göttern als Lohn für seine F'l:ömmigkeit ( nat. 2,17,1sq. ). 3 In einem ersten Ged anken führt Tertullian die Götter vor, die dafür in Frage kämen , nämlich die urrömischen Sterculus, Mutunus und Larentina (nat. 2,17,3), da ja Jupiter auf der Seite Kretas (nat. 2,17,5) und Juno auf der Seite Karthagos (nat. 2,17,6) stehen müßte. Das besondere Verhältnis der Juno zu Karthago gibt Tertullia n in Anlehnung an Vergils Da rstellung wied er, der damit zu Beginn des ersten Aeneis buches die Feindschaft der Juno gegenüber den Trojanern begründet, 16-18:
Urbs antiqua fuit (Tyrii tenuere coloni} Karthago, Italiarn contm Tiberinaque Longe ostia, dives opum stttdiisque asperrima belli, quam Iuno fertur terris magis omnibus unam posthabita coluisse Samo. hic illius arma, hic currus fuit; hoc regnum dea gentibus esse, si qua fata sinant, iam turn te nditque fo vetque. 1
2 3
Den Rückgriff auf die semantische Ambivalenz von aequtts bemerkt schon BRAUN ( Poetes 24), der darin eine bewußt vom Autor versuchte, aber ins Apologeticum nicht mehr übernommene Kühneit in der Prätextrezeption s ieht. Ausdrücklich dagegen HECK Vestrum est 106 Anm. 23: "Tertullian st-ellt den Optimus- Titel und die vergilische Wendu ng ein fach a ls den Lesern geläufige luppiter- Prädikate zusammen; der Kontext des - wahrscheinlich 'geflügelten' [cf. CouR.CELLE Lecteurs 431 Anm. 45: Plin. epist. 1,2,2; 'T'ert. nat. 2, 13,20; Sidon. epist. 4 ,3, 10, S. F.] - Vergilwortes in der Aeneis interessiert ihn dabei nicht, ist ihm vielleicht ad hoc gar nicht präsent." - Doch spricht ja gerade die Bekanntheit der Junktur eher für ein bewußtes Spiel mit der Doppelbedeutung von aequus. Cf. unten 78sqq. Zur Ergänzung der lückenhaft überlieferten Eingangsparagraphen H AtDENTH ALLER ad l. 194- 197.
48
11.1
Tertullian
Aus dem ersten Satz der vergilischen Schilderung übernimmt Tertullian das für ihn Entscheidende, nämlich die besondere Vorliebe de r J uno für Karthago, aufgrund derer sie diese Stadt sogar der Insel Samos, dem Ort ihrer Geburt und ihrer Hochzeit mit Jupiter, voranstelle. Die sig nifikante Formel posthabita Samo gibt Tertullia n wörtlich wieder, colere ändert er zu diligere, ansonsten ko mmt es ihm nicht a uf die Geschichte der Stadt an - a uch der Name Karthago folgt erst nach dem Zitat, es steht also außer Zweifel, von welchem Ort d ie Rede ist - , sondern a uf deren Zerstörung durch die Römer. Bei Vergil wird die Tatsache, daß Juno weiß, daß dle Trojaner einstmals Karthago in Trümmer legen sollen, in den folgenden Versen e1wä hnt 1 a ls Begründung für ihren Haß gegen Aeneas. Tertullian hingegen blickt auf die Eroberung Karthagos zurück und stellt dieses historische Faktum kontrastierend neben J unos Vorliebe für die Stadt. Den zweiten Satz übernimmt Tertullian dann, vielleicht eingeleitet durch die von den Herausgebern a us der entsprechenden Stelle im Apologeticum (25,8) ergänzte Formel quod sciam, als wörtliches Zitat. Darin geht es um den Hintergrund für die Wertschä tz ung der Stadt: Da sich dort besonderes Kultgerät, vor a llem der Wagen der Juno, befindet,2 liegt der Göttin die Förderung der karthagischen Frömmigkeit besonders am Herzen. Damit greift sich Tertullian also den für seine Arg umentation am besten passenden Aspekt aus der vergilischen Begründung für Junos Feindschaft gegen die Trojaner heraus: Obwohl Ka rt hago in besonderer Frömmigkeit Juno verehrt und obwohl sich Juno entschieden für ihren Kultort einset zt , gelingt es den Römern, die Stadt zu erobern und zu zerstören. Hier freilich beschränkt sich Tertullian a uf die Schlußfolgerung, daß Juno es kaum gewesen sein könne, die die Römer unterstützt habe. Aus dem vergilischen si qua fata sinant gewinnt er dann im folgenden Paragraphen (nat. 2,17,7) noch eine polemische Spitze gegen die Machtlosigkeit der misera gegenüber dem fatum. Vergil wird also z ur Ill ustration und als locus classicus für das Verhältnis der J uno zu Karthago zitiert. Der Sache nach ist das für den Argumentationsfortgang Entscheidende schon in der einle itenden rhetorischen Frage gesagt: Juno kann es nicht sein , die Rom zur Zerstörung von Kar t hago verhilft . Das Zitat dient aber nicht nur a ls Beleg für die Vorliebe der Göttin für Karthago, sondern ergibt zwei apologetische Argumente, nämlich die Sinnlosigkeit von Kult und Frömmigkeit gegenüber heidnischen Göttern und deren Macht losigkeit gegenüber dem fatum. Apologeticum
Gegen Ende des Jahres 197 richtet Tertullian das Apologeticu.m formell als schriftliche Verteidigung des C hristentums an die Provinzstatthalter und die 1
2
Cf. Aen. 1,19-22. Ausführlich beschreibt den Wagen der Hera/ Juno schon Horn. II. 5,72o-732; zu d essen kultischer Bedeutung BöM.ER ad Ov. fast. 6,45 {341).
II .l.2
Die Yergilzitate
49
übrigen mit der Rechtsprechung betrauten Magistrate. 1 Dementsprechend folgt der Aufba u des Werkes den Gesetzen d er forensischen Rede: Tert ullian führ t Klage über den ungerechten Umgang mit den C hristen, d ann widerlegt er die gegen sie erhobenen Vorwürfe. Am Ende steht die retorsio und eine Abgrenzung des Christent ums von philosophischen Lehren.
apol. 7,8 Natura farnae ornnibus nota est. Vestrum est:
Fama2 malum, qua3 non aliud velocius ullum. Gur malum f ama'? quia velox, qui a index, an quia plurimum rnendax'? Q1tae ne ttmc quidem, cum aliquid veri def ert, sine m endacii vitio est, detrahens, adiciens, demutans de veritate. Seine Widerlegung der Vorwü1·fe de sacramento infanticidii et pabulo inde et post convivium incesto (apol. 7,1) beginnt Tertullian mit dem Einwand , daß es sich dabei um ungeprüftes Gerede handle (apol. 7,2), für das seit Aufkommen des Christentums niemals die Spur eines Beweises habe erbracht werden können (apol. 7,3- 5). Ferner sei nach dem Ursprung dieser Greuelmärchen zu fragen: Uneingeweihte kennten sie nicht, Teilnehmer trügen sie nicht an die Öffentlichkeit (apol. 7,6sq.). Alles sei nur fama (apol. 7,8- 14). Im folgenden Kapitel (apol. 8) argument iert Tertullian dann, daß kein Mensch es über sich bringe, solche Greueltaten zu begehen. Die Ausführungen über dle natura famae leitet Tertullian, wie schon im Entwmf (nat. 1,7,2), mit dem sentenziösen Vers (Aen. 4,174) aus Vergils Dido-Buch ein , dann lehnt er sich wiederum an d ie Beschreibung der Fama (Aen. 4,173- 197) an. Bemerkenswert sind folgende Verä nderungen gegenüber der früheren Fassung (nat. 1,7,1- 7): 4 Kein fictus interlocutor leitet meru· mit einer Vergilreminiszenz den exkursartigen Absehtl itt über d ie fama ein, sondern das knappe nat·ura famae omnibus nota est, d as in d er Art einer Überschrift das Wesent liche zusammenfaßt. Das Zitat , diesmal syntakt isch 1
2
3 4
Zur Datierung und insgesamt zur Forschungslage H . T RÄNKLE H LL 4 {1997) 444--449; zum Aulbau G. ECKERT, Omto1· Christicmv.s. Untersuchungen zu r Argumentationskunst in Tertulli ans Apologeticum, Stut tgart 1993. D EKKERS fügt an d ieser Stelle in seinem CC- Text vo n 1954 ein est ein , o hne im Apparat eine Erklärung zu bieten. Weder die anderen heran gezogenen Ausgaben (l\!JCNE PL I 36 1 n. 52, ÜEHLER, RAUSCHEN, COLOt.IBO, l\1AR.TIN, H OPPE, B ECKER, FR.ASSINETTI, WALTZING, auch nicht im Kommentar lad l. 63J; an älteren etwa CAILLAU j G UILLON, Mailand 1831; ÜBERTH ÜH, Würzburg 1780) noch, soweit ich sehe. die textkrtitische Liter atur ( H . SCHR.ÖRS, Zur T extgeschichte und Erklärung von T ertullians Apologetikum, Leipzig 1914 ; E. LÖFSTEDT, Kritische Bemerkungen z u Ter tullians Apologeticum, Lund 1918 , ad I. 26; G. RAuSCHEN, Emendationes et adnotationes ad Tertullia.ni apologeticum, Bonn 1919 ! Flori legium Patristicum 12j, ad l . 12; G. THÖRNELL, Studia Ter tu llianea, Upsala I 1918 - IV 1926) wissen von dieser Lesar t . Die Rezensenten der CC- Ausgabe M .P.J. VAN DEN H ouT, Museum 60 (1955) 224- 226, S.L . GREENSLADE, JThS NS 7 ( 1956) 125-129, C. B ECKER, ThRev 54 (1957) 172- 174 , und J.G . PR.EAUX, RB 36 {1958) 951- 953, nehmen d azu nicht Stellung. Es scheint lediglich ein Versehen des H erausgebers vorzuliegen. Tert. nat. 1,7,2 qv.o, vgl. aber oben 43 Anm. 1. Siehe oben ( 4 1) zu nat. 1,7, lsq.
50
Il.l
Tertullian
a bgesetzt, wird eingeleitet durch vestrum est. Darin markiert Tertulllan zwar den Grenzverla uf zwischen seiner Seite, der christlichen, und der Seite seiner Adressaten, der paganen , auf die Vergil a ls 'einer der Euren' 1 gehört. Aber nicht die Distanzierung von Vergil als paganem Dichter ist der Zweck dieser Worte, sondern die a usdrückliche Anknüpfung an eine der Gegenseite bekannte Einsicht über die natura jamae in einer Form, die eine besondere Gültigkeit und Wertschätzung bei den Angesprochenen für sich beanspruchen kann. In ähnlichem Sinne heißt es dann a uch unten (apol. 7 ,13): bene autem
quod omnia tempus revelat, testibus etiam vestris proverbiis at([Ue sententiis, womit Tertullian ebenfalls auf eine pagane Spruchweisheit anspielt, die a uf die Dichtung zurückgeht. 2 Natürlich muß also angesichts der für das Werk charakteristischen Konfrontation von P aganem und Christlichem Vergil a uf der Gegenseite stehen. Wenn Tertullian diese Tatsache a ber durch vestrum est betont, da nn t ut er das nicht, um sich bewußt vorn Dichter abzuset zen, sondern um seine Argumentation (im Sinne eines ' ihr sagt doch selbst') in der Vorstellungswelt seiner paganen Adressaten zu vera nkern.3 Es ist a lso, gena u wie in der früheren Fassung, das Sentenziöse und Allgemeingültige des Verses, wora uf es Tert ullian ankommt; die auctoritas des Dichters spielt vielleicht bei der konzeptionellen Entscheidung für das Zitat e ine Rolle, kommt a ber im Text nicht zum Tragen . Die auf das Zitat folgenden Überlegungen zur natura famae lehnen sich bis auf kleinere Umformulierungen an d ie frühere Fassung an .4 Tertullian bleibt also bei der in lockerer Nacha hmung Vergils erarbeiteten Phänomenologie der Fama. 1
So WALTZING ad l. 63. 2 Cf. WALTZING ad l. 63; ÜTTO 343 Nr. 1756. 3 Wä hrend BRAUN (Poetes 23) mit Recht nur hervorhebt, daß Tertullian "insiste sur l'origine pro fan e" , sieht H ECK (Yestr um est 107) darin ei.nen Beleg der Geringschätzung Yergils: "IDJas b losse uestrum est an unserer Stelle st att der Nennung eines Kronzeugen mit a utoritat iver Gelt ung, der Yergjl spätestens seit Seneca und Q uintilian war, lwirktJ eher abwer tend - 'bei euch gibt es so ein Dichterwort'. Tertullian d enkt jedenfalls nicht daran , sich auf Vergil als eine hochgeachtete Autorität zu berufen , wie d as spätere Christen tun werden , sondern setzt Worte heidnischer Römer als uestra ebenso von Christliebem ab, wie er a ndernorts !sc. nat. 1,18,2- 5; castit. 13,3, S. F .J den Exempla standhafter Römer , d ie er uestri nennt, standhafte C hristen a ls nostri gegenüberstellt." - Bei diesen Beobachtu ngen ist freilieb zu bedenken, daß Tertullian an dieser Stelle eine Bewertung Vergils gar nicht beabsichtigt. ln den Worten vestrum est wird z war, wie HECK zu Recht betont, der Graben deutlich , der zw ischen Heident um und C hristent um verläuft, auch d ie Tatsache, daß es Tert ullian hier offenbar n icht darum geht , diesen G raben zu überbrücken und sich ausdrücklich auf eine pagane Autorit ät zu ber ufen. Andererseits aber ist dem Apo logeten hier a uch nicht an einer bewußten und intentionalen Distanzierung von Yergil, d.h. an einer Abwertung des paganen D ich ters , gelegen. Dazu bleibt Vergil vie l zu seh r im H intergrund , Tert ull ian sucht in erster Linie, wie QUACQUAR.ELLI ( Difesa, passim) richtig gesehen hat, d ie bei seinen Adressaten anerkannte Sentenz. 4 Lediglieb der Schlußsatz ist signifikant geändert (nat. 1.,7,7 und a pol. 7,14). E rbeendet die exkursartigen A usfüh ru ngen über d as Wesen des Gerüchtes und fü hrt wieder zurück zur Argumentation, daß es keinerlei Beweise für die Greuelmärchen über die Obrist en gebe.
•
II.l.2
D ie VergilzitaLe
51
a pol. 12,6 Sed plane non sentiunt has iniurias et contumelias fabricationis suae dei vestri sicut nec obsequia. 0 impiae voces, o sacrilega convicia! lnfrendite, inspumatel Iidem estis, qui Senecam aliquem pluribus et amarioribus de vestra super'stitione perorantem pr'obetis.
Die Weigerung der Christen, am Götterkult teilzunehmen, erklärt Tertullia n im Kapitel 12 damit, daß es sich bei den Götterbildern nur um tote Materie handle. Dem Unmut seines Publikums vorausgreifend , verweist er dieses auf Senecas entsprechende Ausführ ungen. 1 Das für den Zorn der Leser gebrauchte Verb infrendere erscheint in der Dichtung seit Vergil ( dentibus infrendens Aen. 3,664 Polyphem; 8,230 Herkules; 10,718 E ber), vor allem bei den F lavischen Epikern, in der Prosa vereinzelt nach Tertu llian.2 Tertullian verwendet das Wort nochmals in der Schrift de corona, für die ungehaltene Reaktion der Kameraden, als ein christlicher Soldat die Bekränzung verweigert (coron. 1,2 D enique singuli designare et l·udere eminus, infrendere comminus) . Tert ullian greift also zur Ausgestalt ung des heidnischen Zornes, der den Christen entgegenschlägt, auf das Register der vergilisch geprägten Dichtersprache zurück. apol. 14,2 filium suwn A eneam: Siehe unten 80sqq. , v.a. 81. apol. 24,7 Atque adeo et Aegyptiis permissa est tarn vanae superstitionis potestas avibus et bestiis consecrandis et capite damnandis, qui aliquem hui·usmodi deum occider'int.
Im Ra hmen der retor·sio des crimen laesae religionis, der die Kapitel 24 bis 26 gewidmet sind , begründet Tertullian seine Forderung nach der libertas religionis (apol. 24,6) mit dem Hinweis a uf die verschiedenen Völker, denen jeweils ihTe eigene Form der Religionsausübung zugestanden werde, a uch wenn es sich, wie bei den Ägyptern , um eine vana superstitio handle. Dieser Ausdruck ist im achten Aeneisbuch erstmals belegt. Dort erklärt E uander dem Aeneas das gerade zu Ehren des Herkules abgehaltene Opferfest, Aen. 8,187 (185- 189): f. ..j Non haec sollemnia nobis, has ex more dapes, hanc tanti numinis aram vana superstitio veterumque ignara deor·um imposuit: (...J Aus der Junktur wird bald eine feste Wendu ng für eine Haltu ng verurteilenswerten Aberglaubens, der die Ordnung stört: Columella (1,8,6; 11 ,1,3) bezeichnet damit a bergläubische Umtriebe, die in einer gut geführ ten villa rustica zu unterbinden sind, Seneca (nat. 7,1,2) die grundlose Unruhe, von der die unkundige Masse bei eine r Mondfinsternis erfaßt wird, Tacitus (hist. 4,54) die be reitwilljge Aufnahme eines vermeintlichen Himmelszeichens, das 1 2
GemeinL ist wohl Senecas verlorene Schrift de superstitione. cf. WALTZING ad l. 97. ThLL VII, l s.v. infrendo 1488,26 43; cf. NEUE / WAGEN ER I1I 282.
52
11.1
Tertullian
in der Deutung der Druiden in Gallien Unruhe verbreitet. 1 Auch die Christen g reifen den Ausdruck sogleich a uf: Tertullian (pall. 4,10) verwendet ihn nicht nur für die Religion der Ägypter, sondern auch für alle Formen des Aberglaubens, denen sich die sapientia versagt. Minucius Felix läßt in seinem Dialog Octavius den heidnischen Unterredner Caecilius diesem Sprachgebrauch folgen und ihn mit vana superstitio den christlichen Glauben als Grundlage des verdächt igen Zusammenhalts der Christen untereinander bezeichnen.2 Cyprian stellt die vana superstitio als Oberbegriff für das Heidentum der vera religio, dem Christentum, gegenüber. 3 Auch Novatian, Firmicus Maternus und zahlreiche weitere Autoren der christ lichen Latinität4 übernehmen den Ausdruck und verwenden ihn ganz aus christlicher Perspektive für Heidnisches, Häretisches und Jüdisches.
apol. 25,8 Vellet et Iuno Punicam urbem, posthabita Samo dilectam, ab
Aeneadarum utique gente deleri? Quod sciam: hic illiu.s arma; hic currus fuit; hoc regnum dea gentibus esse) si qua jata sinant, iam tune tenditque fovetque. Misera illa coniunx Iovis et soror adversus Fata non valuit! Plane Fato stat luppiter ipse. (9) Nec tantum tarnen honoris Fatis Romani dicaverunt dedentibus sibi Carthaginem adversus destinatum votumque lunonis, quantum prostratissimae lupae Larentinae. 5 Gegenstand der apologetischen Krit ik im Kapitel 25 ist illa praesumptio di-
centium Romanos p1-o merito religiositatis diligcntissimae in tantum s'ublimitatis elatos, ut orbem occuparint (apol. 25,2), die von paganer Seite a uch als Gottesbeweis a ngeführt werde. Zunächst wirft Tertullian voller Ironie die Fl-age a uf, welche Götter denn dafür in Anspruch zu nehmen wären: Es müsse sich um die ursprünglich römischen Gottheiten Sterculus, Mutunus und Larentina handeln (apol. 25,3). Nach einer spöttischen praeteritio der Kybele (apol. 25,4-6) schließt Tertullian Jupiter, der kaum Cretam suam Romanis fascibus concuti sineret (apol. 25,7), und Juno aufgrund ihrer Vorliebe für Roms E rzfeind Karthago (apol. 25,8sq.) als Förderer des imperium Romanum aus, um in beißendem Sarkasmus wieder auf die lupa Larentina zurückzukommen. Wie schon in der früheren Fassung (nat. 2,17,6), so lehnt sieb Tertullian a uch hier an Vergil an: Ka rt hago sei eine Stadt ( Aen. 1,15-17), 1
2
3 4
5
Außerdem etwa Sil. 5 ,126; Seren. 50,931. Min. Fel. 9,2, s iehe unten 126; cf. 1,5 superstitiosis vanitatibus. Cypr. Demetr. 5, siehe unten 232. Novatian . spect. 2,1 (siehe unten 201); Firm. err. 17,4; auch später sehr häufig als feste We ndung, etwa Faustin. trin. 5,5; Ambr . Abr. 1,4,22; in psalm. 1,22,3; in Luc. 7 ,106; Aug. civ. 18,24; Hier. Is. 4,11 ,15. Lact. inst. 4,28,15 hingegen zit iert d en Vergilvers wörtlich. Zur im Text fehlenden und im Register irreführenden ('poeta ignotus') Zuweisung des Zitates im Corpus Chr istianorum wenig ertragreich G. MA IOLJ, Ramenta patristica 2Q-30, Ephemerides Ca.rmeliticae 30 (1979) 470-487, hier 485sq.
Il.l. 2 Die Yergilzitate
53
quam Iuno fertur terris magis omnibus unam posthabita coluisse Samo. hic illius arma, hic currus fuit, hoc regnum dea gentibus esse, si qua fata sinant, iam tune tenditque fovetque .
Wiederum steht der Aspekt des Kultes, also die Höherschätzung des Kultortes durch die Göttin, im Mit telpunkt des Zitates. Eingeleitet wird das Zita t mit den Worten quod sciam. Dabei bleibt zu fragen, ob damit der Wortlaut der Vergilverse ('soviel ich weiß, heißt es: [... ]') oder deren Inhalt ('soviel ich weiß, war dort [...]') gemeint ist.1 Jedenfalls will Tert ullia n damit keinen wirklichen Zweifel an seiner Wiedergabe oder an der sachlichen Richtigkeit der Vergilworte a usdrücken, vielmehr ist darin ein ßoskelhaft- urbanes Understatement zu sehen. 2 Neu gegenüber der Fassung der Stelle im Werk ad nationes ist die Reminiszenz conittn.7: Iovis et soror, die zurückgeht auf Aen. 1 ,46sq. (46- 48) : ast ego, quae div-um incedo r·egina Iovisque et soror et coniunx, una cum gente tot annos bella gero. Anders aber als etwa später Arnobius zitiert Tertullian diese a uf Homer zurückgehende Formel nicht, um daran den Vorwurf des Inzestes zu knüpfen,3 wenngleich das Anrüchige mitschwingen dürfte, sondern um den Kontrast zwischen J unos Machtstellung und ihrer Macht losigkeit beim Einsatz für Karthago hera uszustellen. Das entspricht gena u dem vergilischen Kontext der Worte, der sich an das obige wörtliche Zitat a nschließt und beim Leser zweifellos evoziert wird: Juno klagt über den Verlust an Ansehen und kultischer Verehruug, der ihr drohe, wenn sie die Land nahme der Thojaner in Italien nicht verhindern könne. Tert ullian führt also seine mit dem wört lichen Zi tat begonnene Anlehnung an die Exposit ion der Aeneis und insbesondereden Auftritt der .Ju no konsequent und de r gedanklichen Entwicklung des E pos entsprechend weiter. Dabei betrachtet er den Fortgang der Ereignisse freilich nicht a us dem Blickwinkel der gemä ß dem fatum siegreichen Trojaner, sondern a us dem der unterlegenen Kart hager und ihrer Schutzgöttin J uno. Diesen bereits im Werk ad nationes prakt izierten Perspekt ivenwandel bei der Aeneisrezept ion ba ut Tertullian durch hinzugefügte Referenz weiter a us. Wiederum greifen dabei die Kritik am römischen Selbstverständnis, ein nordafrikanischer Lokalpatriotismus und die ironische Spitze gegen pagane Gottesvorstell ungen ineinander, die Juno als misera illa genauso macht los demfatumgegenüberstehen lassen wie ihren Bruder und Gatten, denn: Fato stat Juppiter ipse. Auch dieses Zitat ist neu gegenüber der Fassung im zweiten Buch ad nationes. Woher dieser daktylische Halbvers stammt, läßt sich 1
Die von WALTZI I'IC zur Erklärung der Stelle (19 1) gegebenen Übersetzungen ("autant que je sa.che, si j 'ai bon ne memoire, si j 'en crois V irgile" ) lassen beide Möglichkeiten offen. 2 WALTZING ( ad l. 191 ) spricht von einer "locution familiere" und verweist aufapol. 23,19 colitis illos, quod sciam, etiam de sanguine Christianorum. 3 Siehe unten (300) zu A rnob. nat. 3,30.
54
II.l
TertuHian
nicht klären. Die ältere Forschung schreibt ihn Ennius zu, neuerdings hat man Lukan vorgesch1agen. 1 Die E rweiterung auf Jupiter greift dessen oben (apoL 25,7) mit der besonderen Beziehung zu Kr~ta begründeten Ausschluß als Schutzgott des imperium Romanum wieder auf und führt d as Argument zu Ende: Die Römer verda nken ihre Größe nicht den Göttern J upiter und J uno, sondern dem fatum. Da sie diesem aber sogar noch die prostitutissima lupa Larentina an Verehrung voranstellen, kann das imperium Romanum kaum zum Dank von den Göttern gefördert worden sein. Im apologetischen Argumentationszusammenhang sollen die Zitate also in erst er Linie verdeutlichen, wie machtlos die paganen Schutzgot t heiten und wie sinnlos ihre Kulte sind. Damit einher geht der Beweis d afür, daß Jw10 nicht diejenige Gottheit sein könne, der Rom seine Größe verdankt. 2 lm Hintergrund scheinen nordafrikanischer Lokalpatriotismus verbunden mit einer Antipat hie gegen die Aeneadae und ihr Sendungsbewußtsein ebenso mitzuschwingen wie die Freude an der pointiert ironischen Polemik. Vergil fungie rt da bei in erster Linie a ls der 'fräger der kanonischen Überlieferung, deren Kenntnis beim Adressaten vorauszusetzen ist.
apol. 25,16 Et ab hostibus suis sustinent adorari et illis imperium sine fine decernunt, quorum magis iniurias quam adulationes remunerasse debuerant! Sed qui nihil sentiunt, tam impune laeduntur quam frustra coluntur. Gegen die Anschauung, die Götter förderten das imperium Romanum aufgrund der Frömmigkeit der Römer , führt Tertullian als letztes Argument (apol. 25,14- 17) die irreligiositas der Römer an: Da es bei deren Eroberungen zwangsläufig zu sacrilegia gekommen sei, müßten dann die Götter ihren Feinden ein imperium sine fineverliehen haben. Damit greift Tertullian d ie berühmte Formel a us der J upit erprophezeiung im ersten Aeneis buch a uf, 279: his ego nec metas rerum nec tempora pono: imperium sine fin e dedi. 1
Von einem Ennius fragment geht etwa BRAUN ( Poetes 25 Anm. 18) aus, V. TANDOt, lntor no ad una citazione poetica. latente in Te rtulliano, Apol. 25,8 fa to s tat luppiter ipse, in : Disiecti membra poetae I, a cura. di V. T ANDOt, Foggia 1984 , 175--199 weist den Ha lbvers einem verlorenen Lukangedicht de incendio urbis zu. 2 Daher wird man STEINER ( 107) nicht zustimmen, wenn er (unter Berufung au f KRA USE 156) behauptet, "[d jaß das Zitat in den vorliegenden Zusammenbang kaum hinein paßt". Auch seine Bemerku ng (oder sein Einwand?) , Tertullian hätte noch weitere Stellen , etwa Junos Klage über ihre Machtlosigkeit (Aen. 1,46 [!J), zitieren können, bleibt rätselhaft: Cenau das tut Tertullian doch. STEtNERS Gesamturteil über die Stelle ( 107: "Freilich sind a lle diese Passagen a ls Demonstration der Literaturkenntnis des Autors wohJ wichtiger denn als apologetische Argumente, vor allem, weil wieder einmal etwas fatal seine Neigung durchschlägt, die Götter in die menschliche Vorstellungswelt zu verpflanzen.") übersieht zum einen die Fügung der Argumentation , die o hne das klug ausgewählte Zitat über die Sin nlosigkeit des Kul tes und die Macht losigkeit des Schutzgottes keinen Bestand hätte, zum anderen d ie Tatsache , daß nicht Tertullian einem anthropomorphen Got tesbild huldigt, sondern die Kritik an einem solchen eines der zentralen Anliegen apologetischen Sc.hrifttums darstellt - und keine 'fatale Neigung'.
ll.1.2
Die Vergilzitate
55
Hier zit iert Tertullian eine Schlüsselstelle für das römische Nationalbewußtsein und für die t heologische Recht fertigung der Expansionspolitik. Durch den Kont rast zwischen den Freveltaten bei der Erweit erung des römischen Herrschafts bereichs und dem Anspruch eines gottgegebenen imperium führt Tertullian zu m einen die religiöse Begründung römische!" Größe ad absuTdum und stellt zum anderen den G la uben an pagane Götter, die belohnen und bestrafen können, grundsätzlich in Frage. Für die Gegenposit ion steht das hier als ideologisches Schlagwort gebra uchte imperium sine fine. Vergil spielt a lso nur insofern eine Rolle, als von ihm der Ausdruck st ammt. 1 Auch spätere C hristen greifen das Zitat vom imperium sine fine in der Auseina ndersetzung mit dem religiösen Anspruch Roms auf. 2 apol. 26,2 Quid erratis? prior est quibusdam deis suis silvestris Roma; ante Tegnavit quam tan tum ambitum Capitolii extrueret. Regnaverant et B abylonii ante pontifices et M edi ante quindecimvims et A egyptii ante Salios et A ssyrii ante Luper-cos et Amazones ante virgines Vestae. Im Kapitel 26 wendet Tertullia n seine refutatio ins Positive: Der eine Gott verteile die Herrschaft, deswegen hätten a uch vor der Entstehung Roms und seines Kultes Reiche existiert. In diesem Zusammenhang läßt er nochmals das oben (apol. 25,12) schon ausgeführte historische Argument anklingen: Ma nche Götter Roms seien jünger als die Stadt selbst. In dem Ausdruck silvestris R oma liegt eine Anspielung auf den Rundgang des Aeneas und des Euander auf dem noch von G estrüpp bedeckten Ort des späteren Rom, Aen. 8,347sq.: Hinc ad Tarpeiam sedem et Capitolia ducit aurea nunc, olim silves tribu.s horrida dumis. Zwar liegt eine sprachliche Referenz nur in Silvester, aber d urch den Bezug a uf Rom und den Zusammenhang mit dem ausdrücklich erwähnten Ka pitol ergibt sich eine so a uffäJJlge Junktur, daß der Leser a uf diese gedankliche Verbindung stoßen muß. 3 Der Hinweis a uf die Zeiten, a ls Rom noch eine menschenleere Einöde war, paßt freilich weniger in den aktuellen Gedankengang, d aß d ie Stadt älter sei als ihre Götter, sondern weist a uf das folgende Arg ument voraus, wonach es auch schon vor der Entstehung des imperium Romanum mächtige Reiche gegeben ha be. In seinem unmittelbaren Kontext erscheint silvestris Roma daher zunächst doppelt rätselhaft, ehe sich d ie Ans pielung und die gedankliche Verknüpfung mit dem folgenden Satz klären. In 1
2
3
ln diesem Sch lagwort manifestiert sich eine religiöse Dimension römischen Herrschaftsanspruches, die Tertullian a ls Ch rist nicht mittragen kaJw , cf. K t..E IN Tertullian 66; H ECK MT] 9tO!J.<X::tti\l 6 1sq. Cf. Min. Fel. 25, 1; dazu unten 154; P roba cento 142sq.; Aug. civ. 2,29 lllic enim tibi non Vestalis focus, non Lapis Capitolinus, sed unus deus et verus nec metas rerum nec tempora ponet, imperium sine fine dabit. Quodv. 5,13,5. O LD und FORCELLIN I s. v. silvestris geben keine Hinweise auf einen Sprachgebrauch, der die Verwendung von silvestris für Rom a nders erklären könnte.
•
56
11.1 TertuJHan
dem vergilisch gefärbten Hinweis, daß es bereits gr~ße Reiche gab, als Rom noch eine Wüste war, mag auch Spitze gegen den römischen Nationalstolz und seine Berufung auf Vergilliegen.
apol. 40,4 Memorat et Plato m aiorem A siae vel Africae terram A tlantico mari inereptam. Sed et mare Corinthium terrae m otus ebibit, et vis undarum Lucaniam abscisam in Siciliae nomen relegavit. Haec utique non sine iniuria incolentium accidere potuerunt. Im Kapitel 40 setzt sich Tertullian mit dem oft zum Anlaß für Pogrome und Verfolgungen genommenen Vorwurf auseinander, die C hristen seien schuld an Naturkat astrophen und Unglücksfällen. Diese aber, so hält Tert ullian dagegen, ha be es immer gegeben (apol. 40,3- 9) . Unter den Beispielen, die Tertullian anführt, versunkene Inseln und weitere geogra phische Veränderung a ufg rund von Naturkatastrophen, findet auch die Loslösung Siziliens vom Festland Erwähnung. Dasselbe Ereignis beschreibt bei Vergil der Seher Helenus in seiner Prophezeiung über die den 'Dojanern bevorstehende Fahrt, Aen. 3,417sq. (417- 419): [... ] venit medio vi pontus et undis Hesperium Siculo Latus abscidit, arvaque et urbes litore diductas angusto interluit aestu. Zwar find et sich der Sachverhalt oft erwähnt , da die antike Geographie Sizilien allgemein für einen a bgetrennten Teil Italiens hält, 1 was a uch unter Verwendung der Stichworte vis und abscindere dargestellt wird , a ber unter den Belegen ist Vergil der sprachlich a m engsten verwandte und a ls locus classicus die nächstliegende Quelle. 2 Da a ber auch Ovid (met. 15,290- 292) und Valerius Flacc us (2,616- 620) dieses natUl'geschichtliche Phänomen erwähnen, scheint für Seneca ( nat. 6,30,2sq.) das discidium Siziliens von der Apenninhalbinsel beina he ein poetischer Topos zu sein. Überdies zitiert Tert ullian in der Schrift de pallio (1,3) den Vers Aen. 3,41 5 und verweist wiederum (2,3) a uf die Loslösung Siziliens vom Festland - dort a ls exemplum für eine Veränderung ä ußerer Erscheinungsformen in der Natur - , die Passage ist ihm also vertraut. Das vergilische vi [... ] et undis verbindet Tertullian zu vis undarum, die poetischen Bezeichnungen Hesperium und Siculum latus ersetzt er durch die exakten geographischen Bestimmungen Lucania und Sicilia; beibehalten wird abscindere mit der Gewalt des Meeres als Agens. E inerseits vereinfacht Tert ullian den poetischen Ausdruck, andererseits setzt er d urch die Konst ruktion in nomen Siciliae relegare ein eigenes stilistisches lumen. Ganz offensichtlich wird Vergil nicht zitiert, sondern a ls Quelle benutzt. Tert ullia.n benötigt in erster Linie das exemplum und nimmt es aus 1
2
Cf. Strab. 1,54 ; Mela 2,115; Plin . nat . 2,204. Daher leitet die Antike auch ' Prrytov a ls ' Bruchstelle ' von p'flyvUIJ.I ab, cf. K. Z IEGLER, ' E1u ).la ', RE II A ,2 (1923) 2466sq. Seit Vergil findet sich o.bscindere für d ie Loslösung Siziliens vom Festland, cf. T hLL I s.v. o.bscindo 15 1,49-56; mit anderen Worten Plin. na t . 2,204 No.mque et hoc modo insuLM rerum naturo fecit: avelLit SiciLiam ftaLiae, Cyprum Syriae, Euboeam Boeotiae, Buboeae A taLanten et Macrian, Besbicum Bithyniae, Leu rosiam Sirenum promunturio.
Il.l.2
Die Vergilzitate
57
Vergil. Ob der Leser den Rekurs auf den locus classicus goutiert oder ob er nur das Faktum als solches a ufnimmt, scheint Tertullian gleichgültig zu sein. Weder beseitigt er gezielt alle Hinweise a uf seine Quelle, noch hebt er sie hervor. Argumentat ive Funktion kommt der Referenz jedenfalls nicht zu. a p o l. 50,5 Carthaginis conditrix: Siehe unten 85sqq. a p o l. 50 ,7 Omitto eos, qui cum gladio proprio vel alio genere mortis mitiore de laude pepigerunt.
In den beiden Schlußkapiteln des Werkes (49 und 50) legt Tertullian die Konsequenzen einer weiteren gerichtlichen Verfolgung der Christen dar: Für die Gegner des Christentu ms bestehe kein Grund zur Freude, denn zum einen hätten die Christen sich diesen Weg gewählt (apol. 49,4- 6), zum anderen sei das Martyrium etwas Begrüßenswertes, da es den Christen den höchsten 'Ihumph (apol. 50,1- 11 ) und neue Anhänger (apol. 50,12- 16) verschaffe. Im Zusammenhang mit dem Lob des Martyriums wendet sich Tertullian gegen den Einwand: cur querimini, quod vos insequamU1'1 si pati vultis [... }? (apol 50,1). Er erläutert christliche Leidensbereitschaft anhand des Vergleichs mit der m'ilitia (apol. 50,1- 3). Dann (apol. 50,4- 9) führt er exempla von Heiden an, die für ihre Ideale Leib und Leben geopfert hätten. Nach dem Beispiel des Philosophen Anaxarchos, der, während er im Mörser zerstampft worden sei, gerufen habe: tunde, tunde, [... } Anaxarchi foltern , Anaxarchum enim non tundis! (apol. 50,6), distanziert sich TertulHan von denjenigen, die einen ebenso leichten wie ruhmvollen Tod von eigener Hand suchten. Gerichtet ist diese Bemerkung offenbar gegen Philosophen und P llilosophenschulen, die den Selbstmord rechtfertigen oder anraten. 1 Die in diesem Zusammenhang verwendete Formu lierung de Laude pacisci scheint sich an vergilischen Sprachgebra uch anzu lehnen: Im Schiffswettrennen des fünften Aeneisbuches gäbe die in Führung liegende Mannschaft des Cloanthus sogar ihr Leben fü r die Verteidigung des Vorsprungs und für den ruhmvollen Sieg, 230 (229- 231): hi propr'ium decus et parturn indignantur honorem ni teneant, vitamque volunt pm lau de pacisci; hos successus alit: posstmt, quia posse videntur. Im zwölften Aeneisbuch erwidert Thmus a uf Latinus' Versuch, ihn zum Nachgeben zu bewegen, 49: Quam pro m e cumm geris, hanc precor, optime, pro m e deponas letumque sinas pro laude pacisci. Auch wenn bei Vergil eine transitive Konstruk tion von pacisci mit pro (' Leben ' bzw. 'Tod für den Ruhm einsetzen'), bei Tertullian hingegen eine intransitive mit de (' mit dem Schwert [... ] den Ruhm erschachern ') zugrunde 1
Dabei ist woh l in erster Linie an Stoiket·, Kyniker und Kyrena'iker zu denken, cf. A .J.L . VAN HOOF'F, From Autothanasia t o Suicide, Loodon J New York 1990, 181- 197, und E. P. GARRISON, Attitudes t.oward Suicide in Ancient Greece, TAPhA 121 (1991) 1- 34.
58
II.l Tertullian
liegt, besteht doch sowohl in den Elementen laus und pacisci als auch im Aussagegehalt, der Hingabe des Lebens um des Ruhmes willen, ein deutlicher Zusammenhang. 1 Tertullian knüpft also an einen vergilischen Ausdruck für Todesbereitschaft an, verändert aber die Konstruktion und gebraucht den Ausdruck pejorativ. Allerdings wäre zu fragen, ob nicht auch schon bei Vergil eine Nuance tadelnswerter Leichtfertigkeit in beiden Szenen und in der Formulierung liegt.
de pallio Die zwischen den Jahren 205 und 211 entstandene Schrift de pallio nimmt im Werk des Tertullian eine Sonderstellung ein, da sie sich ganz paganrhetorisch gibt: 2 Tertullian wendet sich an seine karthagischen Mitbürger und rechtfert igt sich dafür, daß er die Toga gegen das Pallium getauscht hat. Im ersten Teil stellt er grundsätzliche Überlegungen an zum Wechsel der Kleidung als einem biologischen und anthropologischen Phänomen (Kapitel 2-4), der zweite Teil (Kapitel 5sq.) stellt ein Lob des Palliums dar. Das Werk ist geprägt durch eine höchst kunstvolle Sprache in der Nachahmung des Apuleius, wie sie sonst in der christlichen Latinität nicht begegnet,3 den christlichen Charakter der Schrift macht erst der Schlußsatz eindeutig 4 • Wahrscheinlich wendet sich die ungewöhnliche Schrift in protreptischer Absicht an ein gebildetes heidnisches Publikum, das die literarische Qualität zu schätzen weiß und sich so in Kontakt mit dem Christentum bringen läßt.5 pall. 1 ,3ab Nam et arietem (non quem Laberitts reciprocornem et lanicutem et testitrahum, sed trabes machina est, quae muros frangere militat) nemini unquam adhuc libratum i lla dicitu1· Carthago, ( a) studiis asperrima belli, prima omnium arrnasse in oscillum penduli impetus, commentata vim tormenti de bile pecoris capite ( se) vindicantis. Cum tarnen ultimant tempora patriae et aries i am Romanus in muros quondam suos audet, stupuere illico Carthaginienses ut novum extraneum ingenium. 1
Cf. Th LL X,1 s.v. paciscor 19,12- 16 zur transitiven Konstruktion m it pro (Vergil), Uber Leben und Tod sonst nux Tac. hist. 3,48,3 pactus Aniceti exitium, pro laude nur Ps. Rufin. los. belL Jud . 3,8 p . 717; 20,35- 39 d ie intransitive Konstrukt ion mit de (Tertullian), ohne Beleg fUr de laude. Oie Reihe von Belegen zeigt, daß bei TertuWan ke ine singuläre Wendung vorliegt, die beispielsweise durch den Ausfall e ines Akkusativobjekts zu erklären wäre. - Cf. WALTZLNG ad apol. 3,4 (37): 50,7 Vergilreminiszenz. 2 Zu Datierung und Forschungslage H. TRÄNKLE, HLL 4 (1997) 455 457; die Besonderheiten des Werkes stellt heraus J .M. V JS, Tertullianus' de pallio tegen de achtergrond van zijn overige werken, Nijmegen 1949, vor allem 136-143. 3 Zu Sprache und Stilistik G. SÄFLUND, Oe pallio und die spracbücbe Entwicklung Tertullians, Lund 1955; die d ort vertretene Spätdatierung in die Zeit 222/3 hat sich aber nicht durchgesetzt. 4 pall. 6,2 Gaude pa.llium et exsulta! Melior iam te philosophia dignata est ex quo Christianum vestire coepisti. 5 So TRÄNKLE HLL 4 (1997) 457. Ooxograpbie älterer Meinungen in der ansonsten nicht unproblematische Arbeit von D. TRLNGAI..I, 0 'de pallio' de Tertuliano, Säo Paulo 1980, 37- 85.
ll.1.2 Die Yergilz itate
59
(b) Tantum aevi ionginqua valet mutare vetustas! Sie denique non palli·um agnoscitur.
Im Einleitungskapitel drückt Tertullian zunächst ironisch den angeredeten viri Carthaginienses gegenüber seine Freude darüber aus, daß es ihnen so wohl ergebe, daß sie sich mit Kleiderfragen beschäft igen könnten (pall. 1,1). Beim Pallium handle es sich um ein ursprünglich karthagisches Kleidungsstück, das erst im Rahmen der römischen Eroberung durch die Toga verdrängt worden und in Vergessenheit geraten sei (pall. 1,1- 3). Als exemplum dafür, daß die Karthager etwas ihnen ursprünglich Eigenes später nicht wiedererkennen, führt Tert ullian dann (pall. 1 ,3) den Rammbock an, den die Karthager erfunden, dann aber als eine Neuigkeit bestaunt hätten. Das an sich schon merkwürdige Beispiel gestaltet er besonders aus: Zunächst illustriert Tertulllan mit einem nur hier belegt en Laberiuszitat (mim. 20), welchen aTies er nicht meint , nämlich den lebendigen. Natürlich befürchtet Tertullian nicht wirklich ein Mißverständnis, vielmehr spielt er mit der Doppelbedeutung von aries und sucht eine Gelegenheit , das Zitat mit seiner derb- komischen ( testitrahus) Nuance anzubringen. Bemerkenswert ist übrigens, daß Tertulllan etwas weiter unten in ganz ähnlicher Weise, bei der E rwähnung des Chamäleons - eines Tieres, das ebenfalls seine 'Kleidung' wandelt - den Leser erst auf einem prätenziösen Umweg vermittels eines Dramatikerzitates, diesmal a us Pacuvius und eigentlich auf die Schildkröte bezogen, 1 in die Irre führt. 2 (a) Vergil ist dann zunächst durch ein Epitheton für Karthago vertreten. Tertullian greift damit wieder auf die P assage zurück, a us der er schon im zweiten Buch ad nationes (2,17,6) und im Apologeticum (25,8) die Verse über Junos besondere Vorliebe für die Stadt übernommen hat, Aen 1,14: K ar·thago, ltaliam contra Tiberinaque Longe ostia, dives opttm studiisque asperrima belli,
f. ..j. Den dichterischen Charakter der Worte unterstre icht die Beibehaltung des Hexameterschlusses, a llerdings paßt der Zusatz inhaltlich genau in den Kontext der militärischen Tüchtigkeit der alten Karthager. Hier spielt Tertullian vielleicht auch mit dem Lokalpatriotismus seiner Mi t bü1·ger , denn einerseits wäre denkbar , daß dle Vergilworte öfter a ls Ausdruck karthagischen Selbstbew ußtseins gebra ucht wurden. Andererseits implizieren sie im Kontext auch den Vorwurf des Verfalls gegenüber der Vorzeit. Dieser Vorwurf trifft in bezug auf die Kriegskunst die Ka rthager zur Zeit der röm ischen Ero berung, in bezug auf das Pallium aber die Adressaten. (b) Zur Erklärung des Wandlungsprozesses, a ufgrund dessen die Karthager ihre eigene Erfindung bei der römischen Eroberung nicht mehr erkannt 1
2
Pacuv. trag. 4,2, überliefert C ic. div. 2,133. Cf. GERLOad l. II 75. Tert. pall. 3,3 Est et 'qu.adrupes tardigmda, agrestis, humilis, a.spem. ' Testudinem Pacuvianam putas'? Non est. Capit et alia bestiola ver siculum, de mediocribus oppido, sed nomen gTande. Chamaeleontem qui audieris haud ante gnarus, iam timebis aliqu.id ampliu.s cum leone.
60
Il.l
Tertullian
hätten, zitiert Tertullian d ann einen sentenz iösen 1 Vers aus Vergils Beschreibung der E ntstehung Siziliens, die er schon im Apologeticum (40,4) benutzt hat, Aen. 3,415 (414- 417):
Haec loca tri quondam et vasta convulsa ruina (tantum aevi longinqua valet mutare vetustas) dissiluisse ferunt, cum protinus utraque tellus una foret: [.. .]. Der Vers ist ohne Einleitung in den Text gesetzt, eine abschließende Bemerkung (Sie denique non pallium agnoscitur) sichert das rechte Verständnis im Zusammenhang und beendet d as K apitel. Während ansonsten im Werk des Tertullian den Zitaten eine meist klar zu bestimmende argumentative FUnktion zukommt und oft ein iron ischdespektierlicher Unterton anhaftet, zitiert er hier beinahe verspielt-zweckfrei nur um des ornatus willen. Diese Beobachtung freilich, daß Tertullian in der Schrift de pallio mit Literaturkenntnis brillieren und den Leser geistreich unterhalten will,2 trifft in erster Linie für die Dramatikerzitate zu. Bei den Vergilzitaten bleibt er n icht nur zwei bereits im Apologeticum benutzten Passagen, sondern auch der inhaltlichen Tendenz treu, Aussagen über Karthago und sentenziöse Verse zu zitieren.
p a ll. 2 ,3 Mutat et nunc localiter habitus, cum situs laeditur, cum inter insulas nulla iam Delos, harenae Samos, et Sibylla non mendax, cum ( term) in A tlantico Libyam aut Asiam adaequans iam quaeritur, cum Italiae quondam latus Hadria Tyrrhenoque quassantibus mediotenus interceptum reliquias Siciliam facit, cum tota plaga discidii contentiosos aequorum coitus angustis retorquens novum tritii maris imbuit, non exspuentis naufragia sed devorantis. Unter den Beispielen für einen Wechsel des habitus in der Natur erwähnt Tertullian die Abtrennung Siziliens von der Apenninenhalbinsel. Wie schon im Apologeticum (40,4) 3 hat Tert ullian dabei auch hier offenbar Vergils Schilderung dieser geographischen Gegebenheit vor Augen, Aen. 3,417 sq. (417419):
[. .. J venit medio
tri pontus et undis
Hesperium Siculo latus abscidit, arvaque et urbes litore diductas angusto inteduit aestu. Tertullia n übernimmt aus der Aeneis nicht nur das exemplum, sondern hat, wie die zwei gemeinsamen Elemente zeigen, a uch die vergilische Formulierung 1
2 3
im Testimonienapparat seiner Vergilausgabe und COURCELLE (LecLeurs 257) weisen a llerdings keine frUheren Zitate a us, spätere nur in der Dichtung und in Kommentaren . Daß Tertullian in de paJlio ein ganz anderes Verhältnis zur Literatur an den Tag legt als in seinem Ubrigen Werk, zeigt V1s 35 40. Dazu oben 56sq. RIBBECJ<
ll.l.2
Die Vergi lzitate
61
vor Augen. Daß er die ganze Passage kennt, zeigt auch das Zitat von Vers Aen . 3,415 oben pall. 1,3b (58). pall. 2, 7 Revera orbis cultissimum huius imperii rus est, eradicato omni aconito hostilitatis et cacto et ?'Ubo subdolae familiaritatis convulso, et amoenus super Alcinoi pometum et Midae rosetum. Laudans igitu·r orbem mutantem, quid denotas hominem '?
Pall. 2,1 führt Tertullian aus: Gerte habitum vertere naturae totius sollemne munus est. Aus Beispielen a us der Natur folgert er schließlich, daß auch dem Menschen der Wechsel nicht zu verübeln sei, der die Schönheit der ganzen Welt erst ausmache - eine Schönheit, die noch den Obstgarten des Alkinoos übert reffe (pall. 2,7). Dieses pometum Alcinoi findet sich, zurückgehend a uf Homers Darstellung (Od. 7,112- 132) , immer wieder sprichwörtlich in der römischen Oichtung, 1 so auch in Vergils Georgika, 2,87 (83- 88): Praeterea gen·us haud unum nec fortibus ulmis nec salici lotoq·ue neque l daeis cyparissis, nec pingues unam in faciem nascuntur· olivae, or·chades et radii et amara pausia baca, pomaque et Alcinoi silvae, nec surculus idem Cr~ustumiis Sy1iisQtLe piris gravibusque volemis. Allerdings läßt sich nicht erweisen, ob Tertullian an Vergil oder einen anderen Beleg de11kt. Ibm geht es in erster Linie um den dichterischen Topos. pall. 4,6 [... J (sc. Alexanderj pectus squamarum signaculis disculptum textu perlucido tegendo nudavit, anhelum adhuc ab opere belli, et ut mollius ventilante serico, extin~:it. Non erat satis animi tumens Macedo, ni illum etiam vestis in.flatior· delectasset; [. .. J.
Unter den negativen Beispielen fü r die Annahme fremder Kleidung führt Tertullian auch Alexander den Großen an. Die Schilderung der noch vom Kampf atemJosen Feldherrn weist, wie UGLIONE bemerkt,2 Gemeinsamkeiten auf mit Vergils Da rstellung der in Verzückung geratenden Sibylle, Aen. 6,48sq. (47- 51): (... J (sc. Sibyllaej non color unus, non comptae manser·e comae; sed pectus anhelum, et rabie j era corda tume nt, maiorque videri nec mortale sonans, ad.flata est numine quando iam propiore dei. Die Junkt ur pectus anhelum 3 erscheint von Vergil an häufig in der Dichtu ng der Silbernen Latinität,4 erstmals in Prosa Ps. Quint. decl. 8,8. Bei Tertu!Uao 1 2
3 4
Cf. ÜTTO 12 Nr. 53; ThLL I s.v. Alcinous 1518,21. Ln Prosa findet sich offenbar kein weiterer Beleg. Virgilio 512sq. Cf. Arnob. na.t. I, 17b, dazu unten 270; anhelu.s Min . Fe!. 7,3a, dazu unten 122. Etwa Sil 12,418sq. , ru.; Stat. Theb. 2,672sq. , al.; Octavia 779; ThLL Jl s.v. anhelus 68 ,l4sq.
62
IT.l
Tertulüan
sind Substantiv und Adjektiv bewußt gesperrt durch die betont ausgreifende Beschreibung der Rüstung. Zusammen mit dem Stichwort tumens, dem sich ein Komparativ ( maior bei Vergil, inftatior bei Tertullian) a nschließt, deutet dies auf eine Vergilbenützung hin. UGLIONE sieht einen Gegensatz zwischen der Sibylle, die "inequivocabili tratti virili" aufweise, und Alexander , der wie "una femminuccia" der Faszination schöner Gewänder erliege, und betont mit Recht die Ausrichtung der vergilischen Schilderung a uf die mbies der Prophetin und derjenigen Tertullians auf die Schwäche und Eitelkeit des Feldherrn.1 Doch wird der Prätext kaum deutlich genug evoziert, um die von U GLIONE angenommenen Effekte der Komik und Entmythisierung der Vorlage zu erreichen. In erster Linie geht es Tertullian um die wirkungsvolle Darstellung irrational handelnden Alexander. Vergil bietet, wie es sich a uch der Verfasser der declamationes maiores zunutze macht, geeignetes Materia l für die rhetorische Ausgestalt ung von Gemütszuständen. 2 pall. 4,10 vanissimis superstitionibus: Siehe oben (51) zu apol. 24,7. 1.2.2
Antihäretisch-dogmatische Schriften
adversus Valentinianos Die in montanistischer Zeit entstandene Schrift setzt sich in Form einer narratio der Irrlehren mit der gnostischen Häresie des Valentmus auseinander , der um die Mitte des zweiten J ahrhunderts in Rom lehrt und eine große Anhängerschaft findet. 3 Das Werk gliedert sich in einen Einleit ungsteil (Kapitel 1- 6) über Grundlagen und Geschichte der valentinischen Lehre sowie Quellen und Aufbau der folgenden Darlegungen, einen Ha uptteil (Kapitel 7- 32), in dem die Lehre des Valentinusschülers P tolemaeus dargelegt wird, und abschließende Hinweise a uf abweichende Lehren (Kapitel 33-39). Die ansprechend gestaltete und mit literarischen Anspielungen versehene Schrift richtet sich offenbar an ein breiteres Publikum.4 adv. Val. 1,4 Si bona fide quaeras, concreto vultu, suspenso supercil'io 1altum est ' aiunt. Si subtiliter temptes, per ambiguitates bilingues communem fidem adfirmant. 1
Virgilio 513. 2 Cf. Rhet. Her. 4 ,44,68 anhelans e::c infimo pectore crudelitatem; Sen. d ial. 5,4,2 (Symptome des Zom s) pulsatum saepi'IJ.S pectus, anhelit'IJ.S crebros. 3 Zu Datierung und Forschungslage H. TRÄN KLE RLL 4 (1997) 462sq.; z ur Lehre des Valentinus K. R UDOLPH , Die Gnosis, Göttingen 19903 , 342- 350; C. M ARKSCHI ES, Valentinus Gnosticus? Untersuchungen zur Valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins, TUbingen 1992, dazu G. Qul SPEL , Valentinus and the Gnostikoi, VC hr 50 (1996) 1- 4. 4 Zum Adressatenkreis TRÄNKLE HLL 4 ( 1997) 463; zur Ausgestaltung FREDOU l LLE Jntroduction I 12- 23; zu den literarischen Anspielungen der Index scriptorum antiquorum in FREDOU ILLES Kommentar (II 379- 387).
11.1.2
Die Vergilzitate
63
Zu Beginn greift Tertullian die mangelnde Klarheit der Valentinianer an. Die Junktur ambiguitates bilingues hat, wie UGLIONE 1 bemerkt, eine P aralle bei Vergil, der Didos mißt rauische Einstellung, a ufgrund derer Venus ihre Liebe zu Aeneas erwecken zu müssen gla ubt, mit ihren schlechten Erfahrungen folgendermaßen erklärt, Aen. 1,661: Quippe domum {sc. Didoj timet ambiguam Tyriosque bilinguis. Bei Tert ullian erscheinen die Stichwörter, die Vergil als parallele Adjektive bietet, aufeinander bezogen als Substantiv und Adjektiv: Am biguitas ist der gängige rhetorische Fachausdruck für ' Zweideutigkeit ' 2 und bei Tertullian nicht ungewöhnlich (35 Belege). Bilinguis erscheint eher in Komödie und Satire als in der höheren Dichtung, von Tertullian (nur hier ) an in Prosa, vor allem bei Christen, vielleicht unter dem Einfluß biblischer Aussagen. 3 Die Tatsache, daß die Junktur sonst anscheinend nicht belegt und etwas pleonatisch4 ist, könnte darauf hindeuten, daß sich Tertullian hier bei der sprachlichen Ausgestaltung von Vergils Formulierung anregen läßt. 5 adv. Val. 10,2 Et *** met'uere postremo, ne finis quoque insisteret; haerere de ratione casus, curare de occultatione. Remedia nusquam. Ubi enim iam tragoediae atque comoediae, a quibus forma mutuaretur exponendi quod citra P'udo1·em erat natum? Dum in malis res est, suspicit, C01we1iit ad patrem. Sed incassum enisa, ut vires deserebant, in preces succidit. Tota etiam propinquitas pro ea suppl-icat, vel maxime Nus - quidni? causa mali tanh-6! Nullus tarnen Sophiae exitus vacuit.
In den Kapiteln 9 und 10 gibt Tertullian den Mythos von dem weiblichen Aeon Sophia wieder: Diese verfa lle a uf der Suche nach ih1·em Vater den Affekten, werde aber von ihren Mit- Aeonen gerettet, wobei freilich die materielle Welt entstehe (Kapitel 9). Die andere Va riante (adv. Val. 10,1- 4) la ute, daß Sophia aus Sehnsucht nach ihrem Vater ohne Zutun eines Mannes eine Tochter geboren habe, wora ufhin freilich a uch ihre Sterblichkeit zu befürchten gewesen sei. Da sich aber die Mit- Aeonen, allen voran N us, ihrem flehentlichen Gebet angeschlossen hätten , sei sie gerettet worden. Auf den gefallenen Aeon Sophia bezieht Tertullian die Worte causa mali tanti, als Apposition im 1
Virgilio 5 18sq. 2 Cf. T hLL r s. v. 1840 ,29sqq. 3 Etwa Spr 8 ,13; Koh 5.17: 1 T im 3,8 ; cf. ThLL II s.v. 1986,60sqq.; FOUCHER 199. 4 So auch mit Recht FREDOlTJLLE ad l. l 77. 5 UGLJONE ( Virgilio 519} bemerkt außerdem , daß der bei Yergil gegen d ie Mutterstadt 1'yros und somit gegen die Karthager gerichtete Vorwurf a uf die Häretiker umgelen kt werde. Freilich ist die Markierung so schwach, daß sich solche Überleg ungen nur a uf die produktionsästhetische Ebene beziehen kö nnen. Wenn man also ilberhau pt danach fragen kann , dann liegt die gedankliche Gemeinsamkeit in der T ä uschung, welch e die Karthagerin Oido und der Frager erfa hren . 6 So die Interpun ktion in der Ausgabe von FREDOUILLE, dazu die fo lgende Anm.; KROYMANN im CC interpungiert [. .. J Nus. Quidni '? Causa mali tanti!, RIL EY {. ..J Ntts . {qttid? cau.sa mali tanti?) [. ..J, sie verstehen den Ausdruck causa mali tanti also a ls elliptisch verkilrzter E.:inwurf.
64
11.1 1lertulliau1
Ablativ zu pro ea1 : Die ganze Verwandtschaft bittet für die causa mali tanti. Das eingeschobene quidni dient der Hervorhebung. Auch in der Aeneis aber findet sich zweimal causa tanti mali, jedesma l als Bezeichnung für Lavinia; zunächst in der Sibyllenprophezeiung des sechsten Aeneisbuches, wo sie, einen Krieg auslösend , als zweite Helena erscheint, Verg. Aen. 6,93:
causa mali tanti coniunx iteru.m hospita Teucris externique iteru.m thalami. Im elften Buch, als sie die Bittprozession vor der Schlacht verfolgt, findet sich der Hinweis auf (die in Begleit ung ihrer Mutter einhergehende) Lavinla als Kriegsgrund, 480:
{. .. ] iuxtaque comes Lavinia virgo, causa mali tanti, oculos deiecta decoros. Zwar wird die vergilische Wendung öfter a ufgenommen 2 , manches deutet aber auf einen Bezug zur Aeneis hin: Den Aeon Sophia und Lavinia verbindet, daß beide Figuren j ung und weiblich zu denken sind , daß beide unabsichtlich eine Reihe verhängnisvoller Ereignisse a uslösen , daß bei beiden schließlich die Beziehung zum Vater und der pudor eine gewisse Rolle spielen 3 . Berücksichtigt man außerdem, daß sich durch Vergils zweimalige Verwendung desselben Halbverses für Lavinia dessen unveränderte Wiedergabe4 ein recht deutlicher Hinweis auf diese epische Figur ergeben dürfte, so wird man die Möglichkeit einer alludierenden Annäherung der Figuren Lavinia und Sophla in polemisch- ironisierender Absicht zumindest nicht a usschließen .
adversus Mareionern Sein umfangreichstes Werk, die fünf Bücher adversus Mareionern erarbeitet Tertullian von den Jahren 207/8 an. 5 Die polemische, a ber fundierte Auseinandersetzung mit den heterodoxen Lehren des Markion führt Tert ullian in den ersten drei Büchern auf dogmatischer , im vierten und fünften Buch a uf exegetischer Ebene. adv. Mare. 1,5,1 Aut quae ratio duo summa magna composuit? Primo enim
exigam, cur non plura, si duo, quando locupletiorem oportet credi substantiam divinitatis, si competeret ei numeru.s. Honestior et liberalior Valentinus, qui simul ausus est duos [sc. deosj concipere, Bython et Bigen, turn usque 1
In diesem Sinne FREDOUILLE ad l. II 249sq. 2 Zitiert etwa. Iuv. 14 ,290; Luca.n. 7,407sq. Sulp. Sev. chron. 1,27,4; Prud. psych. 604 ; cf. Sen. nat . 3,27, 1. 3 Zu pater und pudor bei Lavinia H.J . T SCHIEDEL, Lavinias Erröten, in: Studia classica I. TARDITI oblata, a cura di L. B ELLONI et al. , Milano 1995, I 285-297, hier 294sq. 4 So schon C . WEYMAN in der Rezension der Ausgabe von KROYMANN, BPhW 28 {1908) 1014 . 5 Zu Datieru ng, Entstehungsgeschichte und Forschungsstand H. TRÄNKLE, HLL 4 {1997) 463--468.
ll.l.2
Die Yergilzita te
65
ad triginta Aeonum fetus , tamquam Aeneiae scrojae1 , examen divinitatis effudit. Ausgehend von Markions Lehre von einem bösen alttestamentlichen Gott, der die materielle Welt erschaffen habe, und einem guten Gott, der in der Verkündigung Jesu, wie Markion sie liest , a uftrete, 2 widerlegt Tertullian im ersten Buch zunächst (Kapitel 3- 7) die Vorstellung, zwei Götter könnten nebeneinander existieren. Im Kapitel 5 sucht Tertullian den Ditheismus ad absurdum zu führen: Wenn man zwei Götter annehme, so der polemische erste Gedanke, könne man a uch gleich noch mehr annehmen, der gnostische Häretiker Valentinus sei großzügiger gewesen und habe gelehrt, daß a us Bython und Sigen vierzehn P aare weiterer Aeonen hervorgingen, so daß sich insgesamt dreißig ergeben. 3 Diese dreißig Aeones vergleicht Tertullian in einer polemischen Spitze mit den dreißig Ferkeln aus Vergils Sauprodigium , das zunächst Helenus im Munde führt, Aen. 3,389 393:
Cum tibi sollicito secreti ad fluminis undam litoreis ingens inventa sub ilicibus sus triginta capitum fetus enixa iacebit, alba solo recubans, albi circum ubera nati, is locus urbis erit, r'equies ea certa labor"Um. Dann wird die Prophezeiung wiederholt 4 vom Flußgott Tiber, Aen. 8,42- 45:
Iamque tibi, ne vana putes haec fingere somnum, litoreis ingens inventa sub ilicibus sus triginta capitum fetus enixa iacebit, alba solo r·ecubans, albi circum ubera nati. Ausgangspunkt für diesen Vergleich ist wohl die Anzahl von dreißig Nachkommen. Alles zielt darauf ab, die Lehre des Valent inus ins Lächerliche zu ziehen: Für d ie Aeones übernimmt Tertullia n aus dem vergilischen Wortla ut das betont vegetative fetus, aus der stilistisch erha benen sus wird die scrof a5 . Als Markierung der Allusion wählt Tert ullian a ufgrundder Assonanz mit Aeones das dichterische Adjektiv Aeneia6 , wobei Aeonum f etus - Aeneiae scrofae la utlich die Verbindung der Muttersau zu ihren Ferkeln pointiert. Tert ullian greift also auf eine bestimmte, a llgemein bekannte - die Markierung Aeneia scheint ihm zu genügen - Formulierung bei Vergil zurück, 1
2
3 4
5 6
Zur text kritischen Begründung B RAUN I 256. Cf. Barbara A LAND, ' M arcion / Marcioni ten ', TRE 22 (1992) 89- 101; C. MAY, M arcione nel suo tempo, 14 ( l993) 205- 220. Zu den A eonen in der Darstellung des Tertullirul hier MARKSCHI ES 3 10sq. Zur Verbindung beider Stellen A . P RJ~It-IER, Das T iscbprodigium i m Rahmen der A eneis, W S 107/ 108 ( 1994/ 95) 397- 416. Cf. B RAUN ad l. I 120, der Iuv. 6,177 eadem scrofa Niobe fecundtor alba als mögliches Vorbild annimmt. T hLL I s.v. Aeneas 985,20- 31 fü hrt als Prosabelege außerhalb der K ommentru·e T ert. adv. Mare. 1,5 ,.1 und Hier. in Gal. 1,4 auf.
es
66
II .1
Te rtullian
um daraus eine Pointe gegen einen Häretiker zu gewinnen. Vergil wird dabei ka.um in ein schlechtes Licht gerückt, sondern als verfügbares Repertoire verwendet.
adv. Mare. 2,5,1 Iam hinc ad quaestiones omnes. 0 canes, quos foras
apostolus expellit, latrantes in Deum veritatis, haec sunt argumentationum ossa, quae obroditis: Bi Deus bonus et praescius futuri et avertendi mali potens, cur hominem f. .. j passus est labi de obsequio legis in martern [. ..}?' 1
In einem fiktiven Einwand der Markioniten, die zugunsten ihres Konzeptes von einem bösen Schöpfergott die Frage aufwerfen, warum ein guter und allwissender Gott die Sünde Adams und den Fall der Menschheit zugelassen habe, verwendet Tert ullian für den christlichen Gott die Prädikation praescius futuri. Das von Vergil an (Aen. 6,66 tuque, o sanctissima vates, / praescia venturi) l belegte praescius, ab Tacitus in der Prosa faßbar 2 , vereinnahmt Tertullian als Übersetzung des theologischen Terminus 7tporvwo•1Jc;; 3 . Dem schließen sich Cyprian (morta l. 19, dazu unten 244) und die spätere christliche Latinität an. 4 Zwar ist zweifelhaft, ob Tertullian der vergilische Ursprung des Wortes bewußt ist. Immerhin zeigt sich hier aber, daß in die von TertuJlian ausgebildete christlich- theologische Terminologie im Lateinischen auch vergilische Sprachschöpfungen einftießen. 5
de anima In Tertullians monta nistische Zeit gehört die Schrift de anima, in der sich der Verfasser mit verschiedenen gnostisch beeinfiußten Irrlehren über die Seele a useinandersetzt und dagegen die erste christliche Psychologie entwickelt. 6 Auf eine Einleit ung (Kapitel 1- 3), in der TertuJJian die Notwendigkeit darlegt , sich mit der philosophischen, vor a llem der platonischen Seelenlehre auseinderzusetzen, da Hermogenes und andere Irrlehrer sich derer bedienten, folgen drei Hauptteile: Zunächst (Kapitel 4- 22) befaßt sich Tertullian mit den Eigenschaften der Seele: Sie ha be einen Anfang und eine körperliche 1
2 3
4
6
6
Cf. Aen . 12,452 pmescia longe / horrescunt corda Cf. ThLL X ,2 s.v. pmescius 821 ,42sq.; FoucKER 195. Dazu R. BRAUN, Deus Christiarwrum. Recherehes sur le vocabulaire doctri na l d e Tertu llien , P aris 1977, 134; cf. BAUER / ALAND s.v. nporvwo1:11~ zur Verwendu ng in d er griechischen A po logetik fti r d en christlichen Gott und für pagane Götter. Cf. T hLL X ,2 822,41-62; Vet. Lat. Dan. 13,42 pmescius es omnium (LXX d8w~ ta ncxvta). Ein weiteres, allerdings weniger deutliches, Beispiel nennt BRAUN (Deus ChrisLianorum 531 Anm. 4) : Das Wort resurgere, von T er tu llian und d er c hristliche n La tini tät nach ihm für die A uferstehung gebraucht, ist zunächst ein re in poetische r Ausdruck (etwa Verg. Aen. 1,206; Hor. carm. 2,17, 14). H. TRÄNKLE HLL 4 (1997) 471-475, hier 475, schlägt e ine Datieru ng unmittelbar nach 203 vor; für eine Datierung unter der Amtszeit d es Scapula (2 10--213) der g r undlegende Komm entar von J .H. WASZINK, Quinti Septimi Flore ntis Tertullia.ni de anima, edited with Introduction and Corrune ntary, Amsterdam 1947, hier 5*sq.
Il.l.2
Die Vergilzi tate
67
Gestalt und stelle eine Einheit dar. Im zweiten Hauptteil (Kapitel 23- 41) geht es um den Ursprung der Seele, den Tertullian traduzianistisch erklärt. Der dritte Ha uptteil (Kapitel 42- 50) hat, neben einem Exkurs über Schlaf und Traum (Kapitel 43-49), das Geschick der Seele beim Tod (Kapitel 5053) und im Jenseits (Kapitel 54- 58) zum Inhalt.
anim. 27,8 Cum igitur in primordio duo dive1·sa atque divisa, limu.s et flatus, unum hominem coegissent, confusae substantiae ambae iam in uno semina quoque sua miscuerunt atque exinde gene1'i progagando formam tradiderunt, ut et nunc duo , licet diversa, etiam unita pariter effluant pariterq·ue insinuata su.lco et arvo suo pariter hominem ex utraque substantia effruticent, in quo rursus semen s·u um insit secundum genus, sicut omni condicioni genitali praestitutum est. Im Kapitel 27 legt Tertullian seine traduzianistische Anschauung von der Entstehung der Seele dar: In Adam hätten sich Lehm und Odem ( limus et flatus) z um Menschen zusammengefügt , der daher diese beiden Substanzen in seinem Samen weitergebe, so daß bei der Zeugung Körper und Seele enstehen könnten. Die Metaphorik von Furche und Acker , mit der Tertullian die geschlecht liche Vereinigung umschreibt , könnte zwar von der Erschaffung des Adam a us Lehm, wie die Bibel sie darstellt (Gen 2,7) , angeregt sein. Die Formulierung sulco et arvo verweist aber auf Vergils periphrastische Schilderung der Paarungen von Hengst und Stute, die um der besseren Fruchtbarkeit willen beschränkt werden müßten, georg. 3,136 (135- 137): hoc faci'unt, nimio ne tunt obtunsior ttsus sit genitali arvo et su.lcos oblimet inertis, sed rapiat sitiens Venerem interiusque recondat. Neben dem Vorkommen des Stichwortes genitalis und des Stammes lim- (Limus und oblimare) 1 spricht vor allem die Tatsache fü r eine Vergilreferenz, daß zwar d ie Ausdrücke sulcv,s und arvum einzeln öfter in entsprechender Metaphorik2 erscheinen , a ls auffällig muß jedoch das gemeinsame Vorkommen gelten.3 Die Tatsache, daß zwei der insgesamt fünf aus dem Vergilvers übernommenen Elemente, nämlich limus und genitalis, etwas abgesetzt erscheinen, deutet darauf hin , daß Tertullian nicht nur eine einzelne metaphorische Formulierung a ufg reift , sondern bei der Abfassung der ganzen Passage den Vers georg. 3,136 vor Augen hat. Bemerkenswert ist a ußerdem , daß in der ganzen Georgikapassage der Geschlechtsakt der Pferde mit den für Menschen üblichen Ausd1·ücken ( ma1'itus 125; patres, nati 128; concubitus, voluptas 130) dargestellt wird , was die Übernahme der Met aphorik von sulcus et 1 2
3
Cf. W AWE / H OFMAN N s.v. 1. limus. Cf. Serv. georg. 3,136 ·genitali arvo ' rn·o muliebri f olliculo, quem vulvam vocant, ut etiam Plinius docet: nam a.nte f olliculus dicebatur. ·sulcos oblimet' claudat meatus. et hoc similiter per translationem dixit: nam legimus supra 'et obducto late tenet omnia . '. ltmo Dazu die Belege bei WASZINK ad l. 352, der a llerdings nicht von einer Vergilreferenz ausgeht.
II.l
68
Tertullian
aroum auf den menschlichen Bereich nahelegt. Quintilian (inst. 8,6,8) zitier t die Verse georg. 3,135sq. sogar als Musterbeis piel für eine Metapher. Die vergilische AusdTucksweise findet sich a uch in einer von Apuleius angefertigten Übersetzung einer im Original verlorenen erotischen Passage a us Menanders Anechomenos, v. 17 (16-21 ): 1 Carpant papillas atque amplexus intiment ar-entque sulcos molles arvo Venerio Thyrsumque pangant hortulo Cupidinis1 dent crebros ictus conivente lumine1 trepidante cursu venae et anima fessula eiaculent t epidum rorem niveis laticibus. Tertullian übernimmt von Vergil also eine bekannte metaphorische Umschreibung für den Akt der geschlechtlichen Vereinig ung. Da hinter steht wohl nicht nm eine Tendenz zrn euphemistischen Peripillase, sondern auch das Bestreben , die von der Bibel vorgegebene Formung des Adam a us Lehm metaphorisch weiterzufüh1·en.
anim. 32,8 Nam etsi quidam homines bestiis adaequantur pro qualitatibus morum et ingeniorum et affectuum quia et deus: 'assimilatus est 1 inquit 'homo inrationalibus iumentis 1 [P s 48,21], non ideo milvi ex rapacibus fient et canes ex spurcis et pantherae ex acerbis aut oves ex probis et hirundines ex garrulis et columbae ex pudicis, quasi eadem substan tia animae ubique naturam suam in animalium proprietatibus r-epetat. 1
Im Ra hmen der Widerlegung der Lehre des E mpedokles über eine Wiedergeburt in der Gestalt von Tieren untersche idet Ter t ullian die Gemeinsamkeit nat1Lra, wie sie beispielsweise in der metaphorischen Angleichung von Menschen und Tieren a ufgrund bestimmter C haraktereigenschaften deutlich werde, von der G emeinsamkeit substantia, wie die Palingenesielehre sie vert rete. Die in diesem Zusammenhang angeführte Zuordnung von hirundines und garruli scheint auf eine verg ilische JunktuT zrnückzugehen, so ist nämlich geo rg. 4,307 von der garrula f...} hirundo die Rede. Dem Ausdruck dürfte zwar eine übliche Redewendung zugru nde liegen, d ie in Prosa erhaltenen Belege beschränken sich aber auf Tertullian und Arnobius (7,17, dazu unten 325).
anim. 33,9 integrae f eminae Didoni: Siehe unten 85sqq. anim. 43,7 Credimus enim1 si quid est natttra1 rationale aliquod opus dei esse. Porro somnum ratio praeit, tam aptum1 tam utilem1 tam necessarium, ut absque illo nulla anima sufficiat, recreatorem corporum, redintegratorem virium, probatorem valetudinum, pacatorem operum, medicum laborum, cui 1
Cf. SCHANZ j Ho sw s llf 126; J . BEA UJEU in seiner Ausgabe: Apulee. Opuscules phHosophiques, Paris 1973, hier 169sq.
11.1.2
Die Yergilzitate
69
legitime fruendo dies cedit, nox legem facit auferens reru.m etiam colorem. Quodsi vitale salutare am"iliare somnus, nihil eiusmodi non rationale, nihil non naturale, quod rationale.
Im Kapitel 43 beginnt Tertullian seinen Exkurs (anim. 50,1 excessus) über Schlaf und Traum mit dem Erweis der gottgewollten Natürlichkeit des Schlafes. Zunächst (anim. 43,1- 5) stellt er eine Doxographie zusammen, verwirft alle Meinungen, daß der Schlaf seine Ursache praeter naturam habe und läßt a llein die Ansicht der Stoiker bestehen , wonach der Schlaf zwar eine natürliche Erholung der Wahrnehmungskraft sei, während derer die Seele aber tätig bleibe. Den Gedanken der naturalitas des Schlafes führt er dann (anim. 43,69) allgemein a us, um schließlich (anim. 43 ,l ü-12) die christliche Position darzuste llen: somnus Adae mors erat Christi dormituri in mortem ( anim. 43,10). Im Ra hmen seiner Ausfüh1·ungen über die gottgewollte Nützlichkeit des Schlafes für den Körper verweist Tert ullian auf den Wechsel von Tag und Nacht, mit welchem der Schöpfungsplan die Möglichkeit regelmä ßiger Erholung biete. Daz u sei die nox (. .. ] auferens {. ..] rerum colorem vorgesehen. Darin nimmt Tertullian einen AusdJ·uck a us dem sechsten Aeneisbuch auf, mit dem Vergil die Dunkelheit der Unterwelt charakterisiert, Aen. 6,272 (27ü272): quale per incertam lunam sub l1tce maligna est iter in silvis, ·ubi caelum condidit umbra Iuppiter·, et rebus nox abstulit atra colorem. Tertullian paßt die vergilische Formulierung morphesynta ktisch an , stellt die Reihenfolge so um , daß das Subjekt an den Anfang t ritt, lä ßt das redundante Adjektiv atra weg und ersetzt den Dativ rebus durch den Genitiv rentm 1 • Hinter der Wendung steht die grundsätzliche Beobachtung, daß das menschliche Auge bei Dunkelheit keine Farben mehr erkennt . Vergil drückt a lso einen täglich erfah1·baren Sachverhalt aus, den Tertullian und spä tere Autoren2 a ls Chara kteristikum der Nacht übernehmen. Doch zieht Tertullia n den Ausdruck nicht nur als klassische Formulierung einer sensiblen Beobachtung hera n, wie in der Dunkelheit wahrgenommen wird, vielmehr scheint er diesem a uch ein inhalt liches Gewicht beizumessen. Denn daß die Nacht das Erkennen von Farben unmöglich macht, knüpft an die gerade (anim. 43,5) bejahend wiedergegebene stoische Anschauung vom Schla f als resolutio sensualis vigoris a n. Die von Vergil er faßte E igenschaft der Nacht wird a lso nicht um des ornattts oder wn ihrer selbst willen angeführt , sondern weil sie ins vorgestellte Konzept der von Gott für den Schla f bestimmten Dunkelheit paßt. 1 2
ad l. 466.1 3 verweist darauf, daß Tertu llian öfter Genitiv statt eines zu erwartenden Dativs setzt. Dazu COURCELLE Lecteurs 433 Anm. 52. Prud. cath. 2,7 und C la ud . 26,437 kehren die Metaphorik um: Bei ihnen verleiht das Licht Farbe und Kraft, cf. C. WEntAN, Beiträge zur Geschichte der christlich- lat-einischen Poesie, München 1926, 67. WASZI NK
70
ll.l
Tertullian
anim. 50,3 Legimus quidem pleraque aquarum genera miranda, sed aut ebriosos reddit Lyncestarum vena vinosa aut Lymphaticos efficit Colophonis scaturigo daemonica aut A lexandrum occidit Nonacris Arcadiae venenata. Fuit et l udaeae lacus m edicus ante Christum. Plane Stygias paludes poeta tradidit mortem diluentes, sed et Thetis filium planxit. Quamquam si et Menander in Stygem mergit, moriendum erit nihilominus, ut ad Stygem venias; apud inferos enim dicitur. Den Abschnitt über den Tod (Kapitel 5ü-53) beginnt Tertullian mit einer Polemik gegen den Hä retiker Menander, der behauptet , in hoc scilicet se a superna et arcana potestate legatum, ut immortales et incorruptibiles et statim resurrectionis compotes fiant, qui baptisma eius induerint (anim. 50,2). Dagegen räumt Tert ullian zwar die Existenz mancher aquarum genera miranda ein , 1 aber die Fä higkeit, vor dem Tode zu bewa hren, hätten a uch die Wasser der Styx nicht. Hier bezieht sich Tertullian a uf den Mythos von T hetis, die Achill als Kind zwar in der Styx badet , um ihn unverwundbar zu machen, a ber seinen Tod doch nicht verhindern kann, da ihn der Pfeil des Paris in d ie Ferse trifft, an der Thetis ihn gehalten hatt e. Als Gewährsmann für dieses nutzlose Bad in der Styx nennt Tertullian einen poeta. Die Stygia palus läßt zunächst an Vergil denken: Auf dessen Unterweltsbeschreibung (Aen. 6,323 Cocyti stagna alta vides Stygiamque paludem; 369 flumina tanta paras Stygiamque innare paludem) geht die Junktur zurück, die hier erstmals2 in Prosa erscheint und von den späteren christlichen Autoren öfter aufgenommen wird. 3 J edoch spricht Vergil nicht vom Bad des kleinen Achill , überhaupt findet sich d ie erste erhaltene d ichterische Erwähnung d ieser Episode erst in der Achilleis des Statius, 1,133sq.: 4
(... ] saepe ipsa - nefas! - sub inania natum Tartara et ad Stygios iteri.Lm fero m ergere fontes. Sollte also Statius d er angesprochene poeta sein? Doch ist die Erwähnung bei Statius zu marginal und der Dichter selbst zu unbekannt,5 als d aß Tert ulHan sich sinnvollerweise darauf mit einem bloßen poeta tradidit beziehen könnte. Größere Wahrscheinlichkeit kann demgegenüber ein indirekter Bezugs1
2
3 4
5
Die erstgenannten Wasser hat Tertullian, wie WASZINK (ad l. 52l sq.) anmerkt, aus Plinius (nat. 2,13Q-l32) , dann bezieht er sich auf die neutestament liche Schilderung vom Teich Betesda (Joh 2,2- 5). Nach PHl 5.3 und CLCLT - 5. Siehe unten ( 164) zu Min. Fel. 35,l sq. Dazu O.A.W . DILKE, Statius, Achilleid. Edited with lnt roduction, Apparatus Criticus a nd Notes, Garnbridge 1954 , ad l. 94; nochmals angedeutet Stat. Ach. 1,266-272. Cf. Anneliese KOSSATZ- DEISSMANN, ' Achilleus' , LIMC 1,1 (1981) 37- 200, vor allem 4o45; Monique RolJSSEL, Biographie h~gendaire d 'Ach ille, Amsterdam 1991, vor a Uem 74- 85; Dorotbea S IGEL, ' Achilleus. 8 . Literarische Überlieferung ' , DNP 1 {1996) 7678, h ier 77. Auch Hist. Aug. Cord. 3,3, bei VON ALBRECHT Literatur n 757 als Hinweis auf eine Rezeption gewertet, bezeugt eine solche nicht, K. SALLMANN , HLL 4 (1997) 599, zur Unechtheit.
ll.1.2
Die Vergilzitate
71
punkt bei Vergil für sich beanspruchen: Im sechsten Aeneisbuch nämlich wendet sich Aeneas an Apoll als denjenigen, Aen. 6,57 sq. Dardana qui P aridis derexti tela manusque co1pus in A eacidae [. .. J.
Diese Anrede erklärt Servius folgendermaßen, Aen. 6,57: Achilles, a matre tinctus in Stygem paludem, toto corpore inm.tlnerabilis fuit , excepta parte qua tentus est. qui cum amatam Polyxenam ut in templo acciper·et statuisset, insidiis Paridis post simulacrum latentis occisus est: unde fingitur quod tenente Apolline Paris diTexerit tela.
Die antike Vergilerldärung bietet also zu einer Stelle des sechsten Aeneisbuches den Mythos von Achills Feiung in der Styx palus. Tertu llian kommt dem sprachlich mit seiner Formulierung Stygia palus nahe, die außerdem a uf die vergilische Diktion desselben Buches zu rückgeht. Mit poeta tradidit dürfte er sich also a uf Vergil einschließlich der Kommentierungen beziehen. 1 Vielleicht hat Tertullian nicht genau in Erinnerung, wie wenig Anhalt diese mythische Episode, die ihm aus der mündlichen oder schriftlichen Vergilerklärung bekannt ist und die er mit dem Stichwort Stygia palus in Zusammenhang bringt, im Wortla ut des Vergiltextes eigentlich hat. Bemerkenswert deutlich wäre in diesem Fall der Einfl uß der schulischen P raxis zu erkennen, in der die Aeneis als universales Lehrbuch dient und an besagter Stelle zu einem Exkurs über den entsprechenden mythologischen Hintergrund Anlaß gibt. Wollte ma n das a nnehmen, dann lägen hier einige typische Merkmale für Tertullians Umgang mit Vergil vor: Eine in Inhalt oder Motivik passende Stelle, die Tert ullian a us seiner rhetorischen Ausbildung vertraut ist, wird spontan assoziiert und ohne besondere Sorgfalt eingebaut, sogar mit einer ausdrücklichen Markierung.2
1
2
Weitere Beispiele für Vergilzitate, bei denen offenbar Kommentarwissen interferiert, bieten etwa M. l\1AYER , Acota.ciones a Apuleyo (Apo!. 10), Durius 1 {1973) 277- 285; MESSMER l24sq.; s iehe auch unten 342 Anm. 1. Natürlich wären a uch noch andere Möglichkeiten denkbar, etwa: (1) Tertullian bezieht. sieb a uf eine verlorene, zu seiner Zeit aber hinreichend bekannte Dichtung , die vielleicht auch , in Nachahmung Vergils, von Stygia palus gesprochen haben könnte. FUr die Annahme eines solchen Werkes feilten aber so11stige lndizien. (2) Tertullian nimmt poeta hier cum grano salis und meint damit die dem Bereich der Dichtung insgesamt zugeord nete mythologische Überlieferung, die davon berichtet. (Hyg. fab . 107 zur Verwundbarkeit a n der Ferse) . Wenn s ich Tertullian aber bewußt auf die Mythologie im allgemeinen bezöge, wäre eher von fabulae oder wenigstens von poetae die Rede a ls von einem poeta. (3) Tertullian glaubt irrtümlich , Homer berichte diese Episode, da der Tod des Achill (obwohl nur zweimal vorausschauend erwähnt: II. 19,417; 22,359) und damit verbunden die Achillesferse und deren Ätiologie, du rchaus mit d er llias zu assoziieren wäre, und bezieht sich auf ihn als den poeta schlechthin . Wahrscheinlicher ist aber der angenommene Bezug auf Verg il.
72
II.1 Tert ullian
anim. 53,6 Procut dubio cum vi mortis exprimitur de concretione camis et ipsa expressione colatur, certe de oppanso corporis erum pit in aperturn ad memm et puram et suam lucem , statim semetipsam in expedi tione substantiae recognoscit et in divinitatem ipsa libertate resipiscit, ut de somnio emergens ab imaginibus ad veritates. Tune et enuntiat et videt, tune exultat aut trepidat, prout paraturam devorsorii sui sentit, de ipsius statim angeli facie, evocatoris animarum, Mercurii poetarum.
Den Abschnitt über den Tod (Kapitel 5D-53) beschließt Tert ullian mit Überlegungen zur 'frennung der Seele vom Körper. Den Übergang zu den Ausführungen über das Jenseits (Kapitel 54-58) stellt ein Hinweis auf den Engel her, in dessen Gesicht die Seele bereits eine Vorahnung des Kommenden erblicken könne. Diesen Engel identifiziert Tert ullian mit dem Mercurius poetarum, also dem ' Ep~J.iic; ~UX.01tO!L1t6c; der Mythologie. Der verwendete Ausdruck evocator animarum deutet darauf hin, daß Tertullian die vergilische Schilderung Merkurs vor Augen hat. So heißt es im vierten Aeneisbuch über den sich zu seinem Botengang nach Kart hago rüstenden Gott, Aen. 4,242- 244: Thm virgam capit: hac animas ille evocat Orco pallentis, alias sub Tartara tristia mittit, dat somnos adimitque, et Lumina morte resignat. In der Unterweltsschilderung begegnet der Ausdruck evocare animas noch einmal, der handelnde deus ist nach Servius wiederum Merkur, Aen. 6, 749 (748- 751): has [sc. animas} omnis, ubi mille rotam voluere per annos, Lethaeum ad ftuvium deus evocat agmine magno, scilicet immemores supera ut convexa revisant rursus, et incipiant in corpora velle reverti. Vergil übernimmt an beiden Stellen mit evocare animaseinen homerischen Sprachgebrauch, das griechische Vorbild wird aber vor allem bei der Beschreibung des Merkur im vierten Buch erkennbar , Od. 24,1- 4: ' Ep~J.iic; 8& <Jiux.exc; KuJ.).:r)votc; t~&xaJ.ti'to &v8pwv IJ.VT)O'tijpwv· ~X.& 8€. p&ß8ov !L&'tCx x_tpol X<XATJV x_pua&lT)V, 'tft 't 1 &v8pwv Ö!LIJ.<X't<X 6tA)'&l 1 wv t6tA&t, 'touc; 8' <XU't& xat ll1tVWOV't<Xc; trdptt. Tert ulJian übernimmt animas evocare in einer singulären Substantivierung evocator animarum.1 Den primären Bezugspunkt, auf den Tertullian dann mit Mercurius poetarum ausdrücklich hinweist, stellt zweifellos die Passage 1
Cf. T hLL V,2 s.v. evoco.tor 1052,63-68. Auf d ie Stelle Ae.n. 6,749 nimmt auch Aug. civ. 10,30 ( Pla.tonice videtur dixisse Vergilius) Bezug. Eine entgegengesetzte Erklärung des Verhältnisses beider Stellen bietet RA PlSARDA L 1a.ngelo della. morte: Von der Tertullianstelle a us, an der evocator animarum im juristischen Sinne von 'accusa tore deJie anime' zu verstehen, aber a uf das vergilische a.nimas f. ..J ecova.t (Aen. 4,242) zurückzuführen
sei, werde deutlich, daß Vergil Merkur Aen. 4,242 nicht als 'a ngelo d ella morte', sondern
ll.l.2
Oie Vergilzitate
73
aus dem vierten Aeneisbuch da r. Vielleicht soll aber im Hintergrund auch die Hornerstelle anklingen; der Plural poetarum könnte in diese Richtung weisen, muß aber nicht mehrere Dichter implizieren. Tertullian sucht den locus classicus füJ Merkur als Seelengeleiter und find et in der mit ikonographischen Zügen , etwa dem Attribut der virga, ausgestatteten und a uf Homer bezogenen Darstellung im vierten Aeneisbuch den idealen Bezugspunkt. Bemerkenswert ist dabei aber, daß Tertullian gegenüber Vergil die Richtung des evocare ändert: Bei Vergil führt Merkur die Seelen aus einem Ort im Totenreich fort, so Aen. 4,242 animas ille evocat Orco, Tertullian hingegen setzt ihn para llel zu einem Engel, der aus dem Leben ins Totenreich führt. WASZI NK denkt a n eine Verwechslung des bloßen Separativs Orco mit einem Richt ungsdativ , 1 wahrscheinlicher ist aber, daß Tertullian einerseits die dichterische und populärreligiöse Vorstellung vom Seelengeleiter und andererseits die .. vergilische Formulierung animas evocare vor Augen hat und ohne nähere Uberlegungen über die Semantik des Verses verbindet. 1.2.3
Praktisch- asketische Schriften
ad martyras
In seiner vielleicht ältesten datierbaren Schrift wendet sich Tertullian an eingeke rkerte Clu isten und sucht ihnen Trost zu spenden , zunächst ob der Gefangenschaft (Kapitel 1- 3) , dann ob des bevorstehenden Martyri ums (Kapitel 4- 6). 2
mart. 4,9 Jgitur- si tantum ter'Tenae gloriae licet de corporis et animae vigare, ut gladi'um, ignem, crucem, bestias, tormenta contemnant sub praemio Laudis humanae, possum dicere, modicae sunt istae passiones ad consecutionem glo1'iae caelestis et divinae mercedis.
1
2
a ls Richter darstellen wo lle {3 10): "Merc urio, neii 'Orco, chiama a giudizio Je a nime e dali 'Orco leinvia (m i ttit) nei luoghi tristi d el Thrtaro." - RAPISARDA bietet im Grunde a lso eine Interpretation der Vergilstelle aus der Tertullian parallele, die auf der petitio principii beruht, daß Tertullian mit evocator animarum tatsächlich ' accusatore delle anime· meint. War um aber hätte Tert.u llian ein so verstandenes evocat (. ..} animas übernehmen sollen? Denn zum einen widerspricht Merkur als Richter über die Seelen der Verstorbenen grundlegend christlicher Eschatologie, zum anderen sieht RAPISARDA bei Tertu llian schließlich doch wieder nur den 'angelo della morte' und nicht den 'accusat-ore delle a nime' gezeichnet, so spricht er vom "notevole influsso esercitato da Virgilio s ugli scritt.ori paleocristiani circa Ia rappresentazione dell 'angelo della morte" (312). Für das Verständnis der T ertullianstelle helfen RAPISARDAs Aus führungen also kaum weiter, seine r Interpretation zu Aen. 4,242 stehen die Parallelen Aen . 6 ,750 und Horn. Od. 24. 1sq. e ntgegen , a n d enen sicher kein Totengeriebt gemeint sein kann , da es im ersten Fa ll auf die Wiedergeburt zugeht und im zweiten ei n pyt hagoreischer Einfluß, den RAPISARDA (3 LJ ) hinter d er Aeneisstelle sieht, ausscheidet. WASZINK ad {. 54 7. Zu Datierung und Fo rschungslage H. TRÄNKLE, HLL 4 (1997) 479; für eine Priorität von ad nationes etwa R. BRAUN, Sur Ia date, Ia com position et le texte de I' Ad martyros de Tertu llien, in : ders., Approches 157- 178, erstmals R E Aug 24 (1978) 22 1- 242.
74
II .l
Tertullian
Am Ende der Beispiele paganen Opfermutes zieht Tertullia n die Folgerung für die C hristen: Wieviel müßten sie erst für die gloria caelestis ertragen , wenn andere schon für die glori a terrena leiden. Der Ausdruck tantum licet alicui (rei) de ali quo ist erstma ls bei Vergil ( Aen. 6,502 Aeneas zu De'iphobus: cui tantum de te licuit?) belegt, Tertullian selbst verwendet ihn auch an anderer Stelle (na t. 1,7,1, dazu oben 41 ). Hier geht es sicher nicht um eine für jeden Leser nachvollziehbare Vergilreferenz , sondern um eine wirkungsvolle Formulierung für den menschlichen Durchhaltewillen.
de spectaculis In der Schrift de spectaculis wendet sich Tertullian an seine christlichen Glaubensbrüder, um ihnen darzulegen, daß der Besuch öffentlicher Darbietungen gleich welcher Art für einen C hristen nicht statthaft sei. 1 Nachdem er einleitend (Kapitel 1- 4) eine biblische Begründung fü r ein Verbot der Spiele gegeben hat , erweist er zunächst (Kapitel 5- 13) anhand ant iquarischer Belege den kult ischen Ursprung und somit den heidnisch- religiösen Charakter der spectacula, da nn (Kapitel 14- 27) zeigt er die ma nnigfachen sittlichen Gefährdungen a uf, die bei Massenvera nstaltungen drohen , schließlich (Kapitel 28- 30) ermahnt er die Christen, die irdischen spectacula den Heiden zu überlassen, sich selbst aber am zu erwartenden adventus domini (spect. 30,1) zu ergötzen. spect. 9,3 (1) Nunc de artificio quo circenses exhibentur. R es equestris retro simplex de dorso agebatur, et uti que communis usus reatus non erat. Sed cum ad ludos coactus est, transiit a D ei munere ad daemoniorum officia. (2) Itaque Gastori et Polluci deputatur haec species, quibus equos a Mercurio distributos S tesichorus docet. Sed et N eptunus equestris est, quem Graeci t 1t1tlov appellant. (3) De iugo vero quadrigas Soli, bigas Lunae sanxerunt. Sed et2 primus Erichthonius currus et quattuor ausus iungere equos rapidusque rotis insistere victor. Erichthonius, Mineruae et Vulcani filius, et qu·idem de caduca in terram libidine, portenturn est daem onicum, immo diabolus ipse, n on coluber. Im Ka pitel 9 trägt Tert ullian die Belege dafür zusammen , daß die im Zirkus aufgeführten Spiele ihren Ursprung im heidnischen Kult ha ben. Die Fahrt mit der Quadriga führt Tert ullian zunächst auf Sol zurück, die Fahrt mit dem Zweiergespa nn auf Luna. Dann erwähnt er a uch noch Ericht honios als 1tpw'to~ eope'tl)~ des Vierergespa nnes, indem er zwei Verse a us Vergils Ausführungen über Pferdezucht im drit ten Georgikabuch zitiert, georg. 3,113sq. (110-117): 1
2
Zur Forschu ngslage H. TRÄNKLE, HLL 4 {1997) 487sq. DEKKERS interpungiert in seinem CG-Text Sed et: 'Primus [...J'. Wie dagegen die Aussage eigentlich la uten muß, gibt K.- W . WEEBER, Q uintus Sept imius Tertullianus , Oe spectaculis . Über die Spiele. Lateinisch/ deutsch, St ut tgart 1988, treffend wieder: "Aber außerdem war ' Er icht honius der erste, [... ]'." Entsprechend ist zu interpungieren.
11.1.2
Die Vergilzitate
75
nec mora nec r·equies; at fulvae nimbus harenae tollitur, umescunt spumis ftatuque sequentum: tantus amor laudum, tantae est victoria curae.
primus Ericthonius currus et quattuor ausus iungere equos rapidusque rotis insistere victor. frena Pelethronii Lapi thae gyrosque dedere impositi dorso, atq'u,e equitem docuere sub armis insultare solo et gressus glomerare superbos.
Das wörtliche Zitat ohne Autorenangabe wird mit sed et als zweite, abweichende Variante eingeführt, die Einleitungsworte sind in die Syntax der Vergilverse zu ziehen, das Zitat führt den Geda nken unmittelba r weiter. Vergil fungiert demnach als eine dem Leser direkt zugänglich gemachte Quelle. Allerdings benutzt Tert ullian für die antiquarischen Ausführungen über den Ursprung der Spiele (Kapitel 5- 13) vermutlich 1 die ludicra histor'ia des Sueton als Vorbild. Da her ist zu fragen, ob TertuUian die vergilische Variante von der Erfindung der Quadriga dort bereits vorgefunden oder selbständig in das übernommene Gut 2 eingefügt hat. Daß bereits Sueton in diesem Zusammenhang a uf Vergil verweist, dafür spricht zum einen die Tatsache, daß die Reihe der Versionen nach dem Zitat noch weitergeht. Einen Zusatz hätte Tertullian vielleicht eher am Ende plaziert. Zum anderen ist es nicht wahrscheinlich, daß die Vorlage gerade die vergilische Variante noch nicht oder ohne Hinweis auf Vergil ent halten hätte. Anscheinend findet Tertullia n also den Hinweis a uf die Georgika schon vor, hebt ihn aber dadurch konzeptionell heraus, daß er ein wörtliches Zitat beibehält und die etymologischen Überlegungen zum Namen Ericht honius folgen läßt. 3
ad uxorem Um das J ahr 200 verfaßt Tert ullian die beiden Bücher ad uxoTem, in denen er seiner Gattin moralische Unterweisungen für den Fall seines Todes gibt. 4 Im ersten Buch rät er dazu, von einer Wiederverheiratung abzusehen, im zweiten führt er die Schwierigkeiten vor Augen , die sich a us einer Ehe mit einem Heiden ergeben. 1
2
3 4
Aus spect. 5,8 ( positum est apud Suetonium T'ranquillum vel a quibus 'nunquillus accepit) läßt sich folgern , daß ein antiquarisches Wet·k des Sueton über d en Ursprung der Spiele den Darstellungen zugrunde liegt , und zwar die Bücher 5-7 seines pratum de rebus variis mit den Themen histov"ia ludicm {5-7) bzw. de specta.culis Romanorum (5sq.), dazu P.L. SCHMIOT HLL 4 (1997) 21sq. Daß beispielsweise die Kenntnis des Stesichoros (spect. 9,2; dazu B üCHNER a.d l. 99) oder die fünf Varianten für den U rsprung des iugum auf eine Quelle zurückgehen , ist wahrscheinlich. Ü SWIECIMSKI (90) geht davon aus, daß Tertullian neben den anderen Dichterzitaten in de spectaculis auch die Georgikastelle aus Sueton übernommen hat. Cf. 8 0CHNER ad l. 101- 103. Zu Datierung, Adressaten und Forschungsstand H. TRÄNKLE, HL L 4 (1997) 493 sq.
,
TI .1 Tertullian
76
uxor. 2,6,1 (At) momtur dei ancilla cum laribus alienis: et inter illos omnibus {hominibusj daemonum, omnibus solemnibus regum, incipiente anno, incipiente mense, nidore turis agitabiturl ? Im Kapitel 6 des zweiten Buches führt Tertullian aus, d aß die Ehe mit einem Heiden, auch wenn dieser sich tolerant gegenüber d em christlichen Glauben seiner Gattin zeigt, dennoch im pagan geprägten Alltagsleben zahlreiche Anfechtungen für die Christin mit sich bringt. So verfolge sie zu Beginn eines neuen J ahres und Monats der Weihrauchduft. Die Formulierung nidore agitari könnte sich an dle ersten Verse aus den Anweisungen zum Ausräuchern von Ställen zur Abwehr von Schlangen im dritten Georgikabuch anlehnen, georg. 3,414sq.: Disce et odoratam stabulis accendere cedrum galbaneoque agitare gravis nidore chelydros. Die Verbindung von nidore und agitare ist außergewöhnlich ,2 a ußerdem werden die Verse a uch bei Columella (7,4,6) zitiert und passen, da es um das Ausräuchern geht, in den Kontext , wenngleich bei Tertullian das kultische tus verbrannt wird . Allerdings scheint es Tertullian nicht so sehr um die Referenz auf d ie Vergilstelle zu gehen, sondern um eine a usgefallene Formulierung für das Räuchern. Die Pointe liegt nämlich darin, daß die Christin vom idolatrischen Weihrauchopfer wie ein zu bekämpfendes Ungeziefer vertrieben wird. Die vergilische Formulierung ist also gewählt, weil sie die gewünschte Assoziation mit dem Ausräuchern von Schädlingen herstellt, ohne daß dabei aber dem Leser die Georgikastelle bewußt werden muß.
de corona coron. 1,2 infrendere: Siehe oben (51) zu apol. 12,6.
de fuga in persecutione In der montanistischen Schrift, entstanden während oder kurz nach der Verfolgung unter Prokonsul Scapula (211- 212), legt Tertullian seine rigoristische Position dar , wonach es für einen Christen unter keinen Umständen 1
2
So der Text. der Handschriften, der Ausgaben von STEPHAN und MUNlER sowie der Übersetzung von C hristine MOHRMANN, Apologeticum en andere gescbr iften uit Tertullianus' voor- Montanistischen tijd, Utrecht. 1951; K ROYMANN hingegen konjiziert in seinem CC- Text nidorem turis agitabit. dagegen wendet sieb zu Recht STEPHAN ad l. 145: "Voor de verandaring bestaat m.i. geen reden. C f. Ad Ma.rt . 2: non vides alienos deos, .. .. non nidoribus s purcis verberaris. Agitare staat hier in de overdr. beteekenis van kwellen, verontrusten, plagen, welke zeer gebruikelijk is." Th LL I s. v. agito 1330,53sq. hat nur die Vergilstelle für nidor als Mittel zum Verjagen, allerdings ist die Stelle im Zusammenhang 'J agen von Wild ' eingeordnet. OLD und FORCELLINJ s. v. nidor bieten für nidor als MHtel zum Vertreiben Verg. georg. 3,415; Plin. nat . 12, 126 fgalbanumj si umtur, fugat nidore serpentes(a.us Vergil?) und Tert. uxor. 2,6, 1. PHI 5.3, BTL-2 und CLCLT - 5 bieten n ichts über die genannten Stellen hi.naus.
ll.1.2
Die Vergilzi tate
77
stattha ft sei, sich einer Verfolgung zu entziehen:1 Die Verfolgung sei eine gottgesandte Prüfung, der wahre C hrist wolle und könne ihr nkht entfliehen (Kapitel 1- 4). Die Schrift spreche sich nicht für, sondern gegen eine Flucht a us (Kapitel 5- 9). Weder Laie noch Geistlicher dürfe sich der Verfolgung entziehen (Kapitel 1Osq. ), auch nicht durch Bestechung (Kapitel 12- 14).
fug. 10,1 Sed ornissis quidarn divinis exhortationibus illurn rnagis Gr·aecurn versiculurn saecularis sententiae sibi adhibent: 'Qui fugiebat , rursus proeliabitur'. Ut et rursus forsitan fugiat! Et quando vincet qui, curn fugerit, victus est? B onurn rnilitern Christo irnperatori suo praestat qui tarn plene ab apostolo armatus t'uba persecutionis audita diern deserit per·secutionis! Respondebo et ego de saeculo aliquid: 'Usque adeone mori m iserum est '1 ' (2) Moriatur· quoquo rnodo aut victus aut victor. Narn etsi negando ceciderit, curn tormentis tarnen proeliatus. Im Ka pitel 10 setzt der Gedankengang nach der exegetischen Argumentation der Kapitel 5 bis 9 neu ein mit einem den F luchtbefürwortern in den Mund gelegten griechischen Vers in lateinischer Übersetzung, den bereits Gellius, allerdings im originalen Wortlaut nach Menander (monost. 45 &vijp ö cpeurwv x
Zu Datierung und Porschungsstaod H. TR.ÄNKLE, HLL 4 (1997} 492. Cf. 0TTO 148 Nr. 726; Gell. 17,21 ,28- 32. 3 Cf. T HJERRY ad l. 198; I. RocA MELJA , Significado especial del saeculum t.ertulianeo, Helmantica 26 (1975) 523- 552. 4 Sen . e p ist. 101,13; S uet. Nero 47 ,l sq.; Quint. inst. 8,5,6; Macr. Sat. 5,16,7; cf. ÜTTO 228 Nr. l L40; COURGELLE Lecteurs 692. 5 Diese Beobachtung könnte z u der Vermutung fUhren, Tertullian nehme durchaus nicht unbewußt die Position des unterlegenen, todgeweihten Turnus ein. Auch in den Zitaten Ober Juno und Karthago ( nat.. 2,17,6; apol. 25,8) liest er die Aeneis ja aus der Perspektive der Verlierer und gegen die Aeneadae. Dieser Asp ekt. könnte aber höchstens für die Aus wahl des Zitates, nicht für dessen Leserausrichtung eine Rolle spielen. Im i.lbrigen ist die militia des C hristen in der Verfolgung eine ganz übliche Metaphorik, so etwa THIERRY ad l. 199.
78
II .1 Tertullian
de exhortatione castitatis castit. 13,3 Dido: Siehe unten 85sqq.
de monogamia monog. 17,2 regina Carthaginis: Siehe unten 85sqq.
1.3
Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil, Aeneas und Dido
Neben den bis hierher erörterten Zitaten nehmen die namentlichen Erwähnungen des Autors Vergil und der mythologischen Figuren Aeneas und Dido eine Sonderstellung ein: Zwar kann durch eine bloße Namensnennung sehr wohl eine intertextuelle Beziehung zustande kommen, insbesondere wenn zur Markierung eines Zitates der Autor angegeben wird oder eine bekannte literarische Gestalt aus einem Prätext als re-used figun~ 1 im Folgetext erscheint. 2 Was a ber die im Anschluß erörterten Stellen kennzeichnet und von den übrigen Zitaten deutlich abhebt, ist zum einen das gänzliche Fehlen einer wörtlichen Textberührung und zum anderen die Komplexität und Indirektheit des Vergil bezuges. 1.3.1
Ve rgil
Tertullian nennt Vergil an zwei Stellen: In der Schrift ad nationes markiert er ein kurzes Zitat d urch die Nennung des Autors, um eine Pointe abz usichern. 3 Anders geartet ist d ie zweite Erwähnung: In den Kapiteln 38 bis 40 seines ersten a ntihä retischen Werkes de praescriptione haereticorum4 greift Tert u1lian die manipulativen Methoden an, mit denen die Häretiker scheinbare Belege fü1· ihre Lehren a us der Heiligen Scru·ift gewinnen und zusammenstellen, im Kapitel 40 vergleicht er dieses Vorgehen mit Centonendichtung, praescr. 39,3sq.: {1) Haec sunt ingenia de spiritalibus nequitiae cum quibus luctatio est nobis, frotres , m erito contemplanda, fidei necessaria ut electi manifestentur, ut reprobi detegantur. {2} Et ideo habent vim et in excogitandis instruendisque erro1"ibus facilitatem, non adeo mirondam quasi 1
2
3 4
Cf. etwa W .G. MÜLLER, lnterfigurality. A Study on the Interdependance of Litera.ry Figures, in: P LETT Intertextuality 101- 121, hier 107- 112. Zu diesen Formen der onomastischen Markierung HELBIG 113- 117. nat. 2,13,20, dazu oben 46sq. Entstanden deutlich vor 207/8, wendet sich die ' Prozeßeinrede' (praescriptio) gegen die Gesamtheit heterodoxer Lehren, insbesondere aber gegen Markion, Apelles und Valentinus. - Zur Datierung, zum Verständnis d es Titels und insgesamt zur Forschungslage H. TRÄNKLE HLL 4 (1997) 458-460.
II.l.3
Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil , Aeneas und Dido 79
difficilem et inexplicabilem, cum de saecularibus quoque scripturis exemplum praesto sit eiusmodi facilitatis. (!J) Vides hodie ex Vergilio 1 fabulam in totum aliam componi, materia secundum versus et versibus secundum materiam concinnatis. {4) Denique Hosidius Geta Medeam tragoediam ex Vergilio plenissime exsuxit. Meus quidam pmpinquus ex eodem poeta inter cetera stili sui otia Pinacem Cebetis explicuit. (5) Homemcentones etiam vocari solent qui de carminibus Homeri propria opem more centona?'io ex multis hinc inde compositis in unum sarciunt corpus. (6) Et utique f ecundior divina litteratura ad facultatem cuiusque materiae. (7) Nec periclitor dicere, ipsas quoque scripturas sie esse ex Dei voluntate dispositas, ut haer·eticis materias subrninistrarent curn legam oportere haet·eses esse quae sine scripturis esse non possunt.
Die Praxis, solche F lickgedichte aus dem Schulklassiker Vergil zu verfertigen, ist hier erstmals a usdrücklich belegt, muß a ber Tert ullians Darstellung nach unter seinen Zeitgenossen (§3 hodie) modern und hä ufig geübt sein. 2 Als Charakteristikum stellt er dar , daß sich ein vollkommen ne uer Inhalt (§3 fabulam in totum aliam) aus dem zu einem formal zusammenpassenden Ganzen gefügten Sprachmaterial ergebe. Dann (§4) nennt Tertullian zwei Beispiele von Vergilcentonen , die Medea des Hosidius Geta3 und eine Bearbeitung der tabula Cebetis durch einen Verwandten 4 , welche dieser inter cetera stili StLi otia angefert igt habe. Anba nd der homerocentones verdeutlicht Tertulllan schließlich (§5) nochmals, indem er a uf die Bedeut ung von cento zurückgreift , dje Vorgehensweise der 'Flick'dichtung. 5 Es ist also nicht Vergil, sondern dessen Rezeption zur Zeit Tert ullia.ns, wora uf dieser sich hier bezieht , auf den Dichter selbst fällt kein schlechtes Licht: Das Werk des Hosidius Geta und die Stilübung seines Verwa ndten wertet Tert ullian keineswegs ab, eher sieht er da1·in Kuriosa. Der leicht despektierliche Ton über cüe homemcentones erklärt sich a us dem Spiel mit der Metaphorik von cento, und der Zusammenhang mit den Hä retikern ficht 1
REF'O ULE setzt in seinen CC- Text das mehrheit lich überlieferte Vi,·gilio. Die Namensform Virgilius erscheint, erst vom 5. Jahrhundert an, cf. K. BüCHNER, ' Vergilius', K IP 5 (1975) 119Q-1200, hier 1190. Tertull ian m uß von Vergilius gesprochen und geschrieben haben. 2 Cf. Rosa LAt-.IACCHIA , 'Centoni', EV 1 (1984 ) 733-737; H .- A. GÄRTNER, ' Cent.o', DNP 2 ( 1997) 1061- 1064 ; M. BECK, ' Cento', LACL (2002) 143sq. 3 Cf. P.L. SCHI\II DT, H LL 4 ( l997) §495, dort auch Verzeich nis d er Editionen. In den Wort.en plem ssim e exsuxit scheint eher ein Staunen a ls eine Abwertung zu liegen. 4 Beim ni11<X~ des Kebes handelt es sich um einen wohl ins erste J ahrhundert n.C hr . gehörigen, sich pythagoreisch gebenden Dia log, der im Rahmen der Erkläru ng eines Kronos- Heiligtums und seines Bilderschmuckes den Weg zur rechten Bildung erläutert; cf. REFOULE ad l. 143; LESKY Li teratur 978. Mit explicuit kann übrigens ke ine ' Erklärung' (so d ie Übersetzung von DE LABRIOLLE: "a explique") gemeint sein , vielmehr muß es sich um (;!ine Übersetzu ng (cf. Th LL V,2 s.v. explico 1735,16- 23) , gemwer gesagt eine freie Ubert.ragung in lat einische Hexameter handeln. 5 Die Homercentonen erwähnt in der antihäretischen Polemik schon Iren. 1,1,20; cf. REFOULE ad l. 143.
80
Il .l
Tert ullian
weder Vergil als Vorlage noch die Centonendichter a n, die vielmehr als anschauliches Beispiel a uf einem anderen, rein literarischen G ebiet dienen. Die formale Besonderheit des Zitates besteht in der Art der Bezugnahme, genauer gesagt in ihrem hohen Abstrakt ionsgrad: Es liegt keine Textreferenz vor, sondern eine Thematisierung literarischer Rezeption .1
1.3.2
Aeneas
Neben einer knappen Erwähnung des römischen Nationalheros im A pologeticum2 ist vor allem eine Stelle zu berücksichtigen: Im zweiten Buch ad nationes geht Ter tuUian zunächst nach Varros Konzept der theologia tripartita vor (nat. 2,1,7sq.) und unterscheidet demgemäß unter den paganen Got tesvors tellungen ein genus physicum, quod philosophi retractant, aliud mythicum, quod inter poetas volutatur, tertium gentile, quod populi sibi quique adoptaverunt (nat. 2,1,10). Dem gem~;s physicum sind die Kapitel 2 bis 6 gewidmet, den mythologischen Göttern das Kapitel 7, den Göttern fremder Städte und Staaten d as Kapitel 8. In den Kapiteln 9 bis 11 befaßt sich TertuJlian dann mit den römischen Sondergöttern, bei denen er zwei Arten unterscheidet: alios de hominibus assumptos, alios mente conceptos (nat. 2,9,10). Als erstes Beispiel eines vergöttlichten Sterblichen nennt er den als Pater Indigens div inisierten Aeneas und geht einige Episoden der Aeneasüberlieferung durch, nat. 2,9,12- 18: {12} Patrem Indigentem A enean crediderunt, militem numquam glo7'iosum, lapide debilitatum. Quod telum quantum volgare atque caninum, tanto ignobile volnus. Sed et proditor patriae Aeneas invenitur, tam Aeneas quam Antenor. {19} Ac si hoc verum nolunt, A enea(s) certe patria flagrante dereliquit socios, feminae Punicae subiciendus, quae mariturn Hasdrubalem, Aeneae timiditate in his supplicant em hosti1 non comitata, raptis secum filiis formam et patrem sibi habere non in fugam sapit, sed in ignes anientis Carthaginis ut in amplexus patria( e) pereuntis incubuit. (14) Pius A eneas ob unicum puerum et decrepittlm senem Priamo et Astyanact e destitutis'? Atquin Romanis magis detestand( us) 1 qui pro salute principum et domus eorum adve1·sus Iiberos et coniuges et ( omne) pignus suum deierant. ( 15) Consecra( n) t filium Ven eris, et hoc Volcanus scien(s pa)titur et luno con cedit. {16) Si baiuli parentum in caelo sedent, cur non potiu(s) Argivi iuvenes dei habiti, quod matrem. ne in sacris piaculum commi( t) tere( t) 1 plus quam humano more iugales provexerunt ? ( 17) Gur non magis dea, qua( e) magis pia1 illa filia patris in carcere f ame def ecti uberibus suis educ( atrix) '? {18) Quid aliud Aeneae gloriosum 1 nisi quod proelio Laurentino nusq(uam) comparuit; Ru1·sus f orsitan solito more quasi desertor e proelio fugerit. 1 2
Nach R ELBIG (131- 135) die Pot.enzierungsstufe intertextueller Markierung. 14,2, dazu unten 81 Anm. 1.3.2
Il.l.3
Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Yergil , Aeneas und Dido 81
Da bei konzentriert sich Tertulllan a uf die schwarzen Flecken in der mythischen Biographie des Heros 1 , um ihn im Rahmen einer euhemeristischen Argumentat ion als Menschen, und dazu als einen nicht gerade heldenhaften, bloßzustellen: 2 Zunächst schmäht er Aeneas als miles nu.rnquam gloriosu.s in Anspielung auf den bekannten Plautustitel3 und begründet dies mit der Verwundung des Aeneas d urch einen Stein (Il. 5,302- 313). Auf den nämlichen Kontext , in dem a uch die Verwundung der Aphrodite im Ra hmen der Rettungsaktion berichtet wird (Il. 5,334sqq.), bezieht sich übrigens die einzige weitere Erwähnung des Aeneas bei Tert uUian (apol. 14,2) - wiederum also auf die homerische Figur. Dann hält Tert uU1an dem Aeneas vor, wie Antenor ein proditor patriae zu sein. Damit rekurriert er a uf eine in hellenistischer Zeit a usgeprägte Variante der Aeneasüberlieferung, gemäß der Aeneas von den Griechen verschont worden sei, da er mit ihnen kollaboriert ha be.4 Mit 1
Allgernein zur Aeneasüberlie fe rung etwa W. SCHUR, Die Ä neassage in der späteren römischen Lit,erat ur, D iss. Straßbu rg 1914; G. B INDER, ' Äneas', E nzyklopädie des Märchens 1 (1977) 509-528; ä ltere Literatur zusammengeraßt bei R. CHEVALLIER, Les avatars d'Enee dep uis Ia derniere Guerre Mondiale, in: C HEVALLIER 559- 577; N. HORSFALL, Sorne P roblems in the Aeneas Legend, CQ 29 (1979) 372- 390; G. D' ANNA, ll mito d i E nea nella documentazione letteraria, in: L'epos greco in Occidente. Atti del d iciannovesimo congresso di stud i s ulla Magna C recia (1979) , Tara.nto 1980, 231- 245; F. CANCIANI, 'A ineias' , LIMC 1,1 (1981) 381- 396, vor allem 381sq.; P. GRJMAL, ' E nea', EV 2 (1985) 229- 231 ; N.M. HORSFALL, T he Aeneas- Legend from Horner to Virgil, in: J .N. BREMMER I N.M. HORSFALL, Roman Myth and Mythography, London 1987, • 12- 24; J . P ouc ET, La diffusion de Ia legende d 'Enee en ltalie centrale et ses rapports avec celle de Romulus, LEC 57 ( 1989) 227- 254; ders., Denys d 'Ha.licarnasse et Varron : • Lc cas des voyages d 'Enee, MEFRA 101 (1989) 63- 95; A. 8 ALLABRIGA, Survie et de• scendance d ' Enee. Le mythe grec archa·ique, Kernos 9 (1996) 21- 36; G. BINDER, Der brauchbare Held: Aeneas, in: Die Allegorese des antiken Mythos, hg. v. H.- J. HORN I H. WALTER, Wiesbaden 1997, 31 1- 330. 2 llona ÜPELT, ' Aeneas', RAC Suppl. 112 ( 1985) 88- 94, hier 92, erstmals: J bAC 4 (1961) 184- 186, resümiert : ·' [n diesen Gedankengängen Tertullians sind euhemeristische A rgumente im Dienste der christl. Apo logetik verwendet'' In diesem Sinne a uch S. PEZZELLA , C ristianesimo e paganesimo romano, Bari 1972, 77- 79. - Ana lyse der e uhe meristischen Argumentation an d ieser Stelle bei J .W . SCHIPPERS, Oe Ontwikkeling der Euhemeristische Codencr itiek in de C hristlijke Latijnse Literatuur, G roningen 1952, 59sq. 3 Cf. llona ÜPELT, D ie Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, Heidelberg 1980, 18. 4 Ausgangspunkt ist die !Iias, die einerseit.s von Spannungen zwischen P riamos und Aeneas (18,460; 20,180.298; späte T eilnahme am Krieg 20,90.190) , andererseits von des letzteren Bestimmung (20,307sq.) berichtet, das Thojanergeschlecht weiterzufüh ren, cf. H. ERBSE, Aineias in der flias Homers, Hermes 119 (1991) 129- 144. Daraus entwickelt sich als Erklärung für das bei Homer nicht ber ichtete, aber augelegte Entkommen des Aeneas aus dem zerstörten Ttoja neben der üblichen Version von Aeneas als dem göttlich auserwählten Überlebenden, dem frommen Retter des Vaters und dem zur Ansiedl ung in Italien Bestimmten d ie Variante vom geschonten Kollabo•·ateur. Ältestes Zeugnis für diese Vers ion des Aeneas prodi tor ist der hellenistische Lokalhistoriker Menekrates von Xanthos {F'CrHist 769 F 3), grundsätzlich dazu etwa C. PASCAL, Enea t rad itore, R F'IC 32 (1904) 231- 236; G . l
82
11.1
T er t ullian
dieser nicht zuJetzt antirömischen Variante setzte sich offenbar die römische Historiographie des ersten vorchristlichen Jahrhunderts auseinander. 1 Im ersten nachchristlichen J a hrhundert 2 findet durch die Troja- Mythographie des Dictys und des Dares die Version von den Verrätern Aeneas und Antenor wieder Verbreitung, und zwar als vermeintlich historisch korrekte Variante. 3 Davon werden a uch die spätantiken Aeneiskommentatoren4 beeinßußt. Tertullian scheint eine kritische Diskussion dieser Variante zu kennen, wie die Überleitung si hoc verum nolunt nahelegt. Daraufhin (§13) macht Tertullian seine Kritik an einem unzweifelhaften Punkt der Aeneasüberlieferung fest , an der Tatsache nämJich, daß Aeneas mit dem Leben davonkommt.5 Hier
1
lntrod·uzione XIV- XVI ; Antonie WLOSOK, Die Göttin Venus in Vergils Aeneis, Heidelberg 1967, 46-52; G. K. GALINSKY, Aeneas, Sicily, and Rome, Princeton 1969, 3-61, v.a. 48; E. GABBA, SulJa valorizzazione politica della leggenda delle origini troiane di Roma fra III e ll secolo a.C., in: I canali deUa propaganda. nel mondo a.ntico, a. cura di Marta SORDI, Milano 1976, 84- 101; Rita ScooERt, Il tradimento di Antenore, in: I ca.nali deUa propaganda nel mondo a ntico, a cura di Ma.rta SORDI, Milano 1976, 28-49, v.a. 39sq. Dazu grundsätzlieb J .-P . CALLU, 'lmpius Aeneas?' Echos virgiliens du bas-empire, in: C HEVALLIER 161- 178. So soll nach einem Zeugnis des vierten Jahrhunderts n.Chr. (P s. Aur. Vict. orig. 9,2 At vero Lutatius non modo Antenorem, sed etiam ipsum Aenean proditorem patriae fuisse trodit. Cf. Anonimo, Origine del popolo Romano, a cura di G. D ' ANNA, Milano 1992, ad l. 84sq.) Lutatius Catulus in seinen communes historiae Aeneas und Antenor als proditores patriae nebeneinanderstellen. Sisenna soll nach Servius (Aen. 1,24.2) zugunsten des politisch von Sulla vereinnahmten Aeneas (so E.
PARATORE, La leggenda di Enea. nei frammenti di Sisenna, in: Atti del convegno: Gli storiogra fi latini tramandati in fra.mmenti, a c ura di S. BOLDRINI et al. , Urbino 1974 , 223- 244, v.a . 239-241) hervorgehoben haben solum Antenorem prodid.isse. Nach der lnterpretat ion von K. ZELZER, fam primum omnium satis constat ... Zum H intergrund der Erwähnung des Antenor bei Livius 1,1, WS NF 27 {1987) 117- 124, will auch Livius (1, 1,1 l am primum omnium satis constat 1h>ia capta in ceteros saevitum esse Troianos, duobus, Aeneae Antenorique, et vetusti iure hospitii et quia pacis reddendaeque Helenae semper auctares fueront, omne ius belli A chivos abstinuisse {. ..}.) einer zu seiner Zeit virulenten Version vom Aeneas proditor bewußt entgegentreten. 2 Seneca koostruie.r t in seiner Schrift de beneficiis als Beisp iel rur solche Menschen , die andere erst in Not bringen , um ihnen dann ihre Hilfe anzud ienen, den folgenden Fall, benef. 6 ,36,1: Quis pium dicet Aenean, si patriam capi voluerit, ut captivitati patrem eripiat? Darin kan n m an kaum mit GALINSKY (4 Anm. 3) ein unmittelbares Indiz für ein ambivalentes Aeneas- Bild sehen: Aeneas fungiert hier j a gerade als Beis piel für pietas und ersehnt die Einnahme seiner Vaterstadt gerade nicht. Es wäre höchstens zu s pekulieren, ob nicht h inter dem Konstrukt das Wissen um eine, freilich hier von Seneca für ganz und gar absurd gehaltene, Aeneas proditof'-Yariante stehen könnte. USSANI (Eneide ll, lntroduzione XV) spricht von einer ' Anspielung'. 3 Zur Bemühung des Dictys und des Dares um eine vermeintlieb ' wahre' Thoja- ÜberHeferung W . EISENHUT, Spätantike Troja- Erzählungen - mit einem Ausblick auf die mittelalterliche Thoja- Literatu r, M LatJb 18 (1983) 1- 28, v.a. 11- 18; zum A eneas proditor darin KONOPKA 58--64; CALLU 166-171; J .G. FAR.ROW, Aeneas and Rome: Pseudepigrapha. and Politics, CJ 87 {1991) 339-359, v.a . 344- 349. 4 Servius scheint die Aeneas proditof'-Yersion als dje eigentlich h istorische anzusehen (v .a. Aen. 1,242, weitere Stellen bei H. GEORGII , Die antike Äneiskritik aus den Scholien und anderen Quellen hergestellt , Stuttgart 1891 , 72.85sq.104) , wohl da er, so WLOSOK Die Göttin Venus 49, Dictys und Dares als zuverlässige Quellen betrachtet. 5 So schon die Prophezeiung des Poseidon in der llias (20,307).
II.1.3
Exkurs: Oie na mentlichen Erwä hnungen von Vergil, Aeneas und Dido 8 3
kommt die Polemik durch die Gegenüberstellung mit der Frau des Hasdrubal zustande, die sich bei der Zerstörung Kart hagos im Dritten Punischen Krieg in die Flammen stürzt. 1 Dann (§14) zieht Tert ullia n die pietas des Aeneas in Zweifel, da dieser für seinen Sohn und seine n Vater den König Priamos und Astyanax im Stich gelassen habe. Dieses Vergehen hebt Tertullia n heraus vor dem Hintergrund einer gebräuchlichen Eidesformel, durch welche die Soldaten sich verpflichten, das Kaiserhaus höher als die eigenen Kinder z u achten. 2 Der nächste Aspekt, den Tertullian anspricht (§15), betrifft eine mythologische Unstimmigkeit der Aeneasüberlieferung, die Frage nä mlich , warum Vul~"1.n der Vergöttlichung des unehelichen Sohnes seiner Gemahlin nichts entgegengesetzt habe und Juno mit ihrer Gegnerschaft nicht durchgedrungen sei. Damit betont Tert ullian zugleich die a ußereheliebe Abstammung des Aeneas. Anband des Beispiels von Kloobis und Biton (§16) und von Pero (§17) setzt Tertullia n nochmals die pietas des Aeneas, diesmal gegenüber dem Vater, durch den Vergleich mit Taten von größerer Hingabe herab. 3 Der letzte Vorwurf (§18) gegen Aeneas bezieht sich a uf sein Verschwinden im proeli·u m Laurent'inum, das ihm Tert ullian als Desert ion anrechnet. 4 Damit kommt Tertullian a uch wieder zum Ausgangspunkt zurück, zur Verehrung des Aeneas als P ater Indiges. Was Tert ullian hier also vorlegt, ist ein polemischer Durchgang durch die Aeneas- Überlieferung von der Verwundung durch Diomedes im Kampf um Troja über die Flucht bis z um Verschwinden a us der Schlacht am Numicus. Dabei st ützt sich Tertullian gänzlich a uf die vor- und a ußervergilische 'Il·adition - eine Tatsache, die dem antiken Leser sogleich ins Auge fallen muß.
1
2
3
4
Cf . Polyb. 38,20; Plor. 1,3 1,16sq.; BERTI 231- 238. G egenüber d iesem exemplum fortitudinis - a ls solches präsent iert Valerius Maxim us (3,2,8 ext.) die Episode - erscheint Aeneas a lles andere a ls heroisch: D er Pater lndiges muß sich ein er Frau u nd der römische Nationa lheld einer Kart hageri n an Heldenmut gesch lagen geben . Cf . HAIDENTHALLEit a.d l. 140. Nach Sueton soll C a lig ula das Heer fo lgendermaßen a uf seine Schwestern eingeschworen haben (Ca lig. 15,3): neque m e liberosque m eos cariores habebo quam Gaium habeo et sorores eius. Trotz d ieser Übertrag ung in d ie zeitgenössischen Verhä lt nisse d ürfte d ahinter letztlich eine Tertullian bere its vorliegende Tradit ion eines impius Aeneas st ehen, d ie in der Version vom Aeneas proditor ku lminiert, cf. CALLU passim; USSANI 12 1: "Una tradizione previrgilia na. doveva fare d i Enea un vile fuggiasco oltre ehe un trad itore." Zur Kri t ik a n Aeneas' pietas in der antiken Verg ilphilo logie G EORGII 565. Wiederum liegt aber, wie bei der Fra u des Hasd rubal (§13), die eigentliche p olem ische Spitze in d er Art d er Gegenbilder: Eher noch hätten d ie beiden a ls Zugtiere tätigen Söhne und die d em Vater d ie Brust reichende Tochter d ie Vergöttlicbung a ufgrund ihrer pietas verd ient als de.r Held Aeneas. Die Apotheose des Aeneas wä hrend der Schlacht findet sich hä ufiger in der Aeneas überlieferung, so etwa. bei Livi us, 1,2,6: Secun dum inde proelium Latinis, Aeneae
etiam ultimum operum mortalium fuit. situs est, quem cum que eum dici iu s fa sque est super Numicum ftumen: Iovem indigetem appellant. Da hi nter steht wohl die homerische Entriickung d es He lden a us der Schlacht nach der Verwundung du rch Diomedes (II. 5,312; cf. 20,390).
84
11.1 Tertullian
Vergil nämlich läßt die Verwundung des Aeneas mit einem Stein 1 ebenso weg wie die Tradition des Aeneas proditor und des feigen Flüchtlings, da in der Aeneis göttliches Eingreifen den Fortgang aus der zerstörten Stadt als Erfüllung einer höheren Aufgabe motiviert - vor allem in der Erscheinung Rektors, der Aeneas die Rettung der Penaten anvertraut (Aen. 2,289 295). Auch läßt der vergilische Aeneas seine Gefährten und Priamus auf jene Aufforderung hin nicht etwa zurück, sondern stürzt sich noch einmal in den Kampf (Aen. 2,336-338), bis er sieht, daß die Freunde und der greise König gefallen sind, und er sich der Seinen erinnert (Aen. 2,559- 566). 2 Der Tod des Astyana.x schließlich wird zwar in der Aeneis vorausgesetzt (Aen. 3,488sq.), a ber nicht näher ausgeführt. Überhaupt ist die Darstellung des Aeneas im Vergilischen Epos ganz a uf dessen pietas abgestellt.3 Die Entrückung aus der Schlacht schließlich kennt die Aeneis nicht, lediglich erwähnt J upiter die Bestimmung des Helden zu einer Vergöttlichung als Indiges Aeneas (Aen. 12,794). Anders als Laktanz, der sich in seiner Polemik gegen Vergils Aeneasdarstellung (inst. 5,10,1- 11) ausdrücklich auf die epische Figur bezieht,4 ignoriert Tertullian gerade Vergils kanonische Darstellung. 5 Tertullian bezieht sich ausschließlich a uf kritische Punkte in der Aeneas- Überliefenmg, die Vergil beseitigt oder bereinigt. Sicherlich zeigt sich in dieser Mißachtung eine Distanzierung von Vergil und eine Relativierung seiner Bedeut ung. Andererseits a ber bleibt auf diese Weise der literarische Aeneas des Vergilischen Epos von direkter Polemik verschont - ihn treffen die Vorwürfe nicht. Tertullian greift vielmeh1· den Aeneas der mythologisch beeinßußten historischen Tradition a uf einer rationalistischen Ebene an. In der apologetischen Auseinandersetzung geht es um die religiöse Dimension jener Gestalt. Der unmittelbaren Konfrontation mit der epischen Figur geht Tertullian hingegen aus dem Weg. Wenigstens den Rahmen seiner Aeneaspolemik, also die Erwähnung als zum Gott erhobener Mensch und die Entrückung, übernimmt Tertullian a us Van·os antiquitates rerum divinarum, der Hauptquelle des zweiten Buches ad nationes. 6 Auch den Aeneas proditor beziehungsweise den Aeneas impius 1
2
3 4
5
6
Er nimmt die Szene Il. 5,302- 310 zwar auf und verlegt sie sogar in den Entscheidungskampf zwischen Turnus und Aeneas (cf. G.N. K NAUER, Die Aeneis und Homer, Göttingen 1979 2 , 317 sq.), läßt aber d en Felsbrocken zu Boden faJien , ehe er Aeneas trifft (Aen. 12,906sq.) . Genau das von Tertullian Monierte w ird also vermieden. Zur Gestaltung der Flucht aus Troja bei Vergil grundlegend R. HEJNZE, Vlrgils epische Technik , Berlin / Leipzig 1915 3 28- 33. Das zeigt etwa C.J . MACKJE, The C haracterisation of Aeneas, Edinburgh 1988. Dazu WLOSOK Zwei Beispiele 440 444 . Diesen ganz wesentlichen Unterschied zwischen der Aeneaspolemik bei Tertullian und bei Lakta nz, der von ÜPELT ( Aeneas 92: " In ähnlicher Weise kritisiert Laktanz [... ]") beiseite gelassen ist, hebt WLOSOK Zwei Beispiele 437 sq. hervor. Cf. 8. CARDAUNS, M. Terentius Varro, Antiquitates rerum divinarum, Mainz 1976, fr . 214: Patrem lndige(n)tem Aenean ... ... proelio Laurentino nusqfuamj comparuit a us Tert. nat. 2,19, J 2. 18; zur Stelle jetzt auch (allerdings ohne nähere Berücksichtigung der vorliegenden Fragestellung) Y . LEHMANN, La figu re d 'Enee d ans l'reuvre de Varron, in : G . FREYBl/RCER / L. PERNOT, Du heros paien au saint chretien, Paris 1997, 47- 51 , hier 50. - Offen bleiben muß dabei, ob Tertullian den impius A eneas bzw. den proditor
11.1.3
Exkurs: Oie namentlichen Erwähnungen von Yergil, Aeneas und Dido 85
findet er in der Tradition vor. Auf den Apologeten selbst geht also nur derenpolemische Verwend ung und Ausgestalt ung zurück. Tert ullian t reibt hier a uch keine Polemik um der Polem ik willen, sondern zieht nach den Regeln der Rhetorik ein historisches exemplum. Die Spitze ist d abei antipolytheist isch und - dafür spricht a uch die Tatsache, daß Tertullian öfter an Stellen, wo er sich in spöttischer Weise mit dem religiösen Selbstverständnis der Römer auseinandersetzt, diese als Aeneadae bezeichnet 1 - antirömisch, aber nicht antivergilisch. 1.3.3
Dido
Die mythische Gründerin von Karthago find et bei Tertullian a n mehreren Stellen Erwä hnu ng: In der Schrift ad martyras führt er eingekerkerten Christinnen und Christen, die ihr Martyrium zu gewärtigen ha ben, eine Reihe von Männern und Fra uen vor Augen, die ihr Leben einem Ideal geopfert haben, ma rt . 4,5: Nec minus f ecerunt philosophi: Hemclitus, qui se bubuio stercore oblitum excussit; item Empedocles, qui in ignes Aetnei montis desiluit; et Pe1·egr'inus, qui non olim se rogo immisit, cum f eminae contempser'int ignes: D ido, ne post vir-um dilectissimum nubere cogeretur; item Asdrubalis uxor, quae iam ardente Carthagine, ne mar'itum suum supplicem Scipionis videret, cum filiis in incendium patriae devolavit.
Als erste nennt Tertu llia n zwei Frauen, die den Tod in den Flammen gesucht haben, Dido, um einer Wiederverheiratung nach dem Tod ihres ersten Gatten zu entgehen, und die Gema hlin des Hasdrubal, um den Untergang ihrer Heimatstadt Ka rthago nicht zu überleben. In ä hnlicher Weise erscheint Dido noch öfter im Werk des Tertullia n. Dieselben exempla wie in ad martyras gebraucht Tertullia n auch in der Schrift ad nationes, diesmal allerd ings nicht in pa ränetischem, sondern in a pologetischem Kontext: Dem von heidnischer Seite erhobenen Vorwurf der obstinatio, da die Christen weder Tod noch Schmerz flöhen, hä lt Tertullian Beispiele von Selbstau fopferungen und Selbsttötungen a us der paganen Tradition entgegen, nat. 1,18,3: Crucis ver'O novitatem numerosae, abstrusae, Regulus vester· libente1· dedicavit; regina Aegypti bestiis su·is usa est; ignes post Carthaginensem feminam Asdn.tbale marito in extremis patriae constantiorem docuerat invadere ipsa Dido .
1
eigenständig (anderswoher oder aus eigener Kennt nis) in den Varronischen Kontext hineinträgt, oder ob er ihn nicht eher bereits (dann wohl als abiehenend diskutierte Überlieferungsvariante, worauf das ac si hoc verum noltmt hindeuten kön nte) dort vorfindet. So etwa apol. 9,5; 25,8 ( cf. nat. 2, 17,6); coron. 12,2.
,
86
I 1.1
T e r t.ullian
Bemerkenswerterweise hebt er den von den Puniern getöteten Römer Regulus a ls vester ausdrücklich von den beiden Karthagerinnen ab, die ihrerseits miteinander in Zusammenhang treten, da Dido als Vorbild für den Opfertod der Frau des Hasdrubal erscheint. 1 Auch im Schlußkapitel des Apologeticum findet sich zur Widerlegung des Einwandes cur querimini, quod vos insequamur, si pati vultis [. .. j'? (apol. 50,1) eine Reihe von exempla todesbereiten Opfermutes, in der wiederum auf Dido Bez ug genommen wird , apol. 50,5: Mucius dexteram suam libens in ara reliqu.it: o sublimitas animi! Empedocles totum sese Aetnaeis incendiis donat: o vigor mentis! aliqua Carthaginis conditrix rogo secundum matrimonium evadit: o praeconium castitatis et pudicitiae!
Nun fehlt aber die Gattin des Hasdrubal , außerdem hebt TertuUia n bewundernd die Werte hervor, für die Dido ihr Leben hingibt: castitas und pudicitia. Die nächste Erwähnung der Dido findet sich in der Schrift de anima. Ausgehend vom 'fraum des Ennius, wonach Homer als Pfa u wiedergeboren sei,2 stellt Tertullian zur Widerlegung der Palingenesielehre unter a nderem die ironische Frage, welches Tier bei einer Wiedergeburt die 'I\1gend einer integra femina Dido angemessen zur Geltung bringe, anim. 33,9: Age nunc, ut poetae in pavos vel in cycnos transeant, si vel cycnis decora vox est, quod animal indues viro iusto Aeaco? quam bestiam integrae f eminae Didoni? quam volucrem patientia, quam pecudem sanctimonia, quem piscem innocentia sortientur? omnia famula sunt hominis, omnia subiecta, omnia mancipata. Si quid horum futut'ti.S est, diminoratur illic ille cui ob merita vitae imagines, statuae et tituli, honores publici, privilegia rependuntur, cui curia, cui popultLS suffragiis immolat.
Hier steht also Dido nicht mehr als exemplum für den Opfermut, sondern für die im Apologeticum bereits angeklungenen 'lUgenden castitas und pudicitia. Im let zten Kapitel seiner Eheschrift de exhortatione castitatis t rägt Tertullian Beispiele für seine Grundthese z usammen, daß eine verwitwete C hristin nicht wieder heiraten dürfe. An erster Stelle unter den paganen exempla steht Dido, castit. 13,3: Erunt nobis in testimonium et f eminae quaedam saeculares ob univiratus obstinationem f ama consecutae: aliqua Dido, quae profuga in alieno solo, ubi nuptias 1'egis ultro optasse debuerat, ne tarnen secundas experiretur, maluit e contrario uri quam nubere, vel illa Lucretia, quae etsi semel pe1· vim et invita alium virum passa est, sanguine suo maculatam carnem abluit, ne viveret iam non sibi univira. 1
2
Cf. Oros. hist. 4 ,23,4 mit Nadia BERTI, lmitatio Didonis e s uicidio rituale nella morte della moglie di Asdruba le, io: Dulce et dec01'tl.m est pro patria mori. La. morte in combattimento ne ll'a.ntichita, a cur a di Marta SORDI, Mi lano 1990, 23 1- 246, hier 245sq. Refer iert aoim. 33,8.
11.1.3 Exkurs: Die namentlichen Erwä hnungen von Yergil , Aeneas und Dido 87
Hier erscheint Dido als Vorbild , weil sie lieber stirbt, a ls nicht univira zu leben. Ganz ähnlichen C harakter hat auch ihre Erwähnung in Tertullians letzter Eheschrift de monogamia, 17,2: Solenl ethnici iudices deslinari. Exsurget regina Carthaginis et decernet in Ch1"istianas, quae profuga et in alieno solo et tantae civitatis cum maxime j ormat1"ix, cum regis nuptias ultro optasse debuisset, maluit e contrario uri quam nube1·e.
Bei all diesen Erwäh11ungen der Dido geht Tertullian nicht von Vergils Darstellung der Königin von Karthago im vierten Aeneisbuch aus, die sich aus unglücklicher Liebe zu Aeneas den Tod gibt , sondern von einer vorvergilischen Tradition, in der Ae neas nicht vorkommt. Diese andere Didoüberlieferung1 läßt sich ins vierte J a hrhundert vor Chris tus zurückverfolgen, ältester Zeuge dafür ist der hellenistische Historiker Timaios von Tauromenlon: 2 Auf der Flucht vor ihrem Bruder P ygma lion, dem Mörder ihres Gatten, sei Dido nach Libyen gekommen und habe Karthago gegründet. Als der libysche König um sie freite und die Bürger der Stadt sie zur Ehe nötigten, habe sie sich auf einen unter dem Vorwa nd eines Opfers entzündeten Scheiterhaufen gestürzt , um den Treueschwur gegenüber dem getöteten Gatten nicht zu brechen. Diese Tradition findet sich sowohl im paganen historischen Schrifttum erwähnt, so etwa bei Pompeius 'Il·ogus und später bei Solinus, 3 als auch in der christlichen Lite ratur als exemplum herangezogen, nach Tertullian et1 Daz u etwa 0 . ROSSBACH, 'Dido', RE V,1 {1903} 426-433; C . PASCAL, Didone nella letterat ura latina d ' Africa, Athenaeum 5 (1917} 285- 293; A. STUIBER, 'Dido ', RAC 3 (1957} 1013-1016; Mary L. LORD, Dido as an Example of C hastity, HLB 17 {1969} 22-44 & 216-232, v.a. 27- 40; A. LA P ENNA, ' Didone', EV 2 (1985) 48- 57, vor a llem 5{)-52; Antonie W LOSOK , Boccaccio über Dido - mit und o hne Ae neas, in: djes. Res humanae 46{)-475, hier 468- 472, erstmals in: AAntHung 30 (1988} 457-4 70; H ECK Vestrum est l08sq.; BERTI 238- 240; N.M. HORSFALL. Oido in the Lig ht of History, in: O xford Readings in Vergil 's Aeneid , ed. by R.J. HAAAISON, O xford 1990, 127144; .J .- M. P OINSOTTE, L'image de Didon dans l'Ant iquite tardive, in: Enee et O idon, edite par R. MARTIN, Paris 1990, 43- 54; A. R u1z DE ELVIRA , Dido y Eneas, C FC 24 {1990} 77- 98; ders., Hy pomnemata tria, C F'C (L) 4 ( 1993} 83- 91 ; E r ika SJMON, ' Dido', LIMC 8, 1 ( 1997} 559- 562, vor a llem 559sq.; F. GRAF, ' Dido', DNP 3 {1997} 543; G . BINDER, Vergil. die Ae neis und Dido, in: ders. {Hg.) , Dido und Aeneas. Vergils Dido-Drama und Aspekte seiner Rezeption , 'frier 2000, 9- 23, v.a . 18- 22; grundlegend zur Ko nzeption de r vergilischen D ido HEINZE Virgils epische Technik 115- 119; dazu und z u deren Re-.teption in der Dicht ung etwa Maria ADDAMO, Didone nella lettera tura lati na, Palermo 1952. 2 F'CrHist 566 F 82, zu m Kontext LORD 32- 34. 3 Ausführlich erzähl t wird d ie Version ohne Aeneas lustin . 18,4,3-6,8; Solin. 27,J0 sq. erwähnt Dido a ls CrUnderin von Karthago und fUhrt diese Nachricht a uf eine oratio senatoria des Cato z urück, Aeneas wird nicht genannt. Mac r. Sat. 5,17,4-Q stellt d ie vergilische direkt der historischen (ohne Aeneas) gegenüber. Serv. a.uct. Aen. 1,340 Dido vero nomine Elissa ante dicta est, sed post interitum a Poenis Did o appellata, id est virago Punica lingua, qv.od cum a suis sociis cogeretur cuicumque de Afris regibus nubere et prioris mariti caritate teneretur, forti se animo et interfecerit et in pyram iecerit, quam se ad expiandos prioris mariti manes extruxisse fingebat.
88
II .1
Tertullian
wa von Minucius Felix und Hieronymus. 1 Daß die Version ohne Aeneas als die historisch zutreffende gegenüber der fesselnden literarischen Version des Vergil angesehen wird, zeigt Macrobius, Sat. 5,17,5sq.:2 Quod ita elegantius auctore digessit, ut fabula lascivientis Didonis, quam falsam novit universitas, per tot tarnen saecula speciem veritatis obtineat et ita pro vero per ora omnium volitet, ut pictores fictoresque et qui figmentis liciorum contextas imitantur effigies, hac materia vel maxime in effigiandis simulacris tamquam unico argumento deco1-is utantur, nec minus histrionum pe17Jetuis et gestibus et cantibus celebretur. tantum valuit pulchritudo narrandi ut omnes Phoenissae castitatis conscii, nec ignari manum sibi iniecisse reginam, ne pateretur damnum pudoris, coniveant tarnen fabulae , et intra conscientiam veri fidem prementes malint pro vero celebrari quod pectoribus humanis dulcedo fingentis infudit. 3
Die fabula lascivientis Didonis kommt bei Tertullian nicht vor, er nimmt a usschließlich auf die sittsame und opfermütige Dido der historiographischen 'n·adition4 Bezug. Sie hält er, wie dann Macrobius, für die historisch zuverlässige und zieht sie deswegen als rhetorisches exemplum heran. Darin liegt natürlich ipso facto eine gewisse ZUTücksetzung Vergils: Dessen so überaus wirkungsvolle Dido übergeht Tertullian stillschweigend , und der Leser nimmt das sicher auch Z Ul' Kenntnis. Allerdings ist folgendes zu bedenken: 1. Tertullian kann die Bekanntheit der historischen Dido bei seinen Lesern so weit voraussetzen, daß diese deren Anführung als exemplum für Opfermut und Keuschheit ohne weiteres verstehen und von der Dido, die sich dem Aeneas hingibt, t rennen können , die mlt ihrem Selbstmord aus Liebeskummer beinahe die genau gegenläufigen Eigenschaften zu repräsentieren scheint.
2. Es ist ein primär nordafrikanisches Publikum, bei dem Tertullian die Kenntnis der a ußervergilischen Dido neben der vergilischen5 voraus1
2
Min . Fel. 20,6; Hier. adv. lovin . 1,43; epist. 123,7,2; ebenfalls in Verbindung m.it der Frau des Ha.sdruba.l, aber ohne ausdrückliche Bezugnahme a uf den Selbstmord a us pudicitia Oros. hist. 4 ,23,4. - E ine Zusammenstellung der weiter en Erwähnungen dieser Oidoversion in der (vor· allem christlichen) Literatur der Spätant ike bieten der RACArti ke l von STUIBER sowie d.ie Arbeiten von LORD (bis in die Renaissanceliteratur) und P OINSOTTE; speziell zur christlichen Dicht ung llona ÜPELT, Spiegelung und Zerspiegelung der Oido Yergils, in: dies., Paradeigma.ta Poetica Chr istiana, Düsseldor f 1988, 126-129. Aber aucb Aug. conf. 1,13,22 Ober die vergilische Oidovariante mit Aenea.s: doctiores
autem etiam negabunt verum esse. 3 4
5
Cf. POINSOTTE 53. Siehe oben 87 Anm. 3. Zur Bekanntheit Vergils in Nordafri ka etwa P. ROMANELLI, Riflessi virgiliani dei rapporti tra Roma. e l'Africa, in : Studi virgiliani I, Roma 1931 , 201- 218; V. USSANI , Virgilio e l'Africa latina, in: Atti del ll congresso nazio na.le di studi romani, Roma 1931 , lll l61-
Il.l .3 Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil , Aeneas und Oido 89 setzt. Das und eine Nua nce karthagischen Lokalko lorits d urch den Zusammenhang mlt der A sdrubal-is uxor (mart. 4,5; nat. 1,18,3) 1 und d urch d ie Bezeich nung als Carthaginis conditrix (apo l. 50,5) und regina Carthaginis (monog. 17 ,2) deuten d ara uf hin , daß die heroische Dido im Bereich von Kart hago eine besondere Popularität genießt. 2 3. Tertullian verwendet Dido als exem plum im Sinne der Rhetorik. 3 In dieser Eigenschaft erscheint Dido nicht nur in den a pologetischen Schrift en, wo eine bewußte Opposition zu Vergil durcha us ihren Sit z im Leben hätte, sondern sogar überwiegend in der innerchrist lichen Paränese. Die a ußervergilische Dido kann d aher nicht nm negativ, also a nt ivergilisch, besetzt sein, sondern muß auch und vor allem posit ive Assoziationen wecken. 4. Tert ullian ent hält sich, auch in den a pologet ischen Werken, jeder a usdrücklichen krit ischen Auseinandersetzung mit Vergils Didoversion, insbesondere erhebt er nicht d en bei anderen paganen und christlichen Autoren laut werdenden Vorwurf der Geschicht sklit terung. 4 5. Tert ullian greift in seinen Werken ü ber beinahe zwei J ahrzehnte a uf d as posit ive exemplttm der a ußervergilischen Dido zurück. An den Idea len, für die er Dido setzt , lä ßt sich der jeweilige Skopus seines lit erarischen Schaffens ablesen: Zum einen (ma rt. 4,5; nat. 1,18,3) nimmt er sie für den Opfermut in Anspruch , der dem von Verfolgung bedwhten C hTisten abverla ngt wird , im A pologeticum (50,5) kommen d ie für Tert ullia n offenba r bedeut enden Gesich tspunkte castitas u nd pudicitia hinzu, Dido wird zur integm femina schlecht hin (anim. 33,9) , und der Montanist , 171; T . I
a
90
Il.l
Tertullian
für den dle Frage der Wiederverheiratung zum zent ralen Anliegen geworden ist, stellt seinen Lesern die univira Dido als das hervorragendste nichtchristliche Beispiel vo r Augen (castit. 13,3; monog. 17,2) . 1 Der Rekurs a uf die a ußervergilische Dido erfolgt also in erster Linie deswegen, weil diese Gestalt für historisch zuverlässig gilt , weil sie gut bekannt und uneingeschränkt positiv besetzt ist. Dabei wird sicherlich ein kart hagischer Lo kalpatriotismus zu Buche schlagen, dem eine heroische Oido näher steht als eine infelix Dido, die sich a us unerfüllter Liebe zum römischen Nationalhelden umbringt. 2 Dieser eher antirömische als antivergilische Zug bleibt aber stets im Hintergrund und hat seinen Ursprung kaum bei Tertullian selbst. Der nämlich stellt vielmehr die positive Anknüpfung a n die außervergilische Dido in den Mittelpunkt.
1.4 1.4.1
Auswertung Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
In seinem erhaltenen Werk nennt Tert ullian zweimal Vergil, einmal verweist er auf die Aeneis, schließllch nennt er mit Dido und Aeneas zwei Hauptfiguren der Vergilischen Dichtung. Außerdem ergibt die Bestandsaufnahme etwa 30 Zitate - eine nicht allz u große Zahl in einem ungefähr 1350 Seiten umfassenden Gesamtwerk. Auch den namentUchen Nennungen kommt deswegen kein besonderes Gewicht zu, weil sie jeweils dazu dienen, eine Pointe abz usichern.3 Oie Erwähnungen der Dido (mart . 4,5par.) und die Polemik gegen die Gestalt des Aeneas (nat. 2,9,12- 18) schließlich beziehen sich nicht auf die vergilische Gestalt ung der Figuren zurück, sondern auf a ußervergilische Varianten. Betrachtet ma n die Zitatsegmente nach ihrem Umfang, so sind zunächst acht Wiedergaben lä ngerer syntaktischer und rhythmischer E inheiten zu nennen: Zweieinhalb Verse, denen die Paraphrase der vorhe rigen Verse vora usgeht, gibt Tertullia n in der Schrift ad nationes wörtlich wieder , in der Überarbeitung (apol. 25,8) setzt er dann noch eine vergilische Junktur (Iovis et 1
2
3
Zum Wandel der Bezugsrahmen des exemplum Dido in Tertullians Schriften allgemein a uch LORD 29.37. Etwas kurz greift daher BINDERs (21) Erklärung: Eine "sich ihren Affekten 1... ] ungehemmt ausliefernde Frau ko nnte in Tertullians Moraltheologie keinen Platz fi nden". Allerdings betont a uch BINDER {l.c.) d ie Historizität der keuschen Oido in Tertullians Augen. Einmal (nat. 2,13,20) spielt Tertullia.n mit der Doppelbedeutung der J unktur aequus /uppiter, die er ausdrücklich a uf Vergil zurückführt, dann (praescr. 39,3) vergleicht er d ie Art und Weise, wie die Häretiker s ich auf die Bibel berufen, mit dem Vorgehen der zeitgenössischen Vergilcentonendicht ung. Auch der Verweis auf die 30 Ferkel des Sau prodigiums (a.dv. Mare. 1,5,1) , die ausdrUcklie h der Aeneis zugewiesen werden, läuft a uf eine Spitze in der Häretikerpo lemik zu.
II .l.4
Auswertung
91
soror· et coniunx) und ein Dichterwort unbekannter Herkunft (fato stat I·uppiter ipse) hinzu. Einen a us zwei Versen bestehenden Satz zitiert Tertulllan im Werk de spectaculis (9,3), allerdings wohl als Übernahme a us der Vorlage Sueton. Einen Satz in einem Vers gibt Tertullian in der Schrift ad nati ones (1,7,2) wieder und wiederholt ihn im Apologeticum (7,8) . Ebenfalls einen Sa tz in einem Vers umfa ßt ein Zita t in der Schrift de pallio (1,3b). Einen vollständigen Satz in einem bis zur Hephthemimeres reichenden Hexameter zit iert Tert ullian im Werk de f uga in persecutione (10,1). Das Goldene Zeitalter beschreibt Tertullian in der Schrift ad n ati ones (2,13,14) in einer Übernahme von vier Georgikaversen (1,125- 128) mit Auslassungen und geringfügigen Umstellungen. An vier Stellen greift Tert ullian komplexere Nominalausdrücke auf, nämlich die Epitheta für Juno (apol. 25,8c coniunx Iovis et soror) und Karthago (pall. 1,3a sttLdiis asper-rima belli) sowie die Wendungen imperitLm sine fine (apol. 25,16) und causa mali tanti (adv. Val. 10,2). Deutlicher sind die Veränderungen an verbalen Prädikationen, Formulierungen und Metaphern: Zweimal (mart. 4,9; nat. 1,7,1) übernimmt Tertullia n das vergilische cui tantum de te licuit '? (Aen. 6,502). Stärker sachbezogen sind d ie Referenzen auf Vergils Beschreibung der nachlassenden Farbensicht bei Dunkelheit (anim. 43,7), der Abtrennung Siziliens vom Festla nd (apol. 40,4; paU. 2,3) , auf dessen euphemistische Metaphorik für den Geschlechtsverkehr (anim. 27,8) und auf dessen Darstellung des Merkur (anim. 53,6), wenngleich hier a uch das homerische Vorbild zu berücksichtigen ist. 1 Unter den zweigliedrigen Junkt uren sind sechs nominale2 und zwei verbale3. Auf einem Einzelwort beruht die Anspielung silvestris R oma (apol. 26,2), hinzu kommt die Verwendung der von Vergil geprägt en Ausdrücke infrendere (apol. 12,6) und pmescius (adv. Mare. 2,5,1). Bis hierhe r läßt sich festhalten , daß umfangreichere wört liche Zitate beinahe genauso hä ufig sind wie einzelne vergilische Formulierungen. Wenn Tertullian zit iert , zit iert er oft wörtlich. Die kleine Anzahl der geringfügigen Reminszenzen deutet auch dara uf hin , daß Tert ullia n keinem Automatismus der rhetorischen imitatio folgt, sondern offenba r gezielt einzelne Wendungen auswählt . Was die Veränderungen a n den Zitatsegmenten betrifft, so ergibt sich der angesichts der zahlreichen wört lichen Übernahmen bemerkenswerte Befund , da ß Tertullian nur einen einzigen Vers ohne jeden Eingriff wiedergibt, nä mlich die Sentenz tanttLm aevi ionginqua valet mutare vetustas (pall. 1,3b). 1
2
3
Hier wä re auch die Bezugna h me a uf das A lcinoi pometum (pall. 2,7) zu nennen, allerdings muß nicht Vergi l ctie Q uelle fi.lr dieses in der Dicht ung gebrä uchliche Motiv . sem. So nat.. 2,13,20 Veryilii aequus luppiter; apol. 24,7 vana superstitio; pall. 4,6 pectus anh.elum (mit folgendem tumens ); ad v. VaJ . 1,4 ambiguitates bilingues; anim. 32,8 garrula hirundo; a nim . 50,3 S tygio.e paludes. Forma l wä re a uch die Bezugnahme a ur d as Sauprod igium mit der Formulierung Lriginta {...J f etus (adv. Mare. 1,5,1) hinzuzu nehmen. So apol. 50,7 de laude pacisci; uxor. 2,6 ,1 nidore {...J agitare.
92
Il.l
Tert uUian
Ansonsten versieht Tert ullian die Zitate entweder mit Zusätzen , die der gedanklichen Einbindung dienen, a ber die rhythmische Struktur stören, so sed et (spect. 9,3) und, bezogen a uf die im Vers genannte Fama, n onne haec (nat. 1,7,2); oder er orientiert sich bei der Übernahme primär an den syntaktischen Einschnitten und übergeht die Versgrenzen, wenn er zweima l einen Satz über zweieinhalb Verse (nat. 2,17,6; apol. 25,8b) und einmal einen bis zur Hephthemimeres (fug. 10,1) zitiert. Das alles deutet darauf hin, daß Tert ullia n wenig a uf den Wortlaut und kaum auf die Rhythmik der Zitatsegmente achtet, sondern eher a uf die Syntax und vor allem a uf die Aussage Wert legt. Diese Tendenz zeigt sich auch im Werk ad nationes (nat. 2,14,13) bei der zusammenfassenden Wiedergabe der Verse über das Goldene Zeitalter (georg. 1,125-128) in einem Relativsatz: Hier folgen, in rhythmischer Prosa durcha us auffällig, drei Hexameterschlüsse aufeinander, während die Morphosyntax unverändert bleibt. Die Veränderungen beschränken sich a uf die einleitende syntaktische Einfügung 1 , eine inhaltlich best immte Auslassung2 und eine kleine Ungenauigkeit in der Wiedergabe3 . Wiederum werden Inhalt und Syntax berücksichtigt, nicht a ber Wortla ut und Rhythmus. Unter den zwei- und mehrgliedrigen Junkturen bleiben einzelne unverä.ndert,4 in der Regel aber nimmt Tertullian kleinere syntaktische Adaptationen vor 5 . Weiter gehen die Veränderungen an den Stellen, an denen Tertu llia n von Vergil die Ausdrucksweise für einen bestimmten Sachverha lt oder Vorgang übernimmt. In diesen Fällen steht den sprachlichen Veränderungen die signifkante Gemeinsamkeit des Inha ltes entgegen, bei der Abtrennung Siziliens vom Festland 6 oder beim Nachlassen der Farbwahrnehmung bei Dunkelheit (anim. 43,4). 7 Ü berha upt bleibt bei vielen Zitaten der Gegenstand der Aussage gleich , während deren Form verändett wird. 8 Tert ullian zitiert al1
2
3 4
5 6
7
8
Die Umstandsbestimmung ante lovem wird ersetzt durch die Rela tivsatzeinleitung Satt,mus [. .. j sub quo. Die Verse 126.127a fa llen weg, d a es d ort um die idealen Eigent umsverhältnisse geht, was Tertullian a ber im Kontext interessiert, ist das paradiesische Verhältnis zwischen Mensch und Natur. LiberitLS ist ausgelassen, ipsa telltLS omnia permutiert zu ipsaque omnia telltLS, allerdings ist der Text an dieser Stelle korrupt . So wohl mit Bedacht das eigens für die Pointe in Kontaktstellung gebrachte aequtLS lup piter (nat. 2, 13,20) , a ußerd em, eher , da ohnebin im brauchbaren Akkusativ vorgegeben , also nicht absichtlich konserviert, triginta [. ..] jettLS (adv. Mare . 1,5 ,1) und i mperium sine fine (apol. 25,16). Morphosyntaktisch angepaßt werden apo l. 24,7; adv. Val. 10,2; anim. 32,8 ; 50,3; zweimal (apol. 25,8b; pall. 1,3a) wird ein überROssiges -que weggelassen. Diese Vorstellung (Aen. 3,417sq.) übernimmt Tertullian sowohl apol. 40,4 , und zwar rojt gewissen Zügen einer Prosillkation - in diese Richtung weisen die klaren geographischen Namen, die stilisierte Prosa und die Vermeidung d er Personifikation ponttLS {. .. } abscidit - , als auch pall. 2 ,3 . Zudem etwa bei der euphemjstischen Metapher für den Geschlechts verkehr (an im. 27,8) oder bei der Darstell ung des Merkur (anim . 53,6) . Hierher gehört im weiteren Sinne der Verweis auf das Alcinoi pometum (pall. 2,7). So verwendet Tertullian das vergilische pro Laude pacisci für die unüberlegte Lebenshingabe (apol. 50,7) , der Zusammenbang vo n Aeneas' Frage cui tantum de te licuit?
11.1.4
Auswertung
93
so, umgekehrt formuliert, kaum dergestalt, daß er selbstänclig eine poetische Formulierung in einer Art Metapher auf einen anderen Inhalt übertrüge. Insgesamt gesehen ergeben sich folgende Grundzüge: Tertullian achtet bei den Veränderungen an den Zitatsegmenten wenig auf rhythmische Gesichtspunkte. Wichtig hingegen ist ihm die syntaktische Adaptation der Zitatsegmente. Daraus erklären sich fast alle Veränderungen. Es findet keine inhaltliche Adaptation oder Umdeutung der Zitatsegmente statt: Entweder sind sie so gewählt, daß sie in den Kontext passen, oder die Pointe liegt a usdrücklich in der semantischen Divergenz von Präkontext und Folgekontext, dann ist sie aber durch Markierung abgesichtert, wie etwa im Falle des Ve1'gilii 'aequus Iuppite1·' (nat. 2,13,20). Tertullian scheint also gerne dort auf Vergil zurückzugreifen, wo ihm spontan etwas inhaltlich Passendes präsent ist. Das subtile Spiel mit dem Prätext liegt ihm offenbar weit weniger als die Übernahme treffender Ausdrücke und die unübersehbare Pointe. Dementsprechend dient auch keine der konstatierten Veränderungen an den Zitatsegmenten dem Zweck einer bewußten Verfremdung, auch wenn sie entmarkierend wirken.I Umgekehrt besteht bei vielen Zitaten die Markierung im Unterlassen von Änderungen. Das trifft beispielsweise auf die dreigliedrige \Vendung imperium sine fine (apol. 25,16) 2 ebenso zu wie auf ganze Verse, die ohne Einleitung (pa.ll. 1,3b) oder syntaktisch angeschlossen ( nonne haec nat. 1,7,2; sed et spect. 9,3) 3 im Folgekontext stehen, oder auf die durch drei Hexameterschlüsse auffällige Übernahme a us den Versen über das Goldene Zeitalter (nat. 2,13,14). In alldiesen Fällen scheint Tertullian eine Perzeption des Zitates vorauszusetzen. Markierend wirkt in einzelnen Fällen die Position in Zitatennestern 4 und
1
2 3 4
(Aen . 6,502) paßt zu den Stellen, an denen Tertullian die zugrunde liegende Konstruktion (tantum licet alicui de aliquo) Obernimmt (ma rt. 4,9 ; nat. 1,7,1), vielleicht steht auch hinter der Übertrag ung des Ausdruckes nidore agitare von d er Ausräucherung von Schla ngen (georg. 3,415) a uf die Lage der C hristin im paganen Ha uswesen {uxor. 2,6, I) eine bewußte P ointe. Schließlich bezie ht sich auch die in einem Wort bestehende Anspie lung silvestris Roma (apol. 26,2) auf den verg ilischen Ko ntext.. Auch infrendere (apo l. 12,6) und pmescius (adv. Mare. 2,5,1) widersprechen nicht dem vergilischen Gebrauch. Vergil regt bei d en entmarkierten Zitaten vor allem in d er Sache und in der Formulierung an, ohne als Vorbild perzipiert werden zu mUssen . Das ist wahrscheinlich für nat.. 1.7,1 und ma.rt. 4,9 ( tantum licet alicui de aliquo); apo l. 40,3 und pa.ll. 2,3 (Abtrennung Siziliens); anim. 27,8 (Metaphorik für Geschlechtsverke hr); 43,7 (Verblassen der Farben im Dunke ln ), a uch bei den festen Ausdrücken vana superstitio (apol. 24 ,7) , hirundo garl'ula (anim. 32,8) und Alcinoi pometum {pa ll. 2,7) scheint. Vergil a ls ihr Urheber keine besond ere Rolle zu spiele n. Doch kö nnen auch entma rkierte Zitate bei Tertullian rezeptionsorientiert sein , wie vor allem die vor dem vergilischen Hintergrund zu sehe nde Anspielung silvestris Roma (apol. 26,2) zeigt. Eine zusätzliche Pointe durch die Perzeption des P räkontextes gewinnnen a uch die Zitate apol. 50,7 und uxor. 2,6,1. Mit nur geringfUgigen Adaptationen s tu diis asperrima. belli (pall. 1,3a) und causa mali tanti (adv. Val. 10,2). Hierher gehört wohl a uch quod sciam (na t . 2,17,6; a pol. 25,8} , das eher auf das zitierte Fakt um a ls auf das Fakt um des Zilierens z u beziehen ist. Am d eutlichsten pa ll. 1,3 und apol. 25,8, daneben nat. 1,7, Lsq.
94
II .1 Tertullian
die Frequenz im Prätext 1 o der im Folgetext2 , in der sich freilich auch nur P räferenzen des Autors spiegeln können. Die deutlichste Form der Markierung besteht in der Hinzufügung eines Hinweises: Zweimal erwähnt Tertullian ausdrücklich eine d ichterische Quelle, einmal für Merkur als evocator animarum (anim. 53,6), wobei a uch Homer in dem Plural poetae inbegriffen scheint, einmal für Achills Feiung (anim . 50,3). Zweimal wiederum verweist Tert ullian nicht nur a uf ein folgendes textfremdes Element, sondern auch a usdrücklich a uf eine pagane Quelle, nämlich mit vestrum est (apol. 7,8) und mit respondebo et ego de saeculo aliquid (fug. 10,1). Zweimal schließlich nennt Tertullian expressis verbis den Bezugspunkt der Referenz, da dessen Kenntnis für die P ointe unerläßlich ist: einmal beim Vergilii aequus Iuppiter (nat. 2,13,20) und einmal bei den A eneae scrofae (adv. Mare. 1,5,1) des Sauprodigiums. Insgesamt gesehen setzt Tertullian die Mittel der Markierung nur in sehr begrenztem Rahmen ein: Do rt , wo für die Argumentation entscheidend ist, daß es sich um ein Dichterzitat, ein Zitat a us der paganen Literatm oder ein Vergilzitat handelt , weist er a usdrücklich d arauf hin , ansonsten beschränkt er sich darauf, d ie Verse oder metrischen Versatzstücke in seine Prosa einzufügen, manchma l zu Zitatennestern kombiniert. Daraus ergibt sich eine Scheidung zwischen solchen Referenzen, die der Leser erkennen soll,3 und solchen Referenzen , bei denen Vergil primär den passenden Ausdruck liefert4. Darin zeigen sich zwei Dimensionen rhetorischer Dichterbenutzung: die rezeptionsorientierte Demonstration der Vertra utheit mit dem Klassiker und die produktionsorient ierte Übernahme treffender Ausdrücke. Dahinter scheint in a ller Regel kein hintersinniges Spiel mit der Prätextkenntnis des Lesers zu stehen, sondern routinierte Rhetorik.
1.4.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Daß d ie Zitate nicht gleichmäßig über das Werk des Tertullian verteilt sind, zeigt schon ein erster Blick auf die obige Bestandsa ufnahme: Die angeführten etwa 30 Zitate und zwei Erwähnungen Verg ils finden sich in zehn von 31 Werken, d ie zusammen etwa 700 von insgesamt knapp 1400 Seiten umfassen.5 1
2 3 4
5
lnfrendere (apol. 12,6): Aen. 3,664 ; 8 ,230; 10,717; de laude pacisci (apol. 50,7): Aen. 5,230; 12,49; causa mali tanti (adv. Val. 10,2): Aen. 6,93; 11,480; praescius (adv. Mare. 2,5 ,1): Aen. 6 ,66; 12,452; Stygia palus (anim. 50,3): Aen. 6,323.369; triginta {. ..J f etus (adv. Mare. 1,5,1): Aen. 3,398 ; 8,44. Aen. 3,417 sq. : apol. 40,4; pa ll. 2,3 (+ Aen. 3,415: paJI. 1,3b); Aen. 6 ,502: mart. 4,9; nat . 1,7,1; Aen . 4 ,242- 244: anim. 53,6. Hierher gehören etwa nat. 2, 13,20; pra.escr. 39,3; adv. Mare . 1,5,1; nat... 2,17,6; apol. 25,8; spect. 9,3; nat. 1,7,2; apo l. 7,8; pall. 1,3; fug, 10,1; anim. 53,6. Hierher gehören etwa mart. 4,9; nat. 1,7,1; apol. 12,6; 24,7; 25, 16; 26,2; 40,4; uxor. 2,6 ,1; adv. Val. 10,2; anim. 27,8; 32,8; 43,7; 50,7; adv. Mare. 2,5,1; pall. 2,3; 2,7. Diese Reche nexempel s ind natürlich, da nicht alle Werke des Tertullian erhalten sind und da sicherlich n icht alle Zitat.e erfaßt werde n, nur a ls Näherungswerte zu verstehen und sollen in erster Linie der Veranschaulichung dienen.
11.1.4
95
Auswer t ung
Und wiederum sind für vier Werke 25 Zit ate ausgewiesen. Dem Umfang nach betrachtet konzentrieren sich also in einem Viertel des Werkes vier Fünftel der Zitate. So enthält das Apologeticum neun , die Schrift de anima sechs, die Schriften ad nationes und de pallio jeweils vier Zita te. Led iglich zwei Zitate sind für die Werke advers·us Valentinianos und adversus M areionern zu verzeichnen , jeweils eines für ad martyras, de praescriptione haereticorum, de spectac'ulis, ad uxorem und de juga in persecutione. E rwart ungsgemäß find en sich also besonders viele Zitate in den apologet ischen Schriften: Apologeticum, ad nationes und de pallio, die dem Umfang nach etwa ein Fünftel des Gesamtwerkes a usmachen, enthalten über die Hälfte der erörterten Zitate. Als Gründe dafür sind zum einen die Ausrich t ung a uf ein heidnisches P ublikum, zum anderen die konzen t rierte Auseinand ersetzung mit der paganen Kultur anzusehen. 1 Aus den Veränderungen , die Tertullia n bei der Überarbeitung von ad nationes in bezug auf d ie Vergilzitate vornimmt, ergibt sich folgendes Bild:
ad nationes 1, 7,1 l , 7,2
tantum de vobis Famae licuit Fama malum (. ..J
2,13,14
(Aeneas- Polem ik) (Goldenes Zeitalter)
2,13 ,20
Ver·gilii aequus luppiler
2,17,6
hic iUius arma (. .. }
2,9,12- 18
A pologeticum
7,8
Fama est malum [. .. }
12,6 24,7
{infr·endere) (vana superstitio)
25 ,8
25,16
hic illius arma ( ... } + coniunx fovis et soro1· + Fato stat l uppiter ipse imper-ium sin e fine
26,2
silveslris R oma
40,4
( Abtrennung Siz iliens)
50,7
de laude pepigerunt
Das argumentative Zitat über d ie Fama wird im Apologeticum beibeha lten, hinz u ko mmt ein colo1· Vergilianus in E inzela usd1·ücken,2 wohl im Zusammenha ng mit der rhetorischen Ausgestaltu ng. Weggelassen wird hin gegen die Aeneaspo lemik (nat. 2,9,12- 18), das in einer Spitze gegen Jupiter gebrauchte Zitat über das Goldene Zeita lter ( nat. 2,13,14) und d ie Pointe des 1
2
Allerdings ist zu berücksichtigen, daß das Apologeticum d ie eigentlich nicht zur Veröffentlichung bestimmte Schrift ad nationes e rsetzt, so daß d ie Vergilrezeption in diesen Werken im Grunde genommen, was das Gewicht im Gesamtwerk angeht , unzulässigerweise doppelt gewertet wird . Apol. 12,6 infrende-r·e; 24,7 vana supe-r·stitio; 25,16 imperium sine fine; 26,2 silvestris Roma; 40,4 (Sizilien) ; 50,7 de laude pepigerunt.
96
11.1 Tert ullian
aequtts l uppiter (nat. 2,13,20). Dahinter steht zum einen die Umstellung im Argumentationsaufbau, der im Apologeticum nicht mehr Varros theclogia tripartita folgt, zum anderen eine Grundtendenz der Vermeidung von allzu Grellem und Plakativem 1 . Das Zitat über Junos Verhält nis zu Karthago wird zwar übernommen, doch hebt Tertullian im Apologeticum durch zwei weitere Dichterzitate st ärker den Aspekt der Ohnmacht der Gö tt in hervor. Insgesamt stilisiert Tertullian also das Apologeticum gegenüber der Schrift ad nationes durch einen deutlicheren color poeticus in Einzela usdrücken, andererseits fallen einige polemische Spitzen mit Vergilzitaten weg. Für die übrigen apologetischen Schriften sind keine Verg ilzitate zu verzeichnen: In der Schrift de testimonio animae wendet sich TertuHian eingangs gegen Versuche, ex litteris receptissimis quibusque philosophorum vel poetarum vel quorumlibet doctrinae ac sapientiae saecularis testimonia excerpere christianae veritatis (1,1). Das Werk adversus Iudaeos ist dem Judentum gewidmet, in dem knappen offenen Brief ad Scapulam tritt die Auseinandersetzung mit dem Heidentum hinter der Verteidigung des C hristent ums gegen konkrete Vorwürfe zurück. Im antihäretisch-dogmatischen Schrifttum fällt das Werk de animadurch zahlreiche Vergilzitate auf. Auch in dieser Schrift spielt paganes Denken insofern eine besondere Rolle, als Tertullian seine christliche P sychologie in Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie entwickelt. In den übrigen Schriften antihäretisch- d ogmatischen Inhalts sind vor allem einzelne Pointen in der antihäretischen Polemik zu konstatieren, so der Vergleich der biblischen Argumentation der Häretiker mit der Vergilcentonendichtung (praescr . 39,3), die Gleichsetzung der 30 Aeonen mit den 30 Ferkeln des Sauprodigiums (adv. Mare. 1,5,1) oder die Übert ragung der Aussage causa mali tanti von Lavinia auf den Aeon Sophia (ad v. Val. 10,2). In den immerhin siebzehn prakt isch- asketischen Werken sind nur vier Vergilreferenzen zu konstatieren, denen außerdem kein besonderes Gewicht zukommt: Zweimal eignet sich Tertullian eine vergilische Formulierung an (mart. 4,9; uxor. 2,6,1), einmal übernimmt er ein Zitat als antiquarischen Beleg aus der Vorlage Sueton (spect. 9,3) und einmal setzt er einem von der Gegenpartei gebra uchten paganen Sprichwort eine proverbiale Vergilsentenz entgegen (fug. 10,1). Als weiterer Gesichtspunkt neben der inhalt lichen Ausricht ung der Schriften ist ihre Chronologie zu berücksichtigen. Dem stehen allerdings d ie Schwierigkeiten bei der Datierung zahlreicher Werke im Wege. Als Grundtendenz läßt sich folgendes festhalten : In den vormontanistischen Schriften, die den kleineren Teil des Gesamtwerkes ausmachen, findet sich der entschieden größere Teil der Zitate. Innerhalb der montanistischen Werke wiederum enthalten die früheren den größten Teil der Zitate. 2 Man könnte also den Eindruck ge1
2
Dazu grundsätzlich BECI<ER Tertullians Apologeticum 195-227. Die an Zitaten reichen Werke de anima und de pallio entstehen 203 oder kurz danach bzw. in den Jahren zwischen 205 und 211 , allerdings ist vor allem die Datierung des
Il.l.4
Auswertung
97
winnen , daß Tertullian sich mit seiner Entwicklung hin zum Montanismus in zunehmendem Maße von Vergil d istanziere. Allerdings konzentriert sich auch in Tertullians Frühzeit die Auseinandersetzung mit Vergil auf die Schrift ad nationes und ihre Uberarbeitung, das Apologeticum, zum anderen rückt angesichts einer zunehmenden Konzentrat ion auf innerchristliche Themen der pagane Klassiker natlll·gemäß in den Hintergrund. Ma n wird also eher eine durch die äußeren Umst ände bedingte als eine bewußte Abwendung von Ve rgil annehmen müssen.
1.4.3
Die Zitate im Prätext: H e rkunft und Thematik
Betrachtet man die Herkunft der Zitate, so fällt zunächst auf, daß dle Eklogen unter den diskut ierten Reminiszenzen gar nicht vertreten sind. Bei den Georgika liegt , abgesehen von der Übernahme der Verse über das Goldene Zeitalter (nat. 2,13,14), ein gewisser Schwerpunkt im drit ten Buch 1 . Die meisten Zitate lassen sich auf die Aeneis zurückführen , hierin wiederum überwiegend auf die erste Hälfte, insbesondere auf die Bücher 1, 3, 4 und 6. Aus dem ersten Buch werden vor allem Verse über Juno und K arthago entnommen (nat. 2,17,6; apol. 25 ,8; pall. 1,3a), außerdem die Formel vom imperium sine fine (apo l. 25,16). Die Zitate aus dem dritten Buch beziehen sich bemerkenswerterweise ausschließlich auf die Helenus- Prophezeiung, so das Sauprodigium (ad v. Mare. 1,5,1), der sentenziöse Vers tantum aevi langinqua valet mutare vetttstas (415; pall. 1,3b) und die Abt rennung Sizillens (apol. 40,4; pall. 2,3) . Ins vierte Buch gehören der Vers über die Fama (na.t. 1,7,2; apol. 7,8) und die Darstellung Merkurs (anim. 53,6), außerdem verweist dle Erwälmung der Dido (d az u oben 85sqq. ; cf adv. Val. 1,4) dorthin. Aus der Unterweltsschilderung im sechsten Buch stammen d ie Formel aequus fuppiter (nat. 2,13,20), die Darstellung der nachlassenden Fa rbenschä rfe bei Dunkelheit (anim. 43,4) und die Wendung Stygia palus (anim. 50,3), a ußerdem die Formeln causa tanti mali (adv. Va l. 10,2) und cui tantum de te licuit'? (cf mart. 4,9; nat. 1,7,1). Aus der zweiten Aeneishä lfte sind vor allem Iterata zu verzeichnen , Ausnahmen stellen lediglich zwei Zitate a us der Schilderung U rroms im achten Aeneisbuch (apol. 24,7 vana superstitio; 26,2 silvestris Roma) und das ohnehin sprichwörtlich gebra uchte, a lso wenlg an den Kontext gebundene usque adeone mori mise1-um est'? (fug. 10,1) dar. Unter den Zitaten lassen sich ein t hematischer und ein funktionaler Schwerpunkt erkennen: Einige Zitate nä mlich beziehen sich auf Kart hago, a uf Jlmo als dessen Schutzgöttin und a uf Dido. 2 Zum anderen handelt es sich bei vielen
1
2
letzteren Werkes sehr unsicl1er; auch das erste Buch adversus Mareionern gehört in die Frühphase des Montanismus. Das Zitat in dem späten Werk de fv.ga in persecutione ist ausdrücklich a ls de saeculo aliquid gekennzeichnet. Das Zitat spect. 9,3 ist allerdings über Sueton vermittelt , hinzu kommen die übernommenen Formulierungen anim. 27,8; 32,8. So die Dido Erwähn ungen (mart. 4,5par.), die Zitate über Juno und Karthago (nat. 2,17,6; apol. 25,8) , das Epitheton für d ie Stadt (pall. 1,3a) und d as Zitat über d ie Fama
98
Il.l
Tertullian
Zitaten entweder um anschauliche Beschreibungen bestimmter Sachverhalte. Hierher gehören etwa die Abtrennung Siziliens (apol. 40,4; pall. 2,2) und die nachlassende Farbensicht bei Dunkelheit, 1 oder um bekannte, oft sprichwörtliche Wendungen, so etwa die Verse über das Goldene Zeitalter (nat. 2,13,14) oder das geflügelte Wort über die allzu große Todesfurcht (fug. 10,1) 2
1.4.4
Vergil be i Te rtullian: Funktion und Bewertung
Bis hierher hat sich gezeigt, daß Vergil .zwar erwähnt und zitiert wird , daß aber diese Referenzen im Gesamtwerk nur eine marginale Bedeutung haben, da sie sich im wesentlichen auf diejenigen Schriften beschränken, in denen sich der Autor mit der paganen Umwelt auseinandersetzt. Die Zitate sind nach rhetorischen Erfordernissen, dabei aber ohne Berücksichtigung des Rhythmus eingebaut und streng funktionalisiert. Was sich nicht nachweisen läßt, ist ein hintergründiges Spiel und auf die Vergilkenntnis des Lesers setzendes Spiel mit dem Prätext - ein hintergründiges intertextuelles Spiel ist Tertullians Sache nicht. 3 Vielmehr lassen sich folgende drei Funktionstypen unterscheiden : 1. Zitate liefern die prägnante Formulierung eines Argumentes, etwa über das Wesen der Fama (nat. 1,7,2; apol. 7,8); über Junos vergebliche Vorliebe für Karthago (nat. 2,17,6; apol. 25,8); über die Zeit, die al1
2
3
{nat. 1,7,2; apol. 7,8), das ja auch in d ie Dido-Handlung gehört. Außerdem a pol. 26,2 silvestris Roma; 50,7 de laude pepigerunt; uxor. 2,6,1 nidore {. .. } agitabitur; anim. 27,8 die Metaphorik fUr den Gesclllechtsverkeltr; 32,9 hirundo garrula; 53,6 Merkur. Außerdem nat.. 1,7,2 und apol. 7,8 fama malum qua non aliud velocius ullum; nat. 2,13, 20 aequus luppiter; a po l. 24,7 vana superstitio; 25,8b coniunx lovis et soror; 25,16 imperium sine fine; a n im . 50,3 Stygia palus; pall. 1,3b tantum aevi ionginqua valet mutare vetustas; 2,7 Alcinoi pometum; adv Mare. 1,5,1 Sauprodigium. Einen proverbialen Charakter haben auch die d en Zitaten mart. 4,9; nat. 1,7,1 und adv. Val. 10,2 zugrunde liegenden vergilischen Formulierungen cui tantum de te licuit? und causa mali tanti. Ei.ne Ausnahme stellt das von Sueton übernommene antiquarische Zitat s pect. 9,3 dar. Ausdrücklich gegen UG LJONE Virgilio, passim. Von den angeführten elf Stellen , fUr die er ein aBusives Spiel mit dem Prätext vermutet, das erst die eigentliche Pointe, eine Verkehrung oder Vertiefung des Sinnes bringe, weisen neun überhaupt keinen faßbaren Vergilbezug a uf (dazu jeweils unten: nat. 2,17,3 und apol. 25,3: 363; apol. 30, lsq.: 364 ; spect. 23,2: 370; Scap. 2,1: 365; anim. 30,3: 367; nat. 1,7,20: 362; apol. ll ,6: 364; vrig. vel. 14 ,5: 369; adv. l ud. 9 ,20 und adv. Mare. 3,14,7: 366) , an den beiden Stellen, die tatsächlich von Vergil beeinftußt scheinen (pall. 4,6 und adv. Val. 1,4, siehe oben 61 und 62) und die entdeckt zu haben UCLIONES unbestreitbares Verdienst ist, schätzt er die Referentialität viel zu hoch ein . Seine auf der Annahme einer für den Leser merklichen Spannung zwischen Prätext und Folgetext beruhenden Interpretationen lassen sich oft allein schon deswegen nicht halten , weil man eine bewußte Perzeption des Prätextes in den von UGL IONE genannten Fällen nahezu ausschließen muß. UGLJONES Beispiel bewegen sich allein auf einer produktionsästhetischen Ebene: Tertullian übernimmt eine ihm adäquat und wirkungsvoll erscheinende Formulierung, siehe auch oben 38 Anm. 3.
11.1.4
Aus wertung
99
les verändert (pall. 1,3b); über den Märtyrertod , dem man sich nicht entziehen soll (fug. 10,1). 2. Zitate bieten ein exemplum und dessen Ausgestaltung oder generell einen treffenden Ausdruck für einen anerkannten Sachverhalt, so etwa für das imperium sine fine (apol. 24,7), bei der Abtrennung Siziliens (apol. 40,4; pall. 2,3), bei der garrula hirundo (anim. 32,8), bei nachlassender Schärfe der Farben in der Dunkelheit ( anim. 43,7), bei Merkw· als Todesengel (anim 53,6), beim kriegserfahrenen Karthago (pall. 1,3a) oder Alexander dem Großen (pall. 4,6). 3. Mithilfe eines Zitates kommt eine polemische Spitze gegen pagane Gottesvorstellungen (etwa nat. 2,13,14.20; a pol. 25,8bc) oder gegen Häretiker (praescr. 39,3; adv. Val. 1,4; 10,2; adv. Mare. 1,5,1) zustande. In allen diesen Fällen wird das Poetische den Erfo rdernissen des Rhetorischen untergeordnet. Es geht Tertullian bei Vergilzitaten nicht um die Form, um die Schönheit der poetischen Sprache oder Rhythmik, sondern um den Inhalt, also um das Treffende und um d ie P räzision, mit der ein allgemeingült iger Sachverhalt vom Dichter sprachlich erfaßt wird. Tertullian ist insofern tatsächlich, wie schon D ' Ad:s über sein Verhältnis z ur griechischen Dichtung resümiert, 1 ''ne pour Ia prose", als er auch in der Vergilischen Dichtung nicht das Poetische, sondern das allgemeingültig oder proverbial Ausgedrückte sucht und rhetorisch funktionalisiert. Diese selbstverständliche, qu antitativ gesehen aber letztlich marginale Benutzung muß auch einer Antwort a uf die Frage nach der Bewertung des Vergil zugru nde liegen: Vergil ist als der Schulautor schlechthin präsent und wird, wenn auch in geringerem Maße in den späteren und in den innerchristlichen Schriften, gleichermaßen verwendet und vorausgesetzt. Tertullian setzt sich an keiner Stelle a usd rücklich nlit Vergil a useinander , aus den vorliegenden Zitaten lassen sich nur drei Grundzüge seiner Haltung z um Dichter hera usarbeiten: 1. Der Rhetor Tertullian gebraucht Vergil selbstverständlich nach Gut-
dünken, in erster Linie als einen Liefera nten t reffender Formulierungen für allgemein a nerkannte Sachverhalte und Einsichten. Doch legt Tertullia n dabei insgesamt keinen besonderen Sinn für poetische Sprache und Rhythmik an den Tag. 2. Der Christ Tertullian verwendet Vergil als Mittel der Argumentation und der Polemik in seinem Sinne. Tertullia n sieht, fern jeder lectio 1
D' ALES 334. - BRAUN ( Poetes 33, siehe oben 38 Anm. 1) will das einschränken und verweist auf Spuren einer Sensibilität fiir dichterische Schilderungen. Die Unters uchung der Vergilzitate ergibt aber, daß Tertullian sich nicht für das Poetische, sondern für die rhe torische oder argumentative Wirkung poetischer Formulierungen int-eressiert.
100
Il.l
Tertullian
Christiana, ctie er grundsätzlich ablehnt (test. anim. 1,1), in Vergil den paganen Dichter, was er a uch durcha us her vorhebt, sofern ihm das in der Argumentation tunlieh erscheint. Andererseits hat Vergil einen selbstverständlichen Platz in Tertullians christlicher Rhetorik. 3. Der Karthager Tertullian zeigt eine gewisse Vorliebe für Passagen der Aeneis, in denen seine Heimatstadt und deren Schutzgöttin J uno erwähnt werden. Die heroische Dido, die Aeneas nie begegnet, betrachtet er als ctie historische und führt sie als leuchtendes Beispiel vor Augen, während die poetisch- fiktionale Figur nicht vorkommt. Insgesamt legt Tertullian also weder eine ausdrückHebe Geringschätzung noch eine Vorliebe für Vergil an den Tag: Er benutzt den Dichter , wo es ihm geboten scheint , und übergeht ihn, wo er ihm, wie bei Aeneas und Dido, nichts a bgewinnen kann. Die grundlegende Weichenstellung jedoch , die Tertullian vornimmt, besteht darin, daß er, als erster christlicher Autor vor die Frage nach dem Umgang mit Vergil gestellt, diesen in der Tradition paganer Rhetorik, nun aber im christlichen Kontext, selbstverständlich verwendet.
2
Minuci us Felix
2.1
Zur Forschungslage
Der Afrikaner Marcus Minucius Felix 1 , nach rhetorischer Ausbildung in Rom als Rechtsanwalt tätig 2 und zum Christentum konvertiert, verfaßt in den ersten J ahrzehnten des dritten Jahrhunderts 3 eine der bemerkenswertesten Schriften der christlichen Latinität: Anläßlich des Todes seines Freundes Octavi us ruft der Autor ein Gespräch während eines Spazierganges am Strand von Ostia in Erinnerung, in dessen Verlauf der heidnische Freund Caecilius in der Gegenwart des Autors vom eben Verstorbenen für das Christentum gewonnen worden sei. Nach dem einleitenden Rückblick (Kapitel 1) skizziert Minucius Felix die Szenerie (Kapitel 2- 4): An einem idyllischen Ferientag am Meer läßt ein Gruß des Caecilius an eine Serapisstatue ein Streitgespräch aufkommen, zu dessen Schiedsrichter Minucius Felix eingesetzt wird. Caecilius vertritt die Sache des Heident ums (Kapitel 5- 13). Zunächst (Kapitel 57) entwickelt er ein mechanist isches Weltbild, in dem der Zufall regiert und nur das Festhalten an der traditionellen r-eligio Verläßlichkeit bringt, da nn greift er die verruchten Sitten (Kapitel 8- 10) und die widersinnigen Lehren (Kapitel ll sq. ) der Christen an, die, so sein Schlußa ppell (13), besser täten, es mit dem Skept izimus zu halten. Nach einem Zwischengespräch (Ka pitel 14sq. ), das vor allem das Verhältnis von veritas und eloquentia zum Gegenstand hat , beginnt die Entgegnung des Octavius (Kapitel 16- 38): Zunächst (Kapitel16) legt er die Unsicherheit dar, die sich hinter der Haltung des Caecilius verberge. Den Beweis dafür, da ß providentia mundus regitur et unius dei n·u tu gubernat·u r (20,2), führt er dann (Kapitel 17- 19) aus der Betracht ung der Schöpfung und aus dem consensusvon v·ulgus, poetae und philosophi in dieser Frage. Nach einer Kritik an der traditionellen religio (Kapitel 2027) verteidigt Octavius Leben und Lehre der Christen (Kapitel 28- 38) und schließt mit einer Aufforderung zur Fre ude darüber, daß die veritas divinitatis nostri temporis aetate maturuit (38,7). Darau fhin (Kapitel 39sq.) gesteht Caec ilius dem christlichen Redner den Sieg zu und gibt sich in den entscheidenden Punkten überzeugt: et de providentia fateor et de deo cedo et de sectae iam nostrae sinceritate consentio (40,2). 1
2
3
Eine umfassende Gesamtdarstellu ng und Übersicht tiber die Forschungsliter atur bietet auf neuestem Stand E. H ECK, H LL 4 (1997) §475, vorher etwa H. VON CEISAU, ' M . Minucius Felix', RE Suppl. XI ( 1968) 952- 1002; Ana Marfa ALDAMA , EI Octavius de Minucius Felix. Puntos d iscutidos, ECias 91 {1987) 55-64 ; B . K YTZLER, Minucius Felix, TRE 23 {1994) 1- 3; F . C HAPOT, Les grandes orientations des t r avaux sur l'Octavius de Minucius Fel ix. Remarques sur tr ente ans d e bibliographie, VL 150 {1998) 18-28; Bettina WINDAU. ' Minucius Felix ', LACL {2002) 504 sq. Cf. Hier . vir. ill. 58 Minucius Felix, Romae insignis causidicus; epist. 70,5,1; d azu H ECK HLL 4 ( 1997) 512sq. Zur Forschungslage H ECK HLL 4 ( 1997) 513, C HAPOT 22sq.; zuletzt hat M . BROSCJUS, Q uo tempore Minucii Felicis Octavius conscrip t us sit, Eos 82 {1994) 265, eine Datierung der Handlung ins Jahr 202, der Abfassung zehn Jahre darauf vorgeschlagen.
102
11.2
Minucius Felix
Der in Form und Sprache ciceronianisehe Dialog orientiert sich stark am paganen Denken und läßt specifica christiana weit im Hintergrund. 1 Schon Hieronymus fragt, epist. 70,5,1: quid gentilium litternrum dimisit intactum? Die moderne Forschung erkennt im Octamus ein ' Mosaik' 2 a us Elementen paganer Bildung und Literatm , womit teilweise ein abwertendes Urteil, meist aber eine Würdigung der kunstvollen Komposition und des humanistischen Geistes einhergeht. 3 Man hat bei Minucius Felix die Benutzung zahlreicher Autoren festgestellt; darunter die Dichter Terenz, Vergil und Lukrez, sowie Cicero und Seneca, daneben beispielsweise Platon, Sallust, Livius, Valerius Maximus, Tacitus, Sueton und Apuleius. 4 Daß diese Anlehnung an die pa1
2
3
4
Die Auffassung, daß man deswegen die Orthodoxie, so etwa A. CAPPELLETTI, Minucio Felix y su Filosofia de Ia Religi6n , RVF 19 ( 1985) 7-62, oder die theologischen Kenntnisse, so etwa W . BARNARD, ' Apologetik', TRE 3 (1978) 402, des Autors in Zweifel zu ziehen habe, hat sich zu Recht ebensowenig durchgesetzt wie J . FONTAINES (Aspects et problemes de Ia prose d 'art latine au Ille siecle, Torino 1968, 94- 121 ) Deutung als durchgängig kryptochristlicher Text. So überschreibt C. BECKER, Der 'Octavius' des Minucius FeHx. Heidnisch e Philosophie und frühchristliche Apologetik, Münche n 1967, sein Einleitungskapitel: "Der ' Octavius' ein Mosaik?". Die älteren Urteile faßt BECKER ( Octavius 5sq.) zusammen, der in seiner Untersuchung einen der wichtigsten Beiträge zum Verständnis der kunstvollen Komposition des Dialoges leistet, dieneueren E. HECK HLL 4 ( 1997} §475 Lit. 6; ein Beispiel für e ine positive Wilrdigu.ng bieten etwa M. VON ALBRECHT, M. Minucius Felix as a C hristia.n Humanist, ICS 12 ( 1987) 157- 168; zum Forschungsstand C HAPOT 23- 25; anhand treffender Einzelinterpretatio nen C hristiane l NGREMEAU, Minucius Felix et ses "sources": Je travail de l'ecri vain, REAug 45 (1999} 3-20. Auf dje Quellenfrage insgesamt geben GEISAU (983- 988}, B EAUJEU (lntroduction XXXI- LXVII, mit älterer Literatur) und HECK (HLL 4 (1997) 517 mit. Lit. 5} ein; zu den in der ä lteren Forschung gern ins Feld geflihrten verlorenen doxographischen Quellen H.J . BAYLIS, Minucius Felix and his Place among t be Early Fathers of the Latin C hurch, London 1928, 327- 359. Eine Zusammenstellung wesentlicher Bezugnahmen auf Cicero, Seneca, Platon, Livius, Sallust, Plinius, Florus, Herod ot, Vergil, Ovid , Horaz, Juvena.l, weiteren lateinischen Dichtern und Homer bieten die teilweise sehr ergiebigen Similienapparate der Ausgaben (d azu unten 112 Anm. 2) und beispielsweise A. K AROS!, Quibusnam SCriptoribus non christianis Minucius Felix in Octo.vio componendo usus sit?, Budapest 1905. Die Verbindung paganer Vorbilder, vor a llem C iceros, mit Tertullian als christlicher Hauptquelle stellt vor allem BECKER ( Octo.vius, passim) dar, z ur Benutzung von C iceros de natum deorum a uch Ilona ÜPELT, C iceros Schrift De natum deorum bei den late inischen Kirchenvätern , A&A 12 (1966) 141151, bier 147sq.; jüngst umfassend z ur C icerobenutzung E. HECK, Minucius Felix, der erste christliche C iceronjaner, Hyperbo reus 5 (1999) 306-32. Die zahlreichen Paralle len zu Seneca stellt F .X. Bu RGER, Minucius Felix und Seneca , Diss. München 1904 , zusammen , zu einem Aspekt Elke AHLBORN, Naturvorgänge a ls Auferst ehungsgleichnis bei Seneca. Tertullian und Minucius Felix, WS NF 24 (1990) 123- 137; instruktive Beispiele der C icero- und Senecabenutzung jüngst bei INGREMEAU 4- 13 ; zu Platon neben BECKER (Octavius 87- 89) und VAN DER NAT (206- 208} schon J . P. WALTZING. Platon, source di recte de M inuc ius Felix, M B 8 (1904) 424---428; zu Sallust und Tacitus ' dialogus K. B üCHNER. Drei Beobachtungen zu Minucius Felix, in: ders. , Studien zur römischen Literatur, Band IV: Tacitus und Ausklang, Wiesbaden 1964, 105-121; G.L. CARVER, T acitus ' Dialogus as a source of Minucius Felix' Octavius , CPh 69 ( 1974) 100106, gegen einen EinRuß des Tacitus a b er BECKER Octavius 6 1 Anm. 88; zu Pompeius Trogus M. GALOI, Q uid Minucius Felix in ' Octavio' conscribe ndo a Trogo seu Iustino
11.2.1
Zur Forschungslage
103
ganen Klassiker mit der gezielten Ausrichtung des Dialoges a uf die gebildete Oberschicht zusammenhängt, zeigt der maßgebliche Beitrag von Barbara ALAND (1983): Minucius Felix wende sich in einem konsequent durchgehaltenen 'Konzept der sensiblen Anpassung an den Adressaten' an Angehörige der ' politischen Klasse', also des ordo senato1'ius, equester oder decurionum. Durch eine an den Inhalten der höheren Schulbildung orientierte, konservative Argumentation, die in jedem Schritt dem Denken dieser gebildeten Oberschicht Rechnung trage, wolle Minucius Felix dieser bis dahin vor allem a us sozialen Gründen dem Christentum fernstehenden Gruppe die Annäherung erleichtem. 1 Innerhalb der christlichen Latinität spricht HAGENDAHL (1982) dem Apologeten daher eine Vorreiterrolle in der Annäherung a n die pagane Bildungswelt zu. 2 Vvas insbesondere die Rhetorik angeht , so zeigt VAN DER NAT (1977), daß Minucius Felix neben die im frühen Christentum übliche Ablehnung verführerischen Wortgeklingels die Forderung zur Auseinandersetzung mit der eloquentia stellt und in der Unterscheid ung zwischen Inhalt und Form die Grundlagen für eine differenzierte Bewertung der eloquentia schafft. 3
1
2
3
derivaveri t, RIG I 1932, 136- 139. - Auf die Dichter wird gleich noch einzugehen sein. Barbara ALAND, C hristentum, Bildung und römische Oberschicht. Zum Octavius des Minucius Felix, in: dies./ F . MANN (Hg .), Platonismus und C hristentum. FS H. OÖRRIE, Münster 1983,11- 30. HAGENDAHL Von Tertullian 28sq.: "Die literaturgeschichtliche Bedeutung des "Octavius" liegt eben d arin, dass Form und Gehalt mehr a ntik als christlich sind. Mit der Aufnahme einer klassischen Literaturart und mit der bewussten Annäherung an die antike Bildungswelt leitet Minucius Felix die Richtung ein, in d er die christliebe Literatur sich in den folgenden Jahrhunderten entwickelte." Cf. VAN DER NAT 208- 212 zum Zwischengespräch Min. Fel. 14,4-6.7. - Dagegen setzt V. B uCHHEIT, Bildung im Dienst der Wahrhe it, SO 58 ( 1993) 116- 128, seine Interpretation der Rede d es Schiedsrichters im Zwischengespräch , wonach erstens Minucius Felix "vom ersten Satz a n e ntschiedene Kritik an der Rede des Caecilius" übe (121 ) und keinerlei Ambiva lenz gegenüber seiner Rhetorik oder der Rhetorik im a llgemei.nen erkennen lasse, sondern Caecilius als Sophisten entlarve, und wonach er zweitens ledig lich die Anwendung der Dialekt ik in der Ausei11andersetzung mit dem Heidentum befürworte, die Rhetorik aber grundsätzlich ablehne. Zwei Bede nken scheinen einem solchen Verständnis allerdings im Weg zu stehen: ( 1) B UCHH EfTs Argume ntation geht davon aus, da ß der Leser eine Pa rallele zu Platons Symposion ( 198a- 199d) erkenne, wo Sokrates nach dem vermeintlichen Lob e ines Redebeitrages dessen auf Prunk und T ä uschung a usgerichteten C harakter bloßstellt, und analog zu diesem Prätext die Schiedsrichterrede deute. Den erkennbar a lludierten Prätext über die IJ.IOOAoyia a us P lato ns Phaidon (88c- 9lc) hingegen solle der Leser nicht au f die (formale) eloquentia, sondern a uf die Dialektik als hermeneutisches Prinzip beziehen. Da auf die Sympos io npassage nichts weiteres hindeutet und da der Bezug der Phaidonstelle auf d ie Rhetorik im allgemeinen nä her liegt, muß fraglich bleiben , ob die Platonreferenzen in der vorliegenden Form den Leser darauf hinweisen können und sollen , "daß der Text in Wirklichkeit ganz a nders zu lesen ist" {126). (2) Auch angesichts der Gesamtkonzeption des Werkes scheint das vo n VAN DER NAT vorgeschlagene Verständnis der Stelle nä her z u liegen. Denn d a sowohl der Dialog insgesamt als auch die C hristenrede mit a llen Mitteln rheto rischer Kunst gestaltet sind und am Ende (39) Minucius Fe.lix an der Rede d es Octavius lobt, daß dieser die christliche Lehre non tantummodo facilis sed et javorabilis (zu den rhetorischen Konnotationen VAN DER NAT 228) dargestellt habe,
104
II.2 Minucius Felix
Eine nähere Betrachtung verdient das Verhältnis zur Dichtung im allgemeinen, wie es sich a us den Äußerungen im Dialog erschließt: 1 Der erste, der sich im Dia log a usdrücklich (genauer gesagt: ausdrücklich nicht) a uf die Dichter bezieht, ist Caecilius. In seiner Begründung, warum an der überlieferten Religion festzuha lten sei, führt er die pmeteritio aus: omitto vetera, quae multa sunt, et de deorum natalibus, donis, muneribus neglego carmina poetarum (7,5). Der heidnische Dialogteilnehmer verzichtet also darauf, hier die Dichter für seine Sache ins Feld zu führen . Dieser 'Verzicht' ist zwar nur ein rhetorisches Stilmittel und keine wirkliche Bewert ung, doch ist es für die Argumentationsstrategie des Apologeten bemerkenswert, daß tatsächlich die auctoritas der Dichter nicht gegen die Christen ins Feld geführt wird. Später (11,9) geht Caecilius noch weiter, wenn er die Beispiele für eine Auferstehung Toter in der Dichtung - genannt wird die Geschichte von Protesilaos (11,8) 2 - a ls Argument für christliche Glaubenssätze a blehnt: Omnia ista figmenta male sanae opinionis et inepta solacia a poetis fallacibus in dulcedine carminis lusa a vobis nimirum credulis in deum vestrum turpiter reformata sunt. Letztlich erklärt schon der Heide hier implizit die Dichter für mögliche Gewährsleute christlicher Eschatologie und bereitet so Octavius' dahingehende Arg umentation vor. Die von Caecilius ins Feld geführte skeptizistische Grundhaltung des Simonides (13,4 Simonidis melici [. .. ] admiranda [... ] cunctatio), entnommen aus Cicero (nat. deor. 1,60),3 jedoch gewinnt ihre Arg umentationskraft weniger aus dem Dichter als allgemein aus dem Prominenten als Vorbild. Wie nun im zweiten Ha upt teil des Dialoges der C hrist Octavius die Dichter und insbesondere Vergil (19,l sq.) in seine Argumentation bezüglich des Monotheismus einbindet, da rauf wird noch einzugehen sein.4 An anderer Stelle (19,10sq.) , wenn Octavius die Gemeinsamkeiten von stoischer Lehre und christlichem Glauben hervorhebt, verweist er unter a nderem auf C hrysipp und, wenn auch nur beilä ufig, dessen allegorische Interpretation von Hesiod, Homer und Orpheus. 5 Der Christ erwähnt a lso diesen Deutungsansatz, mit dessen Hilfe Anstößig keiten beseitigt und Zugänge zu einem philosophischkosmologischen Verständnis der dichterischen Mythologie gescha ffen werden, in einem a uf positive Anknüpfung a usgerichteten Kontext. die rhetorische Präsentation also zum Beurteilungskriterium mache, ginge eine scharfe und p rinzipielle Kri t ik an der Rhetorik im Zwischengespräch , zuma l eine rhetorisch (! ) so kunstvoll durch int.ert extue lle BezUge verschllisselte, doch wohl ins Leere. 1 Auf diese Frage wird in der neueren Literatur nur ganz s ummarisch eingegangen , die Einlassu ngen von ELLSPERMANN ( 1949) und KRA USE (1958) sind in ihrer Wert ung problematisch , dazu unten 108 Anm. 1. 2 Locus classicus Horn . Jl. 2,695-710, römische Bearbeitungen Catull. 68,73- 76; Ov. her. L3; Hyg. fab. 103. 3 Dazu etwa S. BODEL6N , EI discurso anticristiano de Cecilio e n e l Octavio de Minucio Felix , M HA 13/ 14 ( 1992/93) 247- 294 , hier 292. 4 Dazu unten 180sq. 5 19,11 Ghr"ysippus {. . . } Zenonemque interpretatione physiologica in Hesiodi, Homeri Orpheique carminibus imitatur, cf. C ic. nat. deor. 1,39 4 2.
11.2.1
Zur Forschungslage
105
K ritischere Töne erklingen in der refutatio heidnischen Gla ubens (Kapitel 20- 27): Was die Erkenntnis der göttlichen providentia in der Welt verstellt, ist, so Octavius (20,2), die antiquitas inperitoT~um fabellis suis delectata vel capta ad errorem. Nach einer grundsätzlichen Mythenkritik (20,3- 22,7) wendet sich der Christ dann (23,1) gegen d ie Verbreitung dieser I rrtümer in Bildung und Dichtung: Has jabulas et errores et ab inperitis parentibus discimus et, quod est gravius, ipsi studiis et disciplinis elaboramus, carrninibus praecipue poetarum, qui plurimum quantum ve1'itati ipsi sua auctoritate nocuerunt. - Vor allem die in der Schule gelesenen Dichter sind a lso schuld an den falschen Gottesvorstellungen. Das unterma uert Octavius noch mit dem Verweis auf P laton, der ja a uch Hornerum illum inclytum, Laudatum et coronatum aus seinem Idealstaat vertrieben habe. 1 Dann (23,3- 7) fü hrt er Beispiele für anstößige Göttermythen an. Schließlich zieht Oct avius die Schlußfolgerung, diese Geschichten wüfden nur als Vorwände und Rechtfert igungen menschlicher Laster überliefert (23,7), prägten sich aber den Kindern ein, die so blind würden für die Wa hrheit (23,8). Die fo lgende krit ische Auseinanderset zung mit dem Mythos von Saturn und Jupiter (23,9-12) bleibt ohne Bezugnahme a uf Dichterwerke, O ctavius beruft sich nur a uf Historiker2 . Das Kapitel enthält a lso zwei Grundgedanken: Zunächst (23,1- 8) gebt es, unter pädagogischen G esichtspunkten, um d en schädlichen Einfluß, den d ie dichterische Mythologie in der Erziehung a uf d ie moralische Entwicklung nehmen kann. 3 Dann (23,9- 13) bringt Minucius FelLx, nun aus histo rischem Blickwinkel, e uherneristische Arg umente gegen den Mythos von Saturn und seinen Nachfahren vor. Später (26,9) verweist Octavius wiederum a uf die Dichter, diesmal a ber sind sie il1m - vor den philosophi und namentlich Sokrates - Gewährsleute für d ie Existenz von daemones, den von Gott abgefallenen Geistern .4 Zur Zielscheibe der Kritik aber wird weiter unten (31,1- 4) die Bühnendichtung: Im Rahmen d er r-eto1·sio des Vorwurfs, die C hristen träfen sich zu inzestuösen Org ien, verweist Octavius a uf die sexuellen Verirrungen, wie sie in der römischen Geschicbte 5 und in der 'Ifagödie begegnen. 6 Schließlieb sucht Octavius wieder, die Autorität der Dichter für seine Sache zu nutzen, wenn er schon bei ihnen e inen F ingerzeig a uf einen Ort der Bestrafung nach dem Tode sieht (35,1). G anz beiläufig wird hier a uch de utlich, woher nach Ansicht des C hristen die doctissim i und die poetae 1
2
3 4
5 6
23,2 bezogen a uf Plat. rep. 398, aufgenommen bei C ic. rep. 4 ,5; Tusc. 2,27 und vor allem Tert. nat. 2,7, I l - jedoch setzt Minucius Fe lix das Epitheton la.udatus hinzu . 23,9 : Nepos, Cassius, Tha llus und Oiodor. Dieser Kerngedanke wird in e iner Ringkomposition hinführend (23, 1) und resümierend (23,8) betont. 26,9 Eos spiT'itus da.emonas esse poetae scitmt, philosophi disserunt, Secrotes novit. Gemeint sind die bei de11 Historikern b eschrieb enen einschlägigen Vorkommnisse am Kaiserho L 31,3 Memo-ria.e et tragoediae vestrae incestis gloriantur, qua.s vos libenter legitis et auditis. Es schließt sich ein Hinweis a uf inzestuöse Eheverbindungen und die Gefahr des unbemerkten Inzests durch Promiskuität a n, dann (3 1,4) folgert Octavius: Sie incesti fabulam nectitis, etiam cum conscientiam non ho.betis.
106
Il.2
Min ucius
Felix
ihr Wissen um die eschatologischen Wahrheiten haben: a us dem Wirke n der Dämonen und der Kenntnis der alttesta mentlichen Propheten. 1 Insgesamt ist das Verhältnis des Apologeten zur paganen Dicht ung, wie es sich a us dem Dialog ergibt, also zwar keineswegs unkritisch, a ber im ganzen überwiegt eine weitgehende Offenheit für die pagane Kult ur. Das läßt sich an den folgenden drei Beobachtungen erkennen: 1. Zent rale Aussagen der Christenrede werden durch einen Verweis a uf
die poetae unterma uert. Christlicher Monotheismus (19,1sq.), Dämonologie (26,9) und Eschatologie (35,1), also Kernpunkte dessen , was im Dialog überha upt positiv an christlicher Gla ubenslehre zur Sprache kommt 2 , finden sich in ih1·en Grundzügen, so der Beweisgang, unter anderem schon bei den paganen Dichtern angelegt. Allerdings tritt dieses Argument im Ged ankengang eher an den Rand .3 Sogar Homer, dessen anthropomorphes Gottesbild weiter unten (23,2sqq.) noch zum Gegenstand kritischer Auseinandersetzung wird , führt der Apologet ins Feld , freilich ohne ihn beim Namen zu nennen (19,1). Bemerkenswert ist a ußerdem, daß der Apologet sich der allegorischen Interpretationsmöglichkeit dichterischer Werke in der phllosophisch-theologischen Argumentation wohl bewußt ist (19,10sq.). 2. In der Rede des Heiden wird nicht mit den Dichtern argument iert . Caecilius ve rzichtet rucht nur expressis verbis (7,5) darauf, Dichterisches als Beleg a nzuführen , er lehnt derartige Beweise sogar a usdrücklich und mit har ten Worten a b.4 Da mit jedoch erreicht der Autor, daß Oct avius nicht gegen die Dichter als Beleginsta nz argumentieren muß, sondern sich umgekehrt als einziger a uf ihre Autorität stützen kann. Dem Leser wird also kla r: Die Wahrheit , die in den dichterischen Werken liegt, gehört a usschließlich a uf die Seite der Christen. 3. Die Kritik an der Dichtung bleibt moderat , gezielt und für den paganen Leser in jede m Punkt konsensfähig. Während Caecilius' Äußerungen gegen den Wert des Poetischen (11 ,9) hart und pauschal klingen, 1
2
3 4
Dieser in der Apologie so hä ufige Gedankengang, die wahren Einsichten im Heidentum seien letztlich aus (alttestament licher ) Offenbarung geschöpft, steht bei Minucius Felix sehr am Rande. Cf. P. P tLHOPER, Presbyteron Kreitt.on. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apo logeten und seine Vorgeschichte, Tübingen 1990, v.a . 281-::-284: Minuc ius Felix arbeite zwar durchaus in der Heidenrede mit dem Argument, das Altere sei auch das Bessere, doch für die christliche Sache wende er sich (besonders 38,7) gegen den Yorworf der novitas m it der Begründung, erst jetzt sei der Heils plan Gottes w irklich vollendet u nd die veritas Christiana somit vollgültig entfaltet. Daß M inucius Felix die christliche Dogmatik nur in einer sehr begrenzten Auswahl zur Sprache bringt, wi rd in der Forschung immer wieder betont, etwa ALDAMA 59sq. ; KYTZLER TRE 23 (1994) 2; richtig einordnend HECK HLL 4 ( 1997) 517. Im Kapitel 19 stehen die P hilosophen im Vordergrund , 26,9 und 35, 1 bleiben die Dichterverweise o hne besondere sprachliche Emphase. 11 ,9. Daß die Anekdote von Simonides (13,9) nicht hierher gehört, wurde oben (104) schon festgestellt .
n.2. 1 Zur ForschungsJage
107
richtet sich die Kritik des Octavius gegen die fabulae et errores der Mythologie - gegen die Dichter selbst jedoch nur insofern, als sie diese durch ihre auct01'itas zum allgemeinen Schaden insbesondere in der Schullektüre verbreiten (23,1). Dabei bleibt die Polemik des C hristen ganz im Ra.hmen des a uch schon der paganen Antike Vertrauten, greift doch schon Xenophanes (DK 21 B 11) das anthropomorphe Gottesbild Homers an, würde P laton die Dichter wegen ihrer Aussagen über die Götter, worauf ja Minucius Felix selbst verweist (23,2), aus dem idealen Staat verjagen, und kennen schließlich a uch Cicero und Tacitus Bedenken gegen die Verwendung der Mythologie in der Erziehungl. Dazu kommt noch, daß die gesamte Dichterkritik sehr stark a n Cicero orientiert ist. 2 Außerdem wird nur Homer - und zwar im Zusammenhang mit dem Verweis auf die Autorität Platon - namentlich genannt. Es geht dem Apologeten a lso offensichtlich nicht um eine Polemik gegen die Dichtung im allgemeinen, sondern um das anthropomorphe Gottesbild der poetischen Mythologie im besonderen , das gerade am Beispiel Homers zu kritisieren keineswegs etwas Neues oder typisch Christliches ist. Und wenn Octavius an anderer Stelle (31 ,3sq.) das Unsittliche in der Tragödie anprangert, stößt sich der C hrist nicht wirklich da ran, daß in der Tragödie das Inzestmotiv auftauchen kann; vielmehr trägt er a lle Belege inzestuösen Verha ltens in der paganen Welt zusammen, um dann letztlich auf den pointierten Schluß für seine retorsio zu kommen: sie incesti fabulam nectitis (31,4). Minucius Felix ist also im ganzen de utlich darum bemüht, die Dichter zwar als Autorität auf die Seite der C hristen zu ziehen, t ut dies aber eher unauffällig und nebenbei. Dieser Tendenz steht die Zu rückweisung der Dichter als Kü nder eines falschen, das heißt vor allem ant hropomorphen, Gottesbildes gegenüber, die jedoch deutlich pädagogisch akzentuiert ist und im Ra hmen der bereits in der paganen Ant ike vorgebrachten Kritik bleibt. Denn einerseits tiefe Wahrheiten bei den Dichtern zu finden, a ndererseits ihre Aussagen über die Götter für unsittlich und a bsurd zu erklären, ist dem theologischen Denken der Antike durchaus nicht fremd: 3 Sofern sie Mythologisches 1
Cic. Tusc. 3.2; Tac. dial. 29.1 At mmc na.tus injans d elegatur Groeculae alicui ancilla.e {... } horum fab1llis et erroT"ibus virides s tatim et rudes animi imbuuntur. 2 Zu Min. Fel. 23,1 cf. C ic. nat. deor. 1,42sq. Exposuifere non philosophorum iudicia sed delirantium somnia. Nec enim multo absurdiora sunt ea quae poetarum vocibus jusa ipsa sua11itate nocuer-unt. qui et ira inftammatos et libidine furentis indv.xerunt deos feceruntqv.e ut eorum bella pmelia pugnas wlnera videremus, odia proeterea discidia disconlias, ortus inter·itus, querellas lamentationes, ejJtlsas in omni intemperanti a libidines, adulteT"ia vincula, cum htt.mano genere conctt.bitus mortalisque ex inmortali procreatos. 3 Besonders d eutlich wird das in C iceros Schri ft de natura deorum, wo sich sowohl entschieden ableh nende und polemische Ällßerungen gegen das anthropomorphe Gottesbild der Dichter {1,42.77.112; 2,63; 3,77 Poetarum ista sunt, nos autem philosophi esse volumus, rerum auctores, non fabularum ; 3,91) alc;; auch Verweise auf t heologische
108
11.2
Minucius Felix
erzählen, werden die Dichter abgelehnt, sofern sie reflektierte Weltdeut ungen vermitteln, werden sie ernst genommen. Diese Ambivalenz des Apologeten gegenüber der Dicht ung resultiert aus der inhaltlichen Breite des poetischen Schaffens. In der Rezept ion und Beurteilung der Dichter im Zusammenhang des philosophisch- theologischen Denkens übernimmt der Apologet also prinzipiell das schon in der paganen Literatur geläufige Muster, die theologischen und kosmologischen Aussagen der Dichter kritisch zu erwägen und sie teils abzulehnen, teils als Beleg heranzuziehen, wenn auch mit deut licher Tendenz, die Dichter eher für Eigenes in Anspruch zu nehmen als sie zu kritisieren. 1 Entsprechend dieser aufgeschlossenen Halt ung gegenüber der Dicht ung insgesamt, sind die Spuren zahlreicher Dichter im Octavius festzustellen: 2 Dreimal bezieht sich Minucius Felix auf Ennius,3 doch handelt es sich dabei
l
Wa hrheiten in d ichterischen Werken (1,4; 2, 166) finden. Unzutreffend erscheint daher ELLSPERMANNs Urteil: Er siebt im Nebeneinander von Benutzung {nur 19,lsq.) und K ritik {23,lsqq.; 31,3sq.; 37,12) b ei Minucius Felix die Ablehnung überwiegen {19) , vor allem aus sittlichen Erwägungen (21). Dabei übersieht ELLSPERMANN zum einen zahlreiche A ussagen über die Dichter, zum a nderen wird man wohl die Kritik an der 'fragödie njcht so schwer gewichten und vor a llem d ie Äußeru ngen gegen d as Geschehen auf den Bühnen der Zeit des Dialoges (37,12) nicht a u f d ie E instellung zur D ichtung beziehen dürfen, da d ie klass.ische 'Jtagöd ie im 3. Jahrhundert schon längst d urc h d ie Mimen und Pantomimen von der Büh ne vertr ieben ist, cf. H.D. B LUME, Ein fü hrung in das antike T heaterwesen , Darmstadt 1981 2 , 128-130, siehe auch oben 33 An m. 2. Wa hrscheinlich sind ihm die Werke der griechischen Dramatiker gar rucht näher bekan.nt , d azu JüRCENS 32. - Gänzlich unangemessen ist es schließlich, wenn KRAUSE bei seiner Beurteilung der Äußerungen des Apologeten über d ie Dichter allein unter Ber ufu.ng auf 23,lsq. behauptet (90) : "Völlig abweisend verhält sich Minucius Felix der Dicht ung gegenüber, nicht wegen der stilistischen Form , sondern wegen ihres eng mit dem Mythos verkn üp ften Inhaltes." - Diese Ansichten haben auch in t heologische Standard werke Einzug gehalten, so etwa HKG(J) 1 355: "Auf latein.ischer Seite kommt Minucius Felix z u ein er radikalen Ableh nung der heidnischen Dicht u ng
[... ]." 2
Die neuere Forschungsliteratur hat sich fast a usschließlich mit dem R ückgriff auf Vergil und Lukrez auseinandergesetzt. Par allelen zu weiteren lateinischen Dichtern, die freilich noch einer näheren Diskussio n bedürften , bieten KAROS! 73- 83, WALTZING im SimiHenapparat seiner Ausgabe 19262 und DOUGLAS SIMPSON 27sq. H ier seien nur einige zentrale Aspekte angeschnitten. 3 ( 1) Caecilius schließt ( 12,7) seine Krit ik an den eschatologischen Leh ren der C hristen mit der Aufforderung desinite caeli plagas et mundi fata et secreta rimari; satis est pro pedibus aspicere. Dahinter steht ein Fragment aus der lphigenia des Ennius (trag. frg. 201) Quod est ante pedes nemo $pectat, caeli scrutantur pl.agas, zitiert bei C icero (div. 2,13,30; rep. 1,18 ,30) . W ie P. COURCELLE, Le retentissement profane et chret ien d ' un vers d 'Enn ius, REL 48 (1970) 107- 11 2, zeigt, läßt sich der Spruch als Mahnung an solche, die ob ihrer hochfUegenden Gedanken den Bezug zur Realität verloren haben, bis Sophokles (OT 130) und P lato n (Tht. 174 A) zurückverfolgen ; d ie von Enni us formulierte Version kennen außer Cicero noch Seneca (apocol. 8,3), Apu leius (mund. praef. p . 287) und Donat (Ter . Ad. 3,3,32). Minucius Felix aber ist hier außerdem von Varro {Men. frg. 233 oculis caeli rimari plagas) beeinflußt. (2) Zur Begr ündung fU r den Monotheismus stellt Octavius ( 18 ,6) die rhetor ische Frage: Quando umquam regni societas aut cum fide coepit aut sine cruore discessit? Darin klingt der bei C icero (off. 1,8,26; leicht abweichend rep . 1,32,49) überlieferte Enru usVers {frg. 381) nulla sancta societas nec fides regni est an . Auch diese Sentenz ist sprichwörtlich (Sen. Ag . 259; Lucan. 1,92sq.).
II.2.1
Zur Forschu ngslage
109
stets um sentenziöse Zitate, die sich bereits bei C icero o der Seneca finden. Wahrscheinlich übernimmt Minucius Felix also geflügelte Worte auf indirektem Weg. Einmal beruft sich Minucius Felix auch namentlich auf Ennius, als nä mlich Octavius im Rahmen seiner Kritik am heidnischen Orakelwesen auf den zweideut igen Bescheid des Pythischen Apoll an Pyrrhos hinweist, den Ennius erdichtet habe1 . Direkte Quelle für d ieses Argument ist eindeutig Cicero.2 P lautus findet led iglich eine namentliche Erwähnung, wenn Caecilius seinen Dialogpartner Octavius herausfordernd als (14,1) homo Plautinae prosapiae, ut pistorum praecipuus, ita postremus philosophorum a nredet. Dahinter steht wohl ein auch bei Hieronymus (epist. 49 ,18,3; 50,1,2 homo Plautinae familiae) vorkommendes Sprichwort, das sich auf die Vulgarismen ins besondere der Sklaven in der plautinischen Komöd ie bezieht. 3 Terenz wird einmal zit iert, nämlich als Octavius die euhemeristische These von der Vergöttlichung dessen , was für den Menschen nützlich ist, a usführt: ut comicus sermo est 'Venerem sine Libero et Cerere frigere' (21,2). Auch hler ist Cicero die Quelle,4 und wiederum übernimmt Minucius Felix d as Zitat nicht wörtlich, sondern stellt es a us rhythmischen Gründen um 5 . Der Mimendichter Laberius tritt durch eine Anspielung6 und durch ein von Seneca gern bemühtes und hier wohl durch ihn verm itteltes geflügeltes Wort 7 in Erscheinung.
1
(3) Als Ursache des Hasses der Dämonen auf die C hristen gibt Octavius (27,8) an: Natur-ale est enim et odisse quem times, et quem metueris infestare, si posses, was wohl auf dem ebenfalls durch C icero (off. 2,23) tradierten enn ianische n Sinnspruch (frg. 379) fußt qv.em metv.unt, oderunt; quem quisqv.e odit, perisse expetit ( cf. oderint dum metuant, dazu ÜTTO 252 Nr. 1277). Auf die Frage, ob die Formel pater divu.m atque hominum (19, 1) von Minucius Fe lix a ls Enniusverweis gedacht ist, wird bei de r Erörterung de r Vergilre miniszenzen ( ad 19,1, unten 132) einzugehen sein. 26,6 De Pyrrho Ennius Apollinis Pythi responsa confinxit, cum iam Apollo versus
fa ceT'e desisset. 2
3
4
5 6
Cic. div. 2,116; das bei Minucius Felix folgende Beispiel (Demosthenes' Klage Uber das 'fiAI1t1tlCttv d e r Pythia) stammt aus div. 2,118. So die Kommentare ad l., PELLECRJNO 114; CLARKE 243 Anm. 172; BEAUJEU 95, dazu vor a lle m P. F RASSINETTI, Ad Minucium Felicem , 14, 1, Athenaeum NS 32 ( 1954) 390392; auf die Komödiendic hter selbst bezogen BODEL6N 293. Weit mehr A ufmerksamkeit hat das auch textkritisch umstrittene pistorum erweckt, zu letzt B. BALDWIN, A J oke in Minuci us Felix (Oct. 14 ,1) , LCM 12,2 (1987) 23. nat. deor. 2,60 Ex qv.o illud Terenti 'sin e Cer·ere et Libero friget Venus ' in e ntsprechendem Kontext . Schon bei Terenz (Eun . 732 Verbum hercle hoc verum erit 'sine Cerere et Libero friget Venus) wird die We ndung als geAUgeltes Wort markiert. Aus dem iambischen Rhythmus, den selbst Cicero beibehä lt, macht Min ucius Felix eine kretisch- trochäische Klausel, der ein Kretikus vorausgeht : L[bero et Cerere fr{gere. In seiner Kritik am Reinkarnationsglauben verweist Octavius (34,7) au f einen Vers des Laberius (Laber. mim. 21) , den Tertullian (apol. 48,1 si qui philosophus adfirmet, ut
ait La.berius de sententia Pythago-rae, hominem fieri ex mulo, colubmm ex muliere) zitiert, ohne ihn auszumhren , mit den Worten : Non philosophi sane studio, sed mimi convicio digna ista sententia est. 7
Daß die C hristen die Macht wie a lle Güter der Welt gering achten, erlä utert Octavius (37,9) so: Rex es? Sed tarn times quam timeris. Dahinter steht Labe r. mi m. 126 necesse est muttos timeat quem multi timent, überliefe rt Sen. dial. 4,11 ,3 , zitiert dial. 3,20,4;
110
U.2 Minucius Felix
Welche Rolle das lukrezische Lehrgedicht im Octavius spielt , ist umstritten: Einerseits nämlich gibt es an zahlreichen Stellen inhaltliche Berührungen mit Lukrez. So sind Motive gemeinsam bei der Schilderung der unbeholfenen Sprechversuche des Kjndes 1 oder der ratio nascendt.-2. Insbesondere aber im Kapitel 5, in dem Caecilius eine mechanistische Kosmologie entwirft, finden sich zahlreiche auch bei Lukrez formu lierte Gedanken. 3 Andererseits aber lassen sich kaum zwingende gedankliche Abhängigkeiten oder tiefergehende wörtliche Übereinstimmungen4 a ufzeigen. Man muß also zwar die Kenntrus, nicht aber die a usgiebige Benutzung des Lukrez annehmen. 5 Von Catull und den Augusteern gibt es vereinzelte Spuren,6 zu den nachklassischen Dichtern finden sich wenig greifbare Parallelen, vielleicht gehen
1
2 3
4
5
6
dem. 1,11,4;12,4; epist. 14,10). Min. Fel. 2,1 und Lucr. 5,230. Min. Fel. 18,2 und Lucr . 1,258 Entstehung der Gestirne: Min. Fel. 5,7 und Lucr. 5,471--482; Wechsel von Zusammenballung und Auseinanderfall der Materie: Min. Fel. 5,8 und Lucr. 1,215sq. 262- 264; Erklärung der stet en Abfolge von Tag und Nacht: Min. Fel. 5 ,9 und Lucr . 5,656-668; Leugnung einer providentia mit dem Verweis a uf die Planlosigkeit d er Blitze inschläge: Min. Fel. 5,10 und Lucr. 2,1093- 1104. Auf sprachlicher Ebene sind die Übereinst immungen geringfügig und allgemein, z.B. die Verwendung von tenebrae Min. Fel. 1,4 und Lucr. 2,15.59 61; das lukrezische fragmen Min. Fel. 2,1; die Entsprechung von Motiv und Wortwah l bei proiectus (Min. Fel. 5,6 und Lucr . 5,222) , außerdem Formulieru ngen wie m undi membra (Min. Fel. 5,7 und Lucr . 5,243) usw. Im Sinne eines weitergehenden lukrezischen Einflusses und mit. zahlreichen Similien F . DALPANE, Se Arnobio s ia stato un epicureo. Lucrezio e gli a.po logeti cristiani Minucio Felice, Tertulliano, C ipr iano, Lattanzio, RSA 10 (1906) 403--435; 11 (1907) 222- 236; lolanda TOMASELLI NICOLOSI, Pagine lucrezia ne neii' Octavius di Minucio Felice, MSLC 1 ( 1947) 67- 78: Minucius Felix greife beim Entwurf der mech anistischen Kosmologie {Kap. 5) und öfter (73: "L'eco d el De rerum Naturasi trova percio sovente nell'OcLavius [.. .].'') auf den Dichter zurück und habe dessen Werk sehr genau verstanden, da er gerade "i due motivi piu vitali della poesia lucreziana" (78) übernehme, nämJicb das Ele nd des a uf die Erde geworfenen Menschengeschlechtes einerseits (Min. Fel. 5,6 und Lucr. 5,222sq.) und andererseits die Göttlichkeit der Natur. Denn was Octavius (19,8) über Epikur sage, treffe tatsächlich auf Lukrez zu (77). In berechtiger Skepsis verweist HAGENDA HL ( Latin Pathers 79) dagegen auf die geringen wörtlichen Übereinstimmungen und die Allge meinheit der Motive, so daß er nur in bezug auf die Theorie für die E ntstehung von Tag und Nacht sowie auf das Argument von den unterschiedslos einschlagenden Blitzen (5,9) einen lukreziscben E influß für möglich erachtet und zu dem Schluß kommt: "Lucretius ' influence upon Minucius proves to be rather questionable and can by no mea.ns be called profound." Zu Catull unten 115 ad2,4. Zu Horaz unten 11 9 ad 5,6, bei ihm (carm. 1,3,5-8; 2,17,5) auch der Freundscha ftstopos unam mentem in duobusesse divisam (cf. Min. Fel. 1,3), weitere, a ber doch wohl wenig zwingende Similien bei KA ROS! 74-76. Die Formulierung sortes regere findet sich neben Min . Fel. 27,1 ausweislich des PHl 5.3-Corpus nur Tib. 2,5, 13; cf. KAROS! 80sq. Auf Ovid kö nnten kosmologische Gedanken und mythologische Motive verweisen, die auch in den Fasten und den Metamorphosen beha nde lt werden, aber d ie Pa rallelen bleiben sowohl inhaltlich als a uch sprachlich sehr allgemein und können höchstens auf eine Kenntnis und eine mittelbare Benutzung ovidischer Werke hindeuten , diskussionsbedürftige Similien bei KAROS! 73sq.
II.2.1
Zur Forschungslage
111
einzelne Wendungen a uf Senecas TI·agöd ien und auf Juvenal zurück 1 . Insgesamt also bleibt der Rückgriff auf die Dicht ung im Dialog meist unterschwemg und dezent: Insbesondere von den Dramatikern werden allgemein anerkannte und gelä ufige Sentenzen zur Begründung übernommen. Gewisse Übereinstimmungen zeichnen sich zwar bei Motiven der Mythologie und Kosmologie zu Lukrez und Ovid ab, bei Motiven der Gesellschaftskritik zu den Satirikern 2 , aber von einer Dichterbenützung im engeren Sinne kann nirgends die Rede sein. Ebenso stellen die Elemente dichterischer Sprache, dje unser Autor sowohl in den Einleitungskapiteln3 als a uch in bestimmten Einzelpassagen4 als Darstellungsmittel anwendet , keinen deutlichen, geschweige denn einen inhaltlichen Bezug her. Minucius Felix schöpft also a us seiner gründlichen Literaturkennt nis und Belesenheit. Der dichterische Einfluß bleibt da bei aber unterschwellig und dezent. Auch dort , wo für den Leser ein geflügeltes Wort a us der Feder eines Dichters als solches erkennbar sein soll , wird es umgeformt. Das Dichterische ist stets präsent, doch weit im Hintergrund. Und o bwohl einmal P lautus (14,1), einmal Ennius (26,6) und einmal Laberius (34,9 mimus) gena nnt werden , bleibt das ganz beilä ufig. Neben der sententia, dem anspruchsvollen Klassikerzitat , für das Minucius Fellx nur a uf Vergil und höchstens a ndeut ungsweise a uf Ho raz (5 ,6) zurückgreift , kommt auch das volkstümlichere pmverbiurn vor , doch in beiden Fällen gibt der Apologet das Zitat lieber in seinen e igenen Worten wieder. Kein anderer Dichter hinterläßt so deutliche Spuren im Octavius wie Vergil , den der Apologet a ls einzigen Dichter namentlich und wörtlich zit iert (19,2) . Vergil wird daher immer wieder als Beispiel für den starken
1
2
3 4
Die sentenziöse We ndung Lam magnis imperii du.os jortu.na non cepit {18,6)5 verweist auf Lukan (1, 111. non cepit jortu.na duos). Spuren scheint auch Seneca trogicus hinterlassen z u haben , so könnte quid ipsa sceleris confidentia tu.tius (25,3) a uf Ag. 115 per scelera semper· sceleribus tutum est iter zurückgehe n und qu.amlibet sis multo comitattL stipaLtLS, ad periculu.m semper solu.s es (37,9) auf He rc. 0 . 607sq. cum tot populis stipatus eas /in tot populis vix una fides. Gewisse Formulier ungen lassen eine Kenntnis des Juvenal vermuten so 4,1 segregatus dolore nescio quid vultufatebaturzu Iuv. 2, 17 vultu morbum incessuque fat etttr, 24 ,3 luppiter senuit zu l uv. 6,59 senuerunt luppiter et Mars; weiteres, allerdings näherer Dikussion bedürfendes Material bei K .ÄROSI 76-79. Beispielsweise hat die Götzenbilderkri t ik des Minucius Fe lix (24,8sq.) Parallelen bei Horaz (sat . 1,8, 1- 3.37), außerdem bei Martial (8,24,5sq.); auch aus Juvenal bekannte t-..lotive erscheinen. Ob s ich unser Apologet also vielleicht an der Gesellschaftskri t ik der Satiriker und Epigrammdicht.er orientiert, um auch bei der Polemik gegen Verba lten und Religion seiner Leser möglichst im Rahmen des ihnen Gewo hnten zu bleiben, bedürfte einer genaueren Untersuchung. Dazu unten ( ll5sq.) ad 2,4; 3,3. Beispie ls weise wird das Rasen der dämo nenbesessenen vates mit einschlägigen p oetischen Termini beschrieben (27,3 sie rotantm·, sie bacchantu1·, cj. Stat. s ilv. 4 ,3, 121 sq.; Lucan. 5,169.179; daneben aber Apul. met. 8,27,5sq.), das 28, 10 verwandte erotische Vokabula r entspricht d em a n inhaltsgleichen Stellen bei Martial (2,6 1,2; 3,81 ,2 ; 7,67,15; ll ,61 ,5) und Catull (80,6), während übrigens Ter t ullian bei der Beha ndlung d er Ausschweifu ngsvorwürfe ( cj. apol. 9,16- 20) keine so gründliche Kenntnis jener Dichterstellen bzw. der dortigen Ter minologie durchblicken läßt.
112
11.2
Minucius Fe lix
Einfluß paganer Kultur und Bildung angeführt.1 Zudem verweist man auf die große Anzahl von Reminiszenzen .2 In der Beurteilung der Vergilrezeption beschränkt sich die ältere Forschungsliteratur darauf, jenes einzige ausd rückliche Zit at und die große Anzahl von nicht- wörtlichen Reminiszenzen zu erwä hnen.3 HAGENDAHL (1947) erklärt die strikte Bevorzugung des para phrasierenden Zitates bei Minucius Felix mit dem konsequenten Streben nach Stileinheitlichkeit und weist auf die Umformung vom Hexameter in den Klauselrhythmus hin.4 Überhaupt sieht man in den Vergilzitaten vor allem den a uf das gebildete Publikum a bgestimmten ornatus. 5 In der neueren Forschung dreht sich die Diskussion vor allem um die Vergilzitate 19,2, anband deren die Frage nach Vergils Rolle und Bewertung insgesamt aufgeworfen wird. Den Anstoß dazu gibt ein Aufsatz von WIESEN {1971 ), der die These a ufstellt, daß bei Minucius Felix die später anba nd der vierten E kloge vollzogene christliche Aneignung Vergils angelegt und dessen Dicht ung bereits "virt ua lly as a sacred text" zitiert werde.6 B ENDER 1
2
So etwa ALAND 13 ; HECK HL L 4 (1997) 516. Hinweise auf Vergilparallelen bieten d ie Similiena.ppa.rate zahlreicher Ausgaben . Besonders ergiebig sind die A ngaben bei M inuci.i FeHcis Octavius, ed. C. HALM, CSEL 2, Wien 1867; Minucius Felix, Octa.vius, ed. H. BOENlG, Leipzig 1903; M. Minucii Fehcis Octavius , rec. J . MARTIN, Bonn 1930 (Florilegium P atristicum VUI ), u nd vor a llem M. Minucii Felicis Octavius, ed. I.P . WALTZING, Leipzig 19262 . M. Minucii Felicis Octavius. Prolegomena, Text and Critical Notes by Adelaide DOUGLAS SIMPSON, Diss. New York 1938, bietet in der E inleitung (26) eine Zusammenstellung des "poetic colo ur ing". Zahl reiche Verwei.s e entha lten auch d ie Ko mmentare Octavius de Minucius Felix par J .P . WALTZING, Liege 1909; M. Minucii Fellcis Octavius, van inleid in en aanteekeningen voorzien door J . VAN WAGENINGEN, I. In Ieiding en tekst, II . Aanteekeningen , Utrecbt 1923; M . Minucii Felicis Octa.vius, in t roduzione e commento di M. PELLECRINO, Torino 1947 (ND 1955, keine NA wie öfter angegeben ); M. Minucii Felicis Octavius, u itgeveu en van commentaar voorzien door G. QuJSPEL, G rieksche en Latijnsche sch rijvers met a.anteekeningen LX I, Leiden 1949; W . FAUSCH. Die Einleitungskapitel zum 'Octavius' des Min ucius Felix. E in Kommentar, Oiss. Zürich 1966; T he Octavius of Minucius Feli.x, Transla.ted a nd Annotated by G. W . C LARKE, Ancient C hristian Writers 39, New York 1974; Minucius Fel.ix, Octavius. Texte eta.bli et t ra.d ui t par J . BEAUJEU, Paris 1974 2 ' d ort (Jntroduction XXXV) auch eine ZusammensteUung von Vergilzita ten . Keine Hinweise a uf Verg ilzitate gibt BODEL6N in seinem Komm entar zu den Ka p iteln 1- 14. Oie wesentlichen Pa.raiJelen stellt K AROS! (69-73) zusamm en, daneben sind d ie Arbeiten von B üRNER (1Q-15) und COURCELLE (Lecteurs, passim) sowie der Artikel von S. P rucoco, 'Minucio Fe lice' EV 3 (1987) 537 zu nen nen . Auf einzelne Similien bezieht sich in textkritischem Zusammenbang I. VAHLEN, O puscula a.cademica ll, Leipzig 1908 (erstm als : Index lectionu m a.estivarum Un iv. Berolin. 1894), hier 115--117, im Zusammenha ng mit der Zitiertech nik HACENDAHL Methods 124. Mit dem vergilischen Einflu ß auf 32,7sq. befaßt sich in einer E inzeluntersuchung P. COURCELLE, Virgile et l' imm anence divine chez Minucius Felix, in: M ullus. FS T . KLAUSER, Münst-er 1964, 34~2.
3 4
5 6
So etwa 80RNER (1902) 9 sq.; ELLSPERMANN (1949) 18sq. ; KRA USE ( 1958) 142- 152. HACENDA HL Methods 123sq. So etwa noch BEAUJEU (1974) lntroduction p . XXXV. D. WIESEN, Vir gil, M inucius Felix a nd t he B ible, Hermes 99 ( 1971) 7Q-9 1: SeeinRußt vom zeitgenössischen Bild eines a llwissend en Vergil und von d er philosophischkosmologischen Allegorese poetischer Texte entdecke M inuc.ius Felix e.ine Parallele zwischen den ersten Worten der biblischen Schöpfungserzählung und der kosmologi-
II.2.1
Zur Forschungslage
113
(1983) erkennt in diesen Zitaten die unübersehbare "Tendenz zur Hera usarbeitu ng der Nähe, der Ähnlichkeit und des Brückenschlages" . 1 G ALLICET (1986) kommt, trotz einer gewissen Skepsis gegenüber WIESENs Ansicht, zu dem Gesamtbild, Vergil sei mehr als Schmuckmittel oder Zielscheibe der Polemik, vielmehr werde er "vorgestellt a ls ein Autor, der der Überlegung, des Respekts würdig ist, da seine Konzeption von Gott grundsätzlich dieselbe ist, die a uch die Christen haben." 2 H ECK (1990) erscheinen die na mentlichen und zustimmenden Vergilzitate als "Markstein in der geistig- literarischen Auseinandersetzung der Christen [... ] mit der griechisch- römischen Bildungstrad ition"; darin erweise sich Minucius Felix nicht nur als 'Ciceronianer', sondern auch als 'Vergilianer'. 3 Dem begegnet B UCHHEIT (1996) in aller Schärfe mit dem Einwand, .Minucius Felix zitiere lediglich "in missiona rischprotreptiscber Absicht", um "die Heiden auf vert rauter Basis zu verlocken" - von ' Aneignung' könne demnach keine Rede sein.4 Jüngst schließlich hat Christiaue INGREMEAU (1999) anha nd vertiefter Interpretationen und Beobachtungen zu einzelnen Vergilzitaten, bei denen sie ein subtiles Spiel mit dem Prätext feststellt, Indizien dafür zusammengetragen, daß Minucius FelLx in seiner Vergilbenüzung nicht a ls "compilateur", sondern in seiner kenntnisreichen und souveränen Verfügung über den Vergiltext als "authentique ecrivain" sowie "chretien lettre, en dialogue avec un patrimoine culturel bien vivant" anzusehen ist.5 Die zentralen Fragen betreffen also zum einen die zahlreichen nicht- wörtlich wiedergegebenen Reminiszenzen, deren Funktion als omatus und im Argumentationsverla uf des Dialoges sowie deren allusiven Charakter, zum anderen das wörtliche Vergilzitat (19,2) , seine Bedeutung im Werk und für die Bewertung Vergils, insgesamt schließlich die Rolle, die der Octavius in der Auseinandersetzw1g des frühen Christentums mit Vergil spielt .
1
2
3 4
5
sehen Ancbisesrede. Davon ausgehend stelle er einen Cent o zusammen, der Vergil als Verkünder christlicher Wahrheiten erscheinen lasse; zur Auseinandersetzung damit unten 140sqq. und 148 Anm. 2 (aufS. 148). - Dem schließt sich PRICOCO {537) in seiner knappeu Gesamtbewertung an. A . BENDER, Die natürliche Gotteserkenntnis bei Laktanz und seinen apologetischen Vorgängern , Frankfurt am Main et al. 1983, 190. CALLICET Ve1-gil L97. H ECK Vestrum est llOsq ., Zitat I 10. Zum Beitrag von WIESEN bezieht HECK nicht ausdrücklich Stellung. BUCHHEfT Ve1-gil als Z euge 255. Der A ursatz richtet sich vor allem ( cf. 254 Anm. 2; 255 Anm. 7; cf. 256 Anm. 10) gegen I-l ECKs These, mit den Zitaten 19,2 beginne "die Aneignung Vergils durch die C hristen" ( Vestrum est l l l), dagegen BuCHHEIT, 255: " In Wirklichkeit sieht sich der Autor, der sich an homines docti wendet, die es für den christlichen G lauben zu gewinnen gi lt~ . genötigt, nach einer angemessenen literarischen Ebene zu greifen und inhaltlich eine Brücke zu bauen , die zu den Ufern der veritas ipsa führt, die ja die Heiden in den Augen unseres Autors nicht kannten und nicht kennen kom1ten ." I NGREMEA U 13- 19, hier 19.
11.2 Minucius Felix
114
2.2
Die Vergilzitate
1,1.2 Cogitanti mihi et cum animo meo Octavi boni etjidelissimi contubema-
lis m emoriam recensenti tanta dulcedo et adfectio hominis inhaesit, ut ipse quodammodo mihi viderer in praeterita redire, non ea, quae iam transacta et decursa sunt, recordatione revocare; {2) ita eius contemplatio, quantum subtracta est oculis, tantum pectori meo ac paene intimis sensibus inplicata est.
Schon in der einleitenden Periode läßt Minucius Felix deutlich die klassizistische Ausrichtung seines Werkes erkennen. Neben der Referenz auf die ersten Worte von Ciceros de oratore ( cogitanti mihi) bezieht er sich in zwei Punkten auf Vergil: (1) Der vorliegende Gebrauch von revocare geht a uf Vergils Musenanruf zu Beginn der zweiten Aeneishälfte (Aen. 7,40 [... ] et primae revocabo exordia pugnae) zurück. 1 Für sich genommen erscheint ein Vergilbezug darin noch nicht zwingend ,2 doch der Kontext legt es nahe, hier den Einfluß des Klassikers anzunehmen. (2) Deutlicher wird der Rückgriff auf Vergil bei der Darstellung der innigen Gefühle, die die Erinnerung an den verstorbenen Freund hervorruft. Zu vergleichen ist zum einen die Schilderung der Liebe, die Cupido in Dido weckt, Aen. 1,660 (657-660): At Cytherea novas artis, nova pectore versat consilia, ut faciem mutatus et ora Cupido pro dulci Ascanio veniat, donisque funmtem incendat reginam atque ossibus implicet ignem. Mit ähnlichem Vokabular stellt Vergil aber auch dar, wie die Furie Allecto von Amata Besitz ergreift, Aen. 7,355 (354~358): ac dum prima Lues udo sublapsa veneno pertemptat sensus atque ossibus implicat ignem necdum animus toto percepit pectore ftamm am. Die Konstruktion von implicare mit dem Dativ geht auf vergilischen Sprachgebrauch zurück und ist in der Prosa offensichtlich nicht üblich. 3 Zur Stelle aus dem siebten Aeneis buch ist insbesondere anzumerken , daß sie neben dem tragenden Stichwort sensus auch, wie es gleichermaßen bei Minucius Felix zu find en ist , pectus auf diejenige Person bezogen bietet, von der auch implicare ausgesagt wird. 1
Danach erscheint es in der Dichtung (Mart. 10,2,2; Sil. 16,193) und bei C urtius Rufus (3,3,6; 10,5 ,21). 2 Ge.lä ufig s ind Ausdrücke wie memoriam revocare, in memoriam revocare, cf. FO RCELLINI/ OLD s. v. revoco. 3 Cf. KS I 38lsq. T hLL Vll,l s.v.implico 642,9-33 nellnt flir die Dativkonstruktion außer Vergil nur Stat . Theb. 11 ,234sq. ; Sil. 2,516sq. ; Auson. 394,2 l p . 353 P. Wie die Ko nstrukt ion in klassischer Prosa la utet, zeigt Cic. leg. 1,47: quae penitus ·i n omni sensu implicata insidet f... } volupta.s.
I1 .2.2
Die Vergi lz itate
115
Minucius Felix setzt den color Veryilianus gezielt z ur captatio benevolentiae ein. Bemerkenswert ist auch der Bezug auf die Freundschaftstopik, die ebenfalls der Gewinnung des Lesers dient. 1 Damit bietet .Minucius Felix z ugleich in protrept ischer Absicht einen Eindruck von der persönlichen Reflexion und Kommunikation gebildeter Christen, denen Vergil als selbstverständliches und eben nicht nm in der Auseinandersetzung nach a ußen gebra uchtes Mittel sprachlicher Darstellung zur Verfügung steht. Verkürzt gesagt la utet die Botschaft in bezug a uf Vergil: Auch Christen können ihre Empfindungen und Gefühle klassisch und in vergilischer Diktion ausdrücken. Das dient letztlich dazu , schon im ersten Satz Berüh1·ungsängste und Vorurteile abzubauen. 2 ,4 itaque cum diluculo ad mare inambulando litore pergeremus, ut et aura ads pirans leniter m embra vegetaret et cum eximia voluptate molli vestigio cedens harena sttbsideret, Caecilius simulacro Serapidis denotato, ut vulgtLS superstitiosus solet, manum ori admovens osculum labiis pressit.
Die Junktur adspirat aura erscheint vor allem in der poetischen Topik bei der Beschreibung eines ruhigen, gefahrlos befahrbaren Meeres, 2 so schon in einem Vergleich bei Catull , 68,64 (63-66): ac velut in nigro iactatis turbine nautis lenius aspirans aura secunda venit iam prece Pollucis, iam Castoris implorata: tale fuit nobis A llius auxilium. dann bei Vergil für die Weiterfahrt nach der Bestattung der Caieta, Aen . 7,8: aspirant aurae in noctem nec candida cursus Luna negat, splendet tremulo sub lumine pontus. Catull liegt durch das Stichwort Lenis als Vorbild näher, Vergil wäre die bekanntere Vorlage 3 , a ußerdem findet sich bei ihm ebenfalls der Gedanke hereinbrechender Dunkelheit (bei Minucius Felix cum diluculo) als Element einer idyllischen Atmosphärenschilderung. Entscheidend ist jedoch der gesuchte color poetiC'us bei de r Schilderung der Stimmung am Meer im Ne bensatz, die in ihrer Harmonie dann den kontrastierenden Hintergrund a bgibt für den Gruß des Caecilius an die Serapisstatue. 1
Dazu M. RIZZI , Amicitia e verita.s . !I prologo dell' Octaciu.s di Minucio Felice, Aevum(ant) 3 ( 1990) 245- 268; und ders., ldeologia e reto rica negli exordia apologelici, M ilano 1993, 156-170. 2 Cf. Th LL II s.v. a.spiro 840,15- 33; ThLL ll s.v. au.ra 1472,4-6. Zwar findet s ich die Junktur vere inzelt a uch in sachlich geprägt en Beschreibungen (Varro rust . 1,57,1; Plin . nat. 13,124), es Uberwiegen aber, zurna.l wenn man ähnliche Ausdrücke hinzuzieht, d ichte rische Schilderungen eines ruhigen Meeres mit Zügen eines locu.s amoenu.s, so etwa, neben Catull. 68,64, Verg. georg. 4,417; Aen . 5,764 .844 ; 7,8; Petron . 119,1 v. 38; Lucan. 8,246sq.; Prosa Quint. inst. 10,3,24 (über den Ort, an de m sich der Redner inspirieren lassen soll); Aug. ep ist. 126,3. Zur au.ra als Aspekt der dichterischen Ideallandschaft G . SC HÖNBECK , Der locu.s amoenu.s von Homer bis Horaz, Diss. Heidelberg 1962, 18. 3 Außerdem finden s ich verwandte Ausdrücke häufiger bei ihm, dazu vorige Anm.
116
11.2
Minucius Feüx
3,3 ibi ( d} harenas extimas, velut stemeret ambulacro, ( d} perfundens Lenis unda tendebat; et, ut semper mare etiam ( a) positis ftatibus inquietum est, etsi non canis spumosisque flucti bus exibat ad terram, tarnen crispis tortuosisque ibidem erroribus delectati perquam sumus, cum in ipso {b) aequoris limine plantas tingueremus, quod vicissim ( d} nunc adpulsum nostris pedibus adluderet fluctus, ( d) nunc ( c) relabens ac vestigia ( c) retrahens in sese ( d) resorberet.
(a) Ponere von der Beruhig ung des Windes gesagt gehört vornehmlich der Dichtersprache an: Intransitiv begegnet es seit Vergil ( Aen . 7,27sq. cum venti posuere omnisque repente resedit / ftatus; 10,103 tum Zephyri posuere, premit placida aequora pontus). 1 (b) Das Netzen der Füße in den a uslaufenden Wellen schildert Minucius Felix in der Formulierung in ipso aequoris limine plantas tingueremus, die a uf einen Ausdruck in Vergils schon bei Seneca (epist. 85,4) zitierter Beschreibung der heransprengenden CamilJa zurückgeht , Aen. 7,811 (808- 811): illa vel intactae segetis per S'umma volaret gramina nec teneras cursu laesisset aristas, vel mare per medium fluct1t suspensa tumenti ferret iter celeris nec tingeret aequore plantas . Die Änderung von aequore zu in ipso aequoris limine dient der Anpassung an den Kontext: W ährend es bei Vergil um das Dahinschießen kna pp über der Wasseroberfläche ( aequor) geht, also um eine Annäherung von o ben her, meint Minucius Felix die Linie , die das Wasser gerade noch erreicht ( ipsum limen aequoris), also eine Annäherung von der Seite. 2 Außerdem stellt Minucius Felix das Verb an den Schluß und adaptiert es morphosyntaktisch, so daß sich eine ditrochäische Klausel ergibt. (c/d) Für die Schilderung des Wellenschlages gebraucht Minucius Felix zahlreiche Elemente poetischer Sprache. 3 Neben dem in dieser Verwendung dichtersprachlichen adludere4 scheint Minucius Felix hier insbesondere von zwei vergilischen Darstellungen des anbrandenden Meeres beeinflußt , nämlich zum einen von der Schilderung der schwierigen Landung des von Tarchon befehligten Entsatzschiffes, Aen. 10,307 (303- 307): 1
2
3 4
Ebenso etwa Ov . her . 7,49; Stat. silv. 2,2,118, daneben Gell. 2,30 Nam .ftuctus, qui ftante aquilone maximi et creberrimi excitant~r. simul ac ventus posuit, stemuntur et confta ccescunt et mox ftuctus esse desinunt. , im vorliegenden Passiv seit L uca n (3,523 posito Borea). cf. OLD s.v. pono 9 "( mainly poet.) To make calm (the sea); (pass. and intr., of winds) to drop"; FORCELLINI s. v. pono 15. Der Übergang von d er instru mentalen Ablativkonstruktion ( tingere aequore) zur lokalen Prä positionalkonstruktion ist vielleicht nicht nur d urch diese semant ische Adaptation bedingt (lim ine tingere wäre sehr kühn), sondern könnte a uch der Schaffung einer ruhigen, kontemplativen Atmosphäre dienen. Ob Minucius Felix auch bewußt das ä ltere tinguere ( cf. WALDE / HOFMANN s.v.) statt tingere setzt, läßt sich nicht entscheiden. So auch FAUSCH ad l. 50: "Die Schilderung d es Wellenschlages am flachen Sandufer trägt ausgesprochen poetische Züge." Cf. Catull. 64 ,67 ipsius ante pedes ftuctus salis adludebant; Stat. T heb. 9,336 extremis adludt.mt aequom plantis.
ll.2.2
Die Vergilzitate
117
namque infiicta vadis, dorso d·u m pendet iniquo anceps sustentata diu fiuctusque fatigat, solvitur atque viros mediis exponit in undis, jragmina remorum quos et fluitantia transtra impediunt retrahitque pedes simul unda relabens. Minucius Felix übernimmt die Verben retrahere und relabi, 1 ändert aber pedes zu vestigia und setzt fiuctus statt unda als Subjekt, so daß aus der zerstörerischen Brandung ein beschauliches Bild. Zum anderen scheint Minucius Felix auf einen vergilischen Vergleich des hin- und herwogenden Kampfgeschehens mit der Meeresbrandung zurückzugreifen, Aen. 11 ,624-628: qualis ·ubi alterno procurrens 91trgite pontus nunc ?'uit ad terram scop·ulosque superiacit unda spumeus extremamque sinu perfundit harenam, nunc rapidus 1-etro atque aestu revoluta resorbens saxa fugit litusque vado Labente relinquit. Hieraus übernimmt er, neben resorbere, 2 vor aUem die Gliederung des Heranspülens und sich Zurückziehens mit nunc f... j mmc und die J unktur (h)arenam perfundere3 . Auch in diesem Fall t ransponiert Minucius Felix E lemente aus einer Schilderung wütender Natmgewalt, zumal als Gleichnis eines Schlachtenverlaufs gebraucht , in das idyllische Bild des sachte ans flache Ufer schlagenden Wassers. 4 Minucius Felix will a lso mit den Mitteln dichterischer Sprache eine beschauliche, heitere Szenerie darstellen. Ob darüber hinaus die Spannung zwischen der Gefährli chkeit des Mee res in den Prätexten und der beschau lichen Szenerie im Folgetext im Hinblick auf den sich bereits entwickelnden Konfl ikt zwischen den Freunden beabsichtigt ist, muß fraglich bleiben. 3 ,4 Sensim itaque tranquilleque pmgressi oram curvi molliter litoris iter jabulis jallentibus legebamus.
Die Formulierung oram litoris legere, mlt der Minucius Felix den Spaziergang der drei Dialogteilnehmer beschreibt,5 geht zurück a uf Vergils an Maecenas gerichtete Aufforderung im zweiten Proömium des zweiten Georgikabuches, georg. 2,44 ades et primi lege li toris oram.6 Minucius Felix permutiert 1
2
3 4
5
6
Beide nach OLD s.vv. relabor b; 1-etraho 1 und C LC LT- 5 von der Meeresbrandung erstma ls bei Verg il. Insbesondere in d er nachklassischen Literatur wird resorbere allerdings häufiger für das Meer gebra ucht, cf. OLD s.v. resorbeo b. ThLL X, l s.v. perfundo 1420,64sq. bringt als Parallele zum vergil ischen harenam perfunder·e nur .Manil. 5,562 perfund ere 1-upes. Ganz ähnlich zeichnet wenige J ahr-.tehnte vorher übrigens Longos in seinen n ol!J.&Vlxa xc:nlx ~6:cpvtv xcxl XA6TJv ( 1,2) einen locus amoenus am Stra nd von Lesbos: xcxl 1! 06:Aa-na npooixAuCtv it16vo< lxutot!J.iVTJ< <}&:!J.!J. !J.otAOaxn. Minucius Felix orientiert sich in diesem Detail offenbar ganz a m verbreiteten literarischen Geschmack d er Zeit. Zum topographische n Hintergrund etwa ßOD ELON 263sq. Nach ThLL Vll ,2 s.tl. lego 2 U 27,56 kommt zwar seit Vergil lege1-e in dieser Bedeutung öfter vor (etwa Liv. 21 ,5 1,7; 33,41 ,5 etc.), aber durch litoris ist das Zitat eindeutig.
118
TI .2
Minucius Felix
die d rei Elemente, paßt das Verb morphesyntaktisch an und löst durch d ie Atmosphäre schaffenden Erweiterungen curoi molliter und ite1· fab·ulis fallentibusdie Kontaktstellung auf. Diese Ergänzungen dienen einer syntaktischen und semantischen Verlangsamung, also der Übert ragung des Zitatsegment es aus dem vergilischen Kontext einer raschen Seereise a uf einen idy llischen Strandspaziergang. 1
3,5 Sed ubi eundi spatium satis iustum cum sermone consumpsimus, eandem emensi viam rursus versis vestigiis terebamus, et cum ad id loci ventum est, ubi subductae naviculae substratis roboribus a terrena labe suspensae quiescebant, pueros videmus certatim gestientes testarum in mare iaculationibus ludere. Die Wendung vestigia vertere sch eint angeregt zu sein durch Vergils Schilderung des 'frugbildes, mit dessen Hilfe Thrnus von J uno a us der Schlacht geführt wird, Aen. 10,646:
instat cui Turnus stridentemque eminus hastam conicit; illa dato vertit vestigia tergo. Auffällig ist dabei vor allem die poetische Verwendu ng von vestigium, 2 wie schon 2,4.
3,6 Is lusus est testam teretem iactatione ftuctuum levigatam legere de litore, eam testam plano situ digitis comprehensam inclinem ipsum atque humilem quantum potest super undas inrotare, ut illud iaculum vel dorsum maris raderet [velj enataret, dum leni impetu labitur, vel summis ftuc tibus tonsis emicaret emergeret, dum adsiduo saltu sublevat·u r. In d ie Schilderung des ~1toatpcx)Cl<J!!O~ läßt Minucius Felix Elemente epischer Meeresbeschreibung einfiießen: Das Bild vom dorsum maris erscheint seit Homer,3 mdere findet sich seit Vergil dichterisch für d as D ahinfliegen über die Meeresoberßäche, 4 und vor a llem dje von Vergil (Aen . 1,106 hi summo in ftuctu pendent) in die Topik der Seesturmschilderung in d ie lateinischen Epik eingebrachte Wendung summus ftuctu? läßt einen colo·r Vergilianus deutlich 1
Sollte außerdem eine asso2iative Verbindung bestehen zwischen i ter fabulis fallentibus und den nächsten beiden Georgikaversen (45sq.) non hic te carmine ficto / atque per ambages et longa exorsa tenebo? 2 Für die Junktur vestigia vertere weist das PH I 5.3-Corpus ke inen weiteren Beleg aus, FORCELLINI s.v. vestigium bietet a ls nächstliegende Parallele Ov. met. 1,372 flectunt vestigia. Für den poetischen Gebrauch von ve.stigium im Sin ne von 'Fu8i verweist HA RRISON ad l. 228 auf die vorvergilische Dichtung, nament lich Catull. 64,162 candida permulcens liqui.dis vestigia lymphis, und den wohl zugrunde liegenden Gebrauch von ix.11o< wie Eur. Bacch. 1134 lcp&p& 5' tl!L111 c!>AiYT}II, I i\ 8' tx.11o< otÖ'toti< &pßuAa. t{. 3 Horn. II. 2,159b = Od. 3,142b tlt' tup&a. IIW'ta. 9a.A6.ooT}{i lateinisch ThLL V s.v. dorsum 204.0,53-65; cf . FAUSCH ad l. 63. 4 Verg. Aen. 5,217 mdit iter liquidum celeris neque commovet alas, cf. WILLIAMS ad I. 89; Hor. sat. 2,6,25; epod. 16,53; Ov. met. 10,654, cf . FAUSC H ad l. 63. 5 T hLL VI, 1 s. v. flu ctus 946 ,44sq. mit Belegen aus der Dichtung.
II. 2.2
Die Vergil.zita te
119
werden. Wie schon im P aragraphen 3,3 übert rägt Minuci us Felix hier wiederum eine Formulierung, die im epischen Prätext das Meer als bedrohliche Naturgewalt da rstellt, in die idyllische Szenerie des Strandspazierganges.
4,5 modo in istis ad tutelam balnear'Um iactis et in altum procurrentibus petmmm obicibus residam-us, ut et requiescere de itinere possimus et intentius disputare. Die Bezeichnung der a us Steinen aufgeschüt teten Mole, petramm obices, dle Caecilius als Sitzplat z für das Gespräch vorschlägt, könnte angeregt sein von der vergilischen Beschreibung der Höhle, in der sich Proteus vor Aristaeus zu verbergen sucht , georg. 4,422 intus se vasti Proteus tegit obice saxi. 1 Zwar ist dieser apposit ive Genit iv klassisch belegt ,2 in Verbindung rnlt obiex aber findet er sich nur in der Dicht ung und vereinzelt in gehobener Prosa;3 hinzu kommt eine semantische Nähe (petrarum und saxi, Szenerie am Meer). Minucius Felix sucht an d ieser entscheidenden Stelle der Sit uierung des Gespräches einen gehobenen und poetischen Ausdruck.
5 ,6 sed quatenus indulge ntes insano atque inepto labori ultra humilitatis nostrae terminos evagarnur et in terram proiecti caelttm ipsum et ipsa sidera audaci cupiditate transcendimus, vel hunc errorem sattem non vanis et formidulosis opinionibus inplicemus. Die Formulierung des Agnostizismus, von dem ausgehend Caecilius seine pagane Argumentation ent faltet, lehnt sich an zwei Dichterstellen an: Mit d em Ausd ruck indulgere insano labori führt im sechsten Aeneisbuch die Sibylle Aeneas das Ungemach des Unterweltsganges und die Größe des Wagnisses warnend vor Augen, Aen. 6,135 (133- 136): quod si tanttts amor menti, si tanta cupido est bis Stygios innare lacus, bis nigm vide1-oe Tartara, et ins ano iuvat indulgere labori, accipe quae peragenda prius. Min ucius Felix permutiert zwar dle d rei Elemente, paßt sie mo rphesyntaktisch a n und ergänzt insano pleonastisch4 d urch atque inepto; t rotzdem bleibt 1
Cf. RICHTER ad l. 388: "obice meint nic ht, wie Ae n. 8.227 [Aen. 8,226sq. deiecit saxum [.. .} fultosque emuniit obice postis.J, e inen Stein, der den Eingang der Grotte versper rt,
wie d er in der Höhle des Polyphem oder am Grabe Christi, sondem die schützende Höhle selbst." 2 Etwa Caes. civ. 1,42,3 munitione fossa e; Cic. Verr. 2,4,1 L8 fons aquae dulcis {... }, qui ftuctu Lotus operiretur nisi munitione ac mole lapidum diiunctus esset a ma1"i; cf. KS I 419. Mit FAliSCH ad I. 70 von einem geniti1ms materiae auszuge hen , erscheint übrigens angesicht,s der Semantik von obiex problematisch ( cf . I<S I 429), PELLEGRINO ad l. 69 schlägt deshalb einen explikativen oder apposit iven Genitiv vor. 3 ThLL IX,2 s. v. obiex 66,1-9 gegen Wasser Verg. georg. 2,480 etc.; 66, 17- 20 gegen Menschen Verg. georg. 4,422; Tac. hist. 4,71,4; der Gebrauch von obiex im weitere n Sinne von agger, vallum, saeptum (65,84--66,50) scheint, a uf Vergil z urückzugehen und in Prosa vor Minucius FeUx nur von Tacit us a ufgenommen worden z u sein. 4 I NGREMEAU (13) weist mit Recht a uf eine inha lt liche Akze ntverschiebung zwischen
120
11.2
Minucius Felix
aber die singuläre Formulierung als Zitat für den Leser eindeutig erkennbar. 1 Auch wenn im übernächsten Kolon die cupiditas als Antrieb angesprochen wird, so könnte darin Vergils cupido nachklingen. Die zweite, allerdings weniger deutliche Reminiszenz in den Worten ultra humilitatis nostrae t erminos evagarnur bezieht sich auf Horazens Integer vitae-Ode, carm. 1,22,10sq.: namque me silva Lupus in Sabina, dum meam canto Lalagen et ultra terminum curis vagor expeditis, fugit inermem.
Die Substitution von vagari durch evagari hebt die Grenzüberschreitung stärker hervor, ebenso das Genitivattribut humilitatis nostrae statt curis expeditis, doch dürfte die Referenz trotz dieser Akzentverschiebung erkennbar bleiben. 2 In erster Linie dienen diese Dichterzitate sicherlich dazu, dem heidnischen Leser die Identifikation mit dem seine Position vertretenden Dialogteilnehmer zu erleichtern, der hier den Beweis seiner Bildung gegenüber den soeben (5,4) a ls studiorum rudes, litterar-um profano s, expertes artium etiam sordidarum bezeichneten Christen erbringt. Ein Blick auf die Präkontexte eröffnet aber vielleicht noch eine tiefere Deutungsebene. An beiden Stellen nämlich ist zwar von einer Gefahr und einem Wagnis die Rede, die Konfrontation damit ist aber keine vermessene Selbstüberschätzung: Der Unterweltsgang des Aeneas ist vom fatum bestimmt und im Ablauf der Ereignisse unumgänglich, bei Horaz bewiJ·kt gerade das Schwelgen des Liebesdichters in den Sphären ultra terminum das Hera usgenommensein a us der Welt und somit die Rettung vor dem Wolf. Wä hrend a lso die Zitatsegmente in ihren Präkontexten von einer Gefahr handeln, der sich ein göttlich Erwählter aussetzen kann , ja muß, ha.ben sie im Folgekontext den beinahe gegenteiligen Sinn, indem sie vor einem Wagnis
1
2
P rätext und Folgetext hin: Für Vergils Aeneas sei die xcxtaßcx
Il.2.2
Die Yergilzitate
121
warnen. Das heißt, Mlnucius Felix bringt zwei inhalt lich im Grunde genommen genau gegenlä ufige Zitate, o bwohl die Warnung vor der Hybris, die Caecilius hler ausspricht, zur elementaren Topik poetischer Ethik gehört 1 und mit einer Vielzahl einschlägiger Dichterreminiszenzen zu belegen wäre.
5,10 quid tempestates loqua1· varias et incertas, quibus nullo ordine vel examine rer-um omnium impetus volutatur, in naufragiis bonorum malorumque jata mixta, merita conjusa, in incendiis interitum convenire insontium nocentiumq·ue, et cum tabe pestij era caeli troctus inficitur·, sine discrimine omnes deperire, et cum belli ardore saevitur, m eliores potius occumbere'? Die als Beispiel für unterschiedslos über die Menschen kommende Katastrophen angeführte Seuche wird nach dem Vorbild der vergilischen Pest schilderung im dritten Aeneisbuch dargestellt , Aen. 3,137sq. (135- 139): l amque fere sicco subductae litore p1tppes, conubiis arvisque novis operata iuventus, iura domosque dabam, subito cum tabida m embris corrupto caeli troctu miserandaque venit arbm'ibusque satisque Lues et letifer annus. Deren Wiedergabe in tabe pestif era caeli tractus inficitur hat den Chara kter einer auf die wesentlichen Elemente reduzierten Prosapara phrase: Minucius Felix wendet die ganze Konstru kt ion ins Passiv, vereinfacht die Syntax und verkürzt im Sinne einer Prosifikation, indem er st att des dichterischen, über drei Verse gesperrten tabida (.. .f lues nur tabe mit dem vereindeutigenden Zusatz pestif era - darin d ürfte letij er nachwirken - setzt und d ie Atmosphäre schaffenden Erweiterungen ( miserandaque, arboribusque satisque, et letijer annus) wegläßt . Erhalten bleiben der mit tabes eingeleitete cum- Satz und dle in diesem Kontext eindeut ig vergilische Junktur caeli tractus. 2 Minucius Felix s ucht hier eine klassische Formulierung für ein exemplum im Mund d es Caecili us. 3
6,2 Sie eorum fsc. Romano1-umj potestas et auctoritas totius orbis arnbittts occupavit, sie imperium suum ultra solis vias et i psius Oceani limites 1
Klassisch Hor. carm. 1,3,37 nil mortalibus ardui est, cf. N JSBET / H UBSAltO o.d l. 57 zur Topi k. 2 Cf. ThLL III s.v. caelu.m 9 1,66-69 über verdorbene Luft., die Krankheiten hervorruft : Lucr . 6,820 ut spo.tium caeli qu.adam de parte venenet fsc. m ortif era vis locorum Avenorumj; 6 ,1097 pe·,-turbaru.nt caelu.m fsc. semina reru.m qu.ae sint morbo m ortiquej; Aen. 3,138; S il. 6,187 fsc. anguisj caelum f oedavit hiatu; 12,124 letale vornebat suffuso viru.s caelo - der Gebrauch von caelum in diesem Sinne ist seit Lukrez in der Dicht ung üblich, die Junk t ur caeli tractus aber findet sich nu1· an der Vergilstelle . 3 Denkt man fre ilich im Sinne der Lnterpretation zu 5,6 weiter, so ergibt sich folgende Überlegung: Im Prätext kommt die Seuche eben gerade nicht. zufällig , sondern durch das una usweichlichefatum über die Trojaner. Auch hier widersprec hen sich a lso Prätext und Fo lgetext, so daß man wiederum eine bewußte Unterminierung der paganen Argumentatio n vermuten kö nnte. Doch bleibt zu fragen, ob man in einer Reihe von exempla dem Leser solch hintergründige Überlegungen zugemutet. sehen kann.
122
II .2
Minuciius Felix
propagavit, dum exercent in armis virtutem religiosam, dum urbem muniunt sacrorum religionibus, castis virginibus, multis honoribus ac nominibus sacerdotum, dum {. ..]. Die Formulierung für die gewaltige Ausdehnung des imperium Romanum, die Caecilius auf die sorgfältige Beachtung der religiösen Überlieferung zurückführt , steht unter dem Einfluß der Verse über Augustus in d er Heldenschau des sechsten Aeneis buches, 795 sq. (794- 797): [sc. A ugustusj super et Garamantas et Indos proferet imperium; iacet extra sidera telltts, extra anni solisque vias, ubi caelif er Atlas axem umero torquet stellis ardentibus aptum. Aus d er bekannten Aeneisstelle übernimm t Minucius Felix vor allem den Hinweis a uf die Ausdehnung des Imperiums über die solis vias hinaus, 1 die ansonsten eher in die Topik für das Alexanderreich gehört2 . Zu de m nach Vergil formulierten ultra solis vias für die weiteste Ausdehnung des Imperiums nach Süden und Südosten hin3 fügt Minucius Felix mit ipsius Oceani limites 4 einen Hinweis a uf die Grenze im Westen und Nordwesten hinzu. Insgesamt sucht Minucius Felix hier in erst er Linie, wie etwa die häufige Wendung imperium propagare zeigt,5 die einschlägige Ausdrucksweise wiederzugeben . Minucius Felix läßt Caecilius gewissermaßen die Erfüllung der Prophetie des Anchises verkünden. 7 ,3abc testes equestrium fratrum in lacu, sicut ( se) ostenderant statuae consecratae, qui anheli spumantibus equis atque fu.mantibus de Perse victoriam eadem die qua f ecerant nuntiaverunt. In einer Reihe von Beispielen für d as hilfreiche Eingreifen der Götter in der römischen Geschichte erwähnt Caecilius a uch die Dioskuren, die einer vielzit ierten Überlieferung nach d en Sieg des Aemilius Pa ullus bei P ydna na.ch R om gemeldet hätten. 6 Die Beschreibung der a uf ihren Pferden heranspren1
2
3 4
5
6
Nach Serv. ad l. ist darunter der Zodiakus zu verstehen : ut osten deret Xll. signa, in qu.ibus est circu.lus solis. significat autem Maurorum Aethiopiam, ubi est A tlas. C f. NORDEN ad Aen. 6 ,796 (324sq.; Aescbin . 3,165; Sen. suas. 1,2; Sen . epist. 94,63 über die Expansion P hilipps von Makedo nien: it tarnen u.ltro Oceanum solemqu.e. Zur weiteren Rezeption C ouRCELLE Lecteu.rs 496. Das hei.ßt bis zum nördlichen Wendekreis, cf. AUSTIN ad Aen. 6,796sq. (245). l NGREMEAU ( 14) s ieht Aen. 4,48D-482 Oceani finem iw:ta solemque cadentem / ultimus Aethiopum locus est, ubi maximus A tlas / 4 482 axem umero Lorquet als Vorbild. Der Verweis a uf den Oceanus als G renze der ol xou~tv11 oder d es Imperi ums - das ist bei Minucius Felix, nicht aber an genannter Vergilstelle gemeint - ist aber sehr gelä ufig, cj . ThLL IX ,2 s.v. oceanus 408 ,3sqq.; zur Junk t ur Oceani.~ finis Sall. Iug. 17,4; hist. frg. 1,107; Hyg. fab. 1,9 , cf. Liv. 28.32,8; 28,39,13; 36,17,15. Oie Junktur Oceani limites ist anscheinend gesucht, cj. ThLL V ll,2 s .v. Iimes 1415,3. Etwa Liv. 38,16,5; der Gedanke C ic. rep. 3,24 . Cf. BEAUJEU ad l. 83, etwa C ic. nat. deor. 2,6 recentiore memoria idem Tyndaridae Persem victum nuntiaverunt; 3,11- 13; Thsc. 1,28; Tert. apol. 22,12 phantasmata Casto7-um.
lJ.2.2
Die Vergilzitate
123
genden Brüder gestaltet Minucius Felix mit Elementen dichterischer, insbesondere vergilischer Sprache: (a) Anhelus erscheint in der vorliegenden Verwendung seit Vergil (georg. 2,135 senibus [. .. } anhelis; Aen. 12,790 certamina Martis anheli) überwiegend in der Dichtung. 1 (b/c) Die Attribute spumans (Aen. 6,881 seu spumantis equi f oderet calca1'ibus armos; 11 ,770 spumantemque agitabat equum; 12,651 vectus equo spumante)2 und fumans (georg. 2,542 equum fumantia solvere colla - der Schlußvers des Buches; Aen. 12,338 talis equos alacer in media inter proelia Turnus / fumantis sudore quatit) 3 gehören seit Vergil zur dichterischen Topik bei der Beschreibung erhitzter Pferde. Zur stilistischen Ausgestaltung der bekannten und , wie der Text angibt, plastisch festgehaltenen Szene setzt Minucius Felix bewußt einen color Vergilianus oder poeticus ein.
7 ,4ab Frequentius etiam quam volebamus deorum praesentiam contempta auspicia contestata sunt. sie Allia nomen infaustum, sie Cla·udi et Juni non proeli'um in Poenos, sed jerale naufragium est, et ut Trasimenus Romanorum sanguine et maior· esset et decol01·, sprevit auguria Flaminius, et ut Parthos signa repetamus, dimrum inprecationes Crassus et meruit et inrisit. Unter den Beispielen aus der römischen Geschichte , mit denen Caecilius die fatalen Folgen einer Mißachtung von Aus pizien verdeutlicht, sind zwei als VergiJreferenzen gestaltet: (a) In der Formulierung Allia nomen infaustum wird die Anspielung a uf die Alliaruederlage zitiert , die Vergil im siebten Aeneis buch bei der Erwähnung der Sabiner im K atalog der Gegner macht, Aen. 7 ,717 quosque secans infaustum inteduit Allia nomen. 4 Minucius Felix permutier t die bei ihm in Kont aktstellung und ohne morphosyntaktische Veränderung wiedergege1
2
3
4
Cf. ThLL II s .v. a.nhelv.s: dichterisch seit Lukrez (67,59sq.) , aber kausativ (67,6 1) , im vorliegende n Gebrauch ab Vergil (67,75-68,28) . Spuma1·e über den Speichel (O LD s.v. spv.mo ~a, Belege ab Vergi l) und, wie bier wohl {Aen. 6.88 1 s pv.mantis {. .. } annos, über den Schweiß OLD s. v. spu.mo 2b Macer poet. 8 von einer Schlange terga exspiront spumantia virus; vorn Pferd auch Ov. met. 14,363 equi ( ... } spu.mantia terga reliquit. Zum zunächst poetischen C harakter d es Wortes FoucHER 249. Cf. TbLL V,l s.v. fu.mo 1539,73-75 "de animantibus eorumque partibus": Verg. georg. 2,542; Aen . 12,338; Sil. 16,383; Min. Fel. 7,3 ; verbunden mit anhelus übrigens Stat. Theb. 5,87 (85- 88) Sol operum mediu.s Sttmmo libmbat Olympo I lu.centes, ceu staret, equ.os; qv.ater axe sereno I intonu.,t, quate1· antra dei fumantis anhelos I exeruere apices, ( ... }. Nach ThLL Vll , l s.v. infau.stv.s 1355,64- 66 und rO UCHER 193 ist infau.stus von Vergil geprägt und wird mit nomen nur Aen. 7,717; T ac. ann. 16,12,2 duo iam Torqu.ati ob seelern interjecti infaustum nomen lunium fecissent und Min. Fel. 7,4 gebraucht; der Zusammenhang mit der Allianiederlage macht das Zitat bei Minucius Pelix eindeut ig. Die "slight irregularity o f the apposition" ( FOR.DYCE ad l. 191) an der Vergilstelle exponiert das Zitatsegment überdies im Prätext.
124
II.2 Minucius Felix
benen vergilischen Elemente dergestalt, daß a us dem Hexameterschluß eine lu-etisch- trochäische Klausel1 entsteht. 2 (b) Die Folge der Nachlässigkeit des Crassus den Vorzeichen gegenüber 3 , nä mlich ut Parthos signa repetamus, 4 wird in Anlehnung an die Anspielung a uf die Rückgewinnung der Feldzeichen formullert, die Vergil in die Schilderung des zurückproj izierten Bra uches vom Öffnen und Schließen des J anustempels einba ut, Aen. 7,606 (603- 606): [. ..J cum prima movent in proelia M artem, sive Getis inferre manu lacrimabile bellum Hyrcanisve A robisve parant, seu tendere ad Indos Auroramque sequi Parthosque reposcere signa. Minucius Felix übernimmt, neben den entscheidenden Stichworten Parthos und signa, in einer bemerkenswerten Konstruktion den doppelten Akkusativ des vergilischen Prätextes, wobei er a ber reposcere zu repetere variiert.5 Er permutiert die Elemente, paßt sie morphesyntakt isch an und stellt a uf diese Weise eine kretisch- t rochäische Kla usel (s{gna repetämus) her. '!rotz dieser formalen Ada ptationen und Abwandlungen bleibt der Bezug auf den locus classicus für d ie Rückgewinnung der signa durch diesen a ußergewöhnlichen Inhalt und die a uffällige Konstrukt ion eindeut ig.6 INGREMEAU (16) merkt mit Recht a n, daß das exemplum, das im P rätext für die Befolgung religiöser Traditionen steht, gena u in den Folgekontext (römische virtus religiosa, cf. 6,2) paßt. In beiden Fällen sucht Minucius Felix a ut hentische, Vertrautheit mit den vergilischen loci classici erweisende Formulierungen fü r zentrale Ereignisse a us der römischen Geschichte, auf die Vergil in der Aeneis vora usblickt. Im1
2
3 4
5
6
Diese Form der Klausel (n ömen m fo:üstt'i.m) ist die häufigste bei Minucius Felix, cf. K. MÜLLER, Rhythmische Bemerkungen zu Minucius Felix, M H 49 {1992) 57- 73, hier 64. INGREMEAU ( 15) weist darauf hin , daß Aen. 7,583sq. die negativen Folgen eines contra fata unternommenen Krieges erwähnt werden. Bezugspunkte sind Aen. 7 ,64sqq. u nd 96sqq. Cf. C ic. di v. 1,29 und P EASE ad l. 137sq. Das auffällige P räsens hat man verschieden zu erklären versucht ; gegen einen Bezug auf zeitgenössische Ereign isse mit Recht BEAUJEU lntroduction Ll; unter den zahlreichen von P ELLEGRJNO ad l. 85 genan nten Erklärungen {besserer Rhyth mus, d .h . ka.taJektischer Dikretikus, auch BEAUJEU ad l. 84sq.) überzeugt am meisten die "ricerca d i vivacita rappresentativa" in Verbind ung mit der "liberta, non ignota a M ., nell'uso della cor&secutio temporum". Hier erscheint nach KS I 301 erstmals repetere m it dop peltem Akkusativ. Die küh ne Ko nstruktion dürfte zusätzlich Aufmerksamkeit auf das Vergilzitat und dessen variat1o lenken. Auch der pro leptische ut- Satz u nd das Präsens könnten in dieser Weise als Markier ung fungieren. Zur Besonderheit der Vergilst elle M. WISSEMANN, Die Parther in der a ugusteischen Dichtung, Frankfurt am Main et al. 1982. Die s prach liebe Form anderer klassischer Formulierungen desselben Sachver haltes weicht signifikant ab, etwa: Hor. cann. 4,15,6-8 signa nostro restituit I ovi / derepta Parthorum superbis / postibus; epist. 1, 18,56 sub duce, qui templis Parthorum signa refigit; R. gest . div. Aug. 5,29 Par tl10s trium exercitum Romanorum spolia et signa redder-e m ihi s-upplicesque amicitiam populi Romani petere coegi.
11.2.2
Oie VergHzitate
125
merhin bedenkenswert ist l NGREMEAUs (15) Beobachtung, daß zweimal bei Vergil (georg. 2,167- 169; Aen. 6,824sq.) Camillus, der Rächer der AlliaNiederlage, in unmittelbarem Zusammenhang mit der im vorausgehenden Paragraphen (7,3) erwähnten Decior-um devotio angeführt wird. Vergil könnte also vielleicht a uch die Auswahl der Beispiele a ngeregt haben. 7,5 Intende templis ac delubris deorum, quibus Romana civitas et protegitur et ornatur: M agis sunt augusta numinibus incolis praesentibus inquilinis quam cultu insignibus et muneribus opulenta.
Die Schilderung der Heiligtümer , auf deren stetige Auschmückung und Verehrung Caecilius verweist, lehnt sich an Vergils Beschreibung des Junotempels in Karthago an, Aen. 1,446 sq. (446- 449): Hic templum lunoni ingens Sidonia Dido condebat, donis opulentum et numine divae, aerea cui gradibus sU7-gebant limina n exaeque aere trabes, fo ribus cardo stridebat aenis.
Neben den Stichwörtern templum und numen übernimmt Minucius Felix insbesondere die a uffällige Verwendung von op'ulentus mit dem Ablativ 1 , das vergilische donis variiert er zu muneribus. Auch die mit magis [. .. } quam gegliederte Gegenüberstellung von göttlicher Präsenz einerseits und menschlichem Schmuck andererseits als Zierde des Tempels könnte von Vergils bemerkenswerter , beina he zeugmatischer Syndese donis opulentum et n·u mine divae angeregt sein. Wiederum gestaltet Minucius Felix einen Hinweis auf römische Tradition mit einer vergilischen Formulierung. 7,6 In de adeo pleni et mixti deo vates futttra praecerpttnt, dant cautelam periculis, morbis medellam, spem adfiictis, opem miseris, solacittm calamitatibtts, laboribtts Levamentum.
Unmittelbar im Anschluß geht Caeci lius a uf Wesen und Nutzen der Mantik ein. Wenn dabei von pleni et mi.'Cti deo vates die Rede ist, ergeben sich zwei Berührungen zu Vergil: Erstens find et sich bei ihm (Aen. 7,661) die Wendung mixta deo mulier, a llerdings in anderem Zusammen hang, nämlich im Blick a uf die von Mars geschwängerte Rhea. 2 Die zweite Parallele bezieht sich nicht a uf den direkt überlieferten Vergil text, sondern a uf 'n·aditionsgut: Beim Älteren Seneca (suas. 3,5- 7) sind Ausführungen über die große Beliebtheit einer vergilischen Formulierung plena deo bei den Rhetoren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts überliefert. Diese Junkt ur fehlt im erhaltenen Werk des Vergil. Doch schon im ersten nachchristlichen Jahrhundert sieht man darin 1
2
T h L L rX,2 s.v. opulentus 839,33- 37 fi.ir diesen Gebrauch vor Min. Fel. 7,5 nur Aen. 1,447. Thot z der mor phologischen Übereinstimmun g unterscheiden sich beide St ellen semantisch sehr stark , nach ThLL V LII s.v. misceo 1095 liegt Min. Fe!. 7,6 der einzige B eleg ftir miscere mit Ablativ (!) in der Bedeutung hominem divinitate mixta reple-r·e vor.
126
II.2 Minucius Felix
ein Vergilfragment, das vermutlich einer Charakterisierung der Sibylle in einer älteren Version der Aeneis entstammt. 1 Damit steht plena deo in einer Reihe poetischer Schilderungen von verzückten (lv6eol) vates. 2 Vor diesem Hintergrund werden einige Berührungen mit pleni et mixti deo vates jutura praecerpunt bei Minucius Felix erkennbar, die über plenus deo hinausgehen: Das Stichwort vates liegt zumindest sinngemäß nicht fern, gehört vielleicht sogar in den Kontext ( cf. Ov. fast. 6,538sq. vates (. .. j plena dei). So betrachtet könnten dann auch die Aussage (Sibylla, cuij Deli·us inspirat vates aperitque fu.tura (Aen. 6,12) und die Anrede sanctissima vates, / praescia venturi (Aen. 6,65sq.) als Vorlage für vates fu.tura praecerpunt gelten. Da a ußerdem die Inbesitznahme der Prophetin durch den Gott, wie NORDEN zeigt, die erotischen lmplikationen einer conceptio und einer vates deo gravida aufweist,3 ergäbe sich auch eine pointierte E rklärung für den vermeintlich unpassenden Anklang von mixta deo mulier in mixti deo. 9,2 ita eorum vana et dem ens superstitio sceleribus gloriatur: Siehe o ben (51) zu Tert. apol. 24,7.
9,5 Is infans a tirunculo farris superficie quasi ad innoxios ictus provocato caecis ocC'Ultisque vulneribus occiditur. Unter den C hristengreueln erwähnt Caecilius die unwissentliche Tötung eines in Mehl verborgenen Säuglings durch einen Neophyten.4 Das für die unbemerkt zugefügte Verwundung gebrauchte caecum vulnus findet sich in erotischem Sinn für verzehrenden Liebesschmerz seit Lukrez ( 4,1120) , im vorliegenden Sinn für eine tödliche Verletzung seit Vergil , Aen. 10,732 caecum dare cuspide vulnus. Bei Vergil geht es um die Scheu des Mezentius, den Orodes, hinterrücks zu töten. Auch Ovids Schilderung vom Tod einer Niobide, met . 6,293 duplicataque vulnere caeco est, hat eine ähnliche Sinnricht ung. Bei Minucius Felix hingegen bleibt dem Tötenden sein Thn verborgen, vergleichbar wiederum der ovidischen Darstellung vom Tod des Pelias von der 1
Dazu grundsätzlich NORDEN Aeneis V/144- 146 und AUSTIN ad Aen. 6,50sq. (60, mit weiterer Literatur). - Jedenfalls dürfte Minucius Felix die Worte als Vergilfragment kennen. 2 So etwa Ov. fast . 6 ,538sq. Lucan . 5,186sq. nicht unmittelbar mantisch Hor. carm. 3,25,2; Val. Fl. 2,441. Was sicherlich nicht. hierher gehört (gegen COU RCELLE Vi1'gile et l 'immanence 42 Anm. 34), ist die Vorst ellung von d er göttlichen Erfüllung des Alls, Verg. ecl. 3,60 Jovis omnia plena, obwoh l auch OLD s.v. plen-us Je die Stellen zusammenordnet . 3 NORDEN Aeneis VI 145sq. sowohl für die vergilische Darstellung (77 Phoebi nondum patiens; 80 domare, premere) wie auch für weitere Zeugnisse, d agegen aber, wenn.gleich nicht zwingend, BöMER ad Ov. rast. 6,538 (376) mit Verweis auf den män nlichen vates Hor. carm. 3,25, l sq. , auf die überwiegende Vorstellung vo m deus in pectore, auf die 'Trennw1g' von pleni und mixti Min. Fel. 7,6 - die freilich eb en auch als Zusammenstellung erscheinen könnte - und auf die sanctitas der vate.s. 4 Zur Sache F .J . Dö LCER, Sacromentum injanticidii. Die Schlachtung eines Kindes und der Geouß seines Fleisches und Blutes als vermeint licher Einweihungsakt im ältesten C hristetu m , Antike und C hristentum 4 ( 1934) 188-228.
II .2.2
Die Vergilzitate
127
Ha nd seiner ihn zu verjüngen gla ubenden Töchter, die sich freilich bewußt a bwenden , met. 7,342 caecaque dant saevis aversae vulnera dextris. Das Verbindende all dieser Belege ist aber die Konnotation des Hinschiachtens eines wehrlosen Opfers. 1 Diese ist von Minucius Felix zur Ausgestaltung des gräßlichen Vorwurfes sicher ebenso gesucht wie der color poeticus der hier erstmals in Prosa belegten Junktur, die durch dle synonyme Erweiterung mlt occultisque eine leichte ra ffinierende Verfremdung erfährt. 12, 1 Nec saltem de praesentibus capitis experimentum, quam vos inritae pollicitationis cassa vota decipiant; quid post mortem inpendeat, miseri, dum adhuc vivitis, aestimate.
Wenn Caecilius die eschatologischen Hoffnungen der Christen auf einen Gott, der ihnen auch ln der Mühsal des jetzigen Lebens nicht helfe, als inritae pollicitati onis cassa vota a bt ut, so ist in diesem Ausdruck die eindeutig vergilische Formel cassa vota erstmals aufgegriffen, mit der im zwölften Aeneisbuch die Rettung des Thrnus im Zweikampf mit Aeneas geschildert wird, dem es auf das Stoßgebet seines Gegners hin nicht gelingt, seine Lanze a us dem Stamm eines dem Faun geweihten Baumes zu ziehen, Aen. 12,780 opemque deinon cassa in vota vocavit. 2 Bemerkenswert ist, daß Minucius Felix die Negation wegläßt und den Ausdruck bei gleichem Inhalt - (nicht) vergebliche Hoffnungen eines bedrängten Menschen auf göttliche Hilfe - somit in genau entgegengesetztem Sinn verwendet, was dem Leser bei einem so deutlichen und im Prätext exponierten Zitat nicht entgehen dürfte. 12,6 Non floribus caput nectitis, non corpus odo1'ibus honestatis; rese1·vatis unguenta funeribtts, coronas etiam sepulcris denegatis, pallidi trepidi, misericordia digni, sed nostrorum de01-um.
Oie Bekränzung des Ha uptes mit Blumen, dle abzulehnen Caecili us den C hristen vorhält, könnte in Anlelmung an die Ankündigung der Preise fü r die Sieger bei den Leichenspielen des Anchises im fü nften Aeneisbuch, Aen. 5,309 [sc. tres prim·ij flavaque caput nectentur oliva, formuliert sein. Zwar werden gerade nicht dle vielleicht a ugenfälligsten poetischen Elemente des vergil ischen Ausdruckes, die Junktur flava oliva (dazu Gell. 2,26,12) und die Konstruktion mit dem Akkusativ, übernommen, doch findet sich auch das demgegenüber prosaischere caput nectere so selten,3 daß eine Anregung dUl·ch 1
2 3
Unt.er den Belegen für die Junktur ca.ecum vulnus (cf. T hLL IJJ s.v. ca.ecus 45,54- 58) unterscheidet KISSEL ad Pers. 4,44 (555) zu Recht zwischen der Verwendung "für eine nicht erkennbare, weil im Inneren verborgene Wunde der Liebe oder anderer Leidenschaften" ( Lucr. 4,1120; Ov. epist . 4,20; Lucan. 5,737sq.; cf. Verg. Aen . 4,lsq.67) und für "eine filr den Empfänger oder a uch Verursacher nicht erkennbare Kampfverletzung" (Yerg. Aen . 10,733; Ov. met. 6,293; 7,342; Min . Fel. 9,5; Heges. 2,6,3) . ThLL 111 s.v. cassus 52 1,14sq. belegt die Wendung nur Aen. 12,780 und , als Zitat, Min. Fel. 12,1 und Hier. in Ls. 23,18. ThLL lii s. v. ca.put 393,22sq. nennt, nur dichterische Belege mit ca.pita, Copa 32 et gravidum 1·oseo necte ca.put strophio.
128
11.2
Minucius Felix
Vergil an dieser Stelle denkbar und als sprachliche IUust ration der Lie blichkeit eines Blumenkranzes in prosifizierter Form erklärbar wäre. 16,3 Ut qui rectam viam nescit, ubi, ut fit, in plures una diffinditur, quia viam n escit haeret anxius nec singulas audet eligere nec unive1'Sas probare, sie, cui non est veri stabile iudicium, prout infida suspicio spargitur, ita eius dubia opinio dissipatur.
Im Kapitel 16 beginnt die Entgegnung des Octavius, der zunächst die Situat ion seines Vorredners als die eines seinen Weg S uchenden charakterisiert. In diesem Zusammenhang verwendet Minucius Felix das Bild vom Scheideweg, der den Wanderer unschlüssig innehalten läßt. In der Formulierung für die Gabelung, in plures una fsc. via} diffinditur, wird seit der Ausgabe des tschechischen Humanisten Sigismu nd GELEN (1546) 1 mit der Konjektur diffinditur statt des im codex Parisinus überlieferten diffunditur gelesen,2 wozu als Para llele die Worte der Sibylle am Scheideweg zwischen Elysium und Tartarus in der vergilischen xa:taßcxol~ herangezogen werden, Aen. 6,540 (539- 543) : 'nox ruit, Aenea; nos fiendo ducimus horas. hic locus est, partis ubi se via findit in ambas: dextem quae Ditis magni sub moenia tendit, hac iter Elysium nobis; at laeva malorum exercet poenas et ad impia Tmtara mittit. ' Die Verwendung von {dif)findere für einen Scheideweg ist eindeutig vergilisch3, auch wenn Minucius Felix, vielleicht a uch zum Zweck der Prosifikation , das verbum compositum statt des verbum simplex und ein mediales Passiv statt der reflexiven Konstruktion verwendet. Die Änderung von ambas in plures könnte sich daraus ergeben , daß es Minucius Felix bei seiner Verwendung des sehr geläufigen Bildes hier weniger auf die Entscheidung zwischen dem einen oder dem anderen Weg ankommt wie in der t raditionellen moralischen Zwei- Wege-Lehre, etwa in der Variante von Herku les a m Scheideweg,4 sondern a uf die Ratlosigkeit des Wanderers, eine namentlich in der griechischen P rosa häufige Metapher 5 . Doch sicherlich geht es hier um mehr als um einen metaphorischen Ausdruck der Unentschlossenheit. Denn die Referenz auf den vergilischen Prätext , der Aeneas am Scheideweg Arnobii disputationum adversus gentes libri vn I, Basel 1546 1 ; 15602 . 2 Alle modernen Ausgaben und Kommentare übernehme n die Konjekt ur. 3 Nach T hLL Vl,l s.v. findo 769,63- 80 wird fin dere von einem Weg nur Verg. Aen. 6,540 gebraucht , und nach ThLL V s.v. diffindo 1103,36-42 diffindere in derselben Bedeutung nur Min . Fel. 16,3. 4 Cf. B. R OCHETTE, Heracles a Ia croisee des chemins. Un l OTtO~ dans Ia. Iitterature grecolatine, LEC 66 (1998} 105-113. 5 So etwa Pla.t. leg. 7,799C xaOa mp l11 lpt68c.> ytiiO!J.tiiO~ X
&t!J.I: &ni "tW\1 &.8TjA.c.u11 npar!J.(hc.ull. 'Ent t8i! b t11 1p168c.> ytv61J.t.IIO~ oux ol8t nol~ x_p{)otl. ln der Dichtung etwa Theogn. 1,911 - 914 OIEHL; Ov. fast. 5,1- 6 ; cf. C ic. div. 1,123. I
s.
G ELEN JUS,
II.2.2
Die Yergilzitate
129
zwischen Elysium und Tartarus zeigt - also nicht in einer Entscheidungssituat ion, da ja die Sibylle führt - , eröffnet den Blick auf eine t iefere Ebene: Caecilius ist eben nicht nur ratlos, wohin er gehen soll, vielmehr steht er in seiner Konfrontation mit dem christlichen Gla uben, nun doch wieder ganz im Sinne der Zwei- vVege-Lehre, vor einer Grundsatzentscheidung, für den Weg des Lebens, der &pt'tfj, zum Elysium, oder für den Weg des Todes, der ~8ovi), zum Tartarus. In diesem Sinne nämlich greift schon das frühe Christentum nach jüdischen Vorbildern die Zwei- Wege-Lehre und die Sage von Herkules am Scheideweg a uf, entweder um in der Apologetik die Radikalität der Glaubensentscheidung des Christen zu erklären 1 , oder als Schema in der innerchristlichen P aränese2 . In der die Ratlosigkeit des Caecilius illustrierenden Metapher liegt a lso durch die Anspielung au f Aeneas zwischen Elysium und Ta rtarus ein Bild fü r die existentielle und eschatologische Dimension des Scheidewegs, an dem der Heide steht. Einen Beleg für diese weitreichende Interpretation liefern zwei Stellen in der christlichen Lat inität der Folgezeit , nämlich bei Commodian und bei Laktanz, an denen ebenfalls die Szene von Aeneas am Scheideweg auf eine grundsät zliche Gla ubens- und Lebensentscheidung übertragen wird. In seinem sogenannten carmen apologeticum3 ermahnt Commodian diejenigen, die mit dem Judentum sympathisieren und sich so dem Heidentum enthoben gla uben, daß auch ihnen die Entscheidung für oder gegen C hristus abverlangt werde, apol. 699- 702: Sunt tibi praepositas dv.as 11ias: elige, quarn vis, nec enim t e findes, ut possis ire pe1· ambas ; sed tamen ex ipsis opportunam quaerere debes; nec cadas in fauces latronum, cautior· esto. Hier spa ltet sich zwar nicht der Weg, vielmehr wird dem Juden oder Proselyten vor Augen gefüh rt, daß er sich nicht teilen kann. Doch der Einfluß des vergilischen se via findi t in ambas (Aen. 6,540) ist unverkennbar. Ausdrücklich zieht Laktanz im Zusammenhang einer breit ausgeführten Darstellung der Zwei- Wege-Lehre als Motiv der Moralphilosophie die vergilische Scheidewegszene heran, inst. 6,3,6- 8: (6) Omnis er'{Jo haec de duabus viis disputatio ad frugalitatem ac luxuriam spectat. Dicunt enim humanae vitae cursum Y litterae similem, quod unus quisque hominum cum primae adulescentiae limen adtingerit et in eum locum venerit, partis ubi se via findit in ambas, haereat nutabundus ac nesciat in quam se par·tem potius inclinet; {1) si ducem nactus fuerit qui dirigat ad meliora titubantem, hoc est si 1
2
3
So etwa, am Beispiel der Herkulesepisode, Justin . 2 apol. 11 ,1- 8; cf. R ocHE'l'TE uo-113. Dazu G . SCHÖLLCEN i n der Einleitung (hier 27-41) seiner Didache-Ausgabe in der F'ontes Christiani- R.eihe (Freiburg 1991). Zur Problemati.k des Titels und zum Werk insgesamt. E. H ECK, HLL 4 (1997) §498.2.
130
11.2
Minucius FeHx
aut philosophiam didicerit aut eloquentiam aut aliquid honestae artis quo evadat ad bonam frugem , quod fieri sine Labore maximo non potest, honestam et copiosam vitam disputant peracturum; {8) si vero doctorem frugalitatis non invenerit, in sinistram viam quae melioris speciem m entiatur incidere, id est desidiae inertiae lu.xuriae se tradere, quae suavia quidem videntur ad tempus vera bona ignoranti, post autem amissa omni dignitate ac re familiari in omnibus miseriis ignominiaque victurum.
KUl'z darauf (6,4,1- 5) nämlich greift er nochmals, nun markiert und ausführlich (zitiert Aen. 6,542sq.), die Szene von Aeneas am Scheideweg auf und weitet sie a us im Hinblick a uf eine eschatologische Dimension der moralischen Grundentscheid ung. Diese beiden Stellen zeigen zum einen, daß eine Übertragung der Szene von Aeneas am Scheideweg auf die Grundentscheidung, vor die das Christent um stellt, offenbar nicht allzu fern liegt und daher auch schon für Minucius Felix denkbar wäre. Zum anderen sprechen einige sprachliche Gemeinsamkeiten dafür , daß Lakta nz neben dem Vergilvers Aen. 6,540 auch die Stelle Min. Fel. 16,3 vor Augen hat: Min. Fel. 16,3 f. ..J ubi, ut fit, in plures una diffinditur, quia viam n escit haeret anxius nec singulas audet eligere nec universas probare f. ..J.
Lact. inst. 6,3,6 in eum locum venerit, partis ubi se via findit in ambas, haereat nutabundus ac n esciat in quam se partem potius inclinet
f. ..J.
Daran läßt sich die Vermutung knüpfen, daß Laktanz die subtile Anspielung a uf die Aeneisszene bei Minucius Felix erkannt und a usgeführt habe. 1 18,6 Generi et soceri bella toto orbe diffusa sunt, et tam magni imperii
duos jo1iuna non cepit. Um den Monotheismus der Christen zu veranschaulichen, verweist Octavius au f die Analogie des Staatswesens, das unter mehreren Machthabern niemals Bestand habe. Als Beispiel führt er das Duumvirat des Caesar und Pompeius an, dessen Zerfall den B ürgerkrieg a uslöst. Der Hinweis ist jedoch in die subtile Anspielung generi et soceri bella gekleidet. Damit greift Minucius Felix 1
Auch für Commodian ist eine Kenntnis des Minucius Felix anzunehmen - daz u P.L. C JC ERJ , Di alcune fonti d ell'opera poetica di Commodiano e di Commodiano come scrittore. Didaskaleion 2 ( 1913) 363-422, v.a . 364- 383 - , bei de r Verarbeitung des Vergilverses Aen , 6,540 aber läßt sich der Einfluß des Apo logeten nicht belegen. Höchstens könnten die ru helose Ratlosigke it des Prosely ten bei Commod ian (apol. 694-696 neseit ubi primum occurrat inscius ille, I ac idolis seruit, iterum tricesima quaerit; I nunc azima sequitur, qui castum sederat ante.) und das Zögern am Scheideweg bei Minucius Pe lix ( 16,3), das sich ja auch auf die existentielle Rat losigkeit des NochNicht- Bekehrten bezieht, auf einen Zusammenhang hindeuten.
II.2.2
Oie Vergilzitate
131
ein vornehmlich in der Dichtung nachweisbares Motiv a uf: 1 Eine dichterische Periphrase von Caesar und Pornpeius nur über ihr Verhältnis als Schwiegervater und Schwiegersohn findet sich bereits bei Catull2 . Unter das Vorzeichen dieser Verschwägerung stellt Vergil den Vorausblick a uf den Bürgerkrieg zw ischen beiden in der Heldenschau des Anchises im sechsten Aeneisbuch, Aen. 6,830sq. (829-831 ): [...J Q'Uantas acies stragemque ciebunt, aggeribus socer Alpinis atque arce Monoeci descendens, gener adver·sus instruct·us Eois. Dann verweist Lukan in seinem bell·um civile immer wieder a uf das Verwa ndtschaftverhältnis der beiden Kontrahenten, 3 Der Krieg zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn wird in der Dichtung zur Periphrase des Bürgerkrieges zwischen Caesar und Pompeius.4 In erster Linie aber hat Minucius Felix Lukan vor Augen, genauer gesagt dessen Darstellung vorn Tod der Julia als Anlaß zur Entzweiung zwischen Caesar und Pompeius (1,109 118) . Eindeutig nimmt Minucius Felix a uf die Verse 109-111 Bezug:
Dividitur ferro regnum, populique potentis, quae mare, Q'Uae terras, quae totum possidet o1·bem, non cepit jortuna duos. Der gnomische Halbvers 1lla wird, durch Permutation zum katalektischen Dikretikus prosifiziert , wörtlich zitiert, d ie Macht und Ausdehnung des Reiches spiegelt sich sowohl in tarn magni imperii als a uch im Hinweis a uf die weltweite Ausdehung des Krieges wieder . Allerdings findet sich der zugrundeliegende Ausdruck ( aliquid duos non capit) hä ufiger und schon vor Lukan. 5 Der Verweis a uf dle Auseinandersetzung zwischen gene1· und socer folgt wenige Verse später (1,118) in einem Vergleich: Julia sta rb zu früh , um Frieden stiften zu können auf jene Weise, ut generos soceris mediae iunxere Sabinae. Vor allem Lukans sentenziöse Wert ung des Bürgerkrieges ist es die Minucius Felix für seine apologetische Argumenta tion verwerten kann. VergiJ spielt hier wohl nur indirekt eine Rolle: Auf ihn geht die an den Anfang des exempl'U1n gestellte Periphrase des Bürgerkrieges zurück. Vielleicht klingt ganz 1
2
3
4
5
T hLL V1 ,2 s.v. gener 1770,49- 55 bietet die Belege für das Begriffspaar socer und gen er bezogen auf Caesa r und Pompeius. C atull. 29,24 socer generqv.e perdidistis omnia, Schlußvers einer Invektive gegen Mamurra, einen Günstling des C aesar und des Pompeius, FORDYCE ad l. 164: "T he relationshi p between the rivals clearly was a byword and becomes a cliche in later literat.ure"; markiert (!) zitiert wird der Vers Verg. catal. 6,6. Cf. 1,290 socerum depellere regno decr'etum gen ero est; 4 ,802 quid prodita iuro senatus / et gener atque socer bello concurrere iussi? (d az u Mart. 9,70,3 cum gen er atque socer diris concurreret armis); 9,1035- 1043; 10,416--418; zur Betonung dieses Verwandtscha.ftsverhä lt.nisses bei Lukan H.J . T SCHI EDEL, Lucan und die 'Itänen Ca esa.rs, München 1985, 13; T hLL V1,2 1770 bemerkt: "inde Pompeius passim gener vocatur". Cf. Anth. 462,11 Hic generu.m, soceru.m ille peti.t. Cf. Sen. contr. 2,6,2; Sen . dia.l. 2,2,2; epist. 20,13; Thy. 444; luv. 10,148.168sq.; Flor. epit. 2,13,14.
132
Il.2
Mi.nucius Felix
im Hintergrund sogar auch bei Minucius Felix noch die düstere Prophezeiung aus Verg ils Heldenscha u als locus classicus für den Krieg zwischen generund socer mit an. Der zitierte Dichter ist hier aber Lukan. l9,lsq. In seiner monotheistischen Argumentation beruft sieb Octavius auf d as Zeugnis von vulgus (18,11), poetae (19,1sq.) und philosophi (19,3- 20,1). Die Bezugnahme a uf die Dichter kulminiert in zwei Vergilzitaten (19,2). Für die Vergilrezeption bei Minucius Felix bat der Absch nitt 19,l sq. d aher eine zentrale Bedeut ung, die eine ausführliche Erörterung dieser beiden Paragraphen und die Berücksicht ig ung auch der übrigen Zitate notwendig macht.
19,1a Audio poetas quoque unum patrem divum atque hominum praedicantes, {... ] A·udio poetas quoque korrespondiert mit 18,11 audio vulgus und leitet über zur zweiten Instanz, auf deren monotheistisches Zeugnis f\ez ug genommen wird. Das Stichwort poetae erscheint hier erstmals in der Octaviusrede. In den Ausführungen des Caecilius werden die poetae zwar zweima l erwähnt, aber einmal (7,5) in einer praeteritio und einma l (11,9) ausdrücklich ablehnend. Die positive argumentative Verwendung d er Dichtung bleibt im Dialog also dem christlichen Redner vorbehalten. Hinter patrem divum atque hominum steht dle seit Homer belegte epische Formel1t<X'tfjp &v8pwv 'tE eewv 'tE . 1 Dieser dichterische Ausdruck für die besondere Machtstellung d es Göttervaters 2 wird sowohl in der paganen3 als auch in de r christ lichen 4 griechischen Prosa öfter als theologische Äußerung zit iert. Ennius übernimmt die Formel in die lateinische Dichtu ng im Wortla ut patrem divomque hominumque (fr. 581 V. = 592 SKUTSCH). 5 Überliefert ist dieses Frag ment in Ciceros Dia log de natura deorum, wo es der Stoiker Baibus zweimal anführt , nämlich zu Beginn seines Beweisganges über d ie Existenz d er Götter (2,4) und in der Beschreibung der Eigenschaften Jupiters (2,64). 1
2
3
4
5
II. 1,544 etc. So schon be i Homer, cf. KIRK ad Tl. 1,544 (110): '"Fat.her of t.he men and gods' is more than just a ' polar' expression 1---J, aud marks his pre-eminence over everyth in g di vi ne and human." Etwa Aristot. Pol. 1, 12 zur E rlä uter ung der Herrsch aft des Vaters über die Kinder ; Diod. Sie. 1, 12,2 ; Plut. Moral. 1000 F in Verbindung mit Plat. T im . 28 C notTJ'tfl~ xcxl n<X'tflP 'toü&r. 'tOÜ d.v'to~ ; Ps. P lut . Vit. Horn. II 114: Homer weiß, wie die besten Philosophen , schon von Zeus als Vater der Götter und Menschen ; lamb. V P 39. Just.in. apo l. 1,22,1 zur Erläuterung der Gottessohnschaft Chr isti (dazu G LüCKMANN 114- 116); Athenag. S uppl. 21 ,2 zur E inführu ng des homerischen Zeus, dessen unwürdige Darstellung gegenübergestellt wird; C lem. Alex. P rotr. 32,4 b 7t<X'tflP xcx9' U!J.&~ O:v&pwv n 9r.wv u.; Strom. 6,151,5; Ps . Justin. Cohort . 2(2 C). Die beiden anderen Varianten der Form el bei Ennius, divum pater atque hominum rex (fr. 175 V. = 203 SKUTSCH bei Macr. sat. 6,1,10) - so auch bei Vergil, Aen. 1,65; 2,648; 10,2; 10,743 (cf. 1,254 hominum sator atque deorum und SKUTSCH 730), zitiert Quint. inst. 8,6,29 als Beispiel einer Antonomasie - und divumque homimnnque pater rex (fr. 580 V . = 59 1 SKUTSCH bei Varro ling. 5 ,65), weichen durch den Zusatz rex sowobJ vom homerischen Original als auch vom T ext bei Minucius Felix ab und scheiden hier aus.
11 .2.2
Die Yergilzitate
133
Hiervon geht sicherlich eine entscheidende Anregung für Minucius Felix a us, dieses Dichterwort als Zeugnis hera nzuziehen. Doch a nders als Cicero, der das Zitat ausdrücklich Ennius zuschreibt, sucht Minucius Felix eher die seit Homer übliche epische Formel. Ziel ist die Systemreferenz a uf das Epos. 1 Außerdem beseitigt Minucius Felix den von Cicero beibehaltenen Hexameterschluß, indem er -que [. .. ] -que durch atque ersetzt. Da ß der Apologet zwar die prosodische Interferenz vermeidet, die diatypische in der poetischen Form divum a ber beläßt, zeigt, wie sehr er sich gerade in rhythmischer Hinsicht um Einheit lichkeit bemüht. Bemerkenswert ist der Zusatz von unum. Dahinter läßt sich zunächst der Versuch einer oberflächlichen monotheistischen U mdeutung des Dichterzitates im Sinne des 18,5 formulierten Untersuchungszieles utrum unius imperio an plurimoru,m caeleste regnum gubernetur vermuten ,2 die dann aber in einem eklatanten Widerspruch zum unübersehbar polytheistischen patrem divum stünde. Gena uer muß man daher die Ergänzung wohJ damit erklären, daß Minucius Felix die übergeordnete Stellung des epischen Göttervaters a n der Spitze einer Hierarchie als Analogon zum christlichen Monotheismus hervorheben, aber nicht beides gleichsetzen möchte. Zur Verdeutlichung dient wieder der Blick a uf Ciceros de nat-ura deomm: In ähnlicher Weise verweist dort der Stoiker Baibus zur Untermauerung der Ausgangsthese esse aliquod nurnen praestantissimae rnentis quo haec regantur (2,4) a uf die Vorstellung eines höchsten Gottes Jupiter und zitiert dazu d as Enniusfragment patrem divumque hominumque. Aus dem 'Vater der Götter und Menschen' zieht also die stoische Argumentation einen Beleg für die Existenz einer leitenden Instanz überha upt. Die christliche Deut ung des Minucius Felix gewinnt a us dieser Aussage darüber hina us, verdeutlicht durch das unum, den monarchischen und den personalen Charakter d ieses höchsten Wesens. Durch die Wortwahl praedica1-e, hier in der emphatischen, Unmittelba rkeit suggerierenden AcP- Konstruktion, erhalten die Dichterworte das Gewicht eine r philosophischen oder wissenschaftlichen Lehrmeinung, a uf deren Autorität sich die Christen berufen können. 3 Diese Anknüpfung wird noch 1
2 3
Die in der Forschung öfter aufgeworfene Frage, ob Minucius Felix sich auf Homer (etwa WIESEN 79, aber A nm. 2 "There may aJso be a recollection of Ennius' translation of the Homeric phrase.") ode1· auf Ennius (so V AHLEN ad fr. 581 " [h]inc, non aliunde, Minuci us Felix Octav. 19,1", PELLEGRIND und BEAUJEU ad l.) beziehen wolle, geht letztlich am Kern der Sache vorbei: Minucius Felix setzt beim Leser das Wissen um den Überset zer und um die Vorlage voraus, die er aus Gründen der Einheit l ichke.i t nicht griechisch zitieren wi ll (auch Cicero fertigt sich etwa für die griechischen 'Tragiker stets eigene Übersetzungen an, etwa Eur. fr. 941 N 2 zitiert nat. d eor. 2,65). Vorn ehmlich sucht er aber ein bekanntes Beispiel dichterischer Theologie, das in einem monotheistischen Sinne gelesen werden kann. Unwahrscheinlich ist ein direk ter vergilischer Einfluß (dazu vorige Anm.), w ie ihn COURCELLE (LecLeurs 136 Anm. 735; immerhin räumt er ein: "Minucius paralt se rendre compte que Virgile doit cette formule a Ennius.") vermutet. So etwa W lESEN 79: "emphasizing Homer 's supposed monotheism by his own a.dd ition". Zur Verwendung von proedicare für die Lehre von Philosophen, vor allem in der nachklassischen Prosa, T hLL X,2 s.v. 1. proedico 554, 15-29, für die christliche Verkündigung, ab Tertullian , 554,5lsqq.
134
II.2 Minucius Felix
• verstärkt durch die Korrespondenz mit praedicare 19,2 für die, w1e es ausdrücklieh heißt , übereinstimmende Lehre der Christen.
19,1b (... ] et talem esse mortalium mentem, qualem parens omnium diem duxerit. In diesen Worten paraphrasiert Minucius Felix eine bekannte Homerstelle, Od. 18,136sq.: Toio~
yap voo~ lcnlv tmx6ovtwv &v6pw1twv, otov e1t' ~<Xp &yncn 1t<Xti)p &vopwv tE 6&wv tE. Dieser poetische Ausdruck eines fatalistischen Pessimis mus 1 wird schon in der frühgriechischen Dichtung aufgegriffen und in d er späteren griechischen Prosa häufig zitiert2 . Die Rezeption der Homerverse durch die Stoiker belegt Augus tinus, civ. 5,8: IlLi quoque versus Homerici huic sententiae suffragantur, quos Cicero [fat . fr . 3] in Latinum vertit: Tales sunt hominum mentes, quali pater ipse Iuppiter auctiferas lustravit lumine t erras. N ec in hac quaestione auctot'itatem haberet poetica sententia; sed quoniam Stoicos dicit vim fati assenmtes istos ex Homero versus usurpare, non de illius poetae, sed de istorum philosophorum opinione tractatur, cum per istos ve1·sus, quos disputationi adhibent quam de fato habent, quid sentiant esse fatum apertissime declamtur, quoniam l ovem appellant, quem sum mum deum putant, a quo connexionem dicunt pendere fatorv.m.
Erst in dieser von C icero referierten stoischen Interpretation, die nicht m ehr das Ausgeliefertsein des Menschen, sondern umgekehrt seine Leit ung durch das göttliche Schicksal sieht, wird das Homerzitat für Minucius Felix brauchbar. Auch bei seinen Lesern muß er ein solches Verständnis voraussetzen können . Ein naheliegender Bezugspunkt wäre daher die bei Augustinus überLieferte C iceropassage. Fü1· Minucius Felix kann s ie hier aber nicht alleinige Grundlage sein, d a seine Prosaparaphrase dem Homertext wesentlich näher kommt als Ciceros Nachdichtung. So kann zum einen diem duxerit nlcht aus Cicero erschlossen sein, sondern muß auf l1t' ~!J.<XP &yncn z urückgehen. 3 Zum 1
Cf. H EUSECK ad l. I II 56: "Man 's mind, his thoughts and feelings, are subject to as much
as change as t he s uccession of days brings: life is unpredictable, a wbeel of fortune." 2 So schon Archil. fr . 131 WEST toio<; !Xv0pW7tOt0t Ouj.LO(;, r)..aüxt J\tTt't!VtW TtTlv liyn. Parmenides DK B 16; zitiert Plut. Mora l. 104; Ps. Plut. Vit. Horn. (B) 155; als Standardzitat Theon. P rog. 5,219. 3 Die auffä llige Junktur diem ducere (cf. Th LL V s.v. duco 2159,7sq.) scheint darauf zurückzugeben , daß der Übersetzer die Tmesis ignoriert und wörtlich -?i~~oap &rnot wiedergibt. Die von P ELLECRINO (ad l. 146) genannte Parallele Verg. Aen. 2,802 [Lu ciferj ducebatque diem weicht semantisch ab (cf. ThLL V s.v. duco 2164 ,68sq. 'aliquid ducit aliq uid de tempore in tempus') .
II.2.2
Oie Vergilzitate
135
anderen erscheint 1t<X.tijp &vopwv "tE eewv "tE bei Cicero nur als pater (. .. } Juppiter, bei Minucius Felix als parens omnium. Nun wäre es denkbar, daß Minucius Felix eine andere, originalgetreuere lateinische Übersetzung benutzt, 1 waru·scheinlicher aber ist, daß er von Cicero zum Rückgriff auf das bekannte Zitat in seinem homerischen Wortlaut angeregt wird und selbst übersetzt.2 Dabei gibt er 1tCXtijp &vopwv "tE eewv "tE mit parens omnium wieder. Durch diesen ansonsten (18,7; 19,5) für den christlichen Schöpfergott gebrauchten Ausdruck hebt er den übereinstimmenden Zug im Gottesbild hervor und vermeidet zugleich die Wiederholung von pate1' divum atque hominum. Von hier a us stellt sich freilich die Frage, warum Minucius Felix zunächst einzeln die Formel 1t<X.1:ijp &vopwv te 6ewv tE wiedergibt und sie dann ersetzt, statt nur einmal Homer zu zitieren, nämlich die vollst ändigen Odysseeverse. Wenn man nicht annehmen möchte, Minucius Felix wolle artifiziell die Anzahl der Zitate erhöhen, dann muß ma n davon ausgehen, daß es bei den beiden Zitaten um zwei unterschiedliche Gedanken geht : Während das erste Zitat das monarchische Element in der Göttervorstellung des Epos als Analogon zum christlichen Monotheismus hera usstellt, belegt das zweite, daß von diesem einen übergeordneten Gott das Schicksal des Menschen gelenkt wird. In einem ersten Schritt a rgumentiert Mlnucius Felix also für die Existenz eines übergeordneten Gottes, in einem zweiten dafür, daß dessen p1'0videntia die Welt lenkt. 3 Die beiden verwendeten Zitate sind bei Cicero bereits in einem entsprechenden theologischen Sinn von den Stoikern vereinnahmt. Die stoische Lesart der Dichterworte öffnet Minucius Felix a uf ein christliches Verständnis hin , indem er durch unum den Aspekt des einen personalen und durch parens omnium d en Aspekt des für seine Schöpfung sorgenden Gottes hervorhebt. Nach diesen Belegen a us der Dichtung im allgemeinen, wendet 1
2
Hier wäre dann wiederum zu fragen, ob sie einer poetischen imitatio oder einer philosophischen Rezeption der Odysseeverse entstamme. Die Wiedergabe ist außerdem den Ansprüchen des Textes gemäß rhythmisiert ( mortäliüm mentem kretisch- trochäische Klausel). WIESEN zieht in seiner Interpretation der Stelle diesen Zweischritt der Argumentation nicht in Betracht. Dadurch kommt er in bezug auf das Odysseezitat zu dem etwas widersprüch lichen Ergebnis, daß "on ly one element in the Homeric verses really applies to t he apologist's argument at this point, t he words parens omnium, and we must observe that this is not a t ranslation but a monotheistic rewording of 1t<:t-cf)p &v!lpwv u Otwv u ." (79) Das heißt, daß genau die Worte, auf die es Minucius Felix ankomme, im Prätext gar nicht stehen. Wozu dann aber das Zitat? - WIESEN fährt fort. (80): "lt. is the phrase po.rens omnium with its implicaLion of the divine origins of the universe that links t. he Homeric passage to the citations and the arguments t hat follow , for in t he sequel more emphasis is laid upon God's roJe as C reator and source of everything t han upon God as moral governor o f the universe." Doch spielt d ie providentia sehr wohl eine entscheidende Ro lle in der GedankenfUhrung: Ca.ecilius leugnet sie ausdrUcklieh (5, lü-13), Octavius beweist s ie zunächst a llgemein ( 17,3- 18,4) , schließlich zeigt d ie zusammenfassende Überleitung 20,2, worauf es dem Apologeten in der Argumentation des Dichter- und Philosophenkapitels 19 ankommt: Quod si providentia mundus regitur et unius dei nutu gubernatut·, non nos debet antiquitas inperiton.1m fabelli.s sui.s delectat vel capta ad error-em mutui rapere consensus, cum philosophorom suorom sententiis rejeilatur, qttibus et rationi.s et vetustati.s adstitit auctoritas. ~
3
136
II.2
Minucius Felix
sich Minucius Felix, der Ausrichtung auf ein römischer Publikum entsprechend, Vergil zu. 19,2a Quid? Mantuanus Maro nonne1 apertius proximius verius "principio" ait "caelum ac terras" et cetera mundi membra "spiritus intus alit et infusa mens agitat, inde hominum pecudumque genus " et quicquid aliud animalium?
Schon die Einleitung wird dem Gewicht des römischen Nationaldichters gerecht: Die doppelte rhetorische Frage quid? nonne f. .. j ? verwendet Minucius Felix regelmäßig, wenn sich einer der Unterredner a uf die Autorität oder das Beis piel einer berühmten Persönlichkeit beruft. 2 Die Bezeichnung Vergils als Mantuanus Maro fällt durch einen gewissen color poeticus a uf: Das hier redundant in der Art eines poetischen Götter- oder Heroenepitheton gebra uchte Mantuanus findet sich bis dahin kaum. Auch sprechen die Prosaiker gewöhnlich von Vergilius, Maro hingegen zieht die Dichtung vor. 3 Das Komparativtrikolon apertius proximius verius hebt Vergils Zeugnis gegenüber den vorher zitierten poetae hervor: So wie der Philosophenkatalog (19,3- 15) in Plato kulminiert (19,14 Platoni apertior de deo et rebus ipsis et nominibus oratio est),4 so ragt Vergil gegenüber den anonym bleibenden übrigen Dichtern heraus. 5 Die Überlegenheit liegt in der größeren Deutlichkeit (apertius) 6 und in der weitergehenden Annäherung an die Wahrheit (proximius verius) 1 . Das Verb des Satzes folgt erst innerhalb des Zitates. Damit legt Minucius Fe1
So KYTZLER, BEAUJEU und WALTZING; andere Ausgaben, namentlich PELLEGRINO, BOENIG und SCHÖNE interpungieren: Qu.id Mantuemus Maro? Nonne [. . .} ? 2 13,3 Quid.? Simonidis melici nonne [. ..}?, 19,8 Quid? Democritus [... f nonne [. .. ] ?, 26,3 Qu.id? Regulusnonne [. .. ] ?, 26, 12 Quid? Plato f... J nonne [. .. } ? 3 Der Befund aus FORCELLJNJ Onomasticon, PHl 5.3, BTL- 2 und C LC LT- 5 ergibt etwa folgendes Bild: Mantuanus als alleinige Bezeicbnung ist spät und selten, etwa Stat. silv. 4,7,27; Apul. apol. 10 quanto modestius tandem Mantuanus poeta; Veget. miJ. 1,5. Was die Unterscheidung zwischen Maro und Vergilius ange ht, so verwenden Petron, Seneca, der Ältere und der Jüngere Plinius, Quintilian, Gellius {12,1,20 noster Maro, an ca. 100 anderen Stellen aber Vergilius) und Apuleius ausschließlich Vergilius. Seide Namen benutzt Columella, ebenso Augustinus und Hieronymus, wenn auch mit deutlichem Übergewicht auf Ve1yilius, während JuvenaJ, Martial, Statius ( bei ihm auch Adjektivbildungen, silv. 2,7,74; 4 ,4,54) und Terentianus Maurus ganz eindeutig Maro vorziehen. Die Bezeicllnung Maro scheint also einen color poeticus zu haben , den Mantuanus (zumal durch die Alliteration) noch unterstreicht. Ke ine Resonanz gefunden hat der von A. SOUTER in der Rezension der Ausgabe von J . MARTJN, Gnomon 7 (1931) 57, gemachte Vorschlag, Maro als Glosse zu tilgen. 4 Cf. BECKER Octavius 14. 6 Der Komparativ ist hier im eigentlichen Sinn zu verstehen , zu dessen freierem , aber stets absichtsvollen Gebrauch P . FAJDER, L'emploi insolite du comparatif dans Minucius Felix, MB 10 {1906) 287- 292. 6 So schon klassisch im Sinn von PTl1W<, oafW<, dilucide bei verba dicendi und verba sentiendi, etwa Cic. Rose. 43 planius atque apertius dicam, cf. TbLL II s. v. aperio 224,65sqq. 7 l.n diesem S inn verwendet Minucius Felix prope auch 32,4 non tantum sub illo agimus,
11.2.2
Die Yergilzitate
137
lix den Schwerpunkt a uf die Aussage des Dichters, die er wie eine oratio recta als textnahe, fast wörtliche Wiedergabe und mit einem eingeschobenen ait gestaltet, so daß Vergil beinahe als Dialogteilnehmer hinzutritt . 1 Einleitend wird Vergil in feierlichem, fast poetischem Ton als eine Autorität le bendig, deren Aussagen der WahTheit des christlichen Glaubens in einer deutlicheren Weise und in einem höheren Maß nahekommen als die der anderen poetae. Da nn wird der Anfang der eschatologischen Offenbarungsrede des Anchises (Aen. 6,724- 751) zitiert. Auf die Frage des Aeneas nach der Möglichkeit einer Wiedergebtll"t der am Lethestrom befindlichen Seelen entwickelt Anchises eine Lehre, die von der caelestis origo der animae a usgeht und sich bis zu ihrer Reinkarnation erstreckt. Der philosophische Hintergrund der Ausführungen ist in der "Sphäre der durch Pythagoreismus und P latonismus beeinflußten Stoa" (NO RDEN) zu suchen. 2 Daraus formt Vergil eklekt isch sein philosophisch- theologisches Credo3 , wobei die Anchisesrede über die Wiedergeburt , wie Antonie W LOSOK gezeigt hat , eine didaktische Schlüsselfunktion erfü llt und ein mystagogisches Verstä ndnis a uch der mythologischen Unterwelt im Sinn einer kosmologisch und eschatologisch begründeten moralischen Unterweisung eröffnet. 4 Was Minucius Felix daraus sed et cum illo, u t prope dixerim, vivimus. Proximior statt propior schon Sen . epist . 108,16 modum servem et quidem abstin entiae proximiorem, außerdem Veg. m il. 1,20, cf. K H 571 ; LHS I 499. Zu verius cf. 36,2 ac de fato satis vel, si pauca pro tempore, disputaturi alias et veritts et plenitLS. Das Trikolon besteht nicht, wie sonst oft bei MinuC:us Pelix, aus synony men Ausdrücke n. KYTZLEH. betont in seiner Übersetzung ( "noch deu t licher, noch treffender und wahrer") die Zusammengehör igkeit von zweitem und d ri ttem Kolon, BEAUJEU ( "en termes plus directs, plus approches, p lus vrais") die relative Bedeutung von proximius in Bezug auf eine christ liche Wa hrheit . 1 De m nicht ganz luzide a ngeord neten Artikel zu aio im Th LL I läßt sieb entnehmen , daß ait für SchriftsLe llerzitate oft m it dem accusativv.s cum infinitivo ( cf. ThLL I 1458) konstrttiert und nur m a nch ma l vor ( cf. ThLL I 1455sq.), selten nach ( cf. ThL L I 1456sq., z. B. C ic. Brut. 71 nach einem Enniuszitat , Fronto epist. 4,8, 1 nach einem Euripideszitat, C ha r. gra mm. I , J25,10 nac h einem P liniuszitat) und erst vom 4 . J ah rhundert a n (sehr hä ufig z .B. für Bibelzitate bei H ierony mus) in ein wörtliches Zitat gestellt wird . Die Verwe ndung von ait innerhalb einer oratio recta. ist in der Prosa geläufig (cf. KS II 532sq.), vor a llem aber be i Vergil und seit ihm in der Dichtung sehr oft belegt . Das heißt, noch zur Ze it des M inucius Felix verweist ein eingereihtes ait eher auf eine oratio recta a ls a uf ein wörtliches Zita t und verleiht somit d er vergegenwärtigenden Wirku ng desselben zusätzliche Emphase. Auch der Apologet selbst verwendet ait ansonsLen vor (3,1) od er in (14,1) d er oratio recta eines D ialogteil nehmers. Oie sy ntakt ische Stru kt ur ist hier insofern a uffä ll.ig, als das eingestellte ait als Prädikat von seinem vorausge henden Restsatz getrennt ist und nicht, wie sonst oft , a lleine eine syntaktische Einheit b ildet. 2 NORDEN Aeneis VI 17, do rt 16-48 ausführlich zur Q uellenfrage, cf. Susanna MORTON BRA UND, Virg il a nd t he Cosmos, in : MARTINDA I,E 204- 221 , hier 2 10. 3 Cf. AUSTIN ad Aen. 6,724- 751 (221): "Here, in this sp eech of s uch visionary b eauty and earnest solemnity, it is as if t he poet were 'thinking aloud ', giving expressio n to his in mosL beliefs." 4 Anto nie W LOSOK , Et poeticae figmentum et philosoplliae veritatem. Bemerkungen zum 6. Aeneis buch, insbesondere zur Funkt ion der Rede des Anchises (724ff.), in: dies., Res humanae 384- 391, erstmals LF 106 ( 1983) 13- 19, weist in Auseina ndersetzung mit der Position, d ie Anch isesrede über die Seelenwa nderung fungiere nur als Molivier ung der Rörnerschau, nach, daß zum einen "dem Autor der philosop hische Lohalt dieser
138
Il.2
Minucius Felix
zitiert, sind die ersten sechs Verse, in denen die stoische Lehre von der Weltseele (spiritus, mens) entwickelt wird ,1 Aen. 6,724- 729 (das bei Minucius Felix wörtlich Zit ierte ist fettgedruckt, das Paraphrasierte unterstrichen und das ersatzlos Weggelassene eingeklammert):
Paraphrase:
Principio caelum ac terra.<J camposque liquentis lttcentemque globum lunae Titaniaque astra spiritus intus alit, ftotamque} infusa fper artus} mens agitat fmolem} et fmagno se corpore miscet.J inde hominum pecudumque genus vitaeque volantum et quae marmoreo fert monstra sub aequ01-e pontus.
et cetera mundi membra
et quicquid aliud animalium
Minucius Felix, der als erster a uf diese später vielzitierte Kernstelle vergilischer Theologie und Kosmologie zurückgreift,2 gibt den Vergiltext etwas verkürzt in Prosa wieder. 3 Durch einen summarischen Ausdruck paraphrasiert werden das dritte und die weiteren Glieder in der Aufzählung der Weltteile und in der Aufzählung der Lebewesen. Weggelassen werden das Objekt des zweiten Kolons ( totam (. .. ] molem) , das Präpositionaladverb zu infusa (per artus) und das ganze dritte Kolon ( magno se cmpore miscet), entsprechend rückt das et vor. Manche der Veränderungen am Zitatsegment lassen sich als prosodische
1
Anchisesrede nicht unwichtig war" und daß zum anderen "Vergil dem Leser mehrfach Signale gegeben hat, die ihn auf die Möglichkeit aufmerksam machen, auch die mythologische Unterweltsbeschreibung kosmisch auszulegen, und das heißt: sie allegorisch im Sinne d er damals gängigen philosophischen und religiösen Kosmologie zu verstehen" (385). Zur stoischen Weltseelenlehre a llgemein M. POHLENZ, Die Stoa, Göttingen I 19927 , II 19906 , I 64- 93; H.R. SCHLETTE, Die Weltseele, Frankfurt am Main 1993, 35-91, zu d en Versen Aen. 6, 726sq. a ls Schlüsseltext für die Weltseelenlehre im Mittelalter 129. Vor allem die Verse 726sq. (spiri tus intus alit, totamque infusa per artus / mens agitat molem et magno se corpore miscet) weisen ein deutliches stoisches Gepräge auf, vor allem durch das Schlüsselwort spiritus ( cf. etwa C ic. nat. deor. 2,19 haec ita fieri
omnibus inter se concinentibus mundi partibus profecto non possent, nisi ea uno divino et continua.to spiritu continerentur. Serv. ad 726 'spiritus' divinus scilicet. et unum est sive mentem dicat, sive animum, sive spiritum.) und die Verwendung von alere (cj. C ic. nat. deor. 2,41 als Chrysipp- Zitat: atqui hic noster ignis, quem usus vitae requirit, conjector est et consumptor omnium idemque quocumque invasit cuncta disturbat ac dissipat; contra ille corporeus vitalis et sa.lutaris omnia conservat alit auget sustinet sensuque a.dficit.) , dazu P OHLENZ II 141; AUSTIN ad I. 222; F . TRJSOGLIO, 'spiro I 2
3
spirit us', EV 4 ( 1988) 1001. COURCELLE Lecteurs 472 und RtBBECK ad l. geben keine früheren, aber zahlreiche spätere Zitate der Stelle an. Siehe unten (159sqq.) zu 32,8. Daß es s ich um eine Zusammenfassung, nicht um eine ungenaue Wiedergabe handelt, wie in älterer Literatur (auch noch B EAUJEU ad l. [1081) öfter gesagt, betont mit Recht auch INOR.EMEA U (17).
11.2.2
139
Die Vergilzitate
und diaty pische Prosifikation erklären: Alle Versenden sind von den Eingriffen betroffen, das Zitatsegment im Folgetext weist Klauselrhythmus auf. 1 In der Aufzählung der Weltteile und der Lebewesen fallen gerade die poetisch gestalteten Elemente camposque liquentis I lucentemque globum lunae Titaniaque astra und vitaeque volantum I et quae marmoreo j ert monstra sub aequore pontus weg. Minuci us Felix rafft somit die Darstellung und paßt sie den stilistischen Anforderungen der P rosa an. Bei den Auslassungen hingegen sind vor allem inhaltliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Durch den Wegfall des Objekts totam (. .. ] molem zu m ens agitat ist die Aussage jetzt auf das vorausgehende caelum ac terras et cetera m'undi membra zu beziehen. Das W irken der mens verlagert sich von der bloßen Materie weg a uf die in einem Funktionszusammenhang stehenden Teile der Welt . Da pe1· artus wegbleibt, ist die mens n icht mehr in die einzelnen Glled er ausgegossen, also statisch immanent, vielmehr wird nun a llgemein a usgesagt, daß die mens eingegeben, also irgendwoher kommend , in der Welt wirkt. Die d eutlichste Form ulierung der stoischen Lehre von der Verschmelzung des göttlichen nvEl>f.La. m it der vVelt, magno se corpore miscet, fällt weg. So kommt überdies infusa m ens agitat neben inde hominum pecudumque genus et quicquid aliud animalium zu stehen, was einen neuen Bezug und Sinn ergibt, nämlich daß d ie Entstehu ng des Lebens vom Walten der in dle Welt eingegebenen mens ausgeht und nicht , wie im Prätext, a us der Immanenz des Göttlichen folgt . .. Minucius Felix p aßt den Vergiltext also durch geschickte Anderungen an d ie christliche Lehre von der göttlichen Schöpfung an. Er läßt stehen, was dle Bedeutung von spiritus und mens als Entstehungsgrund und Erhaltungsprinzip der Welt und der Le bewesen betont, streicht weg, was eindeutig auf d ie Immanenz des Göttlichen in der Welt un d auf die Verschmelzung von spirit'us und mens mlt der Materie hinausläuft. Mit a nderen Worten, in der Version des Minucius Felix erscheinen Subjekt und Objekt der Schöpfung eindeut ig voneinander getren nt, im Mittelpunkt steht das Wirken des nun transzendental verstehbaren Göttlichen (spiri t'us und mens), das in seiner Schöpfung wirkt und die Welt und das Leben hervorbringt. Bemerkenswert ist , daß d iese t heologische Umdeutu ng des Zitatsegmentes a usschließlich a uf Weglassungen beruht , a lso auf der, etwa im Vergleich z u Add it ion oder Substit ut ion, im geringsten Maße manipulativen Form des Texteingriffs. M inuci us Felix zitiert genau so viel a us Vergil, daß er nicht mehr im Sinne der pantheistischen Weltseelenlehre gelesen werden muß,2 sondern im Sinne des christlichen Schöpfungsglau bens gelesen werden kann. Die These, daß es Minucius Fellx um eine Affinität des Vergiltextes zur jüdisch- christlichen Protologie
-
I
2
V
V
Kretisch- trochäische Klauseln infü.sti m ens O.gitif.t und aliild animalium. Lact. inst. 7,3,5 kritisiert ausdrUcklieh die immanente Gottesvorstellung der Verse Aen . 6,726a.727 (7,3,4 miscuerunt eum fsc. Deum} mundo id est operi suo); in diesem Sinn auch Aug. conf. 7,1,1 cogitare cogerer per spatia locorttm sive infv.sum mundo sive etiam extm mundv.m per infinita diffusum; cf. WIESEN 81: "The pantheistic concep t of God immanent in matter is contrary to C hristian teaching".
140
II.2
Minucius Felix
gehe, hat schon WIESEN formuliert: 1 Minucius Felix sehe eine Ähnlichkeit der zitierten Verse der Anchisesrede zur Schöpfungserzählung am Beginn der Genesis, vor allem in principio (wie Gen 1,1 LXX &v &pxfi, Vet. Lat. in principio) und in spiritus. Aus dieser Übereinstimmung könne er zwar kein apologetisches Argument gewinnen, aber einem gebildeten christlichen Leser wolle er zu erkennen geben, "that biblical truth is refiected in the pagan poet" (82). 2 Vor allem dem Hinweis auf die biblisch- theologischen Assoziationen des Begriffes spiritus ist noch ein wenig nachzugehen. Wenngleich nämlich dle von WIESEN angesprochene "resemblance to the opening passage of Genesis" (81) durchaus den Anstoß für die Rezeption der Vergilverse gegeben ha ben kann, so ist die christliche Umdeutung der Vorstellung vom göttlichen spiritus und von der mens infusadoch wohl vor einem weiteren Hintergrund zu sehen: Was den spiritus angeht, so erscheint in der jüdisch- chl"istlichen Schöpfungslehre der Geist Gottes (tni, 1tVEÜfi<X , spiritus) als dessen Leben schaffende und erhaltende Wirkmacht. 3 Dementsprechend können auch die 1
Freilich ohne auf die i.nhaltliche Adaptation einzugehen; überhaupt beschränkt sich die Forschung darauf, die Tatsache der teilweise paraphrasierenden Wiedergabe en passant zu erwähnen, so etwa WIESEN 80: "Here we have, partly quoted , partly paraphrased, the beginning of Anchises' great cosmological speech [.. .].'', CouRCELLE Lecteu.rs 472 Anm. 182: "On notera que Ia citation d 'Aen., VI, 724- 9 est volontairemeot inexacte, abregee, depouillee de couleur poetique du fait des inversions des mots." - lediglich für et ist eine Permutation zu konstatieren! BuCHHErr Vergil als Zeuge 254 : "teils wörtliche, teils frisierte Zitate". 2 WIESEN BD-85: Im Grunde genommen komme zwar in der Vergilpassage ein mit dem C hristentum unvereinbarer Pantheismus zum Ausdruck, aber gegen diesen eigentlichen Sinn entdecke Minucius Felix eine "resemblance to the opening passage of Genesis" (81) , die ihn zum Aufgreifen der Verse anrege: Während principio bei Vergil mit 'io begin ', ' in tbe first place' zu übersetzen sei, bedeute es in der Version des Minucius Felix ' in the beginning' wie der Anfang der Genesis. Daß Minucius Felix eine Nachwirkung von biblischen Gedanken bei Vergil für möglich erachte, sei aus 34 ,5 fsc. philosophij de divinis praedicationibus prophetaru.m umbram interpolatae veritatis imitati sint zu folgern , die auch die poetae einbeziehen könne. Die Vermutung, d aß Minucius Felix die Aussagen der lateinischen Bibe l und des Vergil zum Stichwort spiritu.s zusammenbringe, werde dadurch nahege legt, daß er auch 19,1 die Lehre d es Thales über aqua und spiritu.s als göttlich eingegeben bezeichne ( esto alti or et sublimior aquae et spiritus rotio, quam u.t ab homine potuerit inveniri, a deo traditum.) , was man mit deren Ähnlichkeit zu Gen l ,2 LXX nvtÜIJ.et Otoü lnt~i{>tto incxvw toü 6ocxto(, Vet. Lat. spiritt's Dei super aquas f erebatur erklären müsse. Minucius Felix ·'must intend to suggest that biblical trut h is reflected in the pagan poets" (82). Auf diese Übereinstimmung könne er nicht expressis verbts hinweisen , da er sich an gebildete Römer richte, für die das Alte Testament keinerlei Autorität habe. "For Minucius' p urpose, it is sufficient to indicate tacitly to his more learned and more C hristian readers that Virgil reflects biblica l truth." (83) Auch von späteren C hristen werde der Anfang der Anchisesrede im Zusammenhang mit der Schöpfun gsle hre zitiert, nämlich Lact. inst. 1,5,llsq.; Ambros. spir. 2,5,36; Proba cento 56-59. 3 Dazu grundsätzlich W.H. SctJMJDT, 'Geist I Heiliger Geist I Geistesgaben ', TRE 12 (1984) 172, beispielsweise: Gen 6,3 LXX xcxl dltt\1 x uptO( 6 6t6(" Oö l.l.fl XCl'tCll.l.d"Tl tb ttvtÜI.I.Ii ~o~.ou Lv tot( b.v6pwnot( toutot( d( tOll cx!wvcx Öta tb dvcxt cxthou( olipxcx(, looll"tett öl cxl T!Jdpcxt cxötwv l.x atbll dxoot itn. Ps 32,6 LXX t(f) ).6-y(f) toü xuptou o! oöpcxvol Laupw6noav xal tc;> lt\IEUIJ.Clll lOÜ OlOIJ.«'tO( autoü ttäoa. ""' 00\l
Il.2.2
Die Vergilzitate
141
Apologeten immer wieder davon sprechen, daß Gott die Welt erschaffen hat und am Leben erhält, indem er sie mit seinem Geist beseelt. 1 Hinter der mens infusa könnte Minucius die Leitung Gottes sehen; so erklärt jedenfalls ein spät antiker Glossator (Gloss. IV 446,6): infusa m ens: providentia. 2 Daß Gottes providentia die Schöpfung erfüllt , ist ebenfalls eine gelä ufige Aussage der P atristik. 3 Minucius Felix greift hier im Grunde auf stoische Theologumena über die Imma nenz Gottes als spi?'itus und m ens infusa zurück, wie es das frühe Christentum öfter zu t un pflegt, vor allem in der Auseinandersetzung mit den gnostischen, also transzendent alistischen,4 Häresien der Zeit. 5 Vor diesem Gesamthintergrund ist es zu sehen, wenn Minucius Felix die vergilische Ausgestaltung der stoischen Weltseelenlehre aufgreift. Dabei grenzt er sich jedoch a b von der stoischen Vorstellung der vollkommenen Immanenz des Göttlichen in der Welt. 6 Durch die Auslassungen hat Minucius Felix den Vergiltext dergestalt adaptiert, daß nicht mehr von einem Aufgehen des göttlichen spiritus in der Materie die Rede ist, sondern von dessen schöpferischem und erhaltendem Walten a n und in der Welt, was konform geht mit den Aussagen der Bibel und der zeitgenössischen T heologie über Schöpfung und Vorsehung. 7 Daß es Minucius Felix auf die stoischen Schlüsselbegriffe mens und spiritus ankommt, wird nochmals daraus ersieht-
1
nvt ii!J.6: oou, xcxl x'tto9i]oovtcxt, xcd lxvcxxcxtvt&i ~ 10 np6ownov •Ti~ rfi~. Ijob 33,4 LXX nv&ÜIJ.<X 6&iov 10 not fio6:v IJ.E, nvolj öA ncxv'toxp6:1opo~ +a ötö6:oxouo6: IJ.E. Das Neue Testament ( cf. J. KR.EMER, EWNT 3 s.v. 1tv&ii!J.cx 282- 291) knüpft dara n unter anderem in der Lehre vom lebensspendende n Geist C hristi an, der als ueue r Adam am Schöpfe rgeist Anteil hat, so beipielsweise 2 Kor 3 ,6 'tO Öt nv&Ü!J.<X Cwonotti, 1 Kor 15,45 OÖ'tW~ xcxi rtrp<X1t't<Xl: &ytvuo 6 npw'to~ liv9pwno~ 'AÖlx!J. d~ ~uxf!v Cwo cxv, 6 loxcx'to~ ' Aölxll d~ nv&Ü!J.<X Cwono10iiv. cf. Joh 6,63 to nvtii!J.6: lo'tt\1 10 Cwonotoiiv. J o h 4,24 findet sich zugespitzt d ie Gleichsetzung nv&ÜIJ.<X 6 9tck So be ipielsweise Tert. apol. 48,7: Dubita.bitur·, credo, de dei viribus, qui La.ntum corpus
hoc mundi de eo, quod non fuernt, non minus quam de morte vaca.tionis et inanita.tis composuit, animaturn spiritu omnium animll71Jm animatore, signaturn et ipsum humanae resurrectionis exemplum in testimonium vobis. Dazu M. SPANNEUT, Le stoicisme 2 3
4
5
6 7
des peres de l'eglise, Paris 19572 •. 331- 342. Zu diese r theologischen Begriffiichkeit ThLL V ll ,l s.v. infundo 1508,31- 35 'de spiritu divino'. Beispielswe ise At henag. s uppl. 7,4 (über die Unmöglichkeit der Existenz mehrerer Götter) EI yexp 6 IJ.EV x60 !J.O~ O
142
11.2
Minucius Felix
.. lieh, daß er sie in der Uberleitung zum folgenden Zitat mit ausdrücklicher Deixis (iste) aufgreift. Der Weg zur Inanspruchnahme vergilischer Autorität für die christliche Sache bei Minucius Felix führt über stoische Theologumena, die Vergil in der Tradition kosmologisch- philosophischer Lehrdichtung eklektisch aufgreift und die Minucius Felix durch geringfügige Auslassungen im Sinn christlicher Schöpfungslehre wiedergeben kann. 19,2b !dem alio loco m entem istam et spiritum deum nominat. Haec enim verba sunt: 'deum namque ire per omnes terrasque tractusque m aris caelumqtte profu.ndum,' 'unde homines et pecudes, unde imber et ignes. '
Ein zweites Vergilzita t kündigt Minucius Felix mit dem ciceronischen idem alio loco1 an. Die Kernbegriffe der soeben paraphrasierten Verse, mens und spiritus, sollen darin a ls Bezeichnungen des einen, eben des christlichen Gottes eindeutig gernacht werden. 2 Das folgende Zitat soll also nicht nur das vorausgehende erklären, sondern gegenüber diesem auch noch eine Steigerung an Deut lichkeit und Wahrheitsgehalt in der theologischen Aussage darstellen, dle in der ausdrücklichen Verwendung des Stichwortes deus kulminiert. In den referierten Zeugnissen des poeta wa r bislang nur von pater divum atque hominum , parens omnium, spiritus und m ens die Rede. Das ausdrückliche deus führt nun zum Höhepunkt. Darin liegt eine Klimax der Got tesprädikationen: W ährend sich pater· divum und parens omnium noch in menschlicher Metaphorik bewegen, deutet sich in den philosophischen Begriffen mens und spiritus bereits eine kosmologische und transzendentale Dimension an. Am Ende steht der einzig t reffende Ausdruck deus (18,10 dei, qui solus est, dei vocabulum totum est.) - und er hat sich bei Vergil gefunden. Dementsprechend zitiert Minucius Felix, wie er eigens ankündigt (haec enim verba sunt), zum einzigen Mal im Dialog nun wörtlich. Zunächst führt er, zur 'tOI!Yi x
terrasque tractusque maris caelumque profu.ndum; hinc pecudes, armenta, viros, genus om ne j erarum, quemque sibi tenuis naseentern arcessere vitas: 1
2
Cic. nat . deor. 1,36; 2,65; 2,91 zur Einleit ung eines zweiten Zita tes. Oie Identifi kation des Christengottes mit dem hinter anderen Got tesbezeichnungen, beim vulgus etwa rex, pa.ter, dominus, l ovis (18,10sq.), bei d en philosophi etwa m en s, mundus, animus {19,4.9.10 ), stehenden Grundwort deus ist d as d urchgängige Argumentationsprinzip bei V'ltlgus, poetae und philosophi.
11.2.2 Die Vergilzitate
143
scilicet huc reddi deinde ac resoluta referri omnia, nec morti esse locum, sed viva volare sideris in numerum atque alto succedere caelo.
Auch hier liegt, wie a m unmittelbar vorher zitierten Anfang der Anchisesrede, eine Weltseelenlehre zugrunde, wie sie im Anschluß an Pythagoras und Platon a uch die Stoiker vertreten. 1 Der besondere Anteil der Bienen an der Weltseele - eine von Vergil nicht näher bestimmten quidamzugeschriebene Lehre - läßt sich zwar so nicht in der Stoa verorten,2 die zit ierten anderthalb Verse a ber sprechen nicht unmittelbar von den Bienen, sondern begründen deren besondere Eigenschaft allgemein aus einer anima mundi-Lehre. Minucius Felix zitiert also im Grunde ein T heologumenon der stoischen Weltseelenlehre. Doch auch dieser pantheistische Aussagegehalt des Zitatsegmentes verschwindet im Folgekontext. Was Minucius Felix nämlich herausschneidet, die Aussage vom Wandeln Gottes in der meristisch dargestellten Welt, paßt, a us seinem Präkontext isoliert und in den Folgekontext übertragen, na htlos in die entfaltete Lehre von einem personalen Schöpfergott.3 Nun führt Minucius Felix das Georgikazitat nicht mit dem Vers 222 hinc pecudes, armenta, viros, genus omne ferarum weiter; vielmehr findet sich in der Überlieferung 'Unde homines et pecudes, unde imber et ignes. Dieser um ein halbes Metron zu kurze Hexameter geht auf einen Vers aus der Zusammenfassung des Topasliedes im ersten Aeneisbuch zurück, einen beim Bankett der 'Il-ojaner und Karthager vorgetragenen Gesang über die Weltentstehung, Aen. 1,743 (740b-747): 4 Cithara crinitus Iopas per·sonat aurata, docuit quem maximus Atlas. hic canit errantem lunam solisque Labores, unde hominum genus et pecudes, unde imber et ignes, Arcturum pluviasque Hyadas geminosque Triones, 1
2 3
4
ad l. 361: "Denn sie jsc. die Biene) hat den höchsten Grad der 1J.i6t~\~ am voü~ der Welt, d .i. am Göttlichen , welches alles durchdringt." Die beiden Stellen werden in der antiken (Serv. Aen . 6,703; Comment. Lucan. 5,95) und modernen Philologie eng nebeneinandergestellt, so etwa NORDEN Aeneis VI 17; CouRCELLE Les peres 37sq.; AUSTIN ad Aen . 6,726 (222) ; MYNORS ad georg. 4,219- 227 (285). So ausdrücklich POHLENZ II 14l. Gerade das Verb ire betont die Souveränität des göttlichen Auftretens in der Schöpfung . Vielleicht steht, im Sinn von WIESEN, das eindrucksvolle Bild des im Paradies lustwandelnden Gottes (Gen 3,8 LXX xuptou toü 6t oü ntpmcxtoüvto~ lv ti;> na.pa.Stloty) im Hintergrund? Die Passage gehört. zu den kosmologischen KernsteHen bei Vergil , die Verse 745sq. erscheinen bere its georg. 2,48l sq. im Zusammenhang mit der Idealvorstellung von Dichtung. Wie Vergil das naturphilosophische Element konzeptione ll in den Vordergrund gerückt hat, zeigt eine Beobachtung von WLOSOK ( Gemina doctrina 399): Das lopaslied entspricht de m Gesang des Demodokos in der Odyssee (8,266-366) über den Ehebruch der Aphrodite mit Ares, der schon fTüh im Sinn des Empedokles allegorisch auf das Wechselspiel von qn).ta. und vtixo~ gedeutet wird. "Vergil hat, in Kenntnis dieser Homer- A llegorese, anstelle der a llegorischen Geschichte offenbar unverhüllt d as naturphilosoph ische Gedicht gesetzt ." Cf.
RI C HTER
144
II.2
Minucius Feüx
quid tantum Oceano properent se tingere soles hibemi, vel quae tardis mora noctibus obstet; ingeminant plausu Tyrii, Troesque sequuntur.
Die Unvollständigkeit des zitierten Verses und der abrupte Wechsel des P rätextes stellt eine Schwierigkeit dar, die die frü here Forschung durch Athetese des Aeneiszitates beseitigt oder d urch dessen Vervollständigung gemildert hat, während die heutige meist am überlieferten Text festhält. Ganz kann das jedoch nicht befriedigen, da man sich eine bewußte oder verseheutliehe Verstümmelung des Hexameters durch den Autor schwerlich vorstellen kann und eher mit einer überlieferungsbedingten Verderbnis zu rechnen ist. 1 1
Die Beibehaltung von homines findet sich in den meisten Ausgaben, so etwa bei ÜEHLER, HALM , BOENlG, VALMAGGI, MARTIN, DOUGLAS SIMPSON, PELLEGRINO, BEAUJEU und KYTZLER. - Fü.r eine Athetese hat sich zuletzt BECKER ( Octavius 27 Anm. 15) mit den folgenden Argumenten ausgesprochen: (1) Der Vers ist u.nvollständig, eine Vervollständigung wäre eine sinnlose Wiederholung des oben gesagten inde hominum pecudumque genus, (2) die Einleitung alio loco läßt "nur ein Zitat, nicht einen Cento erwart en", (3) ein solcher hätte im Werk keine P arallele, (4) Laktanz (inst. 1,5,llsqq.) zitiert dieselben Vergilverse wie Minucius Felix 19,2 außer j enem letzten , (5) in der antiken Vergilerklärung werden oft Aen. 6 ,724- 729 und georg. 4,22 lsq. nebeneinandergestellt (mit Verweis auf COURGELLE Les peres 37sq. Anm 5 = Lecteurs 472 Anm. 182, der Se.rv. Aen. 6,703 und Comment. Lucan. 5,95 nennt): "So spricht alles dafür, die unmetrischen Worte - als eine unglückliche Randnotiz eines Lesers - zu tilgen-" Ebenso äußert sich SCHÖNE (186): "Dieser Vers, der in der Handschrift sich a n die beiden Vergilverse angereiht findet , ist s icher späteres E inschiebsel." Auch E. BAEHRENS ( 1886) und W .A. BAEHRENS (1912) tilgen den Vers in ihren Ausgaben. - Dagegen ist freilich zu bedenken: ( 1) Gerade durch den Wechsel in das lopas- Lied wird eine Wiederholung vermieden. (2) Auch 23,5sq. gebraucht Minucius Felix die Markierungen alibi und illic ungena u und vornehmlich dazu, einen Wechsel in der Quelle anzuzeigen (dazu PELLEGRINO und unten [l5lsqq.J ad l.). (3) Da es s ieb um das einzige wörtliche Zitat handelt, besagt das Fehlen einer Parallele für den übergangslosen Wechsel des Prätextes wenig. ( 4) Der Vergleich von Minucius Felix und Laktanz ist insofern schwierig, als deren Zitiertechnik, wie schon HAGENOAHL ( Methods passim) gezeigt hat, grundsätzlich verschieden ist: Minucius Felix greift zum Zweck sprachlieber und inhaltlicher Adaptation i.n die Texte ein, während La.ktanz sie meist wörtlich und ausführli ch wiedergibt. So wird Lact. inst. 1,5, 11 auch magno se corpore miscet zitiert, Min. Fel. 19, 1 aber, wie gezeigt, wohlweislich ausgelassen. (5) Auch das lopas- Lied gehört zu den kosmologischen Kernstellen bei Vergil, es der Anchisesrede und der Passage über die fLt9~t( der Bienen am göttlichen voü( an die Seite zu stellen , ist durchaus konsequent, zumaJ so auch die Basis der Argumentation mit Vergil verbreitert wird. - Eine Ergänzung des überliefertenhomineszu m vergilischen hominum genushat zuerst J . V AHLEN, Opuscula academica II, Leipzig 1908, 116 (erstmals: Index lectionum aestivarum Univ. Berolin . 1894 , 11 ) vorgeschlagen : "Error enim librarü manifestus est: unde homi[num geJnus et pecudes" (diesem Vorschlag folgen beispielsweise die Ausgaben von VAN WACENINGEN, 1923, und WALTZING, 19262 ), mit der Begründung "neque vero credibile vel interpola. torem, nedum Minucium ipsum, mutilum versum malui.s se qua m integrum apponere". Schon H. SAUPPE bezweifelt in der Rezension der Ausgabe von HALM, Wien 1867, GGA 129 {1867) , 1992- 2000, hier 1996, daß Minucius Felix den Text "so unmetriscb hingesetzt" habe , schlägt aber unde homines sunt et pecudes vor. Die Argumention für eine Vervollstä ndigung läßt sich folgendermaßen ergänzen: Was Zitiertechnik und Stilistik angeht, so wäre erstens die absichtliche Kürzung von hominum genus zu homines überAüssig, d a sie weder einen nennenswerten Raffungse.ffekt noch einen inhaltlichen Gewinn mit sich bringt. Zweitens beseitigt Minucius Felix bei allen untersuchten Zi-
Il.2.2
Die Yergilzitate
145
Wenn also jedenfalls die Kombination des Georgika- und des Aeneiszitates für authentisch zu erachten ist , stellt sich die Frage, ob es sich um einen Zitierfehler oder um einen bewußt zusammengestellten Cento handelt. Gegen die häufig vert retene Annahme von einer Unachtsamkeit oder Verwechslung auf Seiten des Autors 1 kann WIESEN 2 neben dem formalen Gesichtspunkt, daß ein Zitierfehler solcher Art unwahrscheinlich ist, 3 und neben den Parallelen 4 für eine theologische Argumentation anhand eines Cento vor allem a uf den .. inhaltlichen Gewinn verweisen , der mit dem Ubergang zum Vers a us dem Iopas- Lied verbunden ist: Der Vers georg. 4,222 hinc pecudes armenta viros genus omne jera1--um nämlich bringt deutlich den pantheistischen Aspekt taten - am a ugenfälligsten be i d er Para phrase der Anchisesrede: a lle Versenden sind von de n Eingriffen betroffen - stets die Hexameterschlüsse und stellt an a llen Ko lonausgänge n eine n Kla uselrhyt hmus her. Überhaupt vermeidet er streng die heroische Klausel (MOLLER Rhythmische Bemerkungen 63). Angesichts dessen erscheint es kaum d e nkbar, daß MirlUcius Felix selbst hier de n Vers zwar vorne ohne Grund verstümmeln, gerade den metrisch a uffä lligen und deswegen stilistisch problematischen Schluß aber unverändert beibehalten sollte. Das Gesamtbild der Zitiertechnik des Minucius Felix läßt hier also einen volls tändigen , aber keinen a uf die überlieferte Weise verküJ·zten Vers erwa rten . Hinzu kommt drit tens, daß die a usdrückliche Ankündigung haec en im verba sunt in einer de utlichen Spannung zur t radierten Verstümmelung des Verses steht, die Minucius Felix dem Leser doch kaum, zuma.l grundlos, zumuten dürfte. Viertens bietet VAHLEN eine befriedigende Fehlergenese. Vielleicht könnte man in diesem Zusammenhang a uch andere Stellen bedenken, a n denen im Parisinus lat. 1661 ein genus a usgefa llen zu sein scheint ( Arnob. nat. 1,39; 2,21; 4,8; 5,26.33 mit MARCHESI ad l.), und d.ie Möglichkeit einer rnißverständlichen Abkürzung für genus ( A. CAPPELLI , Lexicon a bbreviaturarum, M ila no 19906 , 153, gns, frei.lich erst ab 15. Jal1rhundert) in einer Vorlage erwägen, welch e d ie von VAHLEN (fü r diese Stelle sicher richtig) s kizzierte Fehlergenese forciert haben könnte. 1 So etwa J . VAHLEN , Opuscula academica lf, Leipzig 1908, 11 6 (erstma ls: I ndex lectionum aestiva rum Uni v. Berolin. 1894, 11 ): "Quid hic interpolati? Erravit Scriptor et ex versibus duobus qui eius menti haerebant similem sententia.m habentibus non e um posui t quem debuit sed eius comparem [... ]." WALTZING ad l. 106: "M.F . a confondu les passages"; H.J . BAYLIS, Minucius Felix and his P lace among t he Early Fathers of the Latin C hurcb, London 1928, 128; HAGENDA HL Methods lJ 7; vorsichtiger BEAUJEU ad l. 108: "Minucius se refere d e memoire a t rois textes de Virgile, avec de menues inexactit udes." 2 In d iesem Sinn auch knapp CoURCELLE Lecteu.r·s 472 Anm. 182 = Les peres 37 Anm. 5; INGREMEAU 18sq.. 3 WIESEN 85sq.: (1) Der gesamte Dialog ist sorgfä lt ig a usgestaltet und weist keine Allzeichen flü chtiger oder nachlässiger Abfassung a uf. (2) Der Autor mußte scho n bei der Abfassung mi t einem Leser rech nen , der jede Unachtsamkeit bemerkt, und s ich daher besondere Mühe um deren Vermeidung geben . (3) Es ist kein wahrscheinlicher Zit ierfehle r, in ein ganz anderes Werk zu geraten. (4) Der Zusammenhang beider kombinierten S telle n is t recht verschieden , sie habe n nur eine Gemeinsamkeit: "8oth passages touch vaguely upon cosmology" (86). 4 W IESEN 88sq.: "The use o f centos to support t heological arguments was in vogue [... ] du ring t he late and early third century." Als Argumente führt er an: (1) Tert. praescr. 38sq. (da.zu auch oben [78] ad l. ) verg leicht die Bibelstellensammlungen der Hä rektiker mit Verg il- und Homercentonen zur Unterhaltung (87sq. ). (2) Die G nostiker argumentieren mit Homercentonen ( Belege 89 Anm. 1). (3) Sowohl die pagane Antike in bezug a uf Dichtertexte a ls a uch die christliche Literatur in bezug a uf B ibeltexte verwenden Zitate in freier Kombination und o hne Rücksicht auf den Kontext (89sq.) .
146
II .2
Minucius Felix
der Weltseelenlehre zum Ausdruck und reiht den Mensch unter die übrigen Glieder der göttlichen Natur ein. Die christliche Schöpfungslehre hingegen betont die Sonderstellung des Menschen. 1 Dem wird der Vers Aen. 1,743 unde hominum genus et pecudes unde imber et ignes gerecht, da er eine vom Menschen beginnende, hierarchisch absteigende Anordnung aufweist und in den Stichworten imber et ignes dergestalt die Schöpfung in ihrer Gesamtheit miteinbezieht, daß deren Gottesbezug ( unde) nicht mehr als pa ntheistische Beseelung, sondern als Erschaffung zu verstehen ist. 2 Noch etwas weiter aber führt ein Blick a uf das hintere Glied des Aeneisverses: Unde imber et ignes impliziert ja nicht nur den Bezug auf Gott als Schöpfer der Elemente Wasser und Fe uer, sondern, durch die Bezeichnung mit deren konkreten Erscheinungsformen in imber und ignes, auch aJs Lenker der Naturgewalten Regen und Blitz3 . Das unde verweist also nicht nur auf einen Demiurgen, sondern auf ein e dauernd leitende und erhaltende Macht. Damit verliert, nicht nur für die unbelebte Welt , sondern auch für den Menschen und die übrigen Lebewesen im vorderen Verskolon, der hier ausgedrückte Schöpfungsgedanke jede Konnotation des einmaligen, abgeschlossenen Hervorgegangenseins und erweitert sich zur Perspektive einer creatio continua, a lso zur Zusammengehörigkeit von Schöpfung, Erhaltung und Leitung. Gott erscheint nicht nur a ls derjenige, der die Welt erschaffen hat, sondern zugleich auch als derjenige, der sie mit seiner providentia lenkt. Das so zusammengestellte Vergilzitat enthält a lso im Grunde genommen die Widerlegung der von Caecilius (5,8-13) vorgetragenen atheistischen Position: Dem mechanistischen Weltbild (5,8sq.) steht hier der Schöpfergott entgegen, dem Zufall, der tempestates {. ..} varias et incertas, quibus nullo ordine vel examine rerum omnium impetus volutatur und in incendiis interitum {. .. } insontium nocentiumque schickt (5,10), die providentia, die nicht nur imber et ignes lenkt, sondern auch das menschliche Leben. 4 1
So etwa grundsätzlich in der altestarnentliehen Erzählung von der Erschaffung des Menschen (Gen l ,26sq. ; 2,7). Speziell etwa Tert. a nim. 19,2 gegen die stoische, auf Aristoteles zurückgehende Position, der Mensch habe mit a llen anderen Lebewesen eine anima substantialis gemeinsam, deren besonderer i11tellectus sich erst in der Reifung bilde: fsc. animaej apu d nos in homine pri.vata res est. - Vielleicht, so vermutet W IESEN 87 Anm. 2, wendet sich Minucius Fellx auch gegen die Vorstellung von der Körperlichkeit der Seele. 2 WIESEN 87: "Virgil's meaning is subt.ly but significantly altered. The poet ma.y now be understood tobe saying, not that animals as weil as men receive a portion of the divine birth , but merely tbat God is the author of all nature. The important words are imber and ignes, for they broaden the meaning, changing the original, limited description of living creatures to a more inclusive description of the natural world. T he new meaning achieved by the replacement of line 223 eliminates from Virgil a jarring disagreement witb Scripture." 3 Jn dieser Bedeutung dichterisch öfter vor allem der Plural ignes, etwa Aen. 4, 167; zum Gedanken Hor. carm. l ,34 ,5sq. Diespiter / igni corusco nubila dividens. 4 Auch hier läßt. sich übrigens ein gewisses stoisches Element in der Dichterbenutzung konstatieren , insofern die - wenn auch mit spezifischer Ausrichtung auf einen Schöpfergott - geführten Beweisgä.nge deum esse (etwa in der Baibusrede C ic. nat. deor. 2,412) und mundum providentia gubernari (Cic. nat. deor. 2,73-153) zu den gr undlegen-
11.2.2
Oie Vergilzitate
147
19,2c Quid aliud et a nobis deus quam m ens et ratio et spiritus praedicatur'?
Mit dieser rhetorischen Frage faßt der Redner Octavius zusammen, was seine Zuhörer aus den angeführten Beispielen entnehmen sollen: Die bei Vergil entfaltete Gottesvorstellung stimme im Grunde mit der christlichen überein. Diesen Grad der Konvergenz kann Minucius Felix freilich nur hier und nur deswegen suggerieren, weil er in den vorausgehenden Zitaten durch ausgewählte Anknüpfung a n stoisch beeinflußte Theologumena bei Vergil , durch Kürzung und Zusammenstellung der Zitate einen im Sinne des christlichen Gottesbildes und der christlichen Lehre von Schöpfung und Vorsehung verstehbaren Vergil vorgeführt hat. 1 Welch entscheidende Mittlerfunktion die Stoa, insbesondere deren anima mundi-Lehre, dabei erfüllt, zeigt das Aufgreifen der Begriffe mens et ratio et spiritus in diesem Resümee der vergilischen Argumente.2 Wie schon im Überleit ungssatz zwischen den beiden Vergilzitaten greift Minucius Felix diejenigen Begriffe auf, die er im paganen Denken als Chiffren für den eigentlichen Ausdruck deus vorfindet , der den christlichen Gott bezeichnet. Diese wiederholte Betonung ist zum einen theologisch motiviert, da die vorgeführte Annäherung der stoisch- vergilischen und der christlichen Gottesvorstellung darauf beruht, daß mens und spiritus nicht als umfassende Bestimmung des Wesens Gottes, sondern als mögliche Aussageformen für das Wirken Gottes in der Immanenz verstanden und auf den übergeordneten, für TI:anszendenz und Personalität offenen Begriff de'I.Ls zurückgeführt werden. Zum anderen leiten die drei Ausdrücke mens et ratio et spiritus von den poetae zu den philosophi über, da mens und spirit'US bei beiden, ratio nur bei den philosophi als Gottesbegriff vorkommt. 3 Zwar wird a llgemein eine trinitarische Deut ung der Begriffstripel abgelehnt,4 doch fühTt sie immerhin vor Augen, daß nicht zuletzt die Aussagen der Bibel über
r:r,i,
den Anknüpfungspunkten des christlichen a n das stoische Denken gehören . 1 In diesem Sinn a uch knapp INGREMEAU (19) mit Verweis auf d as entsprechende 17,3- 10 entworfene Gottesbild. 2 Jn diese Richtung geht auch PELtECRINO (ad l. 147) mit seiner treffe nden Zusammenfassung: "Virgilio si fa eco della teoria stoica, ehe presenta Oio come l'anima, Ia mente immanente al mondo a cui communica Ia vita. Ottavio interpreta in senso crist iano tale dottrina, in qua nto insegna, secondo lui, l'uni tit e Ia spiritua lita di Oio; ma eben chiaro, da tutta le [sie] sua esp osizione, ch 'egli concepisce Dio come trascendente e personale." Zum stoischen C harakter der Begriffe m ens, ratio, spiritusetwa Sen. dial. 12,8,3sq. ld
148
11.2 Minucius Felix
und Mro~ , unbenommen ihrer sich a bzeichnenden Einbet t ung in eine Trinitätstheologie, wicht ige Ansat zpunkte für eine punkt uelle Annäherung an die vergilische oder a llgemein die philosophische Rede von Gott da rstellen. D ie Wiederholung der Vokabel praedicare, die oben (19,1) für d ie Lehre der Dichter , h ier für die der C hristen gebra ucht wird , bet ont a uf Lexikalischer E bene die vorgeführte Annäherung beider Posit ionen. Da neben kling t vielleicht a uch schon der sp ezifisch ch ristliche Gebrauch von praedicare ' verkündigen ' an 1 und verleiht der Dichterargumentation eine a bschließende P ointe: In bezug a uf den Monotheismus entsprechen die christliche Verkündigung und die Lehre d er Dichter einander. Freilich ist diese Pointe nur für einen Leser erkennbar , d er mit der Sprache des Christent ums scho n vert raut ist; so gesehen könnte ma n diese Stelle als Indiz dafür hera nziehen , d aß Minucius Felix mit seiner Aussage, bestimmte christliche G rundwahrheiten seien bei den Dichtern vorgeprägt, auch gebildete Christen erreichen möchte. Sicherlich wissen die Gebildeten unter den Christen und unter ihren Sym pathisanten diese Annäherungen vergilischer und christlicher Aussagen über Got t zu gout ieren. Zusammenfassend ist also zu sagen , d aß Minucius Felix die Zit ate dergestalt a uswählt , kürzt und in seinen Kontext einfügt , daß d ie ursprü nglichen Aussagen polytheistischen , fat alistischen oder pantheistischen Inhaltes dem Leser konvergent mit der Leh1·e vom einen Gott und von seiner providentia, die in d er Welt wirkt , erscheinen müssen. 2 Die Strategie des Apologeten zielt hier a lso darauf ab, d as Gemein same, etwa d ie monotheistischen Züge, z u betonen und d as Trennnende, etwa den Polytheismus und den P antheismus, in den Hintergrund t reten zu lassen.3 7tV&ÜfL<X
Th LL X,2 s.v. 1. praedico führt 554~558 zahlreiche Belege auf für die Verwendung der Vokabel als spezifisch christlichen Terminus seit Tertullian. Im hier in Frage kommenden Sinne ' pra.edicare docendo, exponendo fidem' kommt das Wort sowohl mehrmals bei Tert u llian (carn . 7; idol. 6; adv. Mare. 4,34 ; 5,20; adv. Prax. 13) als auch Min . Fel. 19,15 numquam publice nisi interrogati pro.edicamus vor. 2 Da Minucius F'elix nicht untheologischen Aussagen einen theologischen Sinn zuschreibt, sondern den Geha lt an sich theologischer Aussagen aus einem einseitigen und daher verfremdenden Blick winke l wiedergibt, sollte man den problematischen Begriff d er Allegorese besser vermeiden. Insbeso ndere wird die in d er Stoa geübte P raxis, d ichterische Mythologumena durch eine a llegorische Interpretation von ihrer Anstößigkeit zu befreien und einer t ieferen theologischen Deutung zu öffnen (so etwa ausführlich in der Balbus rede, C ic. nat. d eor. 2,5~72) , von Minucius Felix nicht überno mmen, obwoh l ansons ten, wie g leich noch auszufü hren ist, stoisches Denken eine wicht ige Mitt lerfunktion bei der argumentativen Vere innahmung der Dicht ung innehat. - In diesem Pun kt ist vor allem W I ESEN zu widersprechen, der von einer Vergilallegorese be i Minucius Felix ausgeht. Hierin und in d er Anna hme eines allwissenden Vergil scheint WIESEN d ie Verhältnisse des vierten und fünften Jahrhunderts in zu großem Maße schon fü r Minucius Felix anzunehmen. 3 Eine solche 'Verhüllung der Gegensätze' arbeitet H. DöRRtE, Die Andere Theologie. Wie stellten die frühchristlichen T heologen d es 2.- 4. Jahrhunderts ihren Lesern die 'Gr iech ische Weisheit' (=P latonis mus) dar?, T hPh 56 (1981) 1-46, v.a . 28- 31 , prinzipiell für den Umgang der Apologeten mit dem Platonismus heraus. Daß darin ein Grund1
11.2.2
149
Die Vergilzitate
Eine wichtige Mittlerfunktion bei der argumentativen Vereinnahmung der Dichter nehmen stoische Gedanken ein: Aus Homer beziehungsweise a us Ennius zitiert Minucius Felix Stellen, auf die sich nach dem Zeugnis Ciceros die Stoiker beziehen, um damit die Existenz eines göttlichen Wesens und das Wirken der providentia zu belegen. 1 Im Falle Vergils wiederum wählt Minucius Felix Passagen aus, die von der stoischen Weltseelenlehre beeinfiußt sind. Für den Rückgriff auf Vergil in philosophischem, näherhin stoischem Kontext ist a ußerdem Seneca ein Vorbild. 2 Minucius Felix orientiert sich a lso in seiner Vergilbenutzung an denjenigen Vorgaben, die Cicero und Seneca für den Umgang mit der Dichtung im philosophischen, genauer gesagt: stoischen, Diskurs machen. Dahinter steht aber nlcht nm das Prinzip der imitatio und das Bestreben, sich die Arbeit zu erleichtern, sondern auch apologetisches Gesamtkalkül: Minucius Felix will den konservativen Bildungsbürger erreichen. Deswegen beruft er sich au f Vergil, deswegen folgt er in der Art und Weise der Dichterbenutzung den Vorbildern aus der populären stoischen Philosophie. 3 Doch stellt sich Minucius Felix mit seiner Vergilbenutzung nicht nur in eine pagane 'fradition. Die Art und Weise, wie in einem der frühesten Texte apologetischen Charakters, in der Areopagrede, mit einem Dichterzitat argumentiert wil·d, ähnelt dem Vorgehen des Minucius Felix geradez u auffällig: In dieser idealen Missionsrede des Paulus in Athen , dem Zentrum paganer Bildung und Kultur, wird die verkündete Gegenwart durch ein Zitat aus Arats Pha inomena (5a) verdeutHcht: 1:0Ü jrtp X<XL rivoc; tCTfJ-iV 4 Wie später bei Minucius Felix wird auch hier eine poetische Einzeläußerung so aus ihrem stoisch pant heistischen Zusammenhang geschnitten und in den christlichen Kontext gestellt , daß nur noch das Gemeinsame, nicht mehr aber das Trennende zu sehen ist ,5 indem eine durch die Kraft der dichterischen Sprache
1
2
prinzip in der Argumentatio nsstrategie des Minucius Fe lix zu sehen ist, hebt zu Rech t ALAND {ll ) hervor: "Es kommt nie zu e inem Gespräch übe r kontroverse P unkte. Sie werde n einfach a usgeklammert bzw. verhüllt, Gemeinsames oder von der c hristlic hen Position aus gerade noch Anzuerkennendes dagegen um so stärker betont." Die Zitate Min. Fe!. 19, l werden, wie gezeigt, schon Cic. nat. deor. 2,4 und fa.t. fr. 3 ausdrücklich in stoischem Sinne verwendet. Auch Sen eca erschließt, wie Minucius Felix, durch Auswahl und neuen K ontext die Zitate e rst in seine m Sinn, dazu grundsätzlich KRA USS lsq.; im einzelnen BATINSKI
87- 164. 3
4
5
Dazu grundJegend ALAND (v.a. 2ü-23): Minucius Felix richtet sich eben nicht an ein Fachpublikum - die Stoa ist ja wissensc haftlich sch o n überholt - , sonde rn lehnt sich aus Rücksicht auf seine konservative Zielgruppe an Argumentationsstrukturen an, die aus d em popu lärphilosophisch- stoischen Diskurs, etwa aus C iceros de natttra deorum, vertraut sind. Apg. 17,28 t v cx{rtii> yl1.p CWiJ.6V xcxt XIVOU!J.t9cx xcx t taj.liv, xcxl 11vt' 1wv xcx9' UIJ.ä' no1T)1wv dpTjxcxatv· 1oü yap xcxt rlvo, iaj.Liv. Zu dieser vielirakt.ierten Stelle, neben den Kommentaren, L. LECRAND, Aratos est-il parmi les prophetes?, in: La vie d e Ia Parole de I' Ancien au Nouveau Testament. Melanges P . CR.ELOT, Paris 1987, 241- 258. Für das be kannte Thikolon tv cxinij) yap Cw!J.tv xal xwOVIJ.~ecx xa! ia!J.tv, eine vorlukanische Pormel unbekannter Herkunft, gilt übrigens das nämlic he, d enn eigentlic h s ind •·Le ben , Bewegung und Sein des Me nschen 'i n Gott' pantheistisch gedacht. a ls Immanenz des
w,
150
11.2
Mioucius Felix
über das im engen Sinn Gemeinte hinausweisende Formulierung für die Hinordnung des Menschen auf den einen Gott a ufgegriffen wird.
22,5 Qui d'? formae ipsae et habitus nonne arguunt ludibria et dedecora deorum vestroru.m '? Vulcanus claudus deus et debilis, Apollo tot aetati bus levis, A esculapius bene barbatus, etsi sempe1· adulescentis Apollinis filius , Neptunus glaucis oculis, Minerva caesiis, bubulis l uno, pedibus Mercurius alatis, P an ungulatis, Saturnus compeditis. In der Polemik des Octavius gegen die Darstellungsweisen der paganen Götter gebraucht Minucius Felix das in dieser Verwendung nur bei Vergil (Aen . 4,259 fsc. Cylleniusj alatis tetigit magalia plantis) und Ovid (fast. 5,666 alato qui pede carpis iter) belegte alatus.1 Allerdings fällt auf, daß sich die Attribute, die Minucius Felix in dieser Aufzählung den Göttern zuschreibt, auf die volkstümliche Ikonogra phie und Vorstellung beziehen. Davon macht auch alatus keine Ausna hme, da das Wort zum einen im Rahmen eines Epit heton für Merkur in der Dichtung nur an den beiden genannten Stellen belegt ist, sich der Sache nach a ber auf ein übliches ikonographisches Attribut bezieht 2 und da Minucius Felix zum anderen den übrigen color poeticus ( Cyllenius, plantae) durch prosaische Wörter ersetzt ( Me·rcurius, pedes - letzteres freiLich bei Ovid ). Minucius Felix scheint hier das vergilische Adjektiv weniger in der Absicht zu verwenden, damit a uf die Darstellung Merkurs in der Dicht ung anzuspielen, als vielmehr einen knappen, treffenden Ausdruck für die geflügelten Füße des Gottes in der volkstümlichen Vorstellung zu suchen. 22,7 Erigone suspensa de laequeo est, ut Virgo inter astra signata sit; Castores alternis moriuntur ut vivan t; A esculapius ut in deum surgat fulminatu?·; He1·cules u t hominem exuat Oetaeis ignibus concrematur.
In einer Aufzählung von Göt tern, die dem Mythos nach ihre Unsterblichkeit erst durch den Tod erlangen, erwähnt Octavius a uch die Dioskuren. Die Formulierung scheint von Vergils knapper Darstellung des Mythos, Aen. 6,121 fratrem Pollux alterna morte redimit, angeregt zu sein. Den Wortlaut dieses in der Dichtung oft imitierten Locus classicus gibt Minucius Felix in verba lisierter Form ( alternis moriuntur für alterna morte) und mit einem zu den übrigen Kola parallelen Finalsatz wieder. 3 Minucius Felix Liegt also Menschen in der alles durchwaltenden Gottheit" (R. P ESCH, Die Apostelgeschichte 2. EKK V /2, Zürich 1986, 138sq.). 1 Cf. T hLL I s.v. tllatus 1482,26sq. 2 Cf. G . SIEBERT, ' Hermes', LIMC S, l (1990) 383: "Les 1tup61v1a 1t'Mlta servent des l'origine ä Ia cara.cterisation iconograpbique d u dieu 1...].'' 3 Insbesondere alternus findet sich seit Vergil immer wieder in d er Dichtung für die mit Castor geteilte Unster blichkeit des Pollux , zusammengeste llt T hLL I s.v. a.lternus 1754,7Q-73 {der Beleg Min. Fel. 22,7 wird als adverbiell gebra uchter Ablativ mit einem zu ergänzenden vicibus gesondert 1757,80 a ufgefü hrt). Besonders a uffällig ist die Nachwirku ng des vergiüschen locus classicus etwa Ov. fast. 5,719 dixit fsc. Pollu::z:} et alterna fra.trem statione redemit (cf. Bö MER a.d l. 335); Macr. sat. 1,21,22 gemini autem,
B. 2.2
Die Yergilzitate
151
offensichtlich daran, die a uf Vergil zurückgehende klassische Formulierung zu verwenden, deren color poeticus durch die Verbalisierung jed och stark verblaßt ist.
23,6 (5} Alibi Hercules stercom eger'it et Apollo Admeto pecus pascit; Laomedonti vero muros N eptunus instituit, nec m ercedem operis infelix structor accipit. (6} Illic Iovis fulmen cum Aeneae armis in incude fabricatur, cum cael'um et fulmina et fulg·ura Longe ante fuerint, quam Iuppiter in Creta nasceretur, et fiammas veri fulminis nec Cyclops potuerit imitari nec ipse Iuppiter . non veren. Im Rahmen seiner Kritik an den t raditionellen religösen Vorstellungen des Heidentums wendet sich Octavius gegen die dichterische Mythologie (23 ,18). Dazu bringt Minucius Felix zunächst Beispiele aus dem ausdrücklich genannten Homer (23,3sq.) , dann scheinbar aus einer zweiten (§5 alibi) 1 , schließlich aus einer dritten (§6 illic) 2 Quelle. Die beiden letzten Beispiele (§7) fügt er ohne Markierung an 3 . Die exempla in den §§3- 5 scheint Minucius Felix von Tertullian (apol. 14,2- 4) zu übernehmen, der Mythos von de r Schmiede im Ätna hingegen, in der neben Jupiters Blitzen auch die Waffen des Aeneas hergestellt würden, findet sich dort nicht. Der mit illic bezeichnete Referenzpunkt ist die Szene des achten Aeneisbuches, in der Vulkan seine Werkstat t im Aetna betritt, um die von Venus erbetenen Waffen für Aeneas anzufert igen, Aen. 8,424- 428: ferrum excrcebant vasto Cyclopes in antro, Brontesque Stempesque et nudus membra Pymgmon. his informatum manibus iam parte polita fulmen erat, toto genitor· quae plu1'ima caelo deicit in terras, par·s imperj ecta manebat.
1
2 3
qut alternis mortibus vivere creduntur. Außerdem zitiert Hygin zweima l ( fab . 80,5 und 251,2} bei Erwä hnungen des Dioskurenstoffes das vergilische alterna morte redimere. Die Angabe b ere itet. Schwierigkeiten: Zunächst nämlich führt Oct.avius (§§2- 4 } Homer a n , den j a Platon t.rotz seines Ruhmes a us seinem Idealstaat verbannt wissen möchte , und zählt. einige E pisode n a us der llias a uf, in denen der Dichter deos [... ]in hominum rebus et actionibus miscuit (§3; im einzelnen: das Eingreifen der Götter in den Kampf, die Verwundu ng der Venus nach II. 5,33D-340, die Uberwindung des Mars nach II. 5,385sq.; 858- 861, die Befreiung des Jupiter durch Briareos nach 11. 1,393-404, Jup iters 1'ränen über den Tod des Sarpedon nach II. 16,458--461 und die Benutzung d es von Venus ausgeliehe nen G Urteis durch Juno und Jupiter als Aphrodisiakum nach Tl. 14 ,214- 35 1). Da nn scheint alibi (§5) zu nichthomer ischen Beispielen überz uleiten, tatsächlich fehlt Herkules' Säuberung des Augeiasstalles bei Homer. J edoch finden s ich d er daran syndetisch angeschlossene Mythos von Apoll als Rinderhirt und d er im fo lgenden Satz erwähnte Mythos vorn Betrug des Laomedon a n Nept.un wieder zusammen in der Ilias (2 1,443-457). Dazu P ELLEGRJNO ad l. 174: "svista dello scritt.ore o semplicemente dimenticanza de ll' alibi?" Cf. P ELLEGFU NO ad l. 175: "corrisponde ad alibi del §prec., per indicare un a.lt.ro poeta o un a.ltro luogo". Min. Fel.23,7 Quid loquar Martis et Veneris adulterium deprehensum et in Ganymedern Iovis stuprum caelo consecrotum? Die Beispiele gehen wiederum auf Homer (Od . 8,266-366; II. 20,231-235) zurtick.
152
II.2 Minucius Felix
Die Vorstellung jedoch, die Blitze würden für Jupiter im Ätna geschmiedet , erwähnt schon Cicero (div. 2,43 non enim te puto esse eum, qui Iovi fulmen fabricatos esse Cyclopas in Aetna putes) a ls einen beinahe sprichwört lichen Abergla uben im Zusammenhang mit der an sich ernstzunehmenden Frage nach der Herkunft d ieses Naturphä nomens. Auch die Weiterführung zu einer, im Sinne der Zeit , wissenschaftlichen Erklärung haben Cicero und Minucius Felix gemeinsam. Vielleicht geht von Cicero die Anregung zu dieser Vergilbenutzung aus. Dabei ist es lediglich der knappe Zusatz cum Aeneae armis, der den Leser, durch illic auf eine Dichterreferenz vorbereitet , zu der höchst kunstvoll ausgearbeiteten Aeneispassage 1 führt. Auf diese Weise wird die Vulkanusschmiede in ihrer vergilischen Ausgestalt ung, etwa mit den halbfert igen Auftragsarbeiten für andere Götter , a ls Illustration im Hintergrund evoziert. Das Vergilzitat schafft nicht nur, wie B ECKER bemerkt , "römische Atmosphä re" unter all dem Homerischen , sondern lenkt den Blick auch a uf eine Aeneispassage, in der eine traditionelle Vorstellung paganer Religiosität in kunstvoUer Weise ausgemalt wird .2 23, 11 {10} Is itaque Satumus Creta profugus Italiam metu filii saevientis
accesserat, et Iani susceptus hospitio rudes illos homines et agrestes multa docuit ut Graeculus et politus: litteras inprimere, nummos signare, instrumenta conficere. (1 1} Itaque latebram suam, quod tuto latuisset , vocari maluit Latium, et urbem Satumiam idem de s·uo nomine et Ianiculum Ianus ad memoriam uterque posteritatis reliquerunt. Im zweiten Teil des Ka pitels 23 (23,9-24,1) greift Octavius den Aspekt der veritas (23,8) der Mythologie auf: Den Mythos von der F lucht des Saturn nach Italien , seiner Aufna hme und seiner Wirkung dort s ucht er in einer euhemeristischen Argumentation zu widerlegen. Die Formu lierung dieser Überlieferung lehnt sich deutlich an die Ausführungen des Euander im achten Aeneisbuch an, zunächst an Aen. 8,322sq. (319- 323): primus ab aetherio venit Saturn:us Olympo arma I ovis fugiens et r-egnis exsul ademptis. is genus indocile ac dispersum montibus altis composuit legesque dedit, Latiumque vocari maluit, his quoniam latuisset tutus in oris. Mit nur geringen Veränderungen werden die Verse 322b.323 übernommen :3 Minucius Feli.x zieht den Ka usalsatz vor, substituiert quoniam durch quocf , 1
Cf. GRANSDEN ad Aen . 8 ,424---453 ( 140) . 2 BECKER Octavius 35 hingegen: "Sachlich ist d as kaum eine Bereicherung, da in der Aeneis die Götter nicht herabgewürdigt oder vermenschlicht werden ; a.ber Minucius will auch in solche Zusammenhänge römische Atmosphäre hereinbringen." 3 Überhaupt ge ht diese Etymol.o gie auf Verg il zurück, dazu unten (307) zu Arnob. na.t. 4,24, wo s ie ebenfa lls, jedoch mit einer geringere n sprachlich en Referent ia lität, aufgenommen wird. 4 Vielleicht um der semantischen Genauigkeit willen ? Cf. KS II 382sq.
11.2.2
153
Die Vergilzitate
tutus durch tuto und läßt, da ja keine unmittelbare Deixis mehr gegeben ist, his {.. .] in oris weg. Dessen semantische Funktion übernimmt das ergänzte, proleptisch zum Hauptsatz gestellte latebram suam. Die in Kontaktsteilung und ohne morphosyntakische Adaptation, aber mit Permutation übernommenen Elemente vocari maluit Latium1 ergeben eine kretisch- t rochäische Klausel2 . Vor dem Hintergrund dieses de ut lichen Zitates läßt sich auch die vorausgehende Schilderung von der Ankunft des Gottes in Latium und von seinem kulturbringenden Wirken als Prosaparaphrase des Vergiltextes sehen:
Aen. 8 ,316sq.; 319- 322a
M in . Fel. 23,10
Is itaque Satumus
319
Primus ab aetherio (. ..) Saturnus Olympo
Creta profugus Italiam m etu filii saevientis
320
arma Iovis fugiens et regnis exul ademptis
accessemt,
319
venit
rudes illos homines et agrestes
321
multa docuit
321a
is genus indocile ac dispersum montibus altis composuit legesque dedit
et Jani susceptus hospitio
ut Gmeculus politus: litteras imprimere, nummos signare, instrumenta conficere.
316sq.
quis neque mos neque cultus emt, nec iungere tauros / aut componere opes nomnt aut parcere parto
Was Minuci us Felix hinzufügt, sind das hospitium des Janus, die Cha rakterisierung des Saturn als Graeculus et politus, der nicht d ie Kunst des Ackerba us, sondern höher e ntwickelte Kult urtechniken wie Schreiben, Münzprägung und Werkzeugherstellung bringt. In dieser Verschiebung bereitet der Apologet schon den Boden für die euhemeristische Argumentation: So nä mlich erscheint Saturn ganz anthropomorph als Fremder, der in einem minder zivilisierten La nd Asyl gefund en hat und der , ut Graeculus et politus, aus dem Kulturgefälle Kapital schlagen kann. Aber nicht nur die Etymologie von Lat ium, sondern a uch diejenige von Satttrnia und l aniculum übernimmt Minucius Felix aus den Erklärungen des Euander, Aen. 8,357sq.: hanc Ianus pate1·, hanc Saturnus condidit arcem; Ianiculum huic, illi fuem t Saturnia nomen. 1
2
Das unnötige -que entfällt . T iito ( cf. M ÜLLER Rhythmische Bem erkungen 63) latufsset und malU{t Latiüm.
154
11.2 Minucius Felix
Die anaphorische Verflecht ung des Prä textes löst Minucius Felix in seiner schlichten Prosaparaphrase auf, bei ihm stehen die St ichwörter ( Saturnia idem (sc. Saturnusj und Ianiculum Ianus) nebeneinander. 1 Was diese Zitat e illustrieren sollen, sagt Minucius Felix dann (23,12) a usdrücklich: homo igitur utique qui fugit, homo utique qui latuit, et pater hom inis et natus ex homine. Der Apologet kehrt also im Rahmen dieser euhemeristischen Argumentatio n die urs prüngliche Intent ion der beiden bekannten Namensätiologien um: Sie belegen rucht mehr das bis in die Gegenwart wirkende göt t liche Walten in der La ndschaft um Rom, sondern den menschlichen Ursprung seiner Götter.
25,1 'At tarnen ista ipsa superstitio Romanis dedit auxit fundavit imperium, cum non tam virtute quam religione et pietate pollerent. ' Mit diesem fik t iven Einwa nd leitet Octavius in seiner Rede von der Krit ik a n der paganen Religion zur Widerlegung des von Caecilius vorgebrachten (6,2sq. ) Argumentes über, die Größe Roms liege in seiner Ftömmigkeit begründet. Die Worte des jictus interlocutor nehmen die J upiterprophezeiung des ersten Aeneisbuches auf, 279 (276- 279): Romulus excipiet gentem et Mavorti a condet moenia Romanosque suo de nomine dicet . his ego nec metas rerum nec tempom pono: imperium sine fine dedi. [. .. } Minucius Felix übernimmt mit Romanis dedit [. .. J imperium d ie entscheidenden Stichworte. Obwohl er sie pleonastisch mit auxit fundavit zu einem Trikolon erweitert, besteht doch ein deut licher Bezug nicht nur im Aus druck, sondern a uch im religiös begründeten Verständnis von der Send ung Roms.2 Bemerkenswert ist die Änderung des Subjekts: Dadurch, daß nicht, wie bei Vergil, der Göttervater, sondern ista superstitio d as imperium verleihen, ist der rejutatio schon Tür und Tor geöffnet. Die Vergilreferenz verleiht also dem fiktiven Einwurf Gewicht und Authent izität, ist a ber schon auf die Widerleg ung hin a usgerichtet. Vielleicht wird Minucius Felix zu dieser Vergilbenutzung von Tertullian a ngeregt. Der nämlich zitiert dieselbe Vergilstelle in einer ähnlichen rejutatio, wenn er unter Hinweis auf d ie Freveltaten der Römer argumen t iert , die Götter verliehen also ihren Feinden ein imperium sine fine (apol. 25,16). 3 1
Durch den unmittelbarem Zusammenhang mit dem eindeutigen Zitat in der Etymologie von Latium steht d ie Yergilreferenz a ußer Frage, isoliert findet sich d ie Etymologie von Saturnia und laniculum Arnob. nat. 1,36a, d az u unten (276) ad I. 2 Der Ausdruck imperium dare (ThLL V s. v. do 1676,33-4 1) findet sich hä ufig für die Übertragung ei.n er Vollmacht, meist aber in einem konkreten rechtl ichen Sinn , ein Verwa ltu ngsaktist etwa C ic. Phil. 11 ,20; r. gest. d iv. Aug. 1; Curt. 3,3, 1, bezeichnet, eine göttliche Herrschaftszuweisung Val. F l. 6,475sq. omne ait {sc. Venusj 'imperium natorumque arma meorum / cuncta dedi. F tir die Gelä ufigkeit der Verse in der Spätantike sprechen die Zitate Aug. civ. 2.29; 5,12; serm. 105,7,10 etc. 3 Dazu oben (54) zu Tert. apol. 25,16.
Il.2.2
Die Verg ilzitat e
155
25,3 Mox alienas virgines iam desponsatas, iam destinatas et nonnutlas de matrimonio mulierculas sine more rapuit violavit inlusit [sc. r·eligiosa civitas}, et cum earum parentibus, id est cum socer'is suis, bellum miscuit, propinquum sanguinem fudit.
Unter den Untaten der vermeintlichen religiosa civitas nennt Octavius den Ra ub der Sabinerinnen. Die Formulierung für diese Episode lehnt sich an die entsprechende Passage der Schildbeschreibung im achten Aeneisbuch an, 635 (635- 637): nec procul hinc Romam et raptas sine more Sabinas consessu caveae, magnis Circensibus actis, addiderat, [. .. ). Das Verb raper·e erscheint bei Minucius Felix in fini ter Form , das vergilische sine mor·e bleibt unverändert 1 . Die bei Vergil ausdrücklich genannten Sabinerinnen periphrasiert Minucius Felix als alienae virgines. Damit gewinnt zum einen die Anspielung auf den historischen Sachverhalt an Subtilität, zum andem hebt alien·us das Unrecht hervor. Doch ist zu fragen, ob der vergilische Einfluß soweit reicht. Minucius Fellx scheint hier nämlich ein weiteres Vorbild zu haben, Tertullians Bezugnahme auf den Ra ub der Sabinerinnen in der Schrift ad nationes, 2,9,19: Romulus et fratr-em interfecit et alienas viryines dolo rapttit.2 Was Minucius Felix von Vergil übernimmt, ist die in raptas sine more angelegte negative moralische Wertung des Vorfalls, die der Apologet in seiner Darstellung in aller Deutl ichkeit ausführt. Die formalen und intentionalen Vorgaben des Apologeten einerseits und der Schildbeschreibung andererseits sind auch kaum zu vereinbaren: Während Vergil, der eine bildnerische Darstellung beschreibt, einige Aufmerksamkeit dem Schauplatz des Raubes widmet, legt Minucius Felix den Schwerpunkt a uf den Rechtsbruch: Daher nennt er die Gera ubten a usdrücklich alienas virgines iam desponsatas, iam destinatas, fügt nonnutlas de matrimonio mul-ierculas hinzu und erweitert das von Vergil übernommene raper·e zum pleonastischen n·ikolon rapuit violavit inlusit. Auch den Fortgang des Geschehens, die sich anbahnende kriegerische Auseinandersetz ung, beschreibt Vergil unter ikonographischen Gesichtsp unkten a ls nächste Szene, während Minucius Felix das Frevelhafte des Krieges w1ter Verwandten hervorhebt, der bei Vergil keine Erwähnung findet 3 . Vergil liefert hier nicht nur eine klassische Formulierung für ein exempl·u m 1
2
3
ThLL VI II s.v. 1. mos 1528,36-42 gibt. für sine more nach Vergil Lact. mort. pers. 39,4 und spätere an; zudem Sen. dial. 5,2,5; Sil. 10,31; St.at. T heb. 1.238; 11 ,524; Tac. hist. 1,38. Auch Ovid schreibt über die Sabinerinnen (ars 1,119) timuere viros sine more 1-uentes (aber varia tectio: sine lege) . Die Junktur ist a lso nicht auf die Dichtung festgelegt, aber im Zusammenhang mit den Sabinerinnen sicher a ls Vergilzitat zu verstehen. Der Brudermord des Romulus ist auch bei Minucius Felix das vorhergehende Beispiel (25,2 i pse Romulus {. .. ] parricidiu.m jecit). - Daß Minucius Felix auch jene frühere, vermutlich unvollendete und nicht zur Veröffentlichung bestimmte Apologie kennt, ist nach ß ECJ<ER ( Tertullians Apologeticum 317) anzunehmen. Ausführlich dazu etwa Liv. 1,9-13.
156
U .2
Minucius Felix
aus der römischen Geschichte, sondern a uch den Ausgangspunkt, in gewisser Hinsicht sogar die auctoritas dafür, darin einen Schandfleck in der römischen Geschichte aufzuzeigen. 26,8 (7) Quamquam inter multa mendacia vide1·i possit industriam casus imitatus, adgrediar tarnen fontem ipsum erro1is et pravitatis, unde omnis caligo ista manavit, et altius eruere et aperire manifestius. {8) Spiritus sunt insinceri, vagi, a caelesti vigore terrenis labibus et cupiditatibus degravati. isti igitur Spiritus, posteaquam simplicitatem substantiae suae onusti et inmersi vitiis perdiderunt, ad solacium calamitatis suae non desinunt perditi iam perdere et depravati errorem pravitatis infundere et alienati a deo inductis pravis religionibus a deo segregare.
Auf den fiktiven Einwand, manchmal gebe es zutreffende Orakel, entwickelt Octavius zur Erklärung seine Dämonologie: Spi1itus seien durch das Laster aus der himmlischen Reinheit gefallen und suchten nun die Menschen durch Blendwerk und Lügen zu verwirren. 1 Den ursprünglichen Zustand der Däm
Zur Dämono logie des Minucius Felix insgesamt R. BERCE, Exegetische Bemerkungen zur Dämonenauffassung des M. M inuc ius Felix, Diss. F'reiburg 1929, hier 66sq.: Zwar stehe Minucius Felix a uf dem Boden der jüdisch- apokalyptischen und christlieben Dämonologie, im einzelnen seien se.ine Quellen aber nicht zu ermitteln. 2 Cf. NORDEN ad 6 ,730 (311); POHLENZ Il 141. 3 Zu dieser Vorstellung nennt BERGE 44sq. neben der Aeneisstelle, die in der sprachlichen Gestalt am nächsten kommt, außerde m C ic. nat. deor. 2,42; Ps. Quint. d ecl. 4. 13; Aug. civ. 10,17.
Il.2. 2
Die Vergilzitate
157
einen durch clie Annahme einer Körperlichkeit - für Vergils Seelen ist dieser Sachverhalt offenkundig, bei Minucius Felix ergibt er sich aus dem Gesamt seiner Äußerungen über die Dämonen 1 - und zum anderen durch die Verwicklung in Begierden und Affekte. Beide sind in dieser Welt verhaftetheit unglücklieb gefangen. 2 Dabei handelt es sich zwar nur um eine gewisse gedankliche Analogie, es wäre aber doch vorstellbar, daß Minucius Felix seine Darstellung des Dämonenfa lls insgesamt an diese P assage der Anchisesrede anlehnt, deren unmittelbar vorausgehende Verse (Aen. 6,724- 729) er 19,2 zit iert. Im Rahmen seiner Ausführungen über die Dämonen beruft sich Minucius Felix ausdrücklich a uf pagane Autoritäten (26,9.12; 27,1). Vielleicht sucht er also auch die Annäherung an ein Vorstell ungsmodell vom Fall a us einem reinen Urzustand in eine schlechte Weltverhaftetheit und findet ein solches in Vergils klassischer Formulierung stoischer Seelenlehre. 3 27,1 Jsti igit·ur inpuri spiritus, daemones, ut ostensum (a) magis, a philosophis et a Platone, sub statuis et imaginibus consecratis delitescunt et adflatu suo auctoritatem quasi praesentis numinis consequuntur, dum inspirantur interim vatibus, dum fanis inmorantur, dum nonnumquam extorum fibras animant, avi·um volat·us gubernant, sortes regunt, oracula efficiunt falsis pluribus involuta. (2) nam et jalluntu1· et fallunt, ut et nescientes sinceram ve1itatem et, q·uam sciunt, in perditionem sui non confitentes.
Zum verderblichen Wirken der Dämonen gehört nach den Ausfüh1·ungen des Octavius a uch die Verfä ischung von Orakelsprüchen . Den dafür verwendeten Ausdruck involvere gebra ucht Vergil für dle Unklarheit der Sibyllensprüche, Aen. 6,100 (98- 101):
Talibus ex adyto dictis Oumaea Sibylla hor1Y~ndas canit ambages antroque 1-emv.git, obscuris vem involvens: ea frena furenti concutit et stimulos sub pectore vertit Apollo. Zwar fi ndet sich involvere häufiger zur Beschreibung einer Verdunklung von Wahrem. Im Zusammenha ng mit der Mantik aber erscheint es erstmals in dieser vergilischen Formulierung, die a ußerdem im Querolus als bekannte sprichwö rt liche Wendung zitiert wird. 4 Minucius Felix scheint sich also a n 1
(9sq.) faßt die diesbezügliche Leh re des Minucius Pelix folgendermaßen zusammen : "Sie [sc. die Dämonen! waren einst ganz rein , d.h. ohne Materie, s ind jetzt aber unrein , weil sie na.ch ihrem Verkehr mit der Materie eine gewisse Körperlichkeit erhie lten: 27,2 ut spiritus tenues und besonders 26,12 (Platon lehrt vom Dämon) vult enim esse substantiam inter morLalem inmortaiemque id est inter corpus et spiritum mediam eqs.: aus letzteren Worten ergibt. sich, daß sp. und corpus sich eigentlich gegen ü herstehen. '' 2 Die Seelen bedürfen einer Reinigung, die Dämonen suchen die Menschen in ihre Verirrung mitzureißen. 3 Bemerkenswert ist. daß Zeno von Verona {1,2,26) und Augustinus (civ. 14 ,3) s ich im Zusammenhang mit der christlichen Seelen le hre mit diesen Versen auseinandersetzen. " Tb LL Vll ,2 s. v. involvo 265,6-36 bietet nur transitive vorvergi lische Belege, ab Verg. BERGE
158
11.2 Minucius Felix
die mantische Diktion anzulehnen, die Vergil klassisch vorgibt. Allerdings liegt die Akzentuierung anders: bei Vergil auf der verwirrenden Unverständlichkeit , bei Minucius Felix hingegen auf der böswillig irreführenden Verfälschung. Bemerkenswert ist, daß Minucius Felix das vergilische vera zwar nicht übernimmt (bei ihm heißt es oracula) , aber in pluribus einen gewissen Anteil von Wahrem für die Orakel impliziert. Somit liegt die inhaltliche Verschiebung gegenüber Vergil vor allem in falsis statt obscu.ris. 30,1 Illum iam velim convenire, qui initiari nos dicit aut credit de caede infantis et sanguine. putas posse fieri, u.t tam molle, tam parvulum corpus fata vulnerum capiat? ut quisqu.am illum rudern sanguinem novelli et vixdum hominis caedat fundat exhauriat? nemo hoc potest credere nisi qui possit audere.
Mit einer retorsio begegnet Octavius hier dem von Caecilius (9,5) angeführten Vorwurf, christliche Neophyten müßten einen Säugling schlachten. Die in diesem Zusammenhang gebrauchte Formulierung sanguinem [. .. ] caedat fundat exhauriat fällt auf: Das erste der Verben im asyndetischen 'Ihkolon z um &1to xmvoü gestellten Objekt ergibt ein semantisch kompliziertes Zeugma. 1 Eine Konstruktion sanguinem caedere findet sich, syntaktisch gesehen, auch bei Vergil im elften Aeneisbuch, wenn er die Vorbereitungen des Menschenopfers für den toten Pallas schildert , Aen. 11 ,82 (81- 84): Vinxerat et post terga rnanus, quos mitteret umbris inferias, caeso sparsurus sanguine f/.arnmas , indutosque iubet truncos hostilibus armis ipsos ferre duces inimicaque nomina figi. Servius kommentiert: 'caeso sanguine ' pro 'caesorum ', ut supra [Verg. Aen. 10,520] 'captivoque rogi perfundat sanguine f/.ammas ': nec enim sanguis caeditur. Das beweist, daß a uch im antiken Verständnis des Vergiltextes hier, hinter der poetischen Verkürzung, die außergewöhnliche Junktur sang'Uinem caedere zu Bewußtsein kommt. 2 Auch der Zusammenhang, ein blutiges Menschenopfer, stimmt bei Vergil und bei Minucius Felix überein. 3 In dem Zeugma sanguinem [. .. ] caedat liegt also ein bewußter Rückgriff a uf die entspre-
1
2
3
Ae n. 6,100 erscheint ein Dativo bjekt (etwa Val. Ma.x . 1,7 ,5 n e illud quidem involvendum silentio) , hä ufig mit (dem vergilischen!} obscurus od er Ableitungen (nur im Kontext etwa Quint. inst . 8 prooem . 4; Fro nto p. 132,10 v .d .H .; Lact. inst . 2, 10,12; als Dativobjekt etwa Arnob. nat. 2,9.51). Ein Zusammenhang m it der Mantik liegt nur bei dem sicher vergilisch beeinftußten Beleg Lucan. 1,638 ftexa sie om ina Thscus / involvens multaque tegens ambage canebat und Min. Fe l. 27, 1 (dazu wo hl P s. Cypr. ido l. 7 hi ergo spiritus {. ..Jfalsa veris semper in volvunt) vor. - Cf. Q uero l. p . 21,31 R. ( = 37 J ACQVEMARD-LE SAOS) lstud plane est quod so.e pe audivi, 'obscuris vera involvere '. Zur Sache und zur Terminolog ie LAUSBERC §§705- 708 . ThLL rn s. v. caedo scheint die Stellen unberücksichtigt zu lassen, FoRCELLI NJ s .v. caedo I Sc erwä hnt die vergilische Formulierung, bietet a ber keine Para llelen. Beim Vergleich anderer vergilischer Menschenopferschilderungen (Bestandsaufnahme H. LEKR, Religion und Kul t in Vergils Aeneis , D iss. Gießen 1934, 92- 96} ergibt sieb eine weitere Beobachtung: In dem von Servius zur Erklärung zitierten Vers Aen . 10,520
11.2.2
Die Vergilzitate
159
chende vergilische Diktion, durch den Minucius Felix den gräßlichen Sachverhalt zum einen wirkungsvoll a usdrückt und zum anderen unterschweUig in der paganen Welt verortet, worauf dann die retorsio insgesamt hinausläuft. 32,7 sq. {1) 'Sed enim deus act·um hominis ignorat et in caelo constitutus non potest altt omnes obire aut singulos nosse. ' erras, o homo, et faller'is; unde enim deus Longe est, cum omnia caelestia terrenaque et quae extr·a istam orbis provinciam sunt d eo cognita plena sint? ubique non tantum nobis proximus, sed infusus est. {8) In solem adeo rur·sus intende: caelo adfixus, sed terris omnibus sparsus est; pariter praesens ubique interest et miscetur omnibus, nusquam eius claritudo violatur.
Im fiktiven Einwand wird ein Krit ikpunkt des Caecilius wiederaufgenommen (10,5), der Gla ube an einen transzendenten und zugleich imma nent wirkenden Gott sei widersinnig. Demgegenüber betont Minucius Felix die Allwissenheit und Allgegenwart Gottes. 1 Die zu diesem Zweck verwendet en stoischen Argumente und Formulierungen möchte COURGELLE in seiner Einzelunters uchung der Stelle a uf Seneca und Vergil zurückführen: 2 In eine Reihe von Senecazitat en zur Immanenz des Göttlichen, d ie wohl einer apologetisch a usgerichteten Testimoniensammlung entstamme,3 füge Minucius Felix zwei inhaltlich gut in den stoisch geprägten Kontext passende Vergilzitate ein.4 E rstens stehe nämlich hinter omnia (.. .J deo (... } plena eine Formulierung aus der Jupiteranrufung des Dameet as in der dritten Ekloge, ecl. 3,60sq.: Ab Jo ve principium Musae: Iovis omnia plena; ille colit terras, illi mea carmina curae. captivoque rogi perfunda.t sa.nguine ftammas (über das Menschenopfer des Ae neas im ersten Zorn nach dem Tod des PaUas) findet sich nicht nur das zu caeso sa.nguine analoge captivo sanguine ( cf. Aesch . Ag . 2 15 9uaio:<; ncxp9tviou 9' cxt~J.cx~o<; über das Opfer d er lphigenie), sondern a uch das zu fundat bei Minucius Felix parallele perfu.ndat (sanguine perfundere in der Dichtung seit Catull. 64,399). Aen. 2, 116 heißt es über die Opferung der lphigenie sanguine pla.castis ventos et virgine caesa, es stehen s ich sanguine und virgin e caesa mit et verb unden im Hyperbaton gegenüber. Die Ausdrücke sangu.is, caedere und (per}fund ere scheinen a lso in die vergilische Termjnologie (dazu L E~m l. c.) für Menschenopfer z u gehören. Um so eher dürfte der römische Leser in sanguinem f...J caedat einen color Vergilianus wa hrnehmen. 1 Zum Aufeinandertreffen des p latonischen Transzendenzgedankens mit dem stoischen Imma nenzgedanken in de r frühen Patristik grundsätzlich L. SCHEFFCZYK HDG li 2a ( 1963) 38sq.; Bos 1077- 1088. 2 COURCELLE Virgile et l 'immanence, passim. Neben der Übereinstimmu.ng von Sen. fr. l 23 {bei Lact. inst. 6,25,3) und tvtin. Fel. 32,1 sq. (Gottesverehrung im Herzen, nicht durch Tempel und O pfer) , legt COURCELLE seiner Argumentation außer d en o ben im folgenden z itierte n Vergilstellen die Senecaparallelen epist. 41,1.5; 83,1; außerdem Min . Fe l. 32,9. 3 Aus dem Vergleich von Sen. fr. 123, Lact . inst. 6,25,3; epit. 53,2 und Min . Fe!. 32,1sq. folgert COURCELLE ( Virgile et l 'immanence 36), "que !... J Minucius n'a pas Iu directement Seneque et que Lactance et Minucius sui vent tous deux une source commune chretienne, Oll Seneque etait d eja cite a titre apologetique." 4 COURCELLE Virgile et l 'immanen ce 41: "ICJes d eux passages de Vi.rgile p rennent place naturellement en un contexte issu de Seneq ue: i.l s'agit ici et Ia de doctrines sto'ic ien nes. C'est sa.ns doute Minucius lui- meme qui a pratique cette insertion".
160
II.2 Minucius Felix
Diese auf Thales (DK 11 A 22) und Arat (2) zurückgehende Formel werde in der Spätantike häufig zit iert 1 . Zweitens bezögen sich die Stichworte infusus, sol und miscetur a uf die ersten Verse der Anchisesrede über die Wiedergeburt, Aen. 6,724- 727: Principio caelum ac terras camposque liquentis lucentemque globum lunae Titaniaque astra spiritus intus alit, totamque infusa per artus mens agitat molem et magno se corpore miscet. Zwar bestehe die Anleihe nur a us drei Elementen, doch zum einen würden ecl. 3,60 und Aen. 6,724- 727 gewöhnlich zusammen zitiert, zum anderen fä nden sich infusus und misceri hä ufig in Texten , die von Aen. 6,724- 727 beeinflußt seien , schließlich kontaminiere a uch Mim1cius Feli.x selbst ecl. 3,60 und Aen. 6,724- 727. 2 Allerdings kann der beeindruckende Materialreichtum dieser U ntersuchung doch nicht über vereinzelte Unzulänglichkeiten der Beweisführung hinwegtäuschen.3 So erscheint zunächst das Post ulat eines christlichen Senecaflorilegiums zur Immanenz gewiß nicht unproblematisch. 4 Davon abgesehen erheben sich aber auch noch andere Fragen: 1
los besondere nennt COURCELLE ( Virgile et l'immanence 37sq.) Apul. mund. 24; Symm. rel. 3,5; Macr. somn. 1,17,14; Aug. cons. evang. 1,23,31.35; civ. 4,9.10; 7,9; serm. 255,8; t rin. 8,12; Ps. Damas. epigr. 103,1. 2 COU RCELLE Virgile et l'immanence 38. 3 Ein grundsätzlicher methodischer Konflikt besteht darin, daß CoURCELLE in erster Linie mit den Zitaten der Vergilstellen (teilweise weit) nach Minucius Felix argumentiert und d ie späteren Jmplikationen der Rezeption auf diesen zurückprojiziert, während in der vorliegenden Arbe it vor allem aus dem Vergleich von Prätext und Fo lgetext und von der Rezeption des Zitatsegmentes zwischen beiden ausgegangen wird. Maneber Widerspruch gegenüber COURCELLES Argumentation liegt darin begründet. 4 Die von COUR.CELLE aus dem Verg leich beider Texte (der Senecatext ist ja nur als Zitat bei Laktanz überliefert) gefolgerten lndizien für seine Anna hme sind nicht zwingend. Denn weder ist einsichtig, warum Laktanz nicht von Min. Fel. 32 angeregt sein soll , Seneca in extenso zu zitieren - COURCELLE erwähnt nur die Möglichkeit einer ausschließlichen Abhängigke it ( Virgile et l'immanence 36 "Lactance, qui cite text uellement Seneque, ne peut dependre de ce passage d e Minucius." ) - , d a ja auch hinter den a usgefüh"rten Vergilzitaten inst. 1,5,1lsq. das Vorbild Min. Fel. L9,2 steht, noc h ist es leicht vorstellbar, daß es bereits um 200 eine auf d ie Bedürfnisse der chr isWchen Apologeti.k a usgerichtete Testimoniensammlung einer solchen Form und Verbreitung gegeben haben soll, daß sie noch hundert J ahre später für Laktanz z ugänglich ist, ohne aber sonst irgendwelche nachweisbaren Spuren zu hinte rlassen (wenigstens nennt COUR.CELLE keine). Im übrigen gehören die Gedanken, daß man dem Schöpfer der Welt keinen begrenzten Tempel zu erbauen brauche (Min. Fel. 32,1), daß es absurd sei, dem Geber a ller Dinge etwas zur ückschenken zu wollen (Min. Fel. 32,2) , daß Gott nirgends fern sei (Min. Fel. 32,7) zum Grundbestand paganer Kultkritik und christlicher Apologetik und werden etwa schon vom P aulus der Areopagrede (Apg 17,24-27) als Grundkonsens mjt paganem Denken angeführt. Ein christlicher Senecakenner oder -Ieser bedarf keines Florilegiums, um sich diese Konvergenzen zu vergegenwärt igen. Gegen COU R.CELLES Hypothese spricht sich a uch Marion LAUSBER.C, Untersuchungen zu Senecas Fragmenten, Berlin 1970, aus und vermutet statt dessen , daß Minucius Felix "sich noch enger an ei nen e ntspreche nden verlorenen Passus a us den Exhortationes, d er in der Umgebung der Fragmente 14 und 123 zu denken ist, anlehnen konnte" (89).
Il .2.2
Die Vergilzitate
161
1. COU RGELLE sieht die erste Referenz in der Wendung omnia deo plena. Abgesehen von der Änderung von Iovis zu deo 1 und von der Erweiterung von omnia durch caelestia terrenaque et quae extra istam orbis provinciam sunt, die zwar nicht gegen eine Referenz sprechen, aber
entmarkierend wirken, ist jedoch zu berücksichtigen , daß der Text der Handschrift (und der ne ueren Ausgaben) omnia (. .. J deo cognita plena lautet. 2 Somit ist der Ausdruck omnia deo plena sowohl syntaktisch, da der Bezug von deoauf plena nmmehr zeugmatisch erfolgt,3 als a uch sema ntisch, da sich der Aspekt der Allwissenheit vor die Allgegenwart schiebt , auseinandergerissen. 2. Die Aussage omnia deo plena hat nichts zwingend Vergillsches: 4 (a) Im paganen Bereich sind deren ältere und a uch in Rom wohlbekannte Bezugspunkte Thales und Arat. 5 In der vorliegenden Formulierung könnte also auf jeden der drei oder den Gedanken überhaupt 6 Bezug genommen sein.7 (b) Die Aussage omnia deo plena kennt der Sache nach im 1
Der Gen it iv nach plenus wird nachklassisch durch den Ablativ verdrängt, cf. KS H 635. 2 COURGELLE zitiert nach d er Ausgabe von WALTZING (Leipzig 1926 2 ), d er cognita athetiert. BEAUJEU ( cf. Apparat ad l.) , C LARKE (zur Begründung 345 Anm. 545) und KYTZLER belassen cognita. 3 Zum zeugmat ischen Verständnis von deo primär als Dativ zu cognita und sekundär als Ablativ zu plena ausfii hrlich P ELLEGRJNO ad l. 239. D iese Form des zeugma rectionis ist in der Regel auf die Dichtersprache beschrän kt , so etwa Ov. Pont. 3 ,5,26 cum tral~erer dictis adnueremque tuis, cf. LHS ll 824. KYTZLER übersetzt "Gott bewußt, ja von ihm erfiillt'., BEAUJEU "connus de Dieu , pieins de lui". 4 COLEMAN spricht der Eklogens telle Oberhaupt einen p hilosoph ischen Hintergrund ab ( ad l. 117}: "[NJo st oic overtones need be seen here; t he immanentis m is adequately motivated by Palaemon 's preceeding eulogy of spring." Anders aber P. BOYANCE, Le sens cosmique der Virgile, R.EL 32 ( 1954} 22D-249, hier 234; WLOSOK Vergil als Theologe 374: "[DJer a lles durchdringende Jupiter klingt bereits in der 3. Ekloge (60) in einem Aratzitat an." Hins ichtlich einer möglichen philosophischen Rezeption s pielt diese Frage jedoch keine Ro lle. 5 Thales (DK 11 A 22) wird in der griechischen Literatur häu fig zitiert (etwa Aristot. an im. 411a; Ps. Aristot. mund. 6; P lotin . 6,9 ,4. 7.9; P rophyr. MareeiL ll sq.; Procl. Tim. 1; cf. gru ndsätzlich W . T HEILLER, Die Vorbereitung des Neuplatonis mus, Ber lin 1934) , C icero gibt ihn leg. 2,26 wieder: Thales qui sapientissimus in septem fuit, 'homines existimare oportere omnia qu.ae centerent deorum esse plena '. - Arats e nts prechender Vers wird in der griechischen Literatur hä ufig zitiert (beispie ls weise Lucian. Prom. 14, 197; Ael. Arist. Sarap. 30; C lem. Alex. Strom. 5 , 14 , 101), in Rom kenn t man d as Gesamtwerk du rch die Übersetzungen des Cicero, des Germanic us und des Avienus (alle erwähnt Hier. in Tit.. 1,707 [607°Jsqq.) , deren Erstellung auch die Bedeutung unterstreicht, die man den Phainomena dort beimißt. Serv. ecl. 3,60 zit iert Arat. 2a. 6 Zur Gelä ufigkeit des Gedankens omnia deo plena etwa C ic. div . .1,64 plenus aer sit 7
inmortalium animorv.m. COURCELLE ( Virgile et l 'immanence 37sq.) fUhrt zwar Stellen an, d.ie Verg. ecl. 3,60 als locus classicus fiir d as T heologumenon omnia deo plena zitieren sollen. Doch ist zu bedenken , daß Apul. mund. 24 ( Vetus opinio est atque cogitationes omnium hominum penitus insedit, deum originis haberi auctorem deu.mque ipsum salutem esse et pe1·severantiam earum, quas effecerit, rerum. Neque ulla 1·e s est tam praestantibus viribus, quae eius viduata auxiiio sui natura contenta sit. Hanc opinionem vates secuti projiteri ausi sunt, omnia I ove plen a esse, cuius praesentiam non iam cogitatio sola,
162
11.2
Minucius Felix
Zusammenhang mit der Allwissenheit und Allgegenwart Gottes auch das frühe Christentum. So zit iert Cyprian in seiner Testimoniensammlung (testim. 3,56) unter dem Lemma deum nihil latere ex his quae geruntur eine Perikope aus dem Propheten Jeremia, 23,23sq.: Ego Deus adproximans et non Deus de longinquo. si absconditus jue1"it homo in abscondito, ergo ego non videbo eum? nonne caelum et terram ego impleo, dicit Dominus?1
Auch in Aussagen über Schöpferturn und Transzendenz Gottes wird der Gedanke ausgesprochen, daß Gott das All erfüllt. 2 3. Die Referenz auf den Anfang der Anchlsesrede (Verg. Aen. 6,724- 727) ist zum einen spra<:hlich wenig signifikant, da sie nur auf den in philosophisch- t heologischer Rede nicht ungewöhnlichen Ausdrücken misceri und infusus beruht, 3 zum anderen müssen zu den vorgebrachten Indizien folgende Einschränkungen gemacht werden: (a) Daß der Anfang
1
2
sed oculi et aures et sensibilis substantia conprehendit.), auch wenn vates und fove für eine Vergilreferenz sprechen , eine lectio Romana vorzuliegen scheint. Das Vorbild zitiert nämlich an entsprechender Stelle (Ps. Aristot. mund. 6) Thales. Symm. rel. 3,5 heißt es allgemein omnia quidem deo plena sunt, was eher für d ie Geläufigkeit d es Gedankens spricht; erst bei Macrobius (somn. 1,17,14) und Augustinus (cons. evang. 1,23,31.35; civ. 4,9 .10; 7,9- serm. 255,8; trin. 8,12; Ps. Damas. epigr. 103,1 meinen mit deo plenus sim. doch wohl lv8to~ und gehören nicht hierher), a.lso anderthalb Jahrhunderte nach Minucius FeliJ< , wird a usdrücklich ecl. 3,60 zitiert mit einer stoischen oder neuplatonischen theologi zugeschriebenen Deutung von lovis a ls Allegorese für die anima mundi. Außerdem Cypr. domin. orat. 4; Japs. 27 bis videbo eum. Augustinus zitiert cons. evang. 1,23,31 diese Stelle im Zusammenhang mit ecl. 3,60. Clem. Alex. Strom. 5,14,101 zusamm en mit Tbales. So etwa Athenag. suppl. 8,6 (über die Unmöglichkeit der Existenz mehrerer Götter) d
Bi I!Tt ltOt&L 11flu npovoti ILflu ta·t l ltOITJ"trt~ tou x6o!J.ou 8&6~.
3
"tOltO~ lnpo~ tv
4>
Lattv, d~ ou"to~ t~ &px_ij~ xcd 116vo~ 6
Aug. conf. 1,3,3 in einer Reflexion über Jer 23,24. Auf diese Stellen verwe ist schon PELLEGRJNO ad l. 239. Mit der Gemeinsamkeit von Titania astra und sol sollte man wohl nicht argumentieren: Zum einen ist der Wortlaut verschieden, zum zweiten besteht kein syntaktischer Zusammenbang mit infusus oder miscere im Sinne einer J unktur, zum dritten wird die Sonne bei Minucius Felix in einem ganz anderen und prägnanten Ko ntext erwähnt. Im übrigen widerspricht sich CouRCELLE hier insoweit, als er einerseits davon ausgeht, Minucius Felix habe Vergil in Seneca (epist. 41,1.5) eingeschoben , andererseits aber für diese Stelle behauptet, Vergils Titania astra rege die Verwendung d es Sonnengleichnisses an, in dem aber die Sonne auf der Sachhälfte für Gott steht, während sie in der Anchisesrede vom Göttlichen beseelt wird. Seide PrätextstelJen haben also nichts außer dem bloßen Semem 'Sonne' gemeinsam. - Immerhin könnte der Gebrauch von infusus und m iscere von Vergil angeregt sein , der zumindest für deren bei ~l i nucius FeliJ< allerdings mittelbare Verbindung das nächstliegende Vorbild zu sein scheint. So finden sich Komposita zu miscere bei Cicero in t heologisch- kosmologischem Zusammenhang (etwa nat. deor. 2,26 aquae et1am admixtum e$8€ calorem primum ipse Iiquor aqua.e declarat et fusio, quae neque conglaciaret frigoribus neque nive pruinaque concresceret, nisi eadem se admixto calore liquefa cta et dilapsa diffunderet; 3,36 Quod si ignis ex sese ipse animal est nulla se alia admiscente natura, quoniam is, cum ine$t in corporibus nostris, efficit ut sentiamus, non potest ipse esse sine sensu.), zu infusv.s verweist TbLL VII, I s.v. infundo 1508,31- 35 'de spiritu divino' auf Varro fr. Serv. georg. 1,315
11.2.2
Die Vergil.zit.ate
163
der Anchisesrede (Aen. 6,724- 727) und Iovis omnia plena (ecl. 3,60) zusammen zit iert werden, t rifft nur fü r zwei der angeführten Stellen zu , die außerdem deutlich jünger sind als Minucius Felbc 1 (b) Daß die Stichworte infusus und miscere häufig in Texten stehen, die von der Anchisesrede beeinfiußt sind , ist insofern eine wenig aussagekräftige Beobachtung, als sie in jener ja vorgegeben sind. Es wird im Grunde genommen also damit argumentiert, daß die Anchisesrede oft und unter Übernahme der den spezifischen Sinn tragenden Wörter infusus und miscere zit iert wird. Allerdings ist Minucius Felix selbst für die Rezeption der Anchisesrede der älteste Beleg,2 und bei seiner paraphrastischen Varro in libris divinarum dicit, deum esse Lactantem, qui se infundit segetibus et eas facit lactescere. Cic. nat. deor. 1,28 aut infixus aut infusus [. .. } in mundo; Manil. 2,61 infusumque deum caelo terrisquefretoque und Min. Fel. 32,7, Vergil findet sich am Ende (1508,52) eigens 'cum nota diffundendi '. Zusammen erscheinen infundere und miscenJ
1
samt Ableitungen sehr häufig technisch in Rezeptangaben, etwa Vitruv. 2,5,1; Colum. 6,5,3; 6,6,30; Cels. 4 ,26,7; 5,17,2c; 6,19.1; Plin. nat. 28,175; Scribon. 8 , ähn lich Lucan. 1,648 omnis an infusis miscebitu1· unda venenis; nat urphilosophisch Apul. mund. 3 exin inferioris aeris qualitas turbidio1· infunditur, cui permixtus est glacialis rigor. •Jedoch scheint die Verwendung von infusus und miscere für die Immanenz Gottes Vergil und Mjnucius Felix zu verbinden. Paneg. 11 (3) 14 ,2 ltaque illud quod de vestro cecinit poeta Romanus Iove: 'l ovis omnia
plena ', id scilicet animo contemplatus, quamquam ipse luppiter summum caeli verticem teneat supra nubila supraque ventos sedens in luce perpetua, numen tarnen eius ac 'mentem toto infusam' esse mundo, id nunc ego de utroque vestrum audeo praedica.re: ubicumque sitis, in unum pulatium concesseritis, divmitatem vestmm ubique versa1"i, omnes terras omniaque maria plena esse vest1'i. Auson. 419,5 nec iam mirarnur licentiam poetarum, qv.i omnia deo plena dixerunt steht weit entfernt von 419,40 et mens ita aurea quam de communi deoplus quam unus hausisti, das außerdem nicht als sichere Referenz auf Aen . 6,726sq. spiritus intus alit totamque infusa per artus I m ens agitat molem b ezeichnet werden kann. Sen ' . ecl. 3,60 zitiert unter anderem Aen . 6,726sq.: 'ab Iove principium Musae' vel Musae meae ab Iove est principium: vel o musae, sumamus ab Iove principium . est aut.em Amti [1 sq.],qui ait tx ß~i><; 6:px.wfJ.&o9a., 1011 ou5i no•' liv5ptt; lwfJ.tll / lippT)"tOv ' lovis omnia plena' l,ucanus [9,580] 'luppiter est quodcumque vides, quodcumque moveris', ipse alibi 'spiritus intus alit, totamque infusa per artus mens agitat molem ': ipse enim est spiri.tus, sine quo nihil movetur· aut regitur. Macr. somn. 1,17,5 zitiertet magno se corpore miscet (Aen. 6,727), in anderem
2
Zusammenhang und zwei Teubnerseiten später ( 1,7,14}, wenn auch immer noch zum Kapitel C ic. rep. 6,17, ab Iove principium, Musae, lovis omnia plena (ecl. 3,60 ). Allerdings wird, was freilich COURCELLE nicht erwähnt, Aen . 6,726 zitiert von Prob. Verg. ecl. 3,61. Diesen Befund zusammenzufassen mit: "[LJes deux passages Buc. l 11 ,60 et Aen. Vl, 723/sic}- 727 vont habituellement de pair, tant che-.t les Panegyristes que chez les commenta.teurs.•· (CouRCEI.LE Virgile et l'immanence 38sq.). erscheint gewagt. Paneg. 12,26,1 (aus dem Jahr 313) vis mensque divina f. .. } qua toto infusa mundo
omnibus miscearis elementis et sine ullo extrinsecus accedente impulsu per te ipsa movearis geht sicher auf Verg. Aen. 6,724- 727 zurück. Lact. inst. 1,5,11 (cf. epit. 3,4) ist jedoch über Min. Fe I. 19,2 vermittelt ( nostmrum primus Mam non Ionge afuit a veritate, cuius de summo deo quem spiritum ac mentem nominavit, haec enim verba sunt f. ..}, was CouRCELLE Virgile et l 'immanence 39 Anm. 22 zitiert, gibt fast wörtlich Min . Fel. 19,2 !dem alio loco m entem istam et spiritum deum nominaL. Haec enim verba sunt: f. .. Jwieder); Aen. 6, 726sq. zitiert Laktanz a uch inst. 7,3,1; ira 11 ,5; cj. opif. 16,2 mens f. ..J infusa f ... J misceatur. Die Stellen Filiastr. 98,1 (inspiratio f... J infusum); Aug. conf. 7, 1,·1 (infusum mundo) 7,1,2 (penetrore totam mundi molem) enthalten nur
164
11.2
Minucius Felix
Wiedergabe der Verse (19,2) läßt er gerade magno se corpore miscet weg. (c) Das Argument, daß Minucius Felix selbst die An chisesrede und lovis omnia plena (ecl. 3,60) ' kontaminiere', wird dem Text nicht gerecht: Auf pleni et mixti deo vates (7,6) wirkt kaum die Eklogenstelle ein, 1 außerdem steht diese Aussage a us der Rede des Caecilius mit einem Abstand von immerhin zehn Teubnerseiten getrennt vom Zitat der Anchisesrede (19,2) in den Ausführungen des Octavius. Minucius Felix steht hier also zwar unter dem E influß der theologisch- philcr sophischen Diktion Vergils, aber er intendiert offenbar keine Perzeption des Prätextes. In der Auseinandersetzung mit einem wohl in die mittelplatonische Sphäre gehörenden absolut transzendenten Gottesbild greift er vielmehr dort, wo er den christlichen Glaubenssatz von der Allgegenwart und Allwissenheit Gottes exemplifizieren will, zu einer Formulierung, die sich in einzelnen Termini an klassische Vorbilder anlehnt, ohne die Stelle aber zitieren zu wollen. 2
35,1sq. {1} Et tarnen admonentur homines doctissimorum libris et carminibus poetarum illius ignei fiuminis et de Stygia palude saepius ambientis
1
2
Einzelsticllwörter ohne faßbaren Vergilbezug, erst P auün. Nol. epist. 16,2 ( Quis enim non videt mundum istum corporeum vi incorporea gubemari totamque molem infusa atqtLe permixta universitatis corpori divini spiritus m ente, qua jacta est, agitari ad vitam?) wird dieser Bezug deutlicher, Hier. in Eph. 2,4,6 ; in Js. 16,57 ausdrticklich. - Die Belege zeigen, daß die von Vergil in den Anfangsversen der Anchisesrede verwendete phüosophisch- theologische Terminologie etwa vom Beginn des dritten Jahrhunderts an, insbesondere von Laktanz, häufig aufgegriffen wird, teils mit, teils ohne Vergilbezug (exemplarisch zu sehen am Begriff miscere, der für die Immanenz Gottes einmal bei Vergil und häufig ab Laktanz erscheint, cj. ThLL Vlll s.v. misceo 1090,75-79; 1092,72sq.) . Vielleicht ist Minucius Felix also zwar als Vorreiter oder, was Laktanz angeht, als Anreger zu sehen , zu seiner Zeit aber scheinen die Verse Aen . 6,724-727 noch nicht als locus classiCU$ der Kosmologie zu gelten, dessen Perzeption man beim Leser nur auf zwei Stichworte hin, injusus und miscere, mit einiger Sicherheit voraussetzen könnte. Daraus .ist zu folgern , daß Minucius Felix hier zwar von vergilischer Ausdrucksweise beeinH ußt ist, aber nicht mit einem Zitat und mit Vergils auctoritas argumentieren möchte. Zum vergilischen Einfluß auf die For mulierung 7,6, wo es um die ekstatische Gottbesessenheit eines Propheten (plenus im Sinne von lv&to~ ) und nicht um das gotterftillte All geht, oben {125} ad l. Die Frage, welches Verhältnis zwischen dem vorausgehenden (19,2) Zitat von Aen. 6,724- 727 und der Anspielung hier besteht, läßt sich nur andeutungsweise beantworten: Generell wirkt f<requenz markierend, d .h., ein bereits zitierter Prätext wird bei nochmaliger Bezugnahme wahrscheinlicher perzipiert, doch sind, wie gezeigt, d ie sprachliche Signifikan.z und das argumentative Gewicht einer Referenz hier zu ger ing, um von einer rezipientenorientierten Intentionalität beim Umgang mit dem Prätext auszugehen . Daher wäre es eher denkbar, daß Minucius Felix hier auf der Suche nach einer adäquaten Ausdrucksweise wiederum auf vergilische Diktion und ins besondere diejen igen Aeueisverse zurückgreift, deren t heologische Aussagekraft er erkannt und sich - o ffenbar als erster - zunutze gemacht hat. Dieses subjektive Element entzieht sieb freilich dem Zugriff des Interpreten.
11.2.2
Die Vergilzitate
165
ardoris, quae cruciatib·us aeternis praepamta et daemonum indiciis et de orawlis prophetarum cognita tmdiderunt. (2) Et ideo apud eos etiam ipse rex l uppiter per torrentes ripas et atram voroginem i·urat religiose; destinatam enim sibi cum suis cultoribus poenam praescius perhorresci t.
In seiner Verteidigung der christlichen Lehre von Auferstehung und Gericht beruft sich Octavius auf das Zeugnis der doctissimorum libti und der carmina poetm"Um, in denen bereits von einem Ort der Strafe im Jenseits die Rede sei. Trotz der Pluralformen doctissimi und poetae bezieht sich dieser Verweis nur auf zwei loci classici paganer U nterweltsschilderung, nämlich auf P latons Phaidon und Vergils Aenei.s. (1) Bezugspunkt ist zunächst (35,1) die Darstellung eines feurigen Unterweltsstromes. Platon stellt ihn unter dem Namen Pyriphlegethon dar, Phaed. 113ab: Tph:o~
Be 1tO"t<XfLO~ -tothwv xcx-t<x fLEcrov txß<XA.A.&t, xcxl trru~ •i)~ txßoA. i)~ d~
El<ml1t"t&l
t01tOV fLEi<Xv 1tupl 1t0AA(!> X<XlOfL&VOV, X<Xl AlfLVl)V 1tm&i. fLd~w -ti)~ 1t<Xp' i)fLi.V ßcxA. üBcxtt· 1tepteAtx.6E.l~ Ba 7toAA
....
• •
Bei Vergil erscheint er als Phlegethon und begrenzt den Tartarus, Aen . 6,548- 551: Respicit Aeneas subito et sub t'upe sinistra moenia lata videt triplici circumdata muro, quae rapidus fiammis ambit torrentib·us amnis, Tartar·eus Phlegethon, torquetque sonantia saxa. Oie Darstellung bei Minucius Felix läßt sich mit beiden Texten in Zusammenhang bringen: Die Junktur Stygia palus geht auf Vergil zurück (Aen. 6,323, Sibylle zu Aeneas: Cocyti stagna vides Stygiamque paludem und Aen. 6,369, Palinurus zu Aeneas: fiumina tanta paras Stygiamque innare paludem) und find et sich hä ufig in der Dichtung, vereinzelt in nachklassischer Prosa, 1 doch könnte man darin eine freie Wiedergabe des platonischen 1
ln Prosa etwa Apul. met. 2,29; 6 ,13 ; Fronto A 219 (217,15 v.d .H.); Gell. 2,6 ,14 im Zusammenhang mit e inem Vergilzitat; Tert. anim. 50,3 Stygias paludes poeta fsc. Menanderj tradidit mortem diluentes - und doch stirbt Acbill ; dazu oben (70) ad l. Über d ie Verwendung von Stygius in der früheu cl1ristliche n Latinität zusammenfassend T HOME ( 199): "Anders als Tartareus ist Stygt.us kein so rechtes Nachleben bei den christlichen Autoren beschieden. Bezeichnend ist a lso wiede r einmal die Vorzugsstellung des zwar zum negativen d eterminierten , aber nicht so intensivie.r ten und ausgeschöpften Adjektivs, eben Ta.rtat'e'US. Stygius d agegen ist überhaupt nur ganz vere inzelt belegt
166
II.2
Minucius Felix
,AXEpOOalO.~ A.l~-tV1J
sehen. Das saepius bei Minucius Felix führt man öfter auf das vergilische novies Styx interfusa (georg. 4,479; Aen. 6,439, über die Abgeschlossenheit des Totenreichs) 1 zurück,2 doch liegt Platons Formulierung 1t&pL&AlX6d~ 8& 1toA.M:x L~ als Vorbild für saepius ambientis sprachlich näher , obwohl sich ambire auch in Vergils Darstellung des Phlegeton (Aen. 6,550 quae rapidus ftammis ambit torrentibus amnis) findet. Auch der Gedanke, daß der Pyriphlegethon den jenseit igen Strafort ( quae cruC'iatibus aeternis praeparata) umfließe, t rifft gleichermaßen für Vergil, bei dem sich ctie Schilderung des Tartarus anschließt , wie für Platon (Phaed. 114a) zu, der ausführt, daß diejenigen, die noch abbüßbare Verbrechen begangen hätten, xcx'tO. 'tOV Kwxo't6v in den Tartarus geworfen würden, 'tou~ 8& 1tCX'tpcxA.otcx~ xcxl ll1J'tpcxA.olcx~ xcx'tO. 'tOv llupl
IL2. 2
Die Vergilzitate
167
bei Homer wird mehrfach betont , d aß die Götter ihre Eide beim öBwp E•ur6~ leisten, was in der späteren Literatur durchweg übernommen wird . 1 Auch in der Aeneis wird der Sachverhalt mehrfach erwähnt,2 zitiert ist hier die Formulierung eines vergilischen iteratum, Aen. 9,104sq. = 10,113sq.:
Stygii per flumina jmtris, per pice torrentis atraque vorogine ripas. Die Schw urformeleinleitung perbehält Minucius Felix bei, d ie komplexe vergilische Konstrukt ion aber mit den zwei adverbialen Ablativen löst er in einen zweigliedrigen parallelen Ausdruck auf, der aus dem Kern der vergilischen Formulierung ( torrentes 1-ipas) und einer vereinfachten W iedergabe des poetisch in pice und voragine Ausgedrückten ( atram voraginem) 3 besteht. Bei der sprachlichen und rhythmischen 4 Prosifikation bleiben aber die Atmosphärenschilderungen der vergiUschen Formel, die Dunkelheit5 und das reißende Wasser, erha lten und werden geradezu verdeutlicht. Daß das Vergilzitat sich a uf d ie Styx und nicht a uf den Pyriphleget hon bezieht, von dem eigent lich d ie Rede ist , stört offenbar nicht, da es Minucius Felix in erster Linie um die polemische Pointe zu gehen scheint, daß Jupiter in Kenntnis seines und seiner Verehrer Sch icksal so schwöre. Demnach dürfte das Zitat der Schwurformel um dieser Spitze willen an die Darstellung des platonischverg ilischen Feuerstromes angeschlossen sein , vielleicht angeregt d urch Aen.
6,323sq. Stygiamque paludem, / di cuius iurare timent et jaller·e n11.men. Insgesamt ist der Gedankengang am Anfang des Ka pitels 35, also der Pyriphlegethon als zut reffende Höllenvorstellung bei den paganen Philosophen und Dichtern , angeregt durch Tertullian (apol. 47 ,11- 13), d er d iese Übereinstimmung a ls Beis piel für die durch die Propheten ver mittelte E rkenntnis der Wa hrheit im Heident um anführt. Minucius Felix hingegen ko mmt von der Sache selbst , also von den Vorstellungen von Auferstehung und Gericht her. Wie das Vor bild Tertullian erklärt er die Wahrheitserkenntnis der philosophi und poetae in d iesem Bereich mit der Abhängigkeit von den Propheten;6 über diesen hina us geht der Hinweis auf die Dä monen, deren Wirken bereits in den 1
2
3
4
5 6
Cf. Horn. Il. 2,755; 14 ,271- 279, v. a. 271; 15,36-38 = Od. 5,184- 186; h. Cer. 259; zur Ätiologie Hes. 'Th. 400; Apo!!. Rhod. 2,29 1. Yerg. Aen. 6,323sq.; 9,104sq. = 10 ,113sq.; 12,816 adimo Stygii caput implacabile fontis, später etwa Ov. fast. 5,250 et Stygiae numen testifico,bo1· aquae; Ov. met.. 3,290sq. Stygii quoque conscia sunto / numina torrentis: timor et deus ille deorum est. Si!. 13,568- 570; Stat. T heb. 8,30. Dabei geht das metaphorische pice für die Schwärze des reißenden Wassers - zu diesem Verständnis (gegen 'brennendes Pech ') und zum Widerspruch zwischen palus und torrens DINGEL ad Aen . 9, 105 (76sq. ) - in atrom a uf. Voräginem iürät (lo-etisch- trochäische Klausel). Zur Dunkelheit als typisch em Stilisierungsprinzip des Unterweltlieben T HOME 20ü203. Diesen Altersbeweis ( cf. P JL HOF'ER 282) hat. er schon 34,5 eingeführt: animadvertis philosophos eadem disputare quae dicimus, non quod nos simus eorum vestigia subsecv.ti, sed quod illi de divinis proedicationibus prophetarum umbrom interpol4tae veritatis inteq:Jolati sint. Nur a n diesen beiden Stellen werde n übrigens die prophetae erwähnt.
168
11.2
Minucius Felix
Kapiteln 26 und 27 dargestellt worden ist. Auch das Zitat der vergibsehen Götterschwurformel und die daraus entwickelte Pointe setzt Minucius Felix hinzu. Für die Stellung des Apologeten zur Dichtung im allgemeinen und zu Vergil im besonderen ergeben sich drei As pekte: Erstens erscheinen Dichtung und Philosophie gleichberechtigt nebeneinander. Zweitens wird beiden eine gewisse Ubereinstimmung mit christlicher Wahrheit zugest anden, die nicht nur einleitend betont, sondern auch insofern strukturell her vorgehoben wird , als Caecilius ausdrücklich d ichterische Aussagen über ein Weiterleben im Jenseits als figmen ta male sanae opinionis et inepta solacia a poetis fallacibus in dulcedine carminis lusa (11,9) abgetan und damit .. quasi dem Christen überlassen hat. Drittens begründet Minucius Felix die Obereinstimmung der poetae und philosophi mit der christlichen Lehre, die er im früheren Verla uf der Octaviusrede (19, l sq.; 20,1) ohne Ursachenerklärung hervorhebt, nun mit den unterdessen eingeführten Argumenten von der Priorität der Propheten und vom Wirken der Dämonen , die also wohl auch für die o ben ausgewiesenen Berührungen gelten und erst im weiter fortgeschrittenen Dialog zur Sprache kommen. 0 0
36,9 Itaque et nobis deus net non potest subvenire nec despicit, cum sit et ornnium rector et amator suoru.m, sed in adversis unumquemque explorat et examinat, ingenium singulorum periculis pensitat, usque ad extremam mortem voluntatem hominis sciscitatur, nihil sibi posse perire sect.Lrus. itaque ut auru.m ignibus, sie nos discriminibus arguimur·. I n der Entgegnung a uf das Argument des Caecilius (12,3), der Gott der Christen müsse grausam od er machtlos sein, da er ihnen in Not und Gefahr nicht zur Hilfe komme, stellt Octavius die Bedrohung der Glä ubigen als Prüfung dar. Die in diesem Zusammenhang gebrauchte Wendung extrema mors zur Bezeichnung des Augenblicks äußerster Todes bedrängnis erscheint erstmals bei Vergil (Aen. 2,447 extrema iam in morte parant defendere telis; 11 ,846 non tarnen indecorem tua te regina r-eliquit / extrema iam in morte) , da nn bei Statius (Theb. 3,70 pectora et extremam nihil horrescentia mortem), in Prosa zum ersten Mal bei Apuleius (met. 8,30 ve1·berantes paene ad extremam confecerant mortem). 1 Auch wenn der Beleg bei Apuleius auf eine Verbreitung der Junktur in der nachklassischen Prosa hinweist , sucht Minucius Felix hier offenbar den color Vergilianus und ein episches P athos.
39 Cum Octavius perorasset, aliquamdiu nos ad silentium stupefacti intentos vultus ten ebamus, et quod ad me est, magnitudine admirationis evanui, quod ea, quae facilitts est sentire qt,am dicere, et argumentis et exemplis et lectionum auctoritatibus adornasset et quod malevolos isdem illis, quibus armantur, phiiosophoru.m telis retudisset, ostendisset etiam veritatem non tantummodo facilem sed et favorabilem. 1
Cf. ThLL V,2 s.v. exter (extremus) 2002,49-51, mit Verweis a uf 'al. '
II.2.3
Auswertung
169
Die Reaktion der Dialogpartner schildert Mlnucius Felix in Anlehnung an die gespannte Zuhörererwartung vor der großen Erzählung des Aeneas zu Beginn des zweiten Aeneisbuches: contieuere omnes intentiqv.e ora tenebant. Das Schweigen, bei Vergil knapp a usgedrückt, periphrasiert Minucius Felbc 1 In der Schilderung der Anspannung übernimmt er das charakteristische intentus2 und tenere. Die Änderung des Bezuges ( intentos st att intenti) und die Substitution von ora durch vultus dienen wohl der Prosifikatlon, der hexametrische Rhythmus verschwindet durch die mor phosyntaktische Adaptation des Verbs. Das Tempus behält Minucius Fellx bei. Allerdings d rückt das Imperfekt bei Vergil die schon vorhandene, bei Minucius Felix die noch andauernde Spannung der Zuhörer aus. Überhaupt ist die Umkehr der Sit uation gegenüber dem Prätext bemerkenswert - dort harrt man einer gewalt igen Erzählung, hier steht man bereits unter dem Eindruck einer bewegenden Rede - und sicherlich als Pointe von Minucius Felix intendiert. Daß die Teilnehmer im literarischen Dialog nach einem Beitrag schweigend verharren, gehört zur Gattungstopik. 3 Um a ber die besondere Wirkung der Octaviusrede hera uszuheben, die ja auch das Umdenken des Caecilius mot ivieren soll, set zt Minucius Felix gezielt d ie Vergilreferenz.
2.3 2.3.1
Auswertung Die Zitatsegmente: Formen und Ve rände runge n
Was zunächst Beacht ung verdient, ist die Auzahl von etwa 40 erörterten Zit atsegmenten in einem so kurzen Werk.4 Ordnet man diese d ann nach ihrem Umfang, so ragt natürlich d ie einzige wörtliche und namentlich angekündigt e Referenz heraus (19,2). Hier paraphrasiert Mlnucius Felix zunächst sechs Vergilverse (Aen. 6,724- 729) und füh rt dann einen kleinen Cento von andert hal b Versen a us den Georgika (4,220b.221) und einem a us der Aeneis (1,743) an. Einen zweiten größeren Block vergilischen Einflusses stellt die eng an den W01t la ut der Aeneis (8,322b.323) angelehnte, aber nicht als Referenz gekennzeichnete Etymo logie von Latium als Versteck des Saturn (23,11) dar, der unmittelbar d ie aus demselben Aeneiskontext (8,357sq.) übernommene Herleit ung der O rtsnamen Saturnia und laniculum folgt. Auch im Zusammenha ng mit den Ausführungen über einen feurigen Unterweltsßuß (35,2) übernimmt Minuci us Felix in abgewa ndelter Formulierung eine andert halb 1
2
3 4
Eine Änderung ist. hier a uch nötig, da contiwisse bei Minucius Felix implizieren würde, daß Caecilius und Minucius Felix sich während der Rede des Octavius anderweitig unterhalten hät.ten. 1m Zusammenhang mit der Verwendung von intentus an der Vergilstelle nennt ThLL VTl ,l s.v. intendo (mtentus) 2118,40sq. vor a.llem Prosabelege fü r die Wachsamkeit von Soldaten. Der Beleg bei Minucius Felix ist zwar nicht erwähnt, aber a uch kein weiterer bezogen a uf Zu hörer. Die Semant.ik von intentus ist hier also außergewöhnlich. Cf. P lat. P haed. 84c; Protag. 328d; Varro rust. 1,49,1; T ac. dial. 24 ,1. Der Teub nertext von I< YTZLER umfaßt 37 Seiten.
170
11 .2
Min ucius Felix
Verse umfassende Formel a us der Aeneis (9,104b.105 = 10,113b.114). Neben diesen drei größeren Blöcken find en sich vierzehnma l Junkturen a us wenigstens drei unveränderten 1 oder nur leicht umgeformten2 vergilischen Elementen, deren semantische oder syntaktische Binnenstruktur bewahrt wird. Aus lediglich zwei Elementen bestehen sechs verbale3 und sieben nominale4 Junkt uren. An manchen Stellen beruht die Vergilreferenz a uf der Übernahme des gedanklichen Kontextes und einzelner Stichwörter unter Auflösung der syntaktischen Struktur. Meist handelt es sich um freie Nachahmungen der vergilischen Darstellungsweise für einen bestimmten Sachverhalt, so wenn das Anbranden des Meeres (3,3), 5 die Verunreinigung du1·ch Kontakt mit Irdischen , bei Vergil auf die Seelen, bei Minucius Felix auf dle Dämonen bezogen (26,8), und dle Gegenwart des Göttlichen in der Welt (32 ,7b.8) 6 beschrieben werden. 7 Schließlich ist a uf Einzelwörter zu verweisen , die in drei Fällen die Semantik des Kontextes8 , in drei anderen den Gebrauch 9 mit Vergil gemeinsam ha ben. 1
2
3
4
5
6
7
8
9
3,3b aequoris limine planta tingueremus zu Aen. 7 ,811 tingeret aequore plantas; 3,4 orom [... ] li toris [... } legebamus zu georg. 2,44 lege litoris orom; 5,6 indulgentes insano [... } labori zu Aen. 6,135 insano [... } indulgere lab01'i; 7,4a Allia nomen infaustum zu infaustum Allia nomen; 25,3 sine more ropuit Aen. 8,635 roptas sine more. 5,10 cum tabe pestifero caeli troctus inficitur Aen. 3, 137sq. cum tabida membris I corrupto caeli tractu [... ] venit [...J lues; 6,2 imperium [... } ultro solis vias zu Aen. 6,696sq. imper ium [... }extra[... } solisque vias; 7,4b Parthos signa repetamus zu Ae n. 7,606 Parthosque reposcere signa; 7,5 templis [... }: magis sunt augusta numinibus [.. .J quam [... } muneribus opulenta zu Aen. 1,446sq. templum [... } donis opulentum et numine divae; 16,3 viam [... J ubi [... J in plun~s una diffinditur zu Aen. 6,540 ubi se via findit in ambas; 22,7 Gastores alternis moriuntur ut vivant zu Aen. 6,121 frotrem Pollux alterna morte redimit; 25,1 Romanis dedit [...J imperium zu Aen 1,279 his [sc. Romanisj [... ] imperium sine fine dedi; 37,7a omnia [... } deo [... ] plena zu ecl. 3 ,60 l ovis omnia plena; 39 intentos vultus tenebamus zu Aen. 2,1 intentique oro tenebant. 2,4 auro adspirons; 3,3d harenas [... } perfundens; 3,5 versis vestigiis; 12,6 caput nectitis; 30,1 sanguinem [. ..J caedat; hierher gehört wohl a uch 3,3a positis fiatibus z u Aen. 7,27 sq. venti posuere [...J I resedit fiatus. 3,6 summis fiuctibus; 1,6 pleni et mixti deoaus plena deo (cf. Sen. s uas. 3,5) und Aen. 7,66 1 mixta deo; 9,2 vana [... } superstitio; 9,5 caecis [... } vulneribus; 12,1 cassa vota; 35, 1 Stygia palude; 36,9 extremam mortem. So 3,3c die Stichwörter relabi und retrohere aus der Brandungsschilderung Aen. 10,307; 3,3d werde n nebe n d er J unktur harenas perfundere a uch die Gliederung mit nunc [... ] nunc und das Stichwort resorbere aus einer vergilischen Schilderung des anspülenden Meeres (Aen. 11 ,625-627) überno mmen. Hierzu gehören auch St ellen, an denen Minuc ius Felix über eine zweigliedrige Junktur hinaus zusätzliche Stichworte , meist abgewa nde lt und aus dem weiteren Kontext, übernimmt, so erscheinen etwa 7,6 E le mente aus d er Siby llenschilder ung (plena deo, vates, futuro , pmescius); 35,1 über den feur igen U nterweltsstrom saepe ambientis; 39 ad silentium stupefacti entspricht Aen. 2,1 contieuere omnes. Hierher gehört aber auch die Anspielung auf die vergilische lx
LI.2.3
Auswert ung
171
Bis hierher läßt sich festhalten, d aß d ie komplex geba uten und umfangreicheren Zitatsegmente überwiegen. Die Referenz erfolgt also meist a uf der Ebene der syntakt ischen, semantischen oder pragmat ischen Struktur , nicht auf der Ebene des Einzelwortes. Dementsprechend finden sich zwar manche Wendungen bestehend aus prosaischen Wörtern , die in i'unctura bis dahin der Dichtung vorbehalt en waren, bei Minucius Felix erstmals in Prosa, 1 aber kein von Ve rgil geprägtes poetisches E inzelwort . Das deutet zum einen darauf hin, daß Minucius Felix im Sinne der Stileinheitlichkeit dichtersprachliche E lemente vermeidet. Zum a nderen ergibt sich a us dem primär strukturellen C harakter d er Vergilreferenzen die Vermutung, daß Minucius Felix auch eine entsprechende stru kturelle Rezeption intendiert, d aß der Leser also nicht Lumina a uf d er Ebene der Lexik, sondern abstrakte sprachliche und gedankliche Zusammenhänge wahrnehmen und goutieren soll. Mit der T atsache, daß Vergil zwar an vielen Stellen rezipiert, a ber nur einmal wörtlich wiedergegeben wird , geht die Notwendigkeit von Veränderungen an den Zitatsegmenten einher. Schon das einzige wörtliche Zitat (19,2b) erfährt, a uch ohne d aß in den Wortla ut eingegriffen würde, durch die Zusammenstellung eines Cento, durch die Wahl des Auschnittes und durch den Folgekontext, der eine lectio Christiana insinuiert, in seinem Aussagegehalt eine deut liche Verschiebung gegenüber den P rätexten. Bei den übrigen Zitaten betreffen die Veränderungen den Wortbest and des Zitatsegmentes selbst. Als durchgängiges Prinzip läßt sich d a bei die rhythmische und lexikalischstilistische Prosilikation beobachten. Minucius Felix beseit igt bei der Wiedergabe der Zitatsegmente die Hexameterschlüsse, die er gegebenenfa lls in Klauseln umformt, und vermeidet deutlich poetische Einzelwörter und Konstruktionen. Das zeigt sich bei der Prosapara phrase der Anfa ngsverse der kosmologischen Anchisesrede:2 Alle Versenden sind von den Eingriffen betroffen und der dichterische ornatus fällt weg, was a uch eine Raffung und Konzentration mit sich bringt. Dazu kommt eine inhaltliche Anpassung durch d ie Auslassung der Aussage magno se corpore miscet, die a ufgrund ihrer panthe istischen und vor allem sexuellen lmplikationen im ATgumentationskontext stören wü rde. Bei der Etymologie von Latium, Sat urnia und Ianicul um , einer Kombination zweier Vergilstellen,3 dienen P ermutation, Auslassungen und Substitution sowohl der Prosilikation als a uch der p ragmatischen4 und der a rgumenta tiven Anpassung an den euhemeristischen Gedan kengang des Folgetextes. I n der Wiedergabe d er vergilischen Götterschwurformel (35,2 zu Aen. 9, 104sq. = 10,113sq.) beseitigt Minucius Felix d en hexa metrischen Rhythmus und den deutlichen col01· poeticus, indem er d as Zitat in einen einfachen zweigliedrigen Ausdruck umwa ndelt. 1
2 3 4
Beispielsweise 3,3bd; 3,4; 5,6; 7,4a ; 9,5; 12,1; 25,3; 30,1. 19,2a zu Aen. 6,724- 729. 23, 11 zu Aen. 8,321- 823 und 8,357sq. So etwa im Wegfall der Nahdeixis his f. .. J in oris.
172
ll.2
Mjnucius Felix
Bei den zwei- und mehrgliedrigen Junkt uren lassen sich drei Muster von Veränderungen a m Zitatsegment unterscheiden: 1. Die Jun ktur wird in Kontaktstellung übernommen oder, meist durch nur geringfügige Auslassungen, gebracht und entwed er sichtbar morphosyntaktisch adaptiert oder permut iert. 1
2. Die Junktur wird um einzelne E lemente ergänzt, und zwar entweder zur inhaltlichen Anpassung 2 oder zur stilistischen Ausschmückung und Raffinierung durch leichte Verfremdung gegenüber dem Prätext, wobei sich vor allem die Hinzufügung eines zweiten, synony men Adjektivs,3 die Bildung eines Verbtrikolons4 und die Synonymvariation 5 erkennen lassen. 3. Die J unktur wird zum Zweck der Prosifikatio n oder der R affinierung durch Verfremdung stark verändert, weist aber einen deutlichen szenischen oder inhaltlichen Bezug zum Prätext auf. Hierher gehören etwa die verkürzte und vereinfachte Pestschilderung (5,10), die Scheidewegszene (16,2) o der die Reaktion der Zuhörer (39) .6 Bemerkenswert ist, daß an all diesen Stellen ein wört liches Zitat des Prätextes inha lt lich, meist sogar syntaktisch durchaus möglich wäre. O ffensichtlich geht es Minucius Felix also darum , den Referenzpunkt anzudeuten , nicht darum , die Referenz auszuführen. 7 Diese Techniken der sprachlichen und inhalt lichen Anpassung lassen sich im Grunde nicht nur für d ie Vergilzitate, sondern auch für die Benutzung anderer Klassiker festhalten. 8 1
2
3
4
5
6
7
8
2,4 aum adspimns (morphosyntaktisch adaptier t und permutiert); 3,5 versis vestigiis; 3,6 summis ftuctibus (in ausgelassen); 7,4a A llia nomen infaustum ( intet·luit ausgelassen); 12,1 cassa vota (in ausgelassen); 35,1 Stygia palu.de ( -que ausgelassen) ; 36,9 extrema mors (iam in ausgelassen) . 3,3b limine: vom Ritt zum Wandern am Ufer ; 3,4 curvi molliter f. ..J iter fabulis fallentibu.s: von der Reise zum Strandspazier gang; 30,1 novelli et vixdum hominis: vom Menschenopfer zum Säuglingsmord; 32,7a cognita: von der Immanenz zur Allwissenheit und Allgegenwart Gottes. 5,6 insano atqu.e inepto labori; 9,2 vana et demens superstitio; 9,5 caecis occultisque wlneribus. Vielleicht wäre hierzu auch die breite Epexegese von omnia mit caelestia terrena.que et quae extra istam orbis provinciam zu zählen, d ie das auch um cognita. ergänzte omnia f...J deo f. ..J plena (32,7a) sperrt. Cf. oben 120 Anm. 4. 25,1 dedit a.uxit funda.vit ; 25,3 ropuit violavit inlusit; 30,1 caedat fu.ndat exhauriat. 7,4b repetere st att reposcere; 7,5 munero statt. dona. Außerdem die Ausdehnung des imperium (6,2); die Bekränzung des Hauptes {12,6) und die Dioskuren (22, 7) . Für vergilisch gebrauchte Einzelausdrücke (etwa 1,1; 1,2; 4,5; 7,3) und szenische Anlehnungen unter Übernahme von Einzelstichworten (7,6; 23,8; 26,8; 27,1; 35,1; 32,7b.8) lassen sich keine einzelnen Veränderungen mehr beschreiben. Das zeigen vor allem BECKERS ( Octavius 11) Untersuchungen zu den sprachlichen Adaptationen der Cicerozitate im Abschnitt über T hales {19,4): Es "weichen die beiden Fassungen in der Tat nur stilistisch voneinander ab", Minucius Felix füge zwei chiastische Figuren hinzu, "zwei Verba sind geändert ( quaerere in dispu.tare, fingere in formare, letzteres mit Tempuswechsel)", de talibus rebus sei verdeutlicht durch caele-
Il .2.3
Auswertung
173
Zwar wirken auch diejenigen Veränderungen am Zitatsegment, die primär der Prosifikation dienen, entmarkierend , da sie prosodische und diatypische Interferenzen beseitigen. In einigen Fällen scheint Minucius Felix aber darauf zu achten, d aß d as Zitat trotz d er Verfremdungen noch erkennbar bleibt. Oft fügt er zu einem Element des Zitatsegmentes ein Synonym hinzu oder ersetzt es durch ein solches, wodurch t rotz der Abweichung im Wortla ut die semantische Kontinuität gewährleistet wird. 1 Außerdem bekommt an den Stellen, wo das Zitatsegment entweder in Kontaktstellung wiedergegeben 2 oder um ein Stichwort ergänzt, das einen gedanklichen Bezug zum Prätext herstellt ,3 oder dergestalt permutiert wird , daß ein solches Stichwort am Anfang steht 4 , die an sieb entmarkierende Veränderung des Zitatsegmentes zugleich eine markierende \~irkung. Fü r einige Zitate läßt sich eine Markierung durch Posit ion festmachen: In der einleitenden Szenerie am Meer (1,1- 4,5) ist ein Dichterbezug zur Ausgestaltung des Proömiums und angesichts der dichterischen T hematik der Meeresschilderu ng zu erwarten, hinzu kommt die a uffä llige Dichte der R.eminiszenzen5 . Ähnliches könnte man von den exempla für die Bedeutung von Vorzeichen in der römischen Geschichte (7,3- 6), für d ie Etymologie von Latium (23, 11 ) und d ie historischen exempla (25,1.3) annehmen: Dort Hegen durch die Thematik die Vergilreferenzen nahe und fallen durch ihre Hä ufung eher auf. Daneben könnte auch die große Anzahl von Zitaten aus dem sechsten Aeneisbuch6 deren Perzeption erleichtern , so wie auch umgekehrt vergilische lterata - dreimal werden solche zitiert 7 leichter als R eferenzen wahrgenommen werden dürften. Einen ausdrücklichen Hinweis a uf die Vergilrezeption gibt Minucius Felix im Kapitel 19,2, wo er Vergil namentlich nennt, das wörtliche Zitat eigens einleitet (haec enim verba sunt) und den Leser zum intend ierten Verständnis des Dichtertextes führt. F ür den feurigen Unterweltsfluß bezieht sich Minucius Felix auf das Zeugnis der libri doctissimorum und der cannina poetar'Um (35,1) , womit , wie d er Fortgang zeigt, Platon und Vergil gemeint sind. Mit illic (23,6) verweist Minucius Felix a ls Referenzpunkt für die Vorstellung von der Vulkanschmiede im Ätna auf einen Dichter. Daß a n Vergil zu denken
1
2 3 4
5 6 7
stibus, "auch die Wortstellung differiert und die Aussage ist neu gegliedert." - Diese von B ECKER festgestellteu sprachlichen Mittel (Sy nonymaustauscb , Wechsel von Tempus bzw. Konstruktion , Verde utlichung bzw. Erweiterung) sind ja auch in bezug auf Verg il zu ko nstatieren. Was die inhaltliche Adaptation angeht, ~~t BECKER ( Octavius 19) zusamme n: "Das Philosophenkapitel zeigt, daß sich die Anderungen nicht auf De ta ils und nicht. auf Formales beschränken. Minucius gibt dem ganzen Gedankengang eine neue Richtung und gliedert ihn von sei ner eigenen Zielsetzung aus neu." So eLwa 5,6;7,6; 9,2 ; 9,5; 22,5; 25,1; 39. 2,4 ; 3,3ab; 3 ,5; 3.6; 7,3; 7,4ab; 12,1; 12,6 ; 22,7; 23,11 ; 25,3; 35,1; 36,9. 5,10 pestifera; 22,5 M ercurius; 22,7 Castores; 23,6 Aeneae; 23,11 latebram; 25,3 alienas virgines (Sabinae wäre wohl zu deutlieb gewesen); 27,1 oracul~. 6,2 imperium; 7,4a Allia; 7,4b Parthos; 7,5 templis; 16,3 viam. Vor allem in der Passage 3,3- 6. 5,6; 6,2; 16,3; 18,6 (?); 19,2a; 22,7; 26,8; 27,1; 32,7b.8; 35,1. 1,2: Aen. 1,660b = 7,355b; 35,2: Aen. 9 ,104b.l05 = 10,113b.l14; 36,9: Aen. 2,447a = 11 ,846a.
174
II.2
Minucius Felix
ist , klärt die Erwähnung der Aeneae arma. Zumindest mittelbar ma rkierend wirkt auch das in die Scheidewegsszene (16,3) eingeschobene ut fit, insofern es den typischen Charakter und somit auch den möglichen metaphorischen Gehalt der Sit uation zu Bewußtsein bringt. Insgesamt gesehen ist der vergilische Einfluß bei Minucius Felix durch ein Nebeneinander von Präsenz und Latenz gekennzeichnet: Vergil wird zwar häufig zit iert, jedoch meist in einer Form, die nur für den gebildeten Vergilkenner wahrnehmbar ist. Auf diesen stimmt Minucius Felix seine Reminiszenzen ab und h ält sie in einem Bereich der Deutlichkeit, der die Gegenwart des Klassikers an keiner Stelle vermissen und an keiner Stelle aufdringlich wirken läßt. Diesen Ton von Subtilität und selbstverständlicher Vertrautheit in den Vergilzitaten schafft Minucius Felix durch strenge Prosifikat ion und durch einen souveränen Umgang mit dem Instrumentarium der Ma rkierung. Der Berührungspunkt mit Vergilliegt kaum je im a ugenfällig Sprachlichen poetische Lexik wird durchweg vermieden - , sondern in der Struktur, a lso im Anzitieren des locus classicus, in der variierenden Reprise einer Junktur, in der geistreichen Anspielung a uf eine vergilische Ausdrucksweise, in der gedanklichen Parallele und im Zusammenspiel der Kontexte, das an manchen Stellen eine zusätzliche Dimension des Folgetextes oder des Prätextes eröffnet. Doch warum bleibt Minucius Felix so konsequent auf der Ebene des NichtWörtlichen? Eine formale Erklärung liegt in der von HAGEN DAHL herausgearbeiteten Unterscheidung zwischen einer wörtlichen und einer paraphrasierenden Zit iertechnik in der nachklassischen Kunstprosa: Der Octavius ist geprägt von einer strengen Beacht ung der stilistischen und metrischen Gesetze forensischer Rhetorik. Und ganz im Gegensatz zu Laktanz , dem typischen Vertreter 1 einer ausgiebigen wörtlichen Zitationstechnik, unterwirft sich Minucius Felix streng den Zitationsregeln für die Rede, die es verbieten, Verse in einem Prosakontext zu belassen. Er weicht also in diesem Punkt vom Vorbild der Ciceronianisehen Dialoge a b, in denen ja d ie wörtliche Zitiertechnik überwiegt. 2 - Daraus erklärt HAGENDAHL d as auffällige Bemühen des Autors um einen ausgestalteten Prosarhythmus bei dem von Vergil übernommenen Gut. Hierzu gehören a uch alle weiteren , die Syntax, Sema ntik und Lexik betreffenden Bemühungen der Prosifikat ion, die zu kons t atieren sind: Sie entspringen alle der konsequenten Bemühung um Stileinheit lichkeit. 1
2
HAGENDAHL M ethods 121: "[ have taken M inucius Felix and La.ctantius as typical representatives of opposite tendencies." HAGENDAHL M ethods 123sq.: "ln spite of all his Ciceronianism I think we have to credit him with another strong influence. Minucius was, as Lactantius and Hieronymus tell us, a. famous lawyer in Rome. In fact, bis dialogue is composed of two long pleas and certainly to a large extent reflects the stilehe used in the courts of law. Now, according to the literary t beory, t be inserting of verses into prose was generally considered as a. fault, because it int rod uced heterogeneaus elementsandwas contrary to t he paramount rule of style. Litera! q uotations being disallowed, pa.mphmse became the prevailing exped ien~."
11.2.3
Aus wertung
175
Zu diesem formalen Gesichtspunkt t ritt ein zweiter, inhaltlicher Aspekt, der sich aus der Intentionalität und Zielgruppe des Werkes herleiten läßt: Der Octavius richtet sich an gebildete Leser aus der römischen Oberschicht, die mit Vergil vertraut sind. Das heißt, es genügt für den Apologeten, eine Junktur in ihrem Grundbestand wiederzugeben oder eine Episode anzudeuten, um vom Leser auch über den Folgetext hinaus bis in die Konnotationen des Prä kontextes verstanden zu werden. Das nützt Minucius Felix aus, und er erreicht auf diese Weise zum einen natürlich - neben der eben schon erörterten formalen Einheitlichkeit - eine inhaltliche Straffung des rhetorischen und argumentativen Duktus. Denn anders als bei einem ausführlichen, antiquarischen Zitationsstil erfolgt die Berufung auf Vergil nebenbei, also ohne Einleitung und Ausführung eines dichterisch gestalteten wörtlichen Zitates, das eben nicht nur den Stil-, sondern auch den Gedankenfluß stören würde. Als zweiter Gesichtspunkt kommt dazu , daß ein eingeflochtenes, kaum erkennbares Zitat dem Leser das Vergnügen der Wiedererkennung von Bekanntem bereitet und ihm schmeichelnd die eigene Bildung vor Augen führt , während ein unnötig stark markiertes Zitat aufdringlich pleonastisch wirkt. 1 Damit nimmt der Autor zwar in Kauf, daß nicht alle Referenzen von allen Lesern wahrgenommen werden, doch kann er zum einen, wie gesagt, die gründliche Kenntnis Vergils voraussetzen, zum anderen liegt im Grundtenor der subtil vergilisch geprägten Diktion ein größeres protreptisches Gewicht als in der einzelnen Reminiszenz. Denn drittens erwirbt sich Minucius Felix durch diese Subtilität der Referenzen einen entscheidenden Vorteil nicht nur, wie gezeigt, in st ilistischer, sondern a uch in literatursoziologischer Hinsicht: Beim Adressatenkreis handelt es sich um die gebildete Oberschicht, die nach Barbara ALAND dadurch charakterisiert ist, daß sie sich sozial nach unten abgrenzt, daß darin der Aufstieg durch Anpassung möglich ist, daß sie allein das private Schulwesen nutzt, da grammatische, rhetorische und literarische Bildung Angehörigen unterer Schichten keinen Vorteil bringen, und dort besonders mit der systemstützenden trad itionellen Religiosität in Kontakt kommen. 2 Indem Minucius Felix nun Reminiszenzen a us dem Schulautor Vergil ein1
2
Zu den Punkt ionen unmarkierter lntertextualität H ELB IG 155- 161. Im einzelnen unterscheidet H ELB IG zwischen unma rkie1·ten Zitaten , die (trotzdem) allen, die einem TeiJ des Publikums und die keinem Rezipienten erkennbar sind . Über den zweiten Fa ll fUhrt er aus ( 158): "Indem sich ein Autor an ein literarisch vorgebildetes Publikum wendet, gilt es, diesem Publikum den ennui einer pleonastischen Informationsvergabe zu ersparen, bzw. ihm ein zusätzliches ästhetisches Stimulans durch ge-tielte Verrätselung der Textoberfläche zu verschaffen." - Genau das tuL hier auch Minuci us Felix. Eine solche Art von indirekten Zitaten findet H AGENDA HL ( Latin Fathers 300) auch bei Hie1·onymus. Sie bringen durch die Vielfalt der Assoziation und das Wiedererkennen ein wichtiges Element der Lebendigkeit in d en Text (301): "The hidden quotations contribute not a little to a richer colouring of the exposition, t hey call up a variety of associations and give tbe coonaisseur t he pleasure of recognition. T hey are still moreexpressive when they a re inserted unexpectedly after a sentence in order to complete the writer's own Statement and bring it into relief." ALAND 16-18.
176
IJ .2
Minuci us Felix
flicht, 1 rekurriert er auf den sozialdisktinktiven Bildungsfundus. Und indem er zugleich den für das religiöse und historische Selbstbewußtsein grundlegenden Nationaldichter zitiert , trifft er einen Ton, der beide, den christlichen Autor beziehungsweise Redner und den heidnischen Leser als Angehörige einer Bildungselite ausweist und verbindet. Dadurch entsteht eine Atmosphäre des entre nous. Außerdem erleichtert die vertraute Sprache dem Leser den Zugang zu den Inhalten .2 In diesem Zusammenha ng ist die Subtilität der Anspielungen und die mit Strukt uren vergilischer Diktion durchsetzte Sprache von besonderer Bedeut ung: Gerade das unterschwellige Sichverstehen in An deut ungen und das Zitat , das der Leser zwar erkennt , das a ber nicht aufdringlich wirkt und das demjenigen , der es wahrnimmt, die schmeichelnde Freude bereitet, die eigene klassische Bildung unter Beweis stellen zu können, eignet sich dazu, eine vertraute und exklusive At mosphäre für den Rezipienten als Angehörigen der gebildeten Oberschicht z u schaffen. Darin kann die grundsätzliche Reserviertheit gegenüber christlichem Gedankengut überwunden werden , da dieses zumindest via Sprache schon diskutabel und somit letztlich akzeptabel geworden ist . Es kommt Minucius Felix nicht allein dara uf an , dem Leser vergilische Sentenzen als Argumente für das Christentum vorzuführen , sondern überhaupt auf eine gebildete und urbane, das heißt den Leser a nsprechende Diktion, zu der eben die Reminiszenzen einer gründlichen Bildung a nhand der Klassiker, darunter Cicero und Vergil, gehören.
2.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Eine wicht ige Beobacht ung ermöglicht schon ein erster Blick auf die Stellenangaben der erörterten Zitate: In manchen Passagen des Dialoges nämlich sind zahlreiche und deut liche Parallelen a nzut reffen, in anderen wiederum kaum eine. Dara us ergeben sich zwei Schlußfolgerungen: Erstens verteilt Minucius Felix die Zitate offensichtlich nicht in einem stilistischen Automatismus der rhetorischen Dichter- imitatio gleichmäßig und unterschiedslos über das Werk, sondern setzt sie gezielt ein. Demnach sind zweitens Dichte und Art der Zitate im Zusammenhang mit dem jeweiligen Argumentationskontext zu sehen. Gerade in den Einleit ungskapiteln (1- 4) bemüht sich Minuci us Felix um eine besonders ansprechende Gestalt ung und greift daher recht hä ufig a uf klassische Vorbilder zurück: Der erste Satz ist nach Cicero und VergH gestaltet ,3 in den ersten Ka piteln find en sich einzelne dichterische Ausdrücke. Vergilische Elemente prägen vor allem die kunstvolle Ausgestalt ung der Szenerie am Meer (3,3- 6; 4,5). Die Topik der poetischen Schilderung der stürmischen See wird hier in das idyllische Bild des sachte an einem flachen 1
Zur Bedeutung der Zitate von Autoren aus dem schulischen Ka non ALAND 18 Anm. 45. 2 Gru ndsätzlieb zum esoterischen Charakter unmarkierter Jntertextualiät H ELBIC 8891. 3
Siehe oben ( 114) zu Min. Fel. 1, 1.2.
11.2.3
Aus wert ung
177
Sandstrand auslaufenden Wassers umgewandelt. Die dadurch intertextuell betonte Ambivalenz des Meeres könnte in der Dramaturgie der Dialogeinleitung vielleicht bewußt eingesetzt sein , um den unter den Gesprächspartnern seit dem Gruß an die Serapisstatue (2 ,4) und der dara uf bezogenen Bemerkung des Octavius (3 ,1) sich aufbauenden Konflikt vorzubereiten. In erster Linie jedoch liefert die Meeresschilderung den von der Gattung geforderten loc·us amoenus als Schauplatz des Dialogs. Hinzu kommt die werbende Funktion eines color Vergilianus in den ersten Kapiteln. Denn gerade die Einleitung stellt einen besonders kritischen Punkt im apologetischen Schriftturn dar, da hier die grundlegende Andersartigkeit und Divergenz von paganem und christlichem Denken sowie der soziale Hiat zwischen dem Autor, der als Christ zu einer asozialen Randgruppe gehört , und dem gesellschaftlich etablierten Leser überwunden werden muß. 1 Hierzu verwendet Minucius Felix gezielt das Mittel der an den Klassikern orientierten Sprache2 und beweist zunächst , daß die Schrift in Gelehrsamkeit und Stilistik den Ansprüchen der Leser gen ügt. Dazu kommt gewiß die Absicht einer captatio benevolentiae und Einstimmung: Hat sich die Schrift am Beginn einmal als niveauvoll und gleichsam geistig ebenbürtig erwiesen, wird der Leser auch Ungewohntes oder Kritisches eher akzeptieren. Wenn der Apologet schon am Anfang den Leser davon überzeugt, anspruchsvolle Literatur vor sich zu haben, wird jener auch später das jeder geistigen Auseinandersetzung mit dem Christentum hinderliche VorUl·teiJ der Unbildung und Primitivität dieser Religion und ihrer Anhänger eher ablegen und , bevor die Rede darauf kommt (5,4; 16,5sq.) , vielleicht schon überwunden haben. Die Austragung des Konfliktes im Dialog beginnt mit der Rede des Heiden Caecilius, der zunächst (5,1- 7,6) seine religiöse Anschauung vorträgt , dann (8,1- 12,6) zur Krit ik am Christentum übergeht und schließlich (13,1- 4) zu dem Ergebnis kommt, man müsse sich vor solch definitiven Aussagen hüten, wie sie das Christentum treffe. Im ersten Teil der Rede findet sich in der Darstellung des Agnostizismus (5,6) und der vom Zufall bestimmten Welt (5,10) jeweils eine deutliche Vergilreminiszenz. Dad urch wird es dem gebildeten Leser erleichtert , sich mit der Figur des Caecilius zu identifizieren, der sich als sozial ebenbürtig und als kluger Vert reter der antichristliehen Position zu erweisen scheint. Vielleicht aber könute man im Hinblick a uf jene Konversion am Ende des Dialoges in den Zitaten gesuchte lnkongru1 2
Dazu grundlegend RIZZ J ldeologia 3- 21; Amicitia 248. Dazu RIZZJ ldeologia 154: "L'intars io testuale e il procedere per c itazio ni, palesi o velate - a.Uusioni, contaminatio di fatti e motivi t ra loro originariamente d istin ti, caratt eristici d el proemio dell ' Octavius, vanno dunque interp1·etati come strument i volti a lla costruzione di una unita artistica ispirata da precisi modelli del genere d ialogico; non pero mezzi fini a se stessi, ma a ltresl ricercando e l'iconoscendo nelloro uso anzitutto Ia preoccupazione di permettere allettore non cristiano l'accesso al testo - ehe viene ad essere cosl percepito come appartenente ad una tradizione letteraria nota ed apprezzata. - e di communicargli contenuti specifi ci, ehe si riveleranno caratterizzanti per lo scopo di Minucio."
178
II.2
Minucius Felix
enzen der von Caecilius vorgetragenen Argumentation erkennen. In beiden F ällen nämlich sagt der Präkontext eigentlich das Gegenteil des Gedankens im Folgetext aus: Aeneas muß in die Unterwelt hinabsteigen und handelt nicht aus Selbstüberschätzung (5,6), das jatum und nicht der Zufall zwingt die 'D:ojaner durch den Ausbruch einer Pestepidemie zur Weiterfahrt (5,10). Aus der Unsicherheit der Erkenntnis und der Kontingenz der Welt folgert Caecilius, man müsse strikt an der Überlieferung festhalten. Die Argumente, daß in diesem 'fraditionalismus Roms Größe begründet liege (6,2) und daß die Geschichte immer wieder die Bede utung der Vorzeichen und der Mantik erwiesen habe (7,3--6), werden durch Vergilzitate unterstrichen , was bei den exempla der Allia- und Partherniederlage (7,4ab) besonders deutlich wird. 1 In diesem thematischen Bereich der römischen Geschichte und Religion liegt ein Vergilbezug inhaltlich nahe, und indem Minucius Felix diese Lesererwartung erfüllt und diese Zentralthemen römischen Selbstbewußtseins darstellt • comme il faut, legt er wieder Ehre ein als gebildeter und daher glaubwürdiger Autor. Vor allem aber soll eine solche Argumentation den Adressaten, den Angehörigen der konservativen, gebildeten Oberschicht, aut hentisch erscheinen und die Ident ifikat ion mit der Figur des Caecilius erleichtern. 2 Diese Identifikation mit dem Dialogteilnehmer macht den Leser dann zugänglicher für dessen späteres Umdenken. 3 In der Benutzung paganen Bildungsgutes an dieser Stelle ist zugleich der Vorstellung die Spitze genommen , die christ liche Ablehnung des Staatskultes ents pringe einer atheistischen Haltung, also dem Rückfall in Unzivilisiert heit und Primitivität 4 . In seiner Vergilbenutzung orientiert sich Minucius Felix hier also zum einen an seiner Zielgruppe und zeigt zum anderen, daß die Christen wohl vertraut sind mit dem, was 1
Wenn letztere übrigens aus der Rückschau vom Sieg über die Part her her geschildert wird, liegt darin nicht nur ein Kunstgriff, um d ie vergiliscbe Reminiszenz unterzubringen , sondern ebenso ein Reku rs auf römischen Nat ionalstolz in vergi1ischer Formulierung wie bei der Darstellung der Größe d es imperium (6,2) . 2 Die Adressatenausrichtung der Caeciliusrede - des ersten Auftritts eines heidnischen Unterredners in der christlichen Literatur - benennt ALAND (22) als Grund für die Anlehnung an die Ausführungen des Cotta in C iceros de natura deorum: "Die Rede des Heiden muß in erster Linie lebenswa hr sein, d .h., die angesprochene Leserschicht muß sich darin wiederfinden kö nnen , selbst wenn sie mit dem einen oder anderen Argument im einzelnen nicht übereinstimmen ." 3 Hier muß berücksicht igt werd en, d aß der Sinneswandel des Caecilius am Ende des Werkes gewiß n icht als echte Bekehrung zum christ lichen G lauben , sondern a ls Ö ffnung für dessen Inha lte zu verstehen ist, daß damit also gattungstypisch nur der Erfolg des protreptischen Dialoges m arkiert wird, wie C. SOHÄUBLIN, Konversionen in antiken Dialogen?, in: ders. (Hg. ), Catalepton. FS B. Wvss, Basel 1985, 116- 131, herausarbeitet. So ist daher nicht an einen Bekehrungsakt, sondern nur an die Revision bestimmter Ansichten zu denken . Deswegen sp ielen in diesem Prozeß die ratio na le Argume ntation und die rhetor ische Überzeugungskuns t , nicht die subjekti ve Stringenz und historische Wi"rklichkeitsnähe der vorgeführten heidnischen P osition die entscheidende Rolle. Die Figur des Caecilius is t also weniger als individuelle Persönlichkeit gezeichnet, sondern so, daß der Leser für s ich seJbst allenthalben Anknüpfungs- und Identifikationspunkte findet, möglichst bis hin zum eigenen Sinneswandel gegenüber dem Christentum. 4 Dazu NESTLE 65-71.
Il.2.3 Auswertung
179
sie ablehnen. Der zweite Teil der Caecillusrede (8,1- 12,6) hingegen enthält deutlich weniger Vergilreminiszenzen. Der Vergilrückg riff beschränkt sich auf schlagwortartige Wendungen , die keinen inhaltlichen Bezug zum Vergiltext herstellen , teilweise der Semantik des P räkontextes sogar widersprechen: So sind 9,2 vana [. .. ] superstitio und 12,1 cassa vota im Präte:x.'t gerade negiert, 12,1 caecis [. ..] vulneribus und 12,6 caput nectitis weichen im Gebrauch ab. Denn, so muß man daraus folgern, zwischen der heftigen Polemik und den vulgären Vorurteilen, die in diesem Abschnitt z u1· Sprache kommen, kann Vergil, können feinere römische Bildung und Kultm , kann am Klassiker geschulte stilistische Finesse kaum einen Platz finden. Erst der Christ bezieht sich wieder a uf den römischen Nat io na ldichter : G leich in der Einleitung seiner Rede (16,3) spielt Octavius a uf dle Scheidewegsszene der vergilischen xcxt&ßcxcn~ an und liefert damit eine metaphorische Deutung der Situation des Heiden am bivium seines Lebens. Im Rekurs auf Aeneas am Scheideweg zwischen Elysium und Tartarus eröffnet sich hier eine zusätzliche, ins Eschaton ausgreifende Dimension des Folgetextes. Vielleicht kann ma n diese Reminiszenz komplementä r verstehen zur Warnung des Caecillus vor dem Versuch, zu Gottes- und Welterkenntnis z u gelangen (5 ,6), die sich ja an die Worte der Sibylle über die Schwierigkeit des Unterweltsganges (Aen. 6,135 insano iuvat indulgere labori) anlehnt . In diesem Fall stünde hier auf einer intertextuellen Ebene der Weigerung des Heiden, sich auf die Mühen und Unsicherheiten der Frage nach Gott einz ulassen, die Einsicht gegenüber, daß ihm die Konfrontat ion mit dem Christentum eine Entscheidung abnötigt. 1 Im ersten Hauptteil seiner Rede (17,3- 20,1) beruft sich Octavius a uf die natü rliche Gotteserkenntnis, mit deren Hilfe man zu den christlichen Gla ubenseinsichten gelangen kann , daß providentia mundus regitur und unius dei nutu gubernatur (20,2). In diesem Kontext kommt den poetae und insbesondere Vergil ein eigener Platz in der G liederung der Argumentation zu: Zunächst (17,3-18,4) wird a us der Betrachtung der Weltordnung, aus dem Kreislauf der Natur , aus der Funktiona.lität des menschlichen Körpers und aus der Einteil ung der Erde auf die providentia geschlossen , dann (18,5- 18,7) aus dem Zusammenleben der Menschen, das ohne eine monarchische Ordnung in Zwietracht versinkt, a uf das imperium unius a ls Grundprinzip. Abgeschlossen (18,8sq. ) werden diese Folgerungen a us den irdischen Verhä ltnissen durch einen Hinweise auf die G röße Gottes, 1
Fi.ir eine solche Interpretation spricht jedenJalls die strukturelle Entsprechung der beiden Vergilreminiszenzen 5,6 und 16,3: Seide stellen die ersten Vergilrückgriffe der jeweiligen Reden dar, beide sind zwar nicht unübersehbar, aber fü r den Vergi lkenner deutlich, beide beziehen sich auf eine Szene aus de r xcxt
180
Il.2
tvlinucius Felix
die menschliches Begreifen übersteigt. Es folgt die Argumentation aus dem consensus (18,1Q-20,1). In Anlehnung an die bereits von Tertullian als apologetisches Gliederungschema herangezogene theologia tripartita1 wird auf das Zeugnis von vulgus (18,10sq.), poetae (19,1sq.) und philosophi (19,315) eingegangen. Dabei vertreten die Dichter freilich weniger eine spezifisch mythologische Theologie, als daß sie vorn volkstümlichen zum philosophischen Gottesbegriff überleiten. Zunächst nämlich (19,1) wird mit zwei a uf Homer zurückgehenden, später häufig aufgegriffenen Zitaten die monarchische Ordnung des volkstümlichen und epischen Götterhimmels ( unum patrem divum atque hominum) und die Lenkung der menschlichen Geschicks durch den höchsten Gott ( talem esse mortalium mentem, qualem parens omnium diem duxe1'it) angeführt. Während dies allgemein den poetae zugewiesen wird und kaum über die Alltagsweisheit hinausgeht, vollzieht sich mit der folgenden (19,2) namentlichen Einführung Vergils der Übergang zu einer Dichterpersönlichkeit und in die Sphäre der philosophischen Reflexion des Gottesbegriffs. Denn was an Vergilischem zitiert wird, sind poetische Formulierungen einer orphisch- pythagoreisch, platonisch und vor allem stoisch inspirierten Weltseelenlehre, die durch die Wahl der wiedergegebenen Textausschnitte, durch Kürzungen und beigegebene Deut ungen, vor allem die betonte Gleichsetzu ng von mens, spiritus und deus, im Sinne eines christlichen Monotheismus und der christlichen Lehre von Gottes Erschaffung und vorsehender Erhaltung der Welt verstehbar wird. Im Grunde gehört Vergil also schon in den folgenden Katalog der Philosophen (19,3- 15), deren Aussagen ebenfalls dadurch einem christlichen Zugang eröffnet werden, daß zentrale Begriffe, vor allem mens, ratio, animus, als Ausdrücke für den erschaffenden und in der Schöpfung waltenden deus erklärt werden. Die Art und Weise, wie Minucius Felix die Dichter und insbesondere Vergil in seine Argumentation einbezieht, zeigt stoische Einflüsse. Sowohl in den Gottesbeweisen wie im consensus-Argument greift Minucius Felix hier auf Vorgaben der Stoa zurück, wie überhaupt das frühe Christentum in diesen Bereichen öfter Anknüpfungspunkte findet. 2 Die Stoa liefert sowohl das Vorbild für die Argumentation mit den poetae, vor allem aber mit Vergil, als auch insofern die inhaltlichen Voraussetzungen, als Minucius Felix einerseits auf stoisch rezipierte (19,1), andererseits auf stoisch beeinflußte (19,2) Äußerungen der Dichtung zurückgreift. Hinzu kommt eine weitere Funktion, die die Vergilzitate in der protreptischen Ausrichtung des Werkes erfüllen: Wenn hier 1
2
Tert. nat. 2,1,10 Triplici enim genere deorum censum distinxit fsc. Varroj: unum esse physicum, quod philosophi retmctant, clliud mythicum, quod inter poetas volutatur, tertium gentile, quod populi sibi quique adoptaveru.nt. Zur Mittlerfunktion stoischer Dichterbenutzung oben 149 und allgemein u nt en 186 Anm. 1. Gerade im Gottesbeweis e consensu gentium kann die christliche Apologetik auf stoische Argumentationsmuster zurückgreifen, dazu H.- J . HoRN, 'Gottesbeweis', RAC 11 ( 1981} 967- 969; G . VERBEKE, Les sto·iciens devant les croyances re ligieuses: L'a rgument du consensus, in: Valeu rsdans le sto"icisme. Textes rassembles en ho mmage a M. SPANNEUT par M. SOETARD, Lilie 1993, 9-29.
II.2.3
Aus wertung
181
nämlich Übereinstimmungen von heidnischer Dichtung und Philosophie mit den grundlegenden Daten des Christentums erwiesen werden, so liegt darin natürlich a uch eine Widerleg ung des zu Beginn beider Reden (5,4 und 16,5) behandelten Vorwmfs ungebildeter Anmaßung (5,4). Da dieser Einwand angesichts seiner Zielgruppe für Minucius Felix von besonderer Bedeutung ist, wird diesem Vorurteil doppelt begegnet: Zunächst in einer direkten Arg umentation (16,5sq.), Armut und Ungebildetheit könnten der Wahrheitsfindung unter Umständen sogar förderlich sein, dann aber nochmals im Kapitel 19, indem nämlich gezeigt wird, daß jene Lehre, verrufen als Verirrung von ungebildeten Proletariern, in ihren Grundlagen dem entspricht, was die größten heidnischen Denker sagen. Allein aus solcher Argumentation selbst erwächst dem Apologeten d ie vielleicht griffigste Widerlegung: Das Christentum kann sehr wohl gewandt mit Formen und Inhalten heidnischer Bildung umgehen, ja sie sich gar zu eigen machen. Wenn dann Octavius in einem zweiten Hauptteil seiner Rede (20,1- 38,4) zunächst (20,2- 27,8) die heidnische Religiosität kritis iert, finden sich vereinzelte vergilische Formulierungen über pagane Götter, über Merkur (22,5) und die Dicksuren (22 ,7) eingestreut, die der Darstellung Authentizität verleihen. Deutlicher wird die Auseinandersetzung mit d er paganen Dichtung im allgemeinen und mit Vergil im besonderen im Kapitel 23, wo sich der Christ unter dem Gesichtspunkt der pädagogischen \;virkung und der historischen veritas der mythischen Uberlieferung, die euhemeristisch ged eutet wird , a useinanderset.zt.. Zunächst {23,1- 8) wendet sich Minucius Felix gegen die dichterische Mythologie, die vor allem in der Schullektüre begegne, und hebt die Schäd lichkeit ihrer anstößigen Göttergeschichten hervor. Dabei beruft sich der Apologet auf Platon und dessen Ablehnung Homers. Unter die vornehmHch aus Ilias und Odyssee stammenden Beispiele unwürdiger Mythen setzt Minucius Felix dann (23,6) den nur mit illic markierten Hinweis auf d ie Schmiede im Ätna, wo für J upiter die Blitze verfertigt würden - eine schon von Cicero angeprochene a bergläubische Vorstellung, hier aber durch einen Zusatz über die Waffen des Aeneas auf Vergil bezogen. Nach dieser Mythenkrit ik unter pädagogischen Gesichtspunkten wendet sich Minucius Felix der histo rischen veritas (23,8) der Mythologie zu: W ied erum unter Berufung auf pagane Auto ren (23,9) zieht er aus den fast wörtlich wiedergegebenen vergilischen Etymologien von Latium als Versteck des Saturn, Saturnia und Ianlculu m (23,11) den Schluß: homo igitur utique qui fugit, homo utique qui latuit, et pater hominis et natus ex homine. Es folgen weitere e uhemeris tische Argumente (23,12sq.). I n diesen beiden Schritten der Mythenkrit ik, dem pädagogischen und dem historisch- euhemeristischen, spielt Vergil eine tragende, aber stumme Rolle: Einerseits nämlich erhä lt durch die Vergilreferenzen die Argumentation ihre spezifische Ausrichtung auf den römischen Leser , andererseits aber wird Vergil weder erwähnt noch steht er im Mittelpunkt der Arg umentation. Dann find en sieb wieder vergilische Reminiszenzen , wenn ein fictus interlocutor· a uf die Frömmigkeit als Ursache der Größe Roms hinweist (25 ))
182
II.2
Minucius Felix
und wenn in der Widerlegung der Raub der Sabinerinnen unter den Freveltaten in der römischen Geschichte (25,3) angeführt wird. Dem entsprechen in der Caecillusrede die Vergilzitate bei der Einführung des Gedankens, daß von der römischen Gottesverehrung die Ausbreitung des imperium a bhänge (6,2) , und bei der Aufzählung historischer exempla für zutreffende Auspizien im Kapitel 7. Mit seiner vergilisch ausgestalteten Romkritik greift Octavius hier also die Argumentation des Caecilius mit der römischen 'Il·adition auf. 1 Im weiteren Verlauf der Octaviusrede (Kapitel 26-38), in der christliche Positionen gegen pagane Kritik verteidigt und dargelegt werden, sind an drei Stellen Vergilzitate zur Formulierung christlicher Lehre herangezogen: Im Zusammenhang der Dämonologie (Kapitel 26- 28) wird der Fall der spiritus, die durch den Kontakt mit dem Irdischen zu bösen Dämonen werden, erklärt unter Verwendung der vergillschen Ausführungen über die Verunreinigung der animae bei der Inkarnation (26,8) . Dem Einwand, Gott nehme das Geschehen a uf der Welt und das Handeln der Menschen gar nicht wahr, wird Gottes Allgegenwart und Allwissenheit entgegengehalten und mit Hilfe vergilischer T heologumena formuliert (32,7sq.). Schließlich beruft sich der Christ für die Darlegung der christlichen Höllenvorstellung ausdrücklich a uf Platons und Vergils Zeugnis von einem feurigen Unterweltsstrom (35,1sq.), wodurch a uch Caecilius' Vorwurf implizit widerlegt wird, dem christlichen Auferstehungsglauben liege das naive Mißverständnis bestimmter Mythen zugrunde (11 ,8sq.).2 Vergilische Formulierungen dienen an diesen drei Stellen also dazu, dem paganen Leser christliche Lehren zu vermitteln. Vergilische Inhalte jedoch werden nur an der letzten der drei genannten Stellen aufgegriffen, an den ersten beiden Stellen macht sich der Apologet eher die Möglichkeiten vergilischer Sprach- und Denkstrukturen zunutze, um christliches Gedankengut dem Leser in angemessener Form nahezubringen. Dazu kommen in dem betreffenden Abschnitt noch einige Zitate geringeren argumentativen Gewichts, die nichtsdestoweniger absichtsvoll gesetzt sind: Im Rahmen der dä monologischen Ausführungen (Kapitel 26-28) orientiert sich eine Formulierung für die falschen Orakel an der vergilischen Sibyllenschilderung (27,1), also an einem locus classicus zum Thema Mantik. Die vergilische Junktur in der retorsio des auf die Dä monen zurückgeführten Vorwurfs von den Thyestischen Mahlzeiten (30,1 sanguinem caedere) entspricht strukt urell derjenigen bei der erstmaligen Erwähnung dieses Greuelmärchens in der Caeciliusrede {9,5 caecum vulnus). Wenn schließlich in der Erklärung für die Leidensbereitschaftdas vergilische extrema mors anklingt (38,9), so ist die Assoziation mit dem im Epos verherrlichten Opfermut der Heroen gesucht. In der gesamten Octaviusrede sind die Vergilreminiszenzen, im Vergleich 1
2
Auf dieseangesichtsder durchgängigen Ausr ichtung auf d ie staatstragende ' po litische Klasse' bemerkenswerte "uneingeschränkt ablehnende Haltung gegenüber Rom und seiner Weltherrschaft" weist E. HECK, Minucius Felix und der römische Staat , VChr 38 (1985) 154- 164 , l1ier 158, bin. So schon B EC KER Octavius 53.
Il.2.3
Auswertung
183
zu den Einleit ungskapiteln , offensicht lich etwas weniger häufig, d afür aber sorgfält ig plaziert: Während bis zum Beginn der Christenrede der color Vergilianus überwiegt, sind für die Kapitel 16 bis 38 zum einen eher Zitate, Paraphrasen und mancherorts recht hintergründige Anspielungen 1 charakteristisch , oft gekennzeichnet von dem Bestreben , die Nähe theologischer Aussagen bei Vergil zur christlichen Lehre besonders herauszust ellen, wobei stoisches Gedankengut oft den Brückenschlag erleichtert. 2 Zum anderen wird a uf Vergil auch als Quelle verwiesen , wenn es um exempla aus Geschichte und Mythologie geht. 3 Auffallend ist ferner die Korrespondenz ma ncher Vergilzitate in der Caecilius- und in der Octaviusrede: Bei der Beantwortung eines Vorwurfs, der zunächst unter Verwendung eines vergilischen Ausdruckes formuliert war, erscheint wiederum eine Remlnlszenz. 4 Der Agon der beiden Unterredner vollzieht sich also auch auf der Ebene der Vergilbenutzung. Sorgfält ig ist auch die letzte Vergilremlniszenz in den Kontext gesetzt (39): Nach d er Rede des Octavius schildert M inucius Felix das Verhalten der Zuhörer in vergilischer Formulierung, d ie in der Aeneis für die Spannung der in K arthago Versammelten vor Aeneas' großer Rede steht. Indem der Apologet freilich dle Wendung an das Ende der Octaviusrede stellt, verleiht er der Nachwirkung der ChTistenworte ein besonderes Gewicht und lenkt den Blick des Lesers auf den Sinneswandel des Caecilius.
2.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Betrachtet man die Vergilstellen , die Minucius Felix zitiert, werden einige Schwerpunkte erkennbar: Aus den Eklogen und den Georgika entnimmt er wenig, die meisten Rem iniszenzen stammen a us der Aeneis. Hier wiederum zieht er das sechste Buch vor, vieles kommt a us dem siebten , ersten und achten , einiges a us dem zehnten, elften und zwölften Buch. Im Mittelpunkt stehen d iejenigen Bücher , die die römische Herrschaft begründen, und d iejenigen , d ie d ie Ankunft in Latium schildern. Die Aeneis kommt also in erster Linie a ls das Nationalepos in den Blick, freilich mit deutlichem Schwerp unkte bei der t heologisch- philosophischen Dikt ion. N äherhln lassen sich folgende t hematische Schwerpunkte bei den Zitaten a usmachen:5 1. Typisch epische Motive, nämlich Darstellungen des stürmischen Meeres und ein es Kampfgeschehens, werden in den Dialog übertragen im Zu1
2 3 4
5
Cf. 16,3; 25,3; 28,6; 32,7sq.; 35,1sq. Besonders 19,2; 32,7sq. ; 35,lsq. Besonders 22,7; 23,6 .11; 25,3.10; 27,1. Besonders 6,2 und 25, 1; 7,4 und 25,3; 9,5 und 30,1. Bei den vergil isch verwendeten Einzelausdrücken revocare (1,1) und implicm-e {1,2) ist eine thematische Zuordnung nicht möglich.
184
Il.2 Minucius Felix
sarnmenhang mit dem Stra ndspaziergang und zur emphatischen Ausgestalt ung verwendet. 1 2. Sachverhalte aus der römischen Religion und der römischen Geschichte werden in ihrer vergilischen Formulierung wiedergegeben. Hierher gehören historische und mythologische Episoden wie die Allianlederlage (7,4a) oder das Wirken von Saturn in Latium (23,11),2 g rundlegende Äußerungen über die gottgewollte Größe Roms (6,2; 25,1) und religiöse Terminologie wie die vielzitierte vana su.perstitio (9,2) 3 . 3. Insbesondere finden sich zahlreiche Berührungen mit Themenkreisen a us dem sechsten Aeneisbuch, nämlich zur Darstellung der Sibylle (7,6; 27,1), zur Unterweltschilderung (5,6; 16,3; 35,1sq.) und zu den E inleitungsversen der kosmologischen Anchisesrede (19,2; 26,8; 32,7sq.),4 zu denen dann inhaltlich vergleichbare Zitate aus a nderen Vergilpassagen kommen. Minucius Felix zit iert die Aeneis also einerseits, um den rechten , den klassischen Ton römischen Nationalbewußtsein s in Geschichte und Religion zu t reffen. Andererseits stellt sie a uch den Ausgangspunkt für eine weitergehende inhaltliche Auseinanderset zung dar: Neben dem Rekurs auf die Unterweltsschilderung zieht Minucius Felix vor a llem Kernstellen vergilischer Kosmologie und Theologie heran als Vorbild in der Formulierung und als a rgumentativen A'nknüpfungspunkt. Hierin liegt zum einen ein Kalkül mit dem konservativen und gebildeten Leser aus der Oberschicht , für dessen historisches und soziokulturelles Bewußtsein gerade die häufiger zitierten Aeneisbücher grundlegend sind. Zum anderen scheint Minucius FelLx aber den Anfang der kosmologischen Anchisesrede (Aen. 6,124sqq. ), den er offenbar als erster rezipiert, auch persönlich zu schätzen.
2.3.4
Vergil bei Minucius Felix: Funktion und Bewertung
Zwar zitiert Minucius Felix eine Reihe weiterer Dicht er neben Vergil5 und kombiniert Reminiszenzen unterschiedlicher Provenienz 6 , doch ist Vergil für 1
2
3 4
5
6
Meer: 2,4; 3,3abcd; 3,4; 3,6; cf. 3,5; 4,5; Kampf: 9,5; 36,9. Eine epische At mosphärenschilderung wird auch für die Darstellung der Zuhörerreakt io n (39) herangezogen. Außerdem die Pest auf Kreta 5 ,10; der Dioskurenrit t 7,3; die Part herniederlage 7,4b; die Bürgerkriege 18,6; die Vulkansschmiede und der Raub der Sabinerinnen 25,3; im weiteren S inne die Darst ellung des Merkur (22,5) und d er Dioskuren (22,7). Außerdem über den KuJt: 7,5; 12,6; 30,1. Auf die Anchisesrede be'Lie hen sich a uch die Zitate 6,2 und 18,6 (?). Dazu oben 108sqq. 3,3 episch- breit anmutende Schilderung des an brandende n Meeres; 5,6 Warnung vor der Selbstüberschätzung (Verg. Ae n. 6 ,135 insano iuvat indulgere labori; Hor . carm. 1,22,11 terminum curis vagor erpeditis); 37,9 Warnung vor den Gefahren, die de m Mäch tigen dro hen (Laber. mim. frg. 126 necesse est multos timrot quem multi timent; Sen. Herc.
11.2.3 Auswert ung
185
Minucius Felix weit mehr als nur ein Dichter unter vielen: Er wird nicht nur hä ufiger, sondern auch mit einem engeren inhalt lichen Bezug 1 , überdies a ls einziger wörtlich zitiert. Kennzeichnend ist dabei das Nebeneinander der Präsenz und der Latenz der Vergilzitate im Octavius. Die Referenz au f den Prätext beruht meist auf sprachlichen oder gedanklichen Stru kt uren, nicht auf poetischer Lexik. Damit kommt Minucius Felix zum einen der Forderung nach Stileinheit lichkeit in der Kunstprosa nach , zum anderen erzeugt er durch die Subtilität der Vergilbezüge einen geistreich- urba nen Ton, der gerade den gebildeten Leser aus der Oberschicht a nspricht, dessen historisches, soziokulturelles und religiöses Selbstverständnis durch das Werk des römischen Nationaldichters maßgeblich geprägt wird. Zu dieser Leserausrichtung gehört ebenso, daß die meisten Zitate aus der Aeneis stammen und unter diesen wiederum die für das Nationalepos chara kteristischen P assagen und T hemen eine besondere Rolle spielen. Das gilt insbesondere für das sechste Aeneisbuch , d as auch für theologische Inhalte herangezogen wird, und darin wiederum vor allem für die offenbar von Minucius Felix erstmals rezipierte kosmo logische Anchisesrede (724sqq. ). Bewußt und absichtsvoll geht Minucius Felix auch bei der Ausnu tzung der argumentativen FUnkt ion der Zitate in der Gedankenführung des Dialoges vor. Bemerkenswert ist hier zunächst die protreptische Verwendung zur captatio in den Einleitungskapiteln, zur E rleichterung der Ident ifikat ion des Lesers mit dem Vertreter der paganen Posit ion und zur E rreichung von Aut hentiz ität. Vielleicht setzt Minucius Felix auch manche Finessen ein, etwa d ie Doppeldeutigkeit mancher Zitate in der Heidenrede,2 die Verklammerung von Caecilius- und Octaviusrede d urch Reminiszenzen an den st rukt urell entsprechenden Stellen3 oder schließlich die t iefgründige Deutung der Entscheidungssit uat ion des Heiden d w·ch die Parallele zu Aeneas am Scheideweg zwischen Elysiu m und Tartarus (16,3). Entscheidend a ber ist , daß Minucius Felix auch ausdrücklich mit Vergil a rg umentiert: Zum einen beruft er sich auf die natürliche Gotteserke nnt nis des Dichters (19,2), dessen Zeugnis er gegenüber dem der anderen hervorhebt und das er durch Paraphrase, Auslassungen , Auswahl und Textz usammenstellung in einer Form präsentiert, die im Sinne christlicher Gottes- und Schöpfungslehre lesbar ist. Zum anderen wird Vergil neben Platon a ls paga0 . 607 sq. cum tot populis stipatus eas j in tot populis vix tma fides ; zur Formulierung auch Verg. Aeo . 1,497; 4 ,136 magna sttpante caterva). Außerdem gehört. hierher 19, l sq. 1 Zählt man einJacll, wie es etwa G.W. CLAIU<E, T he Literary Settingof t he Octavius of Minucius Felix , J RH 3 {1965) 195-211. hie r 205, t ut, die Belege im Similienapparat bei WAI.TZING, so scheint Vergil mit 34 Parallelen nicht wesentlich öfter a ufz utauchen a ls etwa Ovid (25). Terenz (2 1). Ju venal (1 1) us w.; doch zeigt eine Überpr üfung der Stellena ngaben rasch , daß es sich meist um nur ganz allgemeine Inha ltsparallelen oder vergleichbare grammatische Phä nomeue und nur selten um wirkliche Reminiszenzen ha nde lt., wohingegen sich das vergilische Mat erial erstaunlich oft , wie oben gesehe n, in eine engere Beziehung zum Text der Apologie setzen läßt. 2 Dazu oben 178. Daß die Caeciliusrede generell a uf Widerlegba.rkeit hin a ngelegt ist, weist ALAN D (22sq.) nach. 3 Dazu oben 179 Anm. 1.
186
IJ.2
Minucius Felix
ner Beleg für die Vorstellung von einem feurigen Ort der Strafe im Jenseits (35,1sq.) ins Feld geführt. An diesen beiden Stellen steht der poeta Vergil neben den philosophi und wird , was seine T heologie und Kosmologie angeht, als ein Philosoph behandelt. Dami t folgt Minucius Felix dem Muster der paganen, vor allem der stoischen Philosophie für die Verwertung von Dichterzitaten im philosophischen Diskurs. 1 Auch die Krit ik an den anstößigen Dichtermythen bleibt im Rahmen dessen, was das ant ike Denken vorgibt, und betrifft Vergil nur marginal (23,6) . Da nun aber Vergil nach dem Muster philosophischer Dichterbenutzung und als Philosoph rezipiert wird, ist bemerkenswert, daß Minucius Felix den letzten und beispielsweise in der Stoa üblichen Schritt 2 zur Allegorese nicht tut. Zwar bietet er die Vergilbelege so dar, daß die Berührungspunkte in der Vorstellung von einem in der Welt waltenden Schöpfergott oder von einem Höllenfeuer greifbar werden und die theologischen Divergenzen, etwa zwischen Monotheismus und Pantheismus, in den Hintergrund treten, aber er macht Vergil nicht zum heim lichen Christen. Er läßt weg, was den Übergang von Vergil zum Christentum erschwert, und hebt hervor, was ihn erleichtert, sucht also gezielt den Punkt der äußersten Annäherung.3 Die Stellung der Vergilzitate in der a pologetischen Konzeption des Minuci us Felix tritt noch deutlicher im Vergleich mit Tert ullians A pologeticum hervor, das Minucius Felix ja einerseits als Vorlage verwendet und von dem er sich andererseits bewußt absetzt: 4 Von den acht besprochenen Zitaten im Apologeticum fi nden sich nur zwei im Octavius wieder: Zum einen läßt Minucius Felix den Heiden Caecilius die gelä ufige Formel vana S7J.perstitio, die 1
2 3 4
Bereits d ie griechischen Apologeten folgen nicht nur der Form nach der allgemeinen, aus der paganen Literatur übernom menen Gewohnheit , mit Dichterzitaten zu argumentieren, sondern, wie sich an einzelnen Stellen zeigen läßt, wenigstens teilweise exakt stoischen Vorgaben (zur Übernahme stoischer A rgumentationsmuster a llgemein siehe oben 180 A nm . 2) bei der thematischen Auswahl und argumentativen Verwend ung der Zitate {siehe auch oben 19 Anm. 3) . Zwei treffende Beispiele gibt ZEEGERS- VANDER VoRST: Zum einen legt sie dar, daß Athenagoras, Klemens von A lexandrien und der Verfasser der pseudo-justinischen cohortatio ad Gmccos (neuerdings Markellos von Ankyra zugescllrieben, cf. C.P. YETTEN, LACL [2002] 411) Homer im Zusammenhang mit der Kritik an dessen anthropomorphem Gottesbild nach C hrysipps Schrift. -rttpl 6twY zitieren und benutzen {75- 79); zum anderen zeigt sie, d aß Athenagoras leg. 5,1 e.in zunächst von Stoikern antiepikureisch, dann umgekehrt verwendetes Euripides- Zitat (fr. 941 NAUCK) aufgreift.. - Was übrigens den paganen Bereich a ngeht , so bietet ein gutes Beispiel dafür, wie geläufig die Verwendung von Dich terzitaten in der stoisch geprägten (Populär- ) Philosophie d er ersten nachchristlichen Jahrhunderte ist, Dion von Prusas 36. Rede, der Bopuo6t.Yt x6~ , in dem die Homer und Phoky lides a ls Vertreter einer heroischen und einer kontemplativen Lebensweise gegenübergestellt (§ lOsqq.) und D ichter (§33sqq.) als (frei lich der Interpretation) bedürftige Zeugen kosmologischer Wa hrheiten benannt , cf. D.A. Russell , Dio Cllrysostom , O rations V II , X II, XXXVI, Cambrigde 1992, 228- 231. So etwa in der Baibusrede Cic. nat. deor. 2,59-72. In diesem Sin n auch BENDER 147. A ls C harakteristikum des Minucius Felix im Vergleich m it Tertullian nenn t BECKER ( Octavius 89sq.) die Yerg ilzitate.
11.2.3 Auswertung
187
Tertullian in bezug auf die ägyptische Religion gebra ucht (apol. 24,7), auf das Christentum beziehen (9,2). Zum anderen spielt im Octavius ein fictus interlocutor (25 ,1) a uf das berühmte imper'i:um sine .fine dedi (Aen. 1,279) an, das auch Tertullian (apol. 25,16) in der Auseinandersetzung mit dem römischen Herrschaftsanspruch zitiert. Außerdem zieht Minucius Felix (20,6) die Gestalt der Dido in der bei TertuUian (apol. 50,5par.) vertretenen nichtvergilischen Version als Beispiel der pudicitia heran. J edoch verschweigt er ihren Namen und Karthago und nennt sie in einer euhemeristischen Argumentation als einen wegen seiner Tugend vergöttlichten Menschen. Die beiden umfangreichsten Zitate im Apologetic'um, dasjenige über die Fama (apol. 7,8) und dasjenige über Juno als Schutzgöttin von Karthago (apol. 25 ,8), übernimmt Minucius Felix nicht, obwohl er die Argumente beibehält, in deren Rahmen Tertullian sie anführt: Im Fall der fama betont Minucius Felix vor a llem das Wirken der Dämonen (28,6), Juno zählt er neben anderen Göttern auf, denen bestimmte, nun von den Römern eroberte Orte nahestehen, und nennt sie unter deutlicher Zurücksetzung des Bezuges auf Karthago nunc Argiva, nunc Samia, nunc Poena (25,9). Darin deutet sich an, in welchen Punkten Minucius Felix sich von der Zitierweise seines apologetischen Vorgängers absetzt: Im Gegensatz zu Tertullian vermeidet er das plakative wörtliche Zitat und , wie der Fall der Dido und der Juno zeigen, das afrikanische Lokalkolorit. Die meisten Vergilzitate setzt aber Minucius Felix selbst hinz u. Sieht man von den Zitaten in der Rahmenerzählung und im Zwischengespräch ab, die im Apologeticum keine Entsprechung ha ben können, ergeben sich folgende Punkte, a n denen Minucius Felix über Tertullian hina us auf Vergil zurückgreift: Zum einen setzt Minucius Felix vor allem in Beispielreihen einschlägige Vergilzitate, die den Aussagen Authentizität verleihen. 1 Bemerkenswert sind da runter vor allem diejenigen Fälle, in denen Minucius Felix sich zwa1· an Tert ullian anlehnt , aber das Zitat ausdrücklich hinzufügt , so beispielsweise bei der Mythenkritik (23,6), die Tertullian ohne den Verweis a uf die Waffen des Aeneas ausführt (apol. 14), beim Mythos von Sat urn in Latium , wo Minucius Felix (23,11) gegenüber Tert ullian (apol. 10) die vergilische Etymologie hinzusetzt , oder a uch beim Rau b de r Sabinerinnen, den Minucius Felix (25,3) nach Tert ullians Vorbild (nat. 2,9,19) verwendet, aber in die einschlägige vergilische Formulierung kleidet. Im Zusammenhang mit der Vorstell ung von einem jenseit igen Ort der Strafe, in dem sich Tertullian (apol. 23,13) au f den consensus Platonis et poetarum beruft , lenkt Minucius Felix (35,1sq.), obwohl er nur allgemein von den carmina poetarum spricht, die Bezugnahme durch ein Zitat auf Vergil. Noch deutlicher ist die Berufung a uf die Autorität Vergils natürlich, wenn Minucius Felix ihn als Zeugen eines christlich gedeuteten Monotheismus präsentiert (19,2): Diese Stelle hat nicht nur bei Tert ullian ke in Gegenstück , sie widerspricht sogar a usdrücklich seiner Konzeption , zwar in der natürlichen T heologie auf die anima naturaliter 1
So beispielsweise 7,3abc; 7,4ab; 7,5.6; 12,1; 22,7.
188
11.2
Minucius Fe üx
christiana (apol. 17,6) zu rekurrieren, die Zusammenstell ung von Dichterund Philosophenbelegen aber grundsätzlich abzulehnen (test. anim. 1,1). Die wesent lichen Unterschiede in der Vergilrezeption bei Tertullian und Minucius Felix lassen sich also auf ctie Verschiedenheit der apologetischen Konzeption zurückführen: Anders als Tert ullian sucht Minucius Feli.x die Anknüpfung, indem er einerseits mit sorgfältig eingefügten Vergilzitaten den Erwartungen einer gebildeten Oberschicht zu entsprechen sucht und andererseits Vergil auf die Seite der Christen zieht, sowohl im geschickten, teiJs hintersinnigen Umgang mit dem Klassiker als auch in der Inanspruchnahme seiner Autorität für christliche Posit ionen. 1 An diesem Punkt erhebt sich die Frage, wie t ief dieses Bestreben um Annäherung gegründet ist: Geht es Minucius Felix programmatisch um den Brückenschlag zwischen christlichem Denken und Vergil als dem Exponenten paganer Bildung und Literatur oder benutzt er pragmatisch den Klassiker ganz berechnend als Lockmittel für seinen Adressatenkreis a us der gebildeten Oberschicht? - Die letztere These hat jüngst B UCHH EIT mit aller Vehemenz vertreten. 2 Und wirklich hat die bisherige Interpretation gezeigt , daß ctie Zitate im einzelnen und in ihrer Gesamtheit, in ihrer Verteilung, AuswahJ und Form ganz auf die protreptische Intention des Gesamtwerkes a usgerichtet sind. Tatsächlich tritt gegen Ende der Octaviusrede die Betonung der Übereinstimmungen zwischen paganen Vorstellungen und christlicher Lehre zurück zugunsten einer Profilierung des Christentums. Vor allem am SchJuß seiner Rede distanziert sich Octavius deutlich von der Philosophie, deren Konvergenzen mit dem Christent um anfangs nachdrücklich hervorgehoben wurden,3 und betont, daß die veritas divinitatis erst nostri temporis aetate maturuit (38, 7) 4 . Damit wird a ber keineswegs die im ersten Teil der Rede herausge1
2
3
4
Bemerkenswert ist, daß Minucius Felix in seinen Veränderungen gegenüber Tertull ian letztlieb nur viel weiter in diejenige Richt ung geht, die sich schon bei der Überarbeit ung der Schri ft ad nationes zum Apologeticum a ndeutet (dazu oben 95): Gre lles, Plakatives und Polemisches fallt weg, statt dessen kommen einzelne Wendungen hinzu, die im Kleinen den passenden, a uthent ischen Ton treffen. Auch die beiden Zitate, die Minucius Felix von Tertullian übernimmt, setzt dieser erst im Apologeticum hinzu. BuCIHIEIT Vergil als Zeuge 255: "Minucius nutzt die natürliche Gotteserkenntnis wie andere Väter in missionarisch- protreptischer Absicht ", daher müsse er Zitate bringen, um "d i.e Heiden a uf vertrauter Basis zu verlocken". Da liege eben der allseits bekannte Vergil am nächsten. Eindeutig wird zunächst das menschliebe Erkennt nisstreben bejaht, da es letztlich zur Frage nach Gott führe, 17,1: Nec recuso, quod Caecilius adserere inter praecipua conisus est, hominem nosse se et circumspicere debere, quid sit, unde sit, quare sit: u trum elementis concretus an concinnatus atomis an potius a deo fa ctus , formatus, animatus. Am E nde des Philosophenkataloges ( 20,1) wird gar als Ergebnis festgehalten , ut quivis arbitretur aut nunc Christianos philosophos esse aut philosophos juisse iam tune Christianos. Diese Äußerung hält V. BucHHEIT, Oie Wahrheit im Heilsplan Gottes bei Minucius Felix (Oct. 38,7) , VCbr 39 ( 1985) 105-109 für eine Kernaussage des Octavius: Oie göttliche Offenbarung sei unbedingte Vora ussetzung dafür, daß das menschliche Wahrheitsstreben zur Erkenntnis der veritas Christiana gelange.
11.2.3
Auswertung
189
arbeitete Konvergenz zwischen paganen und christlichen Positionen wieder rückgängig gemacht, weder in bezug auf die Philosophie 1 noch in bezug a uf Vergil. Denn auch was d en Dichter angeht, macht Minucius Felix keineswegs, wie B UCRHEIT annimmt, wieder rückgängig, was er an Übereinstimmungen herausgearbeitet hat. 2 Vielmehr handelt es sich dabei um einen zwangsläufigen .. Fortschritt in der Arg umentation, der d en Ubereinstimmungen mit paganen Anschauungen erst ihren rechten Platz zuweist: Die Heranführung an den christlichen G lauben muß sowohl dem G emeinsamen als auch dem signifikant Anderen gerecht werden. Mit anderen Worten, da das Christentum zwar von einer natürlichen Gotteserkenntnis a usgeht und den Glaubensakt daher nicht als sacrificium intellectus ansieht , zugleich aber eine Offenbarungsreligion ist und eine Bekehrung auf das Wirken der göttlichen Gnade, nicht auf menschliche Einsicht zurückführt , ist die intellektuelle Hinführung notwend ig, aber nicht hinreichend. In dieser intellektuellen Hinführung spielt Vergil seine vom Apologeten wohl bedachte und auf den Adressatenkreis abgestimmte Rolle, d ie nicht nur von einer bewußten christlichen Erschließung Vergils geprägt ist, sondern a uch deren Weiterführung den Weg weist. 3 Hier nämlich ist ein zweiter Aspekt des Umgangs mit Vergil im Octavius zu ber ücksichtigen: Von der Vergilbenutzung des Minucius Felix geht eine deutliche Signalwirkung für die gebildet en C hristen aus. Der Octavius demonstriert , daß man und wie ma n Übereinstimmungen zwischen ch ristlichem Glauben und vergilischen Theologumcna arg umentativ verwerten und Vergilzitate stilistisch und rhet orisch für die christliche Sache verwenden kann. 1
2
3
Cf. S. FREUND, Philosophorum supercilia contemnimus. Zur Bewert ung der Philosophie im 'Octavius' des Minucius Felix, Gymnasium 107 (2000) 425-434. Oie von B uCHH EIT ( VetYJil als Zeuge 256sq.) für e ine Abkehr von Yergil im weiteren Verlauf der Octaviusrede vorgetragenen Argumente sind überaus bedenkenswert, da sie wesentliche Fragen aufwerfen , aber in der vorgetragenen Bewertung nicht überzeugend: Oie Mythenkritik (l
190
II.2 Minucius Felix
Zwar wendet sich die Schrift formal an ein heidnisches Publikum, doch zielt christliche Mission unter den gegebenen Umständen sicher nicht auf entschiedene Christengegner ab, sondern eher a uf einen Kreis von gebildeten Sympathisanten oder wenigstens Aufgeschlossenen, die mit bereits Bekehrten in Verbindung stehen. Genau diese Sit uation liegt ja a uch dem Dialog selbst zugrunde: Der Heide Caecilius pflegt mit seinen christlichen Standesgenossen freundschaftlichen Umgang im Wissen um deren Glauben. Wären solche Verhältnisse gänzlich irreal, könnten sie nicht als Grundlage des Werkes dienen.1 Hinzu kommt, daß unter den Verhältnissen des antiken Buchmarktes der Octavius am ehesten unter Lesern Verbreitung finden kann, die ihn als Interessierte von Bekannten, die mit dem Christentum in Berührung stehen, a usgehändigt bekommen. 2 In jedem Fall ist davon a uszugehen, daß auch gebildete Christen als Leser des Octavius intendiert sind und daß gerade diese den Umgang mit Literatur und Bildung, insbesondere mit dem vertrauten Schulautor Vergil, mit großer Aufmerksamkeit verfolgen. Ihnen präsentiert Minucius Felix im Werk als ganzen ein Modell und in der Figur des Octavius ein Vorbild, wie man christlichen Glauben und pagane Bildung vereinen kann. Das is t zwar nicht die primäre Intention der Apologie, a ber daß Mjnucius Felix auch in diese Richtung wirkt und wirken will, wie es VAN DER N AT in bezug auf die Rhetorik zeigt,3 läßt sich nicht von der Hand weisen. Die 1
2
3
Eine Schwierigkeit besteht natürlich darin, daß s ich Caecilius im La uf seiner Rede als durchaus militanter C hristengegner erweist, doch scheinen hier dramaturgische Notwendigkeit (in diesem Fall, a lle Vorwü rfe gegen das C hristentum zu erwä hnen) und realer Sitz im Leben zusammenzuwirken. Selbst wenn es s ich um eine literarisch ko nstruierte Situation handelt , wie W. SPEYER, Octavius, der Dialog des Minucius F'eli.x: Fiktion oder historische Wirklichkeit?, JbAC 7 (1967) 45- 51, aufgru nd der Realien annimmt, muß die Gesprächssituation als solche doch e in dxo~ für sich haben. Zu den a llgemeinen Grundlagen dieser Problematik R.J . STARR, The C irc ulation of Literat·y Texts in the Roman World, CQ 37 ( 1987) 213-223; zur christl.ichen Apologetik d es 2. und 3. J a hrhunderts H.Y. G AMBLE, Books and Readers in t he Early Church, New Haven / Londo n 1995, 133: " lt bas to be supposed that C hristians produced the copies a nd insinuated them a mong non- C hristian readers." - Oder sollte der Octavius als kryptachristliches Werk in dem Sinn angelegt sein, daß der Leser zunächst gar nicht weiß und erst, wenn er bereits in den Bann des Streitgesprächs geschlagen ist, merkt, daß es sich um eine christliche Werbeschrift handelt? Aber wie könnte ein solches Werk unbemerkt über Handel und Bibliotheken in öffent liche Verbreitung, wenn diese doch das Erstellen von Abschriften voraussetzt, und somit in die Hand eines ahnungslosen Lesers gelangen? - lm übrigen sind a uch nur christliche Rezipienten des Octavius belegt, dazu HECK HLL 4 {1997) 518sq. Die Passage 14,4--6 sei, im Gegensatz zum Kontext, der sich a uf die Dialogsituation beziehe, auf gebildete christliche Leser ausgerichtet, die angesichts der Manip ulationsmöglichkeiten durch die Rede dennoch keine gänzliche Mißtrauenshaltung zulassen dürfte n: igitur nobis providendum est, n e odio identidem sermcmum omnium Laboremus ita, ut in exsecrationem et odium hominum plerique simpliciores efferantur. (14,6) dazu VAN DER NAT (209): " Nobis hat in diesem Zusammenhang eher eine verallgemeinernde Bedeutung. Das P ronomen steht im Gegensatz zu simpliciores; er meint also ' uns, die Gebildeten ' und d enkt dabei zweifellos zuallererst a n geb ildete C hristen wie er selbst eine r war." Insgesamt. führe Minucius Fe li.x im Dialog mögliche chril>'tliche Positionen gegenüber der Rhetorik vor - eine moderne und differenzierende aus dem Munde des Minuc ius F'e lix und eine moderne und uneingeschrän kt pos itive in der Redeweise
ll.2.3
Auswertung
191
Vergilbenutzung des Minucius Felix trägt in diesem Sinne zur intellektuellen Selbstvergewisserung des gebildeten Konvertiten bei. Ihm wird demonstriert, daß er seine Erziehung und seine literarischen Vorlieben nicht nur behalten, sondern zum Vorteil des neuen Glaubens einsetzen kann. Betrachtet man also die Vergilzitate im Octavius - ebenso wie die anderen Klassikerzitate - als Brückenschlag nicht nur vom Heidentum zum Christentum, sondern auch vom Christentum zur paganen Bildung, wird man durchaus von einer historischen Bedeutung des Werkes als Muster für christliche Vergilbenutzung und Ausgangspunkt für die christliche Aneignung Vergils sprechen können. In eben diese Richtung verweist auch die abschließende Würdigung der Octaviusrede durch Minucius Felix, 39: Magnitudine admirationis evanui, quod ea, qua.e facilius est sentire quam dicere, et argumentis et exemplis et lectionum auctoritatibus adomasset et quod malevalos isdem illis, quibus armantur, philosophorum telis r-etudisset, Ostendisset etiam veritatem non tantummodo fa cilem sed et favorabilem.
Der Christ Minucius Felix bekundet seine Bewunderu ng für den Ch1·isten Octavius, der den gemeinsamen Glauben mit den Mitteln paganer Bildung und paganen Denkens verteidigt und zugänglich gemacht hat. Im Rahmen dieses Ansatzes hat auch Vergil seinen Platz und die Rolle, die veritas des Christentums den Gebildeten facilis et favombilis erscheinen zu lassen.
des Octavius, dessen Able hnung der eloquentia (16,6) nichts a ls ein " unvermeidliches apologetisches Mot,iv" (203) sei.
3 3.1
Novatian Zur Forschungslage
Der Presbyter Novatian ist der erste Vertreter der christlichen Latinität in Rom. 1 Wohl aufgrund seiner besonderen Bildung und t heologischen Fähigkeiten nimmt er während der Sedisvakanz nach dem Tod des Bischofs Fabian (20.1.250) eine hervorragende Stellung in der römischen Gemeinde ein und führt nicht zuletzt den Briefwechsel mit der von Cyprian geleiteten Gemeinde von Karthago. Nach der Wahl des Cornelius im Frühjahr 251 wird Novatian zum Gegenbischof einer rigoristisch ausgerichteten Sonderkirche. Er fä llt möglicherweise der Valerianischen Verfolgung (258) zum Opfer. Aus dem umfangreichen Werk sind lediglich ein dogmatischer 'fraktat de trinitate, drei Briefe a n die karthagische Gemeinde, verfaßt im Namen der römischen, und drei Brieftraktate an Novatians schismatische Gemeinde erhalten. Im Werk des Novatian spielt die Auseinandersetzung mit der paganen Kultur und Bildung kaum eine Rolle: Poetae erwähnt Novatian nicht. Die Kritik an den paganen Scha uspielen im Brieftra ktat de spectaculis zielt auf die Begleitumstände und die Inhalte der Aufführungen seiner Zeit ab, nicht auf die dramatische Literatur. 2 In der Forschung hebt man diesbezügHch einerseits die innerkirchliche Ausrichtung von Novatians Schrifttum, andererseits seine litera rische Bildung hervor,3 die sich sowohl in seinem kunstvollen Sti1 4 a ls auch in der Benutz ung paganer Autoren niederschlägt. Genannt werden vor allem Cicero, Varro, Seneca, Plinius der J üngere und Apuleius, 5 unter den Dichtern Ovid 6 und VergiJ , zu dem insbesondere H ARNAC K (1895) zahlreiche Reminiszenzen a usweist 7 . In bezugauf den Umgang mit Vergil stellt 1
Grundsätzlich zu Novatian J .S. ALEXANDER, ' Novatian / Novatianer', TRE 24 (1994) 678-682, und H. GüLzow HLL 4 {1997) §476, mit der Forschungsliteratur; H.J. VOGT, ' Novatian ', LAC L {2002) 522- 524. 2 Dazu oben 33 Anm. 2 und 108 Anm. l. 3 ELLSPERMANN (1949) und KRA USE ( 1958) erwähnen Novatian nur am Rande, HAGENOAHL Von Tertullian ( 1982) beklagt vor allem den Verlust der größten Teile des Werkes, denn "Novatian ist ein geschickter und kul tivierter Autor, der in vieler Hinsicht Interesse verdient" (31). 4 Dazu etwa H . KOCH, La lingua e lo stile di Novaziano, Religio 13 (1937) 278- 294; F. SCHEJOWEJ LER, Novatianstudien, He rmes 85 (1957) 5&-87. 5 Dazu GüLzow HLL 4 ( 1997) §476 Lit. 10 mit detaillierten Literaturangaben . 6 Einzelne Parallelen gibt R. CANSZYNIEC, Novatianea Eos 32 (1929) 43; 82; 90; 120; 1 14 2; 245; 254 ; 314; 346; 388; 534, v.a. 254.314, an . 7 HARNACK will die stark vergilisch beeinflußte Schrift de laude martyrii Novatian zuweisen und zählt da her 39-42 als Kri terium der Verfasserschaft eine ganze Rei.he vermeintliche r Vergilzitate im unstrittigen Wer k des Au tors a uf, die jedoch meistens e iner nä he ren Überprüfung nicht standha lten (siehe unten 373sqq.). Einiges bieten außerdem die S t andardwerke von B üRN ER (26-36), der aber eine Reihe he ute nicht mehr Novatian zugeschriebener Werke einbezieht, und COURCELLE ( Lecteurs 119.411.414), einzelnes die Kommentare von H. WEYER, Novatianus, Oe TI-initate. Über den dreifaltigen Gott, Text und Übersetzu11g mit E inleitung und Kommentar, Düsseldorf 1962, und V. Lot,
ll.3. 2
Oie Vergilzilat.e
193
BÜRNER (1902) fest, daß Novatian "kein servilis irnitator Vergili~?· 1 sei, sondern vergilische Versatzstücke frei einarbeite. WEY ER (1962) folgert a us der Vergilkenntnis auf Novatians Schulbildung, 2 und HECK (1990) konstatiert lediglich 'unbedeutende Spuren der Vergilbenutzung' 3 . Im folgenden wird also einerseits nach dem stilistischen Einfluß Vergils auf Novatian zu fragen sein, andererseits aber auch danach, welche G rundlinien bei der Benutzung des Klassikers erkennba r werden.
3.2
Die Vergilzitate
de trinitate Die etwa 240 entstandene Schrift de trinitate ist d ie erste Dogmatik in lateinischer Sprache.4 Dementsprechend gliedert sich d as Werk in einen Teil über den einen Gott, den Vater und Schöpfer (Kapitel 1- 8), einen entsprechend den dogmatischen Auseinandersetzungen der Zeit ausführlichen Teil über Christus, den Sohn des Schöpfergottes, den wahren Menschen und wahren, vom Vater verschiedenen Gott (Kapitel 9- 28), einen knapp gehaltenen Teil über den Heiligen Geist (Kapitel 29) und einen Teil über die Einheit Gottes (Kapitel 30- 31).
trin. 1,2 (CC IV 11 ,8sq.) 5 Narn et in solidamento caeli luciferos solis ortus excitavit, lunae candentem. globum ad solacium noctis rnensurnis incrementis orbis implevit, astrorum etiam radios variis fulgoribus micantis lucis accendit et haec omnia legitimis meatibus circumir-e totum m.undi ambitum voluit, humano generi dies, menses, annos, signa, tempora utilitatesque factura. Der ersten göttlichen Person, dem Schöpfergott, nähert sich Novatian mit einer Darstellu ng der Schönheit seines Werkes an. Ausgehend von der Erschaffung von Himmel, Erde und Meer (1,1), wendet er sich deren Ausgestaltung Novatianus, De trinitate. I ntroduzione, testo critico, traduzione e commento. Torino 1975; P. MATTEI, Novatien, De trinitate 31. Texte et traduction. Commentaire philologique et doctrinal , in : MAT 20 (1996) 159- 257; C. GRANADO, Novaciano, La 'Prinidad. lntrod ucci6n , traducci6n, comentarios e indices, Madrid 1996, zu de trinitate und von G. LANDGRAF / C. WEYMAN, Novat.ians epistula de cibis ludaicis, ALLG l l (1900) 221- 249. I B ÜRNER 31. 2 WEYER Einleitung 5sq.: "[D]ie zahlreichen Reminiszenzen aus dem Schul buch der Zeit, Vergils Aeneis, bezeugen eine lateinische Schulbildung." 3 I-l ECK Vestrum est l llsq. : ·'Die Spuren der Vergilbenutzung bei Cyprian und Novatia.n [... )sind unbedeutend und gehen nicht. über d as hinaus, was jeder Römer, der lesen und schreiben konnte, an vergilischen Versatzstücken sozusagen ei11atmete und verfügbar hatte." 4 Datierung nach WEYER Einleitung 14sq.; allgemein zum Forschungsstand H . GOLZOW HLL4 ( L997) §476.l. 5 T ext nach G .F . OIERCKS, Novatia.ni opera, Turnhout 1972 (CC fV) .
194
Il .3
Novatian
zu (1,2- 4) und beginnt mit den Gestirnen des Himmels (1,2), Sonne, Mond und Sterne. Die dabei für den Mond verwendete Bezeichnung lunae globtLS - sie erscheint nochmals spect. 9,1 in ähnlichem Kontext 1 - ist erstmals, in kosmologischem Zusammenhang, bei Lukrez belegt 2 und findet sich dann im zweiten Vers der großen kosmologischen Offenbarungsrede des Anchises, Aen . 6,725 (724- 727): Principio caelum ac terras camposque liquentis Lucentemque globum lunae Titaniaque astra spiritus intus alit, totamque injtLSa per artus mens agitat molem et magno se corpore miscet.
Bemerkenswert ist die strukt urelle Entsprechung des Kontextes, denn vorher ist jeweils von der Entstehung von terra, mare und caelum die Rede, danach von der Entstehung vegetativen Lebens. 3 In ganz ähnlichem Zusammenhang verwendet jedoch schon Apuleius die Formulierung, mund. 21: Terramque et mare et caelum solis oTbe et l1mae globo ceterisque orientium et conditomm siderum facibus ornavit. Bemerkenswert ist, daß Apuleius mit lunae globtLS ot.l..:fro~Yl (Ps. Ar ist. mund. 396b) übersetzt, daß er dieser Wendung also eine besondere stilistische Wirkung im Lateinischen beim ißt. Nun ist, wie DANIELOU, gezeigt hat, davon a uszugehen, daß Novatians Betrachtung der wohlgeordneten Schöpfung die Ausführungen a us der Schrift de mundo zugrunde liegen. 4 Novatian übernimmt also nach dem Vorbild des Apuleius ein terminologisches Element poetischer Kosmologie. Die Vergilparallele ist demnach weniger als gezielte Bezugnahme, die auch den Leser auf die Anchisesrede verweisen solle, sondern eher a ls Beleg für die Verwendung poetischer Sprache im philosophisch- theologischen Diskurs der Nachklassik zu sehen.5 Doch spricht manches fur den Rückgriff über Apuleius hinaus a uf Vergil: Zum einen entspricht candentem syntaktisch und semantisch genau dem vergilischen lucentem, hat aber keine Entsprechung bei Apuleius. Das spricht für eine Synonymsubstitution auf der Basis des vergilischen Prätextes. Zum anderen folgt bei Novatian wie bei Vergil das Stichwort astra, Apuleius hingegen hat sidera. Schließlich finden sich bei Novatian sowohl hier (trin. 1,7, dazu gleich) als auch beim weiteren Beleg der Junktur globus lunae (spect. 9,1, dazu unten 204sqq.) Vergilreminiszenzen im Kontext. Vielleicht ist also Novatian durch die in seiner Vorlage Apuleius gegebe1
2
3 4
5
Dazu unten 204. Cf. ThLL Vl,2 s.v. globus 2051 ,65- 82; 2053,81- 2054 ,4; Lucr. 5,69 /1mdarit terram caelum mare sidera solem / lunaique globum cf. 5 ,722. Das gilt für die Belege Lucr . 5,69sq.; Verg. Aen. 6,726- 729; Apul. mund. 21; Novatian. trin. 1,3.5 . Dazu J. DANJELOU, Novatien et le De mundo d 'Apulee, in: W . DEN BOER et o.l. {edd.) , Romanitas et C hristianitas. Studia LH . WASZJNK, Amsterdam / Loodon 1973, 71- 80, hier 71- 74. Ähnlich auch der Beleg von globus l'llnae C halc. comm. 72; außerdem Ambr. hex. 1,3,10; Claud. 7,164; Aug. civ. 10,11; Max. Taur. 30,39.48; Prud. Cath. 9,13.
II.3.2
Oie Yergilzitate
195
nen Stichworte caelum, teTra und globus lunae a n die Vergüstelle erinnert worden. trin. 1,7 (CC IV 11 ,25) Qu·ibus non cont entus, ne jorte fremitus et cursus aquamm cum dispendio possessoris humani alienum occuparet elementum, .fines litoribus inclusit, quo cum jremens fluctus et ex alto sinu spumans unda venisset, rurs·u m in se 1·ediret nec terminos concessos excederet servans iura praescripta, ut divinas Leges tanto magis homo c·ustodiret, quanto illas etiam elementa servassent. Nach Himmel (1,2) und E rde (1,3- 5) kommt Novatian auf das Wasser in der Schöpfungsordnung (1 ,6sq.) zu sprechen: Gott ha be dem tosenden Meer Grenzen gesetzt. Die in diesem Zusammenhang verwendete Formulierung spumans unda erscheint zweimal bei Vergil, nämlich bei der Abfahrt der TI·ojaner von den Strophaden, den Inseln der Harpyien, Aen. 3,268 fugimus spumantibus undis, und vorher schon beim Abgang des Proteus na.ch seiner Enthüllung der Bugonie, georg. 4,528sq.:
Haec Pr-oteus, et se iactu dedit aequor in altum, quaque dedit, spumantem undam sub vertice to1·sit. Hier wäre a uch das Adjektiv altum vorgegeben, wenngleich die geschilderte Bewegung bei Vergil auf die hohe See hin, bei Novatian von dort her verläuft. Doch muß die seit Catull in der Dichtung hä ufig belegte Wendung als Gemeingut poetischer Sprache gelten. l Es geht Novatian a lso primär um den color poeticus für die Darstell ung der Natu rgewalt des Meeres, wenngleich die Georgikastelle a ls besonders naheliegendes Vorbild gelten darf.
epistula ad Cyprianum Im 30. Brief des cyprianischen Brietkorpus wenden sich, so das Präskript, die presbyte1-i et diaconi Romae consistentes an Cyprian, den Bischof von Ka rt hago. In deren Namen jedoch verfaßt Novatian im September oder Oktober 250 eigenständig das Schreiben. 2 Der Inhalt des Briefes ist im Rahmen der la ufenden Korrespondenz zwischen den Gemeinden in Rom und Karthago zu sehen: 3 Zum einen werden die Wogen nach einer harschen Kritik der Römer an Cyprians Flucht während der Verfolgung geglättet, zum anderen wird , wie von Cyprian erbeten, zur Frage der lapsi - also zum Umgang mit den während der Verfolg ung Abgefallenen - Stellung genommen. 1
Catull. 64,155; 68a,3; Lucan . 9, ll7; Manil. 1,709; Sil. 6,163. 12,621; cf. Verg. Aen. 6, 174; 10,212; Ov. met. l , 750; Lucan . I ,371 ; 3, 190; 3 ,512sq . Si I. 2,591; 4,524. Das Verb spumare erscheint nach FoRCELLINI und OLD s.v. seit Enn. scen . 119, und zwar hauptsächlich in der p oet ischen Sprache. 2 Das be--teugt Cyprian epist. 55,5, dazu H . GüLZOw, Cyprian und Novatian, Tübi ngen 1975, 90sq., zur Datierung 7- 19. 3 Dazu im einzelnen GüLZOW Cyprian und Novatia.n 136-139.
196
II .3
Novatian
Cypr . epist. 30,2,1 (CC IV 200,7) Quid enim magis aut in pace tam aptum aut in bellis persecutionis tam necessarium quam debitam severitatem divini vigoris tenere ? Quam qui remiserit instabili rerum cursu erret semper necesse est et huc atque illuc variis et incertis negotiorum tempestatibus dissipetur et quasi extorto de manibus consiliorum gubernaculo navem ecclesiasticae salutis inlidat in scopulos, ut adpareat non aliter· saluti ecclesiasticae consuli posse, nisi si qui et contm ipsam faciunt quasi quidam adversi fiuctus repellantur et disciplinae ipsius semper custodita ratio quasi salutare aliquod gubemaculum in tempestate seruetur. Von der einleitenden captatio benevolentiae über die Qualitäten d es Cyprian führt Novatian mit dem Hinweis, da ß in Zeiten der Bedrohung der Kirche eine konsequente Führung notwendig sei, auf die Gefallenenfrage hin. Die Situation der Kirche in der Zeit der Verfolgung erläutert er anband eines Vergleichs: Wie ein Schiff im Sturm 1 , wird derjenige die Kirche a uf die verderbenbringenden Klippen lenken, dem d as Ruder der severitas divini vigoris entgleitet. Die Formulierung navem [... ] inlidat in scopulos könnte unter vergilischem Einfluß stehen: Den Ausdruck scopulis illidere verwendet Vergil in einer Schilderung der Meeresbrandung, durch die der verliebte Leander nachts zu Hero schwimmt, georg. 3,261 (259- 262): 2 (. .. J nempe abruptis tm·bata procellis nocte natat caeca serus freta, quem super ingens porta tonat caeli, et scopulis inlisa reclamant aequora; (. .. ]. Die Wend ung erscheint d araufhin häufiger in der Dicht ung,3 aber auch in d en pseudo-quintilianischen Deklamationen (6,23 (corpusj inlisum scopulis). Außerdem geht der Gebrauch von illidere für d as Scheitern eines Schiffes auf Vergil (Aen. 1,112 inliditque vadis fsc. Eurus prorasj; 5,206 inlisaque prom pependit) zurück, findet sich a ber in der nachklassischen Prosa öfter. 4 E s st ammt aber nicht nur d er Wortgebrauch von Vergil , auch d er Kontext stimmt überein: Bei Vergil wie bei Novatian ist vom Anbranden gegen Klippen und vom Zerschellen eines Schiffes d ie Rede. Bemerkenswerterweise übernimmt Cyprian einige Monate später, im Frühjahr 251, in seiner Schrift de lapsis die Metapher von der Kirche als Schiff,5 1
2
3 4
5
Tempestas verweist hier keineswegs, wie HARNACK (41) meint, durch die Bedeutung ' Kriegssturm ' auf Aen . 7,223 quanLa per Jdaeos saevis effusa Mycenis I tempestas ierit campos, das Wort wird schon in klassischer Prosa übertragen im Sinne von "a violent disturbance in personal, social, political, etc., circumsiances, storm" (OLD s.v. tempestas 4 mit Cicero-Belegen) gebraucht. Cf. Aen. 7,589sq. {... ] scopuli nequiquam et spumea circum I saxa jremunt laterique inlisa refunditur alga. So etwa Sen. Phaedra 1093sq. inlisum caput I scopulis; Sil. 10,322 inlisit scopulis {... ] Eurus; 14,143 per scopulos inlisa fundaj. Cf. ThLL V II , ! s .v. illido 377,25- 50; etwa Liv. 22,20,2; Gurt. 8,13,27 petroe; Curt. 9,4,14; Amm. 22,16,9. Zum Gebrauch der Schiffsmetapher in der frühen Kirche Clem. Alex. paed. 3,59,2; E. SAUSER, 'Schiff', Lexikon filr Theologie und Kirche 9 (19642 ) 400sq.
Il .3.2
Die Vergilz itate
197
das in der Gefahr schwebt, an den Klippen zu scheitern, in ähnlichem Zusammenhang: Mit einer Reihe von Bildern verdeutlicht Cyprian die Gefahr, die der Kirche bei einer Wiederaufnahme der lapsi ohne vorherige Bußleistung drohe, la ps. 16: 1 Hoc sunt eiusmodi lapsis quod grando frugibus, quod turbidum sidus arboribus, quod armentis pestilens vastitas, quod navigiis saeva tempestas. Solacium spei adimunt, a radice subvertunt, serrnone morbido ad letale contagium serpunt, navem scopulis ne in portum perveniat inlidunt. Non concedit pacem facilitas ista sed tollit, nec communicationem tribuit sed inpedit ad salutem.
Zwar geht es Novatian um die starke F ührung in der schon bestehenden Gefahr, Cyprian um deren Vermeidung, aber der chronologische, thematische und sprachliche Zusammenhang ist unverkennbar: Der Adressat greift ein Bild aus dem Brief des Novatian a uf.2 Interessant zu bemerken ist dabei, daß Cyprian statt des bei Novatia n vorgegebenen illidere in scop·ulos das näher an der vergilischen Formulierung liegende illidere scopulis verwendet. Darin könnte ein schwaches I ndiz dafür liegen , da ß Cyprian den color Ve1-gilianus erkannt habe und ihn sogar noch ein wenig stärker prononcieren wolle. Nichtsdestoweniger geht der vergilische Einflu ß a n beiden Stellen nicht über eine poetische Nuancierung der Darstellung hinaus, die der Paränese ein gew isses P athos bringen soll. Cypr. e pis t. 30,7,2 (CC IV 205,19) Deus enim ut est indulgens, ita est praeceptorum suorum exactor et quidem diligens, et sicut ad convivia vocat, sie habitum nuptiarum non habentern manibus et pedibus extra sanetarum coetum f oras iactat. Pamvit caelum, sed pamvit et Tartarum, paravit refrigeria, sed paravit etiam aetema supplicia, paravit inaccessibilem lucem, sed paravit etiam perpetuae noctis vastam aeternamque caliginem. Im vorletzten Kapitel des Briefes erinnert Novat ian in bezug auf die lapsi an die Perikope qui me negaverit coram hominibus, negabo et ego eum 1
2
CC Hl 230,27 sq. Eine allegorische Entfaltung dieser Metaphorik bietet d ie zu den wohl ins zweite nachchristliche J a hrhundert zu datierenden ( cj. D. POWELL, 'Ciemens von Rom', TRE 8 (1981J 119) Pseudo-J
198
11.3
Novatian
coram patre meo et coram angelis eius (Mt 10,33; Lk 12,9) und stellt, ausgehend vom biblischen Gleichnis vom nicht festlieb gekleideten Hochzeitsgast (cf Mt 22,13), die Orte von Lohn und Strafe gegenüber. 1 Obwohl Novatians Argumentation gänzlich a uf dem Neuen Testament beruht, kommt es zu terminologischen und motivischen Berührungen mit Vergils klassischer Unterweltsschilderung in der Rede vom Tartarus, der hier erstmals im innerchristlichen Kontext vorkommt,2 von den dortigen supplicia3 und von der an jenem Ort herrschenden andauerenden Dunkelheit ( nox) 4 Die Stelle kann wohl als ein Indiz dafür gelten, da ß pagane Unterweltsvorstellungen in ihrer bei Vergil erfahrenen Ausprägung in das christliche Bild der Hölle einfließen.
de cibis Iudaicis In dem Sendschreiben de cibis Iudaicis tritt Novatian von judenchristlicher Seite laut gewordenen Forderungen nach der Einhalt ung der alttestamentlichen Speisegebote entgegen: Nach einer Einleitung (Kapitel 1) ordnet No1
Die Gegen überstellung ist in einem Dreischritt angelegt: Benennung/Sit uierung: C harakterisierung: Licht :
Lohn roelum
rejrigeria inacessibilis Iux
Strafe
Tartarus supplicia perpetuae noctis vasta aeterna caligo
Zur Gegenüberstellung refrigeria - supplicia cf. Tert. apol. 49,2; anim. 33,11 ; 58,1 (über das Beisp iel vom reichen Mann und vom armen Lazarus, Lk 16,19-31, cf. G. FtLORAMO, DPAC 2 [1984]1776); nicht wie Cypr. mortal. 15 (Ad refrigerium iusti vocan-
tur, ad supplicium rapiuntur iniusti: datur velocius tutela fidentibus, perfidis poena.) , dazu E . DASSMANN , ' Jenseits', RAC 17 (1996) 358, der Zwischenzustand. 2
3
4
Vorher nur Tert. apol. 11 ,11, ausdrücklich als pagan geken nzeichnet . Natürlich sind Vorstellung und Begriff des Tartarus vorvergilisch , die Aeneis liefert aber die klassische Ausprägung; AuRistung und Auswertung der Belege bei THOME 19o-194. Im griechischen Sprachraum a llerdings ist öfter und früher in christlichem oder j üdischapokalyptischem Zusammenhang vom Taptcxpo<; die Rede, cf. BAUER / ALAND s.v. So vor allem Aen. 6,74.0 (739-743): ergo exercentur poenis veterumque malorum 1
supplicia expendunt: aliae panduntur inanes I suspensae ad ventos, aliis sub gurgite vasto I infectum eluitur scelus aut exuritur igni: I quisque suos patimttr manis. Zur Metapher nox für die Dunke lhe it der Unterwelt Aen. 4,26 pallentes umbras Erebo noctemque profundam; THOME 20lsq. Zu caligo THO~fE 202sq.; ThLL lll s.v. 158,4 1159,69: für das Dunkel der Unterwelt ab Thag. inc. 75; Aen. 6,267 in der Dichtung, dann bei den C hristen: Itala 2 Petr . 2,4 ; Vulg. 2 Petr. 2,17 etc. - E ine ko nkrete Referenz ist a llerd ings in caligo noctis (HARNACK , 42, und BÜRNER, 29, d enken an Lucr . 4,456 f. ..J et in noctis ooligine roero I cernere censemus solem lumenque diurnum) nicht zu sehen : Die Wendung bUrgert sich vom zweiten nachchristlichen J ahrh undert an auch in der Prosa ein und findet sich vor a llem bei den C hristen sehr häufig, so etwa P s. Q uint. decl. 10.8 perpetuae noctis caligo; 15,10; Apul. met. 2,32; 3,18; Cypr. laps. l ; Ambr. obit. Valent. 64; Vulg. prov. 7,9; C hro mat. serm. 41 I. 87; Arnob. l un . in psalm. 91 I. 20; Quodv. 4 I. 10; Prud. psych. 482; c. Symm . 1,412; Creg. M. mo•·al. 4,10; 4,24 ; 17,9; 23,20). Auch das von HARNACK (42) a ls vergilisch rekla mierte vastus fi ndet sich allenthalben in klassischer Prosa (cf. OLD s.v. 2). Zu Junktu r nox perpetua Plaut. Rud. 370; CatuiJ. 5,6; Sen. epist. 82,16; nat. 5.15,4 ; C urt . 9,4,18; Apul. met. 4 ,35; Ps. Quint. decl. 1 ,6.14 etc.
11.3.2
Oie Vergilzitate
199
vatian die Speisegebote in ihren heilsgeschichtlichen Zusammenha ng ein , innerhalb dessen sie für d ie Juden tatsächlich heilsam waren (Kapitel 2- 4). Mit Christus aber sei die Zeit des Gesetzes zu Ende, somit t räten auch die Speisegebote außer Kraft (Kapite l 5); nichtsdestoweniger seien Unmäßigkeit (Kapitel 6) und der Genuß von Götzenopferfleisch (Kapitel 7) zu meiden. cib. lud. 2,6 (CC IV 91,29) Nam panis usum postea contulit culpa, condicionem conscientiae ipso situ corporis adprobante. Nam et innocentia decerpturos alimenta ex arboribus adhuc sibi bene conscios homines ad superna subrexit, et commissum delictum ad conquirenda frumenta homines terrae soloque deiecit. (7) P ostea etiam usus carnis accessit, divina gratia humanis necessitatibus conpetentia ciborum genera obportunis temporibus porrigente. In seiner Heilsgeschichte der menschlichen Ernä hrungsgewohnheiten stellt Novatian die Vert reibung des Menschen a us dem P aradies als E inschnitt dar: Vorher habe sich der Mensch seine Nahrung in aufx·echter Haltung von Bäumen gepflückt, nun aber müsse er sich zum Ackerbau hinunterbeugen, denn delictum f.. .j homines terrae soloque deiecit. Der Sache nach steht dahinter natürlich das Alte Testam ent 1 . In vorliegender Formulierung a ber finden sich einige vergilische E lemente: Den Dat iv nach deicere setzt Vergil Aen. 10,319 fsc. Cyan} deiecit Leto - nach Il. 1,3 "Atot 7tpotcx.~Ev - , auch verwendet er hä ufiger die Richtungsdative terrae2 und solo3 . Jedoch ist in der unklassischen Prosa eine hyperurbanistische Expansion des Richtungsdat ivs zu beobachten und vere inzelt a uch bei deicere belegt. 4 Novatian sucht hier also d urchaus d en color Vergilianus, um seine Ans pielung a uf den Sündenfall auszugestalten, dahinter steht aber die nachklassische Tendenz zu1· expressiven Formulierung mit Hilfe poetischer Sprachelemente.
cib. lud. 3,3 (CC IV 94,ll sq.) Denique et decem sermones illi in tabulis nihil novum docent, sed quod oblitteratum fuemt admonent, ut iustitia in illis ignium more quasi adflatu quodam Legis sopita recalesceret. 1
2
3 4
Cf. Vet. Lat . gen. 3,19 (Cypr. testim. 3,58; patient. ll ) /n sudore vultus tui edes panem tuum, donec revertaris m terram, d e qua et sumptus es: quoniam terra es et in terram ibis. georg. 2,290 defigitur, Aen. 11.87 proiectus Aen. 1,482 [tXos; 6,469 fixos; 8,75 exis; 11,485 sterne (480 fsc. La.viniaj oculos deiecta decoros); lJ ,532 effundit; 12,380 effundit. Grundsätzlieb zum Dativ der Richtung in der nachklassischen Prosa LHS li 100sq. und K S I 320, vor allem: Liv. 7,3,5 fsc. lexj fixa fv.it dextro lateri aedis; Verg. Aen. 12,464 aversos sterneret mo1·ti; 10,555 caput orantis (. .. ] deturbat terrae. LÖFSTEDT (Syntactica I 189- 193) erklärt ihn a ls hyper urbanistische Übernahme aus d er ihrerseits auf griechische Vorbilder rekurrierenden D ichters prache , M. LEUMANN, Die lateinische Dichtersprache, M H 4 (1947) 116- 139, hier 128, lüngegen sieht eine Weiterentwicklung lateinischer Modelle wie caelo manus tendere. Zu deicere mit dem Dativ der Richtung bell. Hisp . 24,3 planicie deicere (G. P ASCUCCI, Bellum Hispaniense. lntroduzione, testo cri tico e commento, Firenze J 965, ad l. 284: Hyperurbanismus); ThLL V s. v. deicio 394,39-41 nennt nur Verg. Aen . 10,319 und Greg. Thr. Franc. 9,41 , die Pseudo-CaesarStelle ist im T hLL fa lsch e ingeordnet (397, 78), die Novatianstelle fehlt.
200
11.3
Novatia.n
Das mosaische Gesetz mit seinen Speisegeboten müsse, so Novatian weiter, in seiner heilsgeschicht lichen Funktion gesehen werden, das Volk Israel auf den rechten Weg zurückzuführen. Anband eines Vergleichs mit dem Feuerm achen erläutert Novatian dieses Wiederanfachen der erloschenen iustitia. Der dabei gebra uchte Wortlaut nähert sich der vergilischen Formel cinerem et sopitos suscitat ignis (Aen. 5,743; 8,410) 1 an, vor allem durch den seltenen Gebrauch von sopitus für ein Feuer. 2 Vergil schildert, einem epischen Topos folgend, das Entzünden eines Feuers durch Wiederanfachen. 3 Ovid gebraucht das Motiv bereits, wie dann Novatian , metaphorisch , allerdings von der Liebesglut. 4 Im Rahmen des a usdrücklich markierten Vergleichs ( ignium more quasi) erhalten sopitus, das a n sich neben iustitia wenig auffällig wäre,5 und damit der ganze Kontext einen color Vergilianus. Novatian hebt also durch sein subtiles Spiel mit einer geläufigen Metaphorik und einer vergilischen Formel das tertium comparationis und somit seine Bewertung des alttestamentlichen Gesetzes hervo r. In der t heologischen Argumentation fließen exegetische E lemente und vergilische Topik zusammen.
cib. lud. 6,3 (CC IV 100,11) Ceterum nihil ita intemperantiam cohercuit quam evangelium nec ita constrictas quisquam gylae Leges dedit quam Christus, qui beatos legitur pronuntiasse, sed egenos, et f elices esurientes atque sitientes, miseros divites, quibus ad imperium ventris et gylae servientibus voluptatum nunquam posset mater deficere nec desinere servitus posset, argumentum f elicitatis putantes concupiscere quantum possint, nisi quod et sie minus possint quam concupiscunt. Im sech sten Kapitel erma hnt Novatian dle Gemeinde, sich t rotz der Ungült igkeit der Speisegebote nicht der Völlerei hinzugeben, vor der C hristus selbst wame. Was Novatian dann als ipsissima ver·ba ( legitur pronuntiasse) wieder2
3
4
5
Cf. Aen. 8 ,542 et primum Herculeis sopitas ignibus aras I excitat. FORCELLJNJ und O LD s.v. sopitus nennen im Zusammenhang mit Feuer nur die Vergilbelege. Von Homer an finden sich zwei Ausprägungen des Topos vom Feuermachen in der Dichtung: das Entfachen eines Feuers im Rahmen der freundlichen und ehrerbietigen Aufnahme eines Gastes (Od. 10,358sq.; 15,322; Callim. fr. 242 PFEIF'FER; fr. 243 PFEJFFER; Eratosth. fr. 24 POWELL) und das hier einschlägige Wiederanfachen des unter der Asche verborgenen Feuers, erstmals erzählt vom gestrandeten Odysseus (Od. 5,488491) , dann etwa Theocr. 11 ,51. ln der lateinischen Literatur Ov. met. 8,64Q-647; Moret. 8- 12. Ov. ars 2,439 444 Ut levis absumptis pau.latim viribus ignis I ipse latet, summo canet in igne cinis, I sed tarnen extinctas admoto sulpure flammas I invenit, et Lumen, quod fuit ante, redit: / sie, ubi pigro situ securaque pectora torpent, I acribus est stimulis eliciendus amor. Ov. ars 3,597 sq. Quamlibet extinctos iniuria suscitat ignes: I en, ego (confiteor!) non nisi laesus amo. - Hier erscheint zwar auch das Stichwort iniuria, doch facht diese a.n , statt, wie bei Novatia.n , gelöscht zu habe n. Überhaupt dürfte die Liebesmetaphorik der ars amatoria als Vorbild für Novatian ausscheiden. Allerdings zeigt der Sprachgebrauch be.i Ovid, wie bekannt zum einen das Motiv und wie gängig zum anderen Vergils Formulierung ist. - Die Metaphorik von der G lut, die unter der Asche noch g limmt, lebt ja auch in den modernen Sprachen fort. So heißt es etwa. Cic. Ca.el. 17 sopita virtus.
Il.3.2
Die Vergilzitate
201
gibt, sind eigene Reflexionen über Motive aus der Bergpredigt 1 . In diesem Zusammenhang führt er aus, daß d en der Völlerei Ergebenen voluptatum numquam posset mater defice?'e. Zur Erklärung dieser a uffälligen FOl·mulierung verweisen LA NDGRAF / \ VEYMAN in ihrem Kommentar a uf Vergil,2 und zwar auf Aeneas' Anrufung der Venus mit der Bitte, d ie herbeigeflogenen Tauben möchten ihm den Weg zum Goldenen Zweig weisen, Aen. 6,196sq.:
'(. .. j tuque, o, dubiis ne defice rebus,
diva parens. '{. .. J
Zwar ist weder die Metapher mater· voluptatum3 noch der G ebra uch von deficere für Personen 4 a uffällig, aber d afür , d aß Aeneas' Bitte um den Beistand seiner Mutter Venus im Hintergrund st eht , spricht erstens, d aß eine Mutter als Subjekt zu einem verneinten deficere ansonsten nicht belegt ist ,5 w1d zweitens, daß der assoziative Übergang von der Venus zur mater voluptatum, zumal angesichts allegorischer Deutungsansätze oder des Lukrezproömiums, g ut erklärbar wäre. Sicherlich will sich Novatian nicht auf die Aeneis beziehen. Es scheint a ber die Bitte des Aeneas in die Formulierung seiner Überleg ungen einzu fließen.
de spectaculis In dem Sendschreiben de spectaculis ermahnt Novatian seine Gemeinde eindringlich, paganen Schauspielen unbedingt fern zu bleiben: Zwar beriefen sich einige darauf, daß die Schrift den Besuch von spectacula nicht ausdrücklich untersage. Severitas und mtio aber verböten den Besuch von Spielen. Vielmehr solle sich der C hrist an der Schönheit der Schöpfung und der verheißenen Vollendung ergötzen. spect. 2 ,1 (CC IV 168,2sq.) Non pudet, inquam, non pudet fideles homines et Christiani sibi norninis auctoritatem vindicantes superstitiones vanas gentilium cum spectaculis mixtas de scripturis caelestibus vindicare et divinam auctoritatem idolatriae confer·re. Siehe oben (51) zu Tert. apol. 24,7. 1
Mt 5.3a v-a xcip101 ot nt wx.o l ti;> nvtuv-atl, 5,6a v-axcipo1 ot 1tt1vwvu~ xai öuJ>wvu~ tf}v OIXa iOOUVT]V.
2
3
4
5
LANDGRAF I WEYMAN 247: "Der metaphorische Gebrauch von materist hier sehr kühn und a uffallend wegen der Verbindung mi t deficere (in dem gewöhnlic he n Rahme n de r Metapher be wegt sich de s pect. p. 6,5 idolatriam sustulit ludorum omnium matrem): dachte N. an Aen. 6, I 96f. ?" Cf. T hLL VJII s.v. mater· 447,3- 27: Mutter met a phorisch in s ittlic hen Zusammenhängen etwa C ic. leg. 1,47 voluptas, malor'tlm {. .. } mater omnium; ac. 1,39; Tert. bapt. 17,2 schismatum mater; Arnob. nat. 1,57 die antiquitas a ls mater er-rorum. Cf. T hLL V s. v. deficio 335,47-61: ab C icero rep . fr. 8 sibi [... ) decus. Cf. ThLL V s.v. deficio 336,56 zur Vergils telle o hne Para.lleleo.
202
Il.3 Novatian
spect. 5,1 (CC IV 172,4) Plura prosequi quid est necesse vel sacrificiorum in ludis genera monstruosa describere '? Inter quae nonnumquam et homo fit hostia latrocinio sacerdotis, dum cruor etiam de iugulo calidus exceptus spumanti patera, dum adhuc fervet, et quasi sitienti i dolo in faciem iactatus crudeliter propinatur, et inter voluptates spectantium quorundam mors erogatur, ut per cruentum spectaculum saevire discatur, quasi parum sit homini privata sua rabies, nisi illam et publice discat. Unter den Gräßlichkeiten der spectacula nennt Novatian die Tötung von Menschen, deren Blut, wie beim Opfer, aufgefangen wird. Von einer spumans patera ist auch in der Aeneis die Rede, wenn Dido beim Festmahl für die 'Trojaner nach der Libation und dem ersten Schluck den Becher an den Karthagerfürsten Bi t ias weiterreicht, Aen . 1,739: (. .. j ille impiger hausit spumantem pateram et pleno se proluit auro. Die Zusammenhänge sind also verschieden: Bei Novatian geht es um das Auffangen des schäumenden Opferblutes, bei Vergil um den Trunk schäumenden Weines. Vvas beide Stellen aber verbindet, ist die singu läre Metonymie spumans patera 1 , die Novatian durch die poetische Flexion des Adjektivs noch heraushebt. 2 Auch das bei Novatian geschilderte Auffangen des Blutes in der patera, ein Teil des Opferritus, 3 wird von Vergil beschrieben. 4 So heißt es beispielsweise über d ie Opfer bei der Bestattungsfeier für Polydorus, wo in spumantia cymbia eine vergleichbare Metonymie liegt, Aen. 3,66sq.: inferimtts tepido spumantia cymbia lacte sanguinis et sacri pateras f. ..]. Ähnlich das Opfer für die Unterweltsgötter vor der X<X'taßaol~ , Aen. 6,248: supponunt alii cultros tepidumque cruorem succipiunt pateris. Novatian sucht hier also offenbar ganz bewußt den color Vergilianus, um damit seine Menschenopferschilderung auszugestalten: Der Sache nach lehnt sich Novatian in seiner Da rstellung an die Unterweltsopfer der Aeneis an. Im Totenopfer für Polydorus ist die Metonymie spumantia cymbia vorgegeben, im Opfer vor der X<X'taßaol~ der tepidus (bei Novatian: calidus) cruor. Die 1
2
3 4
Keine weiteren Belege bietet Th LL X, 1 s. v. patera. Cf. NEUE / WAGENER 11 11 1. Die Dichter wechseln nach den Erfordern issen der Metrik zwischen -e (z. B. Verg. Aen. 2,209; 12,651 etc.) und -[ (z.B. Germ. Arat. 212; Ciris 475; Lucan. 9 ,927 etc.; dazu allgemein KH 351 Anm. 7) , erster Beleg könnte Aen. 9,456 sein, wo eine varia lectio (statt pleno spumantis sanguine rivos) Iaulet plenos spumanti sanguine rivos (cf. HARDIE ad l. 156). In der Prosa hingegen wird regelmäßig -e verwendet (Sen. controv. 7,1,10; Suet. Cla ud. 30,1 etc.), allerdings ist das Partizip dort weit seltener (vor allem medizinisch Cels. 2,4,9; 2,7,16; etc.). So etwa auch Cic. div. 1,46; Brut. 43; Sall. Catil. 22,1; Val. Max. 5,6 ext. 2; Val. Fl. 8,818 ; Stat. Theb. 4,464 . Zur patero bei Vergil L. BERJNGER, Die Kultwörter bei Vergil, Diss. Erlangen 1932, 95, allgemein W . HILGERS, Lateinische Gefaßnamen , DUsseldorf 1969, 242- 245.
II.3.2
Die Vergilz itaLe
203
Junkt ur spumans patera setzt Novatian vermutlich des Fachausdruckes patera wegen ein. Zur Hervorhebung des poetischen ChaTakters dient die Form spumanti. Vergil wird als der locus classicus für pagane Opferriten zitiert. Wahrscheinlich will Novatian eher das Scha uerliche der Situation hervorheben und den aut hentischen Ton paganer Religiosität t reffen , als gezielt auf den Dichter verweisen. spect. 7,2 (CC IV 175,6) Clangares tubae bellicos alter' imitatur raucos, alter Lugubres sonos spiritu tibias inflante moderatur, alter cum choris et cum hominis canora voce contendens spiritu suo quem de visceribus suis in superiora corporis nitens hauserat tibiarum foramina modulans, feffuso etj n·unc intus recluso ac 1-epresso, nunc certis foraminibus emisso atque in aerem profu so, item in articulos sonum frangens, loqui digitis elaborat, ingratus artifici qu·i linguam dedit. Die Lächerlichkeit musikalischer Darbietungen demonstriert Novatian durch a usführliche Beschreibungen der Spielweise a uf einzelnen Instru menten. Bei der tuba greift er au f vergilische Sprache zurück: Der Ausdruck clangor tubarum erscheint erstmals und öfter bei Vergil, nämlich für den Schlachtenlärm, der sich im nächtlichen 'n·oja erhe bt (Aen. 2,313 exoritur' clamorque virum clangorque tubarum), für dle himmlischen Zeichen, mit denen Venus den Aeneas zum Aufbruch von E uander mahnt (Aen. 8,526 Tyrr'henusque tubae mugire per aethera clangor) und bei der Bestattung der gefallenen 'n·oj aner (Aen. 11 ,192 i t caelo clamorque virum clangorque tubarum). In späterer Prosa bürgert sich die Formul ierung jedoch ein. 1 Vor allem steht Vergils Beschreibung vom Ausschwärmen der Bienen , das mit einem Kriegszug unter Menschen verglichen wird, im Hintergrund , georg. 4,71 sq.: M arti·us ille aeris rauci canor increpat, et vox auditur fractos sonitus imitata tubarum. Für einen Vergil bezug bei Novatian sprechen, neben der Gemeinsamkeit von drei Worten, auch der dichterische Charakter des Gebra uchs von raucus2 und die a uffällige Verwendung von imi tari, das sich a n beiden Stellen a uf die realistische, aber nicht authentische Hervorbringung kriegerischen 'Thompeten klanges bezieht. 3 Vielleicht stellt das Motiv vom ant hropomorphen Verhalten der Bienen den Ausgangspunkt für die Vergilbenutzung dar , zu dem Novatian die bei Vergil als düster- pathetische Schilderung der Atmosphäre verwendete Junktur clangor tubarum hinzufügt. Novatian sucht den Effekt 1
2 3
Cf. ThLL lll s.v. clangor 1262,68- 84 , FOUCH ER 18lsq., bezogen a uf die tuba sim . ab Vergil in der nachklassischen Epik, ab Ende 2 . J bdt. vereinzelt in Prosa (Apul. mund . 30; Ps. Quint. decl. 9,6), hä ufig be i Amm. (14 ,1, 1 et c.) und in der Vulgata (num. 10,7 etc.) . O LD s.v. rauctLS 3 vom lns trumentenklang, nur dichterische Belege, ab Ennius arm. 520 carmen tuba sola peregit et [... ] raucum sonus aere cu currit. Cf. ThLL Vll,l s.v. imitor 434,22-42 zur schauspielerischen Nachahmung , für Töne etwa C ic. rep. 6, L8 quod hom ines ne,vis imitati atque cantibt.LS. Zum vergilischen Motiv Varro rust. 3, 16,9 duces conficiun t quaedam ad vocem ut imitatione tubae.
204
11.3
Novatian
der Tl·avestie, den die Georgikastelle d urch die Übertragung a uf den Bienenschwarm schon anzudeuten scheint: Das heroische, beinahe unheimliche Pathos des clangor tubarum kontrastiert mit der ins Lächerliche gezogenen Szenerie, das imitari wird zum verzweifelt komischen Versuch der Nachahmung. Dem vergeblichen Streben des Musikers nach einem heroischen Klang entspricht also der vergilische Ton im ironischen Spott, der das ineptum der Schauspiele a uf stilistischer Ebene offenbart. 1 spect. 9,1.2ab (CC IV 177 sq.) Habet Christianus spectacula meliora, si velit, habet veras et profuturas voluptates, si se recollegerit. Et ut omittam illa quae nondttm contemplari potest, habet istam mundi pulchritudinem quam videat atque miretur: solis ortum aspiciat, rursus occasum mutuis vicibus dies noctesque revocantem, globum lunae temporum cursus incrementis suis detrimentisque signantem, astrorum micantes choros et assidue de summa mobilitate fulgentes, (2) anni totius per vices membra divisa et dies ipsos cum noctibus per horarum spatia digestos et terrae molem libratam cum montibus et profusa ftumina cum suis fontibus, extensa maria cum suis fluctib·us atque littoribus, interim constantem pariter summa conspiratione nexibusque concordiae extensum aerem medium tenuitate sua cuncta vegetantem, nunc imbres contractis nubibus profundentem , nunc serenitatem r·efecta raritate revocantem, et in omnibus istis incolas proprios, in aere avem, in aquis piscem, in terra hominem. In den letzten beiden Kapiteln kommt Novatian a uf die meliora spectacula zu sprechen , an deren Betrachtung sich der Christ ergötzen kann : die von Gott geschaffene und geordnete Welt (spect. 9) und seine in der Heiligen Schrift festgehaltenen Heilstaten (spect. 10). Die kontemplativ ausgerich tete Darstellung der göttlichen Schöpfung enthält, wie d as auch in bezug a uf die Funktion ähnliche Einleitungskapitel zu de trinitate, einige von Vergil geprägte oder verwendete Elemente kosmologischer Dichtersprache. 2 Neben allgemeineren Entsprechungen bei der Darstellung der Himmelsphänomene, d ie im Wechsel von Tag und Nacht 3 , in der regelmäßigen Zu- und Abnahme des Mondes 4 und im Wandel der Sternbilder 5 der Welt Ordnung verleihen, und der festgelegten Lebensräume, zum Beispiel des Wassers 6 , läßt sich ein 1
Siehe unten (377) zu Cypr. (= Novatiani) epist. 30,6,3. 2 Darauf hat schon HARNAC K (39) verwiesen, ohne aber einer genaueren Untersuchung vorzugreifen: "Oie folgende Schilderung ist z. Th. ein Cento Vergilianus; ich verzichte darauf, die einzelnen Parallelen zu markiren". 3 So öfter in den Georgika, etwa georg. 1,247- 258; 3,341- 343; 3,40()-.403. Aber auch bei der gattungsüblichen Einteilung in Tag und Nacht in der Aeneis, so etwa Aen . 10,215sq. 10,257. 4 So etwa in den Georgika bei der Erläuterung der guten und schlechten Tage des Monats, 1,276-286; 276 ipsa dies alio alios dedit ortline Iuna, oder zu Beginn des lopas-Liedes in der Aeneis, 1, 742 hic canit errontem lunam solisque Iabores. 5 Zusammen mit Sonne und Mond etwa zu Beginn des Entwurfs der Ideallandschaft dichterischen Scha.ffens, georg. 2,275-278. 6 Etwa Aen. 1,221- 224 Et iam finis erat, cum Juppiter aethere summo I despiciens mare
Il .3. 2
Die Yergilzitate
205
deut lich faßbarer Vergilbezug vor allem für die folgenden Formulierungen vermuten: (1) Für die Junktur globus lunae gilt das oben (193) zu deren weiterer Belegstelle bei Novatian, trin. 1 ,2, Gesagte. Die Wiederholung spricht für ein bewußt gesetztes Lumen. Bemerkenswert ist, daß sich hier ( signantem) wie dort ( candentem) in der Hinz ufügung eines attributiven Partizips ein Reflex der vergilischen Syntax lucentemque globum lunae (Aen. 6,725) erkennen läßt. (2a) Zu dem Ausdruck anni totius per vices membm divisa et dies ipsos cum noctibus per horarum spatia digestos finden sich lexikalische und semantische Entsprechungen an einer Stelle im ersten Georgikabuch, georg. 1,208sq.: Libra die somnique pares ubi f ecerit horas et medium luci atque umbris iam dividit orbem. Für eine Referenz fehlen aber Anhaltspunkte, denn a uch das gemeinsame Vorkommen der drei - bzw. v ier, wenn man trotz Abweichung in Formalkategorie und Semant ik libratam ('ausgewogen ') mit libra ('Sternbild Waage') zusammenbringt - Begriffe besagt wenig, d a es durch d en Gegenstand nahegelegt wird. 1 (2b) Der Ausdruck aerem medium tenttitate sua cuncta vegetantem, (... }imbres contractis nubibus pmfundentem scheint von einer Passage der vergilischen Bugonie beeinflußt zu sein, georg. 4,31l sq. (308- 313): interea teneris tepejact·us in ossibus umor aestuat, et visenda modis animalia rniris, trunca ped1tm primo, mox et stridentia pennis, rniscentur, tenuemque magis magis aera carymnt, donec ut aestivis ejfusus nubibus imber e1'Upere, aut ut nervo p·ulsante sagittae, p1'ima leves ineunt si quando p1'0elia Parthi. Ten·uitas wird hä ufig als Eigenschaft der Luft erwä hnt 2 . Auch daß sich Regen a us den Wolken ergießt, ist ein naheliegender Ged anke, in dieser Formulierung aber selten belegt3 . Vo r a llem aber das Zusammentreffen der Mot ive spricht für einen Vergilbezug. Novatian nominalisiert also den tenuis
1
2
3
velivolum ten·asque iacentis I litoraque et latos populos, sie vertice caeli I constitit et Libyae defixit Lumina regnis. georg. 3,541- 543 iam maris immensi prolern et genus omne natantum I litore in extremo ceu naufraga corpora ftuctus I proluit; insolitae fugiunt in ftu mina phoca.e. Die Verwendung der einzelnen Wörter ist unauffä llig (cf. ThLL V s.v. divido 1602,721603,34), den lexikalischen Parallelen fehlt. e ine Entsprechuug in der Syntax, die Pragmatik divergiert insofern , a ls Vergil die Tag- und Nachtgleiche beschreibt, wäht·end es Novatian um das Faktum der natürlichen Zeiteinteilung gehl. Zur Sache natürljch Gen 1,14- 18. Cf. T hLL I s.v. aer J050, l8-68; OLO s.v. tentLis 6a. Cf. ThLL Vll ,l s.v. 1. imber· zur Junktur mit ftmder·e (cf. 424 ,44 - aber nur das verbum simplex erwähm - und zur Juxtapositio n mit nubes, 424,56). PHI 5.3 und C LCLT - 5 b ieten zwa r eine Reihe von Belegen (etwa Lucan. 3,70; Apul. mund . 10; dann erst. Ambrosius und Augustinus), nirgends aber liegt eine so enge Juxtaposition vor wie bei Vergil uud Novatian . Eine feste Wendung scheint also nicht zugru nde zu liegen, die Gemeinsamkeit von Vergil und Novatian ist vielmehr a ußergewöhnlich.
206
II.3
Novatian
aer, wendet den Ausdruck für den Regenguß ins Passiv , verändert dabei das Präfix zu effun dere und ergänzt contractis1 . Die vergilische Szene vom Ausschwärmen der Bienen, das mit einem hervorbrechenden Regenschauer verglichen wird , dient Novatian als Vorlage für die Stilisierung seiner Darstellung der Schöpfungsordnung. Insgesamt gesehen läßt sich ein color Vergilianus zwar in der ganzen P assage erahnen, aber nur an wenigen Stellen sprachlich eindeutig fassen. Novatian sucht einen su blimen Ton der Naturschilderung, der sich mit dem stilistischen Vorbild Vergil berührt. Das Lob der Schöpfungsordnung steht in der Motiv ik eher a uf dem Boden biblischer Vorgaben. 2
de bono pudicitiae In dem Brief de bono pudicitiae mahnt Novatian seine Gemeinde nachdrücklich zur Keuschheit: Der Anfang ist verloren. Zunächst betont Novatia n seine Autorität als Bischof, mit der er nun für die Keuschheit und gegen das Laster a uftrete (Kapitel 1- 4). Dann stellt Novat ian die einschlägigen Regelungen im Alten und Neuen Testament sowie in der Gesetzgebung der Menschen dar (Kapitel 5- 7). Lobend führt er die biblischen Beispiele von Josef und Susanna vor Augen (Kapitel 8- 10). Entscheidend sei der Sieg über die voluptas (Kapitelll ). Abschließend mahnt Novatian zu wohlverstandener Körperpflege (Kapitel 12) und nochmals zu züchtigem Verhalten (Kapitel 13sq. ).
pudic. 10,1 (CC IV 122,7sq.) Non illos emollire potuit invita generosi sanguinis m emori.a, quae in quibusdam licentiam lasciviae ministrat, non decor corporis et apte positorum figura membror"Um, quae suggerit plerumque, ut qu asi flos quidam properantis velociter transiturus aetati$3 porrectae voluptatis occasione pascatur, non anni primi virentis et melioris aetatis, cum rudis adhuc sanguis aestuans naturae ftammas accendit et in medullis caeca versat incendia ad rem edittm suum etiam per per'icttlttm pttdoris itura, non ulla latebmrum et sine ullo conscio, ut a quibusdam putatur, occasio, quae maa;ima vis est admittendi sceleris, dum liberationis occurrit impunitas, non imposita necessitas de auctoritate iubentium et in temeritate participum atque sociorum, quo genere fmnguntur etiam recta saepe consilia, non praemia ipsa, quibus adquiescunt saepe et boni, non accusationes, non minae, non poena, non mortes. 1
Zu den nubibus contractis vielleicht auch georg. 1,323sq. et foedam glomerant tempestatem imbribus atris / collectae ex alto nubes; ruit arduus aether ? 2 Entsprechende Motive wären beispielsweise die pulchrihtdo der Schöpfung (Vulg. P sG 49, 11 ; PsH 26,4; Sir. 43,1; 43,20), die sinnvolle Einteilung von Tag und Nacht (Vulg. gen. 1,14), die Erwähnung der Fische (Vulg. gen. 1,26) ; PsH 8 ,9;) od er die Betrachtung der Himmelskörper (Vulg. dt. 4,19; 17,3; 4J·eg 23,5; PsG 148,2-4). 3 Die Formulierung j!os [... } aetatis, von HARNACK (41) als Anklang an Aen. 7,162 primaevo ftore iuventus namhaft gemacht , ist schon in der klassischen P rosa häufig belegt (ThLL Vl, l s.v. ftos 934 ,62- 73) .
207
Il.3.2 Die Vergilzitate
..
Die in d en vorhergehenden Kapiteln da rgestellte pudicitia des Josef in Agypt en (Kapitel 8) und der Susanna (K apitel 9) s ucht Novatian nochmals ins rechte Licht zu rücken , indem er die überwundenen Schwierigkeiten und Versuchungen hera us hebt. Für die Darstellung der jugendlichen Leidenschaft entlehnt Novatian ein Bild a us der Liebesdicht ung: Die in der medulla wütende fiamma ist seit Catull (100,7 cum vesana meas torreret fiamma medullas) belegt. Vergil beschreibt da mit dann Didos verzehrende Liebe, Aen. 4,66: {. ..J est mollis ftamma medullas inten~a et tacitum vi·uit sub pectore vulnus. Die poetisch hä ufig gebrauchte Metapher findet sich in der Prosa vor Novatiau nur b ei Apuleius. 1 Damit verbindet Novatia n dJe oxymoronhafte Junktur caeca {. ..] incendia für die im Inneren lodernden Liebesgluten. Diese Formulierung läßt sich zurückführen auf den caecus ignis, mit dem Vergil gleich zu Beginn des vierten Aeneisbuches den Seelenzustand der Dido beschTeibt, Aen. 4,2: A t regina gmvi iamdud·u m saucia cum volnus alit venis et caeco carpitur· igni. Das zugrunde liegende Bild geht offenbar a uf Vergil selbst zurück, wird aber hä ufig rezipiert.2 Novatian greift also nicht nur zur Darstellung brennenden Verlangens auf die Sprache der erotischen Dichtung in vergilischer Prägung zurück , sondern führt vielleicht sogar in den für Vergilkenner durchaus erkennbaren Referenzen a uf das Didobuch der Aeneis zwischen den Zeilen , gewissermaßen intertextuell, die unglückliche Königin von Ka rt hago als exemplum ftir die verhä nguisvolleu Konsequenzen vor Augen , die eine nicht beherrschte Liebesglut haben kann .3
pudic. 13, 2 (CC IV 126,6) Sub praetexto quippe naturae, quae homines semper· urget ad affectus, quibus ruinae collapsi generis resarciuntur, blandimento voluptatis fallens non ducit (sc. caroj ad continuandam legitimae coniunctionis sobolem, sed iactat in crimen. Als Gefä hrd ung der p·udicitia nennt Novatia n den Fortpflanzungstrieb. Für dessen P eriphrase lehnt er sich an Vergils Dar stellung der Regenerationskräfte eines Bienenvolkes nach einem Schädlingsbefall a n, georg. 4,249 (248250): 1
Cf. T hLL VIII s.v. medulla. 60 1,32- 44 in der Dichtung außer den genannten Belegen etwa Ov. am. 3, 10,27; Sen. Ag. 132; Med. 8 19; Lucan. 5,8 11 ; P et ron. 121 v. 105 etc. , in der Prosa Apul. met. 10,3 (Isti enim tui ocu.li per meos oculos a.d intima delapsi proecordia meis medu.llis a.cen-imum commovent incendiu.m. ) und hier. 2 Zwar erscheint die Formulierung ca.ecus ignis häu.figer (cf. ThLL 111 s.v. caecu s 45,5254; T hLL lll s.v. ca.ecus 46,24- 26), a ls Bild für das Liebesverlangen jedoch ist die Formulierung rein vergilisch, wörtlich zitiert Quodv. prom. 1,27; cf. PEASE ad Aen. 4,2 (86). 3 W ie eindrücklich Novatian die s prachliche Ausgestaltung der Paränese gelungen ist, zeigt übrigens deren die Vergilreferenzen einschließende Ausschreibung Ps. O rig. tracL. 5,7.
208
I1.3
Novatian
quo magis exhaustae fuerint, hoc acrius omnes incumbent generis lapsi sarcire ruinas complebuntque foros et ftoribus horrea texent.
Eine Gegenüberstellunge zeigt die Veränderungen, die Novatian vornimmt, vor allem aber den engen Zusammenhang der Formulierungen: georg. 4,249 pudic. 13,2
genens rumae 0
lapsi collapsi
0
0
sarc~re 0
gene1"tS
rutnas resarciuntur
Er verändert die Reihenfolge, wodurch er die Schlußstellung des finit gewordenen Verbums und eine ditrochäische Klausel erreicht, und ersetzt die Simplicia durch Komposita. Er paßt das Zitat also syntaktisch und stilistisch 1 dem Kontext an, behält aber die Juxtaposition der E lemente, ihre syntaktische Binnenstruktur und vor allem den Aussagegehalt des Zitatsegmentes bei, so d aß die Referenz erkennbar bleibt. Novatian überträgt das bei Vergil über die Bienen Gesagt e unmittelbar a uf den Menschen zum Zweck einer zwar etwas prüde anmutenden, aber gewiß nicht geistlosen Umschreibung eines ihm anstößigen Sachverhalt es, des menschlichen Fortpflanzungstriebes. Während es bei Vergil um die Erneuerung eines dezimierten Bestandes geht, stellt bei Novatian, der von weiterer Vermehrung spricht, collapsum genuseinen gewissen Anstoß dar , durch den das Animalische der Arterhaltung in ihrem Ankämpfen gegen den Tod be• tont, aber a uch das Textfremde markierend hervorgehoben wird.
3.3 3.3.1
Auswertung Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
Die vorausgehende Bestandsaufnahme hat für dreizehn Stellen im Werk des Novatian Berührungen mit Vergil ergeben. Der Einfluß des Dichters ist also a ngesichts eines Umfanges von etwa 130 Seit en zwar nicht a uffallend groß, aber doch, zumal wenn man die rein innerchristliche Ausrichtung des Erhaltenen berücksichtigt, merklich. Nirgends jedoch wird Vergil genannt oder unverändert wiedergegeben. Die Ubereinstimmungen betreffen meist nur wenige Wörter: Das umfangreichste Zitat (pudic. 13,2) best eht in einer Prädikation von vier teilweise verä nderten Elementen , deren syntaktische Binnenstruktur beibehalt en wird. E in weiteres Zitat (spect . 9,2b) besteht a us fünf teilweise veränderten Einzelelementen, deren syntakt ischer Zusammenhang aufgelöst • 0
1
Als Erklärung der Permutation liegt die Adaptat ion in Prosa nahe , ebenso bei der Ersetzung von lapsi durch das semantisch gena.uere collapsi. Bei sarcire hingegen erscheint die S ubstitution weniger naheliegend, so sagt Novatian an anderer Stelle {Cypr. epist. 30,4,1) disciplinae evange.licae ruinas non f acile sarcirent, außerdem kommt resarcire bei den älteren Christiani Latini {CLCLT- 5) seltener vor als das Simplex. Ist es Novatians Hauptabsicht, sich von der Vorlage zu ent fernen?
ll.3.3 A uswert ung
209
ist. Unmittelbar vora us geht ein Zitat (spect. 9,2a) a us drei Einzelelementen. Sechsmal werden zweigliedrige nominale Junkturen zitiert, viermal unter Zusatz weiterer vergilischer Einzelemente. 1 Zwei Zitate beinhalten zweigliedrige verbale Junkturen. 2 An drei Stellen gibt Novatian vergilische Junkturen nicht mehr als Syntagmen wieder, sondern nur noch in ihrem ungefähren semantischen Bezug. 3 Zweimal werden lediglich charakteristische Einzelelemente vergilischer Diktion zusammengestellt . 4 Spezifisch vergilische Lexik nimmt Novatian jed och nirgends auf. Die Zitate beruhen auf Gemeinsamkeiten in der Struktur, und zw ar eher noch der sema ntischen a ls der syntakt ischen. Kein Zitat wird , wie erwähnt, unverändert wiedergegeben: Bei der vier Elemente umfassenden Prädikat ion ruinae cotlapsi generis resar-ciuntur (pudie. 13,2) nimmt Novatian eine Permutat ion, eine morphesyntaktische Adaptation des gesamten Ausdruckes und eine Substitution der verba simplicia durch entsprechende verba composita vor, womit er auf Prosifikation, aber wohl a uch auf Verfremdung a bzielt. Die zweigliedrigen Junkturen werden in allen Fällen morphosyntakt isch adaptiert und meistens perm utiert. An den begleitenden vergilischen E lementen ist oft eine Synonyms ubstitution zu beobachten, die der Verfremdung zu dienen scheint.5 Als Veränderung kann a uch die Übernahme einzelner Adjektive aus d er Kontextumgebung der zweigliedrigen Junktur in einem neuen Bezug gelten.6 Häufig werden mehrere E lemente unter Eing riff in die syntaktische Binneflstruktur, a ber bei gleichbleibendem semant ischen Bezug übernommen , so etwa, wenn effusus nubibus imber (georg. 4,312) durch Änderung der Di athese und des Numerus, Hinzufüg ung von contractis und Wechsel der Vorsilbe zu imbres contractis nubibus profundunt·ur (spect. 9,2b) wird. 7 Manchmal geht der syntaktische Bezug gänzlich verloren oder hat gar nicht bestanden, es existiert nur ein ungefährer semantischer Zusammenhang.8 1
2 3
4
5 6 7
8
Verändert wird der Zusatz trin. 1,2 ( candentem statt lucentemque zu globum lunae); aus dem unmittelbare n Kontext wird trin. I ,7 das Adjekt iv altus übernommen ; von a nderen VergilsteUen stammen die umfangreicheren Zusätze spect. 5,1 (spumanti patera + Aen. 3,66sq.); 7,2 (clangor tubae + georg. 4,7lsq.); ohne weiteren Zusatz bleiben spect. 2,1; 9, 1. Cypr. epist. 30,2,1 inlidat in scopulos mit vergilischer Semantik des Verbs; spect. 5,1 sonitus imitata tubarum, in Verbindung mit clangor tubae. So fließen pud ic. 10,1 die Liebesmetaphorik von Aen . 4,2 und 4,66 zusanunen; cib. lud . 3,3 liegt das vergilische sopitos suscita.t ignes {Aen. 5, 743; 8,410) zugrunde; hinter cib. lud. 6,3 voluptatum f...J mater deficere ist Aen . 6, l96sq. ne defice f... J/ diva parens zu vermuten. So cib. lud. 2,6 und , in bezugauf die Unterweltsvorstellungen, Cypr. epist. 30,7,2. So t rin . 1,2 candentem statt lucentem; s pect. 5,1 cruor statt sanguis; pudic. 10,1 incendia statt ignis; sp ect. 2,9b profundere statt effundere. So trin. l ,7 altus; sp ect. 7,2 mucus. Hierher gehört a uch d er erste Teil des Zitates spect. 9,2b ( tenuem f. ..J aiirem zu aiirem medium tenuitate}, außerdem Cypr. epist . 30,2, 1 (scopulis zu in scopulos); cib. lud. 3,3; spect. 7,2. So etwa Cypr. epist. 30,7,2; spect. 9 ,2a; cib. lud. 2,6; 6,3; pudic. lO,l.
210
II.3
No vatian
In vielen der letztgenannten Fälle ist die Kontamination von verschiedenen vergiliscben Versatzstücken ein charakteristisches Merkmal von Novatia ns Zitiertecbnik: So stellt er beispielsweise die Wendung clangor tubarum1 und aeris rauci canor increpat et I vox auditur fractos sonitus imitata tubarum (georg. 4,71sq.) zusammen zu clangores tubae bellicos alter imitatur raucos (spect. 7,2) oder spumans patera (Aen. 1,739) und spuman tia cymbia lacte I sanguinis et sacri pateras (Aen. 3,66) zu cruor eti am de iugulo calidus exceptus spumanti patera (spect . 5,1). 2 Die Kombination mehrerer nicht direkt verflochtener Reminiszenzen zu einem Zitatennest ist nur einmal zu beobachten (spect. 9,1.2a b). Bewußt eingesetzte Strategien der Markierung lassen sieb nirgends nachweisen,3 vielmehr sind manche Veränderungen an den Zitatsegmenten als Verfremdungen zu werten 4 . Novatian zit iert also in erster Linie produktionsorient iert. Ein wichtiges Mittel dabei ist die Kontamination sinnverwandter Stellen. 'fragendes Element der meisten Zitate ist die semantische Strukt ur. Syntax oder Lexik eines Einzelwortes werden hingegen kaum übernommen. 3.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Die diskutierten Zitate verteilen sich a uf alle Sparten des Werkes: Der dogmatische Traktat de trinitate enthält zwei, ebensoviele einer der drei Briefe an die karthagische Gemeinde und wenigstens so viele jeder Brieftraktat5 . Es ist also keine Abna hme der vergilischen Präsenz zu beobachten , vielmehr hä ufen sich die Zitate sogar in den Brieftr aktaten der schismatischen Periode: Auf diese entfallen über die Hälfte der Zitate, obwohl sie weniger als ein Drittel des Werkes ausmachen. 6 Eine Erklär ung dürfte darin liegen, daß in den Brieftraktaten ein größeres rhetorisches und allgemein paränetisches Element liegt als in der dogmatischen Darstellung de trinitate und der Korrespondenz zw ischen den Gemeinden. In nerhalb der Brieftraktate wiederum finden sich die meisten Zitate in der Schrift de spectaculis: Drei davon stehen in unmit telbarem Zusammenhang mit der darin geführten Auseinandersetzung mit der paganen Kult ur,7 dasjenige über die Schönheit der Schöpfung wird nach der Vorgabe a us de trinita1
2
Cf. Aen . 2,313; 8,520; 11,192.
Ähnlich pudic. 10,1; Cypr. epist. 30,2,1; cib. lud. 2,6. 3 Markierung d urch Position findet sich nur im Zitatennest spect. 9,1.2ab; Markierung durch Frequenz im Prätext wäre nur für cib. lud. 3,3, vielleicht spect. 7,2 in Erwägung zu ziehen, Frequenz im Folgetext besteht nur trin. 1,2; spect. 9,1. In keinem dieser Fälle aber scheint Novatian mit diesen Formen der Markier ung zu arbeiten. Höchstens die poetische For m spumanti patera (spect. 5,1) könnte, in Verbindung mit der Metonymie, bewußt eine diatypische Interferenz provozieren. 4 So vor aUem pudic. 13,2; wohl auch spect. 9,2b. 5 Genauer gesagt Iinden sich cib. lud. d rei , spect. vier und pudic. zwei Zitate. 6 Das heißt, Novatian entwöhnt sich weder seiner paganen Bildung, noch distanziert er sich als Bischof einer rigoristischen Sonderkirche von Vergil. 1 So spect. 2,1 (vana superstitio); 5,1 (Opferszene) ; 7,2 ( tuba.- Spiel).
11.3.3
Auswertung
211
te wieder aufgegriffen 1• Im Werk de cibis Iudaicis veranscha ulicht Novat ian dreimal theologisch-exegetische Aussagen mit vergilischen Formulierungen. 2 Ebenfalls ein Ergebnis seiner Exegese drückt Novatian in der Schrift de bono pudicitiae mit Vergil aus; 3 a ußerdem beschreibt er den Fortpflanzungstrieb mit Worten des Dichters (pudic. 13,2). Im Brief an Cypria n greift Novatian auf vergilische Dikt ion für die Metapher von der Kirche a ls Schiff4 und für die Unterwelt 5 zurück. Die Vergilzitate sind a lso meistens unmittelba r in den t heologischen Diskurs eingeflochten und dienen oft der Formulierung exegetischer Ergebnisse, der Wiedergabe von P aganem dienen nur a usna hmsweise in der Schrift de spectaculis (2,1; 5,1; 7,2).
3.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Bei der Rückführung der Zitate lassen sich trotz deren geringer Zahl doch deutliche Schwerpunkte im Werk des Vergil erkennen: Die Eklogen werden offenbar nicht hera ngezogen, wohl aber die Georgika, und zwar, neben dem ersten 6 und dem dritten 7 , vor alle m das vierte Buch, das mit vier Zitaten vertreten ist, von denen dre i einen d irekten Bezug zu den Bienen a ufweisen8. Die Aeneiszitate sind vor allem deren erster Hälfte zuzuordnen, darin wiederum überwiegen, wie auch bei den anderen unte rsuchten tendenziell zu beobachten, das vierte9 und sechste 10 Buch. 11 Als Besonderhe it ist also Novatians anscheinende Vorliebe für die Georgika und vielleicht da rin wiederum für das vierte Buch und die Bienen festz uhalten. Dieser Eindruck bestätigt sich noch, wenn man , soweit dies ebe n möglich ist , ungefähre inhaltliche Schwerpunkte in den j eweils genutzten Prä texten hera uszuarbeiten versucht: 1 So entspricht specl. 9, l.2ab in FUnktion und l n halt weithin trin . 1,2.7. 2 So c ib. lud . 2,6 (Ackerbau a ls heilsgeschicht liche Depravation); 3,3 (Gesetz soll die Glut der Gerechtigkeit unter der Asche ne u entfachen); 6,3 (Gefahren der Triebhaftigkeit nach Motive11 der Bergpredigt). 3 So pudic. 10,1 (G röße der Versuchung d urch jugendliche Liebesglut, d er J osef und Susanna widerstanden ). 4 Cypr. epist. 30,2,1 - bei Vergil wird die Metaphe•· vo11 der Meeresbrandung allerdings fü r die unbändige Macht des Liebesverlangens gebraucht. 5 Cypr. epist. 30,7,2 hier ist Vergil a llerdings nur locus classicus der populären Vorstellungen, a uf die ovatian rekurriert.. 6 Daraus spect. 9,2a (georg. 1,208sq.). 7 Daraus Cyp r . epist. 30,2, 1 (georg. 3,261). 8 Auf die Bienen bezogen spect. 7,2 (georg. 4,71sq.); 9,2b (georg. 4 ,3llsq.); pudic. 13,2 (georg. 4,249); in den Rahmen der Aristaeus- Erzählung gehört t rin . 1,7 (georg. 4 ,528sq.). 9 So p udic. 10,1 (Aen. 4,2.66) ; Cypr . epist. 30,7,2 (Aen. 4,26). 10 So trin . 1,2 und spect. 9,1 (Aen. 6,725); Cypr. epist. 30,7,2 (Tartarus; Aen 6 ,740); c ib. lud. 6,3 (Aen. 6 ,196sq.) . 11 Den übrigen Büchern ist. nur Einzelnes oder me hrfach Vorkommendes zuzuordnen.
•
212
li .3
Novatian
1. Im Prätext vieler Zitate geht es um Naturschilderungen, teilweise allgemeiner Art 1 , teilweise speziell auf die Bienen2 , einmal a uf das Feuermachen3 bezogen.
2. E inen zweiten Schwerpunkt bilden Affektschilderungen: Zweimal übernimmt Novatian poetische Darstellungen des Liebesverlangens, 4 einmal zieht er eine Vergilstelle gegen ihren Kontext in djesem Sinne heran, 5 einmal überträgt er ein vergilisches Szenario der Liebesglut in einen anderen Zusammenhang 6 . 3. Als Repräsentant paganer Vorstellungen wird Vergil in bezugauf den Kult im Werk de spectaculis zit iert. 7 Vorstellungen und Diktion der vergilischen Unterwelt werden in der innerchristlichen Korrespondenz übernommen8 . Betrachtet man die Zitate nach ihrer form alen Stellung im Prätext, so finden sich auffallend viele Gleichnisse und Metaphern, die Novatian teils direkt verwendet ,9 teils überträgt , 10 teils rückgängig macht 11 und teils erst schafft 12 . Novatian übernimmt von Vergil also vor allem, inhalt lich betrachtet, Schllderungen von Natur und Affekten, bevorzugten rhetorischen Übungsthemen, formal betrachtet Metaphern. Dazu paßt, daß auch die Untersuchung der Zitatsegmente einen Schwerpunkt des Gemeinsamen im Bereich der Semantik ergeben hat: Novatian sucht bei Vergil in erster Linie das Bildhafte der dichterischen Sprache über Natur und Gefühlswelt.
3.3.4
Vergil bei Novatian: FUnktion und Bewertung
Insgesamt betrachtet läßt die Präsenz des Dichters darauf schließen , daß Novatian Vergil kennt , a n ihm anscheinend besonders seine bildhafte Spra1
2 3 4
5
6 7
8 9 10
11
12
So trin 1,2 und spect. 9,1; Cypr. epist. 30,2,1 (im Rahmen eines Vergleichs); spect. 9,2a. So spect. 7,2; 9,2b; pudic. 13,2. So cib. lud. 3,3. So pudic. 10,2; 13,2. So legt cib. lud. 6,3 die Venusanrede ne defice rebus / diva parens (Aen. 6,196sq.) zugrunde. So Cypr. epist. 30,2,1: die Gefä hrdung der Kirche. So spect. 2,1; 5, 1. So Cypr. epist. 30,7,2. So die Liebesmetaphorik pudic. 10,1. So übe rträgt Novatian etwa Cypr. epist. 30,2, 1 die Überwindung der Brandung durch einen verliebten Jüngling au f die Gefahrdung der Kirche. Auch die Heran.z iehung eschatologischer Diktion Vergils Cypr. epist. 30,7,1 könnte man so verstehen. So liegt spect. 9,2b das Bild vom Niederschlag für das Ausschwärmen eines Bienenvolkes zugrunde, wird von Nova.tian aber un mittelbar verwe ndet . Der Vergleich des Biene nsummens mit einer Schlachttro mpete wird von Novatian spect. 7,2 auf das tuba- Spiel zurückgeführt , jedoch in einer im Kontext ironisierenden Emphase. In d ieselbe Richtung der Emphase durch die bildhafte Dichtersprache weist wohl a uch die spumans patero (spect. 5, I ) . So gebraucht erst Novatian cib. lud . 3,3 die G lut unter der Asche metaphorisch.
Il.3.3 Auswertung
213
ehe schätzt und eine Vorliebe für das vierte Buch der Georgika hegt. Nirgends aber tritt Vergil in den Vordergrund. Seine Präsenz beschränkt sich auf sprachliche Versatzstücke, meist auf semantische Strukturen und Elemente von Metaphern, oft a us verschieden Stellen kontaminiert. Drei Funktionen der Vergilzitate bei Novatian lassen sich herausarbeiten: 1. Theologische, oft exegetisch gewonnene Ansichten werden mit Hilfe vergilischer Sprachelemente bildhaft ausgestaltet. 1 2. In poetischem Ton werden Schönheit und Ordnung der Schöpfung gepriesen, namentlich im e rsten Kapitel der Schrift de trinitate und im neunten Ka pitel des Brieftraktates de spectaculis. 2 3. Vergilische Ausdrücke über Kult und Opfer dienen , teils in ironischer Überzeichnung, der Auseinandersetzung mit der paganen Kultur in der Schrift de spectaculis. 3 Novatian geht es zum einen um das commovere im theologischen Diskurs, so vor allem in bildhaften Ausdrücken über Natur und Affekte, zum anderen will er den authentischen, ins Ironische gesteigerten Ton in der Auseinandersetzung mit der paganen Umwelt treffen. Rückschlüsse auf die Wertschätzung, die Novatian Vergil entgegenbringt, lä.ßt nur die Tatsache der Verwendung Vergils zu, die sich auch auf den rein innerkirchlichen Diskurs erstreckt. Dabei ist die Vergilrezeption des Novatian durchweg produktionsorientiert: Nirgends setzt er voraus, daß ein vergilischer Prätext als solcher perzipiert wird . Öfter aber rekurriert Novatia n mit Vergilzitaten auf einen weiter zu fassenden, kulturellen Prätext. So verlangt beispielsweise die ironische Überzeichnung des tuba-S piels (spect. 7,2) , daß der Leser den heroisch- pathetischen Ton wahrnimmt. 4 Auch soll der Leser, wenn Novatian die Versuchung durch jugendliche Liebesglut schildert (pudic. 10,1), den Rückgriff auf das Register der erotischen Dichtersprache wahrnehmen. Insbesondere a ber de r Rekurs a uf pagane, anscheinend nicht zuletzt vergiUsch geprägte Vorstellungen von der Unterwelt, unmittelbar übertragen a uf christliche J enseitsvorstellungen (Cypr. epist. 30,7 ,2) 5 , könnte andeuten, daß 1
2 3 4
5
Mit direktem Bezug zur Exegese c ib. lud . 2,6; 3,3; 6 ,3; pudic. 10,1; ekklesiologisch Cypr . epist.. 30,2,1; eschato logisch Cypr. epist. 30,7,2; moralisch pudic. 13,2. So insbesondere trin . 1,2.7; spect. 9,1.2ab. So spect. 2, 1; 5 ,1; 7,2. Ähnlich rekurriert die Opferschilderung (spect. 5,1) auf e ine poetisch gefärbte Kultsprache. Hier ist ei n Fo rschungsdesiderat zu konstatieren: Vergilische Vorstellungen als EinRußfaktor auf die früh en Christiani Latini finden in den übergreifenden Darstellungen zu der en Konzeption von Escha to logie im allgemeinen und Hölle im besonderen keine Erwälmung, so etwa 8 . DALEY, HOG rv 7a [1986J, llü-119; A.E. BERNSTEIN, The Formatio n o f Hell. Oeath and Retribution in t be Ancient and Ea.rly ChrisLian Worlds, lt haca / Lond on 1993, 267- 333; VORGIUMLER 91 - 94; DASSMANN 356-358;
214
Il.3
Novatian
Vergil nicht nur, rein produktionsästhetisch , von einem rhetorisch geschulten Autor als Fundgrube für bildhafte Ausdrücke ausgebeutet wird, sondern a uch bei der lnkulturation des Christentums in die römische Ge isteswelt eine Rolle spielt.
J .N. BREMMER, The Rise a nd Fall of Afterlife, London / New York 2002, 56-70. Einzelne punktuelle Gemeinsamke iten zwischen Vergil und der frühen christlichen Latinität. benennt AMAT in ihrer motivgeschichtlichen Arbeit über s pätantike Jenseitsvorstellungen ( 119; 137; 147; 153), doch bezieht sich nichts davon auf das Bild der Hölle. Den Einfluß vergilischer Gedanken auf die christliche Hölle in seinen An fängen zu untersuche n ist also, soweit ich sehe, ein Desiderat. Die in vorliegender Arbeit untersuchten Zitaten aus dem sechsten Aeneisbuch (thematisch einsch läg~ge zusammengestellt unten 353) könnten dafür e in erster Ansatzpunkt sein .
Cyprian
4 4.1
Zur Forschungslage
Caecilius Cyprianus ist der erste Bischof und Heilige unter den christlichen Autoren lateinischer Sprache. 1 Aus wohlhabender Familie in Nordafrika stammend , erhält er die in seinen Kreisen übliche rhetorische Ausbildung und wendet sich dann dem Christentum zu; seit 248 oder 249 Bischof von Karthago, erleidet er am 14. September 258 das Marty rium während der Valerianischen Verfolgung. 2 Cyprians literarische Hinterlassenschaft besteht vornehmlich a us epistulae, Korrespondenzen zu Fragen der Seelsorge aus der Zeit seines Episkopates, und aus libelli, Traktaten zu pastoralen Einzelfragen, die ihrerseits im Briefstil gehalten sind. Dazu kommen die apologetischen Schriften ad Donatum und ad Demetrianum, sowie die thematischen Bibelstellensam mlungen ad Fortunaturn ( de exhortatione martyrii) und testimonia. Cyprians Verhältnis zur paganen Kultu r ist von Desinteresse und Distanz geprägt. 3 Er scheint sich nicht nur so a uf die innerkirchlichen Belange und seine pastoralen Aufgaben als Bischof in schwerer Zeit zu konzentrieren , da ß für die Auseinandersetzung mit der Umwelt kein R aum bleibt,4 sondern dara uf nicht einmal Wert zu legen: Nirgends zitiert oder nennt er a usdrücklich pagl':Lne Autoren. 5 Philosophie und Rhetorik erteilt er eine Absage.6 Natürlich schreibt Cyprian nicht gänzlich unbeeinflußt von paganen Autoren , so hat die Forschung 7 Spuren von Cicero, Sallust , Seneca, Plinius, Quintilia n, Apuleius, 1
Eine Gesamtd arstellung und eine Übersicht über die Forschungsliteratur bieten H . GÜLZOW, Ant onie WLOSOK, P.L . SCHIIIIDT. HLL 4 (1997) §478; C. MARJ<SCHIES, 'Cyprianus !2]', ONP 3 (1997) 253- 255; A . H OFFMANN, 'Cyprian ' , LAC L (2002} 169- 174. 2 Cf. Hier. vir. i ll. 67. 3 All gemein über Cyprians Verhältnis zur paganen Kultur H ACENDA HL Von Tertullian 29-31, hier 29sq.; ELLSPERMANN 52sq.; KRA USE 109- 115. 4 Allgemeine Überl egungen zu K ontinuität und Wandel paga.ner Verhaltensmuster bei Cypria.n bietet H. MONTCOt.IERY, Saint Cyprian 's Secular H eritage, in: Studies in Ancient History and Numisrnatics presented to R. T HOI\'ISEN, A arhus 1988, 21 4- 223. 5 Cf. H ACENDAHL Von Tertttllian 122 Anm. 122sq.; CLA RK E lntroduction l l7sq. 6 ad Donat. 2 - dazu V. BUCHHEIT, Non agnitione sed gratia (Cypr. Don. 2), Hermes 115 (1987) 318-334; patient. 3; epist.. 55,16; epist. 60,3; cf. ELLSPERMANN 43- 51. 7 Zu den Zitaten aus pa.ganen P rosaikern, unter denen vor allem Seneca herausragt, etwa: H ARTEL im Apparat seiner CSEL- Ausgabe; U . MORJCCA, Di alcune probab ili font.i d 'un opuscolo di S. Cipriano, Athenaeum 5 ( 1917) 124- 158, v.a. 146-154; H . K OCH, Cyprianische Untersuchungen, Bonn 1926, 286- 333; L . CASTIGLION I, Cypri anea, RIL 66 {1933} 1071- 1085, v.a. 1081- 1083; H . KOCH, Novaziano e Plinio il G iovane, Religio 11 (1935) 321- 335, v.a. 327- 331 ; H AGENDAHL (1958) Latin Fathers 77; B UCHH EfT
( 1.979) Cyprian.., passim; Non agnitione (1987}, passim; Non homini {1989), passim; C. T IBILETI'l , U n t ema stoico in Seneca e S. Agostino, Au gust.inianum 22 (1982) 585593: M . SZARMACH , Oie Anspielungen auf die heidnische Literatur in Cyprians de bono patientiae, in: Worte, Bi lder, Töne. Studien zur Antike und Antikerezeption , FS B. l
216
II .4 CypriaJ
Plutarch und Lukian, von Ennius 1 , Lukrez2 , Catull3 , Horaz 4 , Ovid5 , Senec; tragicus und einzelnen anderen Dichtern der Silbernen Latinität entdeckt,' was allerdings bei einem ausgebildeten Rhetor auch nicht anders zu erwar ten ist - zumal einem, dem WATSON in seiner stilistischen Untersuchunl attestiert: "Cyprian's diction is at least as full of poetical elements as tha of any post- Augustan writer" 7 . Für das Verhältnis zu Vergil gilt dasselbe: Zwar hat man an vielen Stelle1 Reminiszenzen namhaft gemacht,8 aber zugleich deren Verborgenheit hervor 1
J .H . WASZtNK, Eine Ennius- Reminiszenz bei Cyprian?, Mnemosyne s. III 1 (1933/34 232sq.; cf. unten (245) zu patient. 4 . 2 Die Versuche von C. PASCAL, Lucrezio e Cipriano, RFIC 31 (1903) 555- 557, und F DALPANE, Lucrezio e C ipria.no, RSA 10 (1905/6) 425sq. , einen weitgehenden Einfluß de Lukrez auf Cyprian nachzuweisen, beurteilt HAGENDAHL (Latin Fathers 78) zu R ech sehr kritisch. 3 N.I. H ERESCU, Oe Ca.tulle a saint Cyprien. Evolution d 'u n concept de Ia divinite, Or pheus 6 (1959) 119-134, bietet hingegen religionsgeschichtliche Überlegungen zu Japs 17 solus Dominus misereri potest und Catull. 76,17 o di, si vestrumst misereri. 4 L. BA YARD, Le latin de saint Cyprien. Paris 1902, XXsq. 5 BA YARD Latin XXsq.; C. PASCAL, Sopra a.Jcuni passi delle Metamorfosi ovidiane imitat dai primi scrittori christiani, RFIC 37 ( 1909) 1-6, hier 4sq. 6 E. W . WATSON , T he Language and Style of St. Cyprian, in: Studia biblia et ecclesiastic; IV, Oxford 1896, 189-324, hier 203sq.: Sicherheit gebe es zwar nur für einige Vergil zitate, vielleicht werde aber auch Seneca trogicus aufgenommen, so etwa: Demetr. · si terra situ pulve1is squaleat zu Phaedr. 471 orbis iacebit squalido turpis situ, da.z1 epist. 76,2 squalent m embro (... ] situ et sorr.te deformia "which suggests a dislocate< hexameter" (204); Demetr. 24 cremabit addictos [... ] vivacibus flammis vorax poena z1 Med. 826 et vivacis fv.lgura ftammae / de cognato Phaethonte tuli; epist. 10,2 rupt, conpage "though in a different sense" (204) Oed. 580; Herc.O . 1135; 1128; ad Donat. ! obductas f ores zu Herc.O. 1548 solaque obductis foribus deorum I templa. - Mo rucc1 nennt außerdem ad Donat. 1 ac ne loqui nostrum arbiter profanus impediat zu Sen Phaedr. 601 en locus ab omni liber a1·bitrio vacat; ad Donat. 4 Lumen infundit zu Sen P haedr. 154 rebus Lumen infundens suum; ad Donat. 8 Iovern (... ] nunc in pluma11 oloris albescere nunc aureo imbre dejluere zu Aetna 90 Juppite1· ut Danaos pretiosu ftuxerit imber; Octavia 203- 208; ad Dooat. 12 non cibus securo somnusve contingit zt Sen. Thy. 449--45 1 o quantum bonum est I obstare nulli, capere secums dapes hum iacentem! 458 somnosque non defendit excubitor meos. 7 204. Zusätzlich zu den zuweisbaren Reminiszenzen nennt er «two more instances o appar ently bexameter Hnes, from unknown poets, cited indirectly" (l. c.): Demetr . : novella ac vegeta iuventa pollere aus einem vegeta poliere iuventa; epist. 55,28 carinan praevalidis et electis roboribus intexe aus einem roboribus validis intexe carinam unc "one iarnbic senarius with its two last words disposed" (204) epist. 4,2 nemo diu tutu. est periculo proximus (Hier könnte a llerdings auch ein von Cyprian geprägtes Diktun vorliegen, als solches zitiert es jedenfalls Hier. epist. 30,14 nemo, ut beatus Cyprianu; ait, satis tutus periculo proximus.). Weitere Beispiele für dich terische Spra.chelement1 führt er 204sq. auf. 8 Nachweise der Vergilzitate bei Cyprian bieten neben BüRNER 18-26, CouRCELLE Lee· teurs, passim, und den Kommentaren zu den einzelnen Werken (je dort genannt) insbesondere: C. WEYMAN, Über die dem Cyprianus beigelegten Sch riften De spectaculi: und De bono pudicitiae, Histor isches J ahrbuch 13 {1892) 737- 748, hier 741; E.W WATSON (1896), 203; BAYARD Latin XXlsq.; MORICCA 146-154 (zu ad Donat.); Mari~ T . BALL, Nature and the Vocabulary of Nature in the Works of Saint Cyprian, Diss Washington 1946, 54.56.118.122.131.175; J . FONTAINE Aspects 169 mit Anm. 42 und 170 mit Anm. 44 (zu ad Donat.); V. Buc HHEIT, Cyprian - Seneca und d ie laude1
Il.4.1
Zw· Forschungs lage
217
gehoben. B ÜRNER (1902) erklärt diese mlt Cyprians Absicht, dle Übernahme unkenntlich zu machen (19). Nach B AYARD (1902) erinnere sich Cyprian manchmal a n d ie K lassiker, die er in seiner rhetorischen Ausbildung kennengelernt habe, und kleide eine Passage poetisch a us. 1 E inen ne uen Gesichtspunkt bringt 1968 FONTAINE in einer Interpretation zum Kapitel 4 der Schrift ad Donatum: Die Übernahme einer vergilischen Wendung müsse nicht bloß artifizielles Gestalt ungsmittel der Kunstprosa sein, vielmehr sei d ie Dichtersprache ein adäquates Medium zur Vermittlung religiöser E rfahrungen: "[L]a Iangue poetique est appropriee a l'expression des n~alites religieuses, du fait meme que poesie et religion proposent toutes deux une connaissance analogique et symbolique de toute realite." 2 GALLICET (1986) sieht dieses Motiv für den Rückgriff a uf vergi lische Sprache hinter Cyprians gesamter Vergilrezeption: Mit vergilischen Formulierungen wolle Cyprian nicht nur seine Prosa veredeln. "Vielmehr ist bei ihm ein spontaner Gebrauch vergilischer Ausd rücke festz ustellen in gewissen P assagen, in denen die Gemütsbewegung über seine religiöse Erfahr ung ihn dazu führt ." 3 In einer Untersuchung über den Einfluß der Laudes agricolarum arn Ende des zweiten Georgikabuches a uf Cyprians Schrift ad Donatum ko mmt BUC HHE IT (1979) z u dem Ergebnis, daß Cyprian zwar verschiedentlich Gedanken und Formulierungen übernehme, sie aber dergestalt "im Sinne einer mutatio in melius einer ganz neuen Tendenz unterstellt" 4 , daß Elemente aus der vergilischen Antithese von Stadt und Land beim C hristen "dle Wertlosigkeit der vita tcrrena ac C01TUptibilis insgE>,samt vor Augen führen und das Trachten nach der vita caelestis1 stabilis ac incorruptibilis als alleiniges Ziel anpreisen"5 sollen. In seiner Gesamtbewertung der Vergilrezeption bei Cyprian sieht H ECK (1990) nur Unbedeutendes, das nicht über übliche Spuren einer rhetorischen Ausbildung hinausgehe. 6 In der folgenden Betra{;btung der einzelnen Zitate wird also die eine Leitfrage lauten müssen , ob Vergilisches led iglich ab und zu in rhetorischer Rout ine zum Zweck des literarischen Dekors eingestreut wird oder ob sich bestimmte Grundlinien einer absichtsvollen oder systematischen Benutzung erkennen agricolar-um Vergil.s, RhM 122 ( 1979) 34
359 (zu ad Donat.}; Maria Grazia MARA, 'Cipria.no' EV 1 {1984) , 790sq. (Zusammenstellung) ; A.V. NAZZARO, La IV Bucolica. d i VirgiUo nell 'a.nticbita cristiana. in: A .A .V.V., Omaggio sa.nn ita a Virgilio, S. Giorgio del Sannio 1983, 49-72, hier 51. 1 BAYARD La.tin XX: Im Rahmen seiner rhetorischen Ausbildung habe Cyprian, wie üblich, sich e ine sehr gründliche Ke nntnis der Klassiker , und unter den Dichtern vor allem Vergils, erworben . Als Beispiel führt er a.d Donat. 12 mit einer Vergil- (gemma bibat) , einigen Hora.z- und Prosaikerreminiszenze n an. Cf. p. XXI. 2 FONTAINE A spects 169. 3 Vergil 198. Ln diese Richtung weist auch f.. IAR.A 590: "C[ipriano], come altri scrittori cristiani, si abit.uava cosi a rivestire di forme classicbe le sue idee religiose." 4 BUCHHEIT Cyprian 358. 5 BUCHHEIT Cyprian 359. 6 H ECK Vestrum est lllsq. (cj. oben 193 Anm. 3).
218
IL4 Cypricu
lassen. Als Bischof repräsentiert Cyprian in seinem pastora len Schrifttum dl4 Latinität der Kirche, als Märtyrer und erster Heiliger unter den lateinische1 Kirchenvätern prägt er durch die breite Rezept ion , die sein Werk findet, dl4 christliche Latinität.1 Daher ist in seinem Fall auch a uf die Rolle der VergiJ rezeption im Rahmen einer innerhalb der Kirche gebrauchten und nicht a u Außenwirkung abzielenden Sprache zu achten.
4.2 4.2.1
Die Vergilzitate Briefe
epistula 37
Den 37. Brief richtet Cypria n während der Decischen Verfolgung an die ir Rom eingekerkerten Bekenner. 2
epist. 37,2,2 (CC III B 179,38) Per vicissitudines mensium transmeavi hibernum, sed vos inclusi tempora hiemis persecutionis hieme pensatis.
Während dra ußen der Winter vorbeigegangen sei, erlitten sie einen Winter der Verfolgu ng, der Frühling ha be ihnen die Blumen des Märtyrert um~ eingebracht, nun bringe der Sommer die Ernte an Ruhm. Die Formulierun! transmeavit hibernum scheint vom vergilischen ternaque transierint Rutuli. hiberna subactis (Aen 1,266) beeinftußt zu sein. Jedenfa lls deuten dara u der auffällige tempora le Gebra uch von transmeari3 und das als variatio zt hiems verwendete hibernum a ls Subjekt 4 dazu hin. 5 In seiner Bemühung urr eine pathossteigernde Ausgestaltung dieser geistlichen Betrachtung des Jah· resla ufs hat sich Cyprian offenba r von Vergil inspirieren lassen .6 1
2
3 4
5
6
Cf. R EICHENKRON 104sq; SCHMJDT HLL 4 (1997) §478 D.E. Kommentar von G.W . CLARKE, The Letters of St. Cyprian, 1&11 New York I Ramsey 1984 (Ancient C bristian Writers 43&44); 111 New York I Mahwa.h 1986 (Ancien1 C hristian Writers 46); rv New York I Mahwah 1989 (Ancient C hristian Writ.ers 47); Zl Datierung und Einordnung BAYARD Correspondance I p. XXII; GüLZOW Cyprian unc Novatian 108sq. , und ders. BLL 4 {1997) §478.1. OLD und FORCELLfNI s.v. transmeo belegen den temporalen Gebrauch nicht. An s ich ist der Gebrauch von hibernum bei Cyprian nicht mehr ungewöhnlich , aber zurr. einen gehört der Ersatz von hierns durch hibernum zunächst in die D ichtersprache - hi· berna Aen . 1,266 spielt allerdings mit der militärischen Konnotation ('Winterlager') zum anderen findet s ich eine J unktur mit transire bzw. transmeare offenbar außerha lt der beiden Stellen nicht belegt, cf. ThLL V1,3 s.v. hibernus 2689 ,4~14 .37-56. Eine Erklärung für das Wirken dieser VergiJstelle stellt Ubrigens a uch der auffälligE Binnenreim terna [. ..Jhiberna dar, cf. AUSTIN ad l. 103. - Eine gedankliche Verbindung kön nte im Ausharren und Warte n d er '1\-ojaner wie der Eingekerkerten und in de1 Ho ffnung auf das erlösende Ziel liegen . Vielleicht liegt darin die Anregung zum Rekurs auf diese Stelle. Zur Darstellung der J a hreszeiten bei Cyprian allgemein und dieser Stelle im besondere n auch BALL 175-177.
11.4.2
4.2.2
Die Vergilzitate
219
Apologetische Schriften
ad Donatv.m Die an den ansonsten nicht bekannten Freund Donatus gerichtete Schrift verfaßt Cyprian wohl kurz nach seiner Taufe im J ahre 246. 1 Im Rahmen eines in kunstvoll a usgestaltet er Umgebung sit uierten Monologes berichtet der Autor von seiner als gnadenhafte Abwendung von der Heillosigkeit und dem trügerischen Glanz der Welt verstandenen Taufe. Im Mittelpunkt des Werkes steht also zwar dle Auseinandersetz ung mit der paganen Umwelt, aber weniger im apologetischen Sinne etwa des als Vorbild zugrunde Hegenden Minucius Fel.ix, sondern in Form einer spirituellen Unterweisung für (Noch- ) Nicht- Christen. ad Donat. la (CC III A 3,13) Ac ne eloquium nostmm arbiter profanus irn-
pediat aut clarnor internperans familiae s tn~pentis obtundat, petamv.s hanc sedem: dant secessum vicina secreta, ubi durn erratici palmitum Lapsus nexibus pendulis per hamndines baiulas repunt, viteam porticum frondea tecta fecerunt. Als Ort für das Gespräch schlägt Cyprian zu Beginn eine ruhig gelegene Weinlaube vor, die er ausführlich beschreibt. Wenn er dabei von frondea tecta spricht, die man a ufsuchen (peter·e) wolle, greift er eine dichterische Formulierung2 auf, mit der Vergil den idealen Ort für einen Bienenschwarm zum Ba u seines Nestes beschreibt, georg. 4,61sq. (58-64):
hinc ubi iarn emissum caveis ad sidera caeli nare per aestatem liquidam suspexeris agmen obscuramque trahi vento rnirabere nubem, contemplator: aquas dulcis et frondea semper t ecta petunt. huc tu iussos asperge sapores, trita melisphylLa et cerinthae ignobile gramen, tinnitusque cie et Matris quate cymbala cir·cum. Der Gattungstopik des Dialoges gemäß bat schon Minucius Felix sein Gla ubensgespräch in einer kunstvoll ausgestalteten Umgebung angesiedelt . Dem folgt Cyprian hier, wie vor allem d ie übereinstimmende Datierung in die Zeit der Weinleseferien verdeutlicht. 3 Doch während Minucius Felix harmo1
2
3
Datierung der Werke nach HLL 4 ( 1997) 543sq. Cesamtdarstellung und Literatur b ei WLOSOI< HLL 4 (1997) §478.7. Prondeus ist eine von Vergil gebildete dichterisci1e Variante zu frondosus ( cf. Serv . Aeo. 1,191 ; ka um in Prosa, vor Cyprian nur Plin . nat. 16,11), zur Junktur frondea tecta (georg. 4,61 ) nennt T hLL Vl.l s.v. frondeus 1346,8- 14: Cypr. ad Do nat. 1,4,61 ; Mar. Victor. a leth. 3.279; Cypr . Call. exod. 334; Me rob. carm. 3 ,4; Coripp. loh. 2,9cf . Aug. senn. ed. l'vi.Al 72,2 frondoos porticus vi1'idesque paretes fsc. paradisij. Cypr. ad Do nat. 1 reddendi tempestivum pror~>'US hoc tempus est, quo indulgente vindem ia solutus animus in quietem sollemnes ac stata.s anni fatigantis indutias sortiatur und Min . Fel. 1,3 sane et ad vindemiam f eriae iudiciariam curam relaxaveront.
220
II.4
Cypriar
nische Bewegung sucht (der Strandspaziergang 1,4; die gleichmäßige Brandung des Meeres 3,3; das Spiel der Kinder 3,5sq.) , bleibt Cyprian bei deJ statischen Kontemplation des konventionellen locus amoenus und wählt dru homerische Weinla ubdach l. Die vergilische Formulierung dient sicherlich zu· erst der sprachlichen Ausgestaltung. Bemerkenswert ist die ged ankliche Ge meinsamkeit zwischen der erfolgreichen, ertragreichen Ans iedlung des Bie nenschwarms und dem erhofften Gelingen des geistlichen Gespräches - dar· in ist natürlich keine tiefsinnige Metaphorik zu sehen, eher aus produkti· onsästhetischer Sicht ein vielleicht unbewußter assoziativer Ansatzpunkt fü1 die Wahl dieser Vergilworte. Augustin (doctr. 4,14) zitiert die Cyprianstell( (von petamus bis fecerunt), allerdings um sich kritisch mit deren stilistische1 Überfrachtung auseinanderzusetzen. 2
ad Donat. 1 b (CC III A 3,17 sq.) Bene hic studia in aures damus, et durr in arbores et in vites videmus, oblectante prospectu oculos amoenamus, ani· mam simul et auditus instruit et pascit obtutus: quamquam tibi sola nun( gmtia, sola euro sermonis est, comtemptis voluptariae visionis inlecebris ir m e oculos tuos fixus es, qua ore, qua mente totus auditor es et hoc amon quo diligis.
Auch im folgenden Satz zeigt sich die Tendenz zur poetischen Stilisierun~ des Einleitungskapitels. Die Formulierung in me oculos tuos fixv.s es hat ihrE nächsten Parallelen in der vergilischen (Aen. 11 ,507 Turnus ad haec oculo~ horrenda in virgine fixus ) bzw. nachvergilischen Dichtersprache. 3
ad Donat. 2 (CC 111 A 3,22sq.) Geterum quale vel quantum est, quod in pec· tus tuum veniat ex nobis, exilis ingenii angust a mediocritas tenues admodurr fruges parit, nullis ad copiam fecundi caespitis culminibus ingmvescit, adgrediar tarnen facultate, qua valeo: nam et materia dicendi facit mecum.
Am Anfang des im Mittelpunkt des Werkes stehenden Monologes findet sich in höchst manieristischer Formulierung (etwa: cmeine Mittelmä ßigkeit kann nur ganz zarte Triebe hervorbringen und läßt nicht ein einziges Hä lmchen zu einem üppigen Rasen sprießen, trotzdem [.. .]') der topische 4 Ausdruck der Demut. Der mehrfach 5 in Erwägung gezogene Einfluß von ecl. 1,68 pauperis ei tuguri congestum caespite culmen läßt sich nicht ganz von der Hand weisen.
1 Ln der bcppaot~ der Kalypsogrotte, O d . 5,68sq. Ii S' aötoü ntavuoto 1t&pl o1t&lou~ ')'Aacpupoic I ruupl~ ijßwwoa, n6'1\A&I S& O"tacpuA.fioL 2 Dazu MÜLLER Vergilzitate 175. 3 ThLL VI,l s.v. figo 718,59-61 nennt als ersten Prosabeleg Aug. c. Petit. 2,90,199; KS I 290 zum Akkusativgebra uch. 4 Dazu aUgemein CuRTtUS 93~95; spezieil zum Bild des unfruchtbaren Feldes Cic. Tusc. 2,13. 5 So etwa WATSON 203, BüRNER 21, BALL 55sq.: "[T jhe rhetorician , however humble as a C hristian neophyte, could not withstand t he Iure of the alliterative possibilities in nullis ad ccpiam ooespitis culminibus ingravescit, given a Vergilian echo [...] to begin with." MARA 590.
Il.4. 2
Die Vergilzitate
221
Denn obwohl sich eine sprachliche Übereinstimmung nw- in der seltenen 1 Juxtaposition der Vokabeln caespes und culmen fassen läßt, deren Semantik2 und Syntax sich zudem unterscheidet, wird eine subtile Verbindung deutlich , wenn man den Kontext der Vergilstelle mit berücksicht igt, die wehmütige Klage des von seinem Land vert riebenen Meliboeus, der zweifelt, ob er jemals zu seiner Scholle wird zurückkehren können , ecl. 1,67- 69:
en umquam patrios longo post tempore finis pauperis et t·uguri congestum caespite culmen, post aliquot, mea regna, videns rnirabor aristas? Zweierlei Gemeinsamkeiten mit der Cyprianstelle lassen sich festhalten: Zum einen nämlich drückt in beiden Fällen der Sprecher mit den Vokabeln caespes und culmen die ärmliche Bescheidenheit dessen aus, was ihm gehört . So betrachtet konvergiert die Pragmatik beider Stellen .3 Zum anderen spricht Vergil im folgenden Vers , wenn a uch mit anderen Worten ( aliq·uot [. ..j aristas), gena u das a n, worum es auch bei Cyprian geht , das spärliche Wachstum einiger Hälmchen. Dazu kommt außerdem die Beobachtung, daß Cypria n gerade bei Bildern aus dem bäuerlichen Leben gerne auf vergilische Diktion zurückgreift. Diese, insgesamt a llerdings doch recht vagen, Indizien könnten vielleicht darauf hindeuten, daß Cyprian in seine manierierte Bescheidenheitstopik a uch noch eine kunstvolle Anspielung auf Vergils Eklogen eingeba ut habe, die sich erst dem gebildeten Vergilkenner erschließt.
ad Donat. 3 (CC Ill A 4,46- 49) Et qui pretiosa veste conspicuus in auro atqtJ.e in purpuro fulsit, ad plebeium se et simplicem cultum quando deponit? Fascibus ille oblectatus et honoribus esse privatus et inglorius esse non potest. Hic stipatus clientium cuneis, frequentior-e comitatu officiosi agminis honestatus, poenam putat esse, cum solus est. Im Rückblick a uf seine eigenen Ansichten vor seiner Bekehrung schildert Cyprian die E instellung des der Welt und ihren Lockungen Macht und Reicht um Verhafteten, dem die Werte des christlichen Lebens, da er die Neugeburt im Bad der Taufe noch nicht erfahren bat, unverständlich bleiben. In dieser Ko nt rastierung eines der Welt verhafteten Lebens mit dem eines in der Ta ufe Wiedergeborenen, macht B UCHHEIT einige Anklänge a n Vergils Laudes agricolarum am Ende des zweiten Georgikabuches namhaft, sowohl allgemein inhaJtliche als auch wörtliche , wenn a uch nur in einzelnen Schlüsselbegriffen. Im einzelnen nennt B uc HHEIT folgende Vergilstellen:'1 1
2
3
4
PHI 5.3 be legt die Wörter zusammen nur an der Vergilstelle und im ServiusKommentar zur Stelle. Bei Vergil geht es um eine einfache, grasbedeckte Behausung (cf. ThLL Il l s.v. caespes 11 1,6--8) , an der Cypria nstelle hingegen ist mit culmen wohl ein Halm oder eine Ähre gemeint (cf . T h LL rv. s.v. culmen 1292,82- 1293,7) . Bescheidenhe it a ls Tenor findet sich ebenso a uf Seiten des Tityrus am Ende der ersten E kloge, der das We nige, was er hat, mit Meliboeus teilen will. Bei Cyprian soll auch der andere, Donatus , teilhaben . B UCHH EIT Cyprian 351.
222 georg. 2,464sq. georg. 2,495sq. georg. 2,486 georg. 2,508-510
II.4
Cyprian
inlusasque auro vestis Ephyreiaque aera, alba neque A ssyrio fucatur lana veneno illum non populi fasces, non purpura regum ftexit ftumina amem silvasque inglorius (. .. J hic stupet attonitus rostris, hunc plausus hiantem per cuneos geminatus enim plebisque patrum corripuit.
Diese Gedanken nehme Cyprian, so B uCHHEIT, von K apitel 10 an wieder auf. Die Anregung zu diesem Rückgriff auf Vergil sei von Minucius FeliJ< (37,9sq.) 1 ausgegangen, dem Cyprian hier und auch in den Kapiteln 11 und 13 folge. Zwar betont BUCHH EIT a usdrücklich, daß d ie Dive rgenz im Wo rtla ut sich a us der "Tendenz Cyprians.. zur Umsetzung und Umschmelzung" 2 erkläre und vor allem die inhalt liche Ubereinstimmung sowie die Wiederaufnahme des Bezuges in den Kapiteln lOsqq. zähle3 , doch ergibt eine nähere Betrachtung der angeführten E inzelbezüge keine eindeutigen Hinweise a uf eine Vergilbenutzung: Ein goldverziertes Gewand gehört in die allgemein übliche Topil< bei der Darstellung luxuriöser Lebensverhält nisse.4 Bei Cyprian st eht purpum geda nklich und syntaktisch deutlich getrennt von fasces, a ußerdem ist es, anders als bei Vergil, nicht metonymisch gebra ucht. 5 Hinzu kommt, daß sich die von Cypria n verwendete Formulierung auro et purpura fulgere in 1
2
3
4
5
B EAUJEU (Introduction LXIX; ad l. 158) sieht in seinem Ko mmentar Minuc ius FeliJC als Vorbild der Cyprianstelle, C LARKE (a.d l. 368 Anm. 632) verweist dagegen auf diE topische Motivik von der Autarkie des stoischen We isen , cf. P OHLENZ I 261sqq.; P. W !LPERT. ' Autarkie ', RAC 1 ( 1950) 1039-1050. 8 UCHH EIT Cyprian 351. Dabei geht er ( cJ. Cyprian, 348) von FONTAJNES Konzept einer "conversion consciente du style" in der Schrift ad Donatum ( cf. Aspects 149-179) aus, d. h. von einer "Einschmelzung paganer AUusionen in diese im Kern neue, christliche Prosa" (B UCHHEIT Cyprian 348) . B uCHHEIT Cyprian 351 : "Maßgeblich ist, daß der Passus sowo hl inhaltlich als auch im einzelnen mit dieser einen Par tie Vergils konvergiert, daß Cyprian dieselbe Stelle ab 10ff. mit ä hnlicher Tendenz wieder aufgreift , und daß der Autor Uber einen Bezug aul den Octavius hjnaus die Ursprungsstelle assoziiert." So a uffällig oft in der nachklassischen Prosa, etwa Val. Max. 1,1,18 veste aurea nudatu.s; C urt. 3,3 vestem auro distinctam habebant; 3,13 vestes ( ... } auro et purpura insignes; 4,1 vestis purpura auroque distincta; 9,7; Suet. Nero 25,1; Fronto p.225 1.13; p.226 I. 7 v.d .H.; Apul. met. 2,8; 2,9, 2, 19; 10,20 stragula v este auro ac murice Tyrio depicta; 11 ,16; Hist. Aug. Aur. 17,4 ; Alex. 4 ,2; und in der Dichtung, etwa Lucr. 5, 1427; Verg. Aen. 3,483; 8,659; l1 ,72; Hor. carm. 4 ,9 ,14; Ov. epist.. 13,32; ars 3,131; met. 3,556; 8,448; Val. Fl. 3,340; Stat. Theb. 6 ,208; Sil 4, 155; 16,436. Vergil umschreibt mit Jasces die Konsuln-, mit purpuradie Königswürde ( cf. M YNORS ad l. 169). Etwas anders verhält es s ich an den übrigen Belegstellen des Begriffspaares ( cf. ThLL Vl,1 s.v. Jascis 304,57- 305,82), wo auf die A usstattung von Repäseotanten d es römischen Staates mit Purpurgewand und einer b estimmten Anza hl von Liktoren a ls Abzeichen ihrer Amtsgewalt angespielt wird: Ov. fast. 1,81 iamque novi pmeeunt Jasces, nova purpura Julget (cJ. BÖMER ad l. 16); laus Pis. 70 cum tua bis senos numeraret pv.rpuraJasces (cf. A. SEEL, Laus Pisonis, Diss. Erlangen 1969, ad l. 67sq.); Lucan. 2,19;
ll.4.2
Die Yergilzitate
223
der Prosa häufiger find et . 1 Auch inglorius erscheint schon in klassischer Prosa2, die Verwendung von cuneus ist an beiden Stellen wohl unterschiedlich zu erklären, bei Vergil nämlich ist an eine Situation im Theater gedacht3 , der Ge brauch bei Cyprian geht auf die militärische Fachsprache zurück4 . Berücksichtigt man schließlich, daß die von B UC HHEIT angeführten Vergilstellen sich auf eine längere Passage verteilen und daß der ganze Kontext, also der Gegensatz von Macht und Reichtum einerseits und einfachem Leben andererseits, einen topischen Charakter hat, 5 wird man für die Cyprianstelle nur vor dem Hintergrund der deutlicheren Referenzen in den Kapiteln 10-12 und auch da nur einen mittelbaren vergilischen Einfluß annehmen könne.n. Eine Referenz an dieser Stelle aber, die demnach erst ex post, also aus der Perzeption der Vergilzitate in den Kapiteln 10-12, nachträglich eine gewisse Deutlichkeit erhielte, sollte man nicht annehmen. Als Intention der Vergilbenutzung in Kapitel 3 benennt BUCHHEIT an anderer Stelle6 die Betonung der Radikalität der Konversion in der Taufe: An sich widerspreche solch eine Wandlung des Menschen der allgemeinen Erfahrung, für dle Vergil als Gewährsmann herangezogen wird. Dadurch verdeutliche Cyprian das grundlegend Neue der christlichen Lehre von der Wiedergeburt aus dem Geist in der Taufe. Der pagane Dichter fungiere also letztllch als Kontrastfolie zur schärferen Konturierung der specifica christiana. 7 Vergil jedoch tritt im Kapitel 3 kaum deutlich genug zwischen den loci Sen . dial. 9, L,l0; epist. 94 ,60; Sil. J4, ll2; cf. J J,96; Apul. met. 11 ,8 Nec ille deerot, qui ma.gi.stratum fa. scibus pttrpuraque luderet, f...]. l So etwa Liv. 34 ,3,9 ut a.uro et purpu.m fulga.mt,s; 35,40,7 auro pupttraque fulgen s; Curt. 3,10,9 ; F lo r. 1,24 (Ele fa nten ); o hne auro C ic . Cat il. 2,3 Hos quos video volitare inforo, quos stare ad curiam, quos etiam in senattun ven ire, qui nitent unguenti.s, qui fulgent purpum, mallem secum su os m ilites etluxisset. Quint. inst . 11 , 1,31; a uch Cyprian selbst, ad Donat. 11 qui amictu clariore conspicttus fttlgere sibi videtur in purpum. 2 Cf. ThLL VII ,l s.v . inglorius, bei C icero etwa leg. 1,32; Tusc. 3,57; 1555,53 zu georg. 2,486 (mit Serv. ad l.: als philosophischer terminus technicus); 1555,71 zu Cyprian (selbes Rubrum; einziger Cyprian- Beleg, vorher ab er chris tlich Tert. adv. Mare. 3,17). 3 Cf. ThLL fV s .v . ctm etts 1406,29. 4 Cf. ThLL IV s. v. cuneus 1405,83- 1406,25 zunächst militärisch (Maria Grazia MOSCI SASSJ, II sermo cas trensis, Bo logna 1983 , 27.123), ab Decl. in Catil. 14; Symm. or. 4,7, dann a.uch hä ufig bei d en C hristen für eine große Menschenmenge. Vielleicht hat schon Cyprian diese Verwendung d es a us dem sermo castrensis übernommenen Begriffs gekannt? 5 Als M ot iv in der paganen Gesellschaftskritik, dazu MORICCA 141 , mit Verweis auf Sen . Herc .f. 164- l68; Pbaedr. 486 sqq.; Thy. 446sqq.; Hor. sat. 1,1, v.a . 7Q-80; e pist . L,2,52; 2,1,97; Luc il. 243- 246 t>.1lARX ; a ußerdem Hier. epist . 53, und a ls rhetorischer Topos von den Vorzügen länd licher Einfachheit, dazu R . V JSCHER, Das einfache Leben, Göttingen 1965, 155, mit Verweis a uf C ic . S. Rose. 75. 6 B UCiii·IEIT Non hom in i 211. 7 Die Ko nstrastierung sieht B uCHHEIT, Non homini, passim , als Cyprians Grundprinzip bei der Benützung und Zitierung paganer Literatur an: Letztlich ge he es immer um die Betonung des signifikant Andere n d er christ lichen Lehre vor d em Hintergrund eines im Ansatz vielleicht ä hnlichen paganen Denke ns . Das belegt B uc mJ EIT zwar in erster Linie für Seneca , doch auch in bezug auf die Vergilbenutzung b etont er d ie unüberwi ndliche Divergenz der Inha lte, die Cyprian herausstelle, so Non a.gnitione 334.
224
li .4
Cyprian
communes paganer Gesellschaftskritik hervor, als daß seine Autorität hier ins Gewicht fallen könnte.
ad Donat. 4ab (CC III A 5,61 ) Haec egomet saepe mecum. nam et ipse quam plurimis vitae prioris erroribus tenebar, quibus exui me posse non crederem: sie vitiis adhaerentibus obsecundans eram, desperatione meliorum malis meis velut iam propriis ac vemaculis et favebam. sed postquam undae. genetalis auxilio superioris aevi labe detersa in expiatum pectus ac purum desuper se Lumen infudit, postquam caelitus spiritu hausto in novum me. hominem nativitas secunda reparavit, mirum in modum protinus confirmare se dubia, patere clausa, Lucere tenebrosa, jacultatem dare quod prius difficile. videbatur, geri posse quod inpossibile putabatur, ut esset agnoscere terrenum fuisse, quod prius carnaliter natum delictis obnoxium viveret, Dei esse coepisse, quod iam Spiritus sanctus animaret.
Cyprian beschreibt rückblickend , wie er seine eigene Taufe erfahren hat. Vorstellung und sprachlicher Ausdruck stehen in der Tradition der frühchristlichen Taufvorstellung als q>W't~o~-t6~ , konzipiert als Erleuchtungsmysterium. Dazu gehört das Einströmen des mit der Lichtsubstanz verglichenen Geistes.1 Indem Cyprian in die Schilderung bildhaft die Elemente ( unda, labes, Lumen) einbeziehe, spiele Cyprian, so FONTA I NE in seiner überzeugenden Interpretation der Stelle, mit deren in der Lit urgie verwandter Symbolkraft in der Absicht, dem Ungetauften die spirituelle Erfahrung der Taufe erahnen zu lassen.2 Die Aussage desuper se lumen infudit rekw-riere einerseits auf christliche Lichtsymbolik, andererseits gehe die Verwendung von infundere in einem theologischen Sinne auf Vergil zurück. 3 Dabei verweist F ONTA I NE4 auf georg. 3,507 projuit inserto Latices injundere cornu / Lenaeos (Heilmittel 1
2
3
4
Cf. Clem. Alex. paed. 1,28,2 und d ie Allegorese des Ma nnaregens a us Ex 16 ,4sqq. bei Philo fuga 126 u.ö.; d azu Antonie W LOSOK, La kta nz und d ie philosophische G nosis, He idelberg 1960, 93sqq.; 166 u.ö. FONTA INE Aspects 169: "La descript ion analogique du sacramentum ba ptismal n'est pas le nk it des rites materiels d u sa.cre ment; elle n'est pas no n plus une reverie subjective sur les etats d 'äme d e l'initie. Mais en la.issant se superposer et confluer des images e lementaires (eau, souillure , Jumiere), elle joue s ur le symbo lisme des elements ut ilises d ans Ia Iit urgie, e n cherchant a y puiser des s uggestions d e l'experience spirituelle q ui soie nt inteUigibles a un non- baptise." Die Rede von Wasser , Erde bzw. Sch mutz und Licht sei g leichermaßen mit ihren jildisch-christHchen und iJnen paganen lmplikationen zu verstehen: So sei das Wasser (unda genetalis) einerseits lebensspendend im jüdisch-christlichen S inn, a ndererseits aber mit e inem aus der paganen Religosität entlehnten Fruchtbarkeitsbegriff versehen; und die Reinigung in der Taufe sei zwar im engsten Sinne chr istlich, werde d a nn a ber in ihrer Wir kung mit den heidnisch- religiösen Ausdr ücken expiatus und p-urus beschrieben. FONTArNE l.c.: "Enfi n, ' l'infusion d e Ia lumie.re' est un echo d u christianis me indirect ill-uminatio, t raduisant. le terme grec cpW'tlOJ.L6c; mais l'image d e l'infusion spiritue lle ut ilise une accept ion met a phoriq ue et religieuse du verbe infundere q ui remonte a Ia poesie theologique d e Virgile." A spects 169 Anm. 42.
11.4.2
Die Vergilzitate
225
gegen die Viehseuche) und Aen. 9,461 iam sole injuso, iam rebus luce 1·etectis {Tagesanbruch) , vor allem aber auf 6,726 spiritusintus alit, totamque infusa per artus I mens agitat molem (kosmologische Anchisesrede). 1 Nächstliegendes Vorbild aber unter den von FO NTA I NE angefü hrten Stellen ist, durch die Verbindung mit desupe?- , Aen. 4,122 (12ü-122) , wo Juno das Unwetter ankündigt, d as Aeneas und Dido in die Höhle führen soll:
his ego nigmntem commixta grandine nimbum, dum trepidant alae saltusque indagine cingunt, desuper infundam et tonitru caelum omne ciebo. Die Junktur mit Lumen jedoch deutet auch auf den Einfluß von Seneca hin, Phaedr. 154 quid ille rebus Lumen infundens suum, I matris parens'f3 Cyprian nimmt also nicht gezielt au f Vergil Bezug, sondern zeigt sich in seiner Diktion - desuper4 und infundere5 gebraucht er, auch in diesem Sinne, hä ufiger - von dessen und von Senecas Dichtersprache6 angeregt. Auch für die Beschreibung seiner nativitas secunda, so FONTAINE weiter, verwende Cyprian in caelitus hausto spiritu einen vergilischen Ausdruck, so vor allem Aen. 10,899 (898sq.):
[. .. ] contra Tyrrhenus, ut auras suspiciens hausit caelum mentemque recepit. Durch die Verbindung mit caelitus scheint ein gewisser colo1· Vergilianus7 a uf, obwohl sich die Wendung spiritum haurire bei Velleius Patercu lus (2,22,4 exitiali hausto spi1'itu) und bei Seneca tragicus (Oed. 877 qua luce pdmum spiritus hausi) findet. 8 Vielleicht besteht in hau1'i1·e zugleich eine Ans pielung auf den zeitgenössischen Taufritus. 9 1
2
3 4
5
6
7
8 9
Cf. den abweichenden Gebrauch georg. 1,385 certatim Largos umeris infundere rares; Aen. 4 ,250 nix umeros infusa tegit, tum ftumina mento; 5,552 ipse omnem longo decedere circa I infusum populum et campos iubet esse patentis; 5 ,684 nec vires he1Y>um infv.saque .ftumina prasunt; 8,406 optatos dedit amplexus placidumque petivit I coniugis infu.sus gremio per membra soporem. Cf. ThLL Vll,l s.v. infundo 1509.13; vor a llem ThLL V s.v. desuper 789,38 nennen Verg. Aen. 4 ,122, dazu Gell. 2,30,4 (vom Wind); Cypr . ad Donat. 4; Ps. Apul. herb, 1 1.63 ist textkritisch fraglich. Hierzu stellt auch ThLL Vll ,l s.v. infundo 1506,42 den Cyprian- Beleg. Zum spezifisch christlieben Sinne a dea 'l'hLL V s.v. desuper 789,28; zum Gebrauch bei Cypria.n testim. 2,1 cum super ventos validas faceret desuper nubes; 3,80 = domin. or. 26 nullam h.aberes patestatem adversus me, nisi data esset tibi desuper (= J oh 19,11 ); morta.l. 25 tecta desuper tremerent; Demetr. 7 si raradesuper pluvia descendat f...J ecce verbera desuper. Cypr. ad Donat. 14 tta se spiritus ca.elestis inftmdit; testim. 3,6 = Fort. 9 dilectia Dei infusa est cardibus nost1-is; unit. 3 alias nescientibus tenebras rursus infundit; unit. 10 pectoribus et cordibus singulonLm mortale 1firus infundit; laps. 25. Die wiederum ist natürlich ihrerseits von Vergil beeinRußt, dazu etwa J . DINGEL, Seneca und die Dichtung, He idelberg 1974. Cf. georg. 2,340 cum primae lucem pewdes hausere. Cf. ThLL s.v. h.att.ria 2570,23-48; Verbindungen wie haurire aerem sim. ftir 'atmen ' häufiger in der nachklassischen P rosa. FONTAI NE Aspects 170 Anm. 44 : "11 se pourrait d 'ailleurs que ce virgilianisme recouvrit
226
Il.4
Cypriar
entscheidende Beobachtung läßt sich also folgendermaßen zusammenfassen: Cyprian verwendet Elemente vergilischer Sprache, um Einsichten über das christliche Glaubensmysterium zu formulieren. Da bei sucht er, wie schon die Divergenz des Zusammenhangs zwischen dem vergilischell und dem cypria nischen Text zeigt, keine inhaltliche Anknüpfung. Trotzdem sind die Zitate mehr als rhetorische Schmuckmittel, der Christ macht sich vielmehr die besonderen Möglichkeiten poetischer Welterfassung und Versprachlichung zu eigen und erkennt darin gewissermaßen via facti deren Eigenheit und Wert an. 1 FONTAINEs
ad Donat. lOab (CC lll A 9,200sq.) Incisae sint licet Leges duodecim tabulu et pubLico aere praefixo iura proscripta sint: inter Leges ipsas delinquiturl inter iura peccatur, innocentia nec illic, ubi defenditur, reservatur. Saevil invicem discordantium rabies et inter togas pace rupta forum litibus mugi1 • 1nsanum.
Für die Darstellung des verfallenen Rechtswesens, das Streit a uslöst statt Frieden zu stiften, greift Cyprian nicht nur Kritikpunkte a uf, dje sich in entsprechendem Kontext schon bei Seneca finden 2 , sondern auch E lemente vergilischer Sprache: Die Wendung pacem rumpere erscheint ab Aen. 12,202 in der Dichtung. 3 Ab georg. 2,502 - also von den Laudes agricolarum an, wie B UCHH EIT betont 4 - ist die Formulierung f orum insanum belegt, in Prosa ab Tacitus. 5
ad Donat. 11 (CC TI1 A 10,235) Quippe illum vides, qui amictu clarior"E conspicuus sibi videtur in purpura: quibus hoc sordibus emit, ut fulgeat, quo~ adrogantium fastus prius pertulit, quas superbas fores matutinus salutator obsedit, quot tumentium contumeliosa vestigia stipatus in clientium cuneos ante praecessit, ut ipsum etiam salutatum comes postmodum pompa praecederet, obnoxia non homini sed potestati! Neque enim coli moribu~ meT"Uit ille sed fascibus.
avec une precisioo extreme une [sic.1 rite baptismal contemporaio , s ' il est vrai qu 'il fai lle voir da ns le texte de Tert. apol. 39,9 qui unum spiritum biberunt sanctitatis bien plus qu'uoe simple a llusioo a 1 Cor. 12,13 {Vulg.): omnes in uno spiritu potati sumus: un rite d'absorption d 'eau, (... J." 1 Anders BUCH.HEIT Gyprian 349 Anm. 11: Bei dem Zitat desuper se Lumen infundit handle es sich, in bezugauf Aen. 4,122 desuper infundam um eine "bewußte Kootrastieruog zu der Androhung der Juoo", in bezugauf Ae n. 6,726 injusa per artus I mens um eiue "Umdeutung". Das Zitat aus der paganeo Literatur diene also a uch hier vornehmlich als Kootrastfolie. 2 Sen. dial. 4,8,2 inter istos quos togatos vides nulla pax est; 2,9,2. Dazu KOCH Cyprianische Untersuchungen 293 und B UCHHEIT Gyprian 352 Aom. 19. 3 Cf. ThLL X,l s.v. pax 877,19sq. Aen. 12,202; Sen. Herc. f. 416; Sil 1,11 al. 4 B UCHHEJT Cyprian 352. 5 Cf. T hLL VII,l s.v. insanus 1834,57-60: georg. 2,502; Prop. 4,1,134 turn tibi pauca suo de cannine dietat Apollo I et vetat insano verba tonare joro. Tac. dial. 13,5; Cypr. ad Donat. 10; Comm. apol. 587.
II.4. 2
Die Vergilzitate
227
Seine Entla rvung der vermeintlichen Güter der Welt , die tatsächlich nur Unfrieden und Leid bringen, beginnt Cyprian mit der Ehre. Dabei nehme er, so B UCHH EIT, wiederum, wie schon in Kapitel 3, nicht nu r das vergilische Begriffspaar Jasces und purpura aus den Laudes agricolarum im zweiten Georgikabuch a uf, sondern auch Formulierungen a us deren einleitenden Versen, georg. 2,461 sq. (458- 462): 1 0 fortunat os nimium, sua si bona norint, agricolasl quibus ipsa procul discordibus armis fun dit humo facilem victum iustissima tellus. si non ingentem foribus domtiS alta superbis mane salutanturn totis vomit aedibus undam.
Da Cyprian hier Jasces und purpura a ls Symbole staatlicher Macht verwendet, kommt d ie Stelle dem von B UCHHEIT rekla mierten vergilischen Vorbild georg. 2,495 non populi jasces, non purpura regum näher als Kapitel 3, doch ist angesichts der Geläufigkeit der Metonymie eine gewisse Zurückhaltung geboten. 2 Die dem Ausdruck j o1·es supe·rbae z ugrunde liegende Metonymie findet sich zwar hä ufiger , doch der Wortlaut und der Kontext machen den Bezug auf die Vergilstelle eindeutig, die a ls locus classic·us sowohl in der Formulierung a ls a uch in der Krit ik am n egotittm des städtischen Klientenwesens öfter rezipiert wird.3 Im Zusammenha ng mit dieser deut lichen Referenz läßt sich auch der cypria nlsche matutin·us salutator auf die vergilische m ane salutantum tmda zurückführen. 4 l 2
3
4
BUCHHE!T Cyprian 352sq.; cf. B AYARD Lotin XXI. Einzeldiskussion siehe oben (22 1sqq.) zu ad Oonat. 3. Vor a llem sollte m an bedenken, da ß gerade das gegenü ber den anderen Belegen Spezifische von georg. 2,495, die Gegenüberstellung von Konsuln- (Jasces) und Königswürde ( purpura) , hier nicht übernommen ist. H ä ufig findet sich in der Dichtung superbae fores oder postes dort, wo von der Ausschm ückung einer Tür zum Zeichen besonderer Macht oder E hre die Rede ist , etwa Lucr. 4, 1178 (postisque superbos); Aen. 2,504 ( postes {...J superbi); 8,196 (foribusque {... } superbis); 8 ,721 sq. ( superbis I postibus); Hor. carm. 4 ,15,7sq. superbis I postibus) ; Manil. 4 , 180 (postes ornare superbos). BeeinAußt von Verg. georg. 2,461sq. sind , wie die Entsprechungen im Kontext zeigen, Hor. epod. 2,7sq. foru.mque vitat et superba civium I potentiorum limina - die vo n B ucHtiEJT Cyprian 353 Anm . 2 , vorausgesetzte P riorität d er Georgika ist zwar nicht unumstritten, zur Problematik etwa T . ÜKSA LA , Beatus ille - 0 fortunatos. Wie verha lten sich Horazens zweite Epode und Vergils Georgica zueinander?, Aretos 13 {1979) 97- 109, aber für die Rezeptio n durch Cypr ian ohne Bela ng; Sen. Herc.f. 164sq. ille superbos aditus regum I durasque fo res expers somni / colit; epist. 68, 10 (cf. B uC HH EJT Cyprian 353 Anm. 22) Otium tibi ccmmendo, in quo maiora agas et pulch?iora quam quae reliquisti: pulsare superbas potentiorum f ores, digerere in littem.m senes orbos, plurimum in fot·o posse invidiosa potentia ac brevis est et, si verum aestimes, sordida. An die Formulierung lehnt sich St at. Theb. 2,223 f oribus cum inmissa supe1·bis I unda fremit wlgi a n. T hLL Vl ,l s. v. fores 1059,73 georg. 2,461; 1060,35 Stat . Theb. 2,223; 1063,8 Aen. 8,196; 1064,59 Paula Hier . epist. 46,12,2 interdum ad supe1·bas fores pergimus et f. .. J postes ingredimur auratos. Die Formulierung divergiert jedoch, auch der geschilderte Vorgang als solcher ist a lltäglich , etwa Cic. Cat. 1,10; fam. 9,20,3 ; Varro rust. 2,5,1; Manil. 5,66; Stat. s ilv . 4,9,48; Mart. 1,108,5; 2, 18,3; 3,36,3; 6,88, 1; 10,10,2; Suet. O tho 6,2.
228
II.4
Cyprian
ad Donat. 12 (CC TII A 11 ,256) Sed et quos divites opinaris wn tinu.ante~ saltibus saltus et de confinio pauperib·us exclu.sis infinita ac sine te rminis rura latius porrigentes, qu.ibu.s argenti et au.ri maximu.m pondu.s et pecu.niarum ingentiu.m vel exstructi aggeres vel defossae strues, hos etiam inter diviti~ su.as trepidos cogitationis incertae sollicitu.do discruciat, ne praedo vastet, nf percu.ssor infestet, ne inimica cuiusqu.e locu.pletioris invi dia calu.mniosis litibus inqu.ietet. Non cibu.s securo somnusve contingit, suspirat ille in convivio, bi bat licet gemma, et cum epulis marcidum corpus thoros mollior alto sinu condidit, vigilat in pluma nec intellegit miser, speciosa sibi esse supplicia, auro se alligatum teneri et possideri magis quam poss·idere divitias, adqu.€ - o detestabilis caecitas mentium et cupiditatis insanae profunda caligo! cum exonerare se possit et levare ponderibus, pergit poenalibus cumulis pertinaciter adhaerere.
Das folgende Kapitel widmet Cyprian der Kritik a n Reicht um und Luxus, die keine Grundlage eines rechten Lebens darstellen, sondern in quälende Ha bsucht führen. Auch hier sieht B UCHH EIT Vergils Lob des La ndlebens nachwirken .1 So gehe nämlich das ängstliche Vergraben der Schätze ( et aun maximum pondus et pecuniarum ingentium vel exstructi aggeres vel defossae strues), das 'IHnken aus dem edelsteinverzierten Becher ( bibat licet gemma) und das Ruhen auf weichem Lager ( mollior alto sinu condidit) a uf einen Abschnitt der das zweite Georgikabuch abschließenden Gegenüberstellung von ruhelosem Stadt- und gottgefälligem La ndleben (georg. 2,495-540) zurück, georg. 2,505- 507: hic petit excidiis u.rbem miserosque penatis, ut gemma bibat et Sar-rano dormiat ostro; condit opes alius defos soque incu.bat auro.
Allerdings findet sich die poetische Metonymie gemma bibere im gleichen Zusammenhang - und wohJ a uch a bhängig - , nämlich als Klischeebild des abgelehnten überflüssigen Luxus, bei Properz 2 . Was doch für Vergil als Referenzpu nkt spricht , ist, neben der Bekanntheit des Klassikers, zum einen die größere spachJiche Nähe, da Cyprian, wie Vergil, instrumental gemma und nicht, wie Properz, präpositional e gemma ha t , und zum anderen das bei Vergil und Cyprian vorha ndene Motiv vom weichen Lager. 3 Bemerkenswerterweise verwenden von Cyprian an christliche Autoren die Formulierung gemma bibere hä ufiger zur Bezeichnung eines schra nkenlosen Luxus.4 \Vas das Vergraben des Besitzes angeht, so wird man wohl eher BAYAR05 und 1
Cyprian 353. 2 Prop. 3,5,4 n ec bibit e gemma divite nostra sitis. 3 Seneca als mögliches Vorbild neben Yergil zieht B ALL (4.1 ) in Betracht , wohl vor d em Hintergrund von Stellen wie dial. 1,3, 13 quibus gemma ministratur; benef. 7,9,3 Video murrea pocula; parum scilicet luxuria magno fuerit, nisi, quod vomant, capacibus gemmis inter se propinaverint. epist. 110,12 si contempseris aureos leetos et gemmeam supeilectilem . 4 Cf. ThLL VI,2 s.v. gemma 1756,61- 72. 5 Latin XXIsq. ß UCHHEIT
II.4.2
Die Vergilzitate
229
(152) als B UCHH EIT folgen und hinter qui bus argenti et auri maximum pondus et pecuniarum ingentium vel exstructi aggeres vel defossae strues den Einfluß von Hor. sat. 1,1,41- 44 sehen: MOR1CCA
quid iuvat inmensum t e argenti pondus et auri fur tim defossa timid·um deponere terra'? quod, si conminuas, vilem 1'edigatur ad assem '? at ni i d fit, quid habet pulcri constructus acervus? Natürlich ist nicht a usgeschlossen, daß Vergils defossoque [. .. ] auro Cyprian erst an die Horazstelle hat denken lassen, doch scheinen insgesamt weniger zielgen aue Einzeltextreferenzen als vielmehr die Tendenz vorzuliegen, sich an Standardformulierungen und To poi dichterisch- populärphilosophischer Kritik am übermäßigen Reicht um zu orientieren, so daß man annehmen muß, vom Autor sei nicht dje Rückführung auf eine bestimmte Stelle, sondern die Perzeption des an den Klassikern orient ierten Grundtenors intendiert. 1 Zumindest für die Verwendung der Formulierung gemma bibere läßt sich aber nachweisen , daß sich diese von paganen Autoren , nicht zuletzt von Vergil, entlehnte Diktion einen festen Platz in der christHeben Paränese gegen schädlichen Reichtum und Luxus ero bert. ad Donat. 13sq. Höchstens eine lose gedankliche Verbindung zu Vergils Laudes agricolarum läßt sich mjt B uCHH EIT für das Motiv der trügerischen Sicherheit des Mächtigen (ad Donat. 13) und der Ruhe des einfachen Lebens (ad Donat . 14) feststellen.2 Insgesamt scheint B UCHH E!T die Bedeutung Vergils im gesuchten Zusammenspiel der Prätexte und loci communes in den Kapiteln 3 und 10- 14 ein wenig zu hoch einzuschätzen. 1
2
Seh1· a llgemein bleibt die Übereinstimmung in der Darstellung des Neides (ad Donat. 3 ne inimica cuiusque locupletioris invidia calumniosis litibus inquietet [... ] pergit magis jortunis angentibus incubare zu georg. 2,499 neque ille I aut doluit miserons inopem aut invidit habenti) , auf d ie B UCHH EIT Cypri{lrt 353 Anm. 26, am Rande verweist. B UCHifEIT ( Cyprian 353 Anm. 29) nennt zu ad Donat. 13 An tu vel illos putas tutos, illos saltim inter honorum infulas et opes largas stabili firmitate securos, quos regalis aulae splendore fulgentes ar'lnorum excubantium tutela circumstat? maio1· illis quam ceteris metus est. Tarn ille timer·e cogitur Qttam timetur. georg. 2,459sq. quibus ipsa procul discordibus armis I fundit humo facilem victum iustissima tellus. und z u ad Donat. 14 Una igitur placida et fida tronquillitas, una solida et firma securitas, si quis ab his inquietantis saeculi turbinibus extractus salutaris portus statione fundetur: ad caelum oculos tollit a terris et ad domini munus admissus ac deo suo mente iam proximus, quiCQuid apud ceteros in rebus humanis sublime ac magnum videtur, intra suam iacere conscientiam gloriatur. Nihil adpetere iam, nihil desiderare de saeculo polest, qui saeculo maior est. Quam stabilis, quam inconcussa tutela est, quam perennibus bonis caeleste praesiditLm, inplicantis mund·i laqueis solvi, in lucem immortalitatis aeternae de terrena jaece purya.ri. Viderit, quae in nos prius injestantis inimici pernicies insidiosa gmssata sit. Plus amare conpellimur, quod futuri sumus, dum et scire conceditur et damnar-e, quod eramus. Nec ad hoc pretiis aut ambitu aut manu opus est, ut hominis summa vel dignitas vel potestas elaborota mole pariatur: et gmtuitum de deo munus et fa.cile est. georg. 2,467 at secura quie.s et nescia. fallere vita.
230
fl .4
Cypria11
ad Donat. 14 (CC III A 12,298) Ut sponte sol radiat, dies luminat, fon~ rigat, imber inrorat, ita se spiritus caelestis infundit.
Seine Argumentation, daß die Gnade von Gott geschenkt, nicht vom Menschen erarbeitet wird, verdeutlicht Cyprian anband eines Naturbildes. Dru; darin verwendete Verb inrorare ist erstmals bei Vergil (georg. 1,280; 3,304) : nach ihm häufig in der Dicht ung, a ber a uch bei Fachschriftstellern (ab Cels. 5,26,8; Colum. 9,14,10) und späteren Christen belegt. 1 Die a uffa llende int ransitive Konstruktion, die hier erstmals seit Vergil (georg. 3,304, dort aber nicht mit dem Regen, sondern Aquarius als Subjekt) erscheint, 2 und die Nat urschilderung als Kontext lassen annehmen , daß Cyprian bewußt eine etwru; gesuchte Formulierung wählt und daß der dem Wort in dieser Verwendung anhaftende color Veryilianus und kaum die den Belegen nach eher begrenzte Verwendung in der Fachliteratur a usschlaggebend war. Vielleicht hat diese Cyprianstelle die spätere Verwendung des Wortes bei den Christiani Latin1 teilweise angeregt. 3
ad Demetrianum
Vermutlich im Jahre 252 verfaßt Cypria n sein zweites apologetisches Werk, eine öffentliche Erwiderung an den antichristliehen Polemiker Demetrianus. 4 Im Mittelpunkt steht einerseits die retorsio des Vorwurfs, die Vernachlässigung der hergebrachten Götter durch die Christen sei dle Ursache für die .. Ubel und Katastrophen der Zeit, zum anderen eine Protreptik zum Christentum. Nach einer den Anlaß der Schrift erklärenden Einleitung (Kapitel 1sq. ) widerlegt Cyprian zunächst (Kapitel 3- 11), daß die Schu.ld am Niedergang der Welt bei den Christen liege, mlt dem Hinweis auf einen natürlichen A.lterungsprozeß der Welt hin a uf das Eschaton, der sich gemäß den biblischen Ankündigungen vollziehe und den die heidnische Mißachtung des Christengottes noch beschleunige. Dann (Ka pitel 12- 16) wendet sich Cyprian gegen den Umgang der Heiden mit den Christen und gegen ihre Verehrung machtloser Götter. Dagegen stellt er die Macht des Christengottes (K apitel 17- 22), von dem für die Heiden Unheil , für die Christen Heil komme. Am Ende (Kapitel 23- 26) fordert Cyprian dazu auf, vertrauensvoll das göttliche Heilsangebot anzunehmen. Auffälligerweise beruft sich Cyprian a uch in diesem so eindeutig nach a ußen gerichteten Werk nirgends a usdrücklich auf pagane Autoritäten , sondern zitiert nur die Bibel. Darauf reagiert Laktanz mit einem Tadel (inst. 5,4,4 Qua materia non est usus ut debuit: non enim scripturae testimoniis, 1
2
3
Cf. T hLL Vll,2 s.v. 441 ,73. Cf. ThLL VII,2 442,62- 73.
Für den Regen gebraucht vor allem Hieronymus das Wort, nicht zuletzt psalt. sec. Hebr. 71 ,6 lsc. der von Gott erhoffte Friedenskönig] descendet ut pluvia super vellus ut stillae inrorontes tenum.
4
Zur Forschungslage Antonie WtOSOK, HLL 4 (1997) §478.8.
II.4.2
Die Vergilzitate
231
quam ille fsc. Demetrianusj ·utique vanam fictam commenticiam putabat, sed argumentis et ratione fuerat refellendus.) und die neuere Forschung mit einer Diskussion über den Adressatenkreis der Schrift und die Absichten, die Cyprian mit dieser Beschränkung verfolge. 1
Demetr. 3 (CC III 36,47; 48sq.) Non hieme nutriendis seminibus tanta imbrium copia est, non frugibus aestate torrendis solita fiagrantia est nec sie verna de temperie sua laeta sunt nec adeo arboreis f etibus autumna fecunda est. Um zu untermauern, daß nicht die Christen d ie Schuld an den gegenwärtigen Unglücksfäl len und Mißernten trügen, sondern die ganze Welt einem natürlichen Alterungsprozeß unterliege, verweist. Cyprian auf die immer ungünstiger werdenden Wachst umsbedingungen in den einzelnen Jahreszeiten. Aus dieser Thematik ergeben sich sprachliebe Berührungen mit der georgischen Dichtung Vergils, doch etwas mehr als Überschneidungen im Vokabular ( laetus, feC'undus, frug es torrere) 2 läßt sich nur in der a uch anderswo in ihrem Kontext a usdrücklich zitierten3 vergilisch- poetischen Wendung arborei fetus (georg. 1,55) 4 fassen. Cyprian zeigt sich bei der Formulierung seines AntiBauernkalenders also zumindest mittelbar von vergilischer Diktion beeinfiu ßt. Vielleicht steht a ber auch die ganze Szenerie der Georgika, die Pflege 1
Zusammenfassung HLL 4 (1997) 557sq. - Meist erklärt man d ie Argumentation aus der Bibel mit einer Ausrichtung auf ein heidnisches und christliches Publikum (HLL 4 [1997J 557: "Adressierung an C hristen"; in diesem Sinn SCHA NZ I HOSIUS 111 347; ALTANER I STUIBER 174 ). Nur von ·glaubensschwache n C hristen' spricht VON ALBRECHT (Literatur li 1243). M. BEVENOT, 'Cypria n', TRE 8 (1981) , 251 , schon mit etwas anderer Gewichtung: "mehr zur Ermutigung d er Christen a ls zur Gewinnung der Heiden". HECK {MT! 9taf.La.x.tiv l54 sq. ) spricht sich gegen eine innerchristliche Ausrichtung aus und vermutet, "daß Cyprian die Affinität zwisclte n römischem und altestamentlichem Religionsverständnis ausgenutzt und d emgemä ß den Rückgriff nur auf die Bibel für ausreichend, zulässig oder gar geboten gehalten hat" (155). 2 Etwa georg. 1,67- 69 at s~ non fu erit tellus f ecunda, sub ipsum I Arcturum tenui sat erit suspende1·e .sulco: I illic, officiant laetis n e fn;.gibv.s herbae I hic, sterilem exiguus n e deserat tLmor harenam. Die Formulierung fruges torrere findet sich zwar, worauf CALLICET ad l. (165) hinweist, zweimal bei Vergil (georg. 1,267 nunc torrete igni fruges, nunc frangite saxo; 1,298 et medto tosLas aestu terit area fruges), doch ist torre1·e d er einschlägige tenninus technicus (cf. OLD s.v. torreo 1b, etwa Plin. nat. 18,61 e diverso far, m ilittm. pamcum purgari nisi tosta non possunt.). Mit CALLICET {l.c.) einen poetischen Ton in den substantiv ierten Adjektiven verna und autumna zu sehen , ist sicher nicht zwingend, vie lleicht sollte man eher von einer Tendenz zum gekünstelt- periphrastischen Ausdruck sprechen: Vernum fsc. tempusj erscheint häufig in der a lltäglichen Prosa (schon beim Älteren Cato, dann regelmäßig im Vulgärlatein), autumnus kommt überhaupt kaum vor (cf . LHS II 155 a.) ) - Vergil jedenfalls verwendet keines von beiden. Der ebenfa lls bei ÜALLICET (l.c.) zu findende Hinweis auf die Überlieferungsvariante sata laeta statt sua laeta und die Parallele georg. l ,325 (324326) f... ] ruit ard1tus aether I et pluvia ingenti sata laeta boumque Labores I diluit hilft nur zur Erklärung der Verschreibung. 3 Quint. inst. 9 ,3 ,38 z itiert georg. I ,54sq.; Sen. epis t . 87,20 zitiert georg. 1,53- 58. 4 Georg. I ,54- 56 hic segetes. illic veniunt f elicius uvae, I arborei f etus alibi atque iniu,ssa virescunt I gromina. Oie Junktur ersche int nach ThLL I s.v. arboreus 428,7G-72 bei Vergil, Ovid , Columella, hier und Ammia nus.
232
Il.4
Cyprian
fruchtbarer Gärten, als Kontrastfolie hinter der nun von Cyprian angesprochenen Unfruchtbarkeit.
Demetr. 5 nec relictis vanis superstitionibus religio vera cognoscitur: Siehe oben (51) zu Tert. apol. 24,7.
Demetr. 20a (CC III A 47,392) Viget aput nos spei robur et firmitas fidei et inter ipsas saeculi labentis ruinas erecta mens est et immobilis virtu~ et numquam non laeta patientia et de Deo suo semper anima secura, sicul per prophetam Spiritus sanctus loquitur et hortatur spei ac fidei nostrae firmitatem caelesti voce corroborans. 'ficus ', inquit [Hab 3,17sq. ], 'non adferel fructum et non erunt nascentia in vineis. mentietur opus olivae et camp1 non praestabunt cibum. defi cient a pabulo oves et non erunt in praesepibu~ boves. ego autem in Domino exultabo, gaudebo in Deo salutari meo. ' Dei hominem et cultorem Dei subnixum spei veritat e et fidei stabilitate fundatum negat mundi huius et saeculi inf estinationibus commoveri. Vinea licet fallal et olea decipi at et herbis siccitate morientibus aestuans campus arescat, quid hoc ad christianos, quid ad Dei servos quos paradisus invitat, quos gmtia omnis et copia regni caelestis exspectat?
Die Christen ficht, so erklärt Cyprian, der überall sichtbare Niedergang der Welt nicht an. Durch den Propheten habe der Heilige Geist ja die Unfruchtbarkeit angekündigt und zum freudigen Durchhalten im Glauben aufgefordert. Diese Aussage wird zunächst durch ein Zitat belegt, das dann erklärend zusammengefaßt wird. Schließlich spitzt Cyprian die Aussage in einer provokativen Frage zu: Möge auch alles unfruchtbar werden und vertrocknen, was gehe das die Christen an? Bei der Schilderung der Thockenheit folgt Cyprian einer Passage aus den Georgika, in der Vergil den Nutzen künstlicher Bewässerung rühmt, georg. 1,107 (104- 109): quid dicam, iacto qui semine comminus arva insequitur cumulosque ruit male pinguis hanmae, deinde satis .ftuvium inducit rivosque sequentis, et, cum exustus ager morientibus aestuat herbis, ecce supercilio clivosi tramitis undam elicit ? (... j
Cyprian variiert also das vergilische exustus ager (. .. ] aestuat zu aestuans campus arescat, d.h. , er substituiert ager durch das synonyme campus und aestuat durch arescat, behält aber das Lexem aestuare morphosyntakt isch variiert als Substitut für exustus bei und fügt das erklärende siccitate hinzu. Das auffällige 1 herbis (... ] mmi.entibus bleibt, zwar in umgekehrter Reihenfolge, aber wiederum im Hyperbaton, erhalten. Indem Cypria n die bei Vergil 1
Cf. T hLL Vl11 s.v. morior 1494,26sq. : Junkturherba und moriri ecl. 7.57 Aret ager, vitio moriens sitit aeris herba; georg. 1,107, dazu Cypr . De metr.20; aber auch Ps. Quint. decl. 12,7.
ll.4 .2 Oie Vergilzita te
233
statische Prädikation ( exustus (... J aestuat - attribut ives Part izip Perfekt Passiv , Verb mit dmativer Aktionsart) in eine dynamisch- ingressive ( aestuans [. ..] arescat - attribut ives Partizip Präsens Aktiv, Verb mit ingressiver Akt ionsart) verwandelt, paßt er sie seinem gedanklichen Kontext an: W ährend nämlich Vergil die Dürre als konkreten und sit uativen Ausgangszustand beschreibt, dem da nn mit einer Bewässerungsmaßnahme a bzuhelfen ist, interpretiert der C hrist sie als Zeichen für einen unumkehrbaren, weil auf das Eschaton hinführenden, Ent wicklungsprozeß des ganzen Kosmos. Die vergilische Wendung über die Ttockenheit fügt Cyprian in die dreigliedrige konzessive Protasis des rhetorischen Fragesatzes ein. Auffälligerweise nehmen die ersten beiden Kola dieses Nebensatzes E lemente a us dem Lagehinweis des vorher zit ierten Ha bakukwortes a uf, die Unfruchtba rkeit der Weinstöcke ( vinea [. ..j fallat zu non erunt nascentia in vineis) und der Ölbäume 1 , während das dritte, vergilisch formulierte Glied , keine genaue Entsprechung beim Pro pheten ha t - es t ritt für das allgemeinere campi non praestabunt cibum ein. Diese bemerkenswerte Ersetz ung eines zu erwartenden biblischen durch einen vergilischen Gedanken liegt sicher in der rhetorischen 'W irkung des vergilischen Sz.e na rios todbringender Dürre begründet, die sich übrigens auch der Verfasser einer unter Quint ilians Namen überlieferten Muster- Verteidig ungsrede zur Recht fert igung eines Aktes von Kannibalismus a us Hunger zunutze macht .2 Die Verse haben a lso ihren Platz im Repertoire des Schu lrhetoren . Einen zusätzlichen Aspekt eröffnet die P ersonifikat ion morientes herbae; Servius erklärt sie: secundum Pythagoricos, qui dicunt omne quod crescit animam habere. Das sprachliche Spiel mit dem Geda nken a n eine beseelte Natur führt zur ück z u Cyprians vor allem im Ka pitel 4 a usgeführten Argument von einem Alterungsprozeß der Welt. D emetr . 20b (CC III A 47,402) Et tarnen pro arcendis hostibus et imbribus
impetrandis et vel auferendis vel temperandis adve1·sis rogamus sempe1· et preces fundimus et pro pace ac salute vestra propitiantes et placantes Deum diebus atque noctibus iugiter atque instanter oramus. Obwohl die Christen im G lau ben über die Katastrophen der zugrunde gehenden Welt hinwegscha uen können, beten sie, so versichert Cyprian, um Scho nung. Die Formulierung preces fundere erscheint a ls Ausdruck der Kultsprache e rstma ls bei Vergi1 3 , an zwei Stellen der Aeneis zur E inleitung von Ge beten, deren Erhöru ng den Fortgang der Dinge entscheidend bestimmt. Dabei ha ndelt es sich zum einen um das Stoßgebet des Cloanthus, das ihm den Sieg im Schiffsre nnen beschert, Acn . 5,234:
Et fors aequatis cepissent pmemia r-ostris, 1
Cyprian : olea decipiat - Habakuk: mentietur opus olivae. 2 Ps. Quint. decl. 12,7 Nosper arentes effusi oompos morientium herbar"Um omnes radices vellimus, eo quidem fortius, ut, si fieri possit, in venenum incidamus subeuntes insolitis cibis. 3 Hor. epod. 17,53, der erste Beleg nach ThLL Vl,l s.v. fundo 1566,79-81, hat den Sinn 'verschwenden '.
234
II.4 Cypria11 ni palmas ponto tendens u.trasq·ue Cloanthus judissetque preces divosqu.e in vota vocasset
und zum anderen um das Gebet des Aeneas in der Sibyllenhöhle, Aen. 6,55: [. .. j gelidu.s Teu.cris per du.m cucurrit ossa tremor, funditque preces rex pectore ab imo.
Zunächst bleibt die Wendung auf die Dichtersprache beschränkt, von Tacitus und Apuleius an findet sie sich vereinzelt in der Prosa, in der späteren christlichen Literatur wird sie häufiger verwendet. 1 Cyprian übernimmt also, wie es scheint, als erster Christ diese auf Vergil zurückgehende Formulierung der paganen Kultsprache und bezieht sie auf das Gebet der Christen. 2 Damit schafft er eine sprachliche Verbindung zwischen paganer und christlicher Frömmigkeit , die dem Ziel der Argumentation, der Widerlegung d~ Vorwurfs, die Gottlosigkeit der Christen habe die gegenwärtigen Katastrophen heraufbeschworen, zugute kommen soll. Der Hinweis auf das Gebet der Christen erhält durch die bewußte Anlehnung an vergilisch- pagane Gebetssprache einen subtilen Nachdruck. Bemerkenswert ist, daß die Formel von hier an Eingang in die christliche Latinität findet und sich bis Abaelard und Rupert von Deutz weiterverfolgen läßt .3
Demetr. 23 (CC III 49,450sq.) Respicite itaqu.e d·u m tempu.s est ad veram el aeternam salutem, et quia iam mundi finis in proximo est ad Deum mente~ vestras Dei timore convertite. Nec vos delectet in saecu.lo inter iustos et mite~ inpotens ista et vana dominatio, qu.ando et in agro inter cultas et fertile5 segetes lolium et avena dominetur, nec dicatis mala accidere, quia di1 vestri a nobis non colantur, sed sciatis esse hanc iram Dei, hanc (Dei) esse censuram u.t qui beneficiis non intellegitur vel plagis intellegatur. 1
2
3
Siehe unten (316) zu Arnob. na.t. 5,21. ThLL VI, l s.v. fv.ndo 1566,81 nennt Tac. ann. 14,30 als ersten Prosa.beleg; zudem pagan fusis precibus Apul. met. 11 ,3 ; Serv. Aen. 4,9; christlich etwa Zeno 1,1,21 ; Vulg. Lev. 16 ,10 (aber LXX d< -tf]v &TtoTtOIJ.Ttftv - die Rede ist vom Sündenbock); 2 Chron. 16,19; 7,1 Ueweils für LXX Ttpootux_,oOat, dafUr ansonsten meist orare, etwa Gen 20,7.17; Ri 13,8; 1 Sam 1,10.27; 1 Kön 8,33; Esra.6,10; J er 29,7). Die Art der Verwe ndung legt b ei Cyprian innerhal b des syntaktischen Trikolo ns die Vorstellungen einer gradatio gegenüber rogamus nahe. Die größte Intensität wäre dann iugiter atqv.e instanter oromus zuzuschreiben. Grundsätzlich wäre natürlich mit der Möglichkeit zu rechnen, daß C hristen (ebenso wie lsisanhänger, cf. Apul. met. 11 ,3 und WLOSOK Laktanz und die philosophische Gnosis 186 Anm. 15; 187 Anm. 17; HECK MT] Oto~:~.ax_tiv 50 Anm. 29) üblicherweise preces fundere gebrauchen. Dagegen spricht aber wo hl , daß ein Vergilkenner und geschulter Redner wie Cyprian kaum in einem apologetischen, d .h . auf Wirkung nach außen konzipierten , Text eine so exponierte vergilische Wendung unbedacht verwenden würde. - Zum Weiterleben d er Formel im Kirchenlatein siehe etwa: P a.scbasius Ra.dbertus, Expositio in lamentationes Hieremiae (CC 2 I. 1647) nec tarnen pro his ad eum prece8 fundere cessat. ld. , Expositio in Matheo (CC 4 I. 545) : Alioquin sine Deo apud Deum preces ftmdere aerem verbis implere possumus profecto effectv.m operis nequaquam obtinebimus. Petrus Abaelardus, Theologia 'Scholarium ' (CC 1 I. 584) quascumque ei preces fundit Rupertus Thitiensis, De sancta trinitate et operibus eius (CC 28 /n Isaiam II p. 1536, I. 1174) pressoque sub pedibus eius ore humilem precem fundant .
II .4.2
Die Yergilzitate
235
Cyprian ruft unter Hinweis auf das nahe Eschaton zur Bekehrw1g auf und warnt die Heiden davor, sich weiterhin an ihrer maßlosen und nichtigen Herrschaft1 über die Christen zu ergötzen. Dieser seien die Christen unterworfen, wie der Weizen vom Unkraut überwuchert werde. Dabei lehnt sich Cyprian deutlich an die Worte an , mit denen Vergil die Bedrohung der heranreifenden Feldfrucht durch wucherndes Unkraut schildert, georg 1,152- 154: [... ]; intereunt .segetes, subit aspem silva lappaeque tribolique, interque nitentia cu.lta infelix loliu.m et steriles dominantu.r avenae. Cyprian übernimmt also in seinem quando-Satz nicht nur lexikalische Elemente, sondern auch die Syntax (Verb, Subjekte, Präpositionaladverbiale) des Vergilsatzes, besonders markant scheint freilich die bei Vergil wiederholte Junktur von loli'um und avenae zu sein. 2 Die vorgenommenen Veränderungen dienen der Adaptation der dichterischen Vorlage an stilistische Erfordernisse der Kunstprosa: Das bei Vergil in der Präpositionalkonstruktion substantivierte cultus zieht er als Attribut zum hier eingefügten, im weiteren vergilischen Kontext aber präsenten segetes. Loli'um und avena verlieren ihre Epitheta und stehen im Numerus angeglichen nebeneinander, das Verb tritt an den Schluß des Kolons, so daß sich eine katalektisch- dikretische Klausel ergibt. Den color Vergilianus verwendet Cyprian, um die Unterdrückung der fruchtbringenden Christen durch die Heiden zu verdeutlichen. Berücksichtigt man aber den Kontext bei Vergil, in dem er von der Notwendigkeit spricht, das wuchernde Unkraut aus dem Acker zu reißen 3 , eröffnet sich in der Vergilreferenz die Perspektive auf das EnJe der heidnischen Unterdrückung der Christen. 4 Nicht vergessen werden darf allerdings ein zweiter Prätext, das neutestament liche Gleichnis vom Unkraut im Weizen (Mt 13,24- 30). Hier findet Cyprian die Anregung für sein Bild. 5 Auch läßt sich der unvermittelte Übergang auf die Ebene der Uneigentlichkeit (' weil ja auch im Ackerbau') 6 noch am ehesten mit dem Rü ckgriff auf Bekanntes erklären. Außerdem er1
Zu diesem Verständn is von inpotens ista et vana dominatio GALLICET ad l. 265sq. 2 Verg. ecl. 5,37 infelix lolitLm et ste1'iles nascuntur avenae. Weitere Belege für die Junktur unten (29 1) im Material zu Arnob. nal. 2,59. 3 Yerg. georg. 1,155- 159 quod nisi et adsiduis he1·bam insectabere rastris I et sonitu terrebis avis et ruris opaci I falce premes umbros votisque vocaveris imbrem, I heu ma.gnum alterius frustra spectabis acerwm I concussaque famem in silvis solabere quercu. 4 Übrigens steht das Unkraut bei Yergil im Zusammenbang mit dem labo1· improbus (georg. l ,J 45sq.); von daher könnte das Un kraut der Heiden auch unter dem Blickwinke l der Herausforderung zur tätigen Bewährung für die Saat des Christentums gesehen werden. 5 Zur Aussage des neutestamentlichen Bildes bei Cyprian BALL 54sq.: "!TJ he powerful but unjust a re likely the cockle a nd ta.res which tower above the cultivated and fertile grain , destined in due time to be bound up and burned by the harvesters." 6 Ansonste n pflegt. Cyprian, mehrere Bilder aneinanderzureihen und ihnen die Erklärung beizugeben , beispie lswe ise laps. 16; mortal. 12. Au1fällig ist hier überdies die Stell.u ng in einem Kausalsatz, der gemeinhin a uf einen feststehenden Grund hinweist, cf. KS fl 383, zum Modusgebrauc h KS rr 384 Anm. 3 und BAYARD Latin 226.
236
II.4
Cyprian
schließt sich vor dem Hintergrund des ne utestament lichen Gleichnisses, das ja a uf die Eschatologie, bildlich a uf die Trennung von Unkraut und Weizen bei der Ernte, abzielt , ein vert ieftes Verständnis des Bildes bei Cyprian. Auch ihm geht es letztlich um die endzeit liche Dringlichkeit , mit der die Heiden sich bekehren und von der Unterdrückung der Christen ablassen sollen. Das heißt also: Das Bild ist sowohl von Vergil als a uch vom neutestament lichen Text her verständlich, gänzlich a ber erschließt es sich nur dem Leser, der mit beiden P rätexten vertraut ist. 1 E r nämlich kann sowohl die Met aphorik vom Unkraut im Weizen in ihrer Tragweite erfassen als a uch die Aneignung vergilischer Sprache goutiere n. Cyprian schafft hier eine Synthese von christlicher Botschaft und vergilischer Diktion. Vvohl a uf ihn ist es zurückzuführen, wenn in der späteren christlichen Latinität immer wieder, teils mit direktem, teils mit indirektem Bezug a uf das neutestamentliche G leichnis, nicht oder nicht nur, gemäß de m griechischen Text von einem Unkra ut im Weizen (~t~6:v ta , zizania), sondern vergilisch von lolium und avena die Rede ist. 2
4.2.3
Biblische Tes timonien, pastorale und ekklesiologische Schrif.. t en
de habitu virginum
In dieser wohl noch vor Beginn der Decischen Verfolg ung entstandenen Sch1·ift wendet sich Cyprian, bereits als Bischof, an die Jungfra uen in seiner Gemeinde, die sich Gott geweiht haben.3 Ausgehend von einer allgemeinen Ermahnung zur diciplina und theologischen Erwägungen über den Stand der Jungfräulichkeit, gibt er Beispiele und Anweis ungen für das diesem Stande a ngemessene Auftreten. 1
2
3
Dem tut die Tatsache, daß die Schrift forma l an e ilten Heiden gerichteL ist, keinen Abbruch, Cyprian argumentiert ja im ganz-en Werk a-us der Bibel. So etwa Arnob. nat. 2,59 quid spinae, quid sent.es, qu.id avenae, quid lolium, quid herbarum aut froticum aut adolentia naribus aut tristia in odoribus semina? (dazu unten 291) ; Aug. in psalm. 64 ,16 (CC I. 5) etenim zizania ea proprie dicuntur, quae nascuntur in similitudine froment.orom, sicuti est lolium, sicuti est avena, et cetera talia quae primam herbam prorsus similem habent. Hier. in loel. 2 (CC I. 425) ceterum iuxta tropologiam, omnis anima te,-,a est domini, in qua seminat pater familias sementern suam, quae cum pro tritico zizania f ecerit, id est, avenas et lolium; et offenderit do minum suum, et postea egerit paenitentiam, plangensqu.e dixerit in Aggaeum 1 (CC I. 3 1) in quo labora.tur, et in sudore faciei comeditur panis; et terra generat nobis tribulos et spinas, et cum sementern acceperit tritici, lolio magis a11eni.sque fecund-a est. epist. 54, 1; 130,56 etc. - Natürlich läßt sich für den Einzelfall kaum je der vermittelnde Einfluß der Cyprianstelle sicher beweisen , wahrscheinlich macbeo ihn zumindest aber die Häufigkeit der Belege und die Tatsache, daß im nämlichen Zusammenhang öfter von triticumdie Rede ist, was dem biblischen aho, (' Weizen', cf. EWNT 3 s.v. ai-to' 578sq.) entspricht, bei Vergil aber nicht vorkommt. Gesamtdarstell ung und Hinweise zur Forschungsl iteratur bei H. C ÜLZOW HLL 4 (1997) §478.10. Kommentar von Angela E. KEENAN , Thasci Caecili Cypriani de habitu virginum. A commentary, with a n lntroduction aod Translation, Diss. Washington 1932
Il.4 .2
Die Vergilzitate
237
hab. virg. 1 ( H ARTEL I 187) Disciplina custos spei, retinaculum fidei, dux itineris salutaris, fom es ac nutrimentum bonae indolis, magistra virtutis facit in Christo m anere semper ac iugiter Deo vivere.
Das tautologische fomes ac nutrimentum im ersten Satz des Werkes könnte beeinfiußt sein von Aen. 1,176 (174- 176): ac primum silici scinti llam excudit Achates succepitque ignem foliis atque arida circum nutrimenta dedit rapuitque in fomite fiammam. Dafür jedenfalls sprechen die Seltenheit 1 und die semantische Besonderheit der Junktur fomes ac nutrimentum, die den Gedanken an das Entfachen eines Feuers voraussetzt2 , was auf den vergilischen Zusammenhang hinweist. Allerdings stehen bei Vergil die Substant ive weder in einem übertragenen Kontext noch syntaktisch parallel. Die Stelle kann also höchstens mittelbar dazu angeregt haben, das schon klassisch translate gebrauchte m ttrimenturn tmd das erst in der nachklassischen und christlichen Latinität entsprechend verwendete fomes3 als verstärkende Synonymenhäufung nebeneinanderzustellen. de lapsis
In der wohl auf der Frühjahrssynode 251, also nach dem Ende der Decischen Verfolgung, vorgetragenen Schrift de lapsis erörtert Cyprian die Frage, wie mit denjenigen Ch risten umzugehen sei, die unter dem Druck der Verfolgung a bgefallen und dem Opferbefehl nachgekommen waren, und unter welchen Bedingungen ihre Wiederaufnahme in die Kirche erfolgen könne.4 laps. 4 (CC III 222,65sq.) Has martyr·um caelestes comnas, has conf essorum gl01'ias spiritales, has stantium fratrum ma:t'imas eximiasque vir·tutes maestitia una contristat: quod avulsam nost1·orum viscerum partem violentus inimicus populationis suae strage deiecit. Quid hoc loco faciam, dilectissimi fratres, ftuctuan s vario mentis aestu quid aut quomodo dicam '? lacrimis magis quam verbis opus est ad expr'imendum dolor-em quo corporis nostri plaga deflenda est, quo populi aliquando nurner-osi multiplex lamentanda iact·ura est. 1
N ach T hLL V I , l s.v. f omessonst nur H ier. in l s. 30,30 nutrimentum etjomes ignis esL 2 Nach OL D s.v. 1 und dem Materi al im ThLL- Archiv s.v. find et sich nttt1'imentum erst ab Vergil für Brennstoffe, vorher nur tra.nslate Cic. orat. 42. - Cf. BALL 122. 3 ThLL V l ,l s.v. fomes nennt etwa Gell. 15,2,3 fomitem esse quendam {sc. ebrietatemj ingenii virtutisque; Apul. flor. 15 tot tamque multiiugis fomitibus disciplinarum toto orbe haustis; Tert . pall. 4 ex isto fomite aestuantem {... J regem; Cypr. hab. virg. 18 libidinum fom es accenditur; laps. 14 peccandi j omitem subministra.t etc. Zum vergi l ischen Gebrauch von j omes h ier auch A USTIN ad l. (76sq.), zur Verwendung bei Cyprian K EENAN a.d l., 7lsq. 4 Einen umfangreichen Similienappa.rat b ietet die Ausgabe von J . MARTIN, Sonn 1930 (Florilegium Patristicum XX ). Gesamtdarstellung und neuere Forschungsli teratur b ei CiiLZOW HLL 4 ( 1997) §478.11.
238
II.4
Cyprian
Nachdem er in den ersten drei Ka piteln das Ende der Verfolgung gefeiert und die st andhaft Gebliebenen gerühmt hat, wendet sich Cyprian nun vorsichtig und rhetorisch verbrämt seinem Thema zu, den lapsi. Sein betontes Zögern kleidet er in ein Bild (fluctuans vario mentis aestu) , das sich an drei Stellen der Aeneis vorgegeben findet, Aen. 4,532 für Didos nächtliche Qualen:
(. ..} ingeminant curae rursusque resurgens saevit amor magnoque irarum ftuctuat aestu
Aen. 8,19 für Aeneas' Besorgnis a ngesichts der sich zusammenziehenden feindlichen Truppen quae Laomedontius heros cuncta videns magno cu1nrum ftuctuat aestu und Aen. 12,486 für Aeneas' Rat losigkeit a uf der vergehHeben Suche nach dem eben entrückten Turnus:
heu, quid agat? vario nequiquam ftuctuat aestu, diversaeque vocant animum in contraria curae. Zweifellos bezieht Cyprian sich a uf diese Vergilstellen , worin ihm dann Hieronymus und Augustinus folgen. 1 Mit den ersten beiden Belegen hat Cyprian das die Art der bildlich a usgedrückten inneren Erregung erläuternde Genitivattribut zu aestu gemeinsam, am nächsten aber folgt er der Stelle aus dem zwölften Aeneisbuch, wie nicht nur das Adjekt iv varius, sondern auch die vorausgehende mit quid eingeleitete deliberative Frage zeigt. laps. 8 (CC III 225,161) Nonne quando ad Capitolium sponte ventum est,
quando ultro ad obsequium diri facinoris accessum est, labavit gressus, caligavit aspectus, tremuerunt viscera, bracchia conciderunt? Non sensus obstipuit, lingua haesit, sermo defecit? Cyprian stellt die rhetorische Ftage, wie die abgefallenen Christen sich nur freiwillig zum Opfer begeben konnten, und malt ein Szenario somatischer Widerstände. Der Ge brauch von haerere fü1· das Versagen der Sprache bei tiefer Erschütterung gehört in die Dichtersprache. 2 Ob Cyprian hier ein best immtes Vorbild wie Terenz Eun. 977 lingua haeret metu oder die viermal bei Vergil (Aen. 2,774; 3,48; 4,280; 12,868) vorkommende Wendung vox faucibus haesit vor Augen hat, muß offenbleiben. Jedenfalls greift er zur rhetorischen Ausgestalt ung auf poetische Topik zurück - das Versagen der Sinne und der Stimme gehört seit Sappho in die dichterische Pathographie.3 laps. 16 (CC III 230 ,27 sq.) navem scopulis ne in portum perveniat inlidunt: Siehe oben (196sq. ) zu Novatian. Cypr . epist. 30,2,1 1
2
3
Nach ThLL Vl ,l s.v. fl1.,ctv.o 943,17- 24.69-75 findet sich eine Formulierung aestv. flu ctuare im vorliegenden Gebrauch nur bei Vergil, Cyprian und im Anschluß an diese bei Hierooymus und Augustious. Cf. Th LL VI,3 s.v. haereo 2497,56-60. Cf . Sappho fr. 31 ,9-12 VOIGT.
Il.4.2
Die Vergilzitate
239
laps. 22 (CC III 233,440sq.) Quid de eo boni sentias, quem timorem fuisse
aput eum, quam fidem credas, quem corrigere nec metus potuit, quem persecutio ipsa non rej01mavit? Alta et erecta cervix nec q·uia cecidit inftexa est, tumens animus et superbus nec quia victus est fractus est. Zwar ist die Formulierungcervix (. .. Jin.fiexa vor Aen. 3,631 ceroicem in.fiexam posuit nicht und auch danach kaum belegt 1 , aber allzu deutlich wird der color Vergilianus in diesem zweifellos gesuchten Ausdruck wohl nicht, da in.fiectere für Körperteile2 und die hier im Bild gegenübergestellte cervix erecta3 in der späteren Prosa üblich sind. Obwohl es nämlich Cyprians Kritik am unbußfertigen Trotz mancher lapsi eine wirkungsvolle Nuance verliehe, wenn hier Vergils Bild vom tru nken hingestreckten Menschenfresser Polyphem in seiner maßlosen Überheblichkeit anklänge 4 , liegt der Schwerpunkt seiner Aussage doch zweifellos bei dem Gegensatz von erhobenem und gesenktem Haupt.
de unitate ecclesiae In der wohl gleichzeit ig mit de lapsis entstandenen Schrift , seinem, zumindest in bezugauf die Nachwirku ng, vielleicht bedeutendsten Werk, befaßt sich Cyprian mit einem Grundproblem seiner Zeit und seines Amtes, der Einheit der Kircheangesichts der Bedrohungen durch Schismen und Häresien.5 Zunächst stellt Cyprian die von Christ us gestiftete Kirche als den einen Ort göttlichen Heilshandeins dar (Ka pitel 1- 9), dann wendet er sich gegen ein häretisches Christentum außerhalb der Kirche (Kapitel 10- 22) , am Ende ruft er alle angesichts der nahen Parusie in die Kirche zurück (Kapitel 23- 27). unit. ecd. 9 (CC III 256,236) Nemo existimet bonos de ecclesia posse disce-
dere: tritic·um non rapit ventus, nec a1'borem solida mdice fundatam procella subvertit; inanes paleae tempestate iactantur, invalidae arbores turbinis incursione vertuntur. Im Rahmen seiner Ausführungen über die Heilsnotwendigkeit der Kirche (Kapitel 7- 9) erläutert Cyprian das klärende Wirken des Geistes: Während die Bösen nie wirklich in der Kirche Halt find en, können die Guten nicht aus ihr gerissen werden. Das verdeutHebt er anhaud der Bilder vom Weizen und vom fest verwurzelten Baum, denen er ant ithetisch die Spreu 1
Cf. ThLL VI I, I s.v. inflecto 1458,19-45: Aen. 3,631 ; C iris 449 ; Sch ol. Ter. Bemb. Haut. 372; Physiogn. 55 p. 77,1; bildlich Sen. Thy. 930; Cypr. laps. 22. 2 So etwa Me ta 2,64 ; Plin. nat. 11 ,87; Quint. inst. 11 ,3 , 142 digitis leviter inftexis; Hil. trin . 6, 7. 3 Cf. ThLL V,2 s.v. erigo 778,50- 54 , etwa Quint. decl. 301 p. 190,7; Firm. math. 5,3,54; Amm . 11 ,14,26 4 Jn dessen Beschreibung 6 19sq. wäre sowohl dieser gedanklich e Aspekt wie auch das Stichwort alta vorgegeben: ipse ardv:u.s, altaque pulsat I sidera. Darin liegt aber sicherlich keine bewußte Referenz, sondern höchstens die Assoziation , die Cyprian zu der Vergilstelle fUhrt . 5 Gesamtdarstellung und neuere Forschungsliteratur bei G ü LZOW HLL 4 (1997) §478.12.
240
Il.4
Cyprian
und die kraftlosen Bä ume gegenüberstellt. Das Verwehen der Spreu kleidet er in vergilische Wörter , georg. 3,134 (132- 134): saepe etiam cursu quatiunt et sole j atigant fsc . armentaj, cum graviter tunsis gemit area frugibus, et cum surgentem ad Zephyrum paleae iactantur inanes.
Da bei stellt Cyprian die Reihenfolge um , so daß de r Hexameterschluß verschwindet und das Verb am Ende des Kolons steht, und fügt das erklärende tempestate ein. Weniger deutlich nimmt er auch mortal. 12c inanes paleae ftatu portant e rapiuntur auf denselben Vergilvers Bez ug (mortal. 12c, dazu unten (242sq. ). Auch an jener Stelle verwendet Cyprian neben dem biblischen Bild der Trennung von Spreu und Weizen das des standfesten oder kraftlosen Ba umes im Sturm. Der Kontext ist ähnlich , hier wie dort geht es um die Trennung der Guten und Gerechten, die der Prüfung standhalten können, von den Bösen, denen die Festigkeit im Gla uben fehlt. Cypria n greift also zur Verdeutlichung desselben Ged ankens a uf dasselbe Repertoire an Bildern und a uf dasselbe Mittel der Ausgestalt ung mit einer vergilischen Formulierung zurück.
unit. eccl. 18 (CC 111 263,456) Sie et Ozias rex, cum turibulum f erens et contra legem Dei sacrijicium sibi violenter adsumens, resistente sibi A zaria sacerdote, obtemperare n ollet et cedere, divina indignatione confusus et leprae varietate in fronte maculatus est, ea parte corporis notatus, ojjenso Domino, ubi signantur, qui Dominum promerentur; et filii Aaron qui inposuerunt altari ignem alienum quem non praeceperat D ominus, in conspectu statim Domini vindicantis extincti sunt. Das von Cypria n hier für einen gottwidrigen Opfervorgang verwendete altari imponere scheint unter vergilischem Einfluß zu stehen: Die Formulierung aris imponere findet sich von Aen. 1,49 (fsc. quisnamj supplex aris imponet honorem?) an in hexametrischer Dicht ung zur Beschreibung eines Opfers. 1 C hristlicher Diktion hingegen gehört der Ausdruck altare an .2 Ein E lement vergilischer Kultsprache erscheint hier also in christlichen Kontext aufgenommen. Ob Cyprian damit die Distanzierung vom geschilderten Opfer sucht, muß fraglich bleiben. unit. eccl. 27 (CC III 267,607) Excitemus nos quantum possumus, dilectissimi jratres, et somno inertiae veteris abrupto ad observanda et gerenda Domini praecepta vigilemus. Angesichts der baldigen Wiederkunft C hristi fordert Cyprian zur Wachsamkeit und zur Rückkehr in die Gemeinschaft der Kirche a uf. Die dabei benutzte Formulierung somnum abrumpere ist von Vergil (georg. 3,530 nec 1
2
TbLL Yll,1 s.v. impono 652,74- 79 mit Beispie len aus Yergil, Ovid und späterer Epik. Cf. T hLL II s.v. altaria 1727,64 : ftir jüdisch-<:hr istliche Altäre eher altare (der Singu lar erst seit Petron. 135, dann oft bei den Christen für ihre Altäre, z.B. Tert . orat. 11; 28, weitere l728,29sqq.) als ara (z.B. Tert. spect. 10: heidnisch).
II.4.2 Die Yergilzitate
241
somnos ab1·umpit cum salubris) an in der Dichtung und hier neben einer ähnlichen Formulierung epist. 11 ,5,1 (Excutiamus itaque et abrumpamus somni vincula et instanter ac vigilanter or-emus.) erstmals in Prosa be1egt. 1 Cyprian schmückt in beiden Fällen einen emphatischen H01tativ mit einer gesuchten Wendung vergilischen Ursprunges aus, deren Aussage er allerdings ins Gegenteil verkehrt: Vergil spricht vom gesunden Schlaf des Gerechten, bei Cyprian steht , nach dem Vorbild neutestamentlichen Denkens, die Naherwart ung der Parusie im Hintergrund, die Wachen verlangt. So ermahnt etwa P a ulus die römische Gemeinde, es sei wp<X TJ01) UfLCX~ e~ Ö1t\10l) erep6"i)V
de mortalitate Anlaß zu1· Abfassung der Schrift de mortalitate ist eine wohl im J a hr 252 in Nordafrika wütende Pestepidemie, in deren Folge sich Christen durch die pmesentis mortalitatis cop'ia (Kapitel 1) veru nsichern lassen .4 Im ersten Teil seines "Katechismus des ch1·istlichen Sterbeus" 5 (Kapitel 1- 13) führt Cyprian allgemein aus, da ß es für den Gläubigen ein Gutes sei, von den Anfecht ungen der Welt erlöst zu werden, ..und daß der Christ das Leid a ls Prüfung ged uldig annehmen müsse. Diese Uberlegungen wendet er dann im zweiten Teil (Kapitel 14- 26) a uf die derzeitige Seuche an.
mortaL 8 (CC III A 21 ,123) Sie C'Um f etu sterili terra ieiuna est, neminem fames separat: sie cum im-uptione hostili civitas aliqua possessa est, omnes simul capitivitas vastat, et quando imbrem nubila serena suspendunt, omnibus siccitas una est, et cum navem saxa confringunt, navigantibus naufragium sine exceptione comm'une est, et oculorum dolor et impetus febrium et omnium valitudo membrar-um cum ceteris comrnunis est in nobis, quamdiu portattt1" in saeculo caro ista communis. Anband einer Reihe von Beispielen verdeutlicht Cyprian , da ß Christen und Nichtchristen die Leiden des irdischen Lebens gleicherma ßen zu ertragen ha1
Cf. ThLL 1 s.v. abrumpo 14 1,3- 9. 2 Cf. Mk 13,33- 37; Mt 24,42; 25,13- 30; Lk 12,39-46. 3 Ps. Cypr. ad Novat. 16,1 Excitemus itaque nos quantum possumus, fratres dilectissimi, et abrttpto inertiae et securitatis somno ad observanda Domini praecepta vtgilemus. Zum Verhältnis zu Cyprian Kocu Cyprianische Untersuchungen 403sqq., zur Schrift allgemein J . DOICNON HLL 4 ( 1997) §480.2. 4 Hinweise zur Forschungsliteratur bei CÜLZOW HLL 4 (1997) §478.13. 5 So cha raklerisien K. STROBEL, Da.os Imperium Roma num in '3. Jahrhundert '. Modell einer historischen Krise?, Stuttgart 1993, 167- 170, die Schrift; cf. J .H.D. SCOUitFIELD, The de mortalitate of Cyprian: Consolation and Context, VC hr 50 ( 1996) 12-61.
242
11.4
Cyprian
ben. So müßten auch alle die Dürre ert ragen , wenn nubila serena es nicht zum Regnen kommen ließen. Mary T. BALL (118) macht auf den oxymoronhaften Charakter dieser Formulierung aufme rksam und nennt als mögliches Vorbild die nubes serenae aus Vergils Ausführungen über Wetterzeichen , die sich bei der Beobachtung der Sonne erkennen lassen , georg. 1,461sq.: denique, qui d Vesper serus vehat, unde serenas ventus agat nubes, quid cogitet umidus Aust er, sol tibi signa dabit. Schon die a ntike Gelehrsamkeit empfindet das Oxymoron als erklärungsbedürftig.1 Da außerdem die Begriffe nubilum (bzw. nubes) und serenum dort, wo sie zusammen auftreten, ansonsten meist komplementär und gerne in übertragenem Sinn gebraucht werden ,2 und da in beiden Fällen , wie es scheint, hinter dem vordergründigen Oxymoron dasselbe steht, nä mlich eine bestimmte Art von Wolken, die für schönes, niederschlagsfreies Wetter charakteristisch sind,3 spricht vieles dafür, daß Cyprian hier in leichter variatio, dle vielleicht durch den Gegensatz nubilum - serenum das vordergründige Oxymoron noch deutlicher herausstellt, a uf das von Vergil so pointiert geschilderte Wetterzeichen zurückgreift, worauf er bei der ansonsten ähnlichen Beschreibung der Dürre Demetr. 2 quodque imbres et pluvias serena longa suspendant nobis imputari verzichtet. Während Cyprian dort die gegen die Christen erhobenen Vorwürfe zusammenfaßt, sucht er hier wohl in dem vergilischen Oxymoron einen rhetorischen Glanzpunkt in der Aufzählung der exempla zu setzen.
mortal. 12abc (CC lll A 23,199sq. ; 201sq.; 202sq.) A rbor quae alta radice fundata est ventis incumbentibus non movetur et navis quae forti conpage solidata est pulsatur ftv.ctibv.s nec foratv.r, et quando area fruges terit, ventos grana fortia et robusta contemnunt, inanes paleae ftatu portante rapiv.ntv.r. Um die Erfahrung von Leid und Tod als Erprobung des Glaubens einsichtig zu machen , verwendet Cyprian hier einige Vergleiche mit der Lebenswelt des Ba uern und des Seemannes. Die Formulierung ventis incumbentibus hat, sowohl durch den poetischen Gebrauch von incumbere4 als auch insbesondere durch die hier erstmals in Prosa belegte vergilische Junktur5 - a us dem 1
2
3 4
5
Non. p. 175,9 unde serenas ventus agat nubes: hoc est siccas. So etwa Sen. 107,8 Natu1-a autem hoc quod vides regnum mutationibus temperot: nubilo serena succedunt f. .. J. oat. 1,1,15 ; 1,3,14; Plin. nat. 2 ,127. Für den Gebrauch tmnslate etwa Val. Max. 4,2 pr. {über die Macht des Wo rtes) nam si placidum mare ex aspero caelumqu e ex nubilo serenum hilari aspectu sentitur; Sen. epist. 93,5 (in einem Nachruf auf einen Philosophe n) Aliquando sereno usus est, aliquando. ut solet, validi sideris fulgor· per nubila emicuit. FORCELL INI, OLD, PHI 5.3 und (s.tltl. nubes, nubila, serenus) weisen keine verg leichbaren Stellen aus. Cf. M YNORS ad georg. 1,461, 91. Cf. ThLL Vll, 1 s.v. incumbo 1075,9-16: erster Beleg für den absoluten Gebrauch Lucr. 5,346, dann für Wind Verg. georg. 3,196sq., Aen. 12,367 (cf. Sen. nat. 7,5, 1). Mit venti neben Aen. 12,367 nur Sil. 12,656 be legt.
Il.4.2
Die Vergilzitate
243
Vergleich Aen. 12,367 venti incubuere1 - einen deutlichen color Vergilianus. Das gleiche gilt für die Wendung an~a fruges terit, die sich fast wört lich bei Vergil findet, georg. 1,298: at rubicunda Cer·es medio succidit·u r aestu et medio tostas aestu terit area fruges . Durch dle Permutation verwischt Cyprian den Hexameterschluß und erreicht eine Rhythmlsierung a us Choriambus und Kretikus, der Vergilbezug bleibt aber durch die Beibehalt ung der Kontaktstellung und des dichterischen Subjektes area a ugenfällig (cf. Demetr. 3). 2 Das Vorkommen der Stichworte area und fruges lä ßt ein vergilisches Vorbild auch für inanes paleae vermuten, georg. 3,134 (132- 134): saepe etiam cursu quatiunt et sole fatigant, cum graviter tunsis gemit area frugibus , et cum surgentem ad Zephyrum paleae iactantur inanes . Diese Stelle zitiert Cyprian a uch unit. 9: Nemo existimet bonos de ecclesia posse discedere: triticum non rapit ventus, nec arbm·em solida radice fundatam procella subvertit; inanes paleae tempestate iactantur, invalidae arbor·es turbinis incursione vertuntur.3
Die Metaphorik von der Ausscheidung der wertlosen Spreu ist dem Christentum schon aus der biblischen Überlieferung vert ra ut und wird häufig gebraucht4 , d urch die Junkt ur mit inanes5 verleiht Cypria n ihrer Formulierung Ae n. 12,367 (365- 367) ac 11elut Edoni Boreae cum spiritus alto I insonat Aegaeo sequiturque ad litora fiuctus, I qua venti incubuere, f ugam dant nubila caelo. Das W üten des Thrnus in den Reihen der 1 'rojaner wird mit eiuem Sturm verglichen . 2 Zwar ist terere der gebrä uch liehe terminv.s technicv.s für das Dreschen ( cf. OLD s. v. tero 2) und kommt daher öfter im Zusammenhang m it dem Dreschplatz area vor (etwa Cato agr. 129 aream , ubi frv.mentum teratur, sie fa cito; Yarro rust. 1,13,5; Liv. 42,64,3; Sen. nat. 1,2,3; Plin. nat. 15,33; cf. Non . 50.2 sv.brigere, quo verbo rustici utuntur, cv.m tritae frv.ges ad ventilandv.m in areis eriguntur; Hil. in psalm. 131 ,11 locus Lernpli locus areae fuit , ubi frv.ges congestae, v.bi tritae [... J separandae sv.nt; cj. Th LL 11 s. v. area), aber zum einen gehört die Ko ns truktion area terit in den Bereich der dichterischen Sprache (georg. 1,298; Hor . sat. 1,1,45 milia frv.menti tua triverit area centum ; Tib. 1,5,22 area dum messes sole calente teret; Mart. 9,90,11; Sil 13,67lsq. und dazu SPALTENSTEIN IT 262: "Te1-ere est le terme habituel [...J, maL.:; area terit, dont Sil. doit s 'ins p irer , ne se trouve qu 'en poesie. sans doute a cause d e Ia transposition [... ]."), zum anderen ist die Ver bindung mit fruges rein vergilisch . G egen d en von WATSON (203) vorgeschlagenen Bezug auf Tib. 1,5,22 auch BALL 131. 3 Cf. BALL 131. 4 Yet. Lat. lob. 21, 18 erur1t sicv.t paleae a vento; ler. 23,28 (Cypr. ep ist. 63,18) quid est paleis ad triticum?; Da n . 2,35 (Cypr. testim. 2,17) aeramentum et argenturn at aurum jacta. sunt minuta quasi palea aut pulvis in area; Matth. 3,12 = Luc. 3, 17 congregabit triticum in horreo sv.o, paleas autem conburet; aufgenommen etwa Tert. fuga 1,4 pala illa {.. .J discernens frv.mentum martyrum et paleas negatorum; praescr. 3 I. 24 advolent paleae levis fidei adfiatu temptationv.m; Cypr. epis t . 66,8 solae possint paleae de ecclesia separari Cypr. epist. 59,7 quos videmus non jrumenti s tabilitate solidari, sed tamqttam paleas dissipantis inimici spiritu ventilari; luve nc. 1,345; Ambr. lob 2,5, 18; Aug. doctr. chr ist. 3,37 ,55. 5 T h LL X ,l s.v. palea, 114 ,3 1-48 (Wertloses); 115,2Q-53 (Menschen) bietet keine wei1
244
II.4
Cyprian
hier a ber einen color Vergili anus, den die vora usgehenden Zitate hinreichend deutlich erscheinen lassen. Auch hier fälJt wieder a uf, was schon bei der vergilischen Färbung des neutestamentlichen Gleichnisses vom Unkra ut im Weizen (Demetr. 23) zu beobachten war: Die Technik der Aneinanderreihung gleichnishafter exempla folgt der theologischen Redeweise der E vangelien. So ä hnelt C ypria ns Bild vom fest verwurzelten Ba um , den der Wind nicht ausreißt, dem Gleichnis von dem aus Fels gebauten Ha us, dem die Fluten nichts anhaben können (Mt 7,24- 27 par). Weit a ugenfalliger noch ist der Rückgriff auf das Gleichnis von der Trennung vo n Spreu und Weizen (Mt 3,12; Lk 3,17). Eher a us der allgemein paganen als aus der biblischen Bilderwelt hingegen scheint Cyprians Hinweis a uf das festgefügte Schiff entnommen, der ohne color Vergilianus bleibt.1 Gerade bei den beiden Gleichnissen also, deren Sachhälften nach dem Vorbild des Neuen Testamentes a us der Natur und dem bä uerlichen Lebensbereich stammen, kleidet C yprian die Darst ellung der Bilderwelt in vergilische Spra.che. Daraus läßt sich nicht nur ein weiteres Indiz für Cyprians Vorliebe für den Georgiker Vergil gewinnen. C yprian scha fft a uch in seiner pastoralen Redeweise eine Synthese a us Inhalten und Techniken biblischer Verkündig ung einerseits und deren vergilisch inspirierter Versprachlichung a ndererseits. Wie subtil diese beiden Stränge ineina nder verflochten sind, zeigt sich darin , daß zum einen das der neutest amentlichen Welt durchaus verwandte Bild vom festgewurzelten Ba um dann nachhaltiger wirkt, wenn ma n den vergilischen Präkontext einer Schlachtenschilderung mit bedenkt, und daß zum anderen die so de utlich vergilisch geschilderte Trennung von Spre u und Weizen eine eschatologische Tiefendimens io n gewinnt, wenn der Zusammenbang des J oha nnes dem T ä ufer z ugeschriebenen Bildes vom kommenden Messias mit der Wo rfscha ufel in der Ha nd präsent ist. mortal. 19 (CC III A 27, 316) Denique ut manif estius divinae providentiae indicia clarescerent quod D ominus praescius futurarum suis consulat ad veram2 sal·u tem, cum quidam de collegis et consacerdoti bus nostris infirmitate defessus et de adpropinquante morte sollicitus commeatum sibi precaretur, adstitit deprecanti et iam paene morienti iuvenis honore et maiestate venerabilis, statu celsus et clarus aspectu et quem adsistentem sibi vix possit human·us aspectus oculis car-nalibus intueri, nisi quod talem videre iam paterat de saeculo recessurus. Das von Vergil an ( Aen. 6,66 tuque, o sanctissima vates, / praescia venturi; 12,452) belegte praescius erscheint a b Tacit us in Prosa3 , vor Cyprian wird es, teren Belege. 1 Hierzu paßt übrigens g ut BALLS ( 11 0) Beobachtung, daß Cypr ian a nscheinend nirgends, obwohl das ja durchaus na he läge, in klassisch poetische n Gegenst änd en wie ~leeres- und Seesturmschilderungen auf Yergil zurückgreift; Japs. 16 steht eher die Metaphorik des Steuerman nes im Mittelp unkt. 2 Das verum in S tMONETTls CC- Text ist a nscheinend bloßer Druckfehler . 3 Cf. ThLL X,2 s. v. pmescius 821 ,42sq.
Il.4.2
Die Vergilzitate
245
insbesondere im christ lichen Schrifttum, als Gottesprädikat gebraucht , von Tertullian an auch in der vorliegenden Verbindung praescius futurorum 1 . Cyprian verwendet hier also eine vorgegebene christliche Formulierung vergilischen Ursprunges. Zwar läßt sich kaum entscheiden, ob ihm hier Aeneas' Anrede an die Sibylle präsent ist , bemerkenswert aber ist der Einfluß der theologischen Sprache Vergils auf die Rede von Gott bei Cyprian. Siehe oben zu Tert. adv. Mare. 2,5,1 (66) und Min. Fe!. 35,2 (164).
de bono patientiae Cyprian selbst überliefert (epist. 73,26), daß es sich bei dem Werk de bono patientiae um eine im Frühjahr 256 für den Amtsbruder Jubaianus niedergeschriebene Predigt handelt. 2 Nach einer einleitenden captatio benevolentiae über die Geduld des Zuhörens (Kapitel 1) und einer polemischen Auseinandersetzung mit dem falschen patientia- Begriff der philosophi (Kapitel 2sq.) , führt Cyprian zunächst die vorbildliche Geduld Gottes (Kapitel 4), Christi (Kapitel 5- 8), der Erzväter , Propheten und Märtyrer (Kapitel 9sq.) vor Augen und fordert dann (Kapitel 11- 18) auf, die Unbilden des irdischen Lebens geduldig zu ertragen. Nach einer Warnung vor der Ungeduld (Kapitel 19sq.) verweist er schließlich (Kapitel 21- 24) auf den kommenden Tag der Auferstehung und des Gerichts, dessen die Christen in Geduld harren sollten. 3 patient. 4 (CC III A 119,57; 58) Videm·us inseparabili aequalitate patien-
tiae nocentibus et innoxiis, religiosis et impiis, gratias agentibus et ingratis Dei nutu tempora obsequi, elementa famulari, spirare ventos, fo ntes ftuere, grandescere copias messium, jructus mitescere vinearum, exuberare pomis arbusta, nemora jrondescere, prata ftorere. Cyprian beschreibt die beneficia, die Gott ged uldig trotz aller Idolatrie den Menschen unterschiedslos gewährt. Die Aufzählung dieser göttlichen Wohltaten ist in einem poetischen Ton gehalten: Spirare ist ab Vergil für das Wehen des Windes belegt, wird a ber in der nachklassischen Prosa üblich.4 1
2 3
4
Cf. ThLL X ,2 822,2 1-62, für heidnische Götter etwa P s. Apul. Ascl. 26 statuas fu L1trorum proescias (wohl 4. J a hrhunder t, a lso jünger a ls die christlichen Belege); Min . Fe l. 35,2 luppiter f. .. } poenam praescius perhorrescit; für den christliche n Gott: Tert . adv. Mare. 2,5 deus bonv.s et proesciv.s fv.turorum (ebenso Cypr. mortal. 19; Ps. Cypr. mont . 3 futurorum; P s. Mar. Victorin . phys. 9; Carm. de r·esurr. 86; Lact. ins t . 2,9, 11 ; 4,26,40; P otam . tract. 1 I. 53) 5, 7 crea.Lorem et pro.esciv.m iam; Vet.. Lat. Dan . 13,42 qui proescius es ommum (LXX 6 tlöw~
246
11 .4
Cyprian
Das vergilische pomis exuberet annus (georg. 2,516) für eine reiche Ernte scheint nicht nur Plinius (paneg. 29,3 omnis usibus nostris annus exuberet'?), sondern a uch Cyprian ( exuberare pomis arbusta) anzuregen, den dann wiederum Laktanz a ufnimmt. 1 Aber a uch Ennius - oder Cicero, der ihn 'IUsc. 1,69 ohne Namensnennung zitiert - könnte Cyprian hier beeinßußt ha ben. WASZINK verweist a uf Enn. scaen. 151: 2
caelum mitescere, arbores frondescere, vites laetificae pampinis pubescere, rami bacarv.m ubertate incurvescere, segetes largiri fruges, fiorere omnia, fontes scatere, herbis prata convestirier. J edoch, exuberare pomis geht allein a uf Vergil zurück, im Kontext (georg. 2,520 arbuta silvae) 3 findet sich auch eine mögliche Anregung für die Stichworte arbusta und nemora. Zweck dieser Anleihen bei der poetischen Diktion ist es jedenfalls, die Schilderung der Schöpfungsgaben , die Gott dem Menschen unverdient gewähr besonders auszugestalten. Der color poeticv.s t ritt a lso neben den bereits von Mary T . B ALL 4 hera usgearbeiteten kunst vollen Aufbau der P assage - Cyprian sucht der dargestellten Schöpfungsordnung expressiv Ausdruck zu verleihen .5 patient. 18 (CC III A 128,345sq.) Accedit vulnerv.m vastitas et tabescentes
ac ftuentes artus vermium quoque edax poena consumit. Als Beispiel für die Geduld im E rt ragen von Schicksalsschlägen verweist Cyprian a uf die Gestalt des Ijob. Wenn der Autor bei der Ausgestaltung der körperlichen Leiden6 des Geplagten von tabescentes ac fiuentes artv.s spricht, könnte die mehrmals in vergilischen Greuelszenen vorkommende Wendung fiv.ens tabo7 zugrunde liegen, besonders nahe kommt Aen. 3,626sq. (über Polyphem): 1
2
Lact. ira 13,7 Ventor-um spiritu attrahuntu1· nubes, ut sata imbribus inrigentur, ut
vites fetibus , arbusta pomis exuberent. et haec per orbem vicibus exhibentur, n e desit aliquando quo vita hominum sustineatur. Laktanz hat also d ie ganze Cypr ian- Passage vor Augen, zur Sache C ic. nat. 2,101: Hein mari finitumus aer die et nocte distinguitur, isque tum f usus et extenuatus sublime fertur, tum autem concretus in nubes cogitur umoremque colligens terram auget imbribus, tum effluens huc et illuc ventos efficit. idem annuas frigorum et calorum facit varietates, idemque et volatus alitum sustinet et spiritu ductus alit et sustentat animantes. - Cf. ThLL V,2 s.v. exubero 2096,4G-47; CONWAY ad I. 119. WA SZINK Ennius- Reminiszenr, bekräftigend, doch ohne neue Argumente dazu SZAR.MAC H .
3 4
5
Cf. georg. 2,522 mitis f...J vindemia. 82; cf. CONWAY ad I. 114sq.
Darstellungen der Schöpfungsordnung regen öfter zur Verwendung eines besonderen , auch auf p oetische Elemente rekurrierenden, ornatus an , so etwa Novatian . tri n . 1,2 (dazu oben 193). 6 Cf. ljob 2, 7 LXX 'E~ TiA.9tv 6l 6 6u1ßoA.o~ lm o t oii xupiou xcll b tcttotv tov Iwß lhu 1tOVTJPi!l omo 1to6wv lw~ Xtq?etATi~. 7 Aen. 3,626; 8,487; 9,472.
ll .4.2
Die Vergilzitate
247
(. ..J atro cum membra fluentia
tabo manderet et tepidi tremerent sub dentibus artus.
Zwar läßt sich im vorliegenden Gebrauch von tabescere1 , fluere2 oder des vorwiegend poetischen artu$3 kein Vergilzitat festmachen, d as der Leser wahrnehmen sollte, wohl aber ein Rückgriff auf vergilisch geprägte dichterische Sprachelemente zur rhetorischen Ausgestaltung4 d er Krankheit des Ijob Liegt auf der Hand. 5
de zelo et livore Seine Warnung vor der Untugend des Neides verfaßt Cyprian wohl im J ahre 256 oder 257, jedenfalls nach de bono patientiae.6 Nach einleitenden Hinweisen auf die vom Neid a usgehende Gefahr (Kapitel 1- 3) wendet sich Cyprian zuerst (4- 9) einer historischen Phänomenologie und dem Wesen des Neides zu, dann (Kapitel 10- 18) fordert er dazu auf, ihn gemäß der Schrift d urch christliche Bescheidung zu überwinden.
zel. 8 (CC III A 79,141 ) Hinc vultus minax, torvus aspectus, pallor in facie , in labiis trernor, stridor in dentibus, verba mbida, ejjrenata convicia, manus ad caedis violentiam prompta, etiamsi a gladio interim vacua, odio tarnen furiatae mentis annata. 1
Cf. OLD s.v. tabesco 3 "to decompose", etwa Lucr. 3,581; Ov. met . 15,363; Plin . nat. 31 ,95. - B üRNER (22) verweist außerdem a uf Aen. 1.173 eL sale Labentis artus in litore ponunL, wo von der Landuug der erschöpften TI·ojaner nach dem Seesturm berichtet wird . Taberemeint hier zwar nicht die Verwesung der Glieder, sondern drückt aus, daß "the Trojans were soaked and befouled with the salt-crust" (AUSTIN ad l. 75). Doch trotz dieser semantischen Divergenz könnte natürlich der Wortlaut bei der cyprianischen Formulierung mite ingewirkt haben. 2 Nach ThLL Vl,l s.v. f!uo kann f!u ere für die Verwesung des Glieder von zwei Richtungen her kommend gebraucht werden: 1. (971,34sq.) vom Entströmen der VerwesungsflüssigkeiL (Labu.m bzw. tabes), so an den gena nnte n Vergi lstellen und Lucan. 2,166 cum iam tabe f!uunL confusa.qu.e Lernpore multo a.misere notas, f...J.; Petron . 124 vers. 275; Prud. perist. 2,153 usw. 2. (972, 19-34) vom sich (Auf)lösen der Glieder, vom Verlust ihrer Spannkraft, so Lucr. 4,919 (im Schlaf) dissolvu.ntu.r f. .. J membra f!uuntque, dann i.S.v. tabescere Sedul. carm. pasch. 4.177 membra f!uebanL ; cf. Sen. contr. exc. 6,6 f!u ens corptt$; Stat. Theb. 12,455 f!uisse cadaver~ Lucr. 6.1204 hominis toLae vires corpu.sque f!u ebaL, dazu Liv. 10,28,4; 34,47,5; 7,33,17; Hil. Macc. 69; Sen . Herc. 0 . 520 (5 L9-521) ille, iam quaerens diem, I Labern f!u entis vulneris dextra excipiL I LradiLque nobis ungulae inserLam sua.e (gehört doch wohl eher unter 1. ); 1229 nec ossa duranL ipsa, sed compagibus I discussa t'ILpLis mole conlapsa. fluunL. 3 Die Prosa bevorzugt in der Regel membrmn, cf. Th LL rI s. v. artus ( subsL.) 711,81- 84. 4 Eine vergleichbare Technik scheint etwa vorzuliegen Val. Max. 6,9ext. 6 puLres eius artus et Labido cruore mananLw membra; Ps. Quint. decl. 15,4 f!u ens tabe corpus. 5 Das daneben von BÜRNER (24) als Vergilrezeption vorgestellte ia cula emissa (Aen . 9,52 iaculum a.ttorvuens emiLtiL) ist eiu ganz gebräuchlicher Ausdruck, cj. ThLL V,2 s.v. emitto 505,16- 59 (für Wurfgeschosse); ThLL Vll,l s.v. iaculum, 75 ,16sq. für die J unktur Sal. Lug. 57,6; 101.4; Aen. 9,52; Liv. 26,4 ,7; 34,37,6. 6 Gesamtdarstellung und Hinweise zur Forschungsliteratur bei GüLzow HLL 4 (1997) §478.17.
248
T1.4
Cyp r ian
Die von Cyprian in seiner P athologie des Neides gebrauchte Form ulierung furia ta mens findet sich erstmals bei Vergil als Ausdruck für verzweifeltes Zornesrasen 1 , dann vereinzelt in der nachklassischen Dicht ung, schließlich ab Cyprian häufiger in der {christlichen) Prosa. 2 Cyprian übernimmt in seine Affektbeschreibung also Vergils eindringliche Formulierung des Zornes und bringt sie in die christliche Latinität ein. Dabei d ürfte freilich a uch die Produkt ivität der Adverbia lbild ung a us mente mit Adjektiv im volkssprachlichen Latein3 als Vorstufe des romanischen Morphems -mente forcierend gewirkt ha ben.
ad Fortunaturn ( de exhortatione martyrii) In der wohl schon während der Valerianischen Verfolg ung, also im J ahr 257, verfaßten Testimoniensammlung ad Fortunaturn t rägt Cyprian Bibelstellen zusammen, die die Christen in ihrer gegenwärtigen Not stärken sollen.4
Fort. 8 (CC III 197,34) Quod exemplum perseverandi et permo.nendi designatur in Exodo, ubi Moyses ad superandum Amalech qui figuram portabat diaboli in signo et sacramento crucis adlevabat supinas manus, nec vincere adversarium potuit, nisi postquam stabilis et in signo manibus iugiter manibus per·severavit. Als Beispiel für entschlossenes D urchha lten und Festigkeit im G lauben verweist Cyprian auf das Gebet des Mose während des Kampfes Israels gegen die Amalekiter (Ex 17 ,ll sq.). Bei der Beschreibung des Gebetsgestus setzt Cyprian gegenüber dem Bibeltext (Ex 17,11 1i! [... ]C'')! , LXX btiip&v [... ) 'tCx<; xeipac;, Vet. Lat. [Cypr. test. 2,21 = Fort. 8]levabat manus) das Wort supinas hinzu. Zwar ist Erheben der Hände bei Römern wie Christen üblicher Gebetsgestus.5 Dessen Beschreibung aber mit der ausd r ücklichen Hinzufüg ung von supinas ist von Ho raz (car m. 3,23,1 caelo supinas si tuleris manus) und Vergil a n belegt, Aen. 4,205 multa Iovem manibus supplex orasse supinis und vor allem 3,176sq.:
corripio e stratis corpus tendoque supinas ad caelum cum voce manus et munera libo intemerata focis. Obwohl die Wendung danach vereinzelt auch in der Prosa fü r das Gebet 1
2
3 4
5
Aen . 2,407 iiber den ver liebten Coroebus, der sich, des Elends seiner Kassandra ansichtig geworden, in den aussichtslosen Kampf stürzt. Cf. ThLL Vl,l s.v. I . fu.rio , zur Wendung fu.riata mens 1619,12- 18 mit Cyprian als erstem Prosbeleg. Dazu etwa LHS J1 170; VÄÄNÄNEN §201. Gesamtdarstellung und Hinweise zur Forschungsliteratur bei GüLzow HLL 4 ( 1997) §478. 18. Dazu C. S!TTL, Die Gebärden der Griechen und Römer , Leipzig 1890, 174; E. v. SevEIWS, ' Gebet 1', RAC 8 (1972) 1134- 1258, hier l 231sq.
IJ.4.3
Auswertung
249
belegt ist, 1 scheint sie in diesem Zusammenhang doch eher der Dichtersprache anzugehören 2 . Da für, daß der Vergilbeleg aus dem dritten Aeneisbuch als locus classicus gelten kann, spricht, daß er von Prophyrio zur Erklärung der Horazverses zitiert wird. Angesichts dessen kann man den Zusatz von supinas als bewußte sprachliche Ausgestaltung bei der Wiedergabe des Bibeltextes betrachten, die sicher poetisch und wahrscheinlich vergilisch beeinflußt ist.
4.3 4.3.1
Auswertung Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
Zwar zitiert Cyprian , wie schon einleitend festgestellt, Vergil nirgends wörtlich, aber an fünf Stellen seines Werkes3 gibt er ein vergilisches Textstück von wenigstens d1·ei Elementen mit nw- leichten Veränderungen wieder. Außerdem übernimmt Cyprian, gemäß der obigen Bestandsaufnahme, dreimal vergilische Formulierungen mit Elementen ihres Kontextes 4 . Achtmal haben sich andere auf Vergil zurückgehende Wendungen bei Cyprian erstmals in Prosa belegt gefunden5 , vier weitere waren schon bei anderen Prosaikern rezipiert 6 . An weiteren fünfzehn Stellen hat sich ein vergilischer Einfluß auf einen Ausdruck oder einen Gedanken als wahrscheinlich oder immerhin denkbar erwiesen. 7 An allen Vergilzitaten nimmt Cyprian also Veränderungen vor. Beim deutlichsten und umfangreichsten Zitat , Demetr. 23, ist die Veränderung des Zitatsegmentes gegenüber dem Prätext als leichte Verkürzung8 und als Prosifikation in bezug auf das Sprachregister vermittels Substitution poetischer Sprachelemente9 und in bezug auf die Prosodie vermittels Permutation zu erklären. Ebenfalls eine Prosifikat ion ist für das Zitat Demetr. 20a festzustellen, und zwar in Form einer prosodisch motivierten Permu tation und der Addit ion eines erklärenden E lementes (siccitate). Die Variationen an den weiteren, nur ind irekt übernommenen Prätextelementen jedoch lassen sich so nicht begründen, sie scheinen vielmehr der Verfremdung um ihrer selbst willen zu dienen. Auch die Veränderungen an den Zitaten la ps. 4 (Permutation, Substitution), unit. eccl. 9 (Einfügung des erklärenden tempestate, 1
Das PH1 5.3- Corpus bietet nur Liv. 26,9,8 supinas manus ad caelum ac deos tendentes, die Ubrigen Prosa- Belege fUr supinae manus (Li v. 3,50,5; Petron . 17,9; 114,5; Curt. 6,6,34 ; Sen. dial. 5,20,2; benef. 1,15,3; cf. Suet. Vit. 7,3) beschreiben eine an Menschen gerichtete Demutsgeste. 2 Etwa Ov. met. 8,681; Stat. s ilv. 4, 1,15sq. 3 Cypr. laps. 4; unit. eccl. 9; Demetr. 20a; 23; mortal . 12b. 4 Cypr. a.d Donat. 11 .12; mortal. 12c. 5 Cypr. a.d Dona.t . lab; 10a; unit.. eccl. 27; rnortal. 12a; patient. 4; zel. 8. 6 Cypr. a.d Donat. lOb; Demetr. 3; 5; 20b. 7 Cypr. a.d Donat. 2; 3; 4ab; 14 ; hab. virg. 1; epist. 37,2,2; laps. 8; 16; 22; unit. eccl. 18; Demetr. 3; mortal. 8; 19; patient. 18; Fort. 8. 8 Drei Verse mit 19 Worten werden in einem ebensatz von 11 Worten wiedergegeben. 9 Beispielsweise fertiles segetes statt nitentia. culta..
250
11.4
Cyprian
Permutation) und mortal. 12b (Permutation) scheinen weiter zu gehen, als für eine Prosifikation nötig wäre. Über die bloßen Bedürfnisse einer syntaktischen, diatypischen oder prosodischen Anpassung hina us, um die er sich überall bemüht , will Cyprian also offenbar verfremden, ohne daß aber der vergilische Einfluß verdeckt würde. In diesen Rahmen sind wohl auch diejenigen Stellen einzuordnen, an denen Cyprian zwar auf eine bestimmte VergiisteHe Bezug nimmt, aber nur eine Einzelformulierung wörtlich wiedergibt, während er weitere Präkontextelemente und -Strukturen dergestalt verändert reproduziert, daß sie nur durch den Folgekontext als Referenzen erkennbar werden, so etwa ad Donat . 11 , wo erst neben den vergilischen super·bae jores der matutinus salutator als Zitat a us dem folgenden Vers deutlich wird. 1 Im weiteren Sinne gehören hierher auch Zitatennester , an denen Cyprian mehrere Prätext stellen aus den Georgika2 oder mehrere Prätexte von Vergil, das heißt aus Aeneis und Georgika,3 oder anderen Dichtern 4 einfließen läßt . Diese beiden Phänomene, das Anzitieren eines Kontextes und die Zitatennester, könnte man als Techniken der Markierung durch Position ansehen, da ja die Perzept ionswahrscheinlichkeit für die einzelnen Zitatsegmente bzw. ihre E lemente durch die Nachbarschaft zu weiteren Referenzen wächst. Auch für andere Zitate könnte eine Art Markierung durch Position vermutet werden, vor allem für diejenigen, die an rhetorisch exponierten Stellen wie Einleitungen (ad Donat. 1ab; 2; hab. virg. 1) stehen. Abgesehen von solch subtilen und indirekten Erscheinungsformen aber, vermeidet Cyprian nicht nur die Markierung der Zitate, er beseitigt sie sogar dort , wo sie d urch diatypische oder prosodische Interferenzen entstünde, durch sorgsame Prosifikation. Die Perzeption auch der deutlicheren Zitate setzt also eine gründliche Kennt nis des VergiJtextes voraus. Das gi lt erst recht für die Übernahme vergilischer Einzelformulierungen. In der Regelläßt Cyprian dabei deren syntaktische Binnenstrukt ur unverändert . So finden sich vor allem Verbindungen von Verb mit Objekt oder seltener Subjekt, die im Folgetext eher in einer infiniten als in einer fini ten Form auftreten,5 und von Substant iv mit Attribut 6 . An manchen Stellen aber beseitigt Cyprian auch die Struktur des Prätextes und übernimmt daraus nur 1
Ebenso ad Donat. la petamus (. .. ]. (. .. } frondea tecta aus georg. 4,6lsq. frondea semper / tecta pet-unt; ad Donat. 12 bibat licet gemma (. .. j carpus mollior alto sinu condidit aus georg. 2,506 ut gemma bibat et Sarrnno dormiat ostro; mort a l. 12c inanes paleae flatu portante rapiuntur aus georg. 3,134 surgentem ad Zephyrum paleae iactantur inanes. 2 Cypr. ad Donat. 3 (?); morta l. 12bc; Demetr . 3. 3 Cypr. ad Donat. 4ab; lOab; mortal. 12abc. 4 Cypr. ad Donat . 4 Seneca; ad Dona.L. 12 Horaz; Demetr . 3 Ennius. 5 ad Donat. lOa pace rupta; laps. 16 scopulis f .. .} inlidunt; unit. eccl. 18 imposuerunt altari; 27 somno f. .. J abrupto; Demetr. 20b preces fundimus ; mortal. 12a ventis incumbentibus; patient. 4 exuberare pomis; cf. ad Donat. l b in m e oculos tuos fi:r;us; 4a desuper infundam; 12 bibat f. ..J gemma. 6 ad Donat. la frondea tecta; l Ob /01"'1.Lm insanum; 11 superbas fores; Demetr. 3 arborei f etu.s; 5 vanis superstitionibus; morta.l. 8 nubila serena; 12c inanes paleae; cf. die attrib utiven Partizip ien laps. 22 cervix inflexa; zel. 8 furiatae m entis.
Il.4.3
Auswertung
251
den Gedankengang und Stichwörter, die Referenz basiert also auf gemeinsamen Lexem- oder Sememfolgen, so etwa ad Donat. 4b caelitus spiritu hausto aus Aen. 10,899 hausit caelum oder patient. 18 tabescentes ac fiuentes artus aus Aen. 3,626sq. membra fiuentia tabo / (. .. J artus. 1 Der Referenzcharakter bleibt dabei in der Regel deswegen erkennbar, weil Cyprian die von Vergil übernomm enen Elemente dort, wo er sie nicht in Kontaktstellung beläßt oder bringt, in der Reihenfolge des Prätextes, also ohne Permutation , wiedergibt. 2
4.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Betrachtet man die Verteilung und Funktion der oben besprochenen Zitate im Gesamtwerk des Cyprian , so fällt a uf, daß sich vier Fünftel der Zitate in nur drei Schriften finden, die, das Briefkorpus nicht mitgerechnet, nur ein Siebtel des Gesamtwerkes 3 a usmachen, nämlich in ad Donatum, ad Demetrianum und de mortalitate; bezieht man noch de lapsis und de catholicae ecclesiae unitate mit ein, verte ilen sich neun Zehntel der Zitate auf ein Drittel des Werkes, wiederum ohne das Briefkorpus. 4 Weder die Tatsache, daß im größeren Teil der pastoralen Schriften und vor allem im Briefkorpus offenbar kein nennenswerter vergilischer Einfluß vorliegt, noch die Tatsache, daß sich die mit Abstand meisten Vergilzitate in dem nach außen gerichteten Werk ad Donatum konzentrieren, kann man unerwartet oder auffällig nennen: Die Zitate in ad Donatum, Cyprians erstem Werk,5 stehen vor a llem zur litera rischen Ausgestaltung der Einleitungska pitel (ad Donat. 1ab; 2) und in gesellschaftskritischen Passagen, die a n einigen Stellen au f Vergils Lob des einfachen Landlebensam Ende des zweiten Georgikabuches zurückgreifen (ad Donat. 3; 10; 11; 12) ; dazu kommt noch die mit Elementen vergilischer Diktion f01·mutierte Konversionserfahrung (ad Donat. 4). Das entspricht durchaus der an klassischen Formidea le n ausgerichteten Gesamtgestalt der Schrift. Ein 1
2 3 4
5
Ebenso ad Donat. 2; 3; hab. virg. L; epist. 37,2,2; cj. mOJ'ta l. 19 pmescius mit Genitiv und ad Donat 14 intransitives inromre. Ausna hmen sind etwa ad Donat. 12 und mortal. 12c, wo a llerdings ein Verständnis aus dem Folgekontext ausreichend gewährleistet ist. Berechnet nach dem Seitenumfang in der Ausgabe von HARTEL. Legt man die in der Bestandsaufnahme erfaßten Zitate zugrunde, ergibt sich folgende Vertei lung (in Klammern der Seitenumfang in der Ausgabe von HARTEL) : ad Donat. 10 (14) ; mortal. 5 ( 18); Demetr. 5 (20); Japs. 4 {28); unit. eccl. 3 (25); patient. 2 (19); zel. 1 (14); Fort,. 1 (31); epist. 37,2,2: 1. Es besteht also kein nennenswerter Unterschied zwischen relativer und absoluter Häufigkeit in den einzelnen Werken. - Angesichts der geringen absoluten Zahlen sind solche Rechenexempel natürlich nur cum grono salis zu verstehen. Aber immerhin eine Grundtendenz läßt sich a uf diese Weise erkennen und vor allem veranschaulichen . Das scheint aber kein a ussch laggebender Faktor für die Vergilrezeption zu sein , etwa der Art, daß hier Cyprian noch stärker unter d em Einfluß seiner Rhetorena usbildung gestande n habe. Denn gerade die deutlicheren Zitate finden sich in den Werken aus der Zeit des EpiskopaLes. Im übrigen wechseln s ich Werke mit deutlicherem und solche ohne faßbaren vergilischen Einfluß ab. Die Vergilrezeption scheint sich also nicht aus der Chronologie, sondern a us dem Charakter der einzelnen Schriften zu erklären.
252
Il .4
Cyprian
etwas anderes Bild bietet die der Auseinandersetzung mit der paganen Umwelt gewidmete Schrift ad Demetrianum: Vergilische Einflüsse finden sich vor allem zur Beschreibung natürlicher (Demetr. 3; 20a; 23) oder religiöser (Demetr. 5; 20b) Sachverhalte. Sie konzentrieren sich also nicht etwa, wie noch in ad Donatum, an Brennpunkten der Konfrontation mit dem Heidentum, wie das Proömium und ein gesellschaftskritischer Abschnitt sie darstellen, sondern dienen als Mittel der Darstellung bestimmter Aspekte der Wirklichkeit. Durchaus bemerkenswert jedoch ist, daß in drei pastoralen, a lso rein innerkirchlich ausgerichteten, Schriften de mortalitate, de lapsis und de catholicae ecclesiae unitate Vergil weit stärker nachzuwirken scheint als in den übrigen. Was die beiden letztgenannten Werke angeht, könnte eine Erklärung da rin liegen , daß es sich bierbei nicht um Hirtenbriefe oder Predigten eines Bischofs zu alltäglichen Fragen der Kirchenzucht und Pastoral in seinem Verantwortungsbereich handelt , sondern um Positionspapiere zur Vorlage a uf einer Synode, 1 was eine rhetorische Ausgestaltung mit klassischen Reminiszenzen sehr wohl motivieren könnte. Oie Vergilzita te in der Schrift de mortalitate hingegen finden sich vor allem in einer Reihe gleichnishafter Beispiele (Ka pitel 12) , die Cyprian schon unit. 9 in ähnlicher Form verwendet hat. Das weist darauf hin, daß offenbar bestimmte Zusammenhänge Cyprian zu Rückgriffen a uf Vergil anregen. T atsächlich haben die meisten Stellen, für die sich Reminiszenzen namhaft machen lassen, einen gleichnishaften, einen deskriptiven, einen appellativen oder einen anderweitig rhetorisch exponierten Charakter. Das wird nach einem Blick a uf die thematischen Schwerpunkte der Vergilrezeption bei Cyprian noch auszuführen sein.
4.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Cyprian zeigt eine besondere Vorliebe für die Georgika, und hier wiederum fü r das erste Buch , also dasjenige über Ackerba u und Wetterzeichen, und für das Lob des La ndlebens am E nde des zweiten .2 Was Cyprian hieraus - und aus den Eklogen - zitie rt, führt in den Bereich des Landlebens, meist unmittelbar, teilweise durch eine Kontrastierung mit der Stadt. Die Zitate aus der Aeneis hingegen stellen keinen so engen t hema tischen Bezug zwischen Prätext und Folgetext her , vielmehr werden meist herausgelöste E inzelwendungen übernommen, die oft mit ihrem Kontext oder mit dem Inha lt des Gesamtwerkes keinen tieferen Zusammenhang mehr haben , etwa desuper infu.ndere (ad Donat. 4a a us Aen. 4,122), pacem rurnpere (ad Donat. 10a a us Aen . 12,202), preces fu.ndere (Demetr. 20b a us Aen. 5,234: 6,35) oder furiata mens (zel. 8 a us Aen. 2,407). 3 Wä hrend also Cyprians Umgang mit 1
Cf. Cypr. epist. 54,4.
2
Darauf haben schon B ALL (133) und vor a llem B UCHHEJT ( Cyprian, passim ) hingewiesen. Zwar läßt sich an manchen Stellen auch eine kontextuelle Bezugnahme vermuten, etwa hab. virg. 1 durch die Pragmatik ' Feuermachen' a uf Aen. 1,176, laps. 4 a uf die Sit uation
3
Il.4.3
Auswertung
253
der Aeneis kaum über den rhetorischen Standard hina usgeht, scheint er für Georgisches bei Vergil , genauer gesagt für Schilderungen der Natur und des Landlebens, 1 eine gewisse VorHebe zu hegen.
4.3.4
Vergil be i Cyprian: Funktion und Bewertung
Nimmt ma n nun diese Beobachtungen zu formalen , funkt ionalen und t hematischen Kennzeichen der Vergilzitate bei Cyprian zusammen, ergeben sich folgende vier Grundcharakteristika, von denen zumindest eines auf jedes Zitat z utrifft: 1. Das Zitat steht in der Sachhälfte eines Gleichnisses oder eines metaphorischen Ausdruckes und verleiht ihr eine besondere Prägnanz oder Authentizität. Meist handelt es sich dabei um Bilder, die mit der Nat ur oder mit deren Kult ivierung zu tun haben, also dem bä uerlichen Lebensbereich entnommen sind. Hierher gehören sowohl die mit deut lichen Zitaten versehenen Bilder von der Trennung von Spreu und Weizen (unit. eccl. 9; mortal. 12) oder vom Unkraut im Weizen (Demetr . 23) , als auch mit E lementen vergilischer Sprache d u1·chsetzte metaphorische Ausdrücke wie nullis ad copiam fecundi caespitis culminibus ingravescit (ad Donat. 2) , fom es ac nutrimentum bonae indolis (hab. virg. 1), transmeavit hibern.um (epist. 37,2,2), fluctuans vario mentis aestu (laps. 4), navem scopul·is ne in portum perveniat inlidunt (laps. 16), alta et erecta cervix nec quia cecidit inflexa est (laps. 22) und somno inertiae veteris abrupto (unit. eccl. 27).
2. Das Zitat steht in einer Aufzählung, die der Beschreibung eines Zustandes dient. Oft handelt es sich um eine Art ouvcx.Spotaf.l-6<; von Symptomen, der eine Situation illustrieren soll. Hierher gehören zum einen die kritische Schilderung einzelner Aspekte eines weltverhafteten Lebens in der Schrift ad Donatum (ad Donat. 3; 10ab; 11; 12), zum anderen d ie Beschreibung körperlicher oder geistiger Symptome, etwa des Versagens der Stimme (laps. 8), der Leiden des Ijob (patient. 18), oder die Pathographie des Neides (zel. 8), zum dritten die Bescru·eibungen von Zuständen der Natur, vor allem ihrer Unfruchtbarkeit (Demetr. 3; 20a; mortal. 8) oder Fruchtbarkeit (patient. 4). Auch die Gleichnisse a us der
1
des rat losen Aeneas auf d em Schlachtfeld Aen. 12,486 oder patient. 18 auf Polyphem Aen. 3 ,262sq. Doch außer einer a llgemeinen Präferenz für Wendungen aus dem Bereich der Religion läßt sich kein Bezug auf Grundthemen der Aeneis, etwa Nationalrömisches oder Spezifika der römischen Re ligion, feststellen, anders als bei Minucius Felix oder Arnobius. Thematisch lassen sich hierzu a uch die Aeneisreferenzen hab. virg. l - Feuermachen ist ja, wie in der Erö rterung der Stelle a ngedeutet , seit. Homer ein Topos in der Beschreibung des einfachen (Land- )Lebens - , ad Donat. lOa und mortal. 12a zählen, die durch ihre Verbindung mit Georgikazitateu inhaltlich umakzentuiert werden .
254
n .4
Cyprian
bäuerlichen Lebenswelt ( unit. eccl. 9; mortal. 12abc; cf ad Donat. 14) bestehen teilweise in aufzählenden Beschreibungen. 3. Das Zitat, meist eine E inzelformulierung, steht an einer Stelle mit rhetorischer Gelenkfunktion oder von appellativer Emphase, an der Cyprian sich von einem geschliffenen Ausdruck besondere Wirkung zu erwarten scheint. Hierher gehören d ie Anklänge in der Einleitung 1 von ad Donatum, in der Rahmenschilderung ( ad Donat. 1ab) wie auch insbesondere im Bescheidenheitstopos (ad Donat. 2), und im ersten Satz von de habitu virginum. In de lapsis (Kapitel 4) leitet Cyprian in rhet
Hinzu kommt noch eine weitere Besonde rheit e1mger Vergilreminiszenzen. Cyprian zitiert nämlich öfter Vergil a n Stellen, an denen er biblische Inhalte wiedergibt oder Bibeltexte paraphrasiert. So gibt er das neutestamenliche Gleichnis von der Trennung von Spreu und We izen (Mt 3,12; Lk 3,17) zweimal mit vergilischen Worten wieder ( unit eccl. 9 inanes paleae tempestate iactantur und mortal. 12abc); ebenso verfährt er Demetr. 23 mit dem Gleichnis vom Unkraut im Weizen (Mt 13,24- 30) , wobei a us den neutestamentlichen ~l~
2
Die besondere Aufgabe des Proömiums einer apologetischen Schrift, auch noch Vorurteile des Lesers zu überwinden , hat jüngst RIZZI ldeologia, pa.s sim, herausgearbeitet. In denselben thematischen Rahmen könnte die vergilisch beeinflußte Schilderung der eigenen Konversionserfahrung (ad Donat. 4ab) gehören.
11.4.3
A uswertung
255
(Hab 3,17sq.) aus der im Bibeltext vorgegebenen Unfruchtbarkeit der Felder eine vergilisch formulierte (georg. 1,107) Dürre. Fort. 8 schildert er das Gebet des Mose während des Kampfes mit den Amalekitern (Ex 17,11 sq.) in Ergänzung des Bibeltextes mit dem wahrscheinlich vergilisch inspirierten Ausdruck adlevabat supinas manus. Freiere Wiedergaben biblischer Texte unter Verwendung vergilischer Wendungen finden sich außerdem unlt eccl. 18, wo Cyprian das unrecht mäßige Opfer der Aare nsöhne Nadab und Abihu (Lev 10,l sq.) mit dem vergilischen altari imponere ausdrückt, und unit eccl. 27, wo er die neutestamentliche Aufforderung zum Wachen (Röm 13,11 ; Mk 13,33- 37parr) nach Vergil (georg. 3,530) mit somno inertiae veteris abrupto ausspricht. Berücksichtigt ma n a ußerdem die bereits erwähnten auf Vergil zurückgehenden Wendungen der Kultsprache vana superstitio (Demetr. 5), preces fundere (Demetr. 20b) und pmescius futurarum ( mortal. 19), die Cyprian ja im christlichen Sinne verwendet, und die Darstellung seiner Konversionserfahrung (ad Donat. 4ab), so zeigt sich: Cyprian macht auch an Stellen, an denen er C hristliches im engsten Sinne ausd rückt , Anleihen bei Vergil. Für einige d ieser Stellen läßt sich eine Nachwirkung in der christlichen Latinität nachweisen ,1 so daß, ausgehend von Cyprians Vergilrezeption, ein vergilischer E influß a uf das christliche Latein als ganzes wenigstens in einzelnen Punkten faßbar wird. Insgesamt betrachtet kommt der Vergilrezeption bei Cyprian zwar kaum mehr als eine marginale Bedeut ung z u: Vergil wird nirgends genannt, nirgends wörtlich oder gar a ls Autorität zit iert, sein E influß spielt, vor allem bezogen a uf den Umfang des Gesamtwerkes, keine besondere Rolle. Andererseits aber ergeben diejenigen Stellen , a n denen sich eine Vergilrezeption tatsäeblich fassen läßt, ein cha rakteristisches Bild: Zum einen nämHch läßt Cyprian eine Vorliebe für vergilische Schilderungen der Natur und des Landlebens erkennen, zum anderen findet er öfter bei Vergil Formulierungen, die ih m für dezidiert christliche Inhalte geeignet erscheinen. Er erkennt also via facti die Leistung vergilischer Dichtung an, Wirklichkeit sprachlich zu erfassen, und bedient sich ihrer seinerseits zur VerspracbJicbung christHcher, in vielen Fällen biblische r Inha lte. Dabei scheint nicht nur die Gewohnheit des ausgebildeten Rhetors mehr oder weniger zwangsläufig Wirkung zu zeigen, vielmehr ko mmt offenbar a uch der Bischof in seiner pastora len Praxis und in seinem Streben, die ch1·istllche Verkündig ung in Worte zu fassen, die seiner lateinisch sprechenden Gemeinde angemessen sind, ma ncherorts auf Vergil zurück und gibt seiner Vorliebe für dessen georgische Schilderungen nach. In d iesem Ra hmen kommt dem vergilischen Einfluß bei Cyprian eine gewisse Bedeutung als Quelle eines christlichen Lateins zu.
1
ad Oonat. 12; laps. 4; unit. eccl. 27; Demetr. 5; 20b; 23; mortal. 19; zel. 8. Zur Rezept ion dieser Stellen in der c hristlichen Lit.eratur siehe jeweils ihre Einzeldiskussion oben.
5
Arnobius
5.1
Zur Forschungslage
Unter den Autoren der frühen christlichen Latinität ist Arnobius zwa1· keiner der bedeutendsten, aber sicherlich einer der bemerkenswertesten. Vor allem seine religionsgeschichtliche und theologische Einordnung bietet noch immer , wie die jüngst erschienenen umfangreichen Monographien von MORA (1994) und S IMMONS (1995) zeigen, Anlaß zur Diskussio n. 1 Hieronymus stellt ihn a ls Lehrer der Rhetorik in Sicca Veneria in Africa Proconsularis (vir. ill. 79) vor, zu dessen Schülern Laktanz gehöre (vir. ill. 80). 2 E rst in späteren Jahren wendet Arnobius sich dem C hristentum zu; nach Hieronymus ha be er dem Bischof von Sicca, der an der Aufrichtigkeit der Bekehrung des bisherigen C hristengegners zweifelte, eine Schrift adversus pristinam religionem übergeben.3 Die sieben Bücher adversus nationes4 , begonnen frühestens Ende 302 und fertiggestellt spätestens in der ersten Hä lfte des Jahres 305,5 sind Arnobius' einziges erhaltenes Werk. Es handelt sich dabei um eine materialreiche, phasenweise nicht ganz stringente und ausgesprochen polemische Apologie, deren Grundprinzip die refutatio durch retorsio darst ellt 6 . SIMMONS rückt neuerdings die religionsgeschichtlichen Rahmenbedingungen in den Blickpunkt und sieht das Werk a ls polemische Stellungnahme in der Auseinandersetzung einerseits mit den intellektuellen Gegnern des Christent ums, vor allem Porphyrius und Sossianus Hierokles, die zugleich die propagandist ische Munit ion für die C hristenverfolgung des Diokletian liefern7 , andererseits mit konkurrierenden Kulten in Nordafrika, namentlich dem Saturnkult 8 , so 1
2
3
4 5 6 7
8
F. MoRA , Aroobio e i culti di mistero. AnaJjsi storico-religiosa del V libro dell' Adversus Nationes, Roma 1994; M.B. SIMMONS. Arnobius of Sicca. Religious Conflict and Competition in t he Age of Diocletian, Oxford 1995; beide mit ausgiebigen Bibliographien und eingehender Erörterung der Forschungslage. Neuere Gesamtdarstellungen mit bibliographischen Hinweisen bieten außerdem H. LE BoNNIEC in der lnt1-oduction (7113) seiner Bude-Ausgabe des ersten Buches (Arnobe, Contre les gentils. Livre 1, texte etabli, traduit et. commente par H. LE BONNIEC, Paris 1982), Antonie WLOSOK HLL 5 (1989) §569, und B. AMATA in der umfangreichen Einleitung seiner Übersetzung Arnobio, Difesa della vera religione, Roma 2000, 5-78; kürzer: F . MORA, 'Arnobius [l ]', DNP 2 {1997) 2l sq. ; R. JAKOBI , 'Arnobius', LACL {2002) 62-64. Eine umfassende Auseinandersetzung mit den spärlichen Angaben des Rieronymus bietet. jetzt SIMMONS 94- 130. Oie Lebensdaten lassen sich nur erschließen. Cf. Hier. chron. 327 p.Chr. mit Y.- M. DUVAL, Sur Ia biographie et les manuscrits d'Arnobe de Sicca: les informations de Jeröme, leurs sens et leurs sources possibles, Latomus 45 (1986) 68- 93; cf. SIMMONS 130. Ausgabe von C. MARCHESl, Thrin 19532 , zum ersten Buch LE BONN IEC, Paris 1982. Datierung nach SIMMONS 93; cf. WLOSOK HLL 5 (1989) 366sq. So LE BONNIEC lntroduction 30: "Tout le traite est une immense retorsion ." Dazu SJMMONS kurz 22- 32, doch auch in seiner Untersuchung der theologischen Positionen des Arnobius findet er immer wieder die Auseinandersetzu ng mit. den antichristLiehen Argumenten des Porphyrius (v.a. 216-318). SIMMONS 184- 215.
11.5.1
Zur Forschungslage
257
daß das Werk weniger als klassische Apologie 1 als vielmehr als persönliche Abrech nung mit teilweise einst vom Autor selbst vertretenen antichristliehen Positionen zu verstehen sei. Im erst en Buch greift Arnobius den Vorwmf auf, die impietas der Christen bringe den Zorn der alten Götter über die Menschheit, und widerlegt ihn in drei Schritten: Zum ersten sei keine Zunahme der Übel in der Welt, also keine Strafe der Götter, zu erkennen, zum zweiten sei Zorn an sich den Göttern fremd, und zum drit ten stelle der Glaube an den einen Gott und an Christus keine impietas dar. Im zweiten Buch verläßt Arnobius diese apologetische Argumentationslinie, um eine philosophische Digression über die Seelenlehre einzuschalten. In deren Mittelpunkt steht die Lehre von der media qualitas der Seele, die ihr ewiges Heil erst in der Erkenntnis Gottes find e und nicht etwa, wie Platon lehre, an sich unsterblich sei. Auch gehe die Seele nicht auf einen Schöpfungsakt des höchsten Gottes, sondern nur auf einen Demiurgen zurück. Daher sei die Existenz des Menschen von mannigfachen Übeln und der Unfähigkeit zur Erkenntnis geprägt. Die übrigen fünf Bücher sind der Auseinandersetzung mit paganer Religion und Religiosität gewidmet . Im dritten und vierten Buch trägt Arnobius unwürdige und anstößige Geschichten aus der Mythologie zusammen, um den gegen die Christen gerichteten Vorwurf der Blasphemie auf die Heiden zu lenken. Im fünften Buch beschäftigt er sich zu demselben Zweck mit den Mysterienkulten, in den letzten beiden Büchern mit dem K ult, und zwar im sechsten Buch mit Tempeln und Götterbildern , im siebten Buch mit Opfern und anderen Riten. Während Hieronymus für das vierte Jahrhundert die Lekt üre des Arnobius nicht nur bezeugt2 , sondern empfiehlt 3 , erklär t das decretum Gelasianum die Schr iften des Arnobius für heterodox4 , so daß erst wieder die Spätrenaissance den hohen Quellenwert des Varro christianusschätzen lernt 5 . Damit sind die entscheidenden Probleme auch der modernen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Autor angedeutet, nämlich zum einen die Frage nach den Quellen und die Bewertung des reichhaltigen Materials zu Mythologie und Religionsgeschichte, das Arnobius bietet, 6 zum anderen 1
Sn.1~10NS
22: "The Adv. nat. should not be classified as a ·Chr istian A pology' i n t he tr aditional meaning; and for t hose who sti ll insist that Arnobius should be called a 'Christiau Apologist' , all would undoubtedly agree that he is much more successfu ll in his attack upon paganism t han in his 'defense' o f Christianity. " 2 Hier. epist. 58,10,2 (kritisch); 60,10,9. 3 Hier. epist. 62,2,1; in ls. lib. 8 pr . 4 Decret. Celas. p. 56 I. 320 ed. V. DOSSCHÜTZ T U 38,4. 5 Cf. P. K RAFF'f, Beiträge zur Wirkungsgeschichte des äl teren Arnobius, W iesbaden 1966, ltier 14sq. 6 Gemeinbin geht man davon aus, daß Arnobius Platon, Cicero und Varro sowie Tertu Uian, Minucius Felix, Cyprian und K lemens von A lexandrien benutzt; zur Diskussion im einzel nen A . St'l''l'E, Mythologische Quellen des Arnobius, Diss. masch. W ien 1970; L E BONNI EC fntroduction (1982) 34-60; WLOSOK HLL 5 (1989) 372sq.; Jacqueline CliAMPEAUX , Arnobe lecteu r de Varron , REAug 40 (1994) 327- 357; MORA Arnobio e i culti di mistero ( 1994) 11 - 115 (Arnobius und K lemens).
258
II.5
Arnobius
die t heologische Einordnung des Autors. 1 Eben diese Problembereiche ha ben a uch die Erörterung der Stellung des Arnobi us z ur paganen Kult ur dergestalt geprägt, d aß vor allem die Benutzung paganer Quellen und die Einflüsse der Philosophie, na mentlich des Epikureismus und des Lukrez, erwogen worden sind .2 Einen a nderen Aspekt von Arnobius' Stellung zur paganen Kult ur betrifft die Diskussion der polemischen G rundtendenz des Werkes, die NORDEN zu seiner vielzit ierten Aburteilung des "infamsten P amphletes, welches das Altertum uns überliefert hat" 3 , veranlaßte, die a ber in derneueren Forschung differenzierter als gezielte Auseina ndersetzung mit den Gegnern des C hristentums in der Zeit der Verfolgung beurt eilt wird.4 Eine Gesamtbewertung der Äußerungen über die pagane Kultur bietet ELLSPERMANN (1949) , der dabei ein ambivalentes Verhält nis herausstellt: Einerseits erkenne Arnobius den Wert der kult urellen Errungenschaften und G üter an, nament lich bewundere er Cicero, Varro, Plato und Aristoteles. Andererseits a ber verurteile er Dichtung und T heater a ufgrund ih rer amoralischen und blasphemischen Mythologie und die Rhetorik a ufgrund ihrer Fähigkeit zur Irreführung. 5 Ein wicht iges Moment ist Arnobius' kompromißlose Able hnung der heidnischen Göttermythen . Daraus ergibt sich zum einen , wie A MATA (1988) zeigt, ein sehr distanziertes Ve rhält-nis z ur paganen Bildung "insgesamt. 6 Zum anderen wird davon die Einstellung zur Dicht ung im besonderen beeinßu ßt,7 wie SWTFT (1965) anhand eines Vergleichs mit Laktanz a ufzeigt: W ährend La ktanz die pagane 1
Cf. C . B URGER, Die theologischen P ositionen des älteren Arnobius, D iss. Heidelberg 1970; LE ßONNIEC fntroduction (1982) 6Q-85; B. AMATA , Problemi di a.ntropologia. arnobia.na., Roma 1984; R. LAURENTI, Spunti di teologia arnobiana, Orpheus ns 6 ( 1985) 27Q-303; P .F . BEATRICE, Un oracle antichretien chez Arnobe, in: Y. OE ANOIA et al. (ed.) , Memor ial J . GRIBOMONT, Rome 1988, 107- 129; WLOSOK HLL 5 (1989) §569; F. MoRA Arnobio e i culti di mistero (1994) passim; S IIIIMONS (1995) passim. 2 Auf diese b eiden Bereiche wird noch einzugeben sein , d ie Forschungsdiskussion bezüglich des Epikureismus faßt S JMMONS (1995, 131- 136) zusammen. - Der Stellung des A rnobius in der und zu der r hetorischen Theorie der paganen Antike hat vor kw-zem (1993) VJCIANO eine Studie gewidmet. 3 Antike Kunstprosa 11 605 Anm. 1. 4 Dazu beis pielsweise J . VOGT, T oleranz u nd Intoleranz im constantinischen Zeitalter: d er Weg der lateinischen Apo logetik, Saecu lum 19 (1968) 344- 361 , h ier 350 (Verfolgungssituation ); Ilona ÜPELT, Schimpfwörter bei Ar nobius dem Älteren, WS NF 9 (1975) 161- 174, hier 174 ( maßvolle , gezielte Polemik ); C.A. CONTRERAS, C bristian Views of Pagan ism , ANRW II 23,2 (1980) 974- 1022, hier 1006-1019 (Auseinandersetzung mit heidnischen Positionen); 0 . G tGON, A r nobio: cristianesimo e mondo romano , in: Mo nd o c lassico e cristianesimo, Roma 1982, 87- 100 (protreptische Te ndenzen); SJMMONS (1995) passim (gegen Porphyrius und die geistigen Väter der Diokletian iscben Ver folgung). 5 ELLSPERMANN 54-66. - Abgesehen von den auch hier nich t ganz unproblematischen A usführ ungen von K RA USE (116-119) bat sich d ie Forschung eher mit Einzelaspekten (Autorenbenutzu ng, Einfluß des L ukrez, po lemische Auseinandersetzung mit dem Heidentu m) als m.it der Stellung d es Arnobius z ur paganen K ultur insgesamt auseinandergesetzt. 6 B. AMATA, Mito e paideia in Arnobio d i Sicca, in: C rescita d ell 'uomo (eta p ostnicena), a c ura d i S. FELICI, Roma 1988, 35-50. 7 Zur K ri tik an den Mimen Arnob. oat. 7 ,33, d azu A MATA Mito e paideia 40.
II.S.l
Zur F or schungslage
259
Literatur differenziert betrachte w1d nach Anknüpfungspunkten suche, stelle Arnobius die refutatio alles Heidnischen in den Mit t elpunkt (448). Da bei erörtere Arnobius die dichterische Mythologie unter v ier Blickwinkeln: zum ersten und vor allem a ls Tatsachenberichte über die Götter, an denen er d as Widersinnige und d as Blasphemische der Mythologie hervorhebe (441 ), zum zweiten als d ichterische Fiktion, was aber, so Arnobius, a n deren Anstößigkeit nichts ändere. 1 Zum dritten erscheine die Dicht ung als Objekt allegorischer Deut ungen, die Arnobius jedoch als unz ulässige und willkürliche Entfernung vom einzig g ültigen Literalsinn ansehe,2 und v iertens, wenn a uch nur am Ra nde, als Quelle euhemeristischer Arg umente 3 . SIMMONS (1995) führt die scharfe Kritik an der dicht erischen Mythologie und d ie kategorische Ablehnung deren a llegorischer Deut ung d ara uf zurück, daß Porphyrius diese beiden Punkte in seiner a nt ichristliehen Polemik zur Sprache b ringt .4 Charakteristisch fi.ir Arnobius ist also d as Nebeneinander von scha rfer, zielgericht eter Polemik einerseits und umfang reichem Rückgriff a uf pagane Autoren a nd ererseits. 5 So erwähnt er eine ganze Reihe griechischer und lateinischer Autoren 6 , beruft sich öfter ohne Namensnennung a uf pagane Autoritäten 7 . Ins besondere Platon, Cicero und Varro benutzt er eingehend und hebt a usdrücklich ihre Autorität hervor , ohne ihnen jedoch kritische Bemerkungen zu ersparen 8 . Auf die bislang wenig beachtete Benutzung von Seneca weist MASTA NDREA (1988) hin .9 Was nun die Dichter angeht , die Arnobius zitiert, so muß man fü r d ie meisten G riechen eine indirekte Benutzung a nnehmen. 10 Unter den Lateinern 1
Arnob. nat. 4,1.32.34; 5 ,1; SwtPT 442. 2 Aruob. nat. 5,33- 45; SwwT 443sq. 3 Arnob. nat. 4.29; 5,39. 4 SrMMONS passim, v.a. 243- 263. 5 So etwa zusammenfassend H AGENDAHL Von Tertu.llian 33.37 6 Über die Erwähnungen und namentlichen Zitate gibt d er index scriptorum qu.i ab Arnobio citantu.r· in d er A usgabe von MARCHESI (413sq.) Ausk unft; umfassend zu den Quellen d es Arnobius LE B ONNtEC lntroduction 34-60; zu den direkten Zitaten aucb I< RAUSE 176- 178. 7 Zusammenstell ung d er anonymen Verweise bei L E BONNIEC lntrodu.ction 35 An m. 1. 8 Zu Plato etwa Arnob. nat. 1,8 Plato ille sublimis apex philosophorum et columen; kritisch etwa Arnob. nat. 2,13; Weiter es bei L E BONNIEC lntrodu.ction 41-46; zu Cicero etwa Arnob. nat. 3,6 et ante omnes Thllius Romani disertissimu.s generis nu.llam veri-
9 10
tu.s impietatis invidiam ingenue constanter et libere quid super tali opinatione sentiret pietate cu.m maiore demonstrovit. Weiteres LE B ONNJEC lnt1-odu.ction 46-48; ders., L 'exploitation apologetique par Arnobe du de naturo deorum de Ciceron, in: R. C HEVALLIER (ed.), Presence de C icer on, Paris 1984, 89- 101; zu Varro etwa Arnob. nat . 5,8 Varro ille Romanu..s multifotmibtLS eminens disciplinis et in vetu.statis indagatione rimator; Weiteres LE B ONNIEC l ntrodttction 48sq.; C HAMPEAUX passim. P. MASTANDREA , Lettori cristiani di Seneca fi losofo, Bresci a 1988, 9-50. Arn ob. oat. 3,37 werden Myrtilus und Hesiod als Gewährsleute für die Zahl von sieb en bzw. neun Musen erwähnt; das Pindar.titat. Arnob. nat. 4,24 kann au f C lern. Alex. protr. 2,30,1 oder T ert. nat. 2,14; apol. 14 ,5 zurückgehen; die Verweise au f Hornet·, Epicharm, Sophokles und Panyassis im folgenden Kapitel ( Arnob. nat. 4,25) hat schon die Vorlage C lem. A lex. protr. 2 ,36sq.; zum Verweis aufSophokles Arnob. nat. 4,35 siehe unten (3 11); ansonsten erwähnt Arnobius nat. 5,18 Boutas, einen Freigelasseneo d es
260
11.5
Arnobius
hingegen scheint er den zweimal erwähnten Lucilius selbst zu kennen 1, einmal spricht er von einem ansonsten unbekannten Stück Marsyas des Pomponius2 , die beiden Nennungen des Ennius könnten von C icero angeregt sein3 . Zwar auch nur an einer Stelle namentlich zitiert,4 aber dem Arnobius ohne jeden Zweifel wohl vertraut und von ungleich größerer Bedeutung für sein Werk ist Lukrez. Zwar geht man seit der für die Lukrezrezeption des Arnobius grundlegenden Studie von H AGENDA HL (1958) nicht mehr davon aus, daß der Apologet vor seiner Konversion dem Epikureismus angehangen habe, aber der sprachlich-stilistische und gedankliche Einfluß des Dichters, dessen Positionen Arnobius teils krit isiert, teils für seine Argumentation übernimmt, ist nicht zu übersehen. 5 HAGEN DAHL verzeichnet zunächst lukrezische Wörter6 und Formulierungen7 bei Arnobius, dann inhaltliche Übernahmen: So gest alte Arnobius die Lobrede auf Christus (1,38) , der den Menschen die Erkenntnis über die Vorgänge der Natur und über die Allmacht Gottes bringt, zwar nach dem lukrezischen Lob des Epikur im Proömium des fünften Buches, wende sich damit aber letztlich kritisch gegen den von Luk:rez erhobenen Anspruch, mit Hilfe materialistischer Naturphilosophie zur Welterkenntnis zu gelangen - diese nämlich komme nur von C hristus. 8 Wichtige Impul-
1
2 3
4
5
Jüngeren Cato, der gr iechische cxht<x römischen Inhalts verfaßt, nat. 5,19.21 einzelne We rke bzw. nat. 5,21 einen auctor Tarentinus, quem antiquitas canit dicens 'Laurus draconem genuit et taurum draco '. Cf. LE BONNIEC l ntroduction 36- 39. Arnob. na.t. 2,6 Unde quaeso est vobis tantum sapientiae traditum {. .. }? {. .. ] quia Fornicem LuciliantLm et; Marsyam Pomponi obsignatum memoria continetis {. .. ]? (dazu jetzt A. PERRUCCIO, 11 ' Fornix' di Luc ilio , O crisia e Ia nascita di Servio Th llio: note a.rnobiane, Maia 52 [2000] 285- 294); 5 ,18 tune sancta ecferventia numina vim vomuisse
Lucilii ac regem Servium natum esse Romanum. Arnob. nat. 2,6; s iehe vorige Anm. Arnob. nat. 4,29 wird Ennius a ls Übersetzer des Euhemerus erwä hnt wie Cic. nat. deor. 1,119. Arnob. nat. 3,16 Nam quid in homine pulerum est, quid, quaeso, admirabile vel decorum, nisi quod et clurino cum pecore nescio quis auctor voluit esse commune? wie Cic. nat. deor. 1,97 lpsa vero quam nihil ad rem pertinet, quae vos delectat maxime, similitudo. quid canis nonne similis lupo ( atque, ut Ennius, 'simia quam similis turpissuma bestia nobis '); at mores in utroque dispares. Arnob. nat. 3 ,10 flavet animus atque ardet, in chalcidicis illis magnis atque in palatiis caeli deos deasque conspicere intectis corporibus atque nudis, ab laccho Cerer'efTI, Musa ut praedicat Lucretia, mammosam f. .. J. zu Lucr . 4,11 68 at nimia et mammosa Geres est ipsa ab laccho, / simulo. Silena ac Satumst, labeosa philema. HACENDAHL (Latin Fathers 12-47; zusammengefaßt und in ein igen Punkten weitergeführt Von Tertullian 35-37) b ietet sowohl eine kritische W ürdigung der älteren Literatur, namentlich der seit E. K LUSSMANN , Arnobius und Lukrez, oder ein durchgang vom epikuräismus zum Ch ristentum , Phi lo logus 26 ( 1867) 362- 366, öfter vertreteneo T hese vom bekehrten Epikureer Arnobius, als auch Verweise auf ältere Zusammenstellungen von Similien. - Grundsätzlich im Sinne eines stilistischen Einflusses und einer eklektizistischen Verwendu ng d es Lukrez bei Arnobius auch L E BONNIEC l ntroduction 51sq. ; 8 . AMATA Problemi 61--68.
6 7
Latin Fo.thers 14sq. Latin Fathers 15sq.
8
Zu d en Entsprechungen zwischen nat. 1,38 und Luc r. 5, l sqq. im einzelnen Latin Fathers 18- 23, hier 19: "Tbe two eulogies harmonize not so much in their details and in tbeir phraseology - being a skilled rhetor Arnobius is accomplished in the art of va.rying
II.5.1
Zur Forschungslage
261
se von Lukrez hingegen empfange Arnobius vor allem in der pessimistischen Seelenlehre des zweiten Buches, aber a uch in der Polytheismuskritik des dritten Buches, in der Anthropomorphismuskritik des vierten Buches und in der Opferkultkritik des siebten Buches. 1 Drei heterodoxe Ansichten des Arnobius - die Welt ist nkht um des Menschen wi!Jen erschaffen, die Seele ist sterblich, Gott kann nicht z ürnen - verwiesen auf epikureisches Denken.2 Da neben ist auch öfter auf den Einfluß des Ovid hingewiesen worden: So greift Arnobius, wie HAGENDAHL (1937) zeigt , in seiner Kritik an der Habsucht und ihre n verderblichen Folgen (nat. 2,40.43) Ovids Darst ellung des Eisernen Zeitalters (met. 1,127- 150) bis in einzelne Formulierungen auf. 3 RAPISARDA (1946) geht von einem nennenswerten, aber schwer faßbaren sprachlichen Einfluß des Ovid a us und nennt Parallelen zu den Fasti und den Metamorphosen 4 , die deren Benutz ung als Quelle nahelegen, was neuer-
1
2 3 4
his expressions - as in their genera t tone and line of thought." - H AGENDAHLS oben sk izzierte Interpretation ist d as Erge bnis einer Diskussion, die sich an dem scheinbaren Widerspruch von 1,38, wo C hristus selbst als Lehrer der Naturphllosophie a uftritt, und von 2,6 1, wo er die Beschäft igung mit solchen Fragen verbiet et, entzündet hat: H AGENDAHL ( Latin Fathers 29) erklärt d en Widerspruch zunächst als ''proof of t he aut bor 's acknowlegded haste, carelessness and imperfect knowledge of t he new religion", der Apologet e ntnehme Lukrez e infach Formulierungen und Gedanken, die ihm gerade nützlich erschienen (Lettin Fathers 3 1). Gegen diese E rklärung und die Interpretation von H AGEN DAHL wendet sich in a ller Schärfe W. SGHMID , Christus als Naturphilosoph bei Arnobius, iJJ: Ders. , Ausgewä hlte philologische Schriften, hg. v. H. ERBSE / J . K ÜPPERS, Berlin / New York 1984, 562- 583 (erstmals in: Erkenntnis und Verantwort u ng. FS T . LrTT, Düsseldorf 1960, 264- 284), hier 569sq.: "Man darf nicht g lauben , in d en lukrezischen Floskeln die Sache selbst zu haben; was C hristus an naturphilosop hischen Lehren z ugeschriebe n wird , ist zwar in zahlre ichen Punkten kunstreich mit zweife llos beabsichtigte n Anklängen a n die ensprechenden lukrezischen oonuxta form ulier t , hat aber in seiner Substanz in Wa hrheit wenig mit Lukrez zu tu n." Vielme hr sei die Le hrrede C hristi im Ka pitel 1,38 als Offenbarung christlich- her metische r He ilswahrhe ite n zu verstehen. Daher ergebe sich a uch kein Widers pruch zur Ver urteilung selbständ igen menschl.iche n Erken ntnisstrebens im Ka pitel 2,61. Daß diese Lnterpretat ion fre ilich - ä hnlich wie d ie These von .J .D. I\11ADDEN, J esus as Epic urus. Arnobius o f Sicca's Borrowings from Lucreti us, CCC 2 (198 1) 215- 222, dem Ka pitel 1,38 liege g nostisches Gedankengut in der äuße re n Fo rm einer retmctatio von Lukrez zugr unde - in der Frage nach dem Verhält nis d es Apo logeten zu Lukrez nicht weiterfüh rt, merk t H AGENDA HL (Von Tertullian 36) spät er (1983) a n. Die Bezugnahme auf d ie materia listische Naturphilosophie und auf das Werk des Lukrez im Kapitel 1,38 sei als Spitze des Agnostikers Arno bius zu verstehe n und widerspreche dem im Kapitel 2,61 Gesagten nicht , denn die gemeinsame Aussage sei (36): "Christus hat uns über die Welt hinlänglich unterrichtet und erla ubt uns nicht , weiter danach zu forschen." Latin Fathers 31-4.5. H AGENDA HL Lettin Fathe1·s 45-47; Von T ertullian 36sq. H. H AGENDA HL , En Ovidiusreminiscens hos Arnobius, E ranos 35 (1937) 36--40. E. RAPISA RDA , Arnobio, Catania 1946, 253 mit Anm. 2: fast. 2,558 zu nat. 2,67 - H. LE BONN IEC, Le temoignage d 'Arnobe sur deux r ites archiiques du mariage ro main , REL 54 (1976) Ll ü- 129, hier 116- 129, hingegen führt Arnobius' Ausfü hrungen Uber die hasta caelibaris auf Verrius Flaccus zurück -; fast . 6,299 zu nat. 3,32 (Ety mologie der Vesta) ; fast. 1,171 zu nat. 3,29 (Ja.nus) ; fast. 259- 350 zu nat. 5,1; met. 15,553 zu nat. 2,69; met. 2,627 zu 1,2 (iusta); met. 6 ,110 zu nat. 4,26 (Antiope) ; nat. 1,4 klinge die ovidische Schilderung von SintAut und Weltenbrand nach.
262
ll.5
Arno bius
dings CHAMPEAUX {1994) in bezugauf Etymologien von Götternamen in den Fasti konkretisiert. 1 Die bislang eingehendste und materialreichste Untersuchung bietet LE BONNIEC (1982) :2 Er stellt zahlreiche erstmals bei Ovid belegte, von Arnobius aufgegriffene Adjektive3 , Substantive4 und spezielle Ausdrucksformen 5 zusammen und weist a uf inhaltliche Parallelen hin, etwa das Mitleid mit dem Opferstier6 , verschiedene Liebesabenteuer von Göttern,7 und vor allem den Bericht von der Einführung des Asklepiuskultes in Rom8 . 1
CHAMPEAUX 352; über die inha.Jtlichen Differenzen zwischen Arnob. nat. 5,25sq. und Ov. met.5,446 461; fast . 4,504- 560 Anne-Marie TUPE'f, Une anecdote eleusiniennne chez Ovide et chez Arnobe, in: R. C HEVALLIER (ect.) , Presence d 'Ovide, Paris 1982, 153-163. 2 H. LE BONNIEC, Echos ovidiens dans 1' adversus nationes d' Arnobe, in: R. CHEVALIER (ect.), Presence d 'Ovide, Paris 1982, 139-151; dort (140 Anm. 4) auch eine kritische Sichtung der von RAPISARDA angegebenen Parallelen. 3 Agitabilem Ov. met. 1,75 und Arnob. uat. 7,50 (aber auch P s. Apul. Ascl. 31; Ser. Samm. 254, cf. ThLL I 1328 s.v.); dubitabilis Ov. met. 1,223; 13,21 und Arnob. nat. 1,49; 2,17; 3,4 (nach ThLL V 2074 s.v. weitere Belege erst nach Arnobius) ; prodigiosus Ov. am. 3,6,17; met. 9,727 und Arnob. nat. 5,10; 6,2; vitabilis Ov. Pont. 4,14,31; Arnob. nat. 5,13. 4 Medicamen met. 2,122 und 19 weitere Belege zu Arnob. nat. 1,41; 1,48; 1,65 zweimal (nach ThLL VIII 529-531 s.v. jedoch kein spezifisch ovidischer Charakter, etwa Cic. Pis. 13; Colum. 6,4,2; Plin. nat. 8,127; Tert. pall. 6 etc.); moderamen Ov. met. 2,48 und sechs weitere Belege zu Aroob. 1,2; 5,1 (ThLL VII s.v. 1203,37sq. "legitur inde ab Ov. , [...J in sermone pedestri ab Apul."); molimen zwar erstmals Lucr. 4,902, aber sechs Belege bei Ovid (met. 6,473 etc.) zu Arnob. nat. 6,13 (ThLL VIII s.v. 1356,5658 "legitur apud poetas inde a Lucr., Hor., Ov., Val. Fl. , a p ud scriptores post unum loc um Livi [2,56,4] saepius inde a s. III in."); für fundamen (Arnob. nat. 3,1; 6,7) und libamen (Arnob. nat. 1,43; 3,24; 7,20) zwar jeweils ein Beleg bei VergiJ (georg. 4,161 bzw. Aen. 6,246) , aber vier (met . 5 ,361; 14,808; 15,433; fast. 4,835) bzw. zwei (epist. 4,27; fast . 3,733) Belege bei Ovid (cf. ThLL VII,2 s.v. libamen 1257,28-30 "legitur in poesi a Verg. [...], in Prosa apud Paul. Fest. et inde ab Apul."; ThLL Vl, l s.v. fundamen 1549,5lsq. "legitur apud Verg., Ov. , Manil. -a et -e, tum invenitur denuo ab Arnobio."). Zum dichterischen bzw. ni.cht dichterischen C harakter der Substantive auf -men FOUCHER 175- 180. Siehe unten zu tutamen Arnob. nat. 1,28a al. (273) und fundamen 3,1 (296). 5 Adhinnire für das erotische Werben Arnob. nat. 4,14; 5,22 wie Ov. ars 1,280 (und re m. 634) , aber auch schon Plaut. Cist. 308 und dann Apul. met. 6 ,28, d ann häufiger bei den Christen (cf. ThLL I s.v. 651,3-8); sidero.e sedes Arnob. nat. 6,17 wie ars 2,39, aber auch Verg. Aen. 10,2sq. ; die Unterscheidung zwischen einer plebs unter den Göttern und dei nobiles bei Arnobius (nat. 1,32 plebeia ( ... } numina; 3 ,3 plebeia multitudo; 3,4 plebs numinum) wie Ov. met. 1,171- 173 (cf. fbis 8 1); palatia caeli Arnob. nat. 3 ,10; 3 ,44 wie Ov. met. 1,176; Semeleia suboles Arnob. nat. 5,44 nach proles Semeleia Ov. met. 3,520; 5,329; 9,641; Ovids Vergilreferenz met. 2,71 sideroque alta trahit celerique volumine torquet zu Aen. 9,93 torquet qui sidera mundi als Anregung für Arnob. nat. 5,23 torquentem illum sidero. (dazu unten 316 ad l.). 6 Arnob. nat. 7,9 (Prosopopoiie des Opferstieres); 7,4, bei Ovid neben anderen Stellen ' (angeführt von LE BONNIEC Echos ovidiens 143) vor allem eine Passage der P ythagorasRede (met. 15,127- 137). 7 LE BONNIEC Echos ovidiens 144- 146, aUerdings nur mjt minimalen wörtlichen Übereinstimmungen. 8 Arnob. nat. 7,44---47, wofür LE BONNTEC (Echos ovidiens 146- 148) Ov. met. 15,624744 als eine von mehreren Quellen s ieht, deren Benutzung er an zahlreichen inhaltlichen und sprachlichen Para.JleJen aufzeigt.
11.5.1 Zu1· Forschungslage
263
E ine systematische Studie des zweifellos vorhandenen ovidischen Einflusses bei Arnobius steht allerd ings, wie LE BON NlEC selbst anmerkt, noch a us. 1 Als Belege fü r den Einfluß des Horaz führt RAPISARDA (1946) einige sprachliche Parallelen an,2 a ußerdem vermerkt er für einzelne Stellen Referenzen auf Catull , Lucan und Juvenal. 3 Was den vergilischen Einfluß im Werk des Arnobius angeht, so hat man zahlreiche Similien zusammentragen. 4 Die Äußerungen über die Vergilrezept ion bei Arnobius st ehen jedoch in der Regel entweder, so vor allem in der ä lteren Literatur, unter dem Vorzeichen der Quellenfrage,5 oder beschränken ' Echos ovidiens 151 - Dabei bedürfte jedoch auch das zusammengetragene Material einer nochma ligen Durchsicht, weniger wegen einiger kleiner Ungenauigkeiten (leider auch bei den Stellenangaben), vielmehr, da der color Ovidianus bei manchen d er angeführten Wörter angezweifelt werden kann, was LE BONNIEC aber a uch selbst berücksichtigt. 2 RAPISARDA Arnobio 242sq. leider vor a llem bloße Stellenangaben. Hinzuzunehmen wäre jedenfalls Arnob. nat. 4,16 ex pateris auTeis inf eria vina defundi nach Hor. carm 4 ,5 ,34 mero defuso pateris (cf. ThLL X,l s.v. patero 693,58). Keine Horazzitate kennt • K. SIMECEK , Horatius u spisovatelü starokfestanskych, LF 62 {1935) 516-519.524, hier 518. 3 RA PISARDA Arnobio 236 (Catull); 254 Anm. 1 (Lucan) und 2 (Juvenal). - L E BONNIEC allerdings erwähnt Catull, Ho raz, Lucan oder Juvena l a ls Vorbilde•· des Arnobius im Kapitel "Les sources" seiner l ntrodttction ebensowenig wie HAGENDAHL Latin Fathers. 4 Listen bieten vor a llem P. SPINDLER, De Arnobii genere dicendi, Diss. Straßburg 1901, 11- 14, 8 ÜRNER 36-38, RAPISARDA Arnobio 165; 236; 248 Anm. 2 - Dabei handelt es sich a llerdings um eine ko mment ierte Liste von Stellenangaben, was aufgrund der Länge d er Arnobiuskapitel und der Tatsache, daß RAPISARDA offenba r a uch sehr vage P arallelen verzeichnet , in ma nchen F'ä.llen nicht genügt; schwer nachvollziehbar die folgenden Angaben: Aen . 4,38 zu nat. 2,70; Ae n. 4,699 zu nat.. 2,16 (der Gebrauch von damnare mit dem Ablativ für die Sankt io n? dazu aber KS I 466sq.: "(W lohl findet sich nachklassisch morte damnare, wie überha upt hier der Abi. der Strafe sich in verschiedenen neuen Wendungen findet."); Aen . 4,50 zu nat. 2,39 (poscere mit doppeltem Akkusativ nach der Lesung atLXilia poscerent eos? dazu aber KS I 299sq.); Aen. 4 ,539 zu na t . 3 ,1 (der Gebra uch von stare? dazu aber OLD s.v. sto 18); Aen . 6,852 zu nat. 4,35; Aen. 8 ,102 zu nat. 1,41 (Erwäh nung von Opfern für Herkules?); georg. 1,107 zu nat. 1,2 ( Erwähnung von Un fruchtbarkeit?); georg. 1,9 zu nal. 5,51(sic.1; georg. 1,214 zu nat . 1,91 (sic.1; georg. 1,150 zu nat. 2,59 (Erwähnu ng des Getreideanbaus?); ecl. 6,54 zu nat. "V ,1,3" (de r Vergilvers wird nat. 5,23 z itiert, e in 0.-uckfehler?) - die übrigen Stellen sind unten erörter t Daher wird ma n a llerdings wohl a uch die von RAPISARDA (l.c.) gemachte n Beobachtungen zu Häufigkeit und Verteilung mit äußerster Zurückha ltung betrachten müssen . - Weiterhin führen Vergilzitate auf: LE BONNrEC ( 1982) in der Einleitung seiner Ausgabe (53). CURTI, Paola SANTORELLI, Parodia. virgiliana in Arnobio, Maia 41 ( 1989) 241- 250. E inzelne Hinweise finden sich daneben auch bei HAGENDAHL Latin Fathers 40 Anm. 3; COURCELLE Lecteurs, passim. Ausgiebig s ind schließlich auch die Kommentare von G .E . l\ lcCRACKEN , Arnobius of Sicca, The Case aga inst the P agans. Adversus nationes, ewly 1Tans lated and Annotated , West minster / Ma ry land 1949 (Ancient C hristian Writers 7), und von LE BONNIEC zum ersten Buch. Weniger bieten J .M.P .B . VAN DER P UTTEN, Arnobii adversus nationes 3,1- 19, uitgegeven met in Ieiding en comm entaar, Oiss. Le ide n 1970; Gabriele G IERLICH, Arnobius von Sicca. Ein Kommentar zu d en ersten beiden Büchern seines Werkes adversus nationes, Diss. m asch . Mainz 1985, sowie die Ausgaben von A. R EIFFERSCHEID, Arnobii adversus nationes libri VII, Wie n 1875 (CS EL 4), u nd MARCHESI. 5 So etwa 0 . JIRA NI, M ytho logicke prameuy Arnobiova spisu Adversus Nationes, LF 35 ( 1908) 1- 11 ; 3- 97; 163- 188; 323- 339; 403-423 ; SITTE passim . 1
264
II.5
Arnobius
sich auf den allgemeinen Hinweis , daß eine solche zwar t rotz des Fehlens direkter Zit ate vorliege, vor a llem bei der persiflierenden Darstellung der Götter und zur stilistischen Ausschmückung, aber insgesamt, so noch H ECK (1990) , "nicht auffallend" sei. 1 An eine differenziertere Untersuchung macht sich erst Paola SANTORELLI (1989), die beabsichtigt, vermittels einer Analyse der loci communes "un griglia ermeneutica in grado di portare a lla luce il maggior numero possibile dl dati" (241) zu erstellen. Für Arnobius charakteristisch seien solche Zitate, bei denen ein komischer Effekt in bezug auf pagane Gottheiten entweder d urch den Folgekontext oder durch das Zitatsegment selbst hervorgerufen werde (243). Neben einer "citazione passiva, automatica" (l.c.), wozu vor allem dle Verwendung der traditionellen Götterepitheta gehöre, sei auf einer höheren Stufe der Intertextua lität für Arnobius die "smltizzazione di Virgilio" ( l. c.) charakteristisch, d.b. dle Prosifikation durch Inversion und Substitution und die Färbung mit einem "colorito ironico se non addl rritura sprezzante" (l.c.). Aus der Interpretation einer Reibe von Zitaten 2 ergebe sich, daß sich die Vergilbenützung des Arnobius am t reffendsten als 'P arodie' bezeichnen lasse (249). Diese ' Parodie' trete bei Arnobius auf in Form einer ' Entmythisierung', d.h. einer Emanzipation vom Einflu ß des Autors, und in Form einer 'E nt heiligung', indem der Text durch Umkehrung, Verdrehung, Absenkung des Stilniveaus oder Entstellung eines bekannten Motivs der Lächerlichkeit preisgegeben werde. 3 Während in der Forschung bislang Vergil als eine Quelle des Arnobius unter vielen gegolten hat, aus der er lediglich einzelne Pointen über die heidnischen Götter 4 und etwas ornatu!' schöpft, stünde nach dieser jüngsten Deutung die Vergilrezeption des Arnobius unter den Vorzeichen gezielter Kritik, ja Herabsetzung des Dichters. Vor diesem Hintergrund wird bei der anschließenden Diskussion der einzelnen Vergilzitate insbesondere zu erörtern sein, ob VergiJ erstens Ziel oder Mittel der Polemik ist, das heißt, ob er bewußt 'entheiligt' und 'entmythisiert' oder a rgumentativ funktionalisie rt wird , und welche Rolle er zweitens als Quelle spielt.
1
H ECK Vestrum est (1990) 117 mit Anm. 76: " E r zitiert Vergil nicht ausdrücklich, streut aber vergilische Wendungen insbesondere in seine Götterkritik - zu l uppiter und I uno - ein". ln diesem Sinn auch LE BoNNJEC lntroduction (1982) 52sq.; M cCRACKEN (1949) l 37; KRAUSE (1958) 177; HAGENDAHL Latin Fathers (1958) 40; HAGENDAHL Von Tertullian (1983) 38; ÜALLICET Vergil (1986) 198. 2 Arnob. nat. 4,21 ; 2,24 ; 3,21 ; 7,22; 3,30; 1,36; 3,9; 1,17; 3,10; 4,24 ; 4,26; 7,19; 4,1; 5,31 ; 5,23; 4,35 (vornehmlich kul turell bedingtem Einfluß weist sie 6,5; 6,16; 6,23; 7, 17; 7,20; 7,26; 7,33 ; 1,2 zu) . 3 Cf. SANTORELLI 249, mit Ber ufung auf GENETTESAusführungen zur Parodie (32- 39). 4 So etwa H AGENDAHL Von Tertullian 38; H ECK Vestrum est 117 Anm. 76. 5 So etwa LE BoNNIEC Echos ovidiens 139: " Arnobe d esigne nommement. ses auctores, Platon, Varron, C iceron, lorsque ceux- ci p euvent lui fournir d es arguments; aux poetes il d emande surtout I' ornatus orationis dont s'embellit sa prose d 'art, afin de seduire le lecteur."
Il .5.2
Die Vergilzitate
5.2
Die Vergilzitate
265
1,2abc (MARCHES r 2,24sq.; 3,6.1 2) 1 Numquid ipse (a) siderum sol princeps, cuius omnia luce vestiuntur atque animantur calore, exarsit intepuit atque in contrarios habitus moderaminis soliti temperamenta corrupit? numquid Luna desivit redintegrare se ipsam atque in veteres formas novellarum semper restitutione trad·ucere? numquid frigora, numquid calores, numquid tepores medii inaequalium temporum confusionibus occiderunt? numquid longos habere dies b?'·uma et revocare {b) tardissimas luces nox coepit aestatis? numquid suas animas expiraverunt venti emortuisque ftaminibus neque caelum coactat·ur in nubila nec madidari ex imbribus arva s·uccedunt? commendata semina tellus recusat accipere aut frondescere ar-bares nolunt? sapor frugibus esculentis et vitis liquoribus mutatus est? olearum ex baculis { c} cruor taet er exprimitur nec l·u mini submin·istratur extincto? Zu Beginn seiner Argumentation zeigt Arnobius im K apitel 2 anband zahlreicher Beispiele aus der Natur, daß sich der Weltenlau f, postq·uam esse nomen in terris Christianae religionis occepit, nich t verändert habe. (a) Der in diesem Zusammenhang verwendete Ausdruck luce vestiri findet sich in ähnlicher Form in Vergils h
Largior hic campos aether et lumine vestit purpureo, solemque SU'I.tm, sua sid era norunt. Nachvergilisch wird diese Formulier ung zwar in der Dichtung ka um mehr aufgegriffen, in der ä lteren Poesie aber ist sie sehr geläufig; 2 ins besondere kommt auch eine Lukrezstelle a ls Vorbild in F rage, Lucr. 2,148 (144- 149):
primum aurora novo cum spargit lumine te1'Tas et variae volucres nemora avia pervolitantes aera per tenerum liquidis loca vocibus opplent, quam subito soleat sol ortus tempore tali convestire sua perfundens omnia luce , omnibus in promptu manifestumque esse videmus. Ob Arnobius hler eher unter dem Einfluß des Vergil oder unter dem des Lukrez steht, läßt sich, zumal Arnobius mit beiden Prätexten seh r vertraut ist, kaum entscheiden: Auf letzteren verweis t d as trotz seiner rhythmischen Auffälligkeiten , allerd ings nicht in d er Kla usel, übernommene omnia luce, auf ers teren das verbum simplex vestire und d as Stichwort sidera im unmittelbaren Kontext, wenn a uch d er Bezug d ifferiert. Jedenfalls sucht Arnobius 1
2
Da in den Gesamtausgaben die Kapitel oft umfangreich und nicht weiter unterteilt sind, werden hier für die Zitatsegmente zusätzlich Seite und Zeile in der Ausgabe von MARC HESI (ab jetzt: M .) angegeben. Cf. NORDEN ad I. 297; AU STIN ad l. 204 , mit weiteren Belegen vor allem aus Ciceros Aratea; letztlich gehe der Sprachgebrauch wohl auf die Tragödie zurück; cf. OLD s.v. vestio !Jd. Auch die Sprache der Psalmen ke nnt eine solche Metaphorik: Vulg. Ps. (H) 103,2 amictus luce quo.si vestimento Ps. (LXX ) 103,2 amictus lumine sicut vestimento.
266
II.5
Arnobius
einen color poeticus in der Ausgestaltung dieses exemplum a us der Natur. 1 (b) Nach H AGENDAHL2 geht numquid Jrigoro, numquid calores, numquid tepores medii inaequalium temporum confusionibus occiderunt'? zurück auf Lucr. 2,517sq.
omnis enim calor ac Jrigus mediique tepores interutrasque iacent explentes ordine summam. Auch die Beschreibung des Phänomens der länger und kürzer werdenden Nächte findet sich der Sache nach bei Lukrez3 , sprachlich st eht sie aber der vergilischen Version näher , die sich in der Beschreibung des idea len Dichterturns a m Ende des zweiten Georgikabuches findet, 482:
(sc. Musae monstrent,J quid tantum Oceano properent se tingere soles hiberni, vel quae tardis mora noctibus obstet. Die Verse georg. 2,48lsq. wiederholen sich dann im kosmologischen l opaslied des ersten Aeneisbuches, 745sq. (742- 747):
(sc. hic canit,J quid tantum Oceano properent se tingere soles hiberni, vel quae tardis mora noctibus obstet; ingeminant pla·usu Tyrii, Troesque sequuntur. Gemeinsam sind Arnobius und Vergil zwar nur die Stichworte tardus und nox, zwei Gründe deuten aber auf eine Abhängigkeit hin: die ausladend poetische Ausdrucksweise bei Arnobius und die Auffä lligkeit der Vergilstelle aufgrund ihrer Wiederholung und a ufg rund des schwierigen Verständnisses. So erklärt nämlich Servius (georg. 2,479) 1tardis' tarde venientibus, aestivis accipiendum: unde et 1Vel ' dixisse videtur, ne bis unum tempus significaret. 4 Die modernen Kommentare hingegen beziehen, wohl etwas näherliegend , gegen Servius auch den zweiten Satzteil auf die W internächte, die nicht weichen wollen. 5 Arnobius könnte a lso unter dem Einfluß der Vergilstelle in dem von der antiken E rklärung nahegelegten Verständnis stehen .6 1
2 3
4
5
6
Ebenso Apul. mund. 3 Exin injerioris aeris qualitas turbidior injunditur, cui permixtu.s
e.st glacialis rigor; sed superioris vicinia claritatis et propinqui caloris adftatu nitescit ac sinceriore interdum luce ve.stitur. Lo.tin Fath ers 31. Lucr . 5,699sq. Propterea noctes hiberno tempore longae / cessant, dum veniat radiatum insigne diei. In der ganzen Passage 680--704 geht es um dje unterschiedliche Länge von Tag und Nacht., cj. BAILEY ad l. IIJ 1430--1434. Entsprechend Serv. Aen. 1,746 'vel quae tardis mora noctibus obstet' id est aestivis, tarde venientibus; 'vel' enim disiunctiva est coniunctio, nec patitur bis eandem rem dici: ergo hoc dicit, quae causa est longorum dierum . sed et hic 1-atio hemisphaerii est. 'tardis' non longis. So etwa LADEWIC ad Aen. 1,746; AUSTIN ad Aen. 1,746 {225); WILLIAMS ad Aen. 1,746 {214); P ACE ad georg. 2,482 (283sq.); THOMAS ad georg. 2 ,482 {251); nur MYNORS ad georg. 2,481 {167) neigt eher der Erklärung des Servius zu . Arnobius: ' Hat etwa der Winter lange Tage bekommen und die Nacht sich vom sehr ausgedehnten Tagesliebt des Sommers genommen?' - Vergil nach Servius: 'Er s ingt darüber (... ), warum die Sonne im Winter jeden Tag rasch im Meer versinkt und was die spät kommenden Nächte [sc. im Sommer] aufhält.'
ll.5.2
Die Vergilzitate
267
(c) In bezug auf den O livenanbau fr agt Arnobius, o b man etwa nur noch cruor taeter gewonnen habe, seit es das C hristent um gebe, und daraufhin die Lichter ausgegangen seien. Diese Junktur findet sich auch im zehnten Aeneisbuch. Dort wird der Angriff des Mezentius auf Acron mit dem Wüten eines hungrigen Löwen verglichen, der gierig ein Tier zerfleischt und dann, Aen. 10,727sq.: (... }; Lavit improba taeter / ora cru.or Zwar sind die beiden Worte für sich genommen unauffällig 1 , die Junktur aber ist ansonsten nur noch bei Silius Italicus (5,67) belegt2 . Hinter der übertragenen Verwendung bei Arno bius dürfte also die dUl·ch den eindrucksvollen Vergleich, durch den unvollständigen Vers und durch die Seltenheit von taeter bei Vergil3 einprägsame Formulierung stehen. In den Einleitungskapiteln eines apologetischen Werkes ist eine besondere Ausgestaltung mit Elemente n dichterischer Sprache nichts Ungewöhnliches.4 Außerdem legt die, im weitesten Sinne, kosmologische T hematik, um die es im zweiten Kapitel geht, den Rückgriff auf poetische Beschreibungen von Naturphä nomenen nahe. Ein äh nliches Vorgehen war oben schon für Novatia n zu beobachten. 5 Daß schließlich Arnobius hier die Kontinuität des Weltenla ufs und des Lebens nachdrücklich betont, läßt die sprachliche Kontinuität, die in der Anknüpfung an die dem Leser vertraute lukrezische und vor allem vergilische Diktion zutage t ritt, als gesuchtes Mittel indirekter Argumentation erscheinen. 6
l,llab (M. 12,1) Ex anno aestas tollenda est atque aliis legibus alia r-ursus ordinanda natura? Veratrum venen·um est hominibus: numquid ob hanc causam non debuit nasci? Ovilibus insidiatur Lupus: numquid in culpa natura est, quod lanitiis extttlit inportunissimam beluam ? M orsu animam serpens tollit: maledicas prim01·diis rerum, quod tarn saeva prodigia genituris spirantibus addideru.nt. Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit dem Vorwurf, die Gottlosigkeit der C hristen habe d ie gegenwärtigen Katast rophen und Hungersnöte herbeigeführt, ko mmt Arnobius in den Kapiteln 7 bis 12 a llgemein auf das Übel in der Vv'elt z u sprechen . Im Grunde genommen sei es eine unzu lässig subjekt ive Betrachtung der Weltord nung insgesamt, so argumentiert er , bestimmte 1
2 3 4
5
6
Cruor ist regelmäßiger Ausdruck für vergossenes B lut (so Caper gramm. Y ri 99,20) , taeter bezeichnet e igentlich au fgrund seiner faul igen Konsistenz Ekelerregendes, so ist beispielsweise Cato agr. l57, L3 und Plin . nat. 27,80 von einem ulcus taetrumdie Rede, cj. OL D s. v. taeter. ThLL rv s.v. cruor 1245,40 nennt unter den iuncturae für cruor taeter nur Sil. 5,67, a lso nicht die Yergi lstelle. Nur hie r und Ae n. 3,228, über den fauligen Gestank der Harpyien. Dazu paßt d er von HAGENDAHL ( Latin Fathers 30sq.) konstatierte auffällige Einfluß d es Lukrez in den ersten drei Kapiteln. Dazu oben ( 195; 204) . - Die ersten beiden diskutierten Yergilreminiszenzen bei Arnobius s ind kosmologischen Passagen bei Yergil entnommen. SANTORELLI (250) hingegen nennt das Kapitel 2 "gratuitamente virgiliano".
268
IJ.5
Aroobius
Phänomene, die das Wohlergehen des Menschen beeinträchtigten, als mala anzusehen. 1 Das verdeutlicht Arnobius zunächst am Beispiel des zwar für den Menschen unerquicklichen, aber naturgemäßen Wechsels von Wärme und Kälte, dann am Beispiel der schädlichen Pflanzen und Tiere, die in die Topik der exempla für die Übel der Welt gehören 2 . Im einzelnen nennt Arnobius die giftige Nieswurz, den reißenden Woli und die Giftschlangen. Die ersten beiden dieser drei exempla tragen einen deutlichen color poeticus: Die Formulierung veratrum venenum est hominibus geht zurück auf Lucr. 4,640 praeterea nobis veratrum est acre venenum. 3 Den vor dem Schafstall la uernden Wolf hingegen beschreibt Arnobius in Anlehnung an einen epischen Vergleich aus der Aeneis, in dem Vergil das Zornesrasen des 'TUrnus vor den Mauern des t rojanischen Lagers illustriert, Aen. 9,59 (51- 61):
ac veluti pleno lupus insidiatus ovili cum fremit ad caulas ventos perpessus et imbris nocte super media; [... ]. Das Bild vom Raubtier am Schafsgatter wird zwar häufiger in der Dichtung aufgegriffen,4 aber der Ausdruck ovilibus Lupus insidiatur verweist trotz der Änderung von ovili in ovilibusS und der morphesyntaktischen Adaptation von insidiari eindeutig auf die Aeneisstelle. 6 Auch lanitia, von Arnobius öfter verwendet1, ist vergilisch (georg. 3,384). Das dritte exemplum hingegen läßt sich nicht unmittelbar auf eine poetische Vorlage zurückführen. Die knappe Darstellung morsu animam serpens tollit ist eher prosaisch8 , jedoch verweist die Wendung primordia rerum auf Lukrez9 , der überhaupt das Beispiel der 1
Arnob. nat . 11 ,1 Th audeas dicere: hoc et illud est in mundo malum, cuiu s explicare, dissolvere neque originem valeas neque causam et, quia tuas impediat delidarum f orsitan et libidinum voluptates, perniciosum esse atque asperum dicas? 2 Cf. LE BONNIEC ad l. 228, mit Verweis a uf Lucr. 5,218- 220 und C ic. ac. 2, 120. 3 Seit Lukrez findet sich veratrum a ls Beispiel einer Giftpflanze, sonst aber nicht in der Verbindung mit venenum, cf . OLD s.v. veratrum; HAGENDA HL, Latin Fathers 37. 4 Cf. T hLL IX,2 s. v. ovilis ( ovile) 1190, 17- 45; Wolf: Ov. trist. 1 ,6,10; 4, 1,79; Stat. Theb . 1,46; Löwe: Aen. 9,339; Sil. 2,683; Adler: Hor . ca rm. 4 ,4,9 ; Bär: Hor . epod. 16,51; Val. Fl. 2,73; sprichwörtlich (credere I tradere ovile lupo): Ov. ars 2,364; 3,8; in der christlichen Polemik gegen Häretiker : Ambr. in Lucam 7,49 (CSEL XXXII,4 p. 301 ,24) A ug. c. Pelag. 1,1,2 (CSEL LX p. 424 ,7). 5 Eine Prosillkation (cf. T h LL IX,2 s.v. ovilis (ovile}: Singular und Plural gehören gleichermaßen der Prosa an) oder eine Raffinierung durch Verfremdung sind unwahrscheinlich . Vielleicht geht es Arnobius um die Betonung des Allgemeinen, während dem vergilischen Bild ja eine konkrete Einze lszene zugrunde liegt? 6 Cf. ThLL V II,l s.v. insidior 1895,68sq.: ' erstmals Vergil, dazu Amob. 1,11 , nur ao diesen beiden Stellen vom Wolf, unbegründet erscheint daher G IERLICHs (3 1) Skepsis gegen die Annahme eines VergUzitat es; cf. MCCRACKEN ad l. I 275 Anm. 63. 7 1,21 , s iehe dazu unten 271; 5,25; 7,16. 8 Cf. Solin. 27,32: Ha emorrhois [eine Sch langenart, die durch übermäßigen Blutverlust tötet] morsu sanguinem elicit et dissolutis venarum commercii-s quicquid animae est evocat per C1-uorem. T hLL II s.v. anima bietet sonst keinen Beleg für animam tollere, zu animam auferre 71,5sq. 9 Primordia. 1-erum sehr häufig bei Lukrez, v.a . in der Lehre von den Atomen im ersten und zweiten Buch, 1,55. 210. 268. 483. 485. 50 1. 570. 592. 712 etc. , 38 Belege insgesamt.
11.5.2
Die Yergilzitate
269
Giftschlange angeregt haben könnte. Die beiden Verse vor dem oben zitierten veratrum est acre venenum (4,640) lauten nämlich, 4,638sq.:
est itaque ut serpens, hominis quae tacta salivis disperit ac sese mandendo conficit ipsa. Der Kontext hat zwar insofern eine etwas andere Ausrichtung, als es um die entgegengesetzte Wirkung bestimmter Substanzen auf unterschiedliche Lebewesen geht, könnte den Lukrezkenner Arnobius aber dw-chaus beeinflußt ha ben. In diesem Falle stünde ein vergilisch beeinfiußtes Glied zwischen zwei lukrez.ischen. Allerdings käme für das drit te exemplum auch die vergilische Schilderung vom Ende des Goldenen Zeitalters als Vorbild in Betracht , wo zum einen das Motiv vom Wo lf, z um anderen das Verb addere für die Ausstattung der Schlangen mit Gift vorgegeben wären, georg. 1,129sq.: 1
flle fs c. Iuppiterj malum virus serpentibus addidit atris praedarique lupos iussit pont·umque moveri,
f. ..J. Die Motivik ist freilich so geläufig, daß eine gezielte Einzeltextreferenz kaum ausgemacht werden kann oder soll:2 Die Abwesenheit von giftigen Schlangen und die Fried fertigkeit der Raubtiere gehört zur Topik des Goldenen Zeitalters in der Da rstellung des Vergil an der zit ierten Georgikastelle sowie zur Vision vom Friedensreich in der Vierten Ekloge (21- 25). Horaz hebt in seiner Auswa nderungsutopie der 16. Epode vor allem das Motiv von der Freundschaft der Tiere hera us (30- 33), erwähnt aber das Fehlen des Raubtiers vor dem Schafspferch und der Giftschla nge (51sq.). Dabei handelt es sich zwar um grund legende religionsgeschichtliche Vorstellungen, wie sie etwa auch das Alte Testament kennt,3 aber die sprachliche Gestalt ung der Topik bei A1·nobius zeigt , daß er einerseits an Lukrezens Darstellung von der Unvollkomme nheit der Welt und andererseits an die Darstell ung des Goldenen Zeitalters bezieh ungsweise eines utopischen Friedensreiches bei den Aug usteern , namentlich bei Vergil , den kt . Arnobius übernimmt daraus die drei E lemente, Giftpfla nzen Raubtier, Giftschlangen und wendet sie zu einem Gegenbild der aetas aurea, zu einem Szenario der Bedrohung des Menschen durch die Natur. Die Reminiszenzen a us Lukrez und Vergil stellt er, teilweise entgegen ihrem Kontext , in den Zusa mmen hang einer umfassenderen 1
Zu vergleichen wäre wegen des Stichwortes m orsu etwa auch die Laokoon- Szene, Aen.
2
2,212- 219: [. . .} illi agmine certo I Laocoonta petunt; et prim um parva duorum I corpora natorum serpens am plexus uter-que I implicat et miseros morsu depascitur artus; I post ipsum auxilio subeuntem ac tela f erentem I corTipiunt spirisque ligant ingen tibus; et iam I bis m edtum arnplexi, bis collo squamea cir·cum I terga dati superant capite et cervicibus altis. Dort geht es aber gerade nicht um eine Giftschlange. Cf. W. STROH, Horaz und Ver gil in ihren prophetischen Gedichten, Gymnasium 100 ( 1993) 289- 322, zu dieser Topik in der Augusteischen Dichtung. Hierher gehört vor allem die Vision vom messianischen Friedensreich Jes ll ,()-.8 ; dazu E. NORDEN, D ie Geburt des Kindes, Stut t gar t 19694 , 51- 58. Laktam~ bringt dann die pagane und die jUdisch-christ liche M otivik vermittels der Oracuta Sibyllina zusammen, inst. 7,24; cf. 5 ,9,10sq.; epiL. 67,5.
3
270
11 .5
Arnobi us
System1·eferenz a uf den poetischen Topos des Goldenen Zeitalters. Nur hierin, nicht in einzelnen Dichterreferenzen, läßt sich eine Intentionalität mit einiger Sicherheit annehmen. Dieser Rekurs auf allgemein Anerkanntes in Inhalt und Form dient der rhetorischen Untermauerung der kühnen Ausgangsthese, es sei ungerechtfertigt, von mala in der Weltordnung zu reden. Zugleich stellt Arnobius eine geläufige pagane Heilsutopie grundsätzlich in Frage, was mit seinem t heologischen Ansatz konform geht , Heil nur von Gott kommend und durch Christus vermittelt anzusehen.1
1,11ab (M. 16,9sq.) Quod levitatis in homine, quod terreno in animante culpabile est, pmestans illa natura et in perpetuae virtutis firmitate consistens scire adseveratur a vobis: et quid ergo sequitur necessario, nisi ut ex eorum luminibus scintillae emicent ftammeae, aestuet anhelum pectus, spuma iactetur ex ore et ex verbis ardentibus labrorum siccitas inalbescat? In den Kapiteln 17- 24 entwickelt Arnobius ein weiteres Argument gegen den
Vorwurf der Heiden, die Gottlosigkeit der Christen rufe den Zorn der Götter hervor: Man dürfe Göttern grundsätzlich keinen Zorn unterstellen. 2 Um diese seines Erachtens anthropomorphe und daher unangemessene Vorstellung ad absurdum zu führen , gestaltet Arnobius eine Pathographie des Zornes, der sich in flammenden Augen, keuchendem Atem , Schaum am Mund , erregten Worten und blassen , trockenen Lippen ä ußere. Was die flammenden Augen bet rifft, scheint Arnobius beeinflußt von Vergils Schilderung des zornigen Turnus vor der Schlacht, Aen. 12,10lsq.: his agitur furiis, totoque ardentis ab ore scintillae absistunt, oculis micat acribus ignis,
f... ]. Arnobius faßt den bei Vergil zweigliedrigen Ausru·uck zusammen, wobei er mit fiammeae die Wörter ardentis und ignis au fnimmt und die poetischhyperbolischen Elemente ( totoque [... ] ab ore; absistunt) wegfallen läßt, oculis durch ex luminibus substituiert , micar'e zu emicare3 varüert und , allerdings mit veränderter Semantik (' Gesicht' zu 'Mund') und anderem Bezug, ex O?'e (aus ab ore) übernimmt. Er hält sich aber wohl dabei so eng an die Vorlage, daß die Prosapa ra phrase der Vergilszene als solche erkennbar bleibt. Arnobius folgt also dezidiert der vergilischen Fassung des öfter gebrauchten dichterischen Bildes der vor Zorn Funken sprühenden Augen. 4 Auch die Junkt ur pectus anhelum geht a uf Vergil zurück, und zwar au f 1 2
3
4
Dazu umfassend SuvtMONS 264- 303. Zur theologisch en Problematik dieser Aussage etwa E.F. MJC KA , The Problem of Divine Anger in Arnobius aod Lactantius, Diss. Wasnington 1943; B u RGER 74- 77; S JMMONS 243-263. Allerdings ist bei Arnobius nur emicare, ojcht aber micare belegt. Auf eine Prosifikatioo deutet hin , daß zwar b eide Verbformen ursprünglich d er Dichtersprache angehören , emicare aber schon früh in der Prosa und häufig im vorliegenden Sinn belegt ist, cf. ThLL V,2 s.v. emico 483,48sq. ; 485,3 ; vm s.v. 1. mico 929,17. So etwa Plaut. Meo. 830 ut oculi scintillant, vide; Lucr. 3,289 ex oculis micat acribus
II .5.2
Die Yergilzi tate
271
die Schilderung der von Apoll besessene n Sibylle, Aen. 6,48: sed pectus anhelum, / et mbie fera corda tument. Aufgenommen wird die Wendung im Hercules O etaeus (1414) für d en Schmerz der Alkmene und von Statius für einen Todeskampf (Theb. 2,672sq.), als Junktur bei TertuUian (pall . 4,6, siehe oben 61) , hier erstmals in Kontaktstellung in Prosa. 1 Arnobius geht es offensichtlich in beiden Fällen um den bildhaften und emphatischen Ausdruck. 2 Daß man an d en zornigen Thrnus oder a n die ekstat ische Sibylle denken soll, ist nicht sicher , a ber angesichts der Bekanntheit der Szenen wahrscheinlich: Bei dem Rekurs auf die DarsteJJung des Thrnus wäre demnach dessen Schicksal in der Aeneis als Hintergrund zu denken ; für die Be lege der Junktur pectus anhelum zeigt sich , d aß es nicht nur um keuchenden Atem, sondern um ein körperliebes Zeichen dafüT geht, daß d ie betreffende Person gar nicht mehr Herr ihrer selbst ist. Die Elemente poetisch er Pathographie3 dienen also in e rster Linie der rhetorischen Ausgestaltung der Argumentation , mit der Arnobius die Ansicht bekämpft, Götter empfänden Zorn. Die Polemik gegen d ie paganen Göt t er selbst steht dabei nicht im Mittelpunkt. 4
1,21 (M. 18,6) Lanitia curent fsc. dii} vestra numerosis fetibus multiplicari,
sterilitatem infaustam nostris pec·uariis infemnt. Als ein weiteres Argument gegen den heidnischen Vorwurf, der C hristen Gottlosigkeit rufe den Zorn der G öt ter hervor, füh1t Arnobius an, daß die heidnischen Götter, wenn de m t atsächlich so wäre, ihren Zorn ja nicht gegen alle, sondern gezielt gegen die Christen richten müßten. So sollten etwa die Tiere der Heiden mit besonderer Fruchtba rkeit gesegnet, die der C hristen hingegen unfruchtbar sein . Die a ls Beis piel hera ngezogenen Schafe bezeichnet Arnobius mit. dem sonst nur in der Bed eut ung 'Wolle' 5 belegten Wort lanitium. Diese, so LE B ONN I EC 6 , "metony mie hardie, qui semble originale", scheint von einer Stelle in Vergils Georgika angeregt zu sein: Dort heißt
1
2
ardor. In anderem Zusammen hang find et sich eine ähnliche Metaphorik Quint. inst. 8,5,29 (Uber sententiae in der Rede) Iumina illa nonfiammae sed scintillis inter fumv.m emicantibus similia dixe?'is. Cf. ThLL fl s.v. anhelv.s 68 , l 4sq. fiir pectus, für andere Körperteile bei den D ichtern ab dem l. Jahrhundert n. Chr.; Min . Fel. 7,3 (dazu oben 122) , cf. T hLL II s.v. 67,82.
Cf. GIERLICH 45 zur Gestaltung des Zornes tnsgesamt, mit Ve1·weis auf II. 1,104; Lucr. 3 ,288sq.; Sen. dial. 3,1,4; Med. 387- 389. 3 Übrigens auch die Darstellung des Erbleichens nach der Rede et ex verbis ardentibu.s labrorv.m siccitas inalbescat - darauf jedenfalls scheint RAPISAROA Arnobio 248 Anm. 2 abzuzielen - könnte, zwar nicht den Worten , aber der Sache nach, von Vergil, und zwar von der Schilder ung der Dido inspirie1·t sein, Aen. 4,499 haec effata silet, pallor simul occupat oro. Freilich geht es Arnobius um den Gegensatz spuma - siccitas, bei Vergil ist. die Blässe des Gesicht.s ein Zeichen für die Trugrede. Die Gemeinsamkeit beschränkt sich auf die Emotionsschilder ung. 4 Gegen SANTORELJ.,I 246. 5 Zur Bedeutung lanitiu.m gleich lana etwa Serv. georg. 3,384; A en. 2,140. 6 Ad l. 244 .
272
II.5 Arnobius
es nämlich zu Beginn des Abschnittes über Wolle, Milch und Hunde, georg. 3,384: Si tibi lanitium curae, primum aspera silva / lappaeque tribolique absin t (. ..j. Zwar meint Vergil die Wolle, a ber die folgenden Anweisungen bet reffen den Umgang mit dem Schaf selbst , so daß sich die Metonymie wenigstens im Hintergrund abzeichnet. Denkbar ist, daß Arnobius das zumindest für Vergil ungewöhnliche, wohl fachsprachliche Wort 1 als Metonymie a uffaßt und dann selbst, als vermeint lichen color Vergilianus, verwendet. Ein Indiz für diese Annahme ist, daß Columella (7,3,9sq.) die Georgikastelle in einem Zusammenhang zitiert, in dem es um die Gesundheit und rechte Pflege der Schafe geht und in dem der Gedanke an den Wollertrag erst mit dem Georgikazitat ins Spiel kommt, dann aber weitergeführt wird . Für einen Einfluß dieses Verses auf die Arnobiusstelle spricht außerdem die Ähnlichkeit der Kontexte si tibi lanitium curae und lanitia curent. 2 Ein weiteres Indiz für dlese Annahme ergibt sich da raus, daß Arnobius diese Metonymie auch an zwei anderen Stellen anwendet , die die bewußte Verwendung eines dichterischen Sprachelementes nahelegen, nämlich nat. 1,11 in Zusammenhang mit einem Vergilzitat (dazu oben 267) und in mythologischem Kontext nat. 5,25 boum iugator Triptolemus, capellarum Dysaules custos, Eubuleus porcorum, gregis lanitii Eumolpus, während ovis nur zweimal erscheint, nat. 7,12 über Opfertiere und nat. 7,18 in einer Aufzählung verschiedener T ierarten; in seiner Grund bedeutung gebraucht er lanitium hingegen nat. 7,16 ex saetis, ex agnorum lanitiis gallinarumque de plumis. Jedenfalls liegt eine von Vergil inspirierte Spracheigentümlichkeit des Arnobius vor. 1,25 (M. 21 ,1) Deum principem, rerum cunctarum quaecumque sunt dominum, summitatem omnium summarum obtinentem, adorare, obsequio venerabili invocare, in rebus f essis totis ut ita dixerim sensibus amplexari amare suspicere execrabilis religio est infau sta, impietatis et sacrilegii plena, caerimonias antiquitus institutas novitatis suae superstitione cantaminans? 1,28ab (M. 23,8) Quid dicitis o sacri, quid divini interpretes iuris? Meliorisne sunt causae, qui Grundulios adorant Lares, Aios Locutios, Limentinos, quam sumus nos omnes, qui deum colimus rerum patrem atque ab eo deposcimus (a) rebus f essis languentibusque {b} tutamina? 3,24 (M. 183,1) Hoc est enim proprium dei potentis ac veri, inexorata beneficia praebere f essis atque invalidis rebus et multiformi semper asperitate vallatis. (1,25; 1,28a; 3,24) Mit rebus f essis bezeichnet Arnobius an diesen drei Stellen 1
2
Cf. MYNORS ad georg. 3,384 (238): "a rare word, t he colour o f which (perhaps technical) is difficult to catch"; ThLL V I 1,2 s.v. lanitium nennt außer Arnobi us Verg. georg. 3,384; und Plin. nat. (6,54 vom Baum) 8, 189; 8 ,198 Syria.e cubita.les ovium cauc:Ule plurimumque in ea parte lanicii . ll, ll5; Diff. Suet. p. 3 13,21 ; Tert. pall. 3 ,5; Ab Hieronymus a.dv. lovio 2,5 sachlich von der Wolle im eigentlichen Sinne. ThLL V!l,2 s.v. la.nitium 934,71 für eine Abhängig ke it .
0.5.2
Die Vergilzita te
273
die a usweglose Situation, in der die C hristen in ihrer im Gegensatz zu den Heiden wahren Frömmigkeit ihren Gott anrufen (nat. 1,25; 1,28) beziehungsweise in der sich der Christengott gegenüber den heidnischen Göttern durch sein helfendes E ingreifen hervortut. Erstmals belegt ist die Wendung in ähnlichem Zusammenha ng an zwei Stellen bei Vergil: zuerst für die verzweifelte Orakelanfrage des Anchises, nachdem der Ansiedlungsversuch auf Kreta an einer Seuche gescheitert ist, Aen. 3,145 (143- 146):
Rursus ad oraclum Ortygiae Phoebumque remenso hortatur pater ·ire mari veniamque precar'i, quam fes sis .finem rebus f erat, unde laborum temptare auxilium iubeat, quo verier-e cursus. Der zweite Beleg find et sich im Zusammenhang mit Latinus' Aufruf zur Zustimmung beim Friedensschluß mit den 'Ifojanern am Ende seiner Entgegnung a uf den abschlägigen Bescheid , den Venulus von Diomedes überbracht hat, Aen. 11 ,335: consulite in medium et rebus succurrite f essis. Die Wendung wird in der Dichtung a ufgenommen und vo m älteren Plinius an in der Prosa verwendet, a llerdings eher für menschliche Hilfeleistung in verzweifelter Not lage. 1 Arno bius überträgt also eigenständig - weitere christliche Belege der Junkt ur fehlen - eine gelä ufige vergilische Formel auf das christliche Got tesverständnis. E r sucht wohl einen festen und in paganen Ohren vertraut klingenden Ausdruck. Dabei ist die Rede von Gott, der rebus fessis rettend und hetfend ei11greift ein g rundlegendes Theologu menon im Denken des Arno bius, der immer wieder die Unfähigkeit des Menschen betont, sich selbst zu erlösen. 2 (1,28b) Dreimal (1,28b; 2,17; 2,40) 3 verwendet Arnobius das seltene und dichtersprachliche tutamen, das vor ihm nur bei Catull (64,324), in einem P alliat afragme nt (com. pall. inc. 52), in einer Versinschrift (CIL IX 4796,15) und bei Vergil (Aen. 5,262 (sc. lor'icaj viro decus et tutamen in armis) vorkommt. 4 Zwar wäre der Vergilbeleg der nächstliegende Bezugspunkt,5 doch 1
Cf. ThLL V l,1 s.v. f essus 612,6-1 1 für Sachen belegt in der Dicht ung ab Lucr . 5,308 (simulacro), mit res ab Vergil in der Dichtung, in Prosa. Plin . nat. 2,18 Vespasianus Augustus rebus f essis su.bveniens; Tac. a rm . 15,50 qui f essis rebus su.ccurreret; Plin . pa neg. 8,3 unicum auxilium fessis rebus adsumpsit. Paneg. 12[2],3,5; Treb. trig. tyr. 9,1; Arnob. nat. 1,25.28; 3,24; dann Iuvenc. 4,297; Auson . 429,3. 2 Zu diese m ' P essimismus ' des Ar nobi us etwa Ar-tATA Problemi 105-136; StMMONS erklärt die Emphase des helfend eingreifenden Gottes ( 140; l43sq.) auch mit der Konkurrenz zum n ordafrikanischen Satumusku lt (193- 204). 3 2,17 ( M. 88, 11 ) Nonne alia cernimus opportu.nissimis sedibu.s nidulorum sibi construere mansiones, alia se saxis et rupibus tegere et communire suspensis, excavare alia telluris sola et in fo ssilibus foveis tutamina stb1met et cu.bilia praepamre? 2,40 ( M . 112,24) ldcirco animas misit, ut cum animantia cetera sponte natis alerentur et nulla satione prolatis neque domorum aut v estium tutamina sibi aut velamenta conquirerent, miserobilis istis necessitas adderetu.r, {...J? 4 Cf. O LD, FORCELLINJ s.v., PHI 5 .3 a ußerde m Serv . Aen. 2,33; C LC LT- 5 weist freilich eine Reihe von Belegen bei Ambrosius und Späteren aus. 5 Ln diese m Sinne LE ßONNJ EC cul l. 262; CtERLICH ad l. 65.
274
Il.5
Arnobi us
zieht Arnobius öfter die poetischen Formen a uf -men den gewöhnlicheren Bildungen a uf -mentum vor,! so daß man auch hier eher mit einer archaisierenden oder poetisierenden Stiltendenz als mit einer Vergilreferenz zu rechnen hat. 1,28c (M. 23,22sq. ) In civitatibus maximis atque in potentioribv.s populis sacm publice fiunt scortis meritoriis quondam atque in volgarem libidinem prostitutis: nullus tumor indignationis in diis est.
Das gegen die Christen vorgebrachte Argument, sie erweckten den Zorn der alten Götter, gibt Arnobius hier zurück: Die Gottesverehrung der Christen sei weit weniger anstößig als die der Heiden, die eigentlich, etwa durch die Praxis der KuJtprostitut ion, einen tumor indignationis in diis erregen müßten. Mit tumorbeschreibt a uch Vergil in der Prophezeiung des Flußgottes T iber den Zorn der Götter , Aen. 8,40 {36-41): 0 sate gente deum, Troianam ex hostibus urbem qui revehis nobis aeternaque Pergama servas, exspectate solo Laurenti arvisque Latinis, hic tibi certa domus, certi (ne absiste) penates. neu belli terrere minis; tumor omnis et irae concessere deum. Ansonsten wird tumor zwar öfter als Symptom oder Metonymie menschlichen, nicht aber göttlichen Zornes, in Prosa a ußerdem überwiegend mit animus verwendet;2 allerdings spricht auch Minucius Felix (14,1) vom indignationis tumor, bezogen jedoch a uf den während seiner Rede verrauchten Zorn des Heiden Caecilius 3 . Auffällig an der VergilsteJle ist aber nicht nur ihre Exponiertheit als Prophezeiung, sondern vor allem ihre, wohl mit der Unvollständigkeit des Verses 41 zusammenhängende, inhal tliche Schwierigkeit: Denn daß die Verheißung vom Ende des Götterzornes dem weiteren Handlungsverlauf widerspricht, da der Zorn der Juno und seine verhängnisvollen Auswirkungen in den folgenden Büchern eher noch dem Höhep unkt zustreben, hat die Kommentatoren seit der Ant ike in Erklärungsnot gebracht. 4 1
2
3 4
Das etwa Liv. 21 ,61,10 ; Apul. met. 1,8 belegte tutamenturn verwendet Amobius nicht, weitere Beispiele wären 1,41 ; 1,48; 1,65 zweimal medicamen; 1,2; 5,1 moderomen; 6,13 rnolirnen ; 1,43; 3,24 ; 7,20 libarnen; 3,1; 6,7 fundam en . Siebe oben 262 A nm. 4. Cf. OLD s.v. tumor 3a "(fig.) lnßamed state of mind (usu. caused by anger), excitement, passion"; F'ORCELLNI s.v.; etwa: C ic. Tusc. 3,26; 3 ,76 omnia in consolationem unarn coniecirnus; erot enirn in turnore anirnu.s. 4 ,36 (b is Cicero nach C LC LT- 5 übertragen nur mit anirnus und nur in den Thskula nen); Sen. Thy. 519 ponatur ornni.s i1n et ex anirno turnor erosus abeat; SiJ. 2,626 Erinnys (. ..J atros ore insibilat tumore.s; Lact. ira 18,7 anirni. LE BONNIEC ad I. 266 s ieht hierin das mögliche Vorbild der Formulierung des Arnobius. So schon Serv. Aen. 8,40: Sed aliqua hemi.stichia in Vergilio tarn sunt .seruu inminuta, quarn verbis, ut ecce hoc loco: narnque non pos.sumu.s intellegere quievi.sse ornnem turnorern et irorn deonmt, cum et adhuc inimica sit luno, et ad 'Jroianorurn perniciem addantur alia nurnina, ut furia, ut luturna: unde mire quidam conclusit hunc ver.surn,
ll.5.2
Die Yergilzitate
275
Demnach griffe Arnobius hier also a uf eine im antiken Bildungsbetrieb besonders traktierte und damit hera usgehobene Vergilstelle zurück. Überdies ist die Problematik des Zornes der Götter eine Kernfrage in der theologischen Arg umentation des Arnobius. 1 Daß Arnobius den Zorn, den er für unvereinbar mit der göttlichen Natur erachtet, den heidnischen Göttern zuschreibt, pa ßt zu seiner durchgehenden Argumentationslinie, die anthropopathischen Züge der Götter hervorzuheben. 2 Hier wird zwar vordergründig formal das Fehlen des Götterzornes konstatiert, aber aus dem paganen Vorwurf, die Christen erweckten den Götterzorn ,3 ist diese hier poetischemphatisch dargestellte Emotion für die heidnischen Götter grundsätzlich vorgegeben. Vielleicht könnte hier eine aus der Schwierigkeit der Verg ilstelle, also aus der falschen Verheißung vom Ende des Götterzornes, resultierende Nuance der Unberechenbarkeit und Irrationalität des göttlichen tumor gesucht sein, um das anthropopathische Bild der heidnischen Götter subtil auszugestalten.
1,34 ( M. 28,23sq.) Sed fr ustra, inquit Iein jictus interlocutorJ, nos falso et calumnioso incessitis et adpetitis crimine, tamquam eamus infitias esse deum maiorem, cum a nobis Iuppiter nominetur et optimus habeatur et maximus cumque illi augustissimas sedes et Capitolia constituerimus immania. In den Kapiteln 25 bis 35 legt Arnobius den Glauben der Christen an den deus princeps dar. In diesem Zusammenha ng widerlegt er den Einwand , auch die Heiden kennten diesen Gott unter dem Namen Jupiter, verehrten ihn und errichteten ihm Capitolia immania. Die Verwendung von immanis für einen Sakralba u nach der vergilischen Junktur immania templa erscheint hier erstmals in P rosa. 4 Als Vorbild beachtenswert ist vor allem die Aufzählung der fromm en Werke des Numiderkönigs Ia rbas vor dessen Klage an Jupiter, Aen. 4,199 (198- 202): Hic Hammone satus rapta Garamantide nympha templa Iovi cent·u m latis immania regnis, centum aras posuit vigilemque sacraverat ignem, excubias divum aeternas, pecudumque cruor·e pingue solum et variis fiorentia limina sertis. Vielleicht könnten das nordafrikanische Lokalkolorit 5 und die Vergeblichkeit dicens 'concessere deum projugis nova moenia Teucris'. Weitere antike Erklärungsversuche steJlt G EORGII ( ad l. 345sq.) zusammen. Cf. FORDYCE ad l. 208: ''[T ]his assurance 1 2 3
4
5
is not. born out of t he rest of t he poem; the heavenly anger t hat pursues the 'Irojans is Juno 's and her hostility continues unabated ." GRANSDEN ad l. 84sq. Cf. 1,17- 24 , dazu vor allem M ICKA 39- 77. Dazu SIMMONS 247- 252, vor allem 25 1. Etwa. 1. 17 Et tarnen, o magni cultores atque antistites numinum, cur irasci populis
Christianis augustissimos illos adseveratis deos'? Cf. ThLL V II,l s.v. immanis 440,76--78: Aen. 4.199; 6,19; Ov. met. 12,260 amm; Sen. T hy. 646 tectum; Arnob. nat. 1,34. A USTIN ad Aeo. 4,199 (75) über immanis: "The word is one o f Virgil 's favourites"; LE BoNNIEC ad l. 288. Capitolium kann "similar places in ot.her towns" (OLD s.v. Capitolium c) bezeichnen,
276
11.5
Arnobius
des frommen Bemühens - Iarbas klagt, von Dido zugunsten des Aeneas verschmäht, einige Verse weiter (217sq.) in einem Gebet an J upiter: nos munera templis / quippe tuis f erimus famamque fovemus inanem - da rauf hindeuten, daß Arnobius beim Leser eine Verbindung der Situation des fictus inte1'locutor und des Numiderkönigs evozieren wolle. Einen Anknüpfungspunkt hat Arnobius jedenfalls in der negativen Konnotation, die schon bei Vergil in immania liegt: Die Sakralbauten sind in ihrer Riesigkeit zugleich unangemessen, übertrieben, abstoßend . E indeutig jedenfalls ist die Verwendung eines color Vergilianus für die authentische Wiedergabe des offiziellen ( Optimus Maximus, Capitolium) J upiterkultes.
1,36a- f (M. 30,8sq.; 11 ; 30,24/31,1; 15sq.; 16; 31 ,9) Si vobis iucundum est, amici, edissertate, quinam sint hi dii, qui a nobis Christum coli suam credant ad iniuriam pertinere: ( a) Ianus Ianiculi conditor et civitatis Saturniae Saturnus auctor; Penta Fatua, Fauni uxor, Bona Dea quae dicitur sed in vini melior et laudabilior· potu; {b) Indigetes illi qui flumen repunt et in alveis Numici cum ranis et pisculis degunt; Aesculapius et Liber pater, Coronide ille natus et ex genitalibus matris alter fulmine praecipitatus; (c) Mercurius utero jusus Maiae et, quod est divinius, candidae; {d} arquitenentes Diana et Apollo, circumlati per fugas matris atque in insulis vix tuti; Dioneia Venus proles, viri materfamilias Troici atque intestini decoris publicatrix; in Trinacriae finibus Geres nata atque in floribus Legendis occupata P1·oserpina; Thebanus aut Tyrius Hercules, hic in finibus sepultus Hispaniae, flammis alter concrematus Oetaeis; Tyndaridae Castores, equos unus domitare consuetus, alter pugillator bonus et ( e) crudo inexuperabilis caestu; Tisianes et Bocchores Mauri et ovorum progenies dii Syri; Apis Peloponensi proditus et in Aegypto Serapis nuncupatus; A ethiopicis solibus Isis furua maerens perditum filium et membratim coniugem lancinatum; praeterimus et transgredimur Opis suboles regias, quas in libris auctores vestri quae fuerint et q·uales vobis ediscentibus prodiderunt: hine ergo fsc. deif Christum coli et a nobis accipi et existimari pro numine (f) vulneratis accipiunt auribus, et obliti paulo ante sortis fuerint et condicionis cuius, id quod sibi concessum est inpertiri alteri nolunt ? In den Kapiteln 36 bis 65 wendet sich Arnobius der P erson Jesu Christi zu. Denn den Christen , so ein fictus interlocutor zu Beginn des Kapitels 36, sei es vorzuwerfen, daß sie einen hominem natum et, quod personis infame est et vilibus, crucis supplicio interemptum als Gott verehrten. Dem hält Arnobius eine lange Reihe anthropomorpher Göttergestalten entgegen, um dann zu fragen , ob es nicht nur deren Neid sei, der solche menschliebe Eigenschaft anderen nicht auch zugestehen wolle. An sechs SteUen gestaltet Arnobius die Aufzählung der Götter mit vergilischen Formulierungen aus: (a) Die Vorstellung von Janus und Saturnus als Gründer und Namensgeber auch der Plural weist eher von Rom weg.
11.5.2
Die Vergilzitate
277
für Ianictdum und Saturnia geht zurück a uf die vergilische Etymologie der Ortsnamen, Aen. 8,357 sq. :
Hanc Ianus pater, hanc Saturnus condidit ar·cem; Ianiculum h·uic, illi fuerat Saturnia nomen. Der Sachverhalt fi ndet sich zwar hä ufiger, doch die knappe Formulierung und die enge Verbindung beider Etymologien verweisen deutlich a uf die bekannte Rede des Euander . 1 E rgänzend ist jedoch zu bemerken, daß Tert ullian ( nat. 2,12,29 und vor allem apol. 10,7) im Rahmen einer euhemerist ischen Argumentation a uf die Etymologie von Saturnia ( civitas, quam depalaverat [sc. Saturnusj, Saturnia usque nunc est) verwe ist , Minucius Felix, wohl a uch unter vergilischem Einfluß, in entspreche ndem Kontext sogar a uf diejenige von Saturnia und Ianiculum (23,11 ur-bem Saturniam idem fsc. Saturnusj de suo nomine et Ianic·u lum Ianus ad memoriam uterque posteritatis r-eliquerunt) . Arnobius' Vergilbenü tzung könnte also über Minucius Felix vermittelt sein. 2 Zwar entwickelt Arnobius hier keine ausführl iche euhemeristische Arg umentation,3 doch verstärkt der Gedanke das anthropomorphe Element, das die ganze Götteraufzäh lung hervorheben will. 1
Cf. LE ß ONN IEC ad l. 292sq.; G IERLICH ad l. 87. Der Sache nach findet sich die Etymologie für Saturnia a llein (d.h. ohne laniculum) bei Varro ling. 5,42 hunc antea montem Saturnium appellatum prodiderunt et ab eo late Saturniam terram, ut etiam Bnnius appellat. Dion. Ha i. ant.. 1,34,5; Fest. 222; Ter t . nat. 2, 12,29; apol. 10: Ps. Aur. Vict. orig. 3,1 ; cf. MALTBY s.v. Saturnia. Oie Etymologie zu Janiculum hat Arnobius selbst auch 3,29, daneben Ps. Aur. Vict . o rig. 2,4; Ps. Cypr. idol. 2; Serv. Aen . 8,319.357; Mart. Cap . 6,642; abweichend Pa ul. Fest. 104 ; cf. MALTBY s.v. faniculum. Ovid bringt beide Etymologien im erste n Buch der fasti, a ber mit einigen Versen Abstand (237 und 246, cf. BöMER ad I. 3 l sq.). Nebeneinander stellt. s ie Solin. 2,5 (zitiert Js id . o rig. 15, 1,50): Nam quis ignomt vel dicta vel condita a lano faniculum, a Saturno Latium atqu.e Saturniam f... J? Macr. Sat . 1,7, 19- 23 beruft sich für J a.nus zwar über Hygin au f Protra rchus 'l'ra llia nus, zit.iert dann aber Verg. Aen . 8,358. Interessant ist die Varia nte bei Augustinus, civ. 7,4 : Saturnus fsc. fa numj fugientem benignus excepit;
cum hospite partitus est regnum , ut etiam civitates singulas conderent, iste laniculum, ille Saturniam. Sollte diese sprachlich dem Arnobiustext ähnliche (civi tas, condere) Version , für die Augustinus keine Quelle a ngibt, a uf Varro zurückgehen ( cf. R. GALL,
2
3
' laniculum ', RE lX , l [1914]691) , käme dieser a ls Vorlage für Arnobius neben Vergil in Betrac ht, d e r nichtsdestoweniger nä herliegt. Zu berücksichtigen ist aber die von Solinus (2,5) a usdrücklich betonte Bekan nt heit d er Ety mologien . Gegen einen ä lteren Ansatz, der Ps. Aur. Vict. orig. a ls Vorlage des ganzen Ka pitels 36 annimmt, SITTE 130sq. Auf ein bem erkenswertes Indiz für die tvl ittlerschaft des M inucius Felix in bezug a uf die Etymologie von fa n·i culum weist ~ I CCRACKEN (I 362 Anm. 153) im Zusa.m menhang mit deren zweiter Erwä hnung bei Arnobius hin , der 3,29 Janus d en Janiculi oppidi conditorem ne nnt. Das sachlich nicht treffende oppidum könne Arnobius weder aus d em vergilischen arx (Aen. 8 ,357) noch aus Realität bzw. Autopsie ha ben, vielleicht aber beziehe er das urbem bei Minucius Felix (23, 11 urbem Saturniam idem Sa.turnus de su.o nomine et faniculu.m fantts a.d m emoda.m uterque posteritatis reliquerunt) irrt ümlich a uf Saturnia und l anicu.l um. - Allerdings lä ßt auch schon das vergilische a.rcem conden~ an eine Art von Siedlung denken , so d aß der von McCRACKEN monierte Widerspruch, Ar nobius s preche vo m H Ugel laniculum als eine m oppidum, so betrachtet weit weniger ins Ge wicht fällt. An sich ist ihm diese Argument.atio nsweise sehr wo hl vert raut, cf. SCHIPPERS 7Q--72.
278
II .5
Arnobius
(b) Mit indigetes illi qui ftumen repunt et in alveis Numici cum ranis et pisculis degunt spielt Arnobius an auf die Vergöttlichung des Aeneas als indiges, die gemäß dem Mythos durch das Bad im Nurnicus zustande kommt. 1 Die Apotheose des Aeneas als indiges deutet Vergil in den Worten des Jupiter an Juno an, Aen. 12,794sq.: lndigetem Aenean scis ipsa et scire jateris deberi caelo f atisque ad sidera tolli. Auf diese Stelle und ihren Kommentar möchte M cCRACKEN die Anspielung des Arnobius beziehen. 2 Während Vergil selbst nur das Faktum der Apotheose vorgibt, finden sich bei anderen Autoren weitere, a uch von Arnobius erwähnte Einzelheiten. So wird Aeneas Tibull. 2,5,43sq. angesprochen: nlic sanctus eris, cum te veneranda Numici unda deum caelo miserit indigetem. Ovid schildert in den Metamorphosen (14,581- 618) a usführlich die Vergöttlichung des Aeneas durch das Bad im Numicus, met. 14,597-608: perque leves auras iunctis invecta columbis Litus adit Laurens, ubi tectus harundine serpit in freta ftumineis vicina Numicius undis. hunc iubet Aeneae, quaecumque obnoxia morti, abluere et tacito deferre sub aequora cursu; corniger exsequitur Veneris mandata su.isqv.e, quicquid in Aenea fuemt mortale, repurgat et respersit aquis; pars optima restitit illi. lustraturn genetrix divino corpus odore unxit et ambrosia cum dulci nectare mixta contigit os f ecitque deum, quem turba Quirini nuncupat Indigetem temploque arisque recepit. 1
2
Cf. LE BONNIEC a.d l. 294: "Malgre le pluriel, il s'agit ici du seul Enee divinise, comme le prouve Ia precision topographique in a.lveis Numici." MCCRACKEN a.d l. I 284 Anm. 153. Der von McCRACKEN angeführte Servius erklärt zu Aen. 12,794: Et indigetes dii duplici ratione dicuntur: vel secundum Lucretium, quod nullius rei egea.nt, qui a.it 'ipse suis pollens opibus nihil indiga. cura.e ': vel quod nos deorum indigea.mus, unde quida.m omnes d.eos indigetes a.ppella.ri volunt. alii patrios deos indigetes dici debere tradunt, alii ab invocatione indigetes dietos volunt, quod 'indigeto' est precor et invoco: vel certe indigetes sunt dii ex hominibus facti, et dicti indigetes quasi in diis a.gentes. sane de A enea. fabul.a. talis est: cum Thrno occiso et a.ccepta Lavinia., condita civitate in Numicum ftuvium , ut alii volunt, sacrificans, ut alii, Mezentium, ut alii, Messapum fugiens, cecidisset, nec eius esset cada.ver inventum, A scanius, füius eius, victo Mezentio cum ceteris 1roianis credens et iactitans inter numina receptum, sive patrem volens consecrare, templum ei constituit, quod indigetis appellari iussit. - Man wird McCRACKENs Worte ( "T he allusion is to a passage o f the Aeneid 12.794f. and Servius' commeotary a.d loc.") wohl so verstehen müssen, daß sich Arnobius hier auf die VergilsteUe und deren gängige E rlä uterung beziehe, wobei Servius freilich eine bei Vergil nicht vertretene Version bietet. - Siehe auch oben (80sqq.) zu Tert. nat. 2,9, 18.
279
Il.5.2 Die Yergilzi tate
Für die Ovidstelle als Vorbild spricht vor allem das anschaulich geschilderte Bad im Fluß - auch in der sprachlichen Gestaltung fiumen repunt zu serpit [. ..} fiumineis [. ..} undis - , auf das Arnobius in seiner Polemik ausdrücklich Bezug nimmt. Angesichts des deutlichen color Vergilianus im Kontext könnte man zwar auch in dem Wort indigetes eine Vergilreferenz vermuten, wie M c CRACKEN vorschlägt. Da sich aber einige inhaltlich näherliegende Vorlagen a ufweisen lassen und da vor allem die von Arnobius a usgeführten Dinge Gemeingut sind , bleibt der vergilische Einfluß fraglich. 1 (c) Deutlicher hingegen greift Arnobius bei der Darstellung des Merkur, dessen Geburt auf dem Berg Kyllene er hervorhebt, auf Vergil zurück, wiederum, wie schon für die Etymologie, auf das achte Aeneisbuch, 138sq.: Vobis Mercurius pater est, quern candida Maia Cyllenae gelido conceptum vertice fudit; Der ironische Zusatz Maiae et, q·uod est divinius, candidae macht deutllch, daß sich Arnobius ausdrücklich auf eine vorgegebene Stelle bezieht, und wird erst verständ lich, wenn candida als epitheton omans an der entsprechenden Vergilstelle präsent ist. 2 Arnobius schiebt das vergilische Epitheton nach und versieht es mit einem ironischen Kommentar ( quod est divinius). Dadurch baut er einen Kont rast auf zwischen der auf ihre vegetativen Vollzüge zurückgeworfenen Menschlichkeit, hervorgehoben noch durch das hinzugefügte utero, und der hehren Göttlichkeit des Epitheton, das sich in diesem Kontext in beinahe zynischer Wei::;e selbst widerlegt. 3 Die vergilische Schilderung der Geburt kommt seiner Intention entgegen, die Anthropomorphie des Gottes 1
Bemerke nswerterweise zitiert MCCR.ACKEN a uch die oben angeführten Tibull- und Ovidpassagen, daneben eine Bemerk ung des Livius (1 ,2,5sq.) übe r d ie Vere hrung des Aeneas a ls lovis lndiges am Ufe r des Numicus und die Entrückung der Anna durch den Flußgott Numicus Ov. fast. 3,647, die nach B ÖMER (ad l. , 189) unter dem Einfluß der Ap otheose des Aeneas steht . 2 Cf. LE BONNIEC ad l. 295; G IERLICH ad l. 89. Servius (Aen. 8, 138) e rklärt das Epitheton folgendermaßen: splendidior enim est Maia inter pliadas, quae est tma de A tlantidibus, hoc est pliadibus. non ergo 'candida ' pulchra, ut 'candida Dido' {5,57 I Vielleic ht greift Vergil mit candidaaber auch alöoiTJ (h.Merc. 5) a uf. 3 Ausgesprochen kUhn int-erpretiert SANTORELLI (245) das Spiel mit dem Adjektiv candidus: "Maia candida , nel senso virgiliano di 'sfolgorante di bellezza', qui invece col valore di pura, immacolata genero Mercurio. Arnobio sottolinea con forza, con un inciso destinato a po larizzare I'intenzione, Ia prerogati va squ is itamente divina de l fatto: una vergine ehe partorisce! - irride lo scritlore - evocando chiaramente l' unica vera vergine di nome e di fatto, Ia ma.dre di Cristo." - Höchst problematisch ist dieses Verständnis aus drei Gründen: ( J) D er mythologischen Überlieferung zu fo lge wi.rd Merkur bzw. Hermes von J up iter bzw. Zeus gezeugt - so etwa schon der Homer ische Hy mnus a uf Hermes 3sq. 8v 'tf.xt Mcxia J (... ] .6-tO< i.v ~nA6tTJ'tL f.Lt -yt ioa und A pollod. 3, 10,2 Maia IJ.iv ouv 'fl 7tptaßu'ttXt1l .6-ti auv&AOoüoa t v &111:p4> di< KuH'I)vTJ< ' Ep!J.iiv ,;(xnt.). (2) Die Assoziation einer Parthenogenese müßte sich folglich allein aus der Semantik von candida ergeben. Dafür bietet der T hLL lll s.v. candidtts aber nicht den geringsten Anha ltspunkt, vielmehr zeigt er (241 ,36-46) , d aß Arnobiu.s sich hier d e m in de r Dichtung üblichen S prac hgebrauch von candtdus für Gott-heiten im Sinne von splendens caelesti nitore anschließt. (3) Abgesehen davon, daß im Ubrigen We rk vieles a uf eine noch nicht a llzu große Vert raut-heit. des Verfassers mit de m Christentum hindeutet, wäre eine so überaus
J.
•
280
II.5
Arnobius
zu betonen, vielleicht wegen des vereinzelt pejorativ gebrauchten, jedenfalls das Vegetative betonenden fundere 1 , das er 3,32 caduceator ille Cyllenius in algido fusus monte wieder a ufnimmt. Das ironische Spiel mit dem Klassikerzitat candida Maia verleiht der Aufzählung a ußerdem einen Glanzpunkt. (d) Das Epit heton arquitenens, das Arnobius für Diana und Apoll verwendet (4,22 nur für Apoll) , tragen die beiden Götter nach dem griechischen 'to~o
1
2 3
4
5
subtile maria logische bzw. christologische AnspieJung (von 'evocando chia.ramente' kann schon überha upt nicht die Rede sein!) in diesem auf d ie refutatio paganer Positionen angelegten Werk nicht nur ganz außergewöhnlich, sondern vor allem für d en ansonsten angesprochenen Leser sicherlich nicht erkennbar, also si nnlos. - Die Fehldeutung von SANTOR.ELLI geht wohl von dem schwierigen et (Maiae et, quod est divinius, candidae) aus, das nicht steigernd ('una vergine ehe partorisce!' ), sondern explikativ aufzufassen ist, d ementsprechend übersetzen auch LE BONNJEC: " Mercure, sorti du ventre de Maia - de Maia Ia brillante, ce qui fait plus divin" und AMATA: "Mercu rio, uscito dal ventre di Maia, e, cosa a ncor piu prodigiosa, da una Maia candida?". Cf. TbLL V l,l s.v. 2. fundo 1567,53 - 1568,19: Im Sinne von {largiter) procreare, po.rere, gignere meist von Feldfrüchten, die die Erde hervorbringt, p ejorativ aber Cic. Pis. frg. 5 fmaterj te beluam {... }, non hominem fudit. Lm e igentlichen Sinn Verg. ecl. 4,20.23; 9,41 ; georg. 1,13; 2,460; dann Aen. 8,139 (Serv. ad l. celeritatem parientis ostendit), davon abhängig (1567,68) Arnob. nat. 1,36; 2,16; 3 ,32; Aen. 12,207; danach wieder v.a. für Feldfrüchte, aber Iuv. 5,142 Mycale pariat licet et pueros tres in gremium patris fundat semel; Tert. adv. Val. 8 Sermo et Vita decuriam Aeonum simul fundunt; Paul. sent. 4,9 ,2 non {. .. } ter peperisse, sed semel parturn fundis se videtur; Anth. 198,62 me {. .. ] fudit Thet,i s {.. . }sub aums; Arnob. nat. 2,16; 5,12.21; weiter ab Iuvencus, bei späteren Christen offenbar ohne negative Konnotation, so ftir die Geburt C hristi Pelag. ca.rrn. min . 32,2. Für Artemis II. 21 ,483, für Apoll h.Ap. 13,126, cf. LSJ s.v. Cf. ThLL II s.v. arcitenens, arquitenens 468,46- 58: seit Naevius für Apoll, Arnob. nat. 1,36 für Diana und Apoll; 4 ,22 ftir ApoU, Diana folgt unmittelbar, metonymisch ftir Apoll seit Accius dann Verg. Aen. 3,75 etc. ; für Diana seit Naevius; in Prosa nur Quint. inst. 8 ,6,33 als Beispiel für ein poetisches Kompositum. Cf. LE BONNIEC ad l. 295; ÜIERLICH ad l. 89. Cf. T hLL IV s.v. crudus 1235,8- 10. Anders Serv. auct. ad l. ex corio duro; die antike Vergilerklärung setzt sich also mit der
II.5.2 Die Yergilzitate
281
Iam vero si viderint in f emineas mollitudines enervantes se viros, vociferari hos frustra , sine causa alios cursitare, amicitiar'tl.m fide salva contundere se alios et crudis mutilare de caestibu.s, certare hos spiritu, buccas vento distendet'e volis immanibus concrepare: manus ad caelum tollunt, rebus admirabilius moti prosiliunt, exclamant, in gratiam cum hominibus r·edeunt.
Während es Arnobius dort a ber nur um einen geschliffenen Ausd ruck der verabscheuungswürdigen Gewal t in kultischen Wettkä mpfen geht, t ritt hier vielleicht noch ein Moment der Epostravestie hinzu: Das dichterisch gestaltete epitheton ornans des Pollux 1 (pugillator bonus et crudo inexuperabilis caestu) mit seinem a uffälligen color Vergilianus2 kontrastiert mit dem brutalen, eines Heros unwürdigen Inhalt. 3 Evoziert wird das Bild eines Gewaltmenschen und Berufsboxers, wie ihn etwa die Bronzestatue eines pugil im Thermenmuseum in Rom darstellt. 4 (f) Der Ausdruck aures vulnerare, mit dem Arnobius den Anstoß umschreibt, den die heidnischen Götter an der Menschennatur C hristi nehmen , find et sich a uch am Ende von E uanders Abschiedsworten an P allas, Aen. 8,582sq. (578- 583): Sin aliquem infandum casum, F01't'tma, minads, nunc o liceat crudelem abrumpere vitam, d-um curae ambiguae, dum spes incerta futttri, dum te, care puer, mea sola et sera voluptus, complexu teneo, gmvioT neu nuntius auris
vulneret . ' Mit dieser seltenen, gesuchten Metapher 5 läßt Arnobius in subtiler Ironie die fingierte Erregung der paganen Gottheiten a rtifiziell und kapriziös erscheinen - vielleicht noch um so deuWcher im Kontrast zur tiefen Me nschlichkeit in den Worten E uanders. 1
2
3
4
5
Junktur auseinander. Vor allem in der nachklassischen Dichtung wird d er caestus häufig a ls Attribut des Poll ux oder im Zusammenhang mit ibm erwähnt, cf. ThLL III s.v. caestus 11 5,14- 19 ('speciatim de Poll uce') , etwa Ov. met. 8,301; Sen . Med. 89; Stat. silv. 5,3.140 etc. ( cf. Manil. 5,163; Val. Fl. 4 passim (cf. M. KORN. Valerius Flaccus, Argonautica 4,1- 343 . Ein Komme ntar, Hitdesheim et al. 1989, ad 4,112sq. [94]); Stat. Theb. 10,500; C la.ud . 1,238). Das Wort caestus kommt bei Vergil und bei Arnobius (für den locus desperatus 1,50 [M. 45,23J bietet REJF'FERSCHEID a llerdings caestibus statt casibus) nur an den genannten Stellen, d .h. nur im Ablativ und nur in Junktur mit crudus vor. Doch scheint auch bei Vergil die negative Konnotation im Gesamtausdruck vorz uher rschen und das einleitende bonusdurch das Folgende beinahe ins Gegenteil verkehrt zu werden . Ein Werk des Apollonios, 2. Viertel des 1. Jhdt.s v.Chr. , Museo Nazionale Romano delle Terme lnv .- Nr. 1055. ThLL li s.v. auris 15 11.75-77 belegt die Metapher Aen . 8,582; Avien. ora 677 und Sil. 6,80; zudem Lact. inst. 7,1 ,14 . Cf. i\IICCRACKEN ad l. I 287 Anm. 171; G JERLJCH ad l.
93.
282
Il .5
Arnobius
In der ganzen P assage versucht Arnobius durch die gehä ufte Verwendung poetischer Epitheta, namentlich solcher, die sich auf bestimmte Tätigkeiten oder Eigenschaften der Götter beziehen, eine Nuance des Anthropomorphen und Unangemessenen paganer Gottesvorstellungen durchscheinen zu lassen . Diese im Grunde parodistische Verwendung dichterischer Gottesbezeichnungen dient dabei a ber der Stärkung der ihnen gegenübergestellten christlichen Position: Solche Götter sollten Anstoß an unserer Religion nehmen?
1,49 Aesculapium [. ..} datorem [. .. } sanitatis: Siehe unten (302) zu 3,33. 1,54 (M. 50,5) At numquid dicemus illius temporis homines usque adeo fuisse vanos mendaces stolidos brutos, ut quae numquam viderant vidisse se fingerent et quae facta omnino non erant falsis proderent testimoniis aut puerili adsertione firmarent, cumque possent vobiscum et unanimiter vivere et inoffensas ducere coniunctiones, gratuita susciperent odia et execrabili haberentur in nomine? Am Ende des ersten Buches stellt Arnobius Lehre und Wunder Christi dar. In diesem Zusammenhang betont er die Zuverlässigkeit der Zeugen für die Auferstehung Christi. Die dabei in Juxtaposition verwendeten Worte vanos mendaces erscheinen syndetisch schon bei Vergil , wenn Sinon zu Beginn seiner Lügengeschichte seine Glaubwürdigkeit betont, Aen. 2,80: hoc primum; nec, si miserum Fortuna Sinonem finxit, vanum etiam mendacemque improba finget. Grundsätzlich finden sich vanus und mendax und ihre Ableitungen öfter nebeneinander, 1 doch könnte die seltene Juxtaposition der Adjektive bei Arnobius von Vergil angeregt sein2 . Dafür spricht a uch das Stichwort fingere im Kontext. 3 Allerdings weist das unmittelbar folgende Begriffspaar stolidos brutos weg von Vergil. Im übrigen kann ja auch eine Parallelisierung der Auferstehungszeugen und des Sinon nicht in der Inte ntion des Apologeten liegen. Ihm geht es hier nur um einen griffigen Ausdruck.
2,8 (M. 74,12) Liberorum susceptatis prolern non incolumem credentes fore et per gradus aetatis venturam senectutis ad metas ? Im zweiten Buch stellt Arnobius das Christentum anderen Lehren über das Seelenheil des Menschen gegenüber. In einem ersten Argumentationsgang (Kapitel 4- 12) untermauert er die Ebenbürtigkeit des christlichen G la ubens und rechtfertigt die credulitas als Grundhaltung der Christen, denn , 1
Cf. Liv. 24,30,6; Ov. am. 3,11 ,2 1; Sen. dial. 5,8,4; Plin . nat. 28,112; Servius versucht eine semantische Unterscheidung zwischen vanus und mendax, Aen. 2,80: et vanus est qui etiam sine utllitate mentitur, mendax qui tantum o.d decipiendum. 2 ThLL VI II s.v. m endax 702,83- 703 ,42 bietet keinen weiteren Beleg für die Junktur in diesem Sinne; LE BONNJEC ad l. 360 "Reminiscence d e Virgile". 3 Sollte auch das a uffällige Polyptoton quae [. ..] viderant vidisse se fingerent bei Arnobius strukturell angeregt sein von si [. .. } finxit, {. .. ] finget?
ll.5.2
Die Yergilzitate
283
so sein Argument im Kapitel 8, 1 alle Menschen müßten bei ihren alltäglichen Verrichtungen vertrauen, im Geschäftsleben, a uf Reisen, im Landbau, in der Ehe. Als Beispiel führt er auch die Kinder an, die man in der Hoffnung erzeuge, sie erreichten d ie senectus. Die da bei verwendete J unkt ur per gradus aetatis venire ad metas senectutis hat eine Parallele im Schlußsatz der Rede des Jupiter , mit der er HerkuJes wissen läßt, daß er zwar Pallas im bevorstehenden Kampf nicht helfen könne, daß aber wie eines jeden auch Thrnus' Tage gezählt seien, Aen. 10,472: [... ] etiam sua Turnum / fata vocant metasque dati pervenit ad aevi. ' Die bei Arnobius zugrunde liegende Vorstellung von der Abfolge der Lebensalterstufen und ihre Formulierung mit meta findet sich zwar hä ufiger, doch kommt die prägnante und exponierte Vergilstelle verglichen mit den anderen Belegen sprachlich so nahe, daß ein Einfluß anzunehmen ist. 2 Die Veränderungen, die Arnobius am Zitatsegment vorninunt,3 lassen sich gut aus den unterschied lichen Sinnricht ungen der Kontexte erklären , da es bei Vergil punktuell um das Lebensende, bei Arnobius linear um die Altersstufen , insbesondere die letzte zu durchlaufende, geht. Der Schatten , den das unabwendbare Schicksal des Thrnus auf den Lebensweg des Kindes wirft, dessen Unberechenbarkeit der hoffenden Zuversicht der Eltern gegenübergestellt wird , könnte Assoziationspunkt für die Auswahl der J unktur sein. 2,14abc (M. 81,20; 82 ,7sq. ; 82,8) Audetis ridere nos, cum gehennas dicimus
et inextinguibiles quosdam ignes, in. quos animas deici ab earum hostibus inimicisqtte cognovimus '? Quid Plato idem vester in eo volumine, quod de animae immortalitate conposuit, non Acherontem, non Stygem, non Cocytum fluvios et Pyriphlegethontem nominat, in quibus animas adseverat ( a) volvi mergi exuri? Et homo prudentiae non pravae et examinisque iudiciique perpensi rem inenodabilem suscipit, ut cum animas dicat immortales perpetuas et ex corporali soliditate pr-i:uatas, puniri eas dicat tamen et dolor--is adficiat sensu. Quis autem hominum non videt quod sit immortale, quod simplex, nullum posse dolorem admittere, quod autem sentiat dolorem, immortalitatem non habere posse'? Nec tarnen eius auctor'itas plur·imum e ve1
2
3
nat. 2,8 Et quoniam 1-idere nostram fidem consuestis atqu.e ipsam credulitatem facetiis iocu.lan bus lancinare, dicite, o fest·ivi et m eraco sapientiae tincti et satun potu, estne opens in vita negotiosum aliquod atque actosum genu.s, quod non fide praeeunte suscipiant sumant atque adgredian tur actores? Cf. ThLL VJJI s.v. meta 865,39- 52 "de vita.e exitu" Varro Me n. 544 aevitatis extimam attigit metam, quam dereliquit iuventas ( Va l. Max. 8 ,7 ext. 10 aetatis); Verg. Aen . 10,471; Ov. trist . 1,9,1 vitae f...J tangere metam - ke in Beleg angeführt mit venire ad metam. Neben der morphosyntaktischen Ada ptation ist vor allem die inhaltliche Anpassung beme rkenswer t : Das zie lgerichtet e pervenire s ubstituiert. Arnobius durch das eine gewisse Kontinuität implizierende venire. Das Genit ivattribut zu ad metas lautet nicht mehr aevi sondern senectutis, da so, wie a uch insbesondere durch d en Zusatz per gradus aeLatis, der Durchgang durch die AlLerstufen ausgedr ückt wird . Entsprechend fällt auch dati weg, da es nicht me hr um ein individuelles und bestimmtes Schicksal, sondern um den allgemeinen und unberechenbaren Lebenslauf geht.
284
11.5
Arnobius
ritate declinat. Quamvis enim vir Lenis et benivolae voluntatis inhumanum esse crediderit capitali animas sententia condemnare, non est tarnen absone suspicatus iaci eas in flumina (b} torrentia ftammarum globis et (c) caenosis voraginibus taetra. In den Ka piteln 13 bis 34 vergleicht Arnobius christliche und platonische Seelenlehre. Hier geht er a uf das Fortleben der Seelen im J enseits ein und verweist, ohne die Stelle a usdrücklich z u nennen , a uf eine Passage aus Platons Phaidon (112e 114c), um sich kritisch mit der Unst erblichkeit der Seele auseinanderzusetzen. 1 (a) Das Trikolon volvi mergi exuri, mit dem Arnobius d as bei Platon geschilderte Schicksal der Seelen im Bereich der Unterweltsßüsse zusammenfa ßt, besteht a us Verben , die VergiJ in seiner Unterweltsschau des sechsten Buches im gleichen Kontext, also ebenfalls für das Leiden der animae in der Unterwelt, verwendet: volvi Aen. 6, 748 has (sc. animasj omnis, ubi mille rotam voluere per annos - allerdings die Seelen als a ktiv Handelnde. Der Ausdruck mergere findet sich für die Beerdigung der Kinder Aen. 6,429 (426- 430): Continuo auditae voces vagitus et ingens infantumque animae flentes, in limine primo quos dulcis vitae exsortis et ab ubere raptos abstulit atra dies et funere mersit acerbo; hos iuxta f also damnati crimine m ortis. un d Aen. 6,614sq. ne quaere doceri / quam poenam, aut quae forma viros f ortunave mersit; das Wort exuri schließlich Aen. 6,742 (74Q-742): (.. .j Aliae (sc. animaej panduntur inanes suspensae ad ventos, aliis sub gurgite vasto inj ectum eluitur sceLus aut exuritur igni. Da bei kann es sich freilich nur um Indizien eines möglichen Nachklanges handeln: Die Vergilstellen sind deut lich voneina nder getrennt und weichen z um Teil signifikant von der Sema ntik im Folgetext a b. Immerhin wird tatsächlich mit allen drei Ver ben , die Arnobius im Trikolon präsentiert, bei Vergil das Schicksal von Seelen in der Unterwelt beschrie ben, und zwar in auffallendem Gebra uch . (b) Auch in den Worten iaci eas (sc . animasj in flumina torrentia ftammarum globis, mit denen Arnobius eine aus christlicher Sicht zu bejahende Lehre des Pla ton wiedergi bt, zeigen sich Spuren a us Vergils Darstellung des Phlegethon im sechsten Aeneisbuch , Aen. 6,550 (548- 551): Respicit Aeneas subito et sub mpe sinistra moenia lata videt triplici circumdata muro, 1
Die dabei von Arnobius als christlich vertretene Le hre von d er medi a qualitas der Seele, die an sich sterblich sei und erst d urch die Erkenntnis Gottes unsterblich werde, gehört zu den vieldiskutierten heterodoxen Sonder meinungen des Autors, spielt aber im Zusammenbang m it dem vergilischen E influß keine Rolle; dazu etwa BURGER 93sq. ; LE BONNIEC lntroduction 76sqq. ; AMATA Problemi, passim; CIERLICH 219; SIMMONS 142sqq.
11.5.2
Die Vergilzitate
285
quae rapidus flammis ambit torrentibus amnis, Tartareus Phlegethon, torquetque sonantia saxa. Die Formulierung globis ftammarurn entstammt Vergils Schilderung des Ätna in den Geo rgika., georg. 1,473 (471- 473):
[. .. ]. quotiens Cyclopurn effervere in agros vidimus undantem ruptis fornacibus A etnarn, flammarumque globos li quefactaque volvere saxa! Nochmals aufgegriffen wird sie im dritten Aeneisbuch , Aen. 3,574 (571- 574):
(. .. j sed horrificis iu:rta tonat Aetna ruinis, interdumque atram prorurnpit ad aethera nubern turbine fumantem piceo et candente favilla, attollitque globos flammaru.m et sidera lambit. Darin scheint das Vorbild des Arnobius z u liegen. L Insbesondere die Aeneis2 stelle wird oft imitiert und zitiert. Anstoß für die Verflecht ung der P hle.. gethon- und der Atnaschilderung kö nnte die sachliche , atmosphärische und sprachliche Ähnlichkeit des Bildes sein , das der feurige Unterwe ltsstrom und der lavaspeiende Vulkan a bgeben. 3 (c) Auch die Terminologie fü r den Acheronsumpf a ls Ort der Strafe ( caenosae voragines, nat. 2,30 a ls caenosi gurgites4 und volvatur in caeno5 ) kommt Vergil näher als Platons prosaischem xcx,;~ 'ti'jv A.l!J.VflV 'tTJV 'Axepou
Hinc via Tartarei quae j e1·t Acherontis ad undas. turbidus hic caeno vastaque voragine gurges aestttat atque omnem Cocyto eructat harenarn. Seit VergiJ ist d ie Bezeichnung caenum fü r den Unterweltssumpf belegt, das Adjekt iv caenosus findet sich in d iesem Zusammenhang von Juvena l an, der den Charonsnachen a ls caenosi gurgitis alnurn (3,266) bezeichnet; j edenfalls 1
ThLL V l,2 s.v. 2057,43--49 belegt die Junktur ab Vergil , in der s pätlateinischen Literatur aber sehr häufig (Verg. georg. 1,473; Aen . 3 ,574 ; Sil. 5,514 torquet Vulcanus anhelos cum fervore globos ftammarum; Sol. 5,9 ; Cypr. GaU. los. 249; Arnob. nat. 2,14; luvenc. 1,341; Pacian. pa raen. 11 p . 125; Amm. 23,1,3 etc.) . 2 Gell. 17,10,8- 19 zit iert Aen. 3,570-577 und erklärt die Stelle a ls im ita.tio von Pind. Pyth. 1,21sqq. Imitationes d erselben Aeneispassage s ind etwa Sen . Phoen. 313- 317; Plin. nat. 2,234 ; Sil. 5.5 12- 5 14. Auf die Georgikastelle hingegen könnte sich vielleicht beziehen Zeno t ract.. 1,11 , 1 inter taetros undantis incendii globos triumphantes. 3 Sprachlich faßbar an den Motive n des Getöses und des Herumwälzens von saxa, etwa Ae n. 6,551 torquetque sonantia saxa; georg. 1,473 liquefactaque volvere saxa; Aen . 3,571 sqq. tonal (. .. J saxa (. ..J exaestuat. 4 nat. 2,30 Et quis erit tam brutus et rer-um consequentias nesciens, qui animis incor-
5
ruptibilibus credat aut tenebras Tarta1'eaS posse aliquid nocere aut igneos ftuvios aut caen osis gurgitibus paludes aut rotarum volubilium circumactus? nat. 2,30 Quid enim continuum non est et ab legibus dissolutionis amotum est, licet omnibus ambiatur ftammis torrentium ftuminum, volvatur in caeno {non}, saxor-um imminentium casibus et immanium montium operiatur ruinis, inlibatum n ecesse est pennaneat et intactum neque ullum sensum mortifero.e passionis adsumer-e.
286
ll.5
Arnobius
gehören die Begriffe caenurn, gurges und vorago von Vergil an zur auch bei den späteren Christiani Latini immer wieder aufgegriffenen Terminologie der Unterweltsbeschreibung. 1 Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, daß Arnobius, auch wenn er sie bei seinen Ausführungen über das Schicksal der Seele nach dem Tod ausdrücklich Platon zuschreibt, die vergilische Unterweltsschilderung präsent hat und ihre Formulierungen allent halben einfließen läßt. Das unterstreicht zum einen die klassische Geltung der vergilischen U nterweltsschilderung, vor aLlem der Ausführungen über das Schicksal der Seele nach dem Tod , deren Bilderwelt und BegriffHchkeit sich kein römischer Autor entziehen kann. 2 Zum anderen aber scheint Arnobius, worauf DOIGNON hingewiesen hat, auch vergilische Inhalte zu nutzen, insbesondere platonisch geprägte3 Gedanken über die Reinigung der Seele in der Rede des Anchises.4 Arnobius nimmt also ursprünglich platonisches Gut in Vergils Bearbeit ung und Formulierung für die christliche Eschatologie in Anspruch. Daß er dabei nicht nur an Platon, sondern auch an den nur intertextuell präsenten Vergil als klassischen Vermittler jenes Denkens anknüpft, steht für den römischen Leser sicher außer Zweifel. Im Grunde genommen läßt sich hier dieselbe Praxis der Anknüpfung an philosophische Lehren in dichterischer Formulierung wie schon bei Minucius Felix5 und später bei Laktanz6 beobachten. 1
Cf. COURCELLE Lecteurs 478 Anm. 220b·is. ThLL III s.v. caenum 97,77- 83 'de inferorum paludibus': Verg. Aeo. 6,296; Ar nob. nat. 2,30 Lorrentium jluminum volvatur in ca.eno; Lact. inst. 7,7,13 luere poenas [... }in caeni voro.ginibus horrendis; luvenc. 4,67 baratri mergetur f .. .J ca.eno; Zacch. 1,38 p. 1108A jlagrantis caeni volvatur incendiis; cf. Ov. Pont. 4,3,37; Ib. 443; Sen. epist. 94,58; Pli.n. nat. 8 ,158; Tac. Germ . 12; ann. 1,65. T hLL III s.v. caenosus 97,2- 27: seit Colum. 7,10,6 (Sch weinepfu hl), Iuv. 3,266 n ec spemt ca.enosi gurgitis alnum (gemeint ist der Charonsnachen, davon abhängig laut T hLL 97,6 Arnob. nat. 2,30) ; Apul. met. 7,18; 9,14 (Bild für schmutzigen animus); Arnob nat. 2,14; Schol. pers. ed. KuRZ 3,34 ; Thrrib. epist. 1; Cypr. epist. 55,26 a.d cloa.cam et caenosam v oro.ginem vulgi. ThLL Vl,2 s.v. gurges 2360,29sq. , cf. Aen. 6,741 aliis fsc. umbrisj sub gurgite vasto [. ..J eluitur scelus , dazu Lact. inst. 7,7,13 luere poenas [. .. } in caeni voraginibus horrendis; Arnob. nat. 4,16 i tane tu audes maiestatem tibi mei nominis usurpare, si verum, ex caeno et ex gurgitibus prodita. coa.gulata.que limosis'? OLD s.v. vorago etwa Ov. Ibis 441 in medii mergar·e vomgine caeni. Allgemein zur Rezeption der Begriffiichkeit in der christlieben Latinität: Lact . inst. 7, 7,13 caeni voraginibus; Ambr. interpr. 4,10,36 in quoda.m caeno et [... } vomgine; Rutin. in Ps. 5,6 in vomginem caeni; Aug. t rin. 12,9,14,17 caenoso gurgite. 2 Das zeigt THOME (182- 205) für eine ganze Reihe von Einzelbegriffen a us der vergilischen U nterweltsschilderung. 3 Dazu oben (136sqq.) zu Min. Fel. 19,2. 4 J . DOIGNON, Le pla.citum eschatologique attribue a ux Sto'iciens par Lactance, RPh 51 (1977) 43- 55, hier 51 : "Ce ne sont pas seulement des details descript ifs qu 'Arnobe a ' pu glaner dans Je sixieme chant de I' Eneide; il semble aussi avoir en tete les idees du d iscours d 'Anchise s ur Ia purification des ämes 1... ]." 5 Zum Monotheimus Min. Fel. 19, lsq., zur Eschatologie Min. Fel. 35, l sq. , dazu oben ( 132sqq.; 164sqq.) . 6 Lact. inst. 7,20, dazu DOJGNON Le placitum eschatologique 5l sq.: "Lactance se Iivre 8 une SOrte de retro.ctatio d ' un t heme eschatologique esquisse chez Arnobe deja a l'aide de t rajts virgiliens et va meme plus loin que son > maltre< (cf. Hier. uir. ill. 80) dans
11.5.2
Die Vergilzitate
287
2,16 (M. 84,21) Femininis generib·us masculinisque distincta fsc . animantiaj
sunt: in totidem et nos sexus nostro sumus ab auctore formati. Edunt per uteros f etus et corporalibus conciliis pmcreant: et nos corporum coniugationibus nascimur et ex alveis fundirnur atque emittimur matrum. In Auseinandersetzung mit den Ansichten nicht näher bestimmbarer viri novi (2,15) verdeutlicht Arnobius die Weltverwobenheit des Menschen anhand der Vergleichbarkeit des irdischen Lebens von Mensch und Tier, dle sich auf den ganzen vegetativen Ablauf, also auch auf die Fortpflanzung erstrecke. Die dabei verwendete Formulierung fetus edere erscheint in Vergils Darstellung der Fortpflanzung als vegetativem Vo rgang, dessen er die Bienen enthoben sieht, georg. 4,199 (197- 199):
fllum adeo placuisse apibus mirobere morem, quod neque concubitu indulgent, nec corpora segnes in Venerem solvunt aut f etus nixibus edunt; {.
0
.J
Zwar findet sich die Junktur von Vergil an öfter für Tiere, vor a llem in fachsprachlichem Kontext, 1 doch die Wert ung der geschlechtlichen Fortpflanzung stimmt reziprok übere in: Bei Arnobius belegt sie die Weltverhaftetheit des Menschen , bei Vergil man ifestiert ihr Fehlen die erhabene Stellung der Bienen. Arnobius griffe demnach zum Erweis, daß der Mensch von sich a us keinen Anteil am Göttlichen und a n der Unsterblichkeit hat, a uf Vergils gegengleiche Ausführungen über die !J.E6E.~l<; der Bienen a m göttlichen vo~<; zurück. Dann wäre das inha ltlich red undante per uteros bei Arnobius Ersatz für das vergilische nixibus zwischen den permutierten Ele menten edunt [... J fet'l.tS. Der Verweis auf die Zeugung bei Arnobius ( corporalibus conciliis procreant, mit dem lukrezischen concilium für concubitus2 ) entspräche chiastisch nachgestellt dem vergiJischen corpora segnes / in Venerem solvunt. 2,17 et in fossilibus foveis tutamina sibimet et cubilia praeparare: Siehe oben (273) zu 1,28b. 2,24 (M. 95,2sq.) Et non stipes ttt aliquis aut Marpesia ut dieturn est
rupes stabit elinguis et mutus, hoc ips·um ignorans et nesciens, secum potius an cum altem conloquaris, cum altero sermocineris an secum, oratio sit ista quam promis an sonitus vocis nihil r·erum significans sed inani continuatione pertractus ? L
2
' Ia voie des e mprunts a ux Enfers d e I'Eneide." Cf. ThLL V ,2 s. v. edo 82- 4: ede1'e ein verbum pmprium für die Hervorbringung von Nachkommenscha ft , für Menschen (82,58-83,26), zunächst poetisch , dann häufig (Tert. idol. 9 Christo edito; Arnob. nat. 4,22) , mjt fetus nur Vitr. 2,9,1; für Tiere ab Cic. nat. deor. 2, 129, mit f etus (84,5l sq.) ab Verg. georg. 4,199, dann Liv. 28,27,16; Colum. 8, 11 ,8 etc. Für die Arnobiusstelle ergällzt T hLL V ,2 83,12 dei als Su bjekt und ordnet den Beleg dementsprechend unter a homines ein, richtig wäre aber, a.nimalia zu ergänzen . Lucr. 1, 183.484 .517.772.1082; 2, 110.120.563.564 .920; 3,805, cf. G I ERLICH a.d [. 225.
288
11.5
Arnobius
Im Rahmen seiner Versuche, Platons Unsterblichkeitsbeweis a us der &v~iJ.Vl'JOl~ zu widerlegen, greift Arnobius hier im fiktiven Dialog mit Platon a uf eine in den vora usgehenden Kapiteln (20- 23) in einer Art Höhlengleichnis entworfene Figur zurück, die ohne Umwelteinflüsse a ufgewachsen sei. Diese werde nämlich, anders als der Knabe im Menon, keinerlei Fragen zur Mathematik beanworten und nicht einmal zur Kommunikat ion fähig sein. Zur Verdeutlichung des Schweigens greift Arnobius a uf den Vergleich mit einer Marpesia rupes zurück, mit dem in ganz ähnlicher Form Vergil Didos eisiges Schweigen beim Wiedersehen mit Aeneas in der Unterwelt veranschaulicht , Aen. 6,471 (469-471 ):
nta solo fixos oculos auersa tenebat nec magis incepto vultum sermone movetur quam si dura silex aut stet Marpesia cautes. Der Vergilbezug ist nicht nw· durch das seltene Adjektiv Marpesius (z u einem Berg auf der Marmorinsel Paros), 1 sondern auch durch dle eingefügte Markierung ut dieturn est eindeutig, die auf eine häufigere sententia zu verweisen scheint , obwohl der Vers hier erstmals als Zitat belegt ist. 2 Neben der Permutation und der Addition der Markierung ersetzt Arnobius cautes durch rupes. Da aber cautes wenigstens fachsprachlich und spät gut in Prosa belegt ist ,3 strebt er damit wohl nicht nur eine Prosifikation,4 sondern eine Raflinierung durch Verfremdung eines eindeutigen und markierten Zitates an. Auch der Ersatz des vergilischen dura silex durch stipes, das auf der 1
Zur Erklärung d er Vergilstelle AUSTIN ad l. 167: "Parian marble bad a luminous quality of surface [... ]. Dido's g host glimmers in t he darkness." Cf. FORCELLLNI Onomasticon s. v. Marpessus: Verg. Aen. 6,4 71 ( "hinc Arnob." ) nach dem Berg a uf P aros und eine nach eine m Ort in der TI-oas Marpesia genannte Siby lle (Tib. 2,5,67; Lact. inst. 1,6,12 nach Varro). 2 Petron zitiert 132,11 zwar die beiden vorausgehenden Verse Aen. 6 ,469sq. , ersetzt Vers 471 aber d urch quam lentae salices lassove papavem collo, einen Cento a us ecl. 5,16 lenta salix quantum pallenti cedit olivae und Aen. 9,436b lassove papavem collo. Laktanz greift mort. 30,5 haeret manifestarius homicida et mutus stupet, quasi dum silex aut stet Marpesio. co.utes den Vers a uf, Macrobius zitiert ihn Sat. 4 ,1,1 wö rtlich. Cf. COURCELLE Lecteurs 439 Anm. 80. 3 T hLL 11 1 s.v. co.utes 7ll sq. bietet a uch eine Reihe von Prosabelegen, cf. aber Fouc HER 173. Arnobius zieht zwar rupes vor (2,17; 2,66; 3,27; 4 ,3), benutzt ab er auch co.utes, nat. 5 ,13 ubi enim co.utes et saxa pariunt duro, ibi poma necesse est suriant. Dazu SANTORELLt (244 Anm. 16): "La presenza di sa.xa duro, nesso virgiliano tratto da Georg. III 229s., con ferma ehe co.utes aveva per Arnobio un accentuato colorito poetico e virgiliano e ehe quindi consapevole e voluta era Ia sostituzione con rupes." Allerdings soUte man aus der J unktur sa.xa duro keinen color Vergilianus schließen: Die Härte des Steines ist sprichwörtlich (sa.xo durius, so Sen. controv. 1,3 ,11; cf. Ov. ars 1,475; met. 14 ,758; Sen. nat. 4b,3,4; Herc. 0 . 1272; Mart. 9,45,5sq.) ; daß vor a llem die Dichtung ausdrücklieb von sa.xo. dum (so etwa Ov. met. 11,212; 13,540; fast . 6, 742; Po nt. 2,2,34; Ibis 543; aber Vulg. dtn. 32,13 de so.xo durissimo) spricht, während in d er Prosa die Tatsache, daß Stein eben hart ist, natürlich vorausgesetzt werden kann , ohne formuliert werden zu müssen (so etwa Vitruv. 2,5,lsq. Uber unterschiedliche Härtegrade; Serv. Aen. 10,303), illustriert vielleicht ein C harakteristikum dichterischer W irklichkeitserfassuog, aber nicht die Arnobiusstelle. 4 So scho n B üRNER 37: "Auch hier ersetzt Arn. d as dichterische 'cautes' du rch 'rupis '. "
ll .5.2
Die Vergilzitate
289
Sachhälfte eine gegenüber Vergil neue Inkonzinnität der Metaphorik (HolzStein statt Stein- Stein) aufbaut , läßt sich so verstehen. Hinzu kommt die Wirkung der affektgeladenen Didoszene, die das Zitat, trotz der Verfremdungen unübersehbar, evoziert. Allerdings divergieren beide Szenen in einem entscheidenden Punkt: Bei Vergils Dido ist es der fehlende W ille zu Kommunikation, 1 bei Arnobius die fehlende Fähigkeit dazu. Durch diese Divergenz erscheint seine Referenz als Emphase. Und Arnobius verstärkt sie noch dad urch , daß er nach den beiden unmißverständlichen Vergleichen das ter·tium comparationis ausführt: elinguis et m·utus. Arnobius geht es an diesem entscheidenden Punkt seiner Auseinandersetzung mit Platon ganz offensichtlich um eine starke rhetorische Wirkung des Schweigens seiner fiktiven Figur, in dem ja die intendierte Widerlegung der &v
2,30 caenosis gurgitibus [... j volvatur in caeno: Siehe oben (283) zu 2,14b. 2,32 ab hiatibus mo·rtis et faucibus: Siehe unten (290) zu 2,53. 2,36 (M. 107,22) Sed imm01·tales perhibentur dii esse. Non ergo natura, sed voluntate dei patr'is ac munere. Qtw igitur pacto immortalitatis largitus est donum dis (die) certa prolatis, et animas hoc pacto dignabitur im.mortalita-
te donare, qttam.vis eas mo1·s saeva posse videatuT extingue1·e et ad nihilum. redactas inremeabili abolitione delere. In d en Ka p iteln 35 bis 53 wendet sich Arnobius weiteren Aspekten seiner Lehre von der media qualitas der Seele zu, zu Beginn d es K a pitels 36 wiederholt er deren Grundgedanken: Die Seele sei an sich sterblieb und müßte der inremeabilis abolitio a nheimfallen, würde ihr d ie Unsterblichkeit nicht von Gott geschenkt. D as seltene inr·emeabilis ist von Vergil an belegt, der es einmal im Zusammenhang mit dem La by rinth auf Kreta (Aen. 5,591 inremeabilis error) und einma l für den Untenveltsftuß (Aen. 6 ,424 ripam / inremeabilis undae) verwendet. Arnobius gebra ucht d as Wort erstmals in Prosa, a llerdings übertragen a uf einen unumkehrbaxen Zustand , während ansonsten an einen Ort ged ach t ist.3 Ganz offensichtlich geht es Arnobius um den gesuchten Ausdruck; die Berührungen mit dem vergilischen Kontext ergeben sich wohl eher aus der Semantik des Wortes, als daß sie intendiert wären. 1 2
Ausführlich dazu 0 . SEEL, Yergil und die Schuld d es Helden, in: ders ., Verschlüsselte Gegenwart, Stuttgart 1972, 95- 110. Im Sinne e iner komischen Wirkung durch d ie Kontrastierung von Prätext und Folgetext SANTOR.ELLI 244.
3
Cf. ThLL Yll ,2 398,23- 46 s.v. in-emeabilis, v.a. 27sq.; a uch in der Dichtung e her nachklassisch und selten.
290
11.5 Arnobius
2 ,40 aut vestium tutamina sibi aut velamenta conquir·erent: Siehe oben (273) zu 1,28b. 2 ,53 (M. 127,10) Ubi vobis nocemus vel quam vobis facimus aut inrogamus iniuriam, si omnipotentem confidimus deum habiturum esse rationem nostri, cum abire a corporibus coeperimus et ab Orci faucibus quemadmodum dicitur vindicari?
Im Kapitel 53 faßt Arnobius seine Seelenlehre abschließend zusammen und formuliert am Ende die christliche Hoffnung, Gott werde die Seele ab Orci faucibus erretten. Durch quemadmodum dicitur weist Arnobius a usdrücklich auf eine festst ehende Wendung hin. Bezugspunkt is t Vergils Beschreibung des Hadesreiches, Aen. 6,273 (273sq. ): Vestibulum ante ipsum primisque in faucibus Orci Luctus et ultrices posuere cubilia Curae,
[. .. ]. Von Lukrez an findet sich die Metapher von den fau ces der Unterwelt, die Formulierung fauces Orci prägt Vergil. Gellius und Macrobius zitieren die Vergilstelle, Apuleius verwendet mediis Orci faucibus in der Art einer festen Wendung. 1 Offenbar greift Arnobius bewußt eine a uf Vergil zurückgehende, allgemein geläufige - so ist wohl seine (auch deutlich distanzierende) Markierung quemadmodum dicitur zu verstehen - Ausdrucksweise auf. Diese Metaphorik vom Höllenschlund , die im Neuen Testament nicht vorkommt,2 sondern auf populä re pagane Vorstellungen in vergilischer Formulierung rekurriert, läßt sich von hier a us gesehen noch an zwei weiteren Stellen bei Arnobius beobachten, nämlich 2,32 (non esse animas Longe ab hiatibus mortis et faucibus constitutas.) und im Schlußsatz des zweiten Buches, 2,78 ( Committamus nos deo, [. .. ] ne {... ] inimicae mortis reperiamur in faucibus.). 2,58 (M. 133,17) Quid sit luna ? quid stellae ? cur una specie aut illa non maneat, aut per omne mundi corpus frustilla haec ignea convenerit atque oportuerit figi ? cur alia ex his parva, ampliora et maiora sint alia, obtunsi haec luminis, acutioris illa et fulgidae claritatis? .. In den Kapiteln 54 bis 62 greift Arnobius nochmals die Frage nach den Ubeln in der Welt a uf und argumentiert mit der Unfähigkeit des Menschen, die 1
2
Cf. ThLL Vl ,l s.v. fatiX 397,59-68: Lucr . 3,10ll sq. Cerberus et FUriae iam vero et lucis egestas, / Tar-tarus horriferos eructans faucibus aestu s! 397,81- 398,3 Uber den Eingang zur Unterwelt im eigentlichen Sinn: Verg. Ae n. 6 ,273, zitiert Gell. 16,5,12 und Macr. Sat . 6,8,14; Val. Fl. (vers. spur.) 1,784 primis stantfaucibus Orci: Apul. met. 7,7 Tota denique factione militarium vexillationum indagatu confecta atque concisa ipse me furatus aegre solus mediis Orci fau cibus ad hunc evasi modum. Arnob. nat. 2,53. Das Neue Testament spricht vom Abgrund, lißuooo~ . d er das Tote nre ich (~8TJ, mit. seinen als pars pro toto zu verstehenden 1tu:Aaa) und den Strafort (rttvv«) umfaßt , dazu 0. BöCHER, EWNT I 8sq. s.v. lißuooo~ .
II.5.2
Die Yergilzitate
291
Grundzusammenhänge der ·w elt zu verstehen, so a uch die Funktion der Himmelskörper. Die Verwendung von obtunsus für das Licht von Luna und stellae hat eine Parallele bei Vergil, georg. 1,395sq. (395- 397):
Nam neque turn stellis acies obtunsa videtuT, nec fmtris mdiis obnoxia suTgere Luna, tenuia nec lanae peT caelum vellera ferri. Zwar ist outunsus in der Prosa g ut und zusammen mit l·umen einmal fachsprachlich belegt 1 , a ber der inhaltliche Zusammenhang mit den Stichwörtern stellae und Luna sowie clie Tatsache, daß Gellius (6,17,8, mit astris statt stellis) die Vergilstelle a usdrücklich als versus notissimi bezeichnet und zitiert, legt die Vermutung nahe, daß Arnobius obtunsus hier unter vergilischem Einfluß wählt. 2,59 (M. 135,4) Quid in mundo faciunt bubones immussili buteones? [... ] quid
spinae, quid sentes, q·uid avenae, quid lolium, quid herbarum aut fruticum aut adolentia na1"ibus aut tristia in odoribus semina? Um zu verdeutlichen , daß es dem Menschen unmöglich sei, das T heodizeeproblem zu lösen, zählt er im Kapitel 59 eine Reihe von in den Augen des Menschen sinnlosen, ja schädlichen Tieren und Pflanzen auf, für deren Existenz der menschliche Verstand keinen Grund erkennen könne. Neben a llgemeinen Phänomenen aus der Pflanzenwelt , auf die er sich bezieht ( spinae, sentes, übelriechende Pflanzen) , nennt er zwei Pflanzenarten beim Namen, avenae und lolium. Der Taube Hafer und der Lolch erscheinen als schäd liches Unkraut im Weizenanbau zweimal bei Vergil (ecl. 5,37 infelix lolium et steriles nascuntu1· avenae; georg. 1,154 infelix lolium et ste1"iles dominantuT avenae), kommen aber häufiger, wohl ab Plautus, zusammen sprichwörtlich als Schädlinge vor. 2 Während bei Cyprian (Demetr . 23 quando et in agro inteT cultas et jeTtiles segetes lolium et avena dominetuT, dazu oben 234) die Referenz a uf Vergil und au f das neutestamentliche Gleichnis vom Unkra ut im Weizen (Mt 13,24- 30) faßba r ist, bleibt Arnobius so knapp, daß ein bestimmter Bezugspunkt nicht zu erkennen ist. 3 Im Vordergrund steht jedenfalls die Funktion der Unkräuter als exempla. 4 1
2
3
4
Th LL IX,2 s.v. obtundo 300,64- 73; Sen. nat. 1,3,13 alius est en im color· ex igneo lumin e, alius ex obtunso et lenior·e, später Rufin. Clement. 9,14; Ambr. hex. 4,9,34. Cf. ThLL V ll ,2 1613sq. s.v. lolium (in Verbindung mit T hLL Il 1308sq. s.11. avena): 1613,79sq. "saepe iuxta avena; dub. a n proverbialiter Pla ut." z.B. Eonius frg. var. 31; Ov . fast. 1,691 sq.; Calp. ecl. 4, 116; Ulp. dig. 9,2,27, 14 si lolium aut avenam in segetem a.lienam mieceris; Prud. ham. 216 etc. Der Plural avena e muß nicht a uf Vergil verweisen, so nämlich nach T hLL li s.v. avena 1308,8 1- 1309,11 auch Verg. georg. 1.226; Oirae 15; Meta 3,56; Plin . nat 4,95 ( cf . Sol. 19,6); Calp. ecl. 4,116; Arnob. nal. 2,59; Serv. georg. 1,77. Skeptisch äußert sich a uch C rERLICH ad l. 322: "Doch verweist er jsc. RAPI SA RDA Arnobio 249J auf einen Ve rs der Georgica (1,150) , der überha.upt. nichts mit dem hier Gesagten zu tun hat. Eine Yergilnacha hmung ließe sich allenfalls in bezug a uf Georg. 1,154 annehme n j... J. Da die Ähnlichkeit zwischen Yergil und Arnob aber nur auf der
292
II.5
Arnobius
2,67 (M. 145,7) Si paratis bella, signum monstratis ex arce ? Das zweite Buch beschließt Arnobius mit Aus führungen über das Erlösungswerk Christi (Kapitel 63- 78), vor allem über die Frage, warum es dazu erst so spät, in historischer Zeit , gekommen sei. Anband mittlerweile außer Gebrauch gekommener alter Sitten erläutert Arnobius hier das, auch in der Religion geltende, Grundprinzip der historischen Fortentwicklung. Eines der in Form einer rhetorischen Frage vorgebrachten exempla bezieht sich auf einen alten Brauch, bei Kriegsbeginn ein signum aufzupflanzen, wie es der vergilische Thrnus zu Beginn des achten Aeneisbuches bei Ausbruch der Feindseligkeiten t ut , Vers 1 (1-6): Ut belli signum Laurenti Turnus ab arce extulit et rauco strepuerunt cornua cantu, utque acris concussit equos utq·ue impulit arrna, extemplo tur-bati animi, simul omne tumultu coniurat trepido Latium saevitque iuventus effera. Für Vergil als Quelle und Bezugspunkt des Arnobius spricht nicht nur die Übereinstimmung im geschilderten Sachverhalt und in den entscheidenden Stichwörtern (bellum, signum, ab/ ex ar-ce), sondern vor allem die Tatsache, d aß es sich bei diesem rit uellen Zeichen für den Kriegszustand um ein archaisierendes Konstrukt Vergils handelt , das der Dichter aus historischen Überlieferungen und Kriegsbräuchen seiner Zeit entworfen und in die Urzeit projiziert hat. 1 Arnobius bezieht sich auf eine Praxis, die dem Leser in dieser Form nur aus der Aeneis vertraut ist ,2 und verwendet sie als Beispiel in seiner Argumentation, wobei das vergilische extulit zu monstratis vereinfacht
1
Verwend ung der Substantive avena und lolium ber uht , halte ich a uch in d iesem Fall den Vergleich für etwas zu weit hergeho lt ." Jn diesem Sinne etwa FORDYCE ad l. 205; PARATORE ad l. 223; PAGE ad l. 203. Ansonsten nämlich s pricht nur Livius (für das zweite vorchristliche Jahrhundert , also ebenfalls im Rückblick) von einem vexillum in arce positum z ur Einberufung der Zenturiatsko mitien (in einer Rede im Zusammenhang mit dem senatus consultum de Bacchanalibus, 39,15,11 Maiores vestri ne vos quidem , nisi cum aut vexillo in arce posito eomitiorum
causa exercitus eductus esset, aut plebi concilium tribuni edixissent, aut aliquis ex magistratibus ad contionem vocasset, forte temere coire voluerunt; et ubicum que multitudo esset, ibi et legitimum rectorem multitudinis censebant esse debere.), Caesar und Plutarch von einem zu Beginn der Kampfhandl ungen vor d em Feld herrnzelt aufgepflanzten vexillum, erklären diesen Brauch aber eigens (Caes. Gall. 2,20,1 Caesari omnia uno tempore erant agenda: vexillum proponendum, quod erat insigne, cum ad arma concurri oporteret, signum tuba dandum, ab opere revocandi m ilites, qui paulo longius
aggeris petendi causa processerant, arcessendi, acies instruenda, milites cohortandi, signum dandum. Plut . Fab. 15 10 1ij~ f!ax.TJc; OTJf!tiov tH9TJxtv - lon lii X.ltwv x6xx wo~ odp 'tijc; O'tp<X'tTJllXi)c; O XTJVii~ liul Ul\IOflt\IOc;.). Servius ( ad l.) erklärt ausführlieb die Mobilmachung vermittels verschiedenfarbiger vexilla. Zu den traditionelle n Ri tualen der Kriegserklärung durch die Fetialen WtSSOWA R eligion und Kult 55G-554. 2
Zwar kön nte man anneh men , daß noch we itere, uns verlorene Quellen Uber diesen Brauch berichtet hätten, doch setzt die Argumentation d es Arnobi us unbedingt eine P raxis voraus, die der Leser a ls eine in alten Zeiten geübte , mittlerweile aber außer Gebrauch gekommene kennt. Allgemeine Vertrautheit kann Arnobius aber fast nur
11.5.2
Die Vergilzitate
293
wird. Vergil wird also als Quelle zur Vorgeschichte Roms herangezogen und vorausgesetzt. Der Leser muß die zum Verst ändnis des Folgetextes notwendige Information aus dem Anfangsvers des achten Aeneisbuches schöpfen, vielleicht einschließlich eines von zeitgenössischer Vergilerklärung zur Stelle mitgegebenen Hinweises auf einen alten Brauch. 2,70ab (M. 147,20; 148,4) Nam si verum est ex Saturno atque eitts u.·wre Iovern s·u.is cum fratribus procreatum, ante nuptias et partus Opis nusquam fuerat Iuppiter, Iuppiter tam supremus quam Stygius , nusquam sali dominus, nusquam /uno, quinimmo alius nullus genitoribus duobus exceptis caeli habitabat in sedibus, sed ex eorum concubitu concepti et nati sunt et spiritum ha·usere vitalem. (. ..} R·ursus veto si Libe1' Venus Diana Mercurius Apollo Hercules Musae Tyndaridae Gastores ignipotensque Vulcanus Iove patre s·unt proditi et genitore Saturnio procreati, ante quam Memoria, quam Alcumena M aia Iuno Latona Leda Dione, turn et Semeta Diespitri factae sunt compressionibus f etae, nusquam et hi gentium nec in aliqua pa1ie rerum fuere naturae, sed ex conventu Iovis inseminati et nati sunt et aliquem sensum sui habere coeperunt. Auch die heidnischen Götter, so die Argumentation in Ka pitel 70, träten im geschicht lichen Rahmen, das heißt nacheinander in genealogischer Folge hervor. Für die Generation des Jupiter erwähnt Arnobius neben dem Göttervater (Iuppit er supremus) Pluto als Iuppiter Stygius, eine Bezeichnung, die er auch anderer Stelle verwendet, nat. 3,31: Nullus deus est omnino Neptunus, atque ita tollitur et 1--emovetur e medio Stygii frater Iovis Olm.ypiique germanus. Dieser Ausdruck mag von Vergils l uppiter Stygius (Aen. 4,638) 1 beeinflußt sein , doch könnte ein inschriftlicher Beleg aus dem zweiten oder ersten J ahrhundert vor Christ us (CIL I 1920 sacra Stygio Iovi) auch auf einen, etwa im Totenkult , üblichen Ausdruck verweisen. 2 Das Adjekt iv ignipotens, das Arnobius dem in der Reihe der J upitersöhne aufgeführten Vu lkan beigibt, ist hier erstmals seit Vergil (Aen. 12,90 ignipotens deus) in Prosa belegt. 3 Wenn auffälligerweise unter den genannten Göttern nur Vu lkaJ1 ein poetisches Epit heton bei sich hat, so dient das der Hervorhebu ng des Schlußgliedes, vielleicht aber auch der Ironisierung der wenig heroischen Gestalt .4 für Vergil, keinesfalls aber für eiJ1e bestimmte antiquarische Quelle voraussetzen, nicht
einma l für Varro. 1 Ae n. 4,638 sacra l ovi Stygio, quae rite incepta pamvi, I perficere est animus finemque imponere curis I Dardaniique rogum capttis permittere ftammae . 2 Zum Gebra uc h des Adje ktivs Stygius THOIIIE 194-200, hier vor allem 197.199 Anm. 483; zur Vorstellung von einem 'and ere n' bzw. ' unter irdischen' Zeus R. M UTH, Einführung in die g riechische und römische Religion, Darmstadt 19982 , 122; W EST ad Hes. op. 465 (276). 3 Cf. ThLL Vll ,l s.v. ignipotens 288,36-44: seit Vergil, adjektivisch nur Aen. 12,90 und , abhä ng ig davon, A rno b. nat. 2, 70 (37sq.). 4 JIRANI (415; mit gewisser Zurückha ltung S ITTE 143sq.) weist darauf hin , daß die auf-
294
11.5
A rnobius
2,71 (M. 150,2sq.) Quis Picum, Fauni patrem atque avum Latini fsc . genuit}? Saturnus, ut vos idem vestris scriptis atque auctoribus traditis. Ergo si haec ita sunt, sequitur ut Picus et l uppiter germanitatis sibi sociati sunt iure, utpote uno ex sangue unoque ex semine procreati. Consentaneum est ita esse quod dicitur. Ab Iove et Pico quot sunt generis usque ad Latin'um gradus? Trini ut indicat series. Vultis Faunus, Latinus et Picus annis vixerint vicenis atque centenis? Ultra enim negatur posse hominis vita produci. Aestimatio iusta et liquida est. Trecenti ergo sunt pleni et sexaginta post hos anni? Res ita est, ut indicat supputatio. Cuius socer Latinus fuit ? Aeneae. (Aeneas) genitor cuius? (Ascanii) Albani oppidi conditoris. Quot apud Albam regnatum est annis? Quad1'ingentis et prope bis denis. Aetatis urbs Roma cuius esse in annalibus indicatur? Annos ducit quinquaginta et mille aut non multum ab his minus. Ergo ab Iove, qui frater est Pici quique pater est minorum et reliquorum deorum, anni ad haec tempora prope milia duo sunt aut pleni, ut largiamur aetati. Auch die heidnische Religion ha be erst entstehen müssen, sei also einmal neu gewesen wie jetzt das Christentum. In diesem Zusammenhang verweist Arnobius auf die genealogische Abfolge Saturn, P icus, Faunus, Latinus. Mit dieser Reihe leitet auch Vergil seine Exposition der Zustände in Latium ein, Aen. 7,45b-49: Rex arva Latinus et urbes iam senior longa placidas in pace regebat. hunc Fauno et nympha geniturn Laurente M arica accipimus; Fauno Picu s pater , isque parentern te, Saturne, rejert, tu sanguinis ultimus auctor. Diese Genealogie scheint auf Vergil selbst zurückzugehen 1 , vor allem in bezug a uf Latinus, den eine ältere Tradit ion als Sohn der Kirke kennt,2 sowie au f Picus3 , und wird von späteren Autoren übernommen 4 . Zwar ist diese Versi-
1
2
3
4
gezählten Götter (bis auf Liber und Semele) in den auch Arnob. nat. 4 ,14 rezipierten Ka piteln C ic. nat. 3,53- 60 erwähnt werden, die somit a ls Quelle in Frage kommen . Läge tatsächlich die Cicero-Passage zugrunde, die Vulkan keine Attribute beigibt, käme in der Verwendung des poetischen Epitheton Arnobius' stilistischer Gestaltungswille besonders zum Ausdruck. So etwa FORDYCE ad l. 67; für Naevius als Vorbild Vergils W. SCHUR, ' Latinus 1', RE 12.1 (1924) 932sq. SCHUR ( RE 12,1 [1924] 928sq. 932sq.) zu den d rei Var ianten für die Herkunft des Latious: auf: 1. Sohn des Odysseus und der Kirke, 2. Sohn der Kirke und des Telemachos, 3. (wie Ve rg. Aen . 7 ,47) Sohn des urlatinischen Faunus und einer Nymphe. Schon Ennius bezeichnet. die Einwohner von Latium sofort als Latiner (fr. 22 V.), ähnlich vielleicht auch schon Naevius. Cf. G . RoHOE, ' Picus ', RE 20,1 ( 1941.) 1214 mit den zahlreichen weite ren Belegen dieses genealogischen Zusammenhangs (etwa Iustin . 43,1,6 ; Lact. inst. 1,22,9) ; abweichende Varianten: 1. Picus heißt auch Sohn des Sterces oder Stercutius (Aug. civ. 18 ,15; Serv. Aen. 10,76); Sterc utus {lsid . orig. 17, 1,3) oder Sterculinus (Tert. nat. 2,9), was auf die Gleichsetzung von Sterces mit Saturnus zurückgeht, auf die Augustin, Isidor und Macr. Sat. 1,7 ,25 hinweisen ; 2. Donat. Aen. 7,14,21 Georg. : Sohn des Paunus; 3. Oion. Hai. ant. 1,31 und Appian. reg. 1: Sohn des Ares. So läßt s ich in den folgenden Fällen die Benutzung eben dieser Version erkennen: Ius t .
11.5.2 Die Vergi lzitate
295
on zur Zeit des Arnobius schon verbreitetes Gemeing ut geworden, jedenfalls zitiert Arnobius sie ausdrücklich als solches ( ut vos idem vestris scriptis atque auctoribus traditis), doch kennt der Gebildete sicher die Vergilstelle als Ausgangspunkt und locus classictLS. Ein weiteres Anzeichen fü r die - entgegen den von SITTE erhobenen Einwänden 1 - kaum zweifelhafte Präsenz des Dichters a n dieser Stelle sind außerdem die Hinweise a uf La tinus als Schwiegervaterdes Aeneas, was an den zweiten Teil der Aeneis denken läßt, und a.uf J upiter als Bruder des Picus ( sequitur ut Picus et Iuppiter germanitatis sibi sociati sint iure) , was sich, wie GIERLICH bemerkt,2 auch a n anderer Stelle (Aen. 7 ,48sq.) bei Vergil findet. Arnobi us legt a lso, da er sich ja ausdrücklich ( ut vos fertis) a uf a nerkannte mythologische Aussagen berufen will , die sicherlich seiner Leserschaft vertraute Genealogie der Aeneis zugrunde, ohne sich freilich ausdrücklich a uf Vergil zu beziehen.
1
2
43,1,5sq. ( cf. 0. SEEL, Die justinischen Handschriftenklassen und ihr Verhältnis zu Orosius, SIFC 11 11934 ] 255- 288; 12 IJ935] 5--40); Lact. inst. 1,22,9; epit. 17, l sq.; Aug. civ. 18,15; lsid . orig. 12,7,47. Ausdrücklieb gegen Vergil als Vorlage wendet sich SITTE {75- 77) mit drei Argumenten: {1) Für die G enealogie des Janus 3,29 (lanu.m, quem j erunt Caelo atque Heco.ta procreatu.rn (. .. } patrem Fonti, Vu.ltu.rni generu.m, lu.turnae maritu.m) liege dem Arnobius eine (nicht erhaltene) christ liche Apologie, die ihrerseits Labeo benutze (cf. 48.54), zugrunde; aus dieser Quelle schöpfe Arnobius, wie das Vorkommen der Genealogie des Saturn zeige, auch hier. (2) "ID] ie a ngeführte Vergilstelle !stimmt] nur wenig mit Arnobius übereini... J" {76). (3) Man dürfe "für Arnobius, wie das Gesamtkonzept seines Werkes zeigt , nicht die Benutzung unzähliger Quellen annehmen" (76), vielmehr müsse man sich "au f einige beschrän ken [... ], die Arnobius a uf seine Weise ausgeschöpft und kontaminiert hat." (76sq.) - Diese Argumente sind letztlich nicht stichhaltig: (ad 1) Abgesehen davon , daß eine Argumentation mit einer n icht nur verlorenen, sondern in ihrer Existenz überha upt. nur postulierten Quelle immer hypothetisch b leiben muß, überze ugt der kühne Analogieschluß nicht, mit dem SITTE seine Erkenntn isse über 2,29 a uf 2,71 überträgt: Das Vorkommen einer Genealogie a n zwei Stellen bedeutet keineswegs, daß beide Stellen auf dieselbe Quelle zurückgehen müssen. Vielmehr handelt es sich bei der Genealogie um ein grundlegendes, anthropologisches G liederungsschema, dessen auch mehrmalige Verwendung keine so spezifischen Rücksch lüsse erlaubt. (ad 2) Tatsächlich gibt es ke ine sprachlichen Parallelen zwischen Arnobius und Vergil im Sinne eines wörtlichen Zitates. Doch ist, wie oben gezeigt, nach d em erhaltenen Quellenbefund die sacllliche Übereinstimmung so a uffallend , daß ein Zusammenhang vermutet werden muß, zumal angesichts d er Existenz genealogischer Varianten , die SITTE gar nicht erst berücksichtigt. ( a.d 3) Damit setzt S ITTE im Grunde voraus, d aß Arnobius erstens eine nur ungefähre Kenntnis der Aeneis habe, daß er zweitens, um sie z u Rate zu ziehen , erst nachschlagen müsse, ob sich wo hl etwas zum behande lten Thema Gehöriges finde, und daß er drittens dies hier unterlasse, da er eben nicht ' unzä hlige Quellen ' benutzen könne oder wolle. Solche Annahmen widersprechen aber nicht nur den hier gesammelten Beobachtungen über die Vergilbenützung des Arnobius - übrigens spricht SITTE selbst an a nderer Stelle (146) davon, daß man "die Kenntnis Verg ils und Ovids doch einigermaßen noch annehmen" könne - , sondern letztlich allem, was über die Rolle der Aeneis in der Bildung im a llgemeinen und in der rhetorischen Ausbildu ng im besonderen als gesichert gilt. Vergil ist also nicht, wie S ITTE es hier tut , als Quelle im historiographischen Sinne anzusehen, wenngleich er natürlich als solche verwendet werden kann , sondern a ls apriorisch präsenter Prätext. Ad l. 350.
296
IT.5
Arnobius
2, 78 inimicae mortis r·eperiamur in faucibus : Siehe oben (290) zu 2,53.
3,1 (M. 159,12) Suis illa fsc. religio Christianal viribus et veritatis propriae fu.ndaminibus nititur nec spoliatur vi sua, etiamsi nullum habeat vindicem, immo si linguae omnes contra faciant contraque nitantur et ad fidem illius abrogandam consensionis unitae animositate conspirent. und
6,7 (M. 314,21) Quis est, inquam, qui non sciat ex fundaminum sedibus caput hominis evolutum non ante plurimum tempor'is aut solum sine partibus ceteris - hoc enim quidam ferunt - aut cum membris omnibus humationis offici.a sortitum '? Arnobius übernimmt das seit Vergil (georg. 4,161) dlchtersprachllch übliche fundamen in die Prosa. 1 Da er fundamenzweimal im Plura l, fundamenturn einmal im Singular (1 ,31) verwendet, lä ßt sich dieser Wortgebra uch nicht nur mit einer Tendenz z u einer gesucht poetischen Diktion , sondern vielleicht auch mit prosodischen und rhythmischen Erwäg ungen e rklären. 2
3,9a (M. 166,11) Quid ergo ? dicemus deos procreare, deos nasci, et idcirco his additas genitalium membrorum partes, ut sufficere prolern possent, et nova quaque suboriente fetura quicquid prior aetas abstulisset recidiva substitutio subrogaret '? Im Rahmen der retorsio des gegen die C hristen erhobenen Vorwurfes der impietas greift Arnobius im ersten Teil des dritten Buches (Ka pitel 6- 28) die Anthwpomorphle des heidnischen Gottesbildes, zunächst (K apitel 611) die VorstelJung von geschlechtlichen Göttern auf. Hier fragt Arnobius polemisch nach dem Sinn der genitalia membrader heidnischen Götter. Die Formulierung prolern sufficere verwendet Vergil in seinen Anweisungen für d ie Rinderzucht, georg. 3,64sq.:
[. .. j; mitte in Venerem pecuaria primus, atque aliam ex alia generando suffice prolem. Auch heißt es georg. 4,202 sufficiunt von der Fortpflanzung der Bienen. Apuleius (Socr. 4 p. 127) nimmt die Wendung in einer Beschreibung der condicio humana a uf. Wahrscheinlich wählt Arnobius hler eine vergillsch inspirierte Formulierung3 - in diesem Zusammenhang ist a uch die Hä ufung des Präfixes sub- zu beachten 4 - , vielleicht will er auch in subtiler Polemik die heid1
Cf. T hLL Vl,l s.v. funda.men 1549,5 1sq. L E B ONNIEC Echos ovidiens 141 sq. verweist angesichts d er zahlreicheren Belege bei Ovid auf d iesen als Quelle, siehe oben 262 Anm.
4. 2
So VAN DER PUTTEN a.d I. 29. 3 K eine weit eren Belege im PH [ 5.3-Corpus sowie nach OLD und FORCELLINI s. v. sufficio, cf. VAN DER P UTTEN a.d I. 84. SPINDLER (5. 12) verweist auf Lukrez (etwa 3,704 disperit a.tque a.lia.m na.turam sufficit ex se) als Vorbild fUr die V erwendung von sufficere im Sinne von suppedita.re. 4 Cf. VAN DER PUTTEN ad l. 84.
II .5.2
Die VergHzita.te
297
nischen Götter vermittels der Anspielung auf die Georgika mit animalischer Existenzform in Ver bindung bringen. 1
3,9b (M. 166,16sq.) Ergo si haec ita sunt, si dii procreant superiet si per ( terre) nas leges experitmtur se sexus, suntque immortales nec frigoribus fiunt
senectutis effeti, sequitur ut debeant plena esse diis omni a neque innumeros caelos eor-um caper·e multitudinem posse, siquidem et ipsi perpetuo generant et per suboles sttbolum multiplicata semper innumerabilitas ampliatUT·:
(...J Unmittelbar im Anschluß führt Arnobius die Arg umentation in Richtung eines schon in der paganen Literatur geläufigen 2 und dann von den christlichen Apologeten fü r die Kritik an heidnischen Gottesvorstellungen übernommenen3 Gedankens weiter: Wo sollten all die unsterblichen und doch sich unablässig vermehrenden Götter nur Platz ha ben? Die Wendung plena esse diis omnia jedoch geht a uf eine pantheistische Formel zurück: erstmals belegt bei Thales (DK A 22 1t6.v"tcx 1tATjp1J e~wv , zitiert etwa Cic. leg. 2,26), dann in stoisches Denken übernommen , so etwa in Arats P ha.inomena (1- 4). Daran lehnt sich wiederum Vergils ( ecl. 3,60) ab Iove principi'um Musae: Iovis omnia plena an, wie schon dle antike Vergilerklärung erkennt 4 . In dieser Tradition sucht Minucius Felix (32, 7, dazu oben 159sqq.) die christliche Vorstellung von der Gegenwart Gottes z u veranscha ulichen. Auch spätere Belege bezeugen die Bekanntheit der Formel, etwa bei Symmachus (rel. 3,5 omnia quidem plena sunt) , bei Macro bius a ls Zitat des Vergilverses (somn. 1,17,14) und bei Augustinus (cons. evang. 1,23,31). Vcrgil scheint also als Verm ittler der von Arat formulierten stoischen Gedanken eine gewisse Rolle zu spielen. Arnobius bringt ein oft, nicht z uletzt bei Vergil , zitiertes stoisch- pantheistisches Theologumenon, a n das Minucius Felix positiv anknüpft, als mit einem Topos der a pologetischen Götterkri ti k zusammen und erreicht so eine polemische Spitze. Das hat eine Parallele Laktanz, inst. 1,16,6: Nascuntur· ergo et cotidie
quidem dii novi: nec enim vincuntur ab hominibus fecunditate. igitur deor·um innumerabilium plena sunt omnia, nullo scilicet mo1·iente. 1
2
3
4
In diesem Sinne auch SANTORELLI {245): "[LI 'ardita ripresa quindi porta Je divinitä su llo stesso piano di un ottuso armento ehe puo dare il meglio di se solo r iproduceudosi instintivamente." Cic. nat,. 1,50 ( cf. P EASE ad l. T 326sq.); Plin. na.t. 2. 16. - ln der Formu lierung innumeros caelos sieht VAN DER Pu-rrEN (ad l. , 87) eine Anspiel ung auf die epikureische Lehre von einer unendlichen Anzahl von Welten. Zuerst und ausführlich bei Theophilos (2,3 ; mit Zitat aus den omcula Sibyllina fr. 2 CEFFCKEN) , daraus übernommen (so B EAUJEU ad l. , 126) von Minucius Felix (24,4 cete-
rum si dii creare possent, interire non possent, plures totis hominibus deos haberemus, ut iam eos nec caelum contineret nec aer caperet nec terra gustaret. Cf. P ELLEGRINO ad l.) , später von Laktanz {i nst. 1,16,6- 10) und in der omtio ad sanctum coetum (4 E! 8' &66:vcnot ol Y61111WIJ.EII0t l YE\IVW\I"t<Xt 8f. eh!' ltA TJfLtJ.Opti\1 &v6: YXTl "tO rivo~. 1tpoo9f) xn~ 8' tmre.vo!J.lvn~ . ti~ &v oupav6~, ltO!a 8t rii "tOOOÜ"t0\1 OtJ.TjiiO~ lmytyVOIJ.f:\10\1 Stwv txwpT)Ot:V;). Ser v. ad l. ; Macr . somn . I , 17, 14; auders teilweise die modernen K ommentatoren, etwa COLEMAN ad l.
298
Il .5
Arnobius
3,13 (M. 171 ,21 sq.) Quodsi ea quae prompta sunt, consentaneum est et illa portari quae sub costis earumque sub cratibus cutes contegunt atque omentorum membranulae, gurguliones ventriculos Lienes pulmones vesiculas iecora, intestinarum volubilium tractus et per omnia viscera commeantes purpurei sanguinis venas cum arteriis spiritalibus coniugatas. In den Kapiteln 12 bis 17 wendet sich Arnobius gegen anthropomorphe Vorstellungen von der äußeren Gestalt der Götter. Diese Ana logie müsse sich dann ja, so argumentiert Arnobius hier, auch a uf die Anatomie der Götter in ihrem Inneren erstrecken. Der dabei verwendete P a ra llelismus sub costis earumque sub cratibus kommt dem vergilischen (Aen . 12,508) transadigit costas et cratis pectoris ensem nahe. Das bildHebe crates neben costae findet sich von dem hä ufig zitierten Vers an bei Ovid und einmal bei Apuleius, aber nicht parallel: met. 4,12 difissaque crate costarum. 1 Der P a rallelismus des Ausdrucks macht es wahrscheinlich, daß Arnobius bewußt a uf die vergilische Formel zurückgreift , die seiner Da rstellung nicht nur einen color poeticus verleiht, sondern assoziativ a uch die Vorstellung von der Verwundbarkeit der Götter hervorruft.
3,21 (M. 179,6) Vestis indigent [sc. die heidnischen Gö t ter] tegmine: ut virgo Tritonia curiosius stamen neat et qualitate pro temporis aut trilices tunicas aut de serico ( C'ur) et imponere. In den Kapiteln 20 bis 28 des dritten Buches setzt sich Arnobius mit den Aktivitäten der heidnischen Götter auseinander , die entweder selbst in menschlicher Weise tätig oder als dii tutelatores für die merkwürdigsten Lebensbereiche zuständig seien. Die Bezeichnung virgo Tritonia, mit der er in einer Aufzählung die mit Wollarbeiten beschäftigte Athene/Minerva benennt, hat ihre Entsprechung in einer Gebetsanrufung bei Vergil , Aen. 11 ,483: 'Armipotens, praeses belli, Tritonia virgo, frange manu telum Phrygii praedonis {.. .]. ' Die Ausdrucksweise findet sich hä ufiger in der nachvergilischen Dichtersprache, und zwar regelmäßig am Versschluß.2 Die Inversion bei Arno bius soll, wie schon B üRNER (37) zu Recht annimmt, 3 den auffä lligen Hexam eterschluß beseitigen . Durch die epische Bezeichnung der Göttin verdeutlicht Arnobius in ironischer Weise die Diskrepanz zwischen der machtvollen , kriegerischen 1
2
3
Cf ThLL IV s.v. cratis 1112,32- 51 : ab Verg. Aen. 12,508 (spät ofter zitiert) in d iesem Sinn, in Prosa Apul. met. 4,12, zudem Arnob. nat. 3,13 und Prud. perist. 11,57; cf Tert. resurr. 42 Giganturn cadavera f. .. ], qu.orum crates adhuc vivunt; Lact . opif. 5,5 ut illius solidae cratis {sc. costarum] amplexu possent esse munita; cratis und costae als fester Ausdruck übertragen Iord. Get. 75. Cf. Sil. 9,479; 13,57; Stat. T heb. 2,684 ; silv. 1,1 ,37; Va.J. Fl. 7,442; dazu OLD s.v. 1Htonius: Verg. Aen. 5,704 1Htoni.a Palt.as; Val. Fl. 7,442 ubi nunc 1Htonia virgo?; Stat.. Theb. 2,684 ; als Substantiv: Verg. Aen. 2,171 ea signa dedit 'lhtonia; Ov. met. 5,250 comitem 'lhtonia fratri se dedit; fast. 6,665; Stat. Theb. 10,895; Ach. 1,486. Cf. M cCRACKEN ad l. I 357 Anm. 101. So auch S ANTORELLI 244. •
Il.5.2 Die Vergilzitate
299
Gottheit und ihrer banal menschlichen Handarbeit. In seiner Kritik an der paganen Opferpraxis nimmt Arnobius die Rede von der viryo Tritonia nochmals a uf, 7,22 (M . 368,13): Nam si, q·uia virgo Tritonia est, idcirco ei con-
venit virgines hostias immolari, {... } eryo et musicis Apollo, quod musicus,
f. .. J.
Wiederum steht sie in einer Aufzählung von Göttern mit ihren Attributen beziehungsweise Tätigkeitsfeldern , diesmal jedoch benötigt Arnobius z ur Vorbereitung der Pointe die Ana logie von virgo und virgines hostias. 3,29 (M. 187,19sq.) Atque ita ex ordine tolletur· et iste {sc. Saturnusj caele-
stium, quem Caelo esse editum patre, magnor-um esse procreator-em deontm, vitisatorem falciferum vetustas edidit prisca et minor·em transmisit aetatem. In den Kapiteln 29 bis 44 zeigt Arnobius die Widersprüche und Bedenken der Christen gegenüber der paga nen Lehre von den Göttern auf. Er beginnt zunächst (Kapitel 29-36) mit einzelnen Götter , ausgehend von Ianus und Saturn. Für diesen verweist Arnobius auf den Widerspruch zwischen der Allegorese Kp6vo~ z u xp6vo~ einerseits, die auf einen gänzlich ungeigneten Gottesbegriff hindeute (3,29 quis est tam demens, qui tempus esse dicat deum (. .. }?), und andererseits auf das Verständnis als Göttervater und Gott des Weinbaues, wie ihn die vetustas prisca kenne. Die dabei verwandten Epitheta vitisator und falcifer lassen an einen Abschnitt aus der vergilischen &x
Quin etiam veter-um effigies ex ordine avorum antiqua e cedro, Italusque paterque Sabinus vitisator curvam servans sub imagine falcem, Saturnusque senex Janique bifrontis imago vestibulo astabant, aliique ab origine reges Martiaque ob patriam p·ugnando vulnera passi. Für den Vers 179 läge zwar ein Bezug auf Saturn gedanklich näher, der Text läßt aber nu1· eine Referenz auf Sabinus zu. 1 Möglicherweise hat also Arnobius, vielleicht eher aufgrund eines abweichenden Textverständnisses2 als a ufgrund eines Me rkfehlers, a us dieser Vergilstelle die Bezeichnung vitisator und den Hinweis a uf d ie falx übernommen: 3 Das seltene vitisat01· nämlich erscheint zwar schon bei Accius, aber dort für Dionysos (trag. 241 o Dionyse vitisator) . Unter den erhaltenen Belegen weist nu1· der Vergilvers einen wenigstens mittelbaren Zusammenhang mit Saturn auf.4 Das dichterische 1
2 3 4
So ad l. P AGE 162, FORDYCE 99, PARATORE ( l58 sq. Siehe unten 342 Anm. 1. So a uch schon COURCELLE Lecteu.rs 532 Anm. 54bis. O LD s. v. vitisator ne nnt. neben der Accius- und der Vergilstelle nur C IL V'JII 20249, eine Inschrift aus Ain- Kebira in Nordafrika, ebendaher stammt ein weiterer Be leg, ClL VIII 8391,7 = C E 1623,7, in beiden F'ä llen läßt s ich kein Bezug mehr erkennen; manche Handschriften lesen außerdem Ov. fast . 7, 726 vitisator statt des wohl richt igen vilis anus - a llerdings wäre es d ort , wie auch Anth. 751,1 Lenaee vitisator Bromie Semeleie
300
II.5
Arnobius
falcifer findet sich zwar erst seit Ovid als Epitheton für Saturn , vor allem in der Verbindung falcif er senex1 , doch ist das Winze rmesser, die falx, übliches Att ribut des Saturn, a uf das Arnobius auch an anderer Stelle (6,2 Satm'?lu.s cum obunca jalce custos ruris) Bezug nimmt.2 Arnobius versteht demnach Saturnusque senex als polysyndetischen Anschluß an die vorausgehenden Epitheta, die er a uf Saturn bezieht , vielleicht unter dem E influß der seit Ovid (fast. 5,627) in der Dichtung gebräuchlichen Metonymie falcifer senex, die eine Verbindung der Verse 179 und 180 insinuiert. Da ß jedenfalls Arnobius genau diese Szene mit der Beschreibung der althergebrachten Götterbilder im P a last des Latinus vor Augen hat, zeigt das ebenfalls übernommene ex ordine. 3 Er sucht offenbar e ine klassische Ausdrucksform für die Tradition ( vetustas edidit prisca) von Saturn als Gott des Weinba ues und gla ubt, sie bei Vergil zu finden . 3 ,30 (M . 188,8sq.) Iam vero Iunonem opinatio nonne consimilis deorum tollit e censu? Nam si aer illa est, quemadmodum vos ludere ac dictitare consuestis Graeci nominis praeposteritate repetita, nulla soror et coniunx omnipotentis repperietur Iovis, nulla Fluvionia, nulla Pomana, nulla Ossipagina, nulla Februtis Populonia Cinxia Caprotina, atque ita repperietur inanissima esse istius nominis fictio opinionis vacuae celebritate vulgata. Die paganen Aussagen über Juno sucht Arnobius ad absurdum zu führen, indem er die Allegorese von " Hpcx zu &-f)p 4 einerseits und ande rerseits myt hologische, ihr Verhältnis zu Jupiter als dessen Schwester und Gattin, und kultische Aspekte gegenüberstellt. Die da bei verwendete Formel soror et coniunx erscheint bei Vergil gegen Ende des Monologes der J uno zu Beginn des ersten Aeneisbuches, Aen. 1 ,46sq.: ast ego, quae divum incedo regina Iovisque et soror et coniunx, una cum gente tot annos bella gero. Allerdings ha ndelt es sich dabei um Epitheta, die seit Homer häufig in der Dicht ung vorkommen. 5 Cicero greift sie in einem ä hnlichen Kontext wie Ar-
L
2
3
4 6
Bacche, a uf Bacchus/ Dionysos zu beziehen, nicht a uf Saturn. Cf. Lucr. 2,1168sq. tristis item vetulae viti8 sator atque (vieta e) I temporis incusat nomen saeclumque fatigat. Zum Hintergrund der Bezeichnung für Sabinus etwa Servius ad 179: vitisator: non inventor vitis, sed qui vitis genus demonstravit Jtalis populis. Cf. ThLL VT,l s.v. falcifer 175,56-65: seit Lucr. 3,642 currus, als Epitheton für Saturn ab Ov. Tb. 216; erster Prosabeleg Arnob. nat. 3,29. So etwa bei Vergil selbst georg 2,405-407 iam turn acer curas venientem extendit in annum I rusticus, et curvo Satumi dente relictam I persequitur vitem attondens fingitque putando. Cf. MYNORS ad l. 153 Sollte das ex ordine überdies darauf hindeuten , daß Arnobius die Szene a ls eine mit Saturn beginnende Aufzä hlung a lter Götter erinnerlich ist? - Dann wäre Vergil hier wiederum a ls Quelle für Antiquarisches benutzt - und zwar mit einem Fehler, der zeigt, daß Arnobius aus der Erinnerung zitiert. Zu diesem stoischen T heologumenon M cC RACKEN ad l. 363 Anm. l (i); P OHLENZ I 43. n. 16,432 - HpTJV &i 1tpooit l1t(. X<XOI )'\lf}"tTJ\1 &J.ox.6v u , cf. 18,356; h. Hom 12,3; Hor. carm. 3,3,64 ; Ov. met. 3,265sq. etc.
ll.5.2
Die Vergilzitate
301
nobius auf, nat. 2,66 aeT I·u nonis nomine consecmtur, q·uae est soTor et coniunx l ovis, quod ei et similitudo est aetheris. 1 Diese Passage wäre als Vorbild für Arnobius ebenfa lls in Betracht zu ziehen: In diese Richtung weisen die gemeinsamen Stichworte nomen und similitudo I consimilis sowie der unmittelbare gedankliche Zusammenha ng zwischen der Göttin des Äthers und der Gattin J upiters. Anders als Tertullian, der die Formel a pol. 25,8 (dazu o ben 52) zusammen mit anderen Versen aus der Junorede zitiert und da mit den Vergilbezug eindeutig macht , greift Arno bius offenbar eher ein Theologumenon der poetischen Theologie als eine Vergilstelle auf. E s geht Arnobius um den t raditionellen Ausdruck, der Kontext legt weder eine Anspielung auf die besondere Machtfülle, wie bei Tert ullian, noch auf das inzestuöse Verhältnis zu Jupiter nahe. 2 3,31 (M. 188,21/ 189,1) Quodsi accipit res fidem , nulla est eTgo M etis filia, nulla Victoria est, nulla Iovis enata de cerebro inventrix o leae, nulla magisteriis artium et disciplinar~um varietatibus erudita. Wie für Juno im vora usgehenden Kapitel, so stellt Arnobius hier für Minerva a bstrahierende und etymologische Deut ungen als Luna, a ls aetherius ver-tex oder als memor'ia den mythologischen Best immungen der Göttin gegenüber. Die in diesem Zusa mmenha ng verwendete Bezeichnung inventrix olivae für Minerva erscheint erstmals in der Götterepiklese des Georgikaproömiums, georg. 1,18sq.: adsis, o Tegeaee, f avens, oleaeque Minerva I inventrix. Arnobius nimmt l1ier also, wie der Verfasser der pseudo-quint ilia nischen Deklamationen (13,19), auf ein bekanntes Epit heton und Att ribut der Göttin Bezug,3 indirekt wohl a uch a uf den Wettkampf zwischen Poseidon und Athene, dem nach dem bekannten Mythos der Olivenbaum seine Entstehung verdankt. 4 3,32 (M . 189,16) M ercu1"'ius etiam quasi quidam Medicun-ius dictus est, et q·uod inter loquentes d~LO media currat et reciprocetuT oratio, nominis huius concinnata est qualitas. Ery;o si haec ita sunt, non est dei Mercurius nomen sed sermonis reciprocantis et vocis, atque ita hoc pacto aboletur et extingttituT cadttceator· ille Cyllenius in algido fusus monte, verbor"ttm excogitator et nominum, nundinarvttm m ercium commerciorumq·ue mutator. 1
Cf. P EASE ad I. li 717 mit, Verweis a uf Arnob. nat. 3,30 und Aug. civ. 4,10. 2 Mit anderer Akzentuierung interpretiert SANTORELLI (245) die Arnobiussielle: "Anche qui Ia s ituazione e i va.lori di Virgilio sono essattamente capovolti e l'onnipotenza di Giove e citata solo per essere nega,ta." - Das geht a m Wesentlichen vorbei, d enn Arnobius geht es ja höchstens in zweiter Linie um e ine Po lemik gegen Jupiter oder Juno; primär will er die W id ersprüchlichkeit paganer t heologischer Ansichten und Aussagen offen legen. Außerdem liegt keine dezidierte Vergilre ferenz vor, da das Motiv bekannt und die sprachliche Ausgestaltung unauffällig sind. 3 Cf. ThLL Vll ,2 s.v. inventrix 158,42- 46, auch Aug. civ. 18,12. W . FRENTZ, Mytho logisches in Vergils Georg ica , N.le isenhaim am G la.n 1967, 32. 4 Callim. fr. 194,66- 77 PFEIF'F'ER; Apollod. 3,14 ,1; Plin . nat. 16,240; Serv. Aen. 8,128; georg. 1,12.
302
II .5
Arno bius
Wie für andere Götter , so erörtert Arnobius auch für Merkm dessen allegorische Deut ung. Dieser Interpretation als sermo reciprocans et vox stellt er die t raditionelle Ansicht des Gottes gegenüber. Letztere gestaltet er mit vergilischer Dikt ion a us: Wie schon im ersten Buch (1,36c, dazu oben 276), greift Arnobius a uf die Verse Aen . 8,138sq. zurück: Vobis Mercurius pater est, quem candida Maia Cyllenae gelido conceptum vertice fu.dit. Dabei wird aus dem dichterischen gelido (. .. ] vertice das inhaltsgleiche in algido {. ..} monte, der Name des Berges steckt im Herkunftsatt ribut. Die Vergilstelle wird wie im Ka pitel 1,36 als locus classicus fü r die Geb urt des Merkur zit iert , wobei oben der Nachdruck a uf der M utter (Me rkur als Sohn der Maia) , hier a uf de m Ort ( Cyllenius) liegt. Wie schon oben verdichtet Arnobius a uch hier die .. gelä ufigen dichterischen und mythologischen Attribute in parodistischer Ubertreibung. 3,33 (M. 190,22sq.) Quid, eum Liberum Apollinem S olern unum esse contenditis numen vocabulis amplifi catum tribus, nonne sententiis vestris deorum imminuitur census et opinio praedicata dilabitur? N am si verum est, solem eundem Liberum esse eundemque Apollinem, sequitur ut in rerum natura neque A pollo sit aliquis neque Liber, atque ita per vos ipsos aboletur, eraditur Semeleius, P ythius, alter faeculentae hilaritatis dator, Sminthiorum alter permctes murum.
F ür Bacchus und Apoll verweist Arnobius a uf den Widerspruch zwischen beider Interpretation als sol und den t raditionellen Verstä ndnisweisen der Götter. Die dabei für Bacchus verwendete Bezeichnun g als hilaritatis dator erscheint in ä hnliche r Form bei Vergil in Didos Götteranrufung zu Beginn des Gast ma hls fü r die Trojaner, Aen. 1,734: adsit laetitiae B acchus dator et bona Iuno. Das Wort dator erscheint schon bei Plautus für menschliche Schenkende, als Gottesbezeichnung mit einem Genit ivattribut erst von Vergil an, wird a ber in dieser Form a b Tertullian gerne in der christlichen Literatur verwendet , 1 d reimal a uch von Arnobius.2 Ein vergilischer Einfluß a uf die Benennung des Bacchus als hilaritatis dator erscheint denkbar, doch bleibt 1
2
Cf. T hLL V s.v. da.tor 41sq. a ls Gottesprädikat mit Genitivattribut Ae n. 1,734, d avo n a bhängig (4 1,40sq.) Ca.rm. epigr. 1504 C 44 laetitia.e da.tor '"'ya.eus (d azu R.P. H ooGMA, Der EinAuß Verg ils a uf die Carmina latina. epigraphica, Amsterd a.m 1959, 236) und Arnob. nat. 3,33 f eculanta.e hila.rita.tis dator fi.e. Liberj; - für den christ lichen Gott sehr hä ufig a b Tert. test. anim. 2. 1,49 Et quonia.m beneficia salutis data.e aliorum numinum compa.ra.tis et Christi, quot milia wltis a nobis debi lium vobis ostendi, quot ta.bificis adfectos morbis nulla.m omnino rettulisse m edicinam, cum per omnia supplices irent temple., cum deorum ante om prostmti limina ipsa converrerent osculis, cum A escula.pium ipsum datorem ut pra.edica.nt s a.ni tatis, quoad illis superfuit vita., et precibus f atigarent et invitarent miserrimis votis ? 2,65 Si enim pa.trem creditis Liberum dare posse vindemia.m, medicinam non posse, si Gererem fruges, si Aes culapium sa.nitatem, si Neptunum aliud, aliud posse Iunonem , Fortun a.m Mercurium Volcanum rerum esse singulos certarum ac singularum da.tores: et hoc necesse a nobis est ut debea.tis a.ccipere, ab nullo a.nim as posse vim
ll.5.2 Die Vergilzitate
303
aufgrund der Geläufigkeit solchen Typs der Gottesprädikation und angesichts dessen, daß eine derartige Bezeichnung für Bacchus naheliegt, 1 die Referentialität gering. 4 ,1 (M. 203,1sq. ) Interragare vos Libet i psosque ante omnia Romanos, dominos rerum ac principes, utrumne existimetis Pietatern Concordiam Salutern Honorem Virtutem Felicitatem ceteraque huiusmodi nomina qui bus aras videmus a vobis cum magnificis exaedificatas delubris vim habere divinam caelique in regionibus degere an ita ut adsolet dicis causa, ex eo quod optam·us et volumus bona ista nobis contingere, superorum retuleritis in censum.
Zu Beginn des vierten Buches, dessen erster Abschnitt (Kapitel 1- 12) den speziell römischen Göttern gewidmet ist, spricht Arnobius seine Leser an als Romanos, dominos 1-erum ac principes. Damit greift er den ersten Teil eines öfter zitierten Verses2 aus der Verheißung des Jupiter im ersten Aeneis buch auf, 282 (279- 282): Imperium sine fine dedi. Q'uin aspera Iuno, quae mare nunc terrasque metu caelumque f atigat, consilia in meli'us ref eret, meC'Umque fovebit Romanos, rerum domino s gentemque togatam.
Arnobius behält den Kasus bei, vertauscht aber die Reihenfolge zu dominos rerum, wohl zum Zweck der point ierenden Verfremdung. Durch die unüberhörbare Anspielung auf den bekannten Vergilvers appelliert Arnobius an das in diesen Worten in einzigartiger Dichte gefaßte Selbstbewußtsein seiner römischen Leser, um einen iron ischen Kontrast zwischen dem souveränen Herrschaftsanspruch einerseits und der als kleinlich gezeichneten römischen Religiosität andererseits aufz ubauen. 3 Die hier offenkundige Diskrepanz zwischen dem Anspruch der .Jupiterprophetie und der W irklichkeit beschädigt die Au torität der Prophetie und des Propheten, ja soll sie beschädigen. 4,18 (M. 222,3) S ed ex diverso nescio quis: unde, inquit, scimu.s, an explorata et cognita theologi scriptitarint, an ut visum est atque sedit li bi dinosa extulerint fic tione?
Nachdem Arnobius in den Ka piteln 13 bis 17 die WiderspücbUchkeit der mythischen Theologie anhand des mehrfachen Vorkommens verschiedener
1
2
accipere nisi ab eo quem rex summus hulc muneri officioque praef ecit. 7,44 Aesculapius {... } salutis dator - siehe unten (332) zu 7 ,44 ; dator anders 7,12; 6 ,3 datoribus diis da1·e. Sei t Hom. Tl . 13,325 und Hes. op. 614 wird formelhaft Dionysos in engen Zusammenhang mit dem Geschenk des Weines gebracht. Suet. Aug. 40,5 ( als Zitat aus dem Mund des Augustus); Mart. 14,124; cf. Auson. carm. 19,54 (Uber Rom) rerum dominam Latiique parentem ; Oros. hist. 5 ,1,7; ThLL V,l s.v.
dominus 1922,34- 36. 3
Im Sinne einer ironischen Wirkung durch die ' Verzerru ng' bei Thansformation i n den Folgekontext auch SANTORELLJ (247).
304
11.5
Arnobius
00
Götter in unterschiedlichen genealogischen Uberlieferungen aufgezeigt hatte, kommt er hler, um sich im folgenden den unwürdigen Göttergeschichten in der Mythologie zuzuwenden, auf die vermeintlich sicheren Erkenntnisse der theologi zurück. Einen fictus interlocutor läßt er aus den d argetanen Widersprüchen insinuieren, bei den Lehren der mythischen Theologie handle es sich um Früchte der Phantasie. In dJesem Zusammenbang verwendet Arnobius, parallel zu visum est, den Ausdruck sedit für dJe aus den vorausgehenden Ausführungen gewonnene Einsicht. Dieser Sprachgebrauch von sedere für das Feststehen eines Urteils oder einer Meinung findet sich fünfmal in der Aeneis.1 Zwar kommt dJese Verwendung von sedere in der nachvergilischen Prosa vor (etwa Sen. epist . 46 ,3 nunc parum mihi sedet iudicium; Flor. epit. 1,21 ,4 Cum de bello sederet, de belli fine tractatum est. ) 2 , doch läßt zum einen die Häufigkeit bei Vergil und zum anderen die Tatsache, daß Arnobius an anderer Stelle {5,34 fixa atque immota sententia, dazu unten 320) einen der Vergilbelege (Aen. 4,15 Si mihi non animo fixum immotumque sederet) mit einer ebenfalls die Entschiedenheit einer Meinung betonenden Formulierung a ufzugreifen scheint, auf einen vergilischen Einfluß bei dieser Ausdrucksweise schließen. 4,21 (M . 225,9sq.) Sed in ceteris forsitan minus huitts eluceat turpidinis
f oeditas. Ergone ille rector poli, pater deorum et hominum, supercilii nutu tot um motans et tremef aciens caelum, ex viro concretus et f emina est ?
Seinen Gang durch die Anstößigkeiten, dJe der Mythos Jupiter zuschreibt, beginnt Arnobius mit der ironischen Frage, ob denn wenigstens der Göttervater ein weniger schlechtes Bild abgebe: Schreibe man etwa auch ihm eine menschliche Zeugung und Geburt zu? Zur Charakterisierung und zur polemischen Kontrastierung stellt Arnobius im ersten Teil der rhetorischen Frage Jupiter mit drei aus der Dicht ung übernommenen Formulierungen vor, die der Größe und Macht des Göttervaters besonderen Ausdruck verleihen: Das Gottesprädikat rector poli fin det sich im Hercules Oetaeus (1275 summe pro rector poli). 3 Die Bezeichnung des Jupiter als paterdeorum et hominum entspricht der epischen Tradition seit Homer (Il. 1,544 etc. 1t<X"tTjp &v5pwv "tt 6ewv "tE), aufgenommen etwa von Ennius und Vergil. 4 Mit supercili nutu totum motans et tremefaciens caelum nimmt Arnobius 1
2 3
4
Aen . 2,660 et sedet hoc animo perituraeque addere TI-oiae; 4 ,15; 5,418 idque pio sedet Aeneae; 7,611 ubi certa sedet patribus sententia pugnae; 1 1,551 haec sententia sedit. Cf. OLD s.v. sedeo JJa.b; MCCR.AOKEN ad l. li 553 Anm. 127. Rector findet sich häufiger, auch in Prosa, a ls Gottesbezeichnung, die Junktur rector poli jedoch ist selten, OLD s.v. rector 4b; FOROELLINI s.v. rector bieten keine weiteren Belege. An anderer Stelle (4 ,35) , im Zusammenhang mit der unwürdigen Darstellung des Jupiter im Theater, spricht Arnobius von ille {...J maximus ipse regnator poli. Enn. ann. fr . 155 V. = 110 S K UT SOH patrem divumque hominumque; Verg. Aen. 1,65; 10,2 divum pater atque hominum rex; siehe oben ( 132sqq.) z u Min. Fel. 19,1 audio poeta.s quoque unum patrem divum a.tque hominum praedicantes.
ll.5.2
Die Vergilzitate
305
ein iteratum der Aeneis a uf, adnuit et totum nutu tremefecit Olympum, das Vergil an zwei für den Fortgang der Handlung und für Jupiters Einflußnahme zentralen Stellen verwendet, nämlich 9,106, nach Jupiters positiver Reaktion auf die Bit te der Großen Mutter , er möge verhindern, daß Thrnus die Schiffe der TI·ojaner verbrenne, und seiner Ankündigung, sie in Nereiden zu verwandeln, und 10,115, wo Jupiter autoritativ die Götterversammlung mit der Entscheidung beendet, das Fatum solle die Schlacht zwischen Rut ulern und 'l\·ojanern entscheiden. Vergil seinerseits gibt darin , wie auch schon Catull, 64,204- 206: adnuit invicto caelestum numine rector; quo m otu tellus atque hm'Tida contrem·u erunt aeq·uora concussitque micantia sidera mundus. verkürzt eine Szene der Ilias wieder 1 , in der Zeus nach einigem Zögern T het is' Bitte nachzukommen verspricht, um Achills Rache willen die Trojaner zu unterstützen, Il. 1,528- 530: "'H x~t xu~vtnd~ n< 1.16vov, &v6pw1t&, 'tOV Xfm6v, E~&AiJ'X.E't<Xl xcxl o Zeuc xcxt i} x61-1.11 xcx'tcxtox_uv&'t<Xt.
Vermutlich gibt Klemens nicht nur den Anstoß für d ie E rgänz ung der Augenbraue, sondern a uch für das Vergilzitat überhaupt , das Arnobius hier 1
2
Zu Vergils Umgang mit d er Vorlage DtNGEL ad 9,106 (77); HARJUSON ad 10,115 {91). Kt !tK ad l. 108: "Homer's grandest style, aided by the use of splendid an sonorous words and phrases" .
306
11.5 Arnobius
als dle lateinische Entsprechung der Homerverse zitiert . Die Wiedergabe des vergilischen tremefecit in einem Part izip Präsens hat insofern eine gewisse Pointe, als Vergil den Göttervater ja zweimal in demselben Gestus vorstellt, so daß der Eindruck von einem habituellen tremefacere des vergilischen J upiter entstehen könnte. Die Ersetzung von Olympum durch caelum scheint weniger der Prosifikation zu dienen, als vielmehr der inhaltlichen Anpassung an den Kontext: Bei Vergil setzt sich Jupiters Autorität unter den olympischen Göttern durch, bei Arnobius hingegen geht es eher um die den ganzen Kosmos umfassende Macht des höchsten Gottes. 1 Die Veränderungen führen aber nicht zu einer Entmarkierung - etwa bleibt die diatypische Interferenz in tremefacere bestehen2 - , so daß das Zitat zwar adaptiert und point iert verfremdet, aber sicher erkennbar wiedergegeben ist. Die drei aus der Dichtung übernommenen Jupiterprädikationen sind angeordnet nach dem Gesetz der wachsenden Glieder, zum einen was die Länge, zum anderen was dle stilistische Emphase, zum dritten was die Referentialität angeht: Während in rector poli doch wohl nur eine Nuance poetischer Dikt ion zutage tritt, verweist pater deorum et hominum deut lich auf die epische Tradition, bei nutu totum [. ..} tremefaciens caelum dürfte die Wiederaufnahme des vergilischen iteratum unübersehbar sein. Zweck dieser kunstvollen Klimax dichterischer Aussagen über Jupiters Machtfülle is t es, einen möglichst schroffen Gegensatz zu bilden sowohl zu dem sich unmittelbar anschließenden ex viro concretus et femina als auch zu den folgenden unwürdigen Mythen.3 Die Beobachtung, daß wahrscheinlich das Vergilzitat , überhaupt das ganze Zitatennest , von Arnobius' Vorlage Klemens angeregt ist, ermöglicht einige weiterführende Gedanken: Arnobius scheint in der Auswahl der Zitate von 1
2
3
Dagegen lediglich im Sinne einer Prosillkation B ÜRNER 36: "Interessant ist, daß Arnobius anstelle des poetischen Olympum das mehr der Prosa zugehörige caelum setzt." SANTORELLI 243: "U virgiliano Olympum [... J diventa un piu consueto e dimesso caelum". Auch nat. 4,35 bei der Bezeichnung rector poli., so SANTORELLI (243 Anm. 15) weiter, gehe Arnobius vom vergilischen regnator Olympi (Aen. 2,779; 7,558; 10,437) aus und ersetze wiederu m den Olympus. - Allerdi ngs geht rector poli nat . 4 ,35, wie ad l. zu zeigen sein wird, eher auf die nachvergilische Dichtersprache als a u f Vergil selber zurück. Als Belege bewußter Vemeidung des Wortes Olympus a us stilistischen Erwägu ngen sollte man die Stellen nicht zusammenbringen . Das Wort gehört ansonsten der Dichtersprache an , cf. FORCELLINI und OLD s.v. trem efacio , etwa C ic. cons. fr. 2,25; Verg. Aen. 2,228; 2,629; 6,803; 10, 11.5; Prop. 2,9,34; Ov. ep ist. 9 ,81 ; Petr. 122, vers. 135; Stat. Theb . 2,569; 6,715; 12,651. Das Zitat von Aen. 9, 106; 10,115 ist also gerade nicht, wie BÜRNER (36) zu Unrecht glaubt, "sicher gerichtet gegen Vergil": Arnobius po le misiert hier gegen die m ythologische Theologie und ihre inakzeptable n Aussagen über die Götter. Dabei dienen die Dichterzitate al<> Kontrastfolie. Der vergiJiscbe Jupiter ist freilich an dem Punkt d er Argumentation, für den das Verg ilzitat herangezogen wird, gerade der akzeptable und ko nsensfahige, insofern Vergil die Größe d es Gottes betont.. Die polemische Auseinandersetzung richtet sich gegen die folgenden Mythologumena. Allerdings läßt s ich dara us insgesamt , wieder um gegen B üRNER, a uch kein unm ittelbarer R Uckschluß auf das Verhältnis zu Vergil ziehen, da er nur die von Arnobius als wirkungsvollste erachtete Formulierung liefert.
Il.5.2
Die Vergilzitate
307
seinen apologetischen Vorlagen beeinfiußt zu werden. Andere rseits zeigt die geschickte lectio Romanades bei Klemens vorgegebenen Hornerzitates das Raffinement des Apologeten im Umgang mit seinen Quellen. Wenn Arnobius hier außerdem t reffsicher den Homerversen ihre vergilische imitatio zuordnet, zeugt das nicht nur von seiner gründlichen Kenntnis beider Klassiker, sondern mit großer Wa hrscheinlichkeit a uch von einer Vertrautheit mit der zeitgenössischen VergilerkJärung, die sicherlich solche Hinweise gegeben hat - jedenfalls bietet Servius zu beiden Vergilversen die homerische ParaHelet - , und mit der Arnobius als Lehrer der Rhetorik wohl alltäglich zu tun hatte. 4,24 (M. 229,2l sq.) Numqui d a nobis dicit'U1', ut ciconias, ut palumbes ex ovis esse progenitos quosdam deos'? numquid ex pelagi spuma et ex Caeli genitalibus amputatis Cythereiae Vener·is concretum coaluisse candorem'? numquid parricidii causa vinctum esse Saturnum et ablui diebus statis, vinculorum ponderibus et levari'? numquid beneficio Curetum ab interitu servatum Iovern '? numquid expulisse regno patrem et alieni iu'ris imperium violentia et j raude tenuisse '? numquid pulsum a nobis senem Italarum delituisse in finibus, et quod tutus fuisset a filio , nomen Latio inposuisse pm munen~ 12 Im Rahmen einer polemischen retorsio hält Arnobius dem Leser nun, nach den Geschichten erotischen Inhaltes in den vorausgehenden Kapitel n (1923), die Verbrechen vor , die die Götter gemäß dem Mythos aneinander begangen hätten. Nach dem Hinweis a uf die Flucht des Saturn vor Jupiter nach Latium erwähnt Arnoblus die a uf diese Episode bezogene Etymologie von Latium aus taten~. Diese Erklä ruug t rägt auch der vergilische Euander seinem Gast Aeneas vor, Aen. 8,321- 323: 3 Is fsc. Saturnusj genus indocile ac dispersum montibus altis composuit legesque dedit, Latiumque vocari maluit, his quoniam latuisset tutus in oris.
Für den Nam en Latium kennt die Antike verschiedene Erklärungen. Die a uf das Versteck des Saturn a ufbauende jedoch ist erstmals bei Vergil belegt 4 und wird von den späteren Autoren am hä ufigsten aufgenommen, zunächst 1
2
3 4
Serv. Aen . 9 ,105 ·totum nutu. trem ef ecit Olympum ' Homericum est IJ.tro:v B' lXl>..t~r.v w0AUIJ.1tOV. Aen. 10, ll5 'totum nutu tremefecit Olympum I hoc Homeri est. Zu d er Formulierung vinculorum ponderibus et levari zitiert SPINDLER ( 13) Aen. 2,146sq. fp se viro primus manicas atqu.e arta levari / vincla iu.bet Priamus dictisque ita fatur amicis. Doch gebraucht Arnobius eine Variante des geläufigen aliquem vinculis levare ( cf. T hLL Vll,2 s. v. 1. levo 1230,71- 74), während bei Vergil die Konstruktion vincula levare ( cf . ThLL Vll ,2 s. v. /. levo 1228,76sq. , so Tib. 3,11 ,14 !bildlich]; Liv. 9 ,9 ,7 !bildlich]; cf . Sen. dial. 6,20.2 fsc. mor·sj catenas levat) vorliegt, so d aß man nicht vo n e inem Zusammenhang beider Stellen in dieser Hinsicht ausgehen kann. Zu dieser Parallele a uch SANTORELLI 246. Zu den Etymologien bei Vergil gru ndsätzlich etwa J. O ' HARA, Vergil and the Alexandrian Tradition o f Etymologica l Wordplay, University o f Michigan 1996; G.J .M. BARTELINK , Etymologisering bij Vergilius, Amsterdam 1965.
308
IJ .5
A rno bius
von Ovid, vor allem a ber von den Christen. 1 So zitiert Minucius Felix, wie oben ausgeführt , die vergilische Version fast wörtlich in seiner Krit ik an den unwürdigen Göttergeschichten der Mythologie, 23,11: Itaque latebram suam, quod tuto latuisset, vocari maluit Latium, et urbem Saturniam idem de suo nomine et / aniculum Ianus ad memoriam uterque posteritatis reliquerunt. Diese Übernahme könnte Arnobius a ngeregt haben; 2 sein Umgang mit dem Vergiltext ist aber eigenständig: Er zieht den K ausalsatz vor, der die für ihn entscheidende Anstößigkeit der Flucht des Vaters vor dem Sohn enthält, die für Vergil nur den in latuisset tutus vorsichtig angede uteten Hintergrund darstellt - dementsprechend ersetzt Arnobius a uch quoniam du rch quorP. In dieselbe Richt ung weist die Änderung von his ( ... Jlatuisset tutus in oris zu tutus fuisset a filio: Bei Vergil geht es in unmittelba rer Deixis um die als Versteck dienende Örtlichkeit, bei Arnobius um das Verhalten des ausdrücklich erwähnten Sohnes und das schändliche Schicksal des Vaters, für welche die Etymologie lediglich das allgemein a nerkannte Indiz liefert. Die Ersetzung des apodiktisch knappen Latiumque vocari / maluit durch das etwas umständliche und a nt hropomorph a usgedrückte nomen Latio inposuisse pro munere rückt die Hilflosigkeit des Saturn deutlicher ins Blickfe ld. Auch wenn sich Arnobius damit also zum einen im Wortbestand von Vergil entfernt, dürften dem Leser der Prätext und die von Arnobius im Zitatsegment absichtsvoll vorgenommenen Änder ungen a ufgrund der Prägnanz und Eigenständigkeit der etymologischen E rklä rung bewußt sein. Da ß Arnobius von einer dem Leser bekannten Version ausgeht, zeigt das na.ch dem anaphorischen n'umquid am Satzbeginn zu ergänzende a nobis dicitur. Vergil wird demnach als a Ugemein zugängliche Q uelle zitiert. 4,26 (M. 232,14.17) Numquid senex Saturnus iamdudum obsitus canis atque annorum vetustate iam frigidus nostris carmin'ibus indicatur ab uxore in adulterio comprehensus induisse formam f eri et sub pecoris specie hinnitibus evolavisse iactatis '?
Unter den Lie bschaften der Götter mit sterblichen Fra uen zählt Arnobius auch die in der paganen Dichtung, wie er a usdrücklich sagt, erwähnte des 1
2
3
Neben der bei Vergil gegebenen finden sieb die folgenden Erklärungen: 1. Sa ufeius, der wo b I der Nep. Att. 12,3 erwähnte Zeitgenosse des Atticus ist ( cf. SCH ANZ / HOSIUS I 491) , fr. Serv. Aen. 1,6 , 2. Varro fr. Serv. Aen. 8 ,322, 3. Varro ling. 5,32 qua regnum fuit Latini universus ager dictus Latinus; cf. Serv. Aen. 8,322, 4. Prise. gramm. 3,515,19 Latium {... } vel a latendo vel a latitudine est nominatum. Cf. MALTBY s.v. Latium; McCRACKEN ad l. rt 555 Anm. 160.161. Ovid greift fast. 1,238 dicta quoqu.e est Latium terro latente deo die vergilische Erkläru ng, nach BöMER ad l. (31) zu dessen Zeit enstanden, a u f, die sich überhaupt gegen die anderen durchzusetzen scheint . Dasselbe gilt für Ps. Cypr . idol. 2; Lact. inst. 1,13,9; Aug. cons. evan g. 1,23,34; lsid. or ig. 14,4 ,18; 15,1,50. Währe nd quoniam auf einen festehenden , bekannten H intergr und verweist, bezeichnet quod den unmittelbar ausschlaggebenden Grund , dazu K S li 382sq. Allerdings ersetzt a uch schon Minucius Felix 23,11 quoniam durch quod, vielleicht läßt sich Arnob ius davo n anregen.
11.5.2
309
Oie Vergilz itate
Saturn mit Philyra auf. Um diese vor seiner Gattin zu verheimlichen, muß der Gott sich in ein Pferd verwandeln. Aus der Verbindung geht dann der Kentaur Chiron hervor. 1 Schon der Ausdruck obsitus canis für das fortgeschrittene Alter des Gottes zeigt den Kolor vergilischer ( cf. Aen. 7, 790 über die Verwandlung der Io iam saetis obsita; 8,307 rex obsitus aevo) beziehungsweise dichterischer ( cf. Stat. Theb. 7,4 74 über lokaste sordentibus obsita canis) Diktion. 2 Vor allem a ber liegt Vergil als Quelle für die mythologische Episode nahe. Er nennt nämlich im dritten Georgikabuch unter den Musterexemplaren mythischer Hengste - die anderen sind allerdings echte Pferde3 - auch den aus der Verwandlung des Saturn entstehenden, georg. 3,92- 94:
talis et ipse i·ubam cervice effundit equina coniugis adventu pernix Saturnus, et altum Pelion hinnitu fugiens implevit acuto. Zwar ist beiden Versionen auf wörtlicher Ebene nur Saturnus und hinnitus gemeinsam, doch zeigt ein näherer Ve rgleich eine weitgehende inhaltliche .. Ubereinstimmung:
Arnob. nat. 4,26:
Verg. georg. 3,92- 94:
Saturnus f. ..J nostris canninibus indicatv.r· ab uxore in adulterio comprehensus induisse fonnam j eri et sub pecoris specie hinnitibus evolavisse iactatis ?
93 Sa.turnus 93 coniugis adventu pernix 92 iubam cervice effundit equina 94 P etion hinnitu fu.giens implevit acuto.
Arnobius bietet also eine Prosawiedergabe der Vergilpassage, über die er der Sache nach nicht hinausgeht - insbesondere bleibt beide Male der Name der Geliebten, Philyra, und der eifersüchtigen Gattin , Ops, unerwähnt 4 - , in der er aber sprachlich das Verbrecherische, so de r Rechtsterminus adulterium, und das Tierhafte, so f erum und pecus, deutlicher hervorhebt. Das ganze exemplum könnte Arnobius also aus Vergil gewonnen haben, der j a selbst eine gewisse Spitze gegen Satul'n vorzugeben scheint, indem er ihn , neben wirklichen Pferden, als Hengst vorführt5 . Jedenfalls ist Vergil der nächstliegende 1
2
Ausführlich erzä hll Apollon ios Rhodios die Episod e (2 ,1231 - 1241 ); knapp Apo Uodo r 1,2 ,4 : i:ylvuo oi XIAUp
pannis annisque obsitum. 3 4
5
Nämlich Cyllarus , das Pferd d es Pollux , sowie die G espanne d es Mars und d es Achill , Verg. georg. 3,89- 91. Zur Vergilstelle bieten erst die antiken Kommentatore n (Serv., Phila.rg. ad l. ) die Namen. TH OMAS (ad l. 56) erklärt. diesen Rießenden Übergang vom Tier zum Menschen mit Vergils "pervasive suggestion in t.his book that the two share an identical fate", so
310
II.5
Arno bius
Referenzpunkt für das bei Arnobius Wiedergegebene. Vor diesem Hintergrund kann a uch die für sich genommen zwar explizite, aber unspezifische Markierung 1 nostris carminibus indicatur (. ..j'? insoweit als Hinwe is auf die Vergilstelle gelten, als sie den Leser auf die Spur einer Benutzung paganer Dichtung bringt, die letztlich zu Vergil führt, wenngleich die Arg umentation a uch ohne Kenntnis des vergilischen Prätextes verständlich bleibt. Die Georgika dienen hier in erster Linie als Quelle für ein exemplum. 2 Wenn Arnobius hier Saturnus mit subtil eingesetzten Vergilanklängen als lüsternen Greis vorführt , der noch einmal zum Tier wird, dann geht es ihm wiederum nicht in erster Linie um eine Polemik gegen einen heidnischen Gott,3 sondern , im Rahmen der retorsio ('In paganen carmina, nicht in christlichen findet sich eine solche Blasphemie!'), um eine Kritik an den unhaltbaren heidnischen Ansichten und Aussagen über die Götter. 4,27 (M . 234,5sq. ) Sed soli amant apud vos mares et femineo sexui sua conservata est sanctitas '? nonne vestris cautum est litteris, adamatum esse ab Aurora Tithonum, arsissein Endymionem Lunam, Nereidem in A eacum, in A chiltis genitorem Thetim, Proserpinam in Adonem, matrem eius Gererem in Iasionem nescio quem rusticanum et post Vulcanum Phaetontem Martern in A nchisae nuptias ipsam illam Verterem Aeneadum matrem et Romanae dominationis auctorem '? Nach den Lie bschaften der Götter zu Sterblichen kommt A1·nobius nun a uf die Göttinnen zu sprechen . Am E nde der Reihe mythologischer exempla steht Venus mit ihrem Geliebten Anchises. Dabei lä ßt einerseits ihre Bezeichnung mater Aeneadum an den Beginn von Lu krezens Proömium (Aeneadum genetrix, hominum divomque voluptas, / alma Venus) denken , andererseits stellt allein schon der Name des Anchises, vor a llem aber der Hinweis a uf die Romanae dominationis auctorem die Ve rbindung zur Aeneis und zur zentralen Rolle der Venus in deren Götterapparat her. Unter Umständen is t der Bezug a uch näher einzugrenzen a uf Jupiters Prophetie nach der Beschwerde der Venus (Aen . l ,252sqq.) mit den Stichworten domini (282) und dominari (285). Das zeigt sich noch deutlicher im Vergleich mit dem Vorbild dieser Passage über die Lie bschaften von Göttinnen mit Sterblichen, Clem. Alex. protr. 2,33, 7- 9:
1
2 3
handle ja der ganze erste Teil des dritten Georgikabuches von der Macht und Gefahr des a.mor bei Mensch und Tier. Indem Arnobius den Mythos aus diesem motivierenden Zusammenhang reißt, tritt das Anstößige offen zutage. Das Vorhandensein einer expliziten Markierung könnte Ubrigens mit dem schon von B üRN ER (37) angemerkten (weitgehenden) Fehlen einer poetischen Diktion zusammenhä ngen: Die markierende Furtktion d iatypischer Interferenzen erUbrigt s ich a ngesichts einer expliziten Markierung durch Addition. Auch SJT1'E {145) hält, wenn auch mit gewisser Skepsis, Vergil filr die Que lle. In diesem S inne konstatiert SANTORELLJ {246) "abbassamento" des Saturnus.
II.5.2
Oie Vergilzitate
311
6TJAl>'t&pal 5E 6&at llivov atöoi OtXOl !xeta'tT}, LAov&lX&l OE 'tfi ßowmOl xal &1to0uo6:1l&V<Xl Ola !liiAov cxt 6&cxt rullvat 1tpoa&ix.ov 'ti;) 1tOlllEVl, f\'tl<; a Ö'tWV M~ &l xaA i).
Während bei Klemens die Affäre der Aphrodite mit Anchises nur eine unter vielen ist, s tellt Arnobius sie in seiner Version des Kataloges beton t ans Ende und fügt einen Hinweis auf die Rolle der Venus im rö mischen Nationalepos hinzu. Wie schon oben im K apitel 4,21 gre ift Arno bius a uch hier im Rahmen einer lectio Romana seiner Vorlage Klemens von Alexandrien auf Vergil zurück.
4,35 (M. 243,11) Saltatur et Magna sacris comr>ta C1tm infulis Mater et
contra decus aetatis illa Pessinuntia Dindymene in bubulci unius amplexum ftagitiosa fingitur- adpetitione gesti1·e, nec non et illa proles Iovis Sophoclis in Trachiniis Hercules pestijeri tegminis circumretitus indagine miserabiles edere inducituT heiulatus, violentia doloris frangi atque in ultimam tabem diffi:u.entium viscer-um maceratione consumi. Der im K apitel 32 von einem fictus intedocutoT vorgebrachte Einwand , bei diesen anstößigen Göttergeschiehteil handle es sich doch nur um poetarum figmenta, bringt Arnobius zur Krit ik am paganen Umgang mit der Dichtung: So lasse man die Beleidigu ng der Götter in der Dichtung nicht nur zu, sondern finde a uch noch Gefallen daran. Im Kapitel 35 wendet sich Arnobius der dramatischen Dichtung und dem Theat er zu. Neben d er lüst ernen Venus, der ekstatischen Magna Mater und dem ehebrecherischen Jupiter , a uf die Arnobi us ohne nähere Angaben verweist, erwä hnt er den le idenden und sterbenden Herakles aus Sophokles' Trachinierinnen. D as in diesem Zusam.. menhang ver wendete Epitheton pr·oles Iovis ist vieHeicht eine Ubersetzung des sophokJeischen ZYJvoc; r ovoc; , so wehklagt Tr. 956 der C ho r, 'tOv ZYJVO<; &A.xliJ.OV r6vov so hilflos leiden sehen zu müssen , und Herakles selbs t nennt sich Tr. 1106 ö 'tOÜ xo:'t ' cx
Das PHI 5.3- Corpus bietet für Herkules Ov. met.. 9,229; Val. Fl. 3,667; 4,327; für andere Götter und Heroen Prop. 3,1,12 (Skamander ); Va l. Fl. 4,542 (M inerva); 4,757 (Pollux); Homer. 10 (ApoiJ); 248.520 (Sarpedon); Sil. 4,47,6 (Scipio); lul. Val. 1,46 vers.
312
11.5
Arnobius
Benutzung des Sophoklestextes, auf den sich Arnobius nur ganz allgemein bezieht, 1 ist jedoch, worauf McCRACKEN und SITTE hinweisen ? eine Vermittlung durch Cicero, 3 der in den Thskulanen (2,20) in der Diskussion über das Problem des Schmerzes den Herkules aus Sophokles' Trachinierinnen aJs Beispiel anführt. Anschließend zitiert Cicero daraus .. d ie Verse 1046 bis 1102, einen Klagemonolog des Herkules, in lateinischer Ubertragung. Das bei Arnobius hinzugesetzte illa scheint sich dementsprechend eher auf die Bekanntheit der Szene vom Sterben des Herkules zu beziehen, die hier als Beispiel dient, als einen pejorativen Ton zu haben.4 Angeregt von Cicero würde Arnobius demnach das exemplum verwenden und mit einem aus Ve rgil übernommenen color poeticus ausschmücken. 5 5,5 (M. 253,15- 17) Apud Timotheum, non ignobilem theologorum virum, nec non apud alius aeque doctos super Magna deorum M atre superque sacris eius origo haec sita est, ex reconditis antiquitatum Libris et ex intimis eruta, quemadmodum ipse scribit insinuatque, mysteriis. In Phrygiae finibus inauditae per omnia vastitatis petm, inquit, est quaedam, cui nomen est Agdus, regionis eius ab indigenis sie vocata. Ex ea Lapi d es sumptos, sicut Themis 1 (Aiakos). Zum dichterischen C harakter (Cic. De orat. 3, 153; Quint. inst. 8 ,3,26) von proles und dem Vorkommen in der Geschichtsschreibung F'OUCHER 174 . 1 Das Wiedergegebene läßt. sich keiner bestimmten Textstelle zuordnen. l\1cCRACKEN ad I. {II 564 Anm. 231) verweist auf den Bericht des Hyllos Th. 749-806 und die Klage des Herkules Tr. 1024- 1030, jedoch bestehen keine wörtlichen Übereinstimmungen . 2 MCCRACKEN (I 564 Anm. 232; SITTE 147. 3 Auch die beiden weiteren Erwähnungen des Sophokles liefer-n keine Indizien fU.r dessen Benutzung: 4,25 quis in Thraciae finibus procreatum fsc. Martern}? non Sophocles Atticus cv.nctis consentientibv.s theatris ? geht wohl, wie der ganze Passus, auf C lem. Alex. protr. 2,29,2 Eo!pOXAij( &! ep~X
II.5.2 Die Vergilzitate
313
m andaverat praecinens, in orbem mortalibus vacuum D eucalion iactavit et Pyrra, ex q'uib'us cum ceteris et haec Magna quae dicitu1· informata est Mater atque animata divinitus. Den erst en Teil (Kapitel 1- 31) des fünften Buches widmet Arnobius der Auseinandersetzung mit dem Kult des Iuppiter Elicius (1- 4), mit dem Mysterienkult des At tis und der Magna Mater (Kapitel 5- 17), mit dem Phrygischen Jupiterku lt (K apitel 2D-23) und mit den E leusinischen Mysterien (24- 27). Arno bius erzählt jeweils den zugrunde liegenden Mythos, um ihn dann einer polemischen Krit ik zu unterziehen. Hier referiert er den mythischen Ursprung der Magna Mater, die a us einem von Deukalion und Pyrrha nach der Flut geschleuderten Stein des Berges Agdus entstanden sei. 1 Zur Darstellung dieses Sachverh altes verarbeitet Arnobius, obwohl er sich a usdrücklich a uf den theologus Timotheus bezieht,2 einen Vers aus dem ersten Georgikabuch, mit dem Vergil auf die seit der Zeit von Deukalion bestehende Aufteilung bestimmter Anbaugebiete hinweist, georg. 1,62 (6D-63): continuo has Leges aeternaque foedera certis imposuit natura Locis, quo tempore primum D e u calion vacuum Lapi des iactavit in orbem, unde homines nati, durum genus. [. ..} Arno bius übernim mt a uffä lligerweise den gesamten Vers, 3 dessen Elemente er allerdings permut iert und stark erweitert: Hinzugefü gt wird die Angabe über die Herkunft der Steine ( ex ea [. ..J sumptos),4 der Rückbezug auf eine Vorhersage der T hemis (sicu t Themis mandavemt pmecinens) ,5 die Ergänzung mortalibus zu vacuum, der Name der Pyrrha und vor allem der Relativsatz, der von der E ntstehung der Magna Mater berichtet ( ex quibus cum ceteris et haec Magna quae dicitur informata est Mater atque animata divinitus) . Die vergilische Kurzfassung des Deukalionmythos in einem Vers, der eigent lich nur poetisch formulierte Zeitangabe ist ('seit Menschengedenken') 6 , wiTd von Arnobius d urch d ie Erweiterungen nicht nur vervollständigt , sondern a uch umgedeutet a ls Mythos von der Entstehung der Magna Mater a us dem Agdus. Arnobius umkleidet den vergilischen Kern , eine bekannte und besonders griffige Darstellu ng, sowohl m it beka nnten Mythologumena über Deukalion und P yrrha, wohl von Ovids klassischer Darstellung (met. 1,313- 415) beeinflußt ,7 als a uch mit den nur bei ihm belegten Aussagen über den Ursprung 1
2 3
J
5
6 7
Cf. A . H ERMANN, 'Deukal ion ', R.AC 3 (1957) 784- 794 , v.a. 793. Zur Q uellenfrage M ORA Arnobio e i ctLiti di mistero 125- 129. Bemer kenswertet·weise ist dieses relativ umfangreiche Zitat der Forschung über d ie Vergilrezeption d es Christen bislang entgangen. Gewllrdigt hat es, soweit ich sehe, lediglich F RENTZ 43. Die Variant.e mit dem Ber g Agdus ist nach M ORA Arnob·io e i cu.lti di miste1·o 117sq. nur bei A rnobius belegt. Bekannt aus Ovids Darstellung d es Mythos, met. 1,318-323. So ad t. antik e (Ser v.) und moderne (t\IYNORS 14) K ommentator en. Die ältere Überl ieferung geht von einer lokalen Flut aus, als universales Schöpfungshandel n wird das Steinwer fen erst von Ovid an betrachtet, cf. G.A. CAOUFF, ' Deu ka.Jion ',
DN P 3 ( l997) 489.
314
ll.5
Arnobius
d er Magna Mater aus d em Stein des Agdus 1 . Wie schon im Kapitel 2,14, wo Arnobius Platons Aussagen über die Unterwelt mit einem color Veryilianus wiedergibt , formuliert er a uch hier ausdrücklich dem Timotheus zugeschriebene Aussagen ( inquit) mit vergilischen Worten. Möglicherweise soll der Leser den klassischen Ton hera ushören und deswegen eher geneigt sein, sich den Inhalten, trotzihrer Abweichung von Vergil und der bekannten Überlieferung, zu öffnen; vielleicht ist aber auch der Rhetor Arnobius fasziniert von Vergils präg nanter Kurzfassung d es Mythos und greift sie d aher a uf. 2 Vielleicht kommt ein Aspekt hintergründiger Polemik noch hinzu: Die Magna Mater wird a uf diese Weise mit d en homines nati, durum genus (georg. 1,63) a uf eine Stufe gestellt , mehr noch: Die geworfenen Steine werden zu Menschen, die Magna Mater aber bleibt Stein und wird als solcher seit 204 vor Christus in Rom verehrt. Möglicherweise will Arnobius im Zitat auch diese Absurdität vor Augen führen .
5,13 (M. 265,11) Per sinum, inquit, Nanafilium concepi t ex pomo. Sequitur se ratio: ubi enim cautes et saxa pariunt dura, ibi poma necesse est suriant. Glandib·us atque ficis alebat B erecyntia religatam. Convenienter et recte: pomis enim debuerat vivere quae mater fuerat fa cta de pomo. Hier bezieht Arnobius sich auf einen bereits dargestellten (5,6) Passus des Kult mythos des At tis w1d der Magna Mater , wonach diese die von ihrem Vat er zum Hungertod bestimmte Königstochter Nana in ihrem Verlies ernährt ha be. Mit inquit verweist Arnobius a uf einen zu Beginn des Abschnittes über Att is genannten , ansonsten unbekannten Gewährsma nn, Timotheum, non ignobilem theologorum virum (5,5) 3 , vielleicht aber auch nur allgemein auf den Inha lt des Mythos 4 . Die dabei für die Magna Mater gebra uchte Metonymie B erecyntia ist erstmals bei Vergil belegt,5 der diese Bezeichnung zweimal gelegentlich eines besonders a uffälligen Auftritts der Göttin gebraucht: Zum einen nämlich vergleicht Anchlses in der Heldenscha u des sechsten Buches (Aen. 6,784) den Aufst ieg des mit heroischen Nachkommen gesegneten Rom (Jelix prole virum) mit d em Glück der als B erecyntia mater bezeichne1
Cf. G . ß AUDY , ' Agdistis', D NP 1 (1996) 244. 2 Zwar schließt l'vi ORA Arnobio e i culti di mistero 116 a us de r Formulierung apud Timotheum {. .. } nec non apud alius aeque doctos (5,5) , Arnobius kenne Timotheus "probabilmente a t t raverso una fonte intermedia", d ie Vermutung aber, daß dort schon der Verg ilbezug vorgegeben sei, ist wohl nur t heoretisch a ls eine weitere E rklärungsmöglichkeit in Betracht. z u ziehe n: Ganz abgesehen von d en grundsätzlichen Problemen, die solch postulierte Zwischenquellen mit s ich bringen, sobald sie be i der [nterpretation ins Fe ld geführt werden , ist d as Vergilzitat viel zu verständig und s innreich in den Folgetext e ingepaßt , als daß man eine u nwissentliche Übernahme vermuten könnte. Höchstens e ine allgemeine Anregung zur Dichterbenutzung in der Vorlage wäre nicht ganz auszuschließen. 3 Dazu MORA Arnobio e i culti di mistero 116. 4 Dazu Mc C RACKENs Bemerkung zu dicunt eam fsc. fabulam j cuncti patres (5,12; ad l. li 572 Anm. 22) : "The word ( patres) has probably no more force than 'sources'." 5 Cf. ThLL li s.v. Berecyntius 1923,12- 20, dann Ov. fast . 4 ,355; Stat. Tbeb. 4 ,782; Arnob. nat. 5,13 etc.
Il.5. 2
Die Yergilzi ta te
315
ten Göttermutter (786 laeta deum partu), zum zweiten verwendet Vergil die Metonymie anläßtich der Bitte der deum (. .. Jgenetrix Berecyntia (Aen. 9,82) an Jupiter um Rettung der Schiffe. 1 Arnobius greift hier also bewußt und erstmals in der Prosa eine dichterische Metonymie auf, die Vergil für die Mater Mater in ihrer besonderen Würde als Göttermu tter und in ihrem Einfluß auf Jupiter prägt. Durch den Zusammenhang, in den er dieses nur in einem einzigen Wort bestehende Zitat stellt , bringt Arnobius eine höchst skurrile Pointe zustande: Oie wü rdevolle Göttermutter füttert eine unter dubiosen Umständen - nämlich durch einen Granatapfel von einem Ba um, der aus dem bei der Entmannung des seinerseits der inzestuösen Leidenschaft Jupiters zu seiner Mutter entsprungenen Attis vergossenen Blut gewachsen ist Geschwängerte mit Eicheln und Feigen. 5,19 (M. 273,15) Sed et i lla desist-imus B acchanali a altera praedicare, in quibus arcana et tacenda res proditur insimtaturque sacratis, ut occupatus puerilibus ludicris distract-us ab Titanis Li ber sit, 1.d ab isdem membr-atim sectus atque in ollulas coniectus 'ttt coqueretur, q'uemadmodum l uppiter suavitate odoris inlectus, invocat?.ts advolarit ad prandium conpertaque re gravi grassatores obruerit fulmine atque in imas Tartari praecipitaverit sedes. Ouius rei testimonium aryumentumque foriunae suis prodidit in carminibus Thracius talos speC'ulum tur-bidines, volubiles ro tulas et teretis pilas et virginib·us aur-ea sumpta ab H esperid-ibus mala.
Die Überleitung vom Ku lt der Magna Mater zum Phrygischen Jupiterkult bildet eine die Ka pitel 18 und l !J umfassende praeteritio, in der Arnobius auch die nicht näher erörterten Mysterien mit polemischen Bemerkungen bedenkt. Darunter erwähnt er, neben den Bacchanalien, dem Kult der Venus und der Kory banten, auch die Bacchanalia altera. Bei der Wiedergabe des Ku ltmythos2 scheinen in denjenigen Passagen, die von der Bestrafung der T itanen und ihrer Verbannung in den Tartarus handeln, vergilische Einflüsse in bezug auf den T itanensturz und die Unterwelt erkennbar zu sein. So läßt Vergil die Sibylle in ihrer Erklärung des Tartarus auf den Ort der Bestrafung der T itanen hinweisen, Aen. 6,580sq.: hic genus anti quum Terrae, Titania pubes, fulmine deiecti fundo volvuntur in imo.
Die Erwähnung der Titani und des fulmen sind sachlich motiviert, die Dikt ion der Unterweltsschilderung geht teilweise, so die Verwend ung von imus, auf Vergil zurück, teilweise, so Tartar~i sedes, auf älteren, aber von Vergil a ufgegri_ffenen Sprachgebrauch, etwa Aen. 8,668 Tartareas (. .. j sedes, doch wird diese Terminologie in der späteren und vor allem in der christlichen Literatur häufiger verwendet. 3 Auch wenn sich also eine unmittelbare Vergilreferenz 1
2
3
Zu dieser Metonymie bei Vergil DrNGEL ad Aen. 9,82 (69). Zum religionsgeschichtliche n Hintergrund und zur Quellenfrage MORA 156-162. Was imus angeht, so ist nach ThLL Vll, l s.v. infer"1is {imus) 1402, 14- 35 der Gebrauch
316
II.5
Arnobius
hier nicht sicher nachweisen läßt, so zeigt sich in j edem Fall die Expansion einer zunächst der Dichtung vorbehaltenen und bei Vergil klassisch ausgeprägten eschatologischen Begriffs- und Vorstellungswelt in der späteren und vor allem christlichen Latinität. 5,21 (M. 274,21) !ttppiter satagit fractus metu nec quibus remediis leniat violatae animos reperit. Fu.ndit preces et supplicat: obstructae sunt dolentis aures. Arnobius verwendet für das vergebliche Liebeswerben des Jupiter um seine Mutter Ceres die ursprünglich vergilische Junkt ur preces fundere (Aen . 5,234; 6,55), die sich bei Cyprian (Demetr. 20b, dazu oben 233) in christlichem Sinne findet. Hier dürfte weniger ein color VergiliantLS als vielmehr eine feste Wendung für inständiges Bitten vorliegen , 1 vielleicht mit einer gewissen polemischen Spitze durch die Übertragung aus einem religiösen in einen inzestuös-erotischen Kontext. 5 ,23abc ( M. 277,17 sq. 20sq. 278,3) Vellem itaque videre ( a) patrem ülum deorum Iovem, aeternam rerum atque hominum potestatem, bubulis esse cohonestatum cornibus, hit·sutas agitantem aures, contractis in ungulas gressibus (b) rumigantem pallentis herbas et ex parte postica caudam su.f!ragines talos molli fimo perlitum atque intestina proluvie delibutum. Vellem, inquam, videre - dieendum est enim saepius - ( c) torquentem illum sidera et qui pallidas nationes fragore perterret et prosternit consectantem vervecum greges, inspicientem testiculos arietinos, arripientem hos manu censoria illa atque divina qua vibrare coruscos ignes et saevire fulminibus suetus est, turn deinde secreta rimantem summotisque arbitris circumiectas prolibus diripientem membranulas j eruentique adhuc matri velut quasdam infulas eliciendae miserationis o.f!erentem: (.. .]. Im Kapitel 23 stellt Arnobius im Rahmen seiner Kritik am Phrygischen Jupiterkult2 d as von diesem Mysterienkult vermittelte Bild des Gottes, der sich im Fell eines ausgesuchtermaßen cum grandibus testiculis (5,21) versehenen Widders seiner Mutter Ceres nä here und mit ihr Proserpina zeuge, polemisch dem hoheit lichen Göttervater gegenüber. (a) Letzteren charaktersiert Arnobius zunächst als patrem illum deorum Io-
1
2
de inf ernoseit Vergil (georg. 4,471 ; Aen. 3,565; 6,404.459 etc.) belegt, die Verbindung ima Tartara findet sich nachvergilisch in der Dicht ung (Ov. Jb. 573sq.; Sen. Oed . 869), da nn vor allem in später und christlicher Prosa ( Apul. met. 1,15; 6,17; Tert. apol. 11,11 in imum Tartarum demerserint etc. Sedes als "t he place occupied by the s pirits o f t he d ead" belegt OLD s. v. sedes 6b ab Cic. Phi I. 14,32; Tusc. 1,36. Tartarus mit Adjektivableitungen findet sich seit Ennius (ann. 220 Lartarino) in der Dicht ung, dann in späterer (etwa Apul. met. 2,5) und vor allem christlicher (Tert. apol. 11 ,11 etc.) Prosa, dazu T HOME l 9Q-194. Cf. ThLL Vl , l s.v. fundo 1566,81: nach Tac. ann. 14,30 "passim". Den Kultnamen Sabazius verwendet er nicht; dazu, zum re ligionsgeschichtlichen Hintergrund und z ur Quellenfrage MoRA 163-171.
11.5.2
Die VergHzitate
317
vem, aeternam rerum atque hominum potestatem. Damit gibt er fast wörtlich die captatio wieder, mit der die vergilische Venus sich in der entscheidenden Götterversammlung des zehnten Aeneisbuches a n ihren Vater wendet, Aen. 10,18: 10 pater, o hominum rerumque aeterna potestas,/ {... ].' Arnobius nimmt nur wenige Änderungen vor: Um das Zitat syntaktisch und semantisch zu adaptieren , ergänzt er vera llge meinernd illum deorum Iovem zu dem bei Vergil eindeut igen pater und bringt den ganzen Ausdruck in den Akkusativ. Der Ersatz von -que durch atque und die Permutation von hominum reTumque zu Terum atque hominum hingegen scheinen eher einer pointierenden Verfremdung zu dienen. Nichtsdestoweniger ist die Referenz deutlich erkennbar, vor allem da der a uffällige personifizierte Gebrauch von potestas für einen Gott erha lten bleibt. 1 (b) Im Gegensatz dazu führt Arno bius den als Widder a uftretenden Gott des Mysterienkultes vor . Die Formulierung r-umigantem pallentis her·bas geht wohl zurück auf Vergils sechste Ekloge: In seinem Weltgedicht läßt er dort, ganz in der Tradition hellenistischer Dichtung 2 , den Silen a uch Pas iphaes Schicksal erwähnen und den von ihr so t ragisch geliebten Stier beschreiben, ecl. 6,54 (53- 55):
flle latus niveum molli fultus hyacintho ilice sub nigra pallentis ruminat herbas aut aliquam in magno sequitu7' gTege. (.. .] Zwar ersetzt Arno bius das überwiegend d ichterische r-uminaTe durch das gleichbedeutende nachklassische rumigare, dem vielleicht eine kolloquiale Nuance anhaftet, 3 löst die geschlossene WortsteLlung a uf und gibt den Ausdruck a ls P artizipialkonstru ktion wieder, doch bleibt die Vergilreferenz durch drei Elemente und durch die Seltenheit der J unkt ur pallentes herbae, 4 einde utig. Wenn man daher davon ausgeht, daß auch der vergil ische Kontext, die Pasiphaeepisode innerhalb der sechsten Ekloge (ecl. 6,45- 60) , evoziert wird , so ergibt sich aus der nochma ligen Steigerung des Abseit igen und Perversen 1
2
3
4
Cf . H AR.RJSON ad l. 63; T hLL X,2 s.v. poLesLas 319,5G-52. So verweisen etwa d er epyllionartige Einsch ub der Pasiphaeepisod e ecl. 6 ,45- 60 (cf. C LA USEN ad l. 194) und der absonderliche C ha rakter d er Liebesgeschichte auf hellenistische Vorbilde r, dazu a uch M. P UELMA, Die Aitien des K a llimachos als Vor bild d er römischen Amores- E legie , in : ders., Labor· et lima, Basel 1995, 36G-414, v .a. 396sqq. Nach WALDE I HOFMANN s.v. 2. ruma wird rumigare vom Grammatiker F lavius Caper getadelt, OLD s.v. rumigo bietet a ls einzigen Beleg Apul. met. 4,22; FORCELLtNJ s.v. daneben Garg. Mart. c ur. boum 5. Da.fü r , daß ruminare (Arnob. nat. 7,24 ist übrigens der erste Beleg für ruminaLor) das drastischere Wort ist , spricht auch, d aß ruminare scho n von Livius Andro nicus (cf. O LD s.v. rumino 2 'to turn over in the mind ') und im Spät- und Mittellateinischen (cf. SOUTER, HABEL j GRÖBEL s.v.) übertragen gebraucht wird , während rumigare nur für das Wiede rkäuen verwendet wird ( cf. FORCELLJNt, O L D , HASEL I CR.ÖBEL s.v.). Faustus SABAEUS druckt in seiner editio princeps (R om 1543) 1"1.1.minantem statt ru.migantem, wohl unter dem Einfluß d er Ve rgilstelle. OLD s.v. pallen s 2b 'of plants and t heir pa rts' bietet. dichterische Belege von Vergil an ; ThLL V I,2.3 s.v. herba. 2620,37- 2621,32 {hier 2620,78) ne nnt für d ie Junktur mit pallens nur ecl. 6,54. Nach CLAUSEN ad ecl. 6,54 ( 196) " pallentis presumbly represents x)..wp6~ , pale green is h- yellow, as grass becomes du ring t he Medit.erranean summ er".
318
II.5
Arnobius
gegenüber Vergil - dort schmachtet eine Frau nach einem wiederkäuenden Stier, hier wiederkäut der Gott selbst in der Gestalt eines Ziegenbocks aus inzestuöser Le idenschaft - eine subtil konstruierte Emphase. (c) Im folgenden Satz baut Arnobius bewußt nochmals ( dicendum est enim saepius) den Gegensatz auf, diesmal spricht er von Jupiter als torquentem illum sidera. Auch dieser Ausdruck der Hoheit des Göttervaters hat eine Parallele in der Aeneis, wenn J upiters Entgegnung auf die Bitte der Magna Mater um Errettung der trojanischen Schiffe eingeleitet wird, Aen. 9,93: Filius huic contra, torquet qui sidera mundi. Die Formulierung sidera torquere ist selten und d ichterisch. 1 Für die Eindringlichkeit der Gottesprädikation spricht aber ihre Rezeption in einem epischen Fragment der Augusteischen Zeit für Jupiter (FPL MOREL fr. 29,1: Juppiter omnipotens caeli qui sidera torques I ore tuo dicenda loquar.)2 und in den carmina Latina epigraphica für die Götter insgesamt (CE 1140,11 Hos omnes tibi pro m eritis, qui sidera 3 . Arnobius wandelt bei seitorquent I secum placatos semper habere velint. ) .. ner Ubernahme den Relativsatz in eine P artizipialkonstruktion um und setzt zur Klärung des Bezuges parallel zur ersten Reminiszenz ein illum hinzu. Das beiden Vergilreferenzen eingefügte illum weist in seiner Ferndeixis über die Ana phorik des Kontextes hinaus: Juppiter ille meint hier das tradit ionelle römische Bild des mächtigen Juppiter Optimus M aximus, als dessen klassische Ausdrucksform der J upiter der Aeneis zitiert wird. Das illum erfüllt also mittelbar die Funktion einer Markierung, insofern es die Referenz auf ein von Vergil repräsentiertes System, hier das Bild des J upiter , anzeigt. Im Rahmen der Kontrastierung, die freilich den alleinigen Zweck hat, das Gottesbild im Phrygischen Jupiterkult negativ darzustellen, steht der vergilische Jupiter demnach für diejenige Seite, mit der der Leser sich in dieser Phase der Argumentation identifizieren soll. Arnobius nutzt hier einerseits die anerkannte, j a klassische Geltung der theologischen Formulierungen in der Aeneis rhetorisch a us, a ndererseits spielt er mit dem vergilischen Prätext , indem er ihn auch für die Gegenseite hera nzieht und eine in der manieristischen Tradition der hellenistischen Dichtung stehende Formulierung pointiert auf den angegriffenen Jupiterkult überträgt. Arnobius führt die Gegenüberstellung der beiden Jupiterbilder also auf einer intertextuellen Ebene weiter, indem er zwei von Vergil auf Jupiter bezogene Aussagen auf ernst- heitere Weise in polemischer Absicht mit einem dritten Vergilzitat kombiniert, das aus dem Zusammenhang herausgerissen ist. 4 • 1
2
3 4
Im PHl 5.3- Corpus sind außerdem belegt Manil. 1,278 caelumque et sidera torquent; Ov. met. 2 ,71 sideraque alta trahit celerique volumine torquet, zitiert Sen. nat. 7,10,1; cf . Ps. Quint . decl. 10,17 sed quo sidera volant et quo sacri torquentur axes. Allerdings bezieht sic h keine der Stellen auf Jupiter . Daß Ovids RUckgri.ff auf die Vergilstelle im Rahmen der Rat schläge an Phaeton Arnobius hier angeregt habe, wie LE BONNIEC (Echos ovidien.s 143) vermu tet, muß rein hypothetisch bleiben . Valerius Soranus fr. 2 bei MOREL I BOCHNER I BLÄNSDORF, bei COURTNEY als fr. 15 unter den ·selected anonymous fragments' (p. 460). Cf. HOOGMA 312. Auf die grundsätzliche Bedeutung der Vergilzitate für das Verständnis dieser Arnobius-
Il.5.2
Die Vergilzitate
319
5,25 (lanitium): Siehe oben (271 ) zu 1,21. 5,31 (M . 289,8) Quis caduca et mortalia corpora deos edidit amasse? Non
vos? Quis illa furta dulcissima in alienis genialibus perpetrasse? non vos ? Im Kapitel 31 faßt Arnobius noch einmal die den Göttern in der Mythologie zugeschriebenen Vergehen zusammen, um dann (Kapitel 32- 49) gegen deren allegorische Deutung zu polemisieren. Die andernorts unumwunden beim Namen genannten adulteria der Götter umschreibt Arnobius hier als furta dulcissirna in alienis genialibus. Mit diesem Euphemismus scheint Arnobius in ironisierender Weise heidnischen Sprachgebrauch aufnehmen zu wollen. Die Formulierung dulcia }U1ta hat einen deutlichen color poeticus: Die Rede von erotischen furta gehört in die Liebesdichtung,1 die Junktur dulcia furta findet sich erstmals im vierten Buch der Georgika, für den Gesprächsstoff unter dem Gefolge der Cyrene, georg. 4,346 (345- 347) : inter q'uas curam Clymene narrabat inanem Volcani, MaTtisque dolos et dulcia furta aque Chao densos divum numerabat amores. Wenig später erwähnt Properz (2,30,28) d ie dulcia furta Iovis. Hingegen einem Menschen, Sulpicia, in den Mund gelegt sind die dulcissima furta Tib. 3,11,7. 2 Ovid (met. 9,558) weist solche der Byblis, Stati us (Ach. 1,938) dem Achill zu , auch Nemesian (ecl. 2,7) greift den Ausdruck auf; Arnobius verwendet ihn hier erstmals in Prosa, durch den Superlativ und Inversion leicht verfremdet und seines hexametrischen Rhythmus entkleidet .3 Bei dulcia furta handelt es sich also um eine geläufige Formulierung der erotischen Dich-
1
2
3
st elle weist schon HAGENDAHL Methods 128 bin . - An SAN TORELLIS (248) ausführlicher I nterpretation d er Stelle erscheint, problemat isch, daß sie die Verunglimpfung Yergils durch den gerad e kovertierten Arnobius ("Arnobio p laca Ia sua coscienza di neofi t a ardente con un consapevole vilipend io di Virgilio e a un tempo d elle divinitä. pagane e di chi in loro crede [.. .].'') als erstes Motiv nennt. Sicherlich liegt in d em dreifachen Rück griff auf Ver gil eine d eut liche ironische Pointe, j edoch ist Yergil überh aupt nicht das Ziel der Polemik - die richtet sich gegen den M ythos d es Phrygischen J upiterkultes - , vielmeh r liefert seine klassische Verspr acblichung römischen Gottesverst ändnisses und seine Kurzfassung des Liebesabenteuers das Mittel zu einer geistreichen Ausgestaltung der Polemik. I m Zentrum steht das i m übergreifenden Argumentationszusammenhang motivier te subt ile Spiel mi t der Dispari tät d es klassischen Prätextes Vergil , aber nicht die Verun glimpfung des D ichters. Die von SANTORELLI (248 mit A nm. 33 - b ei H AGENDAHL Meth ods 128, auf den SANTORELLI sich berufen zu wollen scheint , findet sich nichts d ergleichen) als vergilisch ( Aen. 8,68sq.) reklamierte Junkt ur solis Lumina am Ende d es K api t els 23 liest man Cato orig. 77; C ic. de orat. 3,178; d iv. 2, 10; Sen. epist. 92 ,17; nat. 1,2,10; Gell. 2,28,7 et c. Von f urta im er otischen Sinne spricht erstm al s Catull im can nen 68, zunächst auf seine Liaison mit Lesbia bezogen ( v. 136), dan n ( v. 140) auf die von J unogroßzügig verziehenen Lieb esabenteuer des Jupiter ; diesen Spr achgebrauch nimmt auch die spätere Prosa auf, so etwa Petron ( 100,1 solus ergo amor fur tum potius qu.am pmemium erit?) und Arnobius selbst an anderer St.elle (4,26 libidinosa u t pe1jicer-et jurta fsc. luppi terj). Zur T opik auch H . T R.ÄN KLE, A ppendix T ibulliana, Berlin I New York 1990, ad l. 284 . Cf. T hLL Vl,l s.v. jurtum 1649 ,71- 77.
320
II .5
Arnobius
tung. Arnobius kann sie zwar durchaus aus den Georgika kennen, doch ist wahrscheinlicher, daß er hier nicht gezielt auf Vergil, bei dem die dulcia furta an der angeführten Stelle ja eher Zierrat als Gegenstand der Darstellung sind, sondern auf einen typischen Euphemismus der Liebensdlchtung zurückgreift.1 Vielleicht verweist also illa dulcia furta nicht nur zusammenfassend auf das in den vorhergehenden Kapiteln ausgeführte, sondern auch a uf die erotische Dichtung überhaupt, die die Liebesabenteuer der Götter zum Thema hat.
5,34 (M. 293,3) Cum enim rebus de ocdusis omnis ista quae dicitur allegoria sumatur nec habeat finem certurn in quo rei quae dicitur sit fixa atque immota sententia, unicuique liberum est in id quo velit adtrahere lectionem et adfirmare id positum in quod eum sua suspicio et coniectum opinabilis duxerit. Als Grund für seine Ablehnung allegorischer Deutungen der anstößigen Myt hen führt Arnobius ins Feld, daß es dabei ja kein eindeutiges und allgemeines Verständnis gebe. Die dabei gebrauchte Formulierung fixa atqtte immota sententia scheint in Zusammenhang zu stehen mit Verg. Aen. 4,15 si mihi non animo fixum immotumque sederet, wo Dido von ihrem festen Entschluß spricht, nach der durch den Tod getrennten Ehe mit Sychaeus keine weitere einzugehen. Nach Vergil erscheint das Begriffspaarfixum und immotum bei Seneca (dial. 6,2,2 sors immota et in aeternum fixa) , Statius (Theb. 6,160) , Tacitus (ann. 1,47 immotum f. .. J fixumque Tiberio fuit) 2 , Apuleius (Plat . 1,10 perennitatis fixa et immota natum est), dann bei Arnobius. 3 Zwar steht fixum bei Arnobius häufiger neben synonymen Ausdrücken,4 doch aufgrund der Übereinstimmung in der Pragmatik - übrigens ist in beiden Fällen der Ausdruck negiert - und a ufgrund der Tatsache, daß Arnobius an anderer Stelle (4,18; dazu oben 303) sedere im hier vorliegenden Sinn gebraucht, kann man annehmen, daß Arnobius die von Vergil geprägte und später in die Prosa übernommene Ausdrucksweise im Bewußtsein ihres Ursprunges verwendet.
6,3 (M. 310,17) Sint eryo haec fsc. templaj licet aut ex molibus marmoreis structa, laquearibus aut renideant aureis, splendeant hic gemmae et sidereos evomant variata interstinctione fulgores: terra sunt haec omnia et ex faece ultima vilioris materiae concreta. Die letzten beiden Bücher widmet Arnobius der Kritik am paganen Umgang mit templa, simulacra und sacrificia (6,1), deren Geringschätzung den 1
Im Sinne einer eindeutigen Vergilrefereuz SANTORELLI (247}. 2 Cf. FOUCti ER 102sq.317. 3 Vornehmlich fur die Konstruktion alicui fixum atque immotum est könnte man einen vergilischen E influß annehmen ; cf. ThLL Vl ,l s.v. figo 719,79- 720,47; T hLL Vll, l s.v. immotus 498,49-67. 4 So etwa 1,28; 2,52 quodsi verum et fi:r;tim est; 2,75; 3,35 vem, fixa et certa sententia; 4,5 nihil habent perpetuum, nihil fixum; 6,7 ut immobilis {. .. } atque fixa.f ... J perpetuitas sta.ret.
IT.5.2
Die Vergilzitate
321
Christen zum Vorw urf gemacht wird. Tempel zu errichten, so Arno bius hier , bedeute eine Vermenschlichung der Götter , die keiner Beha usung und keines irdischen Schmuckes bedürften. Die prunkvolle Austattung paganer Tempel mit glänzenden Edelsteinen beschreibt er mit der bildhaften Formu lierung sidereos fulgores evome1·e, die auf d ie Dichtersprache zurückgeht. Nahe ko mmen die vergilischen Beschreibungen von Aeneas' neuem Helm , Aen. 8,620 terribilem cristis galeam. fiamm.asque vomentem, und vom Glanz seines Schildes beim Entsatz des bedrängten Lagers, Aen. 10,271 et vastos umbo vomit aureos ignis. 1 Indem er die vergilische Ausdrucksweise variierend aufnimmt, verleiht er dem dargestellten Glanz ein sprachliches Penda nt. 6 ,5 ( M. 312, lOsq.) Constituamus enim noscendae rei causa templum numinis alicuius esse apud Canarias insulas, eiusdem apud ultimam Thylem,
eitt.Sdem apud Sems esse, apud furvos Garamantas et si qui sunt alii quos ab sui notitia maria montes silvae et quadrini disterminant cardines: [. .. J Gegen den fiktiven Einwand , pagane Tempel verstünden sich als Orte des Gebetes und der Verehrung, konstruiert Arnobius den Fall, daß Heiligt ümer einer Gottheit auf der ganzen Welt verteilt seien . Dann nämlich wäre sie entweder überall anwesend, also a uch a ußerhalb der Tempel, oder nirgends, also a uch nicht in den Tempeln. Die weltweite Verbreit ung der Heiligtümer illustriert Arnobius in einem Merismus: Thu le steht bei den Dichtern der Augusteischen und der folgenden Zeit "rein sprichwörtlich als Namen des ä ußersten Teils der bewohnten Erde" 2 , die Formulierung ultima Thule findet sich von Vergil an (georg. 1,30, dann Plin. nat. 4,104; Sen. Med. 379). Auch die Serer und Garamanter kommen bei Vergil und den Augusteern vor: Erstere , die C hinesen , die Arnobius auch nat. 2,12 bei seiner Aufzählung der christianisierten Gebiete nennt ,3 erscheinen vornehmlich als Seidenprod uzenten4. Letztere, in Afrika angesiedelt, werden von Vergil an öfter a ls Beispiel 1
2 3
4
Häufiger findet sich in der Dichtung ignem sim. (e)vomere für einen Vulkan , so etwa Lucr. 1,724 ; Verg. Aen. 8, 199.259; Aetna 411 (evomere); für ein Gestirn Avien. Arat. 229 (evomere); übertragen auf Personen Verg. Aen. 8 ,680sq. (Augustus in der Schildbeschreibung) tempora ftammas I laeta vomunt; Sen. Pbaedr. 1040 flammas vomunt OCtlli; wie Arnobius für den Glanz edelsteingeschmückter W ä nde Prud . psych. 853 animasque colorum I viventes liqv.ido Iux evomit alta profundo; cf. TbLL V,2 s.v. evomo 1072,29- 33; OLD s.v. vomo 3. Trotz der Änderungen vo n vom ere zu evomere - vielleicht zieht Arnobius generell das com positum vor: außerdem 7,3 ftir das Aufsteigen des Opferrauches; einziger Beleg für das simplex ist 5,18 (tune sancta ecferventia numina vim vomutsse Lucilii ac 1·egem Serviv.m natum esse Romanum.) , wo es sich wegen d er Alliteration steht - und von flammas bzw. aureos ignis zu sidereos (dichterisch, cf. OLD s. v.) fulgores bleibt die zugrunde liegende poetische Metaphorik erhalten. G. l'> IACDONALD, 'Thule', RE 6,1 (1936) 627- 630; hier 627; Verg. georg. 1,30; Stat. s ilv. 5,1 ,91 ; Sil. 3,597; Iuv. 15,112 etc. Cf. MCCRACKEN li 587 Anm. 25. nat. 2,1 2 Enumemd enim possv.nt atctue in v.sum computationis venire ea quaein lndia gesta st.mt, apud Seres Persas et Medos [... } ipsa denique apud dominam Romam. Zur historischen P roblematik dieser Aussage GIERLICH ad l. (202- 204) . Cf. Hor. epod . 8,15; carm. I , 12,56; 3,29,27; 4,15,23; Verg. georg. 2,121; P rop. 1,14,22; Ov. am. 1, L4,5sq. ; A. HERrutAN N. 'Seres', RE II A,2 (1924) 1679.
322
II.S
Arnobius
einer weit entfernt le benden Völkerschaft erwä hnt. 1 Die insulae Canariae hingegen sind als Gesamtbezeichnung nur bei Arnobius belegt, ansonsten heißt , wie der Ältere Plinius überliefert (nat. 6,205), eine der insulae Fortunatae wegen der zahlreichen Hunde (Solin. 56,17; Mart. Cap. 6,702) insula Canaria. 2 Für den Norden (apud ultimam Thylem) , Osten (apud Seros) und Süden ( apud furvos Garamantas) greift Arnobius also auf die Topik des Exotischen in der Dichtung und inbesondere bei Vergil zurück , den Westen ergänzt er anderweitig. Diese teilweise poetische exotische Stilisierung soll, wie der ganze Merismus, das rhetorische Konstrukt der über die ganze Welt verteilten Heiligtümer veranscha ulichen.
6 , 7 ex fundaminum sedibus caput hominis evolutum: Siehe o ben (296) zu 3,1. 6,16ab (M. 328,4; 328,1lsq. ) Ita enim non videtis (a) spirantia haec signa, quorum plantas et genua contingitis et contrectatis orantes, modo casibu.s stillicidorum labi, putredinis modo carie relaxari, ut nidoribus atque fumo suffita ac decolorata nigrescant, quemadmodum saecli longioris incuria perdant situ species et robigine convulnerentur exesa? Ita, inquam, non videtis sub istorum simulacrorum cavis (b) steliones sorices mures blattasque lucifugas nidamenta ponere atque habitare, spurcitias huc omnes atque alia usibus accommodata conducere, semirosi duritias panis, ossa in spem tracta, pannos lanuginem chartulas nidulorum in mollitiem sollicite, miserorum fomenta pullorum? ln seiner Polemik gegen die paganen simulacra verweist Arnobius auf deren Herstellung von Menschenhand (Ka pitel1 3) a us irdischem Material (Kapitel 14.15) und a uf ihren staffageartigen Charakter (Kapitel1 6), der sich ent hülle, wenn man sie nur eingehender betrachte; dann sehe man die Götterbilder auch von Moder und Ungeziefer beschmutzt. (a) Der Ausdruck spirantia signa, mit dem Arnobius ironisch die vermeintliche künstlerische Pracht der Standbilder ihrem verfa llenen Zustand gegenüberstellt , findet sich erstmals a n zwei exponierten Vergilstellen: in der Schilderung des zu erbauenden Tempels zu Beginn des d ritten Georgikabuches (georg. 3,34 stabunt et Parii Lapides, spirantia signa) und, leicht abgewandelt , in der Priamel der Anchisesprophezeiung (Aen. 6,847 excudent alii spirantia mollius aera). Später werden Wendungen mit spirare in der Prosa öfter aufgegriffen 3 fü1· den Topos des lebendigen , weil im höchsten Ma1
2
3
Cf. Aen. 6,794sq. super et Garamantes et lndos / proferet imperium; ecl. 8,44 aut Tmaros aut Rhodope aut extremi Garamantes, dazu H. DESSAU, 'Garamantes', RE 7,1 (1910) 752: "seit Vergi l [... J häufig bei römischen Dichtern", etwa Sen. Herc. 0. 110; Lucan. 4,334; Sil. 3 ,103; Prud., Claud. Cf. ThL L Onomasticon I s.v. Canaria 132,8; RE 7,1 42sq. F ORCELLINJ s.v. Spirans nennt als Belege "de pictis sculptisve imaginibus, quibus ad vivum quispiam imitatur" : Aen. 6,848; georg. 3,34; Plin epist. 3,6 ,1sq. Hoc Lamen signum ego quoque intellego. Est enim nudum, nec aut uitia si qua sunt celat, aut Laudes pa1"Um
Il.5.2
Oie Vergilzitate
323
ße lebensnahen, Kunstwerkes 1 . Mit spirantia signaaber hält sich Arnobius am engsten an den Wortla ut der Georgika. (b) Auf dieses Werk lassen sich a uch die von Arnobius als Bewohner der simulacra, bei Vergil aber a ls Bienenschädlinge aufgezählten stelio und lucifugae blattae z urückführen, georg. 4,243 (242- 244):
(. ..] Nam saepe fa'Vos ignotus adedit stelio et lucifugis congesta cubilia blattis immunisque sedens aliena et pabula fucus. Die Junkt ur lucifugae blattae wird öfter, a uch als markiertes Zitat , in der Prosa aufgenommen? doch die Erwähnung des stelio zeigt, daß A.rnobius eigenst ändig auf die Vergilstelle zurückgreift und mit Bedacht statt der bei Vergil im Anschluß genannten Drohne, die als Ungeziefer in einer Götterstatue seltsam anmuten müßte, Mäuse3 anführt . 6,17 (M. 330,llsq. ) Et quid in testulis dii petunt, ut eas sedibus sidereis
anteponunt? Im folgenden Kapitel hält Arnobius dem Einwand , in den simulacra hätten die Götter im Ra hmen einer dedicatio Wohnung genommen, die polemische Frage entgegen, warum diese wohl ihre sidereae sedes zugunsten von Menschenha nd gemachter Abbilder verlassen sollten. Der Ausdruck siderea sedis für den himmlischen Aufentha ltsort der Götter find et sich erstmals zu Beginn des zehnten Aeneisbuches, Aen. 10,3 (1- 3):
Pandit'LL1' interea dom1ts omnipotentis Olympi conciliumque 'VOcat di'Uum pater atque hominum rex sideream in sedem, (. . .]. Das vergilische sideTe·us geht zwar in die spätere Prosa4 ein , doch in der
1
2
3 4
ostentat. Effingit senem stantem; ossa musculi n ervi, venae 1-ugae etiam ut spirantis adparent [. .. }; GeiL 6 ,5,7 [. ..J opplevit omnia non simulacris neque imitamentis, sed luctu atque lamentis veris et spiran tibus. Apul. met . ll ,J 7 disponunt rite simulacra spirantia; a ußerdem Val. Max. 8,1 I ext. 4 cuius coniugem Praxiteles in marmore quasi spirant.em in templo Cnidiorum collocavit. Häufig in den hellenistischen Beschreibungen der Kuh des Myron, dazu ÜVERBEC K 55(}-588. Cf. NORDEN (337) und AUSTl N (26 1) z u Aen. 6,847; T HOMAS (II 45sq.) zu georg . 3 ,34. Cf. ThLL li s.v. I. blatta 2050,31- 3<1: ab Laber. mim . 94 amore cecidi t.amquam blatta in pelvim; Verg. georg. 4,243 zit iert Colum . 9,7,6 und Plin . nat. 29,28; T h.LL Vll,2 s.v. lucifugus 1712,41 -45: seit Vergil für blatta. Oie Maus als Schädling, der die Erträge me nschücher Anstrengung gefährdet, erwäh nt Vergil übrigens georg. 1,18l sq. Zum vergilischen Ursprung NORDEN ad 6,281 (auch Aen. 3,586; 12,167) ; nach Vergil sehr hä ufig in der D ichtung, so etwa ( nach dem Befund des ThLL- Archivs): Prop . 3,20,18 deae; Ov. am. 3,10,21 arcem; ars 2,39 sedes; met. 1,779 ignibus; 4,169 luce; 6,342 luce; 10,140 caelum; 11 ,445 coniunx; 15,31 caput; 15,665 ignes; fast . 4,941 cane; al.; Manil. ; Sen. trag.; a l. ; Cypr. Galt. exod. 134; 993; a l. ; in Prosa : Gramm. VI 88,3 1; Apul. met. 6,28 stellis; Plat. 1, 10 luce; m und. 1 p. 291 conpago; 22 p . 338luce; Ps. Tert. ha.er. 6 p. 223,23 (eine Häresie über die Menschwerdung C hristi) carnem; Novatian.
324
II.5
Arnobi us
dichterischen Junktur mit sedes1 für die Wohnstatt der Götter tritt der Vergilbezug hervor, mit dessen Hilfe Arnobius hier den Kontrast zwischen den himmlischen Gefilden und den ärmlichen Götterstatuen verdeutlicht.
6,18 (M. 331,2) Sed concedamus ut (ea) caelo et sidereis sedibus anteponant: (. . .}. Die nochmalige Aufnahme der Formulierung ist in ihrer Echtheit umstritten. 2
6,23 (M. 336,19) Sed si deae Veneres ingeniis placidioribus praeditae gerendum esse morem infortuniis iudicavere caecorum, cum Capitolium totiens edax ignis absumeret Iovemque Capitolinum cum uxore co1'ripuisset ac filia, ubinam fulminator tempore illo fuit, ut sceleratum illud arceret incendium et a pestifem casu res suas ac semet et cunctam f amiliam vindicaret? Als weiteres Argument gegen die Verehrung der simulacra führt Arnobius an, daß die Götter offensichtlich nichts zum Schutze ihrer Abbilder unternähmen . So ließe Venus die Schändung ihrer St atuen (Ka pitel 21sq.) zu, und Jupiter die Zerstörung der seinen durch Blitzschlag. Oie JW1kt ur ignis edax erscheint erstmals in der vergilischen Iliupersis (Aen. 2,758sq. Ilicet ignis edax summa ad fastigia vento / volvitur; (. .. ].) und wird dann häufig in der Dichtung, aber auch in der Vetus Latina und von Chalcidius aufgenommen. 3 Arnobius bed ient sich hier der eindringlichen Metaphorik des vielzitierten Ausdruckes, um d1e ohnmächtige Tatenlosigkeit des Göttervatersangesichts der Naturgewalt des Feuers zu illustrieren.
7,15 (M. 360,5sq.) Quod est honoris genus, lignoru.m stru.ctibus incensis caelum fumo subtexere et effigies numinum nigrore offuscare f erali? Quod si ea quae fiunt propria vi pendere, non ante sumptis placet opinionibtts aestimari, arae istae qttas dicitis altariaque haec pttLchra infelicissimi animalium genus ustrinae, rogi sttnt et busticeta in opus stru.cta foedissimum atque in sedem fabricata faetoru.m. Im ersten Teil des siebten Buches (bis Kapitel 25) setzt Arnobius sich mit der paganen Praxis des T ieropfers auseinander: Daß die Götter dadurch besänftigt oder erfreut würden, seien anthropomorphe Vorstellungen , a uch als honor könne man die an ein Leichenbegängnis erinnernden Brandopfer nicht
1
2
3
trin. 10 (67) aeteriam sive sideream f. ..J voluit carnem; Paneg. 3,6,4; Arnob . na.t . 3,21; 6,3; Symm. re l. 3,20; A ug. civ. 5,5 nexibus; 5,6; 5,9; a.J.; serm . 199,2,3; 200,1,1; Mart. Cap . 1,94 und öfter in der spätantiken Prosa. Cf. FORCEllJNJ; OLD s. v. sidereus; zum hy mnischen Gebrauch im C hristent um A. B LAJSE, Le vocabulaire latin des principaux themes liturgiques, Turnhout 1966, §§290; 304. Ov. a.rs 2,39 non ego sidereo.s adfecto tangere sedes (als mögliche Anregung der Amobiusst elJe betrachtet von LE BONNJEC Echos ovidiens 142sq.); Manil. 4,267 quippe etiam mundi fa.ciem sedesque movebit / sidereas caelumque novum versabit in orbem. MARCHESI ad l. A USTIN ad l. (274) über edax "introduced here by Virgil in to elevated style; after him, ignis edax became a common turn." Cf. ThLL V,2 s.v. edax 62,18- 28.
U.5.2 Die Vergilzitate
325
ansehen. Die Formulierung caelttm fumo s·ubtexen~, mit der Arnobius den düsteren C harakter solch einer Kult handlung beschreibt, findet sich wört lich in Vergils ätiologischer Schilderung vom Sturz des Giganten Enceladus ins Innere des Ät na, Aen. 3,582 (578- 582):
Fama est Enceladi semustum fulmine corpus urgeri mole hac, ingentemque insuper Aetnam impositam ruptis ftammam exspirare caminis, et f essum quotiens mutet Latus, intremer-e omnem murmure Trinacriam et caelum subtexere fumo. Arnobius permutiert die ihrerseits von Lukrez (Lucr. 5,465sq. omnia quae sursum cum conciliantur, in alto / corpor-e concreto subtexunt nubila caelum.) beeinft ußte, a ber einde ut ig vergilische Formulierung, um den Hexameterschluß zu beseitigen . 1 Im Folgekontext verleiht der bei Vergil auf ein vulkanalogisches Phänomen zu beziehende Ausd ruck dem von Arnobius beschriebenen Szena rio einer Opferhandlung d ie hyperbolische Dimension einer Katastrophe kosmischen Ausmaßes, zu ma l wenn a uch der Zusam menhang des Gigantensturzes evoziert zu denken ist. 7,16 (lanitium): Siehe oben (271) zu 1,21. 7 ,17 (M. 361,25; 362,10) Ecce, si vos canes - necesse est enim quaedam fingi, perspici ut liquidi'U,s res possint - si, inquam, canes et asini, si mota.cillae cum his sim.ul, si hirundines garrulae pariterque cum his porci sensu aliquo humanitatis accepto deos putm·ent atque existimar·ent vos esse sacraque vobis intenderent honoris ergo facere, non ex materiis aliis aliisque de rebus sed quibus ali moris est illis et natttrali adpetitione fulciTi: audire a vobis exposcimus, utrum.ne hunc honor·em an contumeliam potius esse iudica7etis amplissimam, cum hiro,ndines vobis muscas, motacillae caedeTent consecrm·entque jormiculas, cum altaribus vestris darent asini j aen·u m paleasque libar-ent, cum inponerent canes ossa et httmani stercoris pr-oluviem concremarent, cum ad ultimum por·culi caenum vobis profunderent ex volutabris horrentibus, lutosis et voraginibus sumptum? 1
Cf. Sen. nat. 1,4,2 lngens enim variumque corpus intm momentt1m subtexitm· caelo et aeque celeriter aboletur. Stat. silv. 3,1,127 cum grave nocturna caelum subtexitur umbra. Nach FORCELLINI s. v. subtexo, OLD s. v. subtexo 2 gehört subtexere in der Bedeutung 'd en Himmel verdunkeln ' in die Dichtersprache, in der Prosa überwiegt gemäß dem Material im Th L L-Archiv die übertragene Verwendung, so Nep. At.t.. 18,2 familiarum originem subtexuit; Liv. 37,48,6 su.btexit {. ..J fabulae huic legatos {. ..J hoc [. .. J interrogatos esse; Sen . controv . 1 praef. 22 nec his argumenta subtexam; 3 praef. 18; suas. 2,10; Vell. 14 ,1; Val. Max . 6 ,9,7; Sen . dial. 2,35,2; Colum. 11.1 ,2; Plin. nat. 10,190; Quint. inst. 4,2,14: 4 ,4 ,4; Suet. Aug. 94; Tert. ieiun. 2; adv. Mare. 4,25.33; 5,2; paeoit. 7,2.5; Jul. Va l. 1.46; C halc. comm . 186; 187; 235; 236; al.; (cf. P lin. nat. 20,264; 24 ,129. 138; 25,132 fü r d as Anwenden von Prä paraten); vom Himmel aber Sen. nat.. 1,4,2 corpus ingens intra momentu.m subtexitur caelo; I u!. Val. 2,13 aera subtexuisse iacu.lis; 3,22 nubes solis lumen coepere subtexere. Cf. W . SCHETTER, Statius Thebais 5,296, RbM 122 ( 1979) 344- 347, hier 345sq. , zur dichterischen Verwendung von subtexere.
326
Il .5
Arnobius
Dem Einwand , im Tieropfer werde das den Göttern dargebracht, was den Menschen als Nahrung diene (Kapitel 16), hält Arnobius hier polemisch das Konstrukt entgegen, daß dann wohl alle Tiere, hätten sie Götter, ihr jeweiliges Futter opfern müßten. Den in diesem Zusammenhang genannten hirundines gibt Arnobius das seit Vergil (georg. 4,307 garrula quam tignis nidum suspendat hirundo.) sprichwörtliche garrulae bei. 1 Schon Tertullian (anim. 32 fsc . non fientj hirundines ex garrulis) geht von einer festen Wendung aus. Bei Arnobius fungiert garrulae hier als reines Epitheton. Das erstmals bei Vergil (georg. 3,411 saepe volutabris pulsos silvestribus apros / latratu turbabis agens) belegte volutabrum findet sich hier und beim etwa gleichzeitigen 2 Solinus (5,22) anscheinend erstmals in P rosa belegt bei den späteren Christen erscheint das Wort dann zwar häufig, fü r Arnobius ist aber wohl mit einem color Vergilianus zu rechnen.3
7,19 (M. 365,3sq.) Sed si sexibus sexus pares, id est feminas f eminis, mares autem hostias dis maribus immolari sacrificiorum iura praescribunt: quae in coloribus ratio est, ut merito his albas, illis atras conveniat nigerrimasque mac tari ?
In den Ka piteln 19 bis 22 führt Arnobius das Argument ad absurdum, das Opfertier müsse in irgendeiner Hinsicht zu der Gottheit passen, der es dargebracht werde. Hier setzt er sich mit der P raxis auseinander, den dii superi weiße, den Göttern der Unterwelt schwarze Tiere zu opfern. SANTORELLI (247) sieht darin eine Reminiszenz der vergilischen Schilderung vom Opfer des Anchises nach der Deutung des fälschlich auf Kreta bezogenen Apollorakels, Aen. 3,118- 120: sie fatus meritos aris mactavit honores, taurum Neptuno, taurum tibi, puleher Apollo, nigram Hiemi pecudem, Zephyris felicibus albam. Zwar stimmen beide Stellen nicht nur in der Sache, das heißt in der Darstellung eines nach den Farben der hostiae für die einzelnen Götter differenzierten Opfers, überein, sondern auch in den zentralen Stichworten mactare, niger und albus. Jedoch handelt es sich bei der geschilderten Opferpraxis um die allgemein übliche, die Begriffe niger·, albus und mactare sind die gängigen termini technici.4 Obwohl die Vergilstelle mit ihrer knappen , eingängigen Darstellung der Zuweisung unterschiedlicher Opfer für unterschiedliche Götter 1
2
3
4
ThLL Vl ,2 gan"Ulu.s 1698,84- 1699,5 als Epitheton: Eleg. in Maecen. 1,102; Arnob. nat. 7,17; Avien. Arat. 1701; Carm. de mens. 2,11; Eug. Tolet. carm. 33,11; vorausgesetzt als feste Wendung: Sen. Ag. 675 fu.rta mariti gan-ula narrot (und zwar die in eine Schwalbe verwandelte Procne); Tert. anim 32. Cf. K. SALLMANN, DNP 11 (2001) 70 1. FORCELLINI s. v. v olu.tabrum, PHI 5.3 und CLCLT- 5 bieten außer der Vergil- und der Arnobiusstelle beispielsweise Ambr. hex. 3,1,4; 5,8,21; virg. 1,8,45; Aug. fid. et op. 24,45; Vulg. 2 Petr. 2,22; Salvian. adv. Avar. 1. Cf. LEHR 79; BERJNOER 64-67. Im übrigen führt Arnobius selbst im folgenden Kapitel 20 dazu weiter aus: Et qu.ae cau.sa, qu.ae rotio est, ut atme his hostiae nigemmique Cf.
11.5.2
Die Yergilzitate
327
sehr wohl als locus classicus im Hintergrund stehen kann, zumal wenn man die Nachwirkung vergilischer Kultsprache bei den späten und namentlich den christlichen Autoren bedenkt, ist dennoch unwahrscheinlich, daß eine gezielte Referenz auf das Opfer des Anchises vorliegt und der vergilische Kontext evoziert werden soll. Im übrigen geht es Arnobius in seiner Geda nkenführung ja gerade um eine allgemein gebräuchliche, nicht um eine an einer bestimmten Stelle bei Vergil erwähnte Opferpraxis. 1
7,20 (M. 366,2sq.) So las ergo immolate diis lanas vulsasque ex hostiis saetulas, relinquite infelicissimas pecudes spoliatas licet ac tonsas caeli animam ducere et pastibus innocentissimas incubare. und
7,24 (M. 370,9) Esto, concedatur infelicissimas pecudes non sine aliquo religionis officio divarum apud templa mactari et quod ex usu cons·uetudinis factum est rationis alicuius causam aliquam continere: [. .. j Im Kapitel 20 kritisiert Arnobius die Praxis, den Unterweltsgöttern schwarze Opfertiere darzubringen: Da könne man gleich nur die Wolle o pfe rn und die armen Tiere leben lassen. Im Kapitel 24 sucht Arnobius die Unsinnigkeit der das Opfer begleitenden Riten zu erweisen und räumt um der Argumentation wille n zunächst ein , es sei tatsächlich geboten, infelicissimae pecudes zu opfern . Die Junktur infelix pecus begegnet auch zu Beginn der dritten E kloge, wo Menalcas in provozierender Absicht die Damoetas a nvertra uten Schafe bedauert, ecl. 3,3 (1-6): (M.) Die mihi, Damoeta, cuium pecus? an Meliboei? (D.) Non, verum Aegonis; nuper mihi tradidit Aegon. (M.) lnfelix o semper, oves, pecus! ipse Neaeram dum j ovet ac ne me sibi praejerat illa veretur, hic alienus ovis custos bis mulget in hora, et sucus pecori et lac subducitur agnis. Die Verwendung der Junktur läßt sich ansonsten nicht nachweisen. 2 Beide Male wird in vermenschlichender Weise Mitleid mit Tieren a usgedrückt , beideMale steckt dahinter eine Invekt ive gegen Menschen. Vieles spricht dafür,
1
2
admoveantur coloris? quia nigro nigris conveniunt et tristia consimilibus grata sunt. Quid ergo? non videtis, 1Lt vobiscum et nos stolide similiterque ludamus, albas esse hostia1"Um carnes ossa dentes pinguitias omenta cum cerebris mollesque in ossibus medullas? - Diese polemischen Einlassungen sind am ehesten vor d em Hintergrund einer auch zur Zeit des Arnobius allgemein üblichen Opferpraxis zu sehen. Allzu kühn daher SANTORELLI (247), wenn sie annimmt, daß die Arnobiusstelle "si riverbera cou forza s ui versi di Virgilio e rimanda un' imrnagine deforrnata e grottesca di questi poveri ornetti ehe si affa.nnavano tanto a. fare cose assurde" - für einen solchen Bezug ist die Markierung viel zu schwach. ThLL VII,l s.v. infelix 1361 ,39-53 belegt infelix fü r Tiere im vorliegenden Sinn nur an der Vergilstelle; für die Junktur infelix pecus bieten Th LL Xl s.v. I . pecus und 2. pecus 945 ,40sqq. , P HI 5.3 und C LCLT - 5 außer der Vergil- und Arnobiusstelle Aug. conf. 3,2,4 (über sich selbst).
328
Jl.S
Arnobius
daß Arnobius an dieser spaßhaften Bosheit in ihrer auffälligen sprachlichen Gestaltung mit dem Hyperbaton , das erst am Satzende die Tiere, nicht den Gesprächspart ner a ls Angeredete zu erkennen gibt, Gefallen gefunden hat und die Wendung daher gleich zweimal verwendet. 1 7,22 'Jlritonia virgo: Siehe oben (298) zu 3,21. 7,23 (M. 370,3) Ut si manu viperam mulceas, venenato blandiaris aut scorpio, petat ille te morsu, hic contractus aculeum figat, nihilque illa prosit adlusio, cum ad nocendum res ambae non stimulis exagitentur irarum sed quadam proprietate natume: ita nihil prodest promereri velle per hostias deos laevos, cum sive illud feceris sive contm non f eceris agant (secundum) suam naturam et ad ea quae factitant ingenitis legibus et quadam necessitate ducantur. Gegen das Argument, man müsse wohlgesonnenen Göttern opfern, damit sie helfen, und übelgesonnenen, damit sie nicht schaden, hält Arnobius, daß die j eweilige Natur, ob gut oder böse, ohnehin zum Durchbruch komme. Als Analogie verweist er auf Schlange und Skorpion, die auch ohne stimuli imrum angriffen. Diese Formulierung findet sich bei Lukan (2,324 irarum movit stimulos) und Statius (Theb. 10,75 horruit irarum stimulis) , könnte aber auf entsprechende verbalisierte Ausdrücke bei Vergil (Aen. 11,451sq. Extemplo turbati animi concussaque vulgi I pectora et arrectae stimulis haud mollibus irae. 11 ,727 sq. Tyrrhenum genitor Tarchonem in proelia saeva I suscitat et stimulis haud mollibus inicit iras.) 2 zurückgehen. Das Bild vom stimulus, auch mit Genitiv, findet sich zwar häufiger,3 doch der auf Vergil zurückzuführenden Verbindung mit im scheint zumindest ein gewisser color poeticus anzuhaften. 4 7,24 (injelicissimae pecudes): Siehe oben (327) zu 7,20. 7,26 (M. 375,11 ) Nam neque temporibus, quemadmodum creditur et perhibetur, heroicis quidnam esset thus seiturn est, scriptoribus ut conprobatur a 1
2
3
4
(Echos ovidiens 143sq.) nennt auch gedankliche Parallelen bei Ovid , doch liegt die Vergilstelle in ihrer sprachlichen Gestalt a ls Vorbild näher. Für d ie (auch von Arnobius wahrgenommene) Prägnanz der Eklogenstellen spricht vielmehr die Nachahmung (cf. ThLL X ,l 950,61) Ov. met. 15,116sq. Cf. Lucan. 7,103 si modo virtutis stimulis iraeque calore; Stat. Theb. 11,497 tune vero accensae stimulis maioribus irae. Etwa Cic. Arch. 29; Arnob. nat. 1,64 et in odia vos aspera furialibus stimulis concitaret?; 2,5 ad credendi studium prohibitionis ipsius stimulis excitetur?; 3,28 qui furialibus stimulis animos inquietent 7,22 nullis umquam stimulis (in) in nullius operis excitata conatus. FOR.CELLINI und OLD s.v. stimulus belegen die Verbindung voo stimulus und im nur Verg. Aen . 11,452; T hLL Vrii,2 s.v. ira 367,15-30 führt stimuli irarum nicht unter den üblichen Wendungen aliqua res irae auf. Aber etwa Serv. Aen. 12,830 stimulos iracundiae ad futurum reservent. L E B ONNI EC
ll.5.2
Oie Vergilzitate
329
priscis, quorum in libris posita nulla eius mentio reperitur, neque genetrix et mater superstitionis Etruria opinionem eius novit aut famam, sacellorum ut indicant ritus, neque quadringentis annis quibus Albana res viguit in usum cuiquam venit, sacra cum res fieret, neque i pse R omulus aut religionibus artifex in comminiscendis Numa aut esse scivit a·ut nasci, ut pium far monstrat, quo peragi mos fuit sacrificorum sollemnium munia. Im Kapitel 26 wendet sich Arnobius den Rauchopfern zu. Man könne, so gibt Arnobius zu bedenken, gar nicht wissen, ob den Göttern Weihrauch willkommen sei. Dabei ha ndle es sich j a um eine novella {. .. ] propemodum res, in der Vorzeit habe man schließlich noch pium far geopfert. 1 Mit dieser Umschreibung bezeichnen Horaz, carm. 3,23,20 (17- 20): Inmunis aram si tetigit manus, non sumptuosa blandio1· hostia, mollivit ave?'sos Penatis farre pio et saliente mica. Vergil, Aen. 5,745 (743- 745): Haec memorans cinerem et sopitos suscitat ignis, Pergameumque Larem et canae penetralia Vestae farre pio et plena supplex venemtur ace11a. und Lygdamus, Tib. 3,4,9: Et natum in c-uras hominum gFmus omina noctis farre pio placant et saliente sale. die mola salsa als Sinnbild eines einfachen und alt hergebrachten O pfers. 2 Ob Horaz, bei dem die Einfachheit des Opfers deut lich im Mittelpunkt steht, oder Vergil der Bezugspunkt für Arnobius ist, 3 läßt sich nicht entscheiden. J edenfa lls scheint er, wie die Formulierung ut pium far monst?·at zeigt, in dem von den Augusteern geprägten Ausdruck eine bekannte Wendu ng zu sehen, deren Erklärung - das he ißt, warum das far ein pium ist - er beim Leser selbstverständlich voraussetzt. 7,28 (M . 378,20) Nam si verum est, ut ab sapientibus creditur, incorporales hos fsc. deosj esse nec validitatis alicu.ius eminentia sublevari, inanis apud hos od01' est nec sensibiliter cornrnovere aum eos potis est nidore alicuius, 1
Der Sache nach hal Arnobius zwar Unrecht, da schon für das vorrömische Italien Weibrauchopfer a rchäologisch nachgewiesen sind. J edoch wird die A usicht, Weihrauch sei ein später eingeführtes Opfer, in der Antike allentha lben vertreten; dazu folgende Anmerkung. 2 So ausdrücklich Ov. fast . 1,337- 342 mit BöMER ad I. (40): "Es ist eine we itverbreitete und durch antike Nachrichten gestUtzte Auffassung, d aß Weihr auch und Myrrhe in Rom erst verhältnismäßig spät [.. .] bekannt geworden s ind [... J. Man muß diese Angaben aufgrund der Bodenbefunde eiu wenig modifizieren: Schon die Villanova- Urnen von Bologna kennen Beigaben von Weihrauch [.. .].'' 3 Cf. ThLL Vl,l s.v. far· 278,37- 50 ab Verg. Aen. 5,745, als erster Prosabeleg Arnob. nat. 7,26.
330
11.5
Arnobius
non si mille tu pondera masculi thuris incendas caelumque hoc totum redundantium vaporum nebulositate cludatur. Den Gedanken, Weihrauchduft erfreue die Götter, weist Arnobius als anthropomorph zurück: Nicht einma l mille [. ..J pondera masculi thuris könnten die dei incorporales erreichen. Von mascula tura spricht zwa,r a uch Vergil (ecl. 8,65 verbenasque adole pinguis et mascula turn), doch handelt es sich dabei um den ob ihrer hodenähnlichen Form gewählten Fachausdruck (&ppTJv A.lßcxvoc;) für die am meisten geschätzte Weihrauchsorte. 1 Ob Arnobius sich also a uf die Vergilstelle, den ältesten und vieHeicht bekanntesten Beleg, bezieht, muß fraglich bleiben, vornehmlich geht es um Quantität und Qualität des Weihrauchs. 2
7 ,32 (M. 382,25sq.) Sed sit ut vultis honor in vino, sit in thure, immolatione et caedibus hostiarum ime numinum ojjensiones placentur. Etiamne di sertis, coronis adficiuntur et floribus'? etiamne aeris tinnitibus et quassationibus cymbalorum'? etiamne tympanis'? etiamne symphoniis '? Quid'? efficiunt crepitus scabillorum ut, cum eos audierint numina, honorifice secum exitiment actum et ferventes animos irarum oblivione deponant'? Im Kapitel 32 setzt sich Arnobius mit den paganen Kultveranstaltungen a useinander . Die wohl a uf orientalische Mysterienkulte zu beziehende3 Formulierung aeris tinnitus et quassationes cymbalorum hat eine Parallele in VergUs Anweisungen zur Lenkung eines schwärmenden Bienenvolkes (georg. 4,64 tinnitusque cie et Matris quate cymbala circum). Die Junktur cymbala quatere, bei Vergil verbal, bei Arnobius nominal, findet sich in Prosa nur selten und spät4 ; auch das parallele tinnitusS im ersten Glied verweist auf Vergil. Anscheinend läßt sich also Arnobius zur DarsteUung der Musik im Kybelekult von Vergil anregen.
7,33 et crudis mutilare de caes tibus: Siehe oben (276) zu 1,36e. 7,39a b (M. 392,14; 393,7) Ventum est ergo, dum loquimur, ad ipsum ariiculum causae, ventum rei ad cardinem , ventum veram atque ad iunctissimam quaestionem, in quam convenit ut debeamus inspicere formidine super·stitio1
2
3 4
5
Cf. Plin . nat. 12,62; W .W .
'Weihrauch', RE Suppl. XV {1978) 718; ThLL VIII s.v. masculus 428,44-49: nebe n Verg. ecl. 8 ,65 (cf. Apul. apol. 30) ; Ov. medic. 94 mascula f:ttra sehr häufig in der medi,z inischen und pharmakologischen Fachliter atur (etwa Gels. 5,18,7b.24 et c.; Scrib. Larg. 206 etc.). Liegt eine derbe Po inte außerdem in der Verwendung von pondera neben masculi thuris nach Catull. 63 ,5 (über die Entmannung des Attis) devolsit ilei acuto sibi pondera silice; Petron . 92,9 habebat enim inguinum pondus tam grande? Cf. MCCRACKEN ad l. li 612 Anm. 99. ThLL IV 1588sq. s.v. cymbalum nennt als Junkturen cymbalum quatere sim.: Anth . 723,8 {sc. luna} sistro renovas brumam, ru cymbala quassas; Arnob. nat. 7,32; Lampr. Comm. 11,3 quatientem cymbala; Carm. c. pag. 73 (Ende 4.Jb) cymbala {. .. } quatere. Für den Klang der cymbala Min. Fel. 22,3; Lact. epit. 18, 11, beide aber über die Korybanten; Sol. 24,10; Firm. err. 6,5; Yen. Fo rt. Mart. 2,167. MÜLLER,
11.5.2
Oie Vergilzitate
331
nis amota et gratificatione deposita, utrumne hi dii sint quos saevi1·e adseveratis offensos reddique sacrificiis mites an sint Longe aliud et ab huius vi debeant et nominis et potentiae segregari. (. ..j Ludis dein [dein/ terminatis profligatisque curriculis non multi post temporis spatium civitatem occepisse pestilentia vastari, cumque dies adderet malum malo gravius, catervatim et populus interiret, rusticulo cuidam sorte humi litatis obscum l ovem per insomnium dixisse, uti ad consules vaderet, praes·ulem sibi displicuisse monstraret, passe melius fieri civitati, si ludis sua religio redderetur et ex integro rursus curiosa obse?iJatione procederent. Im Kapitel 39 gelangt Arnobius an eine entscheidende Stelle seiner Argumentation gegen die pagane Opferpraxis: zur Leugnung der Existenz der heidnischen Götter. Der Ausdruck ca1·do rei, mit dem er diesen Höhepunkt bezeichnet, findet sich erstmals bei Vergil, Aen . 1,672 ltaud tanto cessabit cardine rerum. Venus drückt mit diesen Worten gegenüber Amor ihre Bedenken aus, J uno werde in einer so entscheidenden Sit uation nicht untätig Aeneas' gastfreier Aufna hme bei Dido z usehen. 1 Zwar wird der cardo häufiger in Redewendungen bemüht 2 , die Formulierung mi t rerum beziehungsweise rei j edoch ist nach Vergil erstmals bei Arnobius, dann bei seinem Schüler Laktanz und bei Ambrosius belegt 3 . Arnobius greift also offenbar bewußt a uf die vergilische Form einer geläufigen Metaphorik zurück, um seiner fast hyper bolisch empha tischen E inleit ung durch die Anspielung auf die Worte der Venus eine Pointe zu verleihen.4 Einem Hinweis von SPINDLER (14) folgend , könnte man in catervatim a ufgrund des Zusammenhangs einen Einfluß der Se uchenda rstellungen des Lukrez und des Vergil annehmen: Zwar handelt es sich um ein unpoetisches Wort5 , jedoch wird es sowohl in Lukrezens Pestschilderung ( 6,1144 inde catervatim morbo mortique dabantttr) als a uch in Vergils Norischer Viehseuche6 für die zu Haufen a ufgetürmte n Opfer verwendet.7 1
ad l. 204: "[S]he wiU not be idle al so important a t urni ng point." 2 So Servi us ad l.: de proverbio tractum, quo dicitur 'res in cardine est '. Belege aus der Dichtung ThLL II I s.v. cardo 446,40- 56, in Prosa Plio . nat. 18,264 anni cardo; Quint. inst. 5, 12,3 causae cat'Clinem; 12,8,2 litium rordo. 3 Cf. ThLL III s.v. cardo 446,31- 37: zur Vergilstelle Arnob. nat. 7,39 und Lact. inst. 2,8,55 hic est cardo rerum, hic vertuntur omnia; 7,5,2 ( cf. ira 6,2). - Im übrigen verwendet Arnobius cardo ansonsten nur im geogra.pisch- astronomischen Sinne, cf. 2,13 mundttS occeperit f... J in cardinem vergere; 2,58 axis eum sustineat extremis cardinibus nitens; 4,5 si orientem solem respexe·ro, cardo mihi frigoris et Septentrio fit laevus; 6,5 alii qu.os ab sui notitia maria montes silvae et quadrimi disterminant cardines; 7,40 fsc. Juppiterj orientalem conver·sus ad cardinem. 4 Zum s prichwörtlichen Charakter der Metaphorik 0TTO 76 Nr. 351. 5 Cf. ThLL Ili 610sq. s. v. caten•atirn: ab Lucr. 6, 1144, dann in P rosa., etwa Bell. Afr. 32,3; Sall . Iug. 97,4 etc. 6 Verg. georg. 3.556 (554- 558) Balatu pecorum et crebris mugitibus amnes I arentesque sonant ripae collesque supini. I iamque catervatim dat strogem atque aggerat ipsis I in stabulis turpi dilapsa cadavera tabo, I donec humo tegere ac foveis abscondere discunt. 7 Die Verse Verg. georg. 3,556sq. nimmt bereits Liv. 4,30,8 auf, cf. FOUCHER 296 AU STIN
332
Il.5
Arnobius
7,44 (M . 402,24; 403,8sq.) Ex Epidauro tarnen qui d est aliud adlatum nisi magni agminis coluber? Fidem si annalium sequimur et exploratam eis adtribuimus veritatem, nihil, ut conscriptum est, aliud. Qui d ergo dicemus? Aesculapius iste quem praedicatis, deus praestans, sanctus deus, salutis dator, valetudinum pessimarum propulsator, prohibitor et extinctor, serpentis est forma et circumscriptione finitus, per terram reptans, caeno natis ut vermiculis mos est, solum mento radit et pectore, tortuosis voluminibus se trahens, atque ut pergere prorsus possit, pa1iem sui postremam conatibus prioris adducit. Die letzten Kapitel seines Werkes widmet Arnobius der Auseinandersetzung mit verschiedenen historiae von in Rom verehrten Göttern, hier 1 derjenigen des Äskulap. Nach polemischen Bemerkungen gegen dessen a ngeblich göttliche Herkunft, sucht Arnobius den vermeintlichen Helfer und Heiler als Giftschla nge zu entlarven. Die da bei für die Fort bewegung verwendeten Ausdrücke agmen2 und volumina3 gehören z um charakteristischen Vokabular vergilischer Schlangenschilderungen ( agmen georg. 3,423; Aen. 2,212; 5,90; volttmen Aen. 2,208; 5,85; 11 ,753). Die Formulierung solum mento radit könnte von Horazens Beschreibung der demütigenden Niederlage bei Philippi (carm 2,7,12 cum fracta virtus et mirtaces / turpe solum tetigere m ento) herrühren.4 Arnobius sucht für die Polemik gegen Äskulap offenbar einen color poeticus. So wie Arnobius den Gott Äskulap a lsamBoden kriechende Giftschlange vorführt und dazu das vergilisch-dichterische Vokabu lar möglicherweise mit dem von Horaz als erniedrigend empfundenen Philippi- Erleben a nreichert, scheint er seinem intendierten Bild die Deutung beigeben zu wollen: eine erbärmliche, unwürdige Gottesvorstellung. Zu salutis dator siehe o ben (282) zu 1,49. 7,50 (M. 410,11) Et quis hominum credet terra sumptum lapidem, sensu agitabilem nullo, fuliginei coloris atq·ue at1·i, (lacuna ut vid., cf. M. ad I. ) corporis, deum fuisse matrem? aut qui ru1·sus accipiat - hoc enim solum restat - numinis alicuius habitasse vim silicis fragmentis (ignis) more subiectam venisque in eius abstrusam? In den letzten drei Ka piteln (49- 51) beschäftigt Arnobius sich mit dem Ku lt der Magna Mater. Als letzter und absurdester der vorgeschlagenen und
1
2
3 4
vielleicht ein Ind i2 für die Eindringlichkeit der Stelle und dafür, daß auch Arnobius sie hier vor Augen gehabt haben kann. Im Kapitel 44 d euten einige Hinweise, vor aJiem Dubletten zu den Kapiteln 39 und 41, auf eine fehlende Endredaktion hin, dazu WLOSOK , HLL 4 {1989) 372. Cf. ThLL I s. v. agmen 1340,75-1341 ,7 Belege ab Verg. georg. 3,423; Aen. 2,212; in Prosa ab lul. Val. 1,4 p. 9,21 K. und Arno b. nat. 7,44. F ORCELLINI und OLD bieten für volumen von Schlangen nur Vergii- Belege. T hLL VIIJ s.v. 1. mentum nennt für die Berührung d es solum mit dem Kinn beim Menschen nur die Horazstelle (cf. 783,84- 784,11 ), beim Tier nu.r die Arnobiusstelle, cf. 784 ,45-56.
JI .5.3
Auswert ung
333
zugleich widerlegten Wege, wie von deren heiligem Stein eine göttliche Wirkkraft ausgehen könne, nennt Arnobius den Gedanken, ein numen wohne dem Stein so inne wie die Möglichkeit , aus ihm Feuer zu schlagen. Der Formulierung für das Fe uermachen liegen, wie schon R EIFPERSCHEID gesehen hat, der in diesem Sinne ignis ergänzt, die vergilischen Darstellungen dieses Vorganges zugrunde, georg. 1,135 (129- 135): llle malum vir1tS serpentibus addidit atris praedarique lupos iussit pontumque moveri, mellaque decussit foliis ignemque removit et passim rivis CU1Tentia vina repressit, ut varias usus m editando extunderet artis paulatim, et sulcis frumenti quaereret herbam, ut silicis venis abstrusum excuderet ignem. Aen. 6,7 (5- 8): (. ..J hwenum manus emicat ardens litus in Hesperi11.m; quaerit pars semina flammae abstrusa in venis silicis, pars densa ferarum tecta rapit siluas inventaque flumina monstrat. Trotz der von Arno bius vorgenommenen Ergänzungen, die teilweise durch den Kontext des Vergleichs begründet (silicis fragmentis (ignis) more), teilweise unmotiviert ( subiectam venisque in eius abtr-usam) sind , und trotz des in der Handschrift fehlenden ignis ist d urch den Inhalt und die Verwendung von abstTudere 1 der Vergilbez ug zweifelsfrei. Vielleicht regt Vergils Version des epischen Topos vom Feuermachen (Ho rn . Od. 7,13; Verg. Aen. 1,174- 176) Arnobius überhaupt zu dieser Erklärung für die göttliche Kraft eines Steines an . Auch Novatian (cib. l ud. 3,3) und Cyprian (hab . virg. 1), dazu oben (199; 237), greifen die Vergilstellen auf.
5.3 5 .3.1
Auswertung Die Zitatsegmente: Forme n und Veränderungen
Obwohl Vergil von Arnobius nirgends erwähnt oder wört lich zit iert wird , ent hält die vorausgehende Auflistung etwa 80 Stellen, für die mit einiger Sicherheit ein vergilischer Einfluß angenommen werden kann. 2 Siebenma l übernimmt Arnobius mindestens drei E lemente in unmittelbarem Zusammenhang, a llerdings mit kleineren Veränderungen (1,ll a; 3,30; 4,1; 5,5; 5,23a; 5,23b; 7,15), sechsma l greift er Formulierungen aus mehreren Elementen a uf, 1
Cf. T hLL I s.v. abstrudo204,1.
2
Hinzu kamen etwa 10 Stellen , an denen Vergil als Vorbild denkbar, aber nicht. sicher ist . SANTORELLI ( 242 Anm. 6) spricht. von 13 1 Parallelen, nennt in ihrem Aursatz aber weit. weniger und schweigt sich auch i.lber die Quelle bzw. das Zustandekommen dieser Zahlenangabe aus.
334
II .5
Arnobius
a ber mit wesentlichen Substitut ionen und Additione n (1,2a; 1,36c; 2,24; 3,32; 4,21 ; 7,50), zehnmal gibt er einen vergilischen Gedanken oder eine Szene mit mehreren Stichwörtern wieder (1,17a; 1,36a; 2,71; 2,14abc; 2,67; 3,29; 4,24; 4,26; 5,19; 6,16b) 1 , eine Anspielung richtet sich olmesprachliche P arallelen a uf die Aeneis insgesamt (4,27). Bei allen Zitatsegmenten kommt es dabei zur Permutation, bei fast aUen 2 zur morphesyntaktischen Adaptation, wodurch sich a uch die prosodische Prosifikation ergibt. Manche Änderungen an den Zitatsegmenten lassen sich als inhalt liche Adaptationen erklären: So dient beispielsweise der Plural ovilibus insidiatu1·lupus (1,11a) der vom Folgekontextgeforderten Verallgemeinerung, tremefaciens caelum statt Olympum (4,21) unterstreicht die kosmische Dimension der göttlichen Macht, rumigare statt ruminare (5,23b) wirkt drastischer .3 Ein besonders weitgehendes Beispiel für inhaltliche Anpassung ist das Zitat eines Georgikaverses (georg. 1,62) über Deukalion, den Arnobius (5,5) zu einer Darstellung des Mythos von der Entstehung der Magna Mater ausbaut, die im Prätext nicht vorkommt. Oft aber scheint Arnobius darüber hina us den Wortla ut nur um der Raffinierung willen zu verfremden, teilweise nur in einzelnen E lementen , wenn er etwa rupes statt cautes (2,24) schreibt4 , häufig jedoch bis hin zu einer ne uen Formulierung des vergilischen Gedankens, die nur noch einzelne Stichworte enthält, wenn etwa Cyllenae gelido conceptum vertice fudit zu Cyllenius in algido fusus monte (3,32) wird5 . Ein großer Teil der Zitate besteht j edoch aus zweigliedrigen Junkturen, unter denen die nominalen, meist a us Substantiv und Adjektiv 6 oder Substantiv und Substantiv 7 , zweimal a us Adjektiv und Adjektiv8 , gegenüber den verbale n 9 überwiegen. Einige dieser Junkturen scheinen bei Arnobius erstmals in Prosa (etwa 1,2c cruor taeter; 1,17b anhelum pectus; 1 ,36f vulneratis [. ..J auribus; 6,23 edax ignis; 7,26 pium far) oder überha upt erstmals nachvergilisch belegt zu sein (etwa 1,36e par. crudo [...} caestu; 7,39a rei ad cardinem). Was die a us nur einem Element 1
2
3
4
5
6
7
8
9
Unsicherer 3,9b; 7,19; 7,32. Ausnahmen s ind etwa 3,30 soror et coniunx; 4,1 Roma.nos, dominos 1-erum; 7,15 ca.elum fumo subtexere. Auch bei Zitaten, die eher auf einer Struktur- als einer E lementenreprodukt ion beruhen, lassen sich für manche Änderungen Motive vennuten , so paßt beispielsweise 2,8 ouT senectutis ad m eta.s, nicht aber das vergiliscbe aevi; 4,24 ist für die Begründung der Benennung von Latium quod semantisch genauer a ls das vergilische quoniam. Viele Zitate verändert ATnobius aber so stark, daß eine Betrachtung e inzelner Substitutionen gar nicht mehr möglich ist. Hierher gehört woh l auch die ÄndeTung von -que zu atque (5,23a). Hierfür s ind die Beispiele zahlreich, etwa die Pathographie des Zornes (l,l7ab), die Etymologie von la.niculum und Saturnia (1,36a) , die Genealogie der Nachfahren des Saturn (2,71) , die Etymologie von Latium (4,24), der Titanensturz (5, 19), die Musik im Kybeleku lt (7,32). 1,2c; 1,17b; 1,25parr. ; 1,36e par.; 2,70a; 3,21par.; 3,31 ; 6,5; 6,16a; 6,17; 6,23; 7,17; 7,20par.; hierher gehören auch die unsicheren Belege 5,31; 7,26; 7,28; im weiteren Sinne 1,2b, wo allerdings das Bezugsnomen ergänzt ist. 2,14b; 2,53; 3,13; 3,3 1; 4 ,35; 5, 19; 7,39a; unsicher 2,59; 7,23. 1,54; 5,34 1,1lb; l ,36f; 2,16; 3,9a; 5,21; 5,23c
11.5.3
Auswe rtung
335
bestehenden Zitatsegmente betrifft, so verwendet Arnobius viermal ein von Vergil an belegtes Wort erstmals in Prosa (2,36 inremeabilis; 2,70b ignipotens; 3,1par. fundam en; 5,13 Be1·ecyntia)\ für die schon in der ä lteren Dichtersprache gebrä uchlichen tutamen (1,28bpar.) und arquitenens (1,36dpar.) ist Vergil nächstliegender Bezugspunkt. Acht ma l wird ein Wort nach vergilischem Vorbild gebraucht: 1,28c tumor; 1,34 immanis; 2,58 obtunsum (m it Stichwörtern a us dem Kontext) ; 4,18 sedere; 4,26 obsitus; 6,3 evomere; 7,44a 2 agmen; 7 ,44c volumen. .. Ofter ste llt Arno bius mehrere Rem iniszenzen zu Zitatennestern zusammen. Im Ka pitel 1,36 beispielsweise verwendet Arnobius fünf vergilische Götterepitheta und drückt auch die Reaktio n der Götter auf das über sie Erzählte mit einer vergilischen Wendung ( vulneratis accipiunt auribus) a us. Im Kapitel 5,23 hebt er d as Unwürdige eines Kultmythos über Jupite r durch die Kontrastierung mit vergilischen Formulie ru ngen hera us. In manchen Fällen ergänzt Arnobius primär inhaltliche Zitate m it weiteren vergilischen E inzelformulierungen, etwa bei der Jenseitsschilderung, die ein Element aus vergilischen Vulkanda rstellungen erhält (2 ,14b). 3 E s finden sich a ber a uch a us Vergil und a nderen Autoren kombinierte Zitat ennester , so etwa die Klimax poetischer Aussagen über die göttliche Ho heit des Jupiter aus dichtersprachlichen, epischen , ho merischen und vergilischen E lementen im Kapitel 4,21 , die Darstellung schäd licher Pfla nzen und T iere in einer Verflechtung von Reminszenzen a us Vergil und Lukrez sowie von Motiven des Goldenen Zeitalters im Kapite l 1,11 oder die in lukrezischam und vergilischem Kolorit ge-ha ltene Weltbetrachtung im Ka pitel1 ,2. 4 Arno bius kontaminiert dabei nicht willkürlich verschiedene Dichterstellen, sonde rn sucht einen bestimmten Zusammenldang poetischer Töne, teilweise zur Kontrastierung, teilweise zur adäquaten Wied ergabe eines spezifisch d ichterischen, etwa kosmologischen oder theologischen, Themenbercichs. Form al betrachtet ha ben diese Zitatennester darüber hina us eine markierende Funktion, und tatsächlich set zt das Verständnis wenigstens der umfangreicheren unter ihnen die P erzeption der intertextuellen Struktm des Folgetextes vora us. 5 Während weitere Strategie n der Markierung durch Position 6 oder durch 1
Ftaglich ist. 7,17b volutabrum, laniti um ( l ,2lparr.) erscheint etwaschon bei Plinius dem Älteren. 2 Unsicher 1,36b indiges; 3,33par. dator; 7,39b catervatim; cf. 5,25par. ineluctabilis, ein echter Grenzfall, dazu unten 388. 3 Weitere Beispiele wären etwa die Wiedergabe d er vergi lischen Episode von Sat.urn und Phily ra mit dem vergilischen obsitus (4,26), die Darstellung d es Götterzor nes durch Vereinigung von ZUgen aus d em Zorn des Turnus und d er Ekstase der Sibylle (I ,17) oder der Titanenstur.l (5, 19). Da neben die wohl weniger s ignifikanten Beispiele l ,28; 2,70; 6,16 ; 7,39. 4 Hierher gehört vielleicht a uch die Stilisierung von Äskulap a ls Schlange mit vergi liscben und horazischen Elementen im Kapitel 7,44. E in Sonderfa ll ist die in vergilischem Ton geha ltene Wiedergabe d er platonischen J enseitsvorstellungen 2,14. 5 F ür 5 ,23 hat. dara uf bereits H AC:BNDA II L Methods L28 hingewiesen, dasselbe gilt aber a uch etwa für 1, 11; 2,14; 4,2l.
336
11.5 Arnobius
Frequenz1 bei Arnobius keine Rolle spielen , finden sich an manchen Stellen ausdrückliche Hinweise. Jedoch wird Vergil nie direkt oder in Anspielung genannt , die Markierungen durch Addition beziehen sich in seinem Fall nur auf das Vorha ndensein intertextueller, genauer gesagt folgetextfremder Einschübe. Sie appellieren also an die Prätextkenntnis, statt sie zu ersetzen: 2,24 (Marpesia. ut dieturn est rupes stabit) bezieht sich Arnobius zwar eindeutig, wie das Perfekt dieturn est zeigt, auf eine bestimmte Vergilstelle, doch ist dieser Verweis nur für den Kenner des Prätextes erkennbar. Auch die rhetorische Frage numquid (...} Saturnus (. . .J nostris earminibus indicatur ( ... }? (4,26) erhöht zwar die Sensibilität für die folgende Paraphrase der vergilischen Version vom Liebesabenteuer des Saturn mit Philyra, setzt aber deren Kenntnis voraus. Die übrigen Verweise sind noch allgemeiner: Für die Genealogie der Nachfahren des Saturn (2,71) und dle Etymologie von Latium als Versteck des Saturn (4,24) beruft sich Arnobius generell auf pagane Überlieferung (2, 71 ut vos idern vestris scriptis atque auetoribus traditis; 4,24 nurnquid (. ..} a nobis fse. dieiturj (. .. j?), greift aber dezidiert a uf die vergilische Variante zurück. Die für altüberliefert (3,29 vetustas edidit p1isea) erklärte Darstellung des Saturn geht, wenn auch irrtümlich , a uf Vergil zLu·ück. Die Markierung quemadmodurn dicitur (2,53) führt Orci fauces als eine öfter gebrauchte Redensart, nicht a ber als Vergilzitat ein. Am Rande gehören hierzu auch die Stellen, an denen Arnobius die a usdrücklich genannten Autoren Platon (2,14) , Sophokles (4,35) und den theologus Timotheus (5,5) mit einem color Vergilianus wiedergibt. Festzuhalten bleibt also, daß Arnobius, während er a uf zahlreiche andere Autoren ausdrücklich verweist2 , beim Leser eine so tiefe Vert raut heit mit Vergil voraussetzt, daß er nicht nur an Stellen, für deren Verständnis die Perzeption de r intertextuellen Struktur Vora ussetzung ist, auf explizite Markierungen verzichtet, sondern vielmehr an zentralen Punkten seines Rückgriffes a uf Vergil gerade die dezente Subtilität dieses Rückgriffes zum Stilmittel macht. Ähnlich wie Minucius Felix schafft Arnobius bei aller Polemik eine Gesprächssit uation, die vom selbstverständlichen Rekurs sowohl des Autors als auch des Lesers a uf das Bildungsgut Vergil geprägt ist.
5.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Die Verteilung der Zitate im Werk des Arnobius bietet insofern ein auffälliges Bild, als sich keine wirklichen Schwerpunkte oder Konzentrationen der Ve rgilbenutzung feststellen lassen. Zwar enthält das erste Buch, bezogen auf 6 1
2
Eine gewisse Markierung durch exponierte Steilung im Folgetext könnte 1,2 und 4,1 vorliegen. Repetit ion findet sich zwar für manche Reminiszenzen (etwa 1,36c und 3,32; 3,21 und 7,22; 1,25, 1,28a und 3,24 etc.), aber kaum im Sinne einer Markierung. Dazu etwa der index scriptoru.m qui o.b Amobio citantur in der Ausgabe von MARCHESI (4l3sq.).
II.5.3
Auswer t ung
337
den Textumfang, mehr VergiJreferenzen a ls der Durchschnitt der übrigen. Das läßt sich aber vor allem a uf die Zitatennester in den Kapiteln 2, 11 und 36 zurückführen, von denen nur das erste, da es Aspekte einer captatio benevolentiae und Einstimmung aufweist , in Zusammenhang mit dem Aufba u des Werkes steht. Insgesamt bleibt es jedoch bei der Beobachtung, daß Arnobius Vergil nicht nach kompositorischen Gesichtspunkten zitiert, sondern nach rhetorisch-stilistischen dort, wo es die elocutio nahelegt.
5.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Bei der Provenienz der Zitate lassen sich keine Schwerpunkte erkennen. Die Besonderheit besteht bei Arnobius vielmehr darin, daß sich seine Zitate über das ganze vergilische Werk verteilen. Vielleicht wird man darin ein Indiz umfassender Kenntnis und rhetorischer Professionalität im Umgang mit dem Dichter sehen, die nicht unter dem Einfluß subjektiver Vorlieben steht. Daß der bei weitem größte Teil der Zitate sich a uf pagan e Götter und Religion bezieht oder von Arno bius für Aussagen darüber verwendet wird , wird man bei einer Apologie, deren Schwerp unkt in der kritischen Auseinandersetzung mit dem He identum liegt, von vorneherein erwarten. Und tatsächlich bilden Epitheta oder pe riphrastische Bezeichnungen für heidnische Götter die größte thematische Gruppe unter den Reminiszenzen: für Saturn civitatis Saturniae auctm· (1,36e) und vitisator falcifer (3,29), für Jupiter rector poli, pater deorum et hominum, supercilii n:utu totum trernefaciens caelurn (4,21 ), pater deorurn, aeterna rerum atque homin·u m potestas (5,23a) und torquens sidem (5 ,23c) , für J uno soror et coniunx omnipotentis Iovis (3,30), fü r Kybele B e1'ecyntia (5,13) , für Minerva virgo Tritonia (3,21 ; 7,22) und inventrix oleae (3,31), fü r die Paraphrase von Merkurs Geburtsmythos in der Art einer Epiklese utero fusus Maiae, Cyllenius (1,36c; 3,32), für Apoll alleine ( 4,22) und zusammen mit Diana (1,36d) arquitenens, für Pluto Iuppiter Stygius (2,70a; 3,31 Iovis Stygius), für Bacchus hilaritatis dato1· (3,33), für Herkules proles Iovis (4,35), fü r Vulkan ignipotens (2, 70b), für Pollux crudo inexuperabilis caestu (1,36e) und für Ae neas indiges (1,36b). 1 Aus der Tatsache jedoch , d aß sich die meisten dieser Götterbezeichnungen schon vor Arnobius in der Lite rat ur oder a uf Kult inschriften rezipiert beziehungsweise verwendet find en ,2 muß ma n schließen, daß es sich dabei um allgemein übliche Ausdrucksfo rmen handelt , die vom Leser als die z utreffenden und gebräuchlichen akzeptiert werden sollen. Arnobius sucht darin a lso keinen color Vergilianus um seiner selbst willen, er bemüht sich vielmehr um die einschlägigen, authentischen Formulierun gen, die aber oft a uf Vergil z urück1
2
Im weiteren Sinne läßt s ich a uch die Darstellung des Äskulap im Kapitel 7,44 hierzu zählen. Gena uere Belege finden sich jeweils o ben in der Einze ldiskussion. Inschriftliche Para llelen haben beispiels weise die Epitheta 2,70; 3,39; 3,31 ; 3,33, literarische diejenigen 1,36d; 2,70b; 3,30; 5, 13; 5,23c.
338
II.S
A r nobius
gehen oder durch die Verwendung bei Vergil erst ihre klassische Gültigkeit erhalten haben. Vergil wird hier letztlich als die Sprache in theologicis prägende Instanz zitiert. In bezug auf Jupiter jedoch scheint Arnobius, indem er umfangreichere und spezifischere Bezeichnungen übernimmt, nicht nur auf das vergilische Wortmaterial, sondern a uch auf die theologische Konzeption des luppiter omnipotens in der Aeneis rekurrieren zu wollen. In denselben thema tischen Bereich gehören diejenigen Zitate, die Aussagen über Götter in einem weiteren Sinn zum Inhalt haben. Dabei kann man unterscheiden zwischen solchen, die bereits bei Vergil auf Taten und Erlebnisse von Göttern bezogen sind, etwa die Mythologumena von Saturn und Philyra (4,26), vom Titanensturz (5,19), von der F lucht des Saturn nach Latium (4,24) und die Genealogie seiner Nachfahren (2,70), 1 und solchen, die erst Arnobius auf Götter überträgt. In letztere m Falle scheint er entweder das a nthropomorphe Element heidnischer Gottesvorstellungen herausarbeiten zu wollen, namentlich den Zorn der Götter (1,17 ex eorum luminibus scintillae emicent ftammeae, aestuet anhelum pectus; 1,36f vulneratis accipiunt auribus), oder auf eine Travestie abzuzielen , insbesondere indem er vergilische Aussagen über t ierische Verhaltensmuster bei Nahrungsaufnahme oder Fortpflanzung auf Götter überträgt, etwa edunt per uteros f etus (2,16), sufficere prolern (3,9a) oder rumigare pallentis herbas (5,23b). Ein Beispiel einer nicht ironisierenden Übertragung ist Vergils Darstellung des De ukalionmythos, die Arnobius (5,5) übernimmt und a uf die Entstehung der Magna Mater hin ausbaut. Ebenfalls die Religion zum Inhalt ha ben diejenigen Vergilzitate, die sich a uf den heidnischen Kult beziehen. Freilich überträgt Arnobius hier vergilisches Gut, um seine Aussage zu verdeutlichen, etwa um durch die Formulierung caelum fumo subtexere (7,15) dem Brandopfer eine bedrohliche Nuance zu verleihen. 2 Meist aber verwendet er allgemein übliche, aber durch Vergil gewissermaßen klassisch gewordene Ausdrücke3 oder legt die vergilische Darstellung von religiösen Brä uchen , etwa beim Ritus zu Kriegsbeginn (2,67) oder bei der Musik im Ky belekuJt (7,32), zugrunde. Was Gebet und Frömmigkeit angeht, so wendet Arnobius einzelne vergilische Ausdrücke an, die Junktur rebus j essis (1,25; 1,28a; 3,24) bemer kenswerterweise für das christliche Gebet in verzweifelter Lage. 4 J enseitsvorstellungen haben vor al1
Außerdem wären hierzu zu rechnen der tumorder Gött er (1,2&) , die Anspie lung au f die Rolle der Venus in der Aeneis (4,27), die a llerdings unsicheren furta dulcissima der Götter (5,31), die sedes sidereae (6,17), vielleicht auch das zweifelhafte plena esse diis omnia (3,9a) . 2 Weitere Beispiele wären die Formulierungen für das Innere (3, 13) und den Glanz (6, 16) der Götterbilder, der Vergleich des numen im simulacrum mit dem im Stein verborgenen Feuer (7,50) oder das etwas unsichere infelicissimae pecudes (7,20; 7,24) für die Opfertiere. 3 So etwa fOr die Götterbilder spirantia signa (6,l6a), die Opferterminologie im Kapitel 7,19, pium far (7,26) und masculum tus (7,28). 4 Das vergilische tutamen wird 1,28 ebenfalls für christliches Beten gebraucht. Eine Nuance der Übereinstimmung mit Ve rgilliegt vielleicht a uch in der Verwendung von immanis
11.5.3
Aus wer t ung
339
lern die Zitate im Ka pitel 2,14 z um Gegenstand, hinzu kommt die sprichwörtlich gebrauchte Wendung ab 01'ci faucibus (2,53). Als zweiter Themenbereich neben der Religion läßt sich die Naturbeschreibung im weitesten Sinn festhalten: Hierher gehören meist als exempla oder im Rahmen von Vergleichen übernommene vergilische Aussagen über das Pfla nzen- und T ie rreich 1 , Formulierungen aus dem geographischen (6,5 ultima Thyle) und kosmologischen (1,2abc; 2,58; 6,23 edax ignis) Bereich, schließlich Formulierungen über das menschliche Leben, etwa über die Altersstufen (2,8). 2 Einem dritten Bereich schließlich sind Einzelwörter und Junkturen zuzurechnen, die sich weniger a uf eine bestimmte Thematik beziehen , sondern eher rhetorische Funktion ha ben , so etwa sedere (4, 18) und fixum atque immotum (5,34) für das Feststehen einer Ansicht , der bildliehe Ausdruck rei ad cardinem (7,39a) und der Vergleich mit der Marpesia rupes (2,24). 3 Die Anrede der Leser a ls Romanos, dominos rerum ( 4,1) rekurriert zwar auf die nationalrömische Thematik der Aeneis, fungiert im Kontext aber als ironisierende captatio. Den Aussagen der Zitatsegmente nach zu urteilen , wird Vergil also in e rster Linie als Quelle für Inha lte und vor allem Aussageweisen spezifisch römischer Gottesvorstellung und Religiosität, in zweiter Linie als Weltdichter , am Rande a uch als rhetorische Fundgrube verwendet.
5.3.4
Vergil bei Arnobius: Funktion und B ewertung
Was die Funktion der Zitate im Folgetext a ngeht, so lassen sich aus den obigen Einzelinte rpret ationen drei Schwerpunkte herausarbeiten, näm lich 1. die E rzielung einer Pointe mit Hilfe eines Vergilzitates, meistens durch parodistische Kontrastie rung, 2. die sachliche Bezugnahme a uf den Vergiltext als eine Quelle und 3. die Übe rnahme eines treffenden Ausd1·uckes. Natürlich wird sich für manche Zitate mehr als eine dieser Intentionen na mhaft machen lassen , während für andere keine sicher z u benennen ist. 1. Das Zitat dient dazu, meist dmch Kont rast eine Pointe zu erze ugen.
Am de ut lichsten ist dieser Fall im Kapite l 5,23, wo Arnobius zwischen zwei Aeneiszitate über die Hoheit des J upiter ein Eklogenzitat über
1
2
3
( l ,34) für einen in frucht.loser Frömmigkeit errichteten Sakra lbau. In paganem .Kontext rezipiert ist preces fu.ndere (5,21). So etwa der Wolf vor dem Schafsgatter und d ie G iftschlangen ( l.llab), die Obsorge für die Scha fe ( 1,2 1) . d er , a llerd ings in seiner Referentialität unsichere, Hinweis auf avenae und loliu.m (2 ,59) , d ie Nennung von stelio und blattae lu.cifu.gae (6,16b) und die hirundines garrulae (7,17). Hierzu wären wohl auch die Verbindungen vanus mendax ( 1,54 ), stimuli imrum (7,23) oder die P estopfer (7,39b) zu rechne n, aber mit gewissen Unsicherheiten. Bei d en vergilischen E inze lwörtern inremeabilis (2,36) und fundamen (3,1; 6,7) ist eine thematische Zuordnung kaum möglich.
340
11.5
Arnobius
Pasiphaes Stier stellt, das den gemäß dem Kultmythos, gegen den sich die Stelle richtet, in einen Bock verwandelten Göttervater beschreibt. Hier kontrastieren in den Vergilzitaten auf intratextueller Ebene die göttliche Hoheit des J upiter mlt seinem Erscheinen in Bocksgestalt, auf intertextueller beziehungsweise prätextueller Ebene die Aeneis und eine travestierte Eklogenstelle. Nur a uf einer Ebene hingegen baut Arnobius den Kontrast im Kapitel 4,21 auf, nämlich zwischen einer in Vergil kulminierenden Systemreferenz auf epische Aussageformen über die Hoheit des J upiter und dem zu der Frage ex viro concretus et femina est? führenden Folgekontext. Arnobius läßt also die vergilisch formulierte Göttlichkeit und die anthJOpomorphen Gottesvorstellungen , gegen die seine Polemik sich richtet, aufeinandertreffen. Daraus entsteht zwar eine parodierende Nuance, die auf das Dichterzitat zurückfällt, diese trifft aber eher die Widersprüchlichkeit des paganen Gottesbildes als den Dichter. Ahnlich, doch weit subtiler geht Arnobius beispielsweise vor, wenn er im Kapitel 5,13 gerade dort das bei Vergil ihre besondere Würde unterstreichende Berecynt·ia verwendet, wo der Kultmythos Kybele wenig göttliches Verhalten zuschreibt, oder wenn er dichterische Formulierungen und Mythologumena in parodistisch wirkender Dichte zusammenstellt, etwa nulla l ovis enata de crebro inventr'ix oleae (3,31). An anderen Stellen gewinnt Arnobius die Pointe eher a us den Zitaten selbst, etwa indem er die in den Götterepitheta enthaltenen anthropomorphen Elemente in den Vordergrund stellt, wenn er beispielsweise 1,36 Janus a ls Stadtgri.inder, Merkur a ls schwere Geburt der Maia oder Pollux als Faustkämpfer darstellt, oder indem er, gegen die pagane Opferpraxis gewandt, für die virgo Tritonia (7,22) als Opfer virgines verlangt. Hier liegt der Kontrast im unterschiedlichen Verständnis des Zitatsegmentes im Prätext und im Folgetext. Noch deutlicher wird das bei den von Tieren auf Götter übertragenen Aussagen edunt peruteros fetus (2 ,16) und sufficere prolern (3,9a). Weniger eine polemische als eine vertiefende Pointe durch den Kontrast zwischen Prätext und Folgetextschafft Arnobius, wenn er caelum subtexere fumo (7,15) vom Ätna auf ein Brandopfer, cruor taeter (1,2c) a uf die Gewin nung von Olivenöl oder die Todesprophezeiung für TUrnus auf das ungewisse Schicksal eines Kindes (2,8) überträgt. 2. Das Zitat besteht in einer sachlichen Bezugnahme, aus Vergil wird ein Faktum oder ein exemplum a ufgegriffen. So übernimmt Arnobius aus der Aeneis die Genealogie der Nachfahren des Saturn (2,71 ) als Beleg dafür, daß auch die pagane Religion historische Ablä ufe kenne. Aus der Etymologie von Latium als Versteck des Saturn (4,24) erweist er die impietas des Jupiter gegen seinen Vater. Das Liebesabenteuer des Saturn mit Philyra (4,26) übernimmt Arnobius von Vergil ebenso wie einen in der Aeneis geschilderten Bra uch z u Kriegsbeginn (2,67) a ls exemplum
11.5.3
Auswertung
341
für einen nicht mehr geübten Ritus.1 Außerdem könnte Vergil manche im color Vergilianus gehaltenen exempla aus der Natur erst angeregt haben (etwa 1,1lab; 2,59; 6,16b). Vergil wird hier also als Fundus von Informationen über Religion und Natur verwendet, der beim Leser als bekannt und anerkannt vorausgesetzt werden kann. 2 3. Vergil gibt den t reffenden Ausdruck vor. Hierher gehört als Ausnahmebeispiel Vergils Darstellung des Deukalionmythos in einem Vers (georg. 1,62), den Arnobius (5,5) vollständig übernimmt, obwohl er ihn erst in seinem Sinne a usba uen muß. Hauptsächlich aber sind zu nennen Götterepitheta und Aussagen über die Hoheit Jupiters, aber auch die Diktion der Jenseitsschilderung (2,14) und kosmologischer Darstellungen (1,2) sowie Formeln wie Romanos, dominos rer-um (4,1): Hier bietet Vergil die a ut hentische, auch vom Leser anerkannte Formulierung. Im weiteren Sinne finden sich bei Vergil stilistisch treffende Ausdrücke, etwa als ornatus geeignete Junkturen wie spirantia signa (6,16a), edax ignis (6,23), obt'U.nsus für Himmelskörper (2,58), rei ad cardinem (7,39a) oder Vergleiche wie Marpesia r-upes (2,24). Ein Sonderfall hiervon sind imitationes poetischer P assagen um ihrer besonderen Expressivität willen, so der Zorn der Götter (1,17ab) nach dem Zorn des 'I\unus und der Ekstase der Sibylle, die Altersstufen (2,8), der Titanensturz (5,19), die Musik im Kybelekult (7,32) und vor allem die zum Vergleich hera ngezogene Kraft des Fe uers im Stein (7,50).3 Hier sin d freilich die Grenzen fließend zwischen einem gezielt angebrachten color poeticus und einer Grundtendenz der nachklassischen Literatur zur Erweiteru ng ihrer Ausdrucksformen in den Bereich des bis dahin der Dichtersprache Vorbehaltenen hinein. Solche Grenzfälle4 bei Arnobius wären Worte wie etwa tutamen ( 1,28bparr.) und fundamen (3, lpar·.), 5 oder auch die Verwendung des altlateinischen Relativpronomens cuius, -a, -um6 . Insgesamt gesehen kann man in der Vergilrezept ion des Arnobius zwei Grundlinien ausmachen: Einerseits benutzt er ihn als ch1·istllcher Polemike r, andererseits als Lehrer der Rhetorik. 1
Ebenso die Gründung von Saturnia und l aniculum (1,36a) und die Geburtsgeschichte des Merkur ( l ,36c; 3,32) als Belege für ein anthropomorphes Gottesbild. Sollte 1,34 Iarbas evoziert sein , läge darin a uch ein exemplum für die Sinnlosigkeit, sich auf die Errichtung von Tempeln zu berufen . 2 Die Zitate 2,67 (Ritus zu K riegsbeginn); 4,26 (Saturn und Philyra); 4,27 (Venus in der Aeneis), vielleicht auch 1 ,34 ( Iarbas) beruhen darauf, daß der Leser das im Fo lgetext nur Angedeutete aus seiner Vergilkenntnis vervollständigen kann. 3 Vielleicht lassen s ich auch die Aufzählung der Schädlinge (6,16b), die Opfertermino logie (7, 19) und die Sch langenschilderung (7,44) hierzu rechnen. 4 Siehe a uch unten 290 zu inelu.ctabilis 2,58pa1.. 5 Außerdem i nremec.bi lis (2,36) oder lanitium (1,2 1par.). 6 1,30 in cuia posse.ssione. Bei Plautus und Terenz gebräuchlich , findet es sieb noch ein ma l ecl. 3,1, cf. LE BONNIEC ad l. 272.
342
11.5 Arnobius
Zum einen nämlich dient Vergilisches als Mittel der Polemik, indem durch einen parodistischen Kontrast zwischen Prät ext und Folgetext heidnische Positionen ad absurdum geführt oder in ihrer W idersprüchlichkeit offengelegt werden. Dabei wendet sich der christliche Polemiker aber an keiner Stelle gegen Vergil; vielmehr demonstriert er dem paganen Leser immer wieder seine Fähigkeit , von der derben Pointe über die geistreiche Spitze und die souveräne Verfügung über Formulierungen und Inhalte bis zur vergilischen Ausgest altung eigener Aussagen mit dem als solchem unangefochtenen Klassiker umzugehen. Zum anderen zeigt sich der Lehrer der Rhetorik nicht nur in dieser professionellen Handhabung des Schulautors, sondern auch in dessen über das bei den älteren Christiani Latini Übliche weit hinausgehender Heranziehung als Quelle für T heologisches, für Naturdarstellungen und für Rhet orisches und als bewußt imit iertes stilistisches Vorbild. Außerdem scheinen an manchen Stellen Hinweise für den Einfluß antiker Vergilerklärungen zu sprechen, sei es daß manche Zitate offenbar eine Kommentierung voraussetzen, sei es daß öfter schwierige und daher in der Vergilerklärung exponierte Stellen zitiert werden. 1 So zeigen sich in der Vergilrezeption des Arnobius zwei Grundfaktoren des ganzen Werkes, der impetus des neubekehrten Christen in einer Zeit schärfster Auseinandersetzung und Polemik einerseits und andererseits die Schu lpraxis des erfolgreichen Lehrers der Rhetorik. Vergil wird niemals Ziel oder Gegenstand der Polemik, vielmehr ist einerseits dessen klassische Versprachlichung römischer Religiosität und römischen Gottesverständnisses Mittel zur bald polemischen, bald geistreich schm ückenden Point ierung, andererseits ist dessen Werk allgemein verfügbarer Wissensfund us über Religion und Welt in einer spezifischen, von Arnobius im Hinblick a uf seine Leser gesuchten lectio Romana. Vergil fungiert als kommunikatives Bindeglied zwischen Arnobius und seinen Lesern , zwischen Heiden und Christen, als Medium der Ablehnung, der Provokation und der Akzeptanzgewinnung. In manchen Fällen mag auch die ästhetische Wertschätzung der vergilischen Darstellung, die einen Sachverhalt knapp und prägnant faßt, eine Rolle jenseits einer unmittelbaren Funkt ionalisierung spielen.
1
Sicher belegen läßt sich das natürlich nicht. Doch hat die Einzelinterpretation gezeigt, daß sich die Zitate 1,2b; 1,36e; 2,67; 4,21 und 4,26 (vielleicht auch 1,54?) vor dem Hintergrund einer Autor und Leser verfügbaren (m ündlichen oder schriftlichen) Erklärung eher verstehen lassen. Das Zitat 1,28c bezieht sieb a uf eine sachlich falsche Vergilstelle, die daher erörtert worden sein könnte; auch der Bezug 3,29 muß nicht auf einen Merkfeh ler zurückgehen, sondern könnte in einer Kommentieru ng für möglich erachtet worden sein. - Generell lassen sich öfter Vergilzitate beobachten, in die Kommentarwissen einzufließen scheint , siehe oben (70) zu Tert . anim. 50,3, v.a . 71 Anm. 1.
T eil 111
Zusammenschau 1
Linien de r Individualität Einzelcharakteristik
Versuche e ine r
Bei der Untersuchung der Vergilzitate und vor allem bei den Auswertungen der Zitate bei den einzelnen Autoren ist immer wieder erkennbar geworden, daß der Umgang mit Vergil im Hinblick auf Stilistik, Argumentation und Konzeption deut lich von individuellen Merkmalen geprägt ist. In der Auseinandersetzung mit Vergil spiegeln sich Charakterzüge, Vorlieben, Ansichten und Konzeptionen der einzelnen Schriftsteller.
1.1
Tert ullian
Im Vergleich mit den anderen untersuchten Autoren könnte man Tertu llians Umgang mit Vergil als vordergründig charakterisieren. Damit ist freilich keine Wert ung des Autors impliziert, v ielmehr lassen sich darin die Grundzüge seiner Zitiertechnlk und seines Verhältnisses zu Vergil fassen: Keiner der übrigen Autoren nennt Vergil, sein Werk oder dessen Figuren so oft wie Tertullia n, keiner zitiert den Dichter so oft wört lich. Betrachtet man hingegen die Häufigkeit der Zitate bezogen auf den Umfang des Gesamtwerkes, so spielt Vergil bei Tertullian , wiederum verglichen mit den übrigen untersuchten christlichen Autoren, eine relativ geringe Rolle. Auch zeigt sich, daß Tertullian wenig sorgsam mit den Zitaten verfährt. Insbesondere der Rhythmik schenkt Tertu llian k.':l.um Beacht ung: \~eder behält er sie bei, noch adaptiert er sie an die Prosa. Während bei den übrigen Au toren du rchgängig die Tendenz zur Prosifikat ion vorherrscht, achtet Tertul lian allein a uf d ie Einpassung in d ie Syntax. Auch inhaltlich bleibt Tert ullian bei dem , was Vergil ihm vorgibt. Während Minucius Fellx und manchmal Arnobius subtil mit der Spannung zwischen Prätext und Folgetext spielen, Novatian vergilische Metaphern ..rezipiert, zitiert Tertu llian meist nur an Stellen, an denen keine eigentliche Ubertragung notwendig ist. Damit geht einher , daß Tertullian oft Allgemeingültiges oder Proverbielles, also nichts ausdrücklich Poetisches zitiert. So fehlen zum einen dichterische Natu rbeschreibungen, d ie bei Minucius Felix, vor allem aber Novatian und Cyprian eine wesentliche Rolle spielen. Zum anderen beschränkt Tert ullian sich bei denjenigen Zitaten, denen eine argumentative Funkt ion zukommt, auf Formulierungen für a.llgemein einsichtige oder bekannte Sachverhalte, während Minucius Felix - der einzige, der VergU e benfalls in dieser Funktion anführt - gezielt die Autorität des Dichters sucht.
344
III.l
Linien der [ndividualität -
Versuche einer Einzelcharakteristik
Cha rakteristisch für Tertullian ist a ußerdem, daß er Vergil für wohlgesetzte Pointen verwendet, die sich allerdings gegen die heidnischen oder häretischen Gegner, nicht gegen den Dichter richten. Das und überha upt die Spuren professioneller Rhetorik im Umgang mit Vergil haben Tert uUiao und Arnobius gemeinsam, der a ber Te rt ullian an polemischer Schärfe weit übertrifft. Eine Bewertung Vergils macht Tertullian nirgends zum Gegenstand , sie bleibt Minucius Felix vorbehalten. Sein Umgang mit dem Dichter erweist sich durchgehend als unreflektiert und pragmatisch - auch das macht die eingangs behauptete Vordergründigkeit aus. Hinter der Routine und Selbstverständlichkeit lassen sich in Tert uUians Verhältnis zu Vergil jedoch zwei individuelle Züge ausmachen: Zum einen die Wertschätzung des Rhetors für den treffenden Ausd1·uck, zum anderen und vor allem a ber der karthagische Lokalpatriotismus, der sich in der Auswahl der Vergilzitate, im Verhältnis zu Dido und Aeneas, beide nicht- Vergilisch gezeichnet , und in der Haltung zur Aeneis als römischem Nationalepos niederschlägt. Dieses subjektive Moment bleibt übrigens Tertullian unter vier Afrikanern allein vorbehalten.
1. 2
Minuci us Fe lix
Tertullians a pologetischer Nachfolger ist in vielerlei Hinsicht sein gena ues Gegenbild. Das wird schon aus den formalen Gesichtspunkten im Umgang mit Vergil deutlich: Bei Minucius Felix wird Vergil so häufig zit iert wie bei keinem anderen der untersuchten Autoren. Es zeigen sich keinerlei Spuren mangelnder Sorgfalt oder beilä ufiger Routine, im Gegenteil: Minucius Felix zitiert überlegt, achtet a uf stilistische und gedankliche Einfügung, vermeidet überdeutliche Markierung und richtet vor allem sein Augenmerk auf d ie Rhythmik. An einzelnen Stellen ist ein hintersinniges Spiel mit der Spannung zwischen Prätext und Folgetext zu vermuten. Ein fundamentaler Unterschied besteht auch in der zugrunde liegenden a pologetischen Konzeption, die Minucius Felix ja in Auseinandersetzung mit dem A pologeticum entwickelt. Minucius Felix verwendet Vergil nicht , wie die übrigen diskutierten Autoren, bei sich gerade bietenden Gelegenheiten an einzelnen Stellen, sondern plant ihn bewußt in seine apologetische Strategie ein: Einerseits nämlich sollen die Vergilzitate eine Atmosphäre erze ugen, welche die gebildete Oberschicht anspricht. Andererseits präsentiert er Vergil, nach dem Vorbild der paganen philosophischen Literatur, als Beleg für seine t heologische Position. Die Vergilbenutzung ist also ein Teil des Gesamt programmes, das Christentum facilis et f avornbilis (39) da rzustellen. Aufgrund dessen aber tritt das bei den anderen Au toren mehr oder weniger deutlich faßbare subjektive Moment im Umgang mit Vergil hinter den Erfordernissen des protreptischen Konzeptes zurück. Abgesehen von einer gewissen Affinität des Minucius Felix zu kosmologischen Passagen im Werk Vergils, insbesondere zur Anchisesrede, die er als erster in philosophisch- theologischem Kontext heranzieht, ist
111.1.3
Novatian und Cyprian
345
die individuelle Haltung des Autors zu Vergil nur darin erkennbar, daß er den Dichter in zentraler Funktion einerseits zur Protreptik, andererseits zur intellektuellen Selbs tvergewisserung d es gebildeten Christen einbaut.
1.3
Novatian und Cyprian
Novatian und Cyprian bezeugen das Eindringen vergilischen Einflusses in den innerkirchlichen Diskurs. In ihrem Umgang mit Vergil zeigen die beiden .. Autoren so auffallende Ubereinstimmungen, daß man sie am besten nebeneinander betrachtet: Novatia n und Cy prian greifen in ihren Werken immer wieder auf Vergil zurück, 1 jedoch nicht in Form von Zitaten , die der Leser erkennen müßte. Vielmehr gebrauchen sie Versatzstücke Vergilischer Sprache, wobei es ihnen in erster Linie auf d ie Ausdrucks kraft und das Bildhafte ankommt . Es is t d as spezifisch Poetische, was sie s uchen: Naturbilder, Darstellungen von Affekten, Metaphern - stets jedoch sorgfältig in Prosa gesetzt. Hierin liegt ein wesentlicher Untersch ied zu Tertu llian , der zwar auch in seinen innerchristlichen Schriften Vergil zitiert, aber das Dichterische meid et und bloß treffende Ausdrücke und Pointen auswählt . Bemerkenswer te Gemeinsamkeiten von Novatian und Cyp rian werden auch in beider Vorliebe für die G eorgika und deren Themen deutlich, außerd em d arin, d aß beide zwar vereiuzelt Vergil als klassischen Repräsentanten der pag anen Welt zit ieren, vor allem in bezug auf Religion und Kult, ihn aber in erste r Linle unter pasto ralen Gesichts punkten benutzen: Beide geben an vielen Stellen biblische Inha lte oder exegetische Reflexionen darüber mit vergilischen Worten wieder. Vergils ~\u sdrucksvolle und einprägsame Sprache wi rd bei Novatian und Cy prian also zum Mittel chris tlicher Verkündigung. Sowohl in Novat ian als auch in Cypria n scheint ein an Vergil und im Umgang mit ihm und der klassischen Literatur insgesamt geschulter Rhetor zum chris tlichen Prediger ko nvert iert zu sein.
1.4
Arnobius
Be i Arno bius nimmt Vergil einen ers t a unlich breiten Raum ein. Dem st eht gegenüber, daß Arno bius den Dichter, anders a ls seine apologetischen Vorläufer Tertullian und ~Iinu ciu s Felix . weder nennt noch wörtlich zitiert, sondern do rt, wo E'r ihn wied ergibt, nicht nur die Übergänge stilist isch glättet, vielmehr d ie Zit a te a uch bewußt verfremdet . Dichterische Einzelwörter hingegen übernimmt Arno bius oft , worin er sich deutlich von den übrigen unters uchte n Auto ren abhebt. die eindeutig poetische Wörter eher vermeiden. 1
Für Cyprian ist freilich keine gleichmäßige Ver teilung der Zitate irn Werk , sondern ein Schwerpunkt an denjenigen Stellen zu konstatieren, die sich mit der paganen Umwelt auseinander setzen oder die rh etorisch ausgearbeitet sind . Jedoch macht. das von ovat.ian Erh altene kaum den sechsten Teil von Cyprians Werk aus. Wahrscheinlich ergäben sich also auch bei ersterem erkennbare Ungleichgewichte.
346
III.l
Linien der Indi vidualität -
Versuche einer Einzelchara kteristik
Vor allem zwei T hemenbereiche sind es, zu denen Arnobius den Dichter zitiert: die pagane Religion und , weit seltener, die Natur. Zwar finden sich diese beiden Stränge auch bei den übrigen unters uchten Autoren, aber so nachdrücklich setzt nur Arnobius Vergil als klassischen Repräsentanten paganer Gottesvorstellungen ein. Oft verbindet er damit eine polemische Pointe gegen das Heidentum, die bei ihm jedoch, anders als bei TertulJian , der ihm darin vorangeht, nicht nur einen Seitenhieb, sondern beinahe ein Grundprinzip der apologetischen Argumentation darstellt. Ein weiteres Charakteristikum des Arnobius ist die Verwendung Vergils als eine Quelle zu den Religionsaltertümern, die teilweise akribisch und unter dem Einfluß der philologischen Vergilerklärung der Zeit ausgewertet wird. Die Neigung zur Polemik und das antiquarische Interesse bestimmen das Werk des Arnobius ebenso entscheidend wie sie seinen Umgang mit Vergil als C hrist und Rhetoriklehrer prägen.
2 2.1
Linien der Kontinuität samtauswertung
Versuch einer Ge-
Die Zitatsegmente: Form und Veränderungen
Insgesamt betrachtet lassen sich die Zitatsegmente nach Umfang und Form etwa folgendermaßen gruppieren: Zunächst sind natürlich die wörtlichen Zitate zu nennen. J edoch, a bgesehen von einem bew ußt eingesetzten und konzeptionell bedeutsamen wörtlichen Zitat bei Minucius Felix (19,2b) , finden sich unwesentlich veränderte Wiedergaben längerer syntaktischer oder rhythmischer Einheiten nur bei Tertullian , immerhin aber sieben Mal 1 • Zwar übernehmen auch die übrigen Autoren ganze Sätze oder Verse von Vergil, aber sie verändern die Zitatsegmente deutlich. 2 Als eine zweite Gruppe lassen sich die aus mehreren Elementen bestehenden Ausdrücke und Prädikationen fassen, die in den Text eingebaut werden. 3 Einen häufigen Sonderfall darunter stellen die Beschreibungen oder FonnuHerungen eines spezifischen Sachverhaltes dar, bei denen die oft frei gehandhabte Aussageform zusammen mit dem Aussageinhalt übernommen wird .4 Ein großer Teil der Zitate besteht lediglich a us zweigliedrigen J unkturen, wobei die nominalen gegenüber den verbalen überwiegen,5 und aus Einzelwörtern, wobei wiederum die besondere Verwendung eines Wortes nach vergilischem Vorbild (etwa in einer erstmals bei Vergil belegten Konstru ktion oder Bedeutung) häufiger z u beobachten ist als der Rückgriff a uf von Vergil geprägte Wörter der Dichtersprache6 . Wörtlich zitiert wird also nur von TertuJUan und Minucius Felix. Doch selbst in diesen Fällen tragen die Auswahl der Zitate, ihr Ausschnitt a us dem Kontext, ihre Zusammenstellung und ihre Einleitung zu einer Veränderung gegenüber dem Prätext bei - wie weit diese gehen kann , zeigt die christliche Lesart Vergils bei Minucius Felix 7 . Meist aber betreffen die Verä nderungen auch den Wortlaut des Zitatsegmentes. Dabei ist der häufigste, beinahe regelm ä ßig a nzutreffende Fall die rnO?JJhosyntaktische Adaptation, das heißt die Anpassung von Person, Nume1
So nat.. 1,7,2; apol. 7,8 ; nat . 2,17,6; apol. 25,8; pall. 1,3b: spect. 9,3; fug. 10,1. 2 So etwa Min. Fel. 19,2a; 23, ll ; Nova tian. pudic. Cypr. Demetr. 23; Japs. 4; Arnob. nat. 5,5; aber a uch Te rt. nat. 2,13,14. 3 So etwa Tert. apol. 25,8c; 25, L6; pa ll. 1,3a; adv. Val. 10,2; Min. Fe l. 35,1; Cypr. unit.. eccl. 9; Demetr. 20a; mortal. J2b; Arnob. nat. l,lla; 3,30. 4 So etwa Tert. apol. 40,4; anim. 27,8; 43,7; Min. Fel. 3,3; 26,8; Novatian. spect. 9,2ab; Cypr. ad Donat. 3; 4ab; 11; Arnob. nat. 1,2a; 1,36ac; 2,14; 4,26. 5 Die Beispiele dieser formal homogenen Gruppe sind jeweils oben in d en Auswertungen zu d en Zitatsegmenten zusammengest-ellt. 6 Vergilisch verwendete Einzelwörter find en sich vor a llem bei Tertu llian und Minucius Felix. Auf von Verg il geprägte Wö rter d er Dich tersprache greift vor a lle m Arnobius zurück . Die Beispiele sind wiederum obe n in den Auswertungen zu den Zitatsegmente n genannt. 7 Min. Fel. 19,2, dazu oben l 36sqq.
348
111.2
Linien der Kontinuität -
Versuch einer Gesamtauswertung
rus, Kasus oder Diathese an die grammatikalischen Erfordernisse des Folgekontextes, in den das Zitat eingeba ut wird. Während diese Art des Eingriffes unmittelbar mit der Entscheidung für ein nicht- wörtliches Zitat verbunden ist, ermöglichen die übrigen Arten der Veränderung weitere Beobachtungen und Rückschlüsse: Eine häufige und weniger schwerwiegende Form der Veränderung ist die Permutation. Teilweise dient sie der gedanklichen Anpassung, indem sie etwa Bezüge klar werden läßt, der Prosifikation oder der Entfernung vom Prätext, oft aber scheint sie ohne erkennbares Motiv zustandezukommen. 1 Grundsätzlich kommt auch dle Subtraktion häufig vor. Sie greift nicht allzu tief in das Zitatsegment ein, da j a letztlich jedes Zitat an sich aus einer Auslassung hervorgeht. In manchen Fällen aber wird bewußt gekürzt, um einen bestimmten Gedanken besonders deutlich hervortreten zu lassen. 2 Substitutionen dienen anscheinend häufiger zu einer bewußten Entfernung vom Prätext, dle das Zitat durch eine gewisse Verfremdung raffinierter erscheinen lassen , aber noch erkennbar halten soll. Das zeigt sich vor allem darin , daß in den meisten Fällen unter Beibehaltung des Verbums das Präfix geändert 3 , ein Wort durch ein Synonym ersetzt4 oder ein Wortstamm in einer a nderen Wortart wiedergegeben wird 5 : Der Autor wahrt gezielt die semantische Kontinuität trotz der verfremdenden Substitution. Auch Additionen können der verfremdenden Raffinierung dienen , sofern ein Element des Zitatsegmentes durch einen synonymen Ausdruck verdoppelt oder das Zitat durch einen inhaltlich wenlg tragenden Ausdruck erweitert wird. 6 In a nderen FäHen hat die Hinzufügung eine inhaltliche Funktion, indem sle die Aussage des Zitates in den Gedankengang des Folgetextes einfügt. 7 Zu K ontaminationen von Elementen aus unterschiedlichen Vergilpassagen oder von Zitaten verschiedener Dichter kommt es meist an Stellen, an denen der Autor zur Ausgestaltung einer bestimmten Szenerie den einschlägigen color poeticus sucht.8 Ausdrückliche Markierungen durch Hinweise auf Autor oder Werk sind die Ausnahme: Tertullian und Minucius Felix nennen je einmal Vergil als 1
So etwa Tert . an im. 43, 7; Min. Fel. 2,4; 3,3b; Cypr. a.d Donat. lab; 10; Dernetr. 20,ab; hab. virg. 1; unit. eccl. 9; mortal. 12b; Arnob. nat. 4,1; 6,23; 7,15. 2 So interessiert sich beispielsweise Tertullian nat. 2, 13,14 nur für den idealen Zustand der Nat.ur im Goldenen Zeitalter, nicht aber für die Eigentumsverhältnisse. Minucius Felix läßt 19,2a das pantheistische magno se corpore miscet weg, da es seiner monot heistischen Sichtweise widerspräche . 3 So etwa Min. Fel. 16,3; Novatian. spect. 9 ,2b; Arnob. nat. 2,8. 4 So etwa Min. Fel. 3,3a; 7,4b; 39; Novatian . trin. 1,2; pudic. 10,1; Cypr. laps. 8 ; epist . 37,2,2; Arnob. nat. 1,2a; 2,24 ; 3,32; 3,33; 4,24; 5 ,23b. 5 So etwa Tert. anim. 53,6; Min. Fel. 22,7; 23,11; Novatian. spect. 9,2b; Cypr. ad Donat. 10; patient. 18 ; Demetr. 23; Arnob. nat. 1,21 ; 1,36a. 6 So etwa Min. Fel. 3,4; 5,6; 9,2; 25,1; 30,1; Arnob. nat. 4,1; 4,21. 7 So etwa Min. Fel. 3,3b; Cypr. Demetr. 20a; Arnob. nat. 1,36c; cj. 5,5. 8 So etwa Min. Fel. 3,3; 7,6; Novalian. cib lud. 2,6; spect. 5,1; 7,2; pudic. 10,1; Cypr. a.d Do nat . 3; 4; 10.
111.2.1
Die Zitatsegmente: Form w1d Veränd e ru ngen
349
Quelle eines Zitates, 1 je einmal verweisen sie über den Protagonisten Aeneas a uf die Aeneis 2 . Insgesamt wird viermal eine Vergilreferenz a llgemein als Dichterwerk angekündigt. 3 Außerdem spricht Tertu llian zweimal ausdJ·ücklich von einem Zitat aus der paganen Literatur ,4 Arnobius verweist fünfmal im Zusammenhang mit einer Vergilreferenz auf die Übernahme von vorgegebenem, textfremdem Material5 . Auch a ndere Formen der Kenntlichmachung spielen keine allzu große Rolle: Bei Tert ullian siJ1d viele Zitate durch ihre wört liche Übernahme, das heißt d urch die Beibeha ltung der Interferenzen, als solche ersichtlich. Bei Minucius Felix und Arnobius wiJ·ken die in manchen P assagen auftretenden Häufungen von Zitaten markierend . Insgesamt aber läßt sich die Anwendung des subtileren Instrumentariums für Minucius Felix nur vermuten und nirgends belegen. Bei den untersuchten Autoren sind zwei verschiedene Grundtendenzen in der Zitiertechnlk festzust ellen: Während Tertullian wörtlich , ohne Rücksicht a uf die Rhythmik und mit einer gewissen Nachlässigkeit zitiert, achten die übrigen Autoren a uf die Anpassung der Zitate a n st ilistische und rhythmische Vorga ben der Prosa. Diese Sonderrolle Tertullians zeigt sich sowohl bei Morphologie und Umfang der Zitatsegmente, als auch bei den Veränderungen da ran. In den meisten Fällen begegnet also, häufig a uch bei Tertullian, unmarkierte oder, zie ht man die Tendenz zur morphesyntaktischen Adaptation und zur P rosifil
2
3 4 5
6
Tert . nat. 2,13,20; Min. Fe!. 19,2. Ter t . adv. Mare. 1,5,1; Min . F'e l. 23,6. Ter t . a.nim. 50,3; 53,6; Min. Fe!. 35,1; Arnob. na.t. 4,26. Tert. apol. 7,8; fug. 10, 1. Arnob. nat. 2,24; 2,53; 2,71 ; 3,29; 4,24; ä hnlich Min. F'e l. 23,6 illic. Zum Begriff M. R.I FFATERRE, Intertextual R.epresenta.tion: On mimesis as int.erpretive discourse, C ritical Inquiry 11 ( 1984) 141- 162, hier 142, und A LLEN 12G-130.
350
III.2
Linien der Kontinuität -
Versuch einer Gesamtauswert ung
stellungen und deren Wahrnehmung der Welt der Dichter in klassisch gültiger Weise sprachlich repäsentiert, voraussetzen können.
2.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Gerade zur Verteilung der Zitate im Folgetext sind übergreifende Aussagen nur mit der entscheidenden Einschränkung zu treffen, daß die wesentliche Bezugsgrößedabei das Einzelwerk oder das Gesamtwerk eines Autors darstellt. Hier seien daher nur einige Beobachtungen über die Stellung der Zitate im Korpus der untersuchten Texte angemerkt. Daß sich, insgesamt betrachtet, der weitaus größte Teil der besprochenen Zitate in den apologetischen Schriften des Minucius Felix und des Arnobius findet , während die mehr heterogenen Gesamtwerke Tertullians, Novatians und Cyprians weitaus weniger Referenzen aufweisen, wird allein schon aus den Proportionen der ihnen gewidmeten Seitenzahlen deutlich. Erwart ungsgemäß bilden also die apologetisch oder auf die Auseinandersetzung mit der paganen Umwelt ausgerichteten Schriften, wie vor allem die Befunde bei Tert ullian und Cyprian zeigen, einen Schwerpunkt des vergilischen Einflusses. Vergil wii·d aber auch in der antihäretischen Polemik und in der innerkirch1ichen Paränese verwendet. Vergilischer Einfluß dringt also, wenngleich in abnehmender Quantität, von der Auseinandersetzung mit außenstehenden Gegnern bis in den inneren Diskurs des Christentums vor , sogar in die theologisch- pastorale Diktion, in die Korrespondenz unter den Gemeinden und in die Wiedergabe biblischer Texte. Jedoch bleibt eine konzept ionelle Einbindung von Vergilzitaten in die Argumentation den apologetischen Werken des Tertullian und des Minucius Felix vorbehalten, ansonsten kommen die Referenzen in der Regel nicht über eine Wirkung im unmittelbaren Kontext oder im Bereich der sprachlichen Gestaltung hinaus.
2.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Was die Provenienz der Zitate aus dem VergiJischen Werk angeht, so nivelJieren sich in der Zusammenschau die Befunde, die noch für die einzelnen Autoren gewisse Schwerpunkte aufweisen. Insgesamt läßt sich nur festhalten, daß die Eklogen nur von Cyprian und Arnobius, die Georgika nur von Novatian, Cyprian und Arnobius in größerem Umfang benutzt werden, während Tertullian und Minucius Felix sich im wesentlichen auf die Aeneis beschränken. Innerhalb derer verteilen sich die Zitate in etwa gleichmäßig, mit einer bezeichnenden Ausnahme: Aus dem sechsten Buch wird etwa dreimal so häufig zit iert wie aus jedem anderen einzelnen Buch. Offenbar bieten die Inhalte dieses Buches besonders viele Anknüpfungspunkte für die christlieben Autoren. Das bestätigt sich bei einem Blick auf die thematischen Schwerpunkte der
Ill.2.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und T hematik
351
Zitate. Hier sind drei große Bereiche zu bestimmen, denen sich beinahe alle diskutierten Zitate zuordnen lassen: erstens, eher form al betrachtet, Proverbielles und markante Ausdrücke oder Einzelwörter, zweitens Religion, Kult und Mythologie, drittens Darstellungen der natürlichen Lebenswelt des Menschen. Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, jedes einzelne Zitat genau und eindeutig einem Bereich zuzuweisen. Vielmehr sollte es d as Ziel sein, diejenigen gedanklichen Gesamtkomplexe zu fassen, in denen es zu Berührungen zwischen Vergil und den christlichen Autoren kommt , unabhängig davon, ob in jedem Fall der gedankliche Zusammenhang ausgeführt ist oder nicht. 1. P roverbielle Zitate und markante A usdri.icke
Hier gelangt man an die unscharfe ThennJinie zwischen dem Zitat, dessen Provenienz bewußt wird und d as auf diese Weise eine Verbindung zu einem anderen Text herstellt, und dem Sprichwort oder der Redewendung, die lediglich auf einen allgemein bekannten Fundus an Einsichten und Formulierungen zurückgreifen. Sentenziöse Vergilzitate, bei denen der Bezug auf den Dichter nicht mehr allzu deutlich hervortritt , finden sich unter den besprochenen Autoren nur bei Tertullian. 1 Bei allen Autoren häufig sind hingegen Ausdrücke oder Einzelwörter , die zwar auf Vergil zurückgehen, aber in ihrer Verwendung und in ihrem Inhalt so unbestimmt sind, daß sie beliebig übernommen werden können, ohne daß eine zwingende gedankliche Verbindung entstünde2 . Ein Beispiel wäre etwa der von Arnobius (na.t. 7,39a) gebrauchte Ausdruck cardo rerum. 3 Letztlich verweisen diese Zitate auf Vergils Rolle als Schulautor und als Vorbild in der Rhetorik und verdeutlichen a uf formaler Ebene die Kontinuität paganer Bildung, in der die christlichen Autoren bei ihrem Rückgriff auf Vergil stehen. Die Ver fü gbarkeit des Dichters und die gelernte Selbstverständlichkeit seiner Verwendung bei der sprachlichen Ausgestaltung, die in diesem Bereich besonders hervortreten, sind auch bei solchen Zi taten zu berücksichtigen, die bestimmte T hemen zum Gegenstand haben. 2. R eligion
Angesichts der inhalt lichen Ausricht ung der untersuchten ch ristlichen Werke ist die Anzahl der Zitate, die in irgendeiner Weise die Religion zum Gegenstand haben, erwartungsgemäß groß. In diesem Bereich sind wiederum zwei T hemenkomplexe zu unterscheiden, nämlich Zitate, die sich auf pagane Götter und Mythologie beziehen, und solche, die grundlegende religiöse Handlungen und Vorstellu ngen zum Gegenstand haben: 1
Cf. Tert. nat. l ,7,2; apol. 7,8; pall. 1,3b; fug. 10,1; cf. oben ( 134 ) ad Min. Fel. 19,lb zum proverbiellen Charakter der dortigen Homerzitate. 2 Ob eine solche im einzelnen an.z une hmen ist, wird jeweils bei d er Diskussion der entsprechenden Stellen (siehe folgende Anm.) erörter t. 3 Weitere Beispiele Tert. apol. 12,6; 50,7; nat. 1,7, 1; mart. 4,9; Min. Fel. 1,1; 3,4; Cypr. ad Donat. 3; 12; unit. eccl. 27; Arnob. nat. l ,36e; 2,36; 3,1; 4,18; 5,34; 7,33; 7,39a.
352
III.2
LinJen der Kontinuität -
Versuch einer Gesamtauswertung
(a) Zunächst sind Zitate zu nennen, die sich auf die paganen Götter beziehen, zum einen Bezeichnungen, Epitheta und Charakteristika, die vor allem bei Arnobius eine wichtige Rolle spielen, 1 zum anderen die mit diesen Göttern verbundenen Mythen, für die Vergil als klassische und knappe Darstellung rezipiert wird 2 . Besonderen Raum nehmen daneben spezifisch römische Vorstellungen in Mythologie und Religion ein, zum einen der Bereich der mit Latium und mit Aeneas verbundenen Stoffe3 , der nicht zu trennen ist von den heroischen Episoden aus der älteren Geschichte Roms 4 , zum anderen die religiöse Begründung römischen Herrschaftsanspruches5. Bei Tertullian kommt eine besondere karthagische Sichtweise römischen Selbstverständnisses hlnzu. 6 Diese Zitate haben ihren Platz meist in der Auseinandersetzung mit der paganen Umwelt. Sie liefern den gültigen und authentischen Ausdruck heidnischer Vorstellungen, die ins Lächerliche gezogen, ad absurdum geführt oder euhemeristisch widerlegt werden sollen. Im Fall des Minucius Felix dienen sie als gesuchter Identifikationspunkt für den paganen Leser. (b) Ebenfalls in den Bereich der Religion gehören Zitate zu den Themen Kult 7 , Opfer8 , Gebet9 und Mantik, wobei vor allem die Darstellung der Sibylle aufgenommen wird 10 . Überhaupt steHt die Vergilische Unterweltsschilderung einen bedeutenden Themenkomplex dar: Neben den eher formalen Beobachtungen, daß das sechste Buch deutlich häufiger als andere zitiert wird , daß öfter auf Elemente der Atmosphärenschilderung 11 , auf Szenen aus der xcx"t&ßcxal~12 und den Anchisesreden 13 Bezug genommen wird , ist vor a llem zu bemerken, daß die Ausgestaltung des Jenseits auf die C hristen stark einwirkt: W äh1·end sich Tertullian noch beiläufig a uf die philosophi als Zeugen für die Existenz eines jenseit igen 1
2
3 4
5 6 7
8 9 10 11
12
LJ
So etwa Tert. nat . 2,13,20; apol. 25,8b; anim. 53,6; Min. F'e l. 22,5; Arnob. nat. 1,36cde; 2,70ab; 3,21 ; 3,29; 3,30; 3,31; 3,32; 3,33; 4,21 ; 4,22; 4,35; 5,13; 5,23ac; 7,22. So etwa Tert. nat. 2,13,14; spect. 9,3; Min. F'el. 22,7; 23,6; 35,2; Arnob. nat. 4,26; 5,5; 5,19; 5,23b; 5,31 ; 6,17. So etwa Tert. nat. 2,9, 12- 18; adv. Mare. 2,5, 1; Min. Fel. 7,6; 23,6.11; Arnob. nat. 1,36b; 2,71; 4,24. So etwa Tert. apol. 26,2; Mi.n. F'e l. 6,2; 7,4ab; 25,3; Arnob. nat. 2,67. So etwa Tert. apo l. 25, 16; Min . Fel. 25,1; Arnob. nat. 4,1. So insbesondere Tert. nat. 2, 17,6; apol. 25,8a; auch in der Figur der Dido (mart. 4,5par). So etwa Tert. apol 24,7par. ; Min. Fel. 7,5; 12,6; Arnob. nat. 1,34; 7,32. So etwa Novatian. spect . 5,1; Cypr. unit. eccl. 18; Arnob. nat . 7,19; 7,26. So etwa Min. F'e l. 12,1; Cypr. Demetr. 20b; Fort. 8; Arnob. nat. 1,25; 1,28a; 3,24 ; 5,25. So etwa Tert . adv. Mare. 2,5,1; Min. Fel. 7,6; 27,1; Cypr. mortal. 19; Arnob. nat . 1,17b; cf. Tert. adv. Mare. 1,5, l. So etwa Tert. anim. 43,7; 50,3; Arnob. nat. 1,2a; 2,14; 2,53; 5,19. So etwa Tert. mart. 4,9; 1,7,1; Min Fel. 5,6; 16,3; Novatian . cib. lud. 6,3; Arnob. nat. 2,24. So etwa Min . Fel. 6,2; 18,6 (?); 19,2a; 32,7; Novatian. trin. 1,2; spect . 9,1.
III.2.3
Die Zitate im Prätext : Herkunft und T hema tik
353
Strafortes mit feurigem Cha rakter bezieht, 1 verweist Minucius Felix (35,l sq.), ohne a usdrückliche Namensnennung, aber unverkennbar a uf Platon und Vergil, worin ihm Arnobius (nat. 2,14) folgt, der sich zwar a uf Platon beruft, dessen Unterwelt aber in Vergilischem Voka bular schildert . Wie prägend sich , a uch über jene a pologetisch motivierte Suche nach analogen Denkmodellen hinaus, antike, Vergilisch formulierte Unterweltsvorstellungen auf die Da rstellung des christlichen J enseits a uswirken, zeigt der Einfluß Vergilischer Diktion auf Novatians (Cypr. epist. 30,7,2) Schilderung der Hölle. Schließlich gehört hierher eine Reihe von Rückgriffen a uf die Sprache Vergils in theologischen und kosmologischen Zusammenhängen,2 worunter die Berufung auf Vergil als Monotheisten bei Minucius Felix weit herausragt (19,2). Insgesamt betrachtet überwiegt in d iesem zweiten Themenkomplex der Zitate aus dem Bereich Religion, wenn auch einige in die Auseina ndersetzung mit dem paganen Kult gehören, eine Tendenz z ur Aneignung. Dabei bleibt die gezielte Anknüpfung im apologetischen Kontext die seltene Ausnahme.3 Häufiger und von entscheidender Bedeutung im Gesamt rahmen christlicher Vergilrezeption ist die Überna hme vergilischer Diktion in die christliche Sprache. Die vollzieht sich zum einen in einzelnen Wendungen, die sich das Christentum zu eigen macht wie etwa vana superstitio4 oder preces fundeTe5 , zum anderen da rin , daß Vergilische Diktion verwendet wird, um christ liche T heologumena zu formulieren 6 . Die Benutzung Vergilischer Sprache in christlicher Theologie und Verkündigung läßt sich aber auch für den folgenden Themenbereich, die natü rliche Lebenswelt des Menschen , immer wieder beobachten. 3. Natur und Lebenswelf Hierher gehören, noch a uf de r Ebene der theologisch- kosmologischen Betrachtung, Darstellungen der Gestirne8 und ihres La ufes, der mit 1
Tert. a.pol. 48,14 Novenmt et philosophi diversitatem arcani et publici ignis. 2 So etwa Min. Fel. 32 ,7 sq.; Novatian. trin. I ,2; spect. 9,1; Cypr. ad Donat. 4a; Arnob. nat . 1,28c; 3,9b. 3 Hier her gehören Min . Fel. 19,2 für den MonoL11eismus und Min . Fel. 35,1sq. sowie Arnob. nat. 2,14 für die Hölle. 4 Tert. apol 24,7; M in . Fe I. 9,2; Novatia n. spect. 2,1; Cypr. Demet r. 5. 5 Cypr. Demetr. 20b; Arnob. nat. 5,25. 6 So etwa Min . Fel. 27,1; 32 ,7sq.; Novatian. Cypr. epist . 30,7,2; Cypr. ad Donat. 4a ; mortal. 19; Arnob. nat. 1,25; I ,28ac; 3,24. 7 Die Bede utung von Naturbeschreibu ngen, die in der jüdischen Wurzel d es antike n Ch ristent ums kaum eine Rolle spielen und iu d ene n s ich bei den frühen C hristiani Latini oft Verg ilisches findet , hebt schon SCHN EIDER ( Geistesgeschichte 246) hervor. 8 So etwa Min . Fel. 19,2; 26,8; Novatian. t rin . 1,2; s pect. 9,1; Arnob. nat. 1,2a.
354
III.2
Linien der Kontinuität -
Versuch einer Gesamtauswertung
dem Wechsel der J ahreszeiten sowie von Tag und Nacht einhergeht 1 . Eine andere Gruppe von Zitaten bezieht sich a uf das Wetter 2 und die Elemente, also die Erde und ihre geographischen Besonderheiten 3 , das Feuer4, vor allem aber den Wind5 und das Meer mit seiner Brandung6 . Ein weiterer Teil der Zitate hat Flora7 und Fauna8 zum Gegenstand. Hä ufiger aber werden Tiere und Pfla nzen9 , außerdem das Feuer 10 , in Zitaten unter dem Gesichtspunkt der Nutzung durch den Menschen erwähnt. Der Mensch selbst, sein Körper 11 , seine Emotionen 12 und seine elementaren Lebensvollzüge 13 stellen einen letzten thematischen Schwerpunkt der Zitate dar. Das Verbindende all dieser Zitate ist der Mensch in seinem Verhältnis zur Welt, a lso in der Betrachtung von Gestirnen , Wetter, Erde und Meer, in der Nutzung der Ressourcen und in der Erfahrung seiner selbst. Bemerkenswerterweise finden sich gerade Referenzen aus diesem T hemenbereich öfter im innerkirchlichen Diskurs bei Novatian und Cyprian, die damit theologische oder exegetische Aussagen veranschaulichen.14 Thematisch umfassen diese Punkten zwei wesentliche Bez üge des Menschseins: seine Stellung zum Göttlichen und seine Stellung in der Welt. Vergil scheint den Autoren anerkannte Muster zu liefern, diese Grundgegebenheiten der condicio humana in Worte zu fassen. In dieses Bild passen auch die im ersten Punkt zusammengefaßten proverbiellen Zitate und markanten Wendungen: Vergil wird zitiert, weil er die gült ige und unbestrittene, die angemessene, die ästhetisch ansprechende oder die rhetorisch treffende sprachliche Wiedergabe bietet. Die inhaltliche Band breite ist groß und reicht von 'geschwätzigen Schwalben' bis zu Einsichten über das Wirken des Göttlichen in der Welt. Dementsprechend schwankt auch das Gewicht der Zitate. Dabei bleibt aber die kontroverse Auseinandersetz ung relativ eng auf den 1
2
So etwa Tert. anim. 43, 7; Novatian. spect. 9,2a; Arnob. nat. 1,2b.
So etwa Novatian. spect. 9,2b; Cypr. epist. 37,2,2; mortal. 8. 3 So etwa Tert. apol. 40,4; pall. 2,3; Arnob. nat . 2,14b; 2,24; 6,5. 4 So etwa Arnob. nat. 1,14b; 6,23; 7,15. 5 So etwa Min. Fel. 2,4; 3,3a; Cypr. mortal. 12a. 6 So etwa Min. Fel. 3,3bcd ; 3,4; 3,6; Novatian. t rin. 1,7; Novatian. Cypr. epist. 3,20,1; Cypr . laps. 16. 1 So etwa Cyp r. Demetr. 3; Arnob. nat. 2,59; 3,31. 8 So etwa Tert. anim. 27,8; 32,8; Novatian. pudle. 13,2; Cypr. ad Dona.t. la; Arnob. nat. 1,11 b; 2,16; 3,9a; 5,23b; 6,16b; 7 ,44ac. 9 So etwa Tert. na.t. 2,13, 14; pall. 2,7; spect. 9,3; Cypr . ad Donat. 2; Demetr . 20a; 23; uoit. eccl. 9; patient . 4; mortal. 8; 12c; Arnob. nat. 7,20; 7,24. 10 So etwa Novatian . cib. lud. 3,3; Cypr. hab. virg. 1,1; Arnob. nat. 7,50. 11 So etwa. Min. Fel. 7,3; 9,5; Cypr. ad Donat. lb; laps. 8 ; patient. 18; Arnob. nat. 1,2c; 1,17b; 1,36f. 12 So etwa. Min. Fel. 39; Novatia.n. pudic. 10,1; Cypr. zel. 8; Arnob. nat. 1,17a; 1,54; 7,23. 13 So etwa Tert. anim. 27,8 ; Min . Fel. 36,9 (cf. 5 ,10); Cypr. unit. eccl. 27; Arnob. nat. 2,8. 14 So etwa Novatian. tri.n. 1,7; p udle. lO,l ; 13,2; Cypr. unit. eccl. 9; mortal. 8; 12abc; la.ps. 4; patient. 4; 18.
111.2.4
Vergil bei de n ersten christlichen Autoren: Funktion und Bewertung 355
Bereich der polytheistisch- mythologischen Vorstellungen und der mit vergilischen Schlagworten operierenden Romideologie konzentriert. Daß Vergils Metaphorik und Naturbeschreibungen sich zur Übernahme anbieten, liegt nahe. Hier und bei der Verwendung einzelner Formulierungen spielt a uch die Routine rhetorischer imitatio eine gewisse Rolle. Daß aber Vergil auch in theologischen Zusammenhängen , etwa in der paränetischen Exegese, in einzelnen Ausdrücken gelebter Frömmigkeit , in der kontemplativen Weltbetrachtung oder in der Konkretisierung des J enseits zitiert wird , erscheint bemerkenswert - um so mehr, als damit wesentliche Punkte markiert sind, an denen mit der vergilischen Sprache a uch pagan- römische Vorstellungen und Denkmuster weiterwirken, denen Vergil die übliche und allgemein anerkannte und vielleicht gerade deswegen a uch für die Christen annehmbar erscheinende sprachliche Form gegeben hat.
2.4
Vergilbeiden ersten christlichen Autoren: Funktion und Bewertung
Die Frage, mit welchem Gewicht, in welcher Absicht und in welcher Weise Vergil von den untersuchten Autoren zitiert wird , läßt sich zusammenfassend mit einer dreifachen Abstufung beantworten: Vergil wird erstens in der Argumentation zitiert , zweitens zum Zweck einer Pointierung, die dadurch zustandekommt , daß Prä text und Folgetext zueiuander in Beziehung gesetzt werden , und drittens um einer adäquaten Formulierung willen. 1 1. Von den untersuchten Au toren werden nur ganz vereinzelt Zitate aus-
drücklich in der Argumentation verwertet. In diesen Einzelfällen wiederum finden sich deutliche Unterschiede: (a) Nur in einem Fall ,2 nämlich wenn sich Minucius Felix (19,2) a uf Vergil als Zeugen für den Mouotheismus beruft, geht es dem Autor in erster Linie um die Autorität des Dichters. Hier liegt die einzige Referenz vor, die dem Typos des Autoritätszitates zuzurechnen wä1·e. Auf die argumentative Funktion a ngewandt : Das Zitat selbst ist das Argument. L
2
Hier wir:d also eine Systematisierung vorgenommen, die nicht ganz dem einleitend (29) vorgestellten Dreierschema aus Autori tät.szitat, Arg umentat ionszitat und Schmuckzitat entspricht, sondern die letzte (anders gesagt: die niedrigste) Kategorie des Schmuckzitates nähe r zu differenzieren versucht. Dabei werden eine Art kumulativer Punk t io n von Zitaten im Fo lgetext je nach dessen (apologetischer oder innerchristlicher) Ausrichtung und die voll den Zitat,en berüh rten Themenbereiche a ls Kriterien zur näheren Differenzierung herangezogen. Vieles spricht dafür, daß in ähnlicher Weise Min . Fel. 35.lsq. (d azu oben 164 ) Vergils Autorität für die Vorstellung von einem fe w·igen Strafort im Jenseits in Ans pruch genommen werden soll. J edoch wird Vergil nicht erwähnt; d ie Berufung a uf die Autorität des Dichters wird also nicht. ausdrücklich argumentativ verwer tet..
356
IIJ .2
Linien der Kontinuität -
Vers uch einer Gesamtauswertung
(b) Dreimal bei Tertullian belegt ist der Fall, daß zwar das Argument in einer allgemein einsichtigen Sentenz, beispielsweise über das Wesen des Gerüchtes, besteht, diese aber in einem Vergilvers wiedergegeben wird, olme daß die Persönlichkeit des Dichters unmittelbar ins Gewicht fiele. 1 Das Zitat formuliert also das Argument. ( c) Im dritten Fall belegt das Zitat die Richtigkeit einer argumentativ verwerteten Tatsachenbehauptung. Der Gedanke, der das eigentliche Argument darstellt, geht also über den Dichter hinaus, der mit seiner Autorität lediglich für den Sachverhalt einsteht. So zitiert beispielsweise Tertullian Verse aus der Aeneis, die Junos Vorliebe für Karthago zum Gegenstand haben, um zu zeigen, daß sich ein römischer Herrschaftanspruch kaum auf die Wertschätzung durch diese Göttin berufen könne. 2 Das Zitat unterstützt also das Argument. 2. Entschieden häufiger sind diejenigen Zitate, die darauf abzielen, du rch die Einblendung eines Prätextes an einer bestimmten Stelle eine Pointe oder eine besondere Nuance zu bewirken. Dabei kann es sich zum einen um polemische Spitzen handeln, wenn beispielsweise Arnobius die vergilischen Hoheitstitel des Göttervaters J upiter mit seiner Verwandlung in einen grasenden Stier, ebenfalls nach Vergilischem Vorbild dargestellt , kontrastiert. 3 In manchen Fällen aber geht es nur um die geistreiche oder die hintergründige Anspielung, etwa wenn Arnobius den Vergleich aufgreift, mit dem Vergil das Schweigen der Dido in der Unterwelt beschreibt,4 oder wenn Minucius Felix die Situation des Heiden Caecilius derjenigen des Aeneas am Scheideweg zwischen Elysium und Tartarus gegenüberstellt (16,3). Schließlich liegt die Pointe oft nicht im Einzelzitat, sondern in der ironischen Verwendung Vergilischer Darstellungselemente, also in der 'fravestie. So überzeichnet beispielsweise Novatian durch heroisch-schauriges Vokabular aus der Aeneis den Bühnenauftritt eines tuba-Spielers. 5 3. Der dritten, mit Abstand größten Gruppe von Zitaten läßt sich keine primäre Funktion zuordnen. Vielmehr werden Vergillsche Wendungen gewählt, da sie die adäquate Formulierung eines Sachverhaltes bieten. Dabei läßt s ich näherhin unterscheiden zwischen einer primär rezeptionsorientierten Verwendung, die eher den apologetisch ausgerichteten 1
2 3 4
5
Tert. na.t. 1,7,2; a po l. 7,8 ; fug. 10,1. Tert. nat. 2,17,6; apo l. 25,8a; cf. Tert. nat. 2,13,14; spect. 9,3; anim. 53,6; Min Fel. 23,11. Arnob. nat. 5,23abc; cf. Tert. nat. 2,13,20; apol. 25,8b; adv. Mare. 1,5, 1. Arnob. nat . 2,24 ; cf. Text. adv . Mare. 2,5,1. Novatian spect. 7,2; cf. Novatian . spect. 5 ,1. Arnobius spielt in ganz ähnlicher Weise mit vergilischen Götterprädika.tionen, besonders gehäuft im Kapitel nat. 1,36; aber auch 2,16; 3,9a; 3,29; 3,31 ; 3,32; 3,33; 4,35; 5,13.
III.2.4
Vergil bei den ersten christlichen Autoren : Funktion und Bewertung 357
Werken zugehört , und einer primär produktionsorientierten , die sich im innerchristlichen Schrift turn findet: (a) Der Autor sucht bewußt den locus classicus oder eine passende dichterische Formulierung. Der Leser soll nicht in jedem Fall das Zitat als solches wahrnehmen , wohl aber die Klassizität und die Wahl des einschlägigen Ausd1·uckes, also die Referenz auf ein bekanntes Sprachregister , perzipieren. Vergilzitate dieser Art gehören überwiegend in die Auseinandersetzung mit der paganen Welt . Vor allem bei Sachverhalten aus Religion, Mythologie oder Geschichte soll damit der Eindruck authentischer Darstellung vermittelt werden. So verweist Minucius Felix beispielsweise auf die als historisches exemplum angeführte Allia- Niederlage mit einer vergilischen Formulierung. 1 Bei anderen Inhalten soll die Verwendung klassischer Formulierungen eher Lesererwartungen in bezug auf die Stilistik erfüllen.2 (b) Der Autor greift auf Vergil zurück, um einen Gedanken im Kontext angemessen zu formulieren oder auszugestalten . Ausschlaggebend ist dabei die erwartete Wirkung der Diktion a uf den Leser , nicht die Perzeption einer Referenz. Hierher gehören vor allem die auf das commovere im pastoralen und theologisch en Diskurs angelegten Vergilbenutzungen bei Novatian und Cypri an. 3 Diese Differenzierungen bleiben allerdings zwangsläufig unscharf und sind im Einzelfall nicht immer sicher nachweis bar. Gerade bei Zitaten von geringem Umfang, geringer Deutlichkeit und geringer Referent ialität läßt sich eine Intent ionalität, die sich ohnehin nur auf den Mikrokontext beziehen könnte, kaum eindeut ig fassen. Bei dem Versuch, ein Gesamt bild der Bewertung VergUs d urch d ie untersuchten Autoren zu gewinnen, kan n man sich nicht auf direkte Aussagen über den Dichter stützen: Zum einen sind es nur Tertullian und Minucius Felix, die ihn erwähnen, zum anderen wird dort, wo sie ihn nennen, d ie Aussage vom jeweiligen Argumentationsgang bestimmt und keinesfalls von der Absicht , eine grundsätz liche E inschätzung VergUs zu formulieren. Auswertbar ist daher nur das umfassende Bild, das der Umgang mit Vergilbeiden Autoren im einzelnen und insgesamt bietet. Dabei zeichnen sich zwei Grenzlinien ab, zwischen denen die Einschätzung Vergils sich bewegt: 1. Vergil als solcher steht nirgends im Mittelpunkt des Interesses. Nur Mi-
nucius Felix bezieht ihn bewußt in sein apologetisches Konzept ein, für 1
Min . Fe l. 7,4a; cf. Tert. apol. 24 ,7par. ; 25,16; Min. Fe l. 7,4b; 7,5; 18,6 (?); 23,6; 25,3; Arnob. nat.. 4, l ; 5,5. 2 Tert. apol. 50,7; an im. 27,8; 32,8; Min. Fel. 2,4; 3,3; 3,4; 3,6 ; Cypr. ad Do nat. 2; Demetr . 3; 20a.; 23; Arnob. nat . l , llab; 6,5; 7,50. 3 So etwa Novatian. trin. 1,2; 1,7; s pect . 9,1; 9,2a.; p udic. 10,1; 13,2; cib. lud. 3,3; Cypr. laps. 16; unit. eccl . 9; 18; mortal. 12bc; zel. 8 ; cf. Tert.. mart. 4,9; Arnob. nat. 1,25par.
358
Il1.2
Linjen der Kontinuität -
Versuch einer Gesamtauswe rt ung
die anderen Autoren erscheint er in erster Linie als Zutat literarischen Schaffens. Cyprian und Novat ia n verwende n den Dichter ganz überwiegend produktio nsorient iert. Tertullia n und Arnobius zitieren Verg il oft zum Zweck gehässiger Polemik, die zwar die Bekanntheit, aber kaum die besondere Wertschätzung des Dichters z um Ausdruck bringt. 2. Alle Autoren g re ifen in ihren Werken auf Vergil z urück. Die Benutzung Vergils beschränkt sich nicht a uf Schriften , welche die Auseinandersetzung mit der paganen Welt zum Inhalt ha ben, sondern erstreckt sich auch a uf die rein innerchristliche Literatur und reicht bis z ur Wiedergabe biblischer Ged anken mit vergilischen Formullerungen. Die Autoren haben den Dichter nicht nur selbst präsent, sondern set zen ihn a ls kulturellen Intertext a uch bei ihren Lesern voraus. An keiner Stelle wird Vergil ausdrücklich a bgelehnt oder unmittelbar z um Gegenstand der Polemik. Im Gegenteil , Minucius Felix zieht Vergil als Zeugen für christ liche Glaubenswahrheiten heran , entwickelt in seinem Octavius eine Konzeption, Vergil geschickt und ästhetisch a nsprechend im Sinne d es C hristent ums einzusetzen, und gibt somit ein Mo dell christlicher Aneignung Vergils vor. Bei den übrigen Autoren lassen Vorlieben für bestimmte Abschnit te o der Themen erkennen , da ß der Vergilbenutzung im Det ail , also in der sprachlichen Ausgest a lt ung, nicht nur ein eingeübter Automatismus rhet o rischer imitatio, sondern a uch subjekt ive Empfa nglichkeit für die Schönheit und Ausdruckskra ft der Verg ilischen Dicht ung zugrunde liegt. Vergil wird , so zeigen die Themenschwerpunkte bei d en Zitaten, anerkannt in seiner dichterischen Leistung, die Grund bezüge des Menschen zu Gott und zur Le benswelt sprachlich zu fassen. Dabei lä ßt sich beobachten, d a ß der Wechsel vo n Distanz und Anknüpfung den jeweiligen Facetten d es dichterischen Scha ffens entspricht : Vergil wird a ls mythologischer Dichter und als Künder re ligiös begründeten römischen Selbstverständnisses in kritischer Auseinanderset zung von d en Apologeten rezipiert , a ls Philosoph und T heologe bewußt von Minucius Felix in einzelnen Positionen in Übereinstimmung mit dem Christ entum präsent iert und als Gest alter von Sprache in bemerkenswerter Selbstverständlichkeit von a llen benützt.
3
Entwicklungslinien Versuch einer abschließenden Zusammenfassung
Die Frage nach der Entfalt ung christlicher Wirkungsgeschichte Vergils kann man unter zwei Gesichtspunkten stellen: unter dem Gesichtspunkt der Entwicklungen innerhalb der fünf untersuchten Autoren, also im ersten Jahrhundert christlicher Auseinandersetzung mit Vergil, und unter dem Gesichtspunkt der weiteren, darauf aufbauenden Rezeption. Innerhalb der besprochenen Autoren sind in diesem Zusammenhang eine a pologetische Entwicklungslinie von Tertullian über Minucius Felix (als Tangente bei Cyprian, bei dem das apologetische Moment marginal bleibt) zu Arnobius und eine Entwicklungslinie innerchristlichen Schrifttu ms von Tertullian zu Novatian und Cyprian zu betrachten. Was die apologetischen Schriften angeht, so scheinen bei Tertullian einige subjekt ive E lemente den Umgang mit Vergil zu prägen, etwa seine Neigung zur rhetorischen Pointe und zum karthagischen Lokalpatriotismus. Minucius Felix setzt sich davon bewußt ab: Er rezipiert Vergil im Rahmen einer ausgeklügelten a pologetischen Gesamt konzeption. Daher sind den apologetischen Werken der beiden Autoren, t rotz der Abhängigkeit des Octavius von Tert ullians ApologetiC'um, nur zwei formelhafte Zitate gemeinsam. 1 Cyprians apologetisches Werk ist von eigener Prägung. Zwar scheint er in einzelnen Punkten, etwa bei der Gestaltung des Proömiums zu ad Donatttm,2 von der Vergilrezeption bei Minucius Felix angeregt zu sein, die Berührungen bleiben aber hierauf beschränkt. Arnobius hingegen weist manche Übereinstimmungen mit Tertullian und Minuciu s Felix a uf: Mit dem ersteren verbindet ihn die Neigung zur polemischen Verwendung von Vergilzitaten und der rhetorische Zug seiner Vergilbenutzung. Mit dem letzteren hat er nicht nur die sorgfältige Prosifikation der Zitate gemein, er läßt sich auch in entscheidenden Einzelpunkten offenbar direkt anregen: So findet er zum einen in Minucius Felix ein Vor bild im Rückgriff auf Vergil als Quelle für römische Altertümer aus Geschichte und Mythologie - besonders wahrscheinlich ist das bei der Etymologie von Latium3 - , wenngleich bei Arnobius das antiquarische Interesse, bei Minucius Felix die Bemühung um Authentizität im Vordergrund steht. Zum anderen fo lgt er Minucius Felix in der vergilischen Darstellung der platonischen Unterwelt. 4 Allerdings wird der von Minucius Felix eingeschlagene Weg, Vergil bewußt im christlichen Sinne heranzuziehen und einem christlichen Verständnis zu eröffnen, weder von Cyprian noch von Arnobi us weitergegangen. Arnobius hat in seinem Umgang mit Vergil wieder viel von der Schärfe Tertullians. Das mag zum einen an der Persönlichkeit, vor allem aber an den äußeren Rahmenbedingungen liegen: Sein Schaffen steht ganz 1
2
3 4
Dazu oben Dazu oben Dazu oben Dazu oben
186. 219. 308. 286.
360 11!.3
Entwicklungslinien -
Versuch einer abschließenden Zusammenfassung
unter dem Einfluß der entscheidenden politischen wie intellekt uellen Auseinandersetzung zwischen Heidentum und Christent um, an deren Ende der Umschwung in der kaiserlichen Religionspolitik unter Konstantin steht. In seinen innerchristlichen und antihäretischen Schriften gibt Tert ullian eine rhetorisch und polemisch geprägte Vergilbenutzung vor, die bei Novat ian und ..Cyprian keine Fortsetzung findet : Beide zitieren, in einer bemerkenswerten Ubereinstimmung, nie wörtlich. Jedoch verwenden sie Vergil in einer bei Tert ullian nicht zu findenden Weise als Gestaltungsmittel in der Paränese und der theologischen Reflexion. Bei ihnen scheint Vergil, von dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem Heidentum weitgehend befreit und souverän angeeignet, seinen Weg in die Sprache der Kirche zu finden. Damit ist der zweite Bereich angeschnitten: die Stellung der untersuchten Autoren in der christlichen Dichterrezeption und die Anregungen, die von ihnen für die weitere Wirkungsgeschichte Vergils im C hristentum ausgehen. Dabei muß es bei einigen Ausblicken bleiben. Ausgangspunkt sind zwei wenig spektakuläre Feststellungen: Im Vergleich mit der Dichterrezeption in der griechischen Apologetik des zweiten Jahrhunderts 1 nimmt Vergil bei den christlichen lateinischen Autoren des dritten J ahrhunderts nur wenig Raum ein, obwohl er weit bedeu.. tender nachwirkt als jeder andere lateinische Dichter. Dieses deutliche Ubergewicht jedoch gegen über anderen Dichtern scheint charakteristisch für die Geltung Vergils bei den Römern zu sein, bei den Griechen nämlich erscheinen Hesiod und die Tragiker , vor allem Euripides, insgesamt nicht wesentlich seltener als Homer. Auch fehlen bei den Lateinern die Spitzen gegen den poeta Vergil - gemeinsam ist lediglich die Verwendung von Zitaten als Mittel der Polemik - und die direkte Auseinandersetz ungen mit seinen Aussagen, wie sie bei den G riechen hingegen vor allem für Tatian und T heophilos charakteristisch sind. Vergil stellt offenbar eine weniger problematische Größe dar als Homer oder Hesiod. Auch in t hematischer Hinsicht steht die christliche Vergilrezeption unter römischen Vorzeichen. Oft ist es die Auseinandersetzung mit römischer religio und Geschichte, die zu Vergilzitaten Anlaß gibt. E in spezifischer color R omanus wird auch dort erkennbar , wo die Lateiner in ihren Zitaten durch ein griechisches Vorbild angeregt sind.2 Die Lateiner sind, insgesamt betra.chtet, in ihrer Dichterrezept ion weit zurückhaltender als die Griechen, was sowohl Umfang als auch Tendenzen zur Abwertung oder zur Anknüpfung angeht. Was freilich mit den Griechen verbindet, und darin liegt die zweite Beobacht ung, ist die Selbstverständlichkeit der Dichterrezeption. Kein Autor der christlichen lateinischen Kunstprosa enthält sich der Benutzung Vergils. 1 2
Dazu oben 19 Anm. 3. So folgt etwa auf das Homerzital Min . Fel. 19,1 (dazu oben 134sqq.), das Vorbilder in der griechischen Apologetik aufweist, ein Vergilzitat; Ar nob. nat 4,21 läßt sieb d11rch ein Homerzitat bei Klemens von A le.xaodrien zur Wiedergabe der entsprechenden VergiisteHe anregen, dazu oben 306.
361
Die Marksteine sind darin: Tertullian, mit dem Vergil, wenngleich wenig reflektiert und unter der Prämisse rhetorischer Routine, Eingang in christliche Latinität findet ; Minuci us Felix, der sich als erster bewußt mit Vergil auseinandersetzt und ein Muster christlicher Rezeption schafft; Novatian und Cyprian, mit denen der Dichter einen Plat z in der Sprache der Kirche findet. Von den späteren , namentlich von Laktanz, werden vor allem die Vorgaben des Minucius Felix aufgenommen und weitergeführt. Das gilt sowohl für einzelne Zitate 1 , als auch für eine Konzeption , nach Anknüpfungspunkten für christliche Lehren bei Vergil zu suchen. Erst den Späteren ist es aber vorbehalten, aus Vergil einen heimlichen Christen zu machen: So sehr Minucius Felix sich bemüht, Vergil in wesentlicher Übereinstimmung mit dem Christent um erscheinen zu lassen, so deutlich halten sich doch er und die anderen untersuchten Autoren von christlicher Vergilallegorese fern. Die Vorbedingungen dafür schaffen freilich die ersten Autoren, indem sie Vergil apologetisch wie innerchristlich benutzen und damit au fzeigen, wie sich christliches Denken die Möglichkeiten, welche die vergilische Sprache zur Erfassung von religiöser Erfahrung und Welterleben bietet, zu eigen machen kann. Zusammenfassend kann man daher sagen, daß sich der Beginn christlicher Vergilrezeption bei den ersten Vertretern der ch1·istlichen Latinität in dreifacher Staffelung vollzieht: TertuUian überführt die pagane Tradition rhetorischer Vergilbenützung bruchlos in die Sprache und Argumentation christlichlateinis"her Kunstprosa, was Arnobius in subtilerer \Veise for t führt. Minucius Felix bemüht sich um ein Konzept christlicher Inanspruchnahme Vergils und präsentiert den Dichter als Zeugen cru·istlicher Glaubenssätze. Mit ihm beginnt daher, im nachhinein betrachtet, die Tradition bewußter christlicher Aneignung Vergils. Novatian und Cyprian erschließen die Ausdrucksformen Vergilischer Sprache für die Dikt ion des lateinischen Christentums und der Kirche.
1
Signifikant für Min. Fel. 16,3 zu Lact . inst. 6,3sq. (dazu oben 128sqq.) u nd Min . Fe l. 19,2 zu Lact. iust. l ,5 ,11 sq. (dazu oben 142sqq. ).
Teil IV
Anhang 1 1.1
Ausgeschiedene Parallelen Tert ullian
(18) erinnert die häufiger vorkommende Wendung omne hominum genus an georg. 3,242 omne adeo genus in terris hominumque ferarumque. Der Ausdruck ist jedoch ganz gebräuchlich, so etwa Cic. dom. 27; Sest. 124; Marcell. 27; rep . 2,48; leg. 1,32 etc.
BüRNER
nat. 1,7,20 Quis u(m) quam tarnen semeso cadaveri supervenit '? quis in c ruentato p( ane) vestigia dentium deprehendit '? Den Abschnitt a us der W iderlegung der Christengreuel sieht UGLIONE ( Virgilio 516sq.) im Zusammenhang mit Aen. 3,244 (über die Ha rpyien) semesam praedam et vestigia foeda relinquunt und 8,297 (über Kerberos, zitiert Sen . epist. 82,16) ossa super recubans antro sem e sa cruento. Inhaltlich verbindet die Stellen zwar, d ass in drastischer Weise ei n grausiges Szenario der Menschenfresserei geschildert wird, a ber eine Nachwirkung vergilischer Diktion ist nicht anzunehmen: Semesus erscheint hä ufig in nach klassischer P rosa (etwa Curt. 5,5,13; Petron. 64 ,6; Suet. T ib. 34,1; Vit. 13,3; Ps. Quint. decl. 12,13, insbesondere im Zusa mmenhang mit verzehr ten Menschen: Petron. 141 ,11 Cum esset Numantia a Scipione capta, inventae sunt matr·es quae liberorum suorum tenerent semesa in sinu corpora. Apul . met . 8,15 iacere semesa hominum corpora suisque visceribus nudatis ossibus cuncta candere.). Auch Jjegen supervenire - mit 24 Belegen nicht ungewöhnlich bei Tert ullian - und recubare super semant isch so weit vonei nander entfernt , daß sie kaum zusamme nzubringen sind. Die Bißspuren im blutigen B rot erklären s ich sachJjch aus den abge ha ndelten Vorwürfen (cf. nat . 1,7 tot panes cri.Lentati). Übrigens haben bei Vergi l die Stichworte vestigia und cruentus keinerlei Zusammenhang . •• Die einzelnen lexikalischen Ubereinstimmungen ergeben sich allein a us der Sache (ähnlich wie etwa Scrib. Larg. 196 Tauri sanguinis potum quamvis difficile quis celaverit, hunc tarnen vestigia cruoris 1"elicta inter dentium commissuras produnt.) . Einen Hinweis auf menschenfressende Mythenwesen gibt Tert ullia n tatsächlich im Apologeticum (7,5): Quis unquam taliter vagienti infanti supervenit '? quis cruenta, ut invenerat, Cyclopum et Sirenum ora iudici reservavit '? - aber auch nur in dieser Ausd rücklichkeit kann er Wirku ng entfalten. nat. 1,10,17 Ceterum Serapem et Isidem et Arpocraten et Anubem prohibitos Capitolio commemora( t) [. .. J. apol. 6,8 Serapiden et Isiden et Arpocraten cum suo Cynocephalo Capitolio prohibitos [. .. J. Anubis wird in der Sch ildbeschreibung als Gegner der römischen Götter erwä hnt (Aen . 8,698sq. omnigenumque deum monstra et latrator Anubis / contm Neptunum et Venerem contraque Minervam; ähnlich P rop. 3,2,4 1) , wie C o URCELLE ( Lecteurs 606 Anm . 230) zu den Ter tu.lliansteUen anmerkt . Tertullian bezieht sich in beiden Fällen aber ausdrücklich au f Varro.
IV .1.1
Tertullian
363
nat. 2,17,3 Nimirum Sterculus et Mutun(us et Larentina) pro(vexit) hoc imperium, in ius R omanum destina( tum~. apol. 25,3 S terculus et Mutunus et Lar·entina provexit imperium! UGLIONE ( Virgilio 507sq.) sieht in Tertullians polemischer Replik a uf die These, Rom sei von den Göttern wegen seiner Frömmigkeit so g roß gem
364
fV . 1
A usgeschledene Parallelen
apol. 11,6 Vani erunt hom in es, nisi certi sint, a primordio et pluvia$ de caelo ruisse et sidera radiasse et Lumina fioruisse et tonitrua mugisse et ipsum Jovem, quae in manu eius imponitis fulmina timuisse; item omnem frugem ante Liberum et Gererem et Mineruam, immo ante illum aliquem principem hominem de terra exuberasse, quia nihil continendo et sustinendo homini prospectum post hominem potuit inferri. Tertullians Aufzählung der Merkmale für die Vollkommenheit der Schöpfung sieht UGLION E ( Virgilio 517sq.) im Zusa mmenhang mit Lucr. 4,213 sidera ( ...] radiantia und 450 ftorentia lumina sowie mit Aen. 8 ,525sq. ruere omnia visa repente I Tyrrhenusque tubae mugire per aethera clangor. J edoch haben die T ertullian- und die Vergils teUe nichts als das bloße Vorkommen der Verben ruere (bei TertuUian wie pall. 2,2 imbres ruunt für Regen, bei Vergil für den Eindruck , alles stiirze ein) und mugire ( bei Tertullian fiir den Donner , bei Vergil für eine Kriegstrompete) gemeinsam, zu diesem Gebrauch von mugire ThLL Vlll s.v. 1559 ,70sqq.) Radiare erscheint eher in der Dicht ung (sidus radians auch Cic. Ara t. frg. 9,4; Ov . met . 7,325sq., aber nicht bei Vergil) , nachklassisch aber auch in Prosa (cf. OLD s.v. ). Ebenso gehört fiorere in der Bedeutung 'leuchten ' zunächst in die Dichtung ( kein Beleg bei Vergil) , in der Prosa kommt es von Apuleius an und mehrmals bei Tertullian vor (ThLL VI, 1 s. v. 920,43sqq.). Der leichte color poeticus, d er dieser stark stilisierten (richtig UG LIONE) Passage anhaftet, hat n ichts Vergilisches. apol. 14,2 S ed conversus ad litteras vestras, quibus inf ormamini ad prudentiam et liberalia officia, quanta invenio ludibria! deos inter se propter 1roian os et Achivos, ut gladiatorum paria congressos, depugnasse; Venerem humana sagitta sauciatam, cum filium suum Aeneam, ne interim eretur, rapere volutSset; (. . .J. Zwar wird die Verwundung der Venus, wie B ÜRNER (16) unter Berufu ng auf NöLOEe HEN zu Recht anmerkt (i n diesem Sinne auch Q uACQUARELLI Difesa 167 Anm . 21), Aen. 10,29sq. ((. .. J equidem credo, m ea vulnern restant I et tua progenies mor talia demoror arma.) vorausgesetzt , d er locus classicus aber , auf den die pagane und christliche My thenkritik immer wieder Bezug nehmen (dazu im einzelnen Z EECERS- VANDER VORST 55), ist Homer (ll. 5,335-340.376). Kein antiker Leser wird daher bei d en Worten Venus humana sagitta sauciata in erster L inie an Vergil d enken , zumal sich auch keine wörtlichen Übereinstimmu ngen ergeb en. apol. 21,14 Iste igitur· dei rndius, ut retro semper prnedicabatur, delapstLS in virginem quandam et in utero eius caro figuratus nascitur homo deo mixtus. B ÜRN ER ( 17) sieht als Vorbild der Formulierung homo deo mixtus Vergils Worte über die Schwangerschaft d er Rhea Silvia nach d er Vergewaltig ung durch Mars, Aen. 7,661 mixta deo mulier. Doch divergiert die Semantik zu stark: Verg il verwend et m ixtus als Bedeutungslehnwort nach ~J.tlrvu~<Xl "tWl sensu amatorio ( cf. T hLL Vlll s.v. m isceo 1087,48; Min. Fel. 25,10, dazu unten 372). Tertullian hingegen macht eine christologische Aussage über die hy postatische Union ( cf. Th LL V JIJ s.v. m isceo 1090,59 zur Verwendung von miscere in diesem Sinne; B RAUN Deus Christianorum 3 I3sq.). apol. 30,lsq. Sciunt quis illis dederit imperium; (. .. J (2) Recogitant quousque vires imperii sui valeant, et lta deum intellegunt: adversus quam valere non possunt, per eum valere se cognosctmt. Caelum denique debellet imperator, caelum captivum triumpho suo invehat, caelo mittat excubias, caelo vectigalia imponat. Non potest.
IV .1 .1 Tertullian
365
UGLJONEs ( Virgilio 508-510) Annahme eines Bezugs auf Aen . 6,847- 853 (excudent alii spirantia molliU$ aera I (cedo equidem), vivos ducent de marmore voltU$, I arabunt causas melius, caelique mealU$ I describent radio et surgentia sidera dicent: I tu regere imperio populos, Romane, memento I {hae tibi erunt artes) pacique imponere mor-em, I parcer-e subiectis et debellare super·bos.) beruht nur auf dem gemeinsamen Vorkom men d er uns pezifischen Stichwörter imperium, caelum , debellare und imponere in einem mehr als fünf Zeilen langen Abschnit t. Auch deren Verwendung spricht gegen eine Verbindung zw ischen beiden Stellen: Mitimperium ist bei Vergil dje geschjchtliche Sendung Roms, bei TertuJlian in §2 tatsächliche militärische Macht gemeint. Debellare ist hier unauffällig (cf. ThLL V,l s.v. debello 84 ,27: ab Vergil und Livius; 54sqq. ) und nicht außergewöhnlich bei TertuUian (zehn weitere Belege). Das Stichwort caelum hat bei Vergil (in einer Aufzählurig erwähnter Gegenstand der Astronomie) und Tertullian (unerreichba rer Sitz Gottes, als C hlffre für dessen Transzendenz und Allmacht) a ndere Bedeutung und völlig anderes Gewicht. Die J unk tur vectigal imponere ist so üblich (z.B. Liv. 31,13,5; 33,30,8; 38,48,3) und ergibt sich a us dem Kontext so zwingend , daß sicher nicht Vergil evoziert wird, bei dem überdies der Aussageschwerpunkt auf mos liegt (dieser Aspekt fehlt wiederum bei Tertullian ). Tertullians &Mvo:'tov von d er Unterwerfung (stimmig: besiegen , Triumph feiern , Besatzung verteilen, tributpflicht ig machen) des Himmels würde durch die Interferenz der Vergils telle letztlich sogar eher gestört. Scap. 1,2 Denique cum omni saevitia vestm concertam us, etiam ultra erumpentes, m agisque damnati quam absoluti gaudemus. B üRNER 18 "Hier verbindet Tert ullian gaudere wie d as griechische xo:lpuv mit d em Particip. Dieser Gebrauch findet sich , wie Norden in d er Kunstprosa p. 609, Anm. 2 zeigt , auch bei Vergil", Aen. 10,500 gaudetque potitus. KS I 702sq. belegt, daß d iese Kontruktion zwa r nie in klassischer Prosa, wo hl a ber bei Petron (129,4 quer-er decepta) und Apuleius (met. 7,14 promitter·ent (. .. } habituri) vorkommt; zu dieser und ähnlichen AuffäUigkeiten in Tertullians Umgang mi t Pa rtizipien B. HOPPE, Syntax und Stil des Tertullian , Leipzig 1903, 57sq. Scap. 2,1 Nos unum deum colimus, q~L em omnes naturaliter nostis, ad cuitts fulgum et tonitrua contremiscitis, ad cuius beneficia gaudetis. UC LIONE ( Virgilio 513sq.) sieht einen Zusammenhang mi t Lucr. 6,121sq . hoc etiam. pacto tonitn.t concussa videntur I omnia saepe gravi tremere und Verg. Aen . 5,694sq . tempestas (. .. j fur·it tonitruque tremescunt I ardua terrarum et campi, außerdem gehört hierzu Pacuv. trag. 413 caelttm tonitru contremit. Doch ist erstens von unterschiedüchen Dingen dje Rede: bei Tertum an vom Ersch recken d es Menschen vor den göttlich verstandenen Zeichen Blitz und Donner , bei Lukrez und Verg il von der Erschü tterung, die durch den Donner ausgelöst wird. Zweitens ist es eine Grunderfa hrung - und gena u d a ra uf basiert ja a uch Tertullians Argumentat ion mit na türlicher T heologie an dieser Stelle - , d a.ß Menschen vor Donner und Blitz erschrecken ( cf. Lucr. 6,96sqq.; C ic. Phi I. 5, 15; div. 2,42; Sen. na t . 6,2,3- 5; Hyg. fab. 61 ,1). Drittens hat d ie Formulierung nichts Dichterisches, contr'imescere von Menschen ist cicero nisch (cf. T hLL JV s.v. 775,39sqq.).
adv. lud. 9,20 Sie bellipotens et armiger Christus et sie accipiet spolia non solius Sama1'iae verum et omnium gentium. Agnosce et spolia figurata, cuius et arma allegor'ica didicisti: atque ita in tantum Christus, qui venit, ( Eseiae erit ChristU$, in quantum) non fuit bellator, quia non talis ab Eseia praedicabatur .
366
IV. 1
Ausgeschiedene Parallelen
adv. Mare. 3 , 14,7 Sie bellipotens et armiger Christus ereatoris, sie et nune aeeipiens spolia, non solius Samariae verum et omnium gentium. Agnosce et spolia figurata, euius et arma allegorica didicisti. UG LlONE ( Viryilio 520sq.) sieht für adv. Mare. 3,14,7, worin adv. lud. 9,20 a ufgegriffe n wird (H . TRÄNKLE HLL 4 [1997] 453) , einen Zusammenhang mit d er Aen. 11 ,5--16 geschild erten Errichtung eines Tropaeums für Pallas: ingentem quercum {...] I eonstituit fse. Aeneasj tumulo fulgentiaque induit arma, I Mezenti dueis exuvias, tibi magne tropaeum I bellipotens; (... ] I (. ..] turn soeios (... ] I {... } sie incipiens hortatur ovantis: I{... ] I(. ..] haec sunt spolia et de rege superbo I primitiae manibusque meis Mezentius hic est. ln Vers 32 wird dann noch Acoetes als armiger des Pallas erwähnt. Tertullian b ezieht sich a n beiden Stellen in ausdrücklich allegorischer Deutung alttestamentliche Worte ü ber einen in Waffen s iegreichen göttlichen Heilbringer a uf C hristus (zur Topik auch BRAUN Deus Christianorum 439 mit Anm. 4) . Der eigentliche Prätext ist a lso d as Alte Testament. Es könnte höchstens ein Einfluß vergiJjscher S prache vorliegen, doch a uch d agegen spricht vieles: Bellipotens ist zwar rein dichte risch (seit Ennius) , kommt aber nur hier bei Vergil, hä ufig hingegen in der nachklassischen Epik vor (ThLL II s. v. 1815,54sqq.). TertuUian verwendet d as Wort gelöst vom poetischen Kontext als Gottesprädikat a uch adv. Mare. 1,6,1 (über d en Dua lis mus Markions) und 3 ,21 ,3 (Christum non bellipotentem). Armiger ist vorvergilisch und in der Prosa gebräu chlich (ThLL II s.v. 613sq.). Der Hinwe is a uf die arma e rklärt sich sachlich zwingend aus d em Kontext, d a jeweils vorher (adv. Mare. 3 ,14,7; adv. lud. 9 ,19) im Rahmen eines Bibelzitates (Ps 45,6) von sagittae die Rede war. Die spolia Samariae beziehen sich auf J es 8,4 (cf. adv. Mare. 3,12,1; 3, 13 ,1.6.8 etc.) . Auch ensis (cf. UGLJONE Virgilio 521) gehört klassisch in d ie Dichtun g ( cf. ThLL V ,2 s.v. 608 ,40sqq.) , erscheint ab er bei Tert ullian im Zitat von P s 45,4 (ad v. lud. 9,16; ad v. Mare. 3 ,14,1) . Somit bliebe höchstens für bellipotens ein gewisser color poetieus (aber nicht Veryilianus).
pall. 1,2 Instar eius fsc. palliif hodie Aesculapio iam vestro sacerdotium est. Sie et in proximo sor·o civitas vestiebat, et sicubi alibi in Africa Tyros. B ÜRNER (16, unter Berufung a uf NOELDECHEN) sieht eine Beziehung zu Aen. 4,669 sq. non aliter quam si immissis ruat hostibus omnis I Karthago aut antiqua Tyros. D ie einzige Gemeinsamkeit besteht jedoch im Hinweis a uf die Tatsache, daß Kart hago a us einer tyrischen Kolonie enstanden ist . Diesen Hinweis muß Tertullian aber s icher nicht erst d er VergiJstelle ent nehmen. adv. Mare. 1, 1 ,3 Dies numquam patens, sol numquam libens, unus aer nebula, totus annus hibemum, omne quod flaverit aquilo est. Die Beschreibung d er unwirtlichen Heimat d es Markion am Pontus im einleitenden Po rträt des Häretikers s ieht BRAUN ( Poetes 22 Anm. 4} beeinßußt von georg. 3,356 (über d as Klima, in de m die Skythen V iehzucht betreiben) semper hiems, semper spirantes frigora Cauri. J edoch bestehen keine wörtlichen Gemeinsamke iten, an b eiden Stellen wird die topische Beschre ibung d er Region a m Schwarzen Meer wiedergegeben, zu d er der da uernde Winter (Hp. Aer . 19 tov IJ.EV x_e.qJ.wvcx &e.l dvcxL, 1:0 5& 6tpoc ÖAl(<XC iliJ.tpcxc xcxt tcxutcxc IJ.T! :AlYJv. Hdt. 4,28,2 oti-tw IJ.EV 51} 1:ouc OX"tW 1J.Tjvcxc 5Lcx"te.AUL x_e.LIJ.WV iwv, 1:ouc 15 ' lm:Aol1touc "ttooe.pcxc ux.w. cxö1:66L lo1:L Varro. rust. 1,2,4; Sen. nat. 4a,2,29; Meta 1,115) und d er starke Wind , nam enWeh der Aquilo (Lucan. 5,603 Scythici (. ..] rabies Aquilonis; Plin. nat. 2,127 In Hispania et Asia ab oriente flatus est eorum, in Ponto ab aquilone, reliquis in partibus a meridie.) gehören. Im Mittelpunkt steht wohl hler eine Gedankenfigur d er Invektive, aus
IV .1.1
Tert ullian
367
jemandes Her kunft auf sein verabscheuungswürdiges Wesen z u schließen. In diesem Zusammenhang greift Tertullian auf die Topik über das Schwarze Meer zurück, d ie a uch bei Vergil anklingt. anim. 20,3 Comici Phrygas timidos inludunt, Sallustius vanos maums et feroces Dalmatos pulsat, m endaces Cretas etiam apostolus inurit. CouRCELLE ( Lecteurs 684) sieht neben den Komikern (aber WASZINK ad l. 284: keine Stelle bei Plautus und Terenz erha lten , vielleicht Eur. Orest. 1351 ~pura< xaxou<; Herondas 2,100sq. w< 6 ~pu~ t& vüv UIJ.lV I 7tATJ')'Ei< Ct!J.Elvwv &oaEt' ; a uch OTTO 278 Nr. 1411 kennt nur die Tertullia nstelle) Vergil als Quelle für das Motiv von der Furchtsamkeit der Phryger. Das Adje ktiv timidus wü·d in der Aeneis allerdings nie ausdrücklich auf die Phryger bezogen, Co uRGELLE legt die Worte des Turnus an sein e geschleuderte Lanze zugrunde , Aen. 12,96sq.: da sternere corpus / semivi?'i Phrygis. Es müßte a lso ein E i11ßuß der a ntiken Vergilerklärung vorliegen , die ein Motiv der furchtsamen Phryger bei Vergil herausarbeite t , cf. Serv. Aen. 1,273 sed ex aliis rebus alia dat nomina, ut pios Aeneadas appellavit, ut timidos Phrygas, ut nobiles Dardanidas, ut periuros Laomedontiadas. 1,468 'hac Phryges' bene ubique Ver·gilius pro n egotii qualitate dat Troianis et nomina. nam timidos Phr'ygas vocat, ut hoc loco, item 'o vere Phrygiae, neque enim Ph1yges'; Dardanidas generosos, ut 'Dardanidae magni genus alto a sanguin e divum '; Laomedontiadas perfidos, ut 'nondum Laomedonteae sentis periuria gentis'; TI·oas fortes, ut 'Troes agunt, princeps turmas inducit Asilas'; Hect01·eos quoque jortes, ut 'nunc nunc insurgite rem is, H ectorei socii '. Anzunehmen ist jedoch die Referenz auf ein verlorenes Komikerwort , das das von den Kom mentatoren auch bei Vergil gefund ene Motiv der Furchtsa mkeit der Phryger sprichwörtlich faßt. a nim. 30,3 Omnia iam pervia, omnia nota, om nia negotiosa, solitudines famo sas retro fundi amoenissimi oblittemven mt, silvas arua domuerunt, f eras pecora fuga verunt, harenae seruntu1·, saxa panguntur, paludes eliqua.ntur, tantae urbes quantae non casae quondam. fam nec insulae horrent n ec scopuli terrent; ubique domus, ubique popultts, u bique r·espublica, ubique vita. Tertullians Ausführungen über den Anst ieg von Be völkerungszahl und Siedlungsdichte will OGLION E ( Vi1-gilio 514- 516) mit Passagen aus der lliupersis, Aen. 2,363 urbs an tiqua ruit, 368sq. cmdelis ubique luctus, ubique pavor et plurima mo1·tis imago, 755 h orror ubique animo, simul ipsa silentia t errent, in Zusammenha ng bringen. Doch sind die sprachlichen [ndizien viel zu schwach , a uch ein inhaltlicher Bezug is t nicht zu erkennen: Mehrgliedrige Anaphern mit ubique finden sich bei Tertull ian öfte r (na t. 2,8,2; test . anim. 6,4; adv. lud . 7,9 - hier soll diese Anapher ne ben derjenigen mit omnia die ALlfältigkeit der von Tertullian gena nnten Indizien unters t re ichen). Das Stichwort urbs is t bei Vergil deutlich (fünf Verse) von der ubique- Anapher entfernt, lexikalisch überhaupt nicht markant und jeweils völlig a nders gebraucht: Bei Vergil steht es für T roja, bei TertuUian im Plural also eben nicht auf eine bestimmte Stadt bezogen - für große Ansiedlungen. Der Vers 755 schließlich folgt in viel zu großem Abstand a uf die Anapher , als daß man ihn damit zusa mmenbringen könnte. Außerdem drücken horrer-e und terrere {zusammen etwa auch Sen. epist. 102,29; nat. 6,2,5sq.) bei Tertullia n die mangelnde Eignung bestimmter Orte fü•· menschliche Besiedlung aus - weder Gefa hr, wie UGLIONE ( Virgilio 516) meint, noch die schaurige Stim mung, wie sie in Vergils zerstörtem Troja herrscht. Eine "a na logia [... ] tematica" (UGLION E, l. c.) is t mithin nicht z u erkenne n. Auch ist nicht einzusehen, inwiefern der lokalpatriotische Afri-
368
IV .1
Ausgeschiedene Parallelen
kaner Tertullia.n hier mit urbC$ a usgerechnet Rom als das neue 'Iroja (so UGLIONE, l.c.) me inen sollte. Im Gegenteil, der Gedanke an Rom oder 'froja würde die Allgemeingültigkeit des Arguments nur stören. Tertullian will lediglich anhand überall (eben ubique, und nicht nur in Rom) zunehmender Besiedlung veranschaulichen, daß es heute mehr Menschen gibt als früher.
anim. 43,10 Inde deducimur etiam imaginem mortis iam tune eum recensere. Si enim Adam de Christo figuram dabat, somnus Adae mors erat Ch1""isti dormituri in mortem, ut de iniuria perinde lateris eius vera mater viventium figuraretur ecclesia. Ideo et somnus tam salutaris, tam rationalis etiam in publicae et communis iam mortis effingitur exemplar. BüRNER ( 17sq.) und COURGELLE (Lecteurs 179) sehen hinter der imago mortis den E influß von Aen. 2,369 luctus, ubique pavor et plurima mortis imago. Doch zum einen meint Tertullian damit den Schlaf (cf. Ps 13,4; 1 Thess 4,14; M. H UTTER, 'Schlaf', LCA [1999J 330) , Vergil ein 'Bild des Grauens', zum anderen ist die bei Tertullian vorkommende Me tapher so gebräuchlich ( cf. WASZINK 460 ad an im. 42 ,3 Schlaf als Spiegel des Todes: Horn. TI . 14,231 etc.; Hes. t h. 756; O rpb. hymn. 85,8; Pla to apol. 40 c; C ic. Thsc. 1,38,72; Lucr. 3,919sqq.; Sen. Herc. fur. 1069 etc.; ThLL VII,l s.v. imago 412,7sq. C ic. Thsc. 1,92 somnum imaginem mortis; Ov. am. 2,9,41 ; Tert. a nim. 43,10; al.), daß sicher keine Verbindung besteht. anim. 49,2 Sed quod Libyca gens Atlantes caeco somno transigere dicuntur, animae utique natura taxantur. Porro aut Herodoto fama mentita est nonnumquam in barbaros calumniosa aut magna vis eiusmodi daemonum in illo climate dominatur. Si enim et Aristoteles heroem quendam Sardiniae notat incubatores fani sui visionibus privantem, erit et hoc in daemonum libidinibus, tam auje1-re somnia quam inferre, ut Neronis quoque seri somniatoris et Thrasymedis insigne inde pmcesserit. Nach dem Schlaf kommt Tertullian im zweiten Teil des Exkurses auf die 'Ifäume zu spreche n (Kapitel 45-49). Am Ende der Ausführungen, im Kapitel 49, widerlegt er schließlich einige Meinungen , wonach bestimmte Menschen gar nicht träumen würden . Unter anderem bezieht sich Tertullian auf einen Bericht des Aristoteles (phys. 218b) von einem Heros, der Träume raube. TertulUan erklärt dieses Phäno men unter Rückgriff a uf die oben (a.nim. 47,1) bereits entfaltete Lehre, daß Dämonen die 'fräume senden, damit , daß diese die Träume tam auferre somnia quam inf erre könnten . WASZINK vermutet hinter diesem Ausdruck den Einfluß einer VergilsteUe über den als Dämon betrachteten Merkur, a uf d ie sich TertuUia n etwas weiter unten (a.nim. 53,6) deut licher bezieht (ad l. 517). Es handelt sich um die Darstellung des sich zum Flug rüstenden Götterboten, Aen. 4,244 (24 2- 244): tum virgam capit: hac animas ille evocat Orco I pallentis, alias sub Tartara tristia mittit, I dat somnos adimitque, et Iumina morte resignat. Die Übereinstimmung zwischen tarn auje1're somnia quam inferre und dat somnos adimitque bewegt sieb a llerdings nur auf der semantischen Ebene. Auch wird man die Äußerung Tertullians in ihrem Zusammenhang a ls Ergänzung zu a da emoniis plurimum incuti somnia (anim. 47,1) verstehen müssen: Wenn Dämonen Trä ume senden, liegt es a uch in ihre r Macht, keine Träume zu senden, ohne daß deswegen a ber bestimmte Menschen grundsätzlk h nicht träumen könnten. Die Aussage ergibt sich also aus de m Arg umentatio ns kontext. Vielleicht steht Tertullia.n also a uch hier , was die Strukt ur der Formulie rung angeht , unter dem Ein flu ß der später (anim. 53,6) zitierten Vergilstelle, von e iner Bezugnahme auf den Prä text kann man aber nicht ausgehen.
IV .1.1
Tert ull ia n
369
anim. 50,4 Suspectam enim jaciam tantam raritatem securissimi atque tutissimi sacramenti, apud quod nec pro deo ipso mori Lex est, cum contra omnes iam nationes ascendant in montem domini et in aedem dei Jacob mortem per martyrium quoque ftagitantis, quam de ch?-isto etiam suo exegit. Ter tullian polemisiert gegen den Hä retiker Menander, der mit seine r Ta ufe irdisch e U nsterblichkeit verleihen will . In der Verwendung von securus sieht COU RGELLE (Lecteurs 482) eine "allusion" auf Aen. 6 ,715 (713- 715): tum pater Anchises: animae, quibus altem jato I corpom debentur, Lethaei ad ftuminis undam I securos latices et longa oblivia potant. Zwar verweist W ASZINK ( ad L. 523) auf diese Vergiisteile als Parallele für die kausative Verwendung von securus (öfter in der Dichtung, etwa Ov. Pont. 2,4,23; cj. OLD s.v. securus 2c), zuma.J es in beiden Fällen um eine Flüssigkeit (das Lethewasser bzw. d as besondere Ta ufwasser d es Men ander) geht, aber WASZINK geht zu Recht nicht von e iner Vergilrefere nz a us, de nn zum einen steht securus neben tutus, was die Prägnanz d es E inzelwortes in d en Hinterg rund t reten läßt, zum anderen bezieht Tert ullian securus syntaktisch a uf d as sacramentum, wie auch Scorp. 6,9 lavacrum sanguinis exinde securum. Vielleicht könnte Vergil djesen Sprachgebrauch a ngeregt haben, von einer interpretatorisch verwertbaren Referenz kann man nicht a usgehen . mart . 1,5 Fugiat conspectum vestrum, et in ima sua delitescat contractus et torquens, tamquam coluber excantatu.s et e.ffumigatus. Nach B ÜRN ER (16) könnte der Gebra uch von (ex)cantare a ngeregt sein durch ecl. 8,71 frigidus in pratis cantando rumpitur anguis. Auch wenn cantare ( und Komposita) für eine Schla ngenbeschwörung ansonsten offenbar nur im Zusammen hang m it der Vergilstelle vorkommt (Serv. ecl. 8,71 cantando: dum ei incantatur; Nemes. ecl. 4 ,70 cantavit, quo lumine turnet , quo rumpitur anguis), ist d och excanta1·e für das magische Hera us rufen (cf. Lex X IJ 8,8 ; Sen. nat. 4b,7,2; Varro Men. 151; Hor. ep od . 5,45; Lucan. 6,458; 6,686 ; Comment. L ucan. 6 ,48 1; T h LL V,2 s.v. excanto 1202,12- 46; F. BECKMANN, Zauberei und Recht in Roms Frühzeit, Diss. Münster 1923, 11 Anm . 2) ebenso terminus technicus wie e.ffumigare (cf. T hLL V ,2 s.v. 214,61sq.). All das spricht ebenso wie d er ch ristliche Zusammenhang mit d er Schlange als Versuche rin ( cf. Gen 3, 1- 6) eher für eine un a bhängige Formulierung. orat. 17,2 Nam et ille publicanus, qui non tantum prece, sed et vultu humiliatus atque deiectus orabat, iustificatior pha1'iseo procacissimo discessit. B ÜRNER (18) konstatiert eine "liJ nteressan te Verbindung d es spezifisch chris tlichen hurniliatus und des bereits in der heidnischen Litteratur ausgeprägten deiectus" {Aen. 6 ,862 deiecto voltu, cf. BöMER ad Ov. fast. 2 ,756 [134sq.J). Doch erscheint auch deiectus hä ufig in der christlichen Literatur, b ei Tertullian etwa adv. Mare. 1,6,4 (cf. ßLAISE s.v.). virg. ve l. 14,5 Quantum velis bona mente conetu1·, necesse est publicatione sui
pe1'iclitetur, dum [... } inter amplexus et oscula assidua concalescit. UG LIONE ( Virgilio 5 19sq.) sieht einen Zusammenha ng mit Aen. 1,685-687 te [... } accipiet {. .. ) Dido I 1·egalis inter mensas laticemque Lyaeum, I cum dabit amplexus atque oscula dulcia figet. J edoch werden Umarmung und Kuß seit der Komödie immer wieder zusammen erwähnt (P la u t. Cas . 471 ; Mi!. 245 etc.) , in nachklassischer Prosa s ind amplexus und osculum nebeneinander g ut belegt , etwa Suet. Ot.ho 10,2; Ps. Quint.. d ecl. 10 ,1; 14 ,9 inter oscula, inter amplexus; 15,12 inter oscula amplexusque (mit g leicher Verwendung des inter wie bei Te rt u llian ),
370
IV .I
Ausgeschied en e Parallelen
bei Tertuman selbst idol. 2,2 adulter'ium in osculis et in amplexibus. Die Formulierung ist also ein Gemeinplatz. Zu Tertullians nichtvergilischer und keuscher Dido übrigens oben 85sqq.
spect. 23,2 an deo placebit auriga ille tot animarum inquietator, tot furiarum minister, ro&tratus ut sacerdos coronatus vel coloratus ut leno, quem curru rapiendum diabolus adversus Eliam exornavit '? UGLlONE ( Virgilio 51ü-512) sieht einen Bezug zur D arstellung d es Agrippa (Aen. 8 ,683sq. m·duus agmen agens, cui, belli insigne superbum I tempom navali fulgent rostrata corona) und d es Catilin a (668 sq. {. .. } et te, Catilina, minaci I pendentem scopulo Furiarumque om trementem) in der Schildbeschreibung. Wenn an cüeser schwierigen Tertullianstelle tatsächlich rostratus (nur Codex 0 ) zu lesen sein sollte, muß damit gemeint sein: ' Der Wagenlenker hat (in seiner Kopfbedeckung oder seiner S iegerkrone, cf. Sidon. epist. 8,9 ,6 , kaum seiner Haartrach t) etwas Sehnabeiförmiges an sich wie ein Priester , d er eine Krone trägt, und ist geschminkt wie ein Zuhälter.' Coronae sind Abzeichen priesterlicher Würde (ThLL IV s.v. corona 983,72sqq. ; Tert. coron. 10,9), unklar bleibt jedoch , was rostratus hie r, d.h. auf einen Menschen bezogen, genau meint (zu der insgesamt nicht ganz klaren Stelle CASTOR!NA ad l. 332- 334; 2. Kön 2,llsq., wo freilich der diabolus keinen Anhalt hat). Die Vergilstelle t rägt a lso weder zur textkritisch en Klärung bei noch ist sie irgendwie als Vorbild anzusehen: Denn zum einen geht es bei Tertullian auf keinen FaJJ um eine corona rostmta, also ein militärisches Ehrenzeichen , das Vergil meint. Zum anderen bat der Facbausdxuck (cf. Plin . nat. 22,6) auch nk hts typisch VergiHsch es. Außerdem meint Tertullian mit furiae hier wahrscheinlich wie spect. 16,4 cüe Raserei der Zuschauermassen. Agrippa paßt ebensowenig in d en Kontext wie Catalina, es wäre nicht komisch (so UGLIONE Virgilio 512) , sondern störend, wenn sie evoziert würden. Nur so wirkt a uch die Pointe, cüe in der d er G leichstellung von sacerdos und leno liegt. Der auriga erscheint hie r als nied ere Ha lbweltgestalt ( cf. Tac. ann. 15,67,1 al. ) in einer lächerHch en und unwürcügen Aufmachung. coron. 12,2 Cum et myrto ait milites redimiri solere, ' Veneris enim ' ( inquit} 'myrtus , matris Aeneadum, et iam amiculae Martis, per Iliam et Romulos et Romanae.' Sed ego Venerem non credo ex hac parte cum Marte Romanam, quae paelicis . . . . .. . . dolor est. B ÜRNER (17} sieht eine Verbindung zu Verg. ecl. 7,61 sq. Populus Alcidae gro.tissima, vitis l accho, I f ormosae myrtus Veneri, sua laurea Phoebo. Daß jedoch cüe My rte in den Ven uskuJt gehört , ist eine oft erwähnte Tatsache ( cf. R ScmLLI NG, La re ügion roma ine d e Venus, Paris 1954 , 218sq. ; BöMER ad Ov. fast. 4,15 [207]; A. STEIER, ' Myr tos' , RE XVI, l [1933] 1171- 1183, h.ier 1180; T h LL VU 1750sq. s.v. myrtus; etwa Plin . na t . 15, 125; GeU. 5,6,20 etc.), für die Tertullian nicht Verg il konsult ieren muß, zumal er hier wie coron. 7; 10; 12; 13 a us dem Werk eines Claudius Sa t urnius, vielleicht zu ident ifizieren mit einem Rechtsgelehrten des 2. Jahrhunderts (cf. P. J ÖRS, 'Claudiu.s 333)', RE 111 [1899] 2865sq.), ü ber Kränze referie rt.
1.2
Minucius Felix
3,5 eandem emensi viam rursus versis vestigiis terebamus: Die von BüRNER ( 12sq.) angenommene Verbindung zu Ve rgil, georg. 1,380 formica
IV .1.2
Minucius Felix
371
t erens iter, e rscheint kaum zwingend, da die We ndung iter bzw. viarn terere durchaus geläufig ist ( cf. OLD s. v. tero; Varro ling. 5 ,4 ,22 a usdrücklich als Wendung ; C ic. Bru t. 281; Sen. dial. 7,1,2; NUn. Fel. 36,6).
5,9 nebulas sernper adolescere, quibus densat'is coactisque mLbes altius surgere: Die Wendung altius surgere führt B ü RNER (13) a uf Ae n . 10,8 13 saevae iarnque altius irae I Dardanio surgunt ductori z urück. Doch ist ctie Junktur in nachklassische r Prosagut belegt (in Juxtaposition wie bei Minucius Felix Sen. dial.10,17,4; epis t . 19,13 und Quint. ins t. 4 ,27 ,7; Mela 2,3 1; cf. 1,53; 3,101).
8,4 Ausgehend von d e r Konjektur lu.cifuga statt des lbtcx~ )..q61J.&vov lucifugax ( cf. T hLL VII,2 1712, s.v. lucifugax) ist. d as in der Aussage übe r die C hristen luciju.ga natio verwendete Adje ktiv nach B ü RNERS Meinung (13, mit Verweis auf georg . 4 ,243: lucifugis congesta cubilia blattis) ursprünglich Vergilisch. J edoch gebraucht Ve rgil das Wort de anirnalibus (ebenso dann Te rt. adv. Val. 3; Arnob. na t . 6 ,16) , wäh.re nd M inucius Fe lix es (wie Lucil. 468; C ic. fin. 1,61 ; Carm. de fig . 29; Rut. Nam . 1,440) de hominibus, conturneliose dieturn anwendet ( cf. T hLL V ll ,2 s .v. lucifu.gus 1712), s o daß hie r Verg.ilischer Einfluß gewiß auszuschließe n is t . Sie he unten (379) zu Novatian. cib. iud. 3,23. 17,6 Relinquenda vero astrologis prolixior de sideribu.s oratio, vel quod regant CU1'surn navigandi vel quod arandi m et endiqu e ternpu.s inducant. Die Aussagen übe r die Sterne als Anzeiger der Zeit von Aussaat und Ernte und a ls Weise r des rechte n Ku.rses a uf de m Meer s ind wohJ zu a llgemein, um s ie mit B ü RNER (14) gerade auf georg. 1,252sq. hin c lsc. a us de n Bewegungen der Gestirne] ternpestates dubio praediscere caelo I possurn1LS, hinc messisque diern t ernpusque sercnd·i zu bezie hen , zumal de r gesamte Kontext von Ciceros de natura deorum beeinflußt (vgl. insbesonde re C ic. naL. deor. 2,155 lam ve?'O circurnitus solis et lunae reliquon1.rnque siderum, quamquam etiam ad mundi cohaerentiam perti n ent, tarnen et spectacultLm hornin ibtLS praebent; nulla est en im insatiabilior species, nttlla pulchrior et ad ration em sollerti amque praestantior; eorum enim cursus dim etati maturitates temporu.m et varietates mutationesque cognovimu.s.) und d er Gedanke an s ich ein alter Topos is t.. So heißt es schon Hes. op . 383sq. IlAT)l6:8wv 'AtAcxy&vtwv E1tl't&AAO!J.Ev6:wv / lipx.&a6' &!J.i]'tou, &p6'tOlO 8~ 8uoo~&v6:wv. 18,11 curn ad caelurn manus t endunt Eine Bezie hung zu Ae n . 10,845 ad caelum tendit palmas besteht entgegen B ü RNER (14) und DOUCLAS S I ~ IPSO N ( 27) woh l nicht: Zum eine n ist die Geste a n s ich durchaus üblich , zum and e re n die Formulie rung ad caelum rnanus tendere in der Pros a häufig (Caes. civ . 2 ,5,3 ; Sall . C ati l. 31 ,3; C urt. 7,28; Li v. 25,37,9 ; 26,9 ,8 ; 35,31 ,13). in d er DichLung hingegen selt e n , bei Ve rgil komm t sie nur einmal, Ae n. 3,176sq., vor. Überha upt zie ht d ie Dichtung variie re nde Ausdrucks weisen vor, cf. Aen . 2,688; 12,196 ; Manil. I ,388 ; Ov. me t. 2,580; 9 ,210.293). Vorbild is t hier wohl T ert. apol. 24,5 Colat alius deum, alius Iovern; alius ad caelurn rnanus supplices t endat, alius ad aram fidei fmanusj; alius nubes numeret orans, alius lacunaria; alius suam animam deo su o voveat, aliu s hirci. Sie he aber obe n (248) zu Cypr. For t . 8. 19,3 D eprehendes eos, etsi sermon'ibus variis, ipsis tarnen rebus in hanc tLnam coif·e et conspim re sententiam . Die Junktur varius sermo is t so häufig (allein be i C icero: leg. agr. 2,95; De o rat. 2,3; 3 ,60.67; orat. 12; fin . 5, L; nat. deor. 1,6; Cato 47; ad fam. 2,5,1; 8 ,10,2; 9,16,4 ; Att.
372
IV .1
Ausgesch ied e ne Parallelen
16,2,4) , daß de r von BÜRN ER {14) vermute te nähe re Zusammenhang mit Aen. 6 ,160 (inter sese vario sermone serebant) gew iß nich t besteht, zu mal s ich die Semantik von sermo Min. Fel. 19 ,3 un d Ae n . 6,160 de utlich unte rscheide t .
20,3 Centauros equos suis hominibus inplexos, et, quicquid famae licet fingere, illis fsc. maioribus nostrisj erat libenter audire. Die Verwe ndung von implexu.s sieht B üRNER (14) b eeinflußt durc h georg. 4,482sq. implexaeque crinibus angues I Eumenides. Jedoch hat die Konst ruktion von implexus Min. Fe l. 19,3 nichts Ungewöhnliches ( cf. Plin. nat. 2,117; 33,13; Apul. met. 3 ,15; apol. 8) , zumal gerade d er für die Verg ilstelle signifikante Akkus ativgebrauch (cf. KS I 289) nicht übe rnommen is t. 25,3 cum earum parentibus, id est cum soceris suis, bellum miscuit Nach B üRNERs (14) Ansicht beste ht ein Zusammenhang zwischen bellum miscuit Min. Fel. 25,3 und proelia miscent Aen. 10,23. J edoch ist die We ndung proelia sim. miscereseit Lucr. 4,1013 sehr geläufig (cf. T hLL VIII s.v. misceo 1084,4145; cf. 1085 ,11) , vorwiegend alle rdings in der Dichtung, in Prosa etwa Liv. 2,19,5
certamina miscuere.
25,10: Für Minucius Fe lix ' Vorwurf an die Vestalinnen inconsultius se viris miscuissent ne hm en , in bezugauf die Fo rmulienmg se viris miscere, BüRNER (14) und CouRCELLE (Lecteurs 102) Aen . 1,440sq. inf ert se saeptus nebula (mirabile dictu) I per medios, miscetque viris neque cernitur ullis als Vorbild a n , wo es um d en Weg d es in e iner Wolke verborge ne n Ae neas durc h Kar thago geht . De r Gebrauc h von miscere jedoch sensu amatorio is t sehr geläufig ( cf. ThLL VIII s. v. misceo 1081 ,46- 55) , und auch be i Minucius Fe liJC nicht sing ulär {31 ,3, als Präpositionalko ns trukt ion m it cum). Oie Ve rwendung von miscere mit de m Da t iv in Anlehnung a n d as griechische !J.Elpu!J.<Xl 'tlVl taucht zwar e rs tma ls be i Yergil a uf (Aen . 7,661 mixta deo, cf. T hLL VIII s.v. misceo 1087,43- 69), nicht a ber in de r hie r wie schon Ov. met. 5,638; 13,866; Apul . Plat. 1,1 vorliegende n reflexiven Konstr uktion. Mi t Siche rheit karm also Ae n. 1,440sq. a ufgrundder vollkommen ande re n Sinnrichtung ke inen E influß auf die Form ulierung Min. Fel. 25,10 haben , bestenfalls liegt ein unbewußter Reflex de r vergilische n Übe rnahme d er Dativkonstrukti on bei miscere zum Ausdruck eine r sex uellen Vere inig ung vor.
37,9 Rex es? sed tam tim es quam tim eris et, quamlibet sis multo com itatu stipatus, ad periculum tamen solus es. Für die Formulie rung multo comitatu stipatus nimmt B ECKER ( Octavius 59 Anm . 8 1) das YergiUsche lt e rat um magna stipante caterva ( Ae n . 1,497; 4,136, beide Male für D ido und ihr Gefolge) als Vorbild a n. Doch zum einen findet s ich d as einz ig gem e insame stipare sehr häufig für eine Begleiterschar in d e r bei Minucius Felix vor liegenden passivischen Part izipialkonstruktion ( cf. O LD s. v. stipo: seit Titius und C icero in d er Bede utung "to s urround (a pe rson) closely (wi t h gua rds, attend ants, o r s im .)." F ORCELLINI s.v. stipo !I 2; etwa C ic. Mur. 49; Verr. 2,4 ,86; Sest . 95.147; P n il. 2,6; 13,8; wie hie r ü ber einen rex Val. Max. 3,2,5; C urt. 5,1 ,3 ; 10,7,17; kö nigliche Entourage als stipatores und comitatus Apul. mund. 26). Zum a nde ren stimm t der A ussagegehalt nur in d e m a llgemeine n Punkt übere ins, daß es sich an be ide n Stelle n um d as Gefolge eines Königs handelt , dessen Erwähnung hier freilich ganz in die Topik von de r Autark ie des (stoische n) Weisen (cf. CLARK E ad l. 368 Anm. 632; P OHLENZ I 261- 263) gehört, formal ä h nlich wird s ie ausgeführt etwa Apul. Socr. 23; cf. Sen. Herc. 0 . 604--615; zum sprichwörtlichen C harakter
IV .1.3
Novatian
373
von tam times quam timeris ÜTTO 349 Nr. 1785. J ed enfalls spricht nichts für eine Einwirkung Vergils.
38,2 His [sc. fioribusj enim et spa1·sis utimur mollibus ac solutis et sertis colla complectimu1·. Die in mollia serta angenommene Vergilremiruszenz (Aen. 7,488 mollibus intexens omabat cornua sertis) veranlaßte DOMBART (und nach ihm WALTZING und SCHÖNE) zu einer heute nicht mehr vertretenen Textumstellung (mollibus nach sertis) . Freilich ist weder die AuJassung von serta als Substantiv zwingend (als Adjektiv in ähnlichem Kontext Apul. met. 2,16; 4,29; 10,32, cf. P ELLEGRINO ad l.) , noch auch verweist die Junktur mollia serta besonders auf Vergil, find et sie sich doch auch Prop. 3,1 ,19; Tib. 1,7,52; 2,2,6; Ov. fast. 5,340; Stat. silv. 2,7,15; Mart. 7 ,89 , 1.
1.3
Novatian
trin. 1 ,1 Regula. exigit veritatis ut p1-imo omnium credamus in deum patrem et dominum omnipotentem, id est rerum omnium perjectissimum conditorem, qui caelum alta sublimitate suspenderit, terram deiecta mole solidaverit, maria. soluto liquore diffuderit et haec omnia propriis et condignis instrumentis et ornata et plena
digesserit. Für die Formulierung omnia digerere möchte B ü RNER (27) Aen. 2,182 ita digerit omina Calchas m it der in einigen späteren Handschri ften (vor a llem Codices des 9. Jahrhunderts, nach RIBBECK zu m Teil in Rasur, aber vielleicht im Veronensis) überl ieferten Lesart omnia als Vorbild annehmen. Aber selbst wenn Novatian (als lectio jacilio1·) omnia gelesen hätte, spricht zum einen die semantische Divergenz der Kontexte, die auch BÜRNER einräumt, gegen einen Zusammenha ng, da bei Vergil Zeichen gedeu tet (aber: ThLL V s.v. dig ero 1118,7 liest omnia; cf. Q uint. inst. 10,4, 1 inordinata digenlre), bei Novatia n hi ngegen eine We ltordnung geschaffen wird. Zum anderen schließt die Unauffälligkeit der Verwendung von dig ero (nach ThLL V s.v. 1116 ,8- 14 ab Cato, dann hä ufig in der nachklassischen Prosa), d ie in ä hnlicher Form und ä hnlichem Kontext bei den a nderen frühchristlichen Autoren zu beobachten ist (Tert. apol. 19,1 * penes quem [sc. Moys enj et temporum ordo, digestus ab initio, S1Lpputationem saeculi praestitit; Min. Fel. 5,7 totius mundi membm coalita, digesta, jmmata; Novatian. trin. 16,9 rerum omnittm ordo digestus sit; Arnob. nat. 1,8 prima materies qttae in rerum qu.attuor elementa digesta est), ei ne bewußte Referenz aus.
trin. 1,9 Et n e in periculum caderet rursum soluta libertas, mandatum posuit, quo tarnen non inesse malum in jructu. arboris diceretur, sed juturum, si forte, ex voluntate hominis de contemptu datae legis praemoneretur. Die Formulie rung soluta libertas nach HARNACK (41) mit georg. 2,386 risus solutus in Beziehung zu setzen , ist a ngesichts der P rosabelege für diesen Gebrauch von solutus (OLD s.v. solutus 12a, cf. Sen. dial. 5,37,1 solutiorestpost vinum licentia; soluta libertas etwa Val. Max. 7,2,6; Cod. Iust. 27 ,1,24pr.; l ulian. in psalm . 9,176) n icht ha lt bar. trin. 1 , 14 Nam neque quae infm terram iacent, neque ipsa sunt digestis et ordinatis potestatibus vacua - locus enim est quo piorum animae impiorumqu.e ducu.ntur
374
IV .1 A usgesdüedene Parallelen
futu.ri iudicii praeiudicia sentientes - , ut operum ipsius in omnibus partibus redundantes magnitu.dines non intra mu.ndi hu.ius capacissimos licet, ut diximus, sinus conclusas videremus, sed etiam infra ipsius mu.ndi et pro.funda et altitudines cogitare possemus et sie considerata oper-um magnitu.dine tantae molis digne mirori possemus artificem. HARNACK (41) sieht hier den bekannten Vers Aen. 1,33 tantae molis erat Romanam condere gentem (zitiert Quint. inst. 8,5,11; cf. Paneg. 12,24,2) nachwirken. Doch zum eine n erscheint die Formulierung tanta moles in der Prosa, vor allem der spätund nachklassischen , sehr häufig (etwa Cic. Cat. 3,17; Liv. 1,9,5; 5,37,1; 8,3,4; 10,16,4; 22,54,10; 26,6,9; 26,19,9; 27,49,2; 29,35,9; 33,20,2; 38,46,4; C urt. 4,3,7; 5,3,21 ; 8,10,32; Sen. dial. 1,6,8; 10,18,5; benef. 4,24 ,1; epist. 111 ,5; 117,32; nat. 4a,2,6; Plin. nat. 2,6; 2,26; 36,6; 39,95; 36,96; 36,106; Tac. hist. 2,16; 2,74; ann. 1,4; 1,11 ; 12,66; Suet. Aug. 84,1; Flor. epit. 2,18; ApuJ. met . 7,18; flor. 2,22), zum a nderen unterscheidet sich die Semant ik: Vergil verwendet moles im Sinne von 'Schwierigkeit, Anstrengung' (cf. ThLL Vlll s.v. moles 1340,15-19), Novatian hingegen bezeichnet damit die Welt in ihrer materiellen Gesamtheit ( cf. 1343,52-81), wie es bei den frühen C hristen häufiger vorkommt (Tert. apol. 17,1 qu.od colimu.s, Deus u.nu.s est, qui totam molem istam [... ] de nihilo expressit; adv. Hermog. 30; Min. Fel. 11 ,1; 34,4; Arnob. 1,2; 1,9; 2,37; 3,35 und bei späteren). Zwar läßt sich dieser Sprachgebrauch vielleicht auf die kosmologische Dichtung (Lucr. 5,96 moles [... ] mu.ndi; Verg. Aen. 6,727 mens agitat molem; Manil. 1,478; 4,878) zurückführen, a ber eine Referenz auf Aen. 1,33 ist nicht faßbar. trin. 2,10 Nam si ad solis aspectum oculorum nostrorum acies hebetescit, ne orbem ipsum obtutus inspiciat obviorum sibi superatu.s fu.lgore mdiorum, hoc idem mentis acies patitu.r in cogitatione omni de deo, et quanto ad considerondum deum plus intenditur, tanto magis ipsa cogitationis suae luce caecatur. Der Formulierung acies hebetescit liegt kein , wie HARNACK (41) meint, Vergilischer (Aen. 2,605 mortalis hebetat visu.s tibi; 6,200 qu.antu.m acie possent oculi servare sequentum), sondern der übliche Sprachgebrauch zugrunde ( hebetescere ist terminus technicus, cf. ThLL VJ ,3 s.v.; zu acies oculorum ThLL I s.v. acies 400,74- 401 ,15), cf. Cic. fin. 4,56 hebes acies est cuipiam oculorum; Plin. nat. 20,48 aciem oculorum hebetare traditu.r. trin. 2,12 Minora enim sint necesse est omnium genera virtutum eo ipso qu.i virtu.tum omnium et deus et parens est, u.t vere dici possit id deus esse qu.od eiusmodi est cui comparari nihil potest. Super omne est enim quod dici potest, m ens est enim quaedam gignens et complens omnia, quae sine ullo aut initio au.t termino temporis causas rerum naturaliter ne:z:as ad u.tilitatem omnium summa et perfecta ratione moder-etur. Die Formulierung causas nectere, die HARNACK ( 41) a uf Aen. 9,219 ca'I.I.Sas nequiquam nectis inanis zurückführen will , divergiert zum einen semantisch von Vergi) (Novatian beschreibt Naturzusammenhä nge, VergiJ meint vorgebrachte Bedenken und Argumente), zum a nderen ist weder der Gebrauch von nectere (cf. OLD s.v. 7 "to connect causally" ) noch die Junktur ( z. B., etwa im Sinne Novatians, Cic. div. 1,125 Fatum au.tem id appello, quod Graeci EliJ.<XPIJ.EVTJ, id est ordinem seriemque causarum, cum causae causa nexa rem ex se gignat.) in Prosa ungewöhnlich. trin. 8,10 Sub iugo enim naturalis legis omnibus datae alia quasi frenis revocata retrahuntur, alia quasi ejJu.sis habenis excitata impelluntur.
IV.l.3
Novatia n
375
Die Formulierung habenas effundere - hie r mit quasi, absolut nochmals cib. lud. 4,3 effusis [. .. } habenis (. .. } crescit - (cf. ThLL V,2 s.v. effundo 218,78- 219,3) erscheint zwar in fini ter Form erstmals bei Vergil (Aen . 5,818; 12,499) , den Ausdruck effusis habenis a ber verwendet Livius als feste, schon ganz deverbalisierte Wendung (37,20,10 Superlativ (!) ; Aug. cons. evang. 1,33,51 Kompa rat iv ; im Posit iv etwa Curt. 7,7 ,35; 7 ,9, 13; 8, 16,4; Front in. strat. 2,5,31 ), Valerius Maximus in übertragener Bedeut ung (4,6 ext. 2 effusis caritatis habenis amavit; cf. Aug. in psalm. 142 enarr. 13,23 habenis in-iquitatis effusis; cons. evang. 1,33,51) - dieser Befund läßt a lso a n eine sprichwörtliche Me tapher a us dem Reiterjargon denken (OTTO kennt s ie a llerdings nich t) . Überd ies liegt der Lebensbereich, aus dem das secundum gegriffen wird , so na he, da ß sich d ie von B üRNER (27) und C OURGELLE (414) postulierte Verbindung zu VergiJ nich t halte n läßt. Übrigens scheint auch das von Novatia n para llel gesetzte (zusamme n mit sub iugo zu sehen) frenis r·evocare ins meta phorische Instrumentarium zu gehören , jedenfalls findet es sich schon bei Valerius Maximus (9,2 pr. etenim quem modum sibi ipsa statuet [sc. crudelitas}, si ne suggillationis quidem frenis fuerit revocata?) - Vielleicht variiert vielmehr Vergil eine Redensart effusis habenis, indem er sie (archaisierend?) reverbalis iert (deutsch etwa 'de n Galopp strecken' aus 'in gestrecktem Galo pp')? Die verbale Formulierung erscheint jedenfa lls nur in Dichtung b ei und nach VergiJ. trin. 16,9 Nam cum apud Deum et personarum et rerum omnium ordo digestus sit, ante hanc praedestinationem. Christi in gloria m ulti praedestinati fuisse dicentur. Die Wendung O?'do rer-um., die Bü HNER (27) von Aen . 7,44 maior rerum mihi nascitur ordo (zitiert Amm . 15,9,1; cf. FouGHER 105) beeinflußt sieht, find et sich häufig in der Prosa (cf. ThLL IX ,2 s.v. ordo 958,5 1- 71 ; C ic. har. resp . 19; nat. 2,15; div. 2,148; Liv.25,6,6). trin. 28,30 Campus enim et quidem Latus ac fust,s aperietur, plenit~ haereticum istum si agitare voluerimus, qttandoquidem duobus istis locis quib·u sdam effossis luminibus orbatus totus sit in doctrinae suae caecitate superotus. Als Vorbild für die Formulierung effossis luminibus sieht B üRNER (27) Aen . 3,663 luminis ejJossi fluidum. lavit inde cr'Uorem. J edoch ist die Wendung Lumina effodere (neben dem gebrä uchlicheren oculos effodere) gut belegt (cf. T hLL V,2 s.v. effodio 196,4ü-72, die Junkt ur Ov. a rs L,339; Lucan. 2,185; Florent. d ig. 18,1,43,1; Ps. Rufin . in Am. 1,1), a ußerdem erscheint Lumen im Zusammenha ng mi t dem Verl ust des Augenlichts - oft z usa mmen mi t de m von Novatian hier redunda nt verwendeten orbare - in P rosa häufig ( cf. ThLL VII ,2 s. v. Lumen 1818,35-62). In der Junktur Iumen effodere liegt also a lso nichts Vergilisches, z u vergleichen sind mit der insgesamt übert ragenen Novatia nsteUe wo hl ehe r VeU. 2,52,3; Lact. inst. 7,25,8. Cypr. epist. 30,1 ,1 Cyp1'iano papae presbyteri et diaconi Romae consistentes s. ( 1) Quam.quam bene sibi conscius animus et evangelicae disciplinae vigore subnixus et ven~ sibi in decretis caelestibus testis ejJectus soleat se solo Deo iudice esse centus nec alterius aut Laudes petere aut accu~a tiones pertimescere, tamen geminata sunt laude condigni qui, cum conscientiam sciant deo soli debe1·e se iudici, actus tamen suos desiderant etiam ab ipsis suis fm tribus conprobari. Die Wendung bene sibi conscius animus (hier wie a uch pudic. 3,1 Pu dicitia semper ornatur solo pudore, bene sibi tune conscia de pulchritudine, si im probis displicet.) steht nicht, wie B ÜRNER (29) und CouRGELLE (119) meinen, mit Aen. 1,604 mens
376
IV . I
Ausgeschiedene Parallelen
sibi conscia recti in Zusammenhang, sondern eher mit einer meist persönlich gebrauchten spezifisch chris tlichen Formulierung bene sibi conscius ( cf. ThLL IV s. v. conscius 372,25-373,42; Tert. resurr. 16 calix bene sibi conscius; Cypr . laps. 31 ; Novatian . cib. lud. 2,6; pudic. 3, 1; Aug. Hb. arb. 1,2 I. 11 ; epist. 23,1; 78,2; serm. 51,406; 71 ,29 civ. 1,28; util. cred. 1,1 etc.; Sid. epist. 1,7,3 dazu Helga KöHLER, C. SoUius Apollinaris Briefe Buch I, Heidelberg 1995: "mit reinem Gewissen"; C la ud. Mam. a nim. 1,2). Oie vorliegende Ergänzung mitanimus läßt sich aus dem üblichen Sprachgebrauch erklären animus sibi conscius {ähnlich schon Plaut. Most. 544; vor a llem Seneca, etwa dial. 3,20 ,3; 6,11 ,4; nat. 6,2,4; epist. 116,5), im christlichen Zusammenhang fmdet sie s ich etwa a uch Aug. de mend. 4 ,4. Hinter dem Ausdruck geminata sunt laude condigni scheint die Formel geminatus honor (Liv. 39,39,9; C urt. 6,5,22; Plin. paneg. 92,1; cf. ThLL VI ,2 s.v. gemino 1738,37- 75) zu stehen , eine nähere Beziehung zu de m von H ARNACK (41 ) angeführten georg. 2,508sq. plausus {. .. j geminatus läßt sich jedenfalls nicht fassen. Cypr. epist. 30,2,2 Nec hoc nobis nunc nuper consilium cogitatum est nec haec apud nos adversus inprobos modo supervenerunt repentina subsidia, sed antiqua haec apud nos severitas, antiqua fi.des, {disciplina Legitur antiqua,J quoniam nec tantas de nobis Laudes apostoLus protulit dicendo quia fides vestra praedicatur in toto mundo, nisi iam exinde vigor iste radices fidei de temporibus illis mutuatus fuisset, quarum Laudum et gloriae degen erem fuisse maximum crimen est. Minus est enim dedecoris numquam ad praeconium Laudis accessisse quam de fastigio Laudis ruisse. Das Wo rt degener, auf dessen Vorkommen Aen. 2,549; 4, 13 H ARNACK {4 1) verweist, erscheint zwar zunächst nur in der Dichtung, wird aber in der nachklassischen Prosa geläufig (cf. ThLL V s.v. 379,65sq.). Der hier vorliegende Gebra uch mit Genitiv irn Sinne von '(einer Fähigkeit) unteilhaftig' ist belegt ab Ovid, dann in Prosa (380,18- 29, etwa Plin. nat. 5,44 ; Tert. adv. Val. 30; etc.). Cypr. e pis t. 30,3,3 Absit enim ab ecclesia Romana vigorem suum tarn profana facilitate dimittere et nervos severitatis eversa fi.dei maiestate dissolvere, ut cum adhuc non tantum iaceant, sed et cadant eversorum fratrum ruinae, properata nimis remedia communicationum utique non profutura praestentur et nova per misericordiam falsam vulnera. veteribus tra.nsgressionis vulneribus inprimantur, ut miseris ad eversionem maiorem er'ipiatur et paenitentia. H ARNAC K (41) sieht hier eine Gemeinsamkeit mit Aen. 11 ,613 conixi incurrunt hastis primique ruinam / dant; 11,888 pars in pra.ecipitis fossa.s urgente ruina I volvitur im Gebra uch von ruina für Kämpfe nde. Doch findet sich ein aktivisch auf Personen übe rtrage nes ruina schon C ic. prov. 13 publicanorum ruinas; Sest. 109 De me, quem tyra.nnum atque ereptorem libertatis esse dicebat illa ruina rei publicae, dicit se legem tulisse. Cypr. e pist. 30,5,4 Non sit minor medicina quam vulnus est, non sint minora 1-emedia quam funera. , ut quomodo qui ruerunt hoc ruerunt quod caeca temeritate mmis incauti fuerunt, ita qui hoc disponere nituntur, omni consiliarum moderamine utantur, ne quid non ut oportet f actum tamquam inritum ab omnibus iudicetur·. Auch Aen. 11 ,781 caeca sequebatur (sc. venatrixj totumque incauta per agmen I f emineo pra.edae et spoliorum ardebat amore finden s ich, so H ARNACK (41) , caecus und incautus, ebenfalls in etwa pa rallel. Zwar is t dieses Zusammenkommen selten belegt (nach PHI 5.3 ansonsten nur Zeno 1,4,7 animus infidelis etiam sibi; actus improvidus, instabiLis, caecus, incautus, inconstans, totus concitatus in ruinam; res
IV. l.3
Novatian
377
sine substantia, negotium sine persona ?) , a ber weder besteht eine Junktur im eigentlichen Sinne noch ist Novatia ns Formulierung caeca temeritate nimis incauti fuerunt irgendwie auffällig: Incautus erscheint öfter in der christ lichen Litera tur (Cypr. unit. 2; epist . 16,4 tem em1'ii et incauti et tumidi quidam ; Arnob. nat. 5,9; La.ct. inst. 4,30,3; als Substantiv Cypr. Fort. praef. 2; Min. Fel. 9,5; wie hier für die Abgefallenen Cypr. la ps. 15 laxatur incautis communicatio; cf. T hLL VII,! s.v. incautus 851,3- 64; 852,6- 14) , die sinnverwand ten Begriffe incautus, temer-arius (hier: temer·itas) und caecus werden gern kombiniert, etwa Curt. 9,8,21 incautum et tememrium regem; Cypr. epist. 16,4 temerar'ii et incauti et tumidi quidam; C ic. inv. 1,2 caeca ac temeraria dominatrix animi cupiditas; Apul. met. 8,16 caecae j estinationis temeritate; Sen . benef. 4,31,3 me homines [.. .] caecum ac temerarium dicent.
Cypr. epist. 30,6,3 Castrorum caelestium excubent portis, sed armati modestia qua intellegant se dese·rtores fuisse. Resumant pr·ecum suarum tubam, sed qua non bellicum clangant. Mi t HARNACK (41) und B ÜRNER (29) in den Wor ten tuba und clangereeinen color Ver·gilianus zu sehen, ist schwierig: Zwar erscheint das Substant iv clangor für den Ton der t1lba ab Vergil (da zu oben [203] zu Novatian. spect . 7,2 clangores tubae {. ..} imitatur raucos), a ber zum einen ste ht clanger·e hier eben nicht in direkter Junktur mit tuba, zwn anderen find et sich die zugrunde liegende Formulierung instrumentis quibusdam sonum clanger·e häufig in der Vulgata, dürfte also in dieser Form nichts erkennba r Vergilisches me hr a n sich haben , cf. ThLL IU s.v. clango 1262,6- 16; Apul. mund . 30 nam cum tuba bellicum cecinit, milites clangor·e incensi f.. .}. Cypr. epist. 30,7, 1 Immo si dedecoris admissi magnitudinem perhorrescunt , si pectoris et conscientiae suae letalem plagam et sinuosi vulner'is altos recessus vere medica manu tmctant, erubescant et petere, nisi quia maioris est 1-ursum et periculi et pudoris auxilium pacis non petisse. HARNACKs (42) Einlassung zu r Stelle: "das ist ganz Vergilisch, sowohl pectus als auch letalis als plaga als de r letzte Ausdruck" hä lt einer näheren Überprüfung kaum Stand: Pectus a ls O rt, an dem man a ngegriffe n oder verwundet wird, hat nichts spezifisch Vergilisches ( cf. T hLL X, I s. v. pectus 909,5-30), e bensowenig plaga (cf. OLD s.v.; in der vorliegenden Bedeut ung 'Wunde' a b C urt . 9,8,20) und recessus ( cf. OLD s. v. recessus2 3 'A receding pa t-t , recess, depression ': wörtlich Belege a b Aen. 8,193 spelunca f... j vasto recesstL f ... j, übert ragen schon C ic. de or. 3,101 ; ähnlich der vorliegenden Verwendung P ljn . nat. 8,121 oculi in recessu cavo) . Sinuosus scheint zwar vorVergilisch nicht belegt, fi ndet sich aber in nachklassische r Prosa (cf. OLD s.v.; zur vorliegenden Verwendung etwa Plin . na t . 11,182 Prima domicilia intra se animo et sanguini praebet sinuoso specu et in magnis animalibus triplici, in nullo non gemino. Max. Ta ur. serm . 42 I. 79 CC; Petr. C hrys. serm. 24 I. 5 1 CC; Aug. de d uab. an.im . 11 ; Hier. epis t . 3,54). Auch letalis erscheint nicht vor VergiJ , in Prosa a ber a b Seneca. (cf. T hLL VII ,2 s.v. 1183,54), hier a ber hier Liegt eine christliche Sonderverwend ung (ab Ter t. spect . 27) vor, bezogen a uf die mors spiritualis ( 1184,29- 6 1, hier 40, cf. Cypr. la ps. 15 Operiuntur morientium vulnera et plaga letalis altis et profundis visceribus infixa dissimulato dolore contegitur.). Cypr. epist. 30,8,1 {. .. } cum quibusdam episcopis vicinis nobis et adpropinquantibus et quos ex aliis provinC'iis Longe positis persecutionis istius ardor eiecerat f.. .]. Die Verwendung von ardor· lä ßt sich kaum nach HARNACKs (42) Vorschlag mi t Aen.
378
IV . 1 Ausgeschiedene Parallelen
4,581 idem omnis simul ardor habet in Verbindung bringen , vergleichbare Junkturen ( ardor imrum, cupiditatum, avaritiae) ke nnt schon die klassische Prosa, etwa Cic. div. 1,61; fin. 1,43; 5,50 etc. (cf. ThLL II s.v. ardor491,8- 10). Cypr. epist. 36,1,1 Cum perlegissemus, fmter carissime, litteras tuas quas per fortunaturn hypodiaconum misems, gemino sumus dolore percussi et duplici maerore confusi, quod neque tibi requies ulla in tantis persecutionis necessitatibus traderetur et lapsorum fmtrum inrnoderata petulantia usque ad periculosam verborum temeritatem producta denotaretur. Für die parallele Verwendung von geminus und duplexverweist HARNACK (42) a uf Aen. 4,470 et solem gerninum et dupli ces se ostendere Thebas. Trotz der Auffälligkeit dieser Vergilstelle (zitiert Ter . Maur. 1204; nach Serv. auct. ad l. übernimmt Vergil Eur. Bac. 918sq. xat ~i)v opiiv ~OL Mo ~tv i}Xlou< ~oxw, / 8Laaa< 8t 8i)ßa<-) aber ist der para llele bzw. synonyme Gebrauch der beiden Adjektive so nah eliegend ( cf. T hLL V s. v. duplex 2266,24- 26; 2271 ,26sq.) und zunächst in der Dichtung, dann in de r nachklassischen Prosa so hä ufig (etwa Lucr . 4,274; Tib. 3,7,105; Sen. Ag. 729; Manil. 2,662; Plin . nat. 11,102; 11,209; Cypr. eleem. 19; Clu-omat. in Matth. 2 l. 21; Aug. epist. 109,1; Serv. Aen. 2,661; Boeth. in Porph. comm. 1,2,3), daß eine dezidierte Vergilre ferenz nicht anzunehmen ist. Cypr. epist. 36,1,2 Quos quidem satis rnimti surnus ad hoc usque prosilire voluisse, ut tam urgenter et tarn inmaturo atque acerbo tempore, in tarn ingenti et inmenso crimine atque delicto pacem sibi non tam peterent quarn vindicarent, immo iarn et in caelis habere se dicerent. Sowohl acerbus (ThLL I s.v. 368,5- 46 ab Plautus) als auch imrnaturus (ThLL Vll,1 s.v. 445,68- 446,4 a b Cicero) sind geläufige Ausdrücke für einen frühen, unzeitigen Tod . Eine Verbindung zum entsprechenden Gebrauch der Vokabeln bei Vergil (Aen. 6,429 = 11 ,28; 11,166), wie H ARNACK ( 42) sie sieht, läßt. sich nicht. fassen. Cypr. epist. 36,2,1 Nam et evangelii jmcta iam et iacens videbitur esse maiestas, si potuit a.lterius decreti novitate superat'i, et de rnar·tyrurn capite gloriosa confessionis corona detracta, si non illarn de evangelii conservatione invenientur consecuti, unde martyres fiunt , ut rnerito nulli rnagis tarn sit cornpetens nihil contra evangelium decernere quam qui martyris nomen ex evangelio laboral accipere. Sowohl jractus (cf. T hLL VT,l s.v. frang o 1247,79 65; 1252,26- 71 ; etwa C ic. ac. 1,33 auctoritatem; Hor. carm. 2,7,11 virtus) als auch iacens (cf. ThLL VIJ,1 s.v. iaceo 26,5-47, etwa C ic. fam . 2,16,1 ab excitata fortuna ad inclinatam et prope iacentem; mit maiestas Lucr. 5,1136; Petron. 119,44) erscheinen öfter in dieser Verwendung; die von H ARNACK (42) gesehene Ve rbindung z u VergiJ (georg. 4,240 res miserabere jractas; Aen. 7,297 numina ( ... J/ fessa iacent) läßt sich nicht erhärten. cib. lud. 1 ,4 Nam qui sincerum evangelium et excretum ab omni perversae labe doctrinae non tantum tenetis, verurn etiam animose vindicatis, magistrum hominem non quaeritis, qui rebus ipsis (Christi) vos discipulos esse monstratis. H ARNACK {41 ) sieht einen Zusamme nhang zwischen dem evangelium excretum ab omni perversae labe doctrinae und dem vergiüschen concretam exemit labem (Aen. 6,746) über dje Reinjgung der Seelen von der ihnen anhaftenden Sündhaftigkeit. J edoch übernimmt Novatian excemere metaphorisch als fachs prachlichen Terminus in der Bedeut ung ' reinigen durch Scheiden , Absondern ' {cf. ThLL V,2 s.v. 1227,1- 9) wie nach ihm Hieronymus (adv. lovi n. 1,12) und Paulinus von Nola
IV.1.3
Novatian
379
(epis t. 11,7), währ end das vergilisch e concretam auf concrescere zurückzuführen ist (zum Gebrauch d es Part izips ThLL IV s.v. concresco 97,1-44). Das vergilische labes ist unauffällig ( cf. ThLL V ll,2 s. v. 771 ,1- 33) , während bei Novatian bereits der christ.Liche Gebrauch im Sinn von ' Häresie' vorliegen dw·fte (cf. 772,45- 6 1). Mit einem fa ßbaren vergilischen E influß ist an dieser Stelle also nicht zu rechnen. cib. lud. 2 ,6 Sed ut ab ex01·dio rer-um et unde oportet incipiam, cibus primus hominibus solus arborum fuit f e tus et fructus. M it B üRNER (27) hinter den arborum f etus die vergilischen at·borei fetus (georg. 1,55) zu sehen , ist problematisch , da f etus für Baumfrüchte (cf. ThLL Vl ,1 s.v. fetus 639,7- 38) zwar zunächst nur in poetischer Sprache , ab Columella und dem Älteren Plinius aber häufig in Fachprosa vorkommt. Den ausdrücklichen Hinweis a uf die Bäum e (im prosaischen Genitiv , n icht im vergilischen Adjektiv) motiviert Gen 3,3- 7. cib. lud. 2,7 Postea etiam usus car-nis accessit, divina gratia humanis necessitatibus conpetentia ciborum genera obportunis tempmibus pon'igente. Nam et teneros et rudes homines aler-e debebat mollior cibus, et ( nocentes} (non} sine Labore confectus ad emendationem , scilicet ne iterum liberet delinquere, si innocentiam inpositus labor non admoneret. Das Adjektiv mollis für Speisen findet sich , a uch fachs prachlich, häufig belegt {cf. T hLL VIII s.v. mollis L372 ,13- 30) und ist hier aus dem Kontext {zu teneros et rudes) gu t erklä rbar , e ine Verbindung z u ecl. 1,81 castaneae molles, wie HARNACK {41) sie sieht, besteht daher kaum. c ib. lud. 2 ,12 Sie in piscibus quoque ea demum munda, quae essent cooperta squamis et armata r·emtgitS; at quae contra, ha.ec esse non munda.. Die Formulierung armatus aliqua re fü r die natürliche Ausstattung von Tieren , die B ü RNER ( 28) mit Aen . 3 ,517 annatumque auro circumspicit Oriona und Aen. 6,288 [... } ftammisque armata Chimaera in Verbindung bringen will, ist schon in der klassischen Prosa üblich ( cf. Th LL lf s. v. armo 618 ,52- 68, etwa C ic. nat. 2,121 fsc. animantesj comibus armatas). cib. lud. 3 ,23 Passerem quoque cum interdicit (sc. lex ludaeorumj, intempemntiam coarguit; quando noctuam, odit lucifugas veritatis; quando cygnum, ceruicis altae superbos; quando caladrionem, fquandoj gar-rulam nimis lingttae intemperantiam; quando vespertilionem , quaerentes tenebr-as nocti sim ilis erroris. Einen Vergilbezug sehen B ÜRNER (28) und HARNACK (4 1) in d er Verwendung d es Ausdruckes lucifugus, der seit georg. 4,243 [. ..J lucifugis congesta cubilia blattis vereinzelt für Wa nzen gebraucht wird ( cf. ThLL VII,2 s .v. luciftLgus 1712,41- 50: auch P lin. nat. 11 ,99 ; Arnob. nat. 6,16) , d a Novatia n d amit eine Eule, a lso ein Tier , beze ichne. J edoch bietet ovatian eine moralische Ausd eutung des Verbotes, E ulen zu verzelu en ( Lev 1 J ,16), d as sich , so erklärt er, eigentlich gegen die lucifugae veritatts richte. Damit aber werden , einem seit Tertullian belegten christ lichen Sprachgebrauch fo lgend , hier ( cf. T hLL VU ,2 s. v. lucifuga 171 2,26sq. ad l.: "quibus haere tici praefig urati s unt") die Hä retiker bezeichnet ( cf. ThLL V11,2 s. v. lucifuga: a b Sen. epis L. 122,15 für P ersonen ; über Häreti ker mi t Genitiv 1712,19- 27, etwa Tert. resurr. 47 age iam, quod ad Thessalonicenses [1 Thess 5,23] ut ipsius solis radio putem scripturn {iia claret), qu,aliter accipient lucifuga e isti scriptumrum fsc. eum locum ?J; z ur selben SLelle P s. Orig. t ract. 17,11b quod luciftLgae isti haeretici non libenter accipiunt). Auf d.ie Eule njmmt Novatian in diesem Zusammen hang
380
IV .1
Ausgeschiedene Parallelen
und mit dem Adjekt iv lucijuga erstmals Bezug (wohl von ihm abhängig ist Isid . in lev. 9,9 quando noctuam, odit lucijugas vanitates; s päter verwenden lucifugus für d ie Eule Anth . 762,40; Eustath. Basil. hex. 8,7,5; Serv. georg. 1,403). Ansonsten wird von den C hristen auf die Lich tscheu der Eule eher in der Paränese als in der Häretiker polemik Bezug genommen , auch scheint diese Auslegung von Lev 11,16 Novatian eigen zu sein, cj. llona OPELT, 'Eule', RAC 6 {1966) 897-899. Novatian verbindet also in seine r allegorischen Auslegung das Ve rbot, Eulen zu verzehren, mit dem christ lichen Sprachgebrauch lucijuga für d ie Häretiker, ohne daß aber Vergils blattae lucifugae einfließen. Siehe oben (371) zu Min. Fel. 8,4. cib . lud. 4 ,3 Non recipit luxoria Dei timorem, dum praecipitanti~us illam voluptatibus in solam j ertur cupiditatum temeritatem. Effusis enim habenis ignis more admotis sumptibus quasi pabulis crescit exedens patrimonium cum pudore aut ut torrens a.liquis, m ontium iugis caden s , non tantum opposita transcendit, sed iUa ipsa in aliorum ruinam secum rapit. Das von H ARNACK (41) mit Aen. 5,785 non m edia de gente Phrygum exedisse nejandis j urbem odiis satis est in Beziehung gebrachte exedens ist unauffällig. E xedere Uber die zerstörerische Wirkung von Fe uer oder Wasser fi ndet sich öfter ( cj. T hLL V,2 s.v. 1316,35-54), und Novatian zie ht hier sogar beideBilder hera n: ignis more {. ..J aut ut torrens. Die von BÜRNER (28) fü r Vergiljsch erklärten Worte montium iugis cadens weisen keine faßbare Referenz auf: Cadere mit bloßem separativen Ablativ (diesen scheint B ÜRNER zu meinen, er spricht aber von einem ablativus loci) wie georg. 1,487 caelo ceciderunt, ist zwar unklassisch, aber ab Livius auch in der P rosa gut belegt (cf. ThLL Ill s.v. cado 32,8-13; KS l 366sq.). Die Junktur iuga montium, zu der BüRNER auf ecl. 5,67 dum iuga montis aper ( ... J amabit verweist , is t ganz unauffällig, etwa Caes. Gall. 1,21,2 summum iugum montis (cf. T hLL Vll,2 s.v. iugum 643 sq.). cib . lud. 6 ,6 Nec tarnen desunt inter ista, qui cum sibi nominis Christiani personam induerint, exempla praebeant intemperantiae et magiste1'ia; quorum usque eo vitia venerunt, ut et ieiuni matutini bibant non putantes Christianum esse potare post cibum, nisi in vacuas et inanes adhuc venas infusa statim post somnum vina descenderint; minus enim qui bibunt sapere videntur, si ingesta vina cum cibis permisceantur. Die vorliegende prädikative Verwendung von matutinus hat sich in der nachklassischen P rosa so fest eingebürgert ( cj. T hLL VIII s. v. m atutinus 506,67- 507,6, etwa Apul. met. 9,11; Vet . Lat . lob. 29,7; Cypr. ad Oonat. lJ ; Comm. instr. 2,12,9; Arnob. nat. 7,32), d aß d ie zunächst rein dichterische Verwe ndung (ab Cinna carm . frg. 6) , somit a uch das von BüRNER (28sq.) reklamierte Aen. 8,465 nec minus Aeneas se matutinus agebat, hier kaum mehr nachkljngt. Vielmehr hat Novatian Sen. epist. 122,6 Non videntu1· tibi contra naturam vivere qui ieiuni bibunt, qui vinum recipiunt inanibus venis et ad cibum ebrii transeunt ? vor Augen, das parallel zu ieiuni eingefügte matutini scheint. der Reftex einer innerchristlichen Diskussion über den rechten Zeitpunkt der Eucharistiefeier zu sein, gegen einen Te rmin a m Abend wendet sich Cypr. epist . 63 ,16,2 nos atttem resu1-rectionem Domini mane celebramus.
s p ect. lO, l sq. (1) (...} Spectabit de caelo descendentes messes, non ex areis aratro impressas. (~) Jnspiciet flumina transitus siccos r-efrenatis aquarum agminibus ex-
IV .1.3
Novatian
381
hibentia. Videbit in quibusdam fidem cum igne luctantem , r·eligione superatas f eras et in mansuetudinem conversas. Intuebitur et animas ab i psa iam morte revocatas, considerabit etiam de sepulcris admirnbiles ipsorum consummatorum iam vitas corporum redactas. H ARN AC !< ( 40) gla ubt in diesen Hinweisen auf spectacula a us der biblischen He ilsgeschichte einjge Elemente Vergi lischer Sprache zu erkennen, von denen sich aber keines als solches erweisen läßt: 10,1 de caelo descendentes m esses: Der Plural messes ersche int seit. Lucilius und Var ro ( cf. ThLL VIII s .v. m essis 856, 18- 23), der vorliegende Kontext legt ihn a ußerdem nahe, ähnlich schon Min. Fel. 17,7 Quid ? cum ordo temporum ac frugum stabili varietate distinguitur, nonne auctorem suum parentemque testatur ver aeque cum suis fioribus et aestas cum suis m essibus [... ]? und Cypr. epist. 37,2 aestas ecce messium j e1·tilitate f ecu nda est et area jrugibus plena est. Eine Beziehung zu vergilischen Belegen für den Plural (ecl. 8,99; georg. 1,49; 1,103; 1,161; 4,330) läßt sich nicht erkennen. 10,1 non ex areis aratro impr,essas: De r Gebrauch von imprimere hä ngt nicht mit Aen . 5,536 cratem impressum signis [...J zusammen , sondern ist hier technisch ( cf. ThLL VII ,l s.v. imprimo 681 ,70-72) wie a uch P lin. nat. 18,162 impressis vestigio seminibus, ähn lich Pallad. 4,9,2. Oie Formulierung t·efrenatis aqua1"Um agminibus {10,2), a uf die auch B üRNER {30) verweist, scheint zwar an ein poetisches aquarum agmen (georg. 1,322; Si!. 12,619; Cann de resurr. 238 ; Non. 459) bzw. refrenar·e aquam sim. (Lucr. 6,531 ; Ov. her. 6,87) anzu klingen. Aber aquarum agmen ist ein in der nachklassischen Prosa geläufiger Ausdruck (Apu l. mund. 23; Sol. 2,53; Amm. 24 ,2,7; Chalc. comm . 352; cf. ThLL I s.v. agmen 1340,34- 56) für rue St römung eines Gewässers, refr·enare findet s ich in ä hnUcher Bedeutung a uch in Pros a (cf. OLD s .v . refnmo 1; klassisch meist übertragen, etwa Cic. Cael. 76; d iv. 2,4; P hi!. 11 ,4; dann a ber Zeno 1,4,5; Aug. ord . 1,3; epist.. 23,4; Ps. Orig. tract. 15,11; Hier. in ler. CSEL LIX 75,22). Ein Vergilbezug jedenfalls lä ßt sich nicht fassen , Novat.ian strebt nach besonderer sprachlicher Ausgestaltung und gre ift z u expressiven Ausdrücken , die in klassischer Zeit auf die Dichtersprache beschränkt sind. Oie Metaphorik in jidem cum igne ludanlern (10,2) ist a llgemein gebräuchlich und seit Terl. fug. 1,5 im christ lichen Kontext für Märtyrer und Bekenner belegt ( cf. ThLL VIJ ,2 s.v. luctor· 1733,70- 1734,2) , e ine besondere Verbindung zu Aen. 1,53; 7,28 besteht nicht. 10,2 religione supemtas f ems: Ferae ist nicht spezifisch "Vergilisch" ( H ARNACK 40) , sondern seit Naevius (trag. 31) belegt und allgemein gebräuchlich (etwa Caes. GalJ. 6,25,5; cf. T hLL VI ,l s.v. ferus 606sq. ).
pudic. 3 ,1 bene sibi [. .. ] conscia: Siehe oben (375) z u Novat.ia n Cypr. epist. 30,1,1. pudic. 10,3 Digni tanto divini iudicii praemio, quorum alter· regio paene throno illustmretu1·, altera conconiia. manti dotata inimicorum m ortibus redimeretur. Oie von H ARNA C K (41 ) herbeigezogene Ve rgilstelle Aen. 7,318 sanguine 1?-oiano et Rutulo dotaber-e, virgo, / et B ellona manet te pronuba is t in ihrem bildhaften Gebra uch von dotare zwar a uffällig (cf. ThLL V s.v. doto 2056,67- 74) , doch hat zum einen die Novatianste lle nichts mit dieser Besonderheit gemein , zum andere n ist das adjekti visch gebra uchte dotatus (2057,25-60) hier ganz unauffällig, so etwa Tert. uxor. 2,8 mawn~ dote dotabitu1· de bonis eius, qui in deo dives est.
382
IV . I
Ausgeschiedene Parallelen
pudic. 12,2 Pudicitiae f... Jcompetunt et cognata sunt in primis divinus timor f...J et mens attonita ad sacram religionem f. ..J. Das Wort attonitus, d as HARNACK (41) m it Aen. 7,580 tum quorum attonitae Baccho nemora avia matn~s / insultant thiasis f. ..J in Zusammenhang bringt, ist ab Sallust in P rosa üblich ( cf. ThLL II s.v. 1154,39sq.; FOUCHER 190sq. ). pudic. 13,4 f. ..J ante oculos obversetur deformis iste atque deiectus peccati pudor f.. .J. Weder für deformis ( cf. T h LL V s. v. 368,83sq.: ciceronianisch a uch für Abstrakta; Min. Fel. 31 ,1 Et de in cesto convivio fabulam grandem adversum nos daemonium contio mentita est, ut gloriam pudicitiae def ormis infamiae aspersione macularet f.. .J. - nach ThLL 369,11sq. wäre deformis auf pudicitia. zu beziehen, wahrscheinlicher a ber wohl auf infamiae, def ormis steht zur Vermeidung des Homoioteleuton zwischen den beiden G enitiven ) noch für deiectus ( cf . T hLL V s. v. deicio 401,31 sq.: deiectus hier als Adjektiv in der Bedeu tung humilis, abiectus, debilitatus, wie auch schon Apul. mund. 25) läßt sich ein spezifischer Einfluß d er vergilische n Verwendung dieser Vokabe ln (georg. 4,478; Aen. 3,320; 6 ,862; 11 ,480) , wie HARNACK (41) ihn sieht, nachwe isen.
1.4
Cyprian
epist. 55,9 (CC III B 266, 152) Thnc deinde f...J, quantum robur animi, qualis firmitas fidei, quod nos simplici corde et perspicere penitus et laudare debemus, sedisse intrepidum Romae in sacerdotali cathedra eo tempore cum tyrannus infestus sacerdotibus Dei fanda atque infanda {nefanda R) comminaretur, cum mt.lto patientius et tolerabilius audiret levari adve1·sus se aemulum principem quam constitui Roma.e Dei sa.cerdotem. Die Wendung fanda atque inf o.nda. (a uch Lucif. moriend. 9 1. 1) is t Variante (cf . T h LL V ll , l s.v. infandus 1346,20sq.; zud em Rufin . a pol. adv. Hier. 1,21 ) d es sp richwörtlichen (cf. Donat. Ter. E un . 1059; Ü TTO 132 Nr. 642) Merismus fandus und nefandus (cf. ThLL Vl , l s.v. (f or) 1032,7- 19; nach WACKERNAGEL Vorlesungen über Syntax I 298, als oblique Formen zu Jas u nd nefa.s gebraucht , d as ebenfa lls gern zusammengestellt. wird , etwa Liv. 6 ,14,10; Sen. contr. 1,2,8 ; Sen. dial. 4,9,2; ä hnlich schon ; grundsätzlich Hes. op. 3sq.; Reflexion d es sprachlichen Zusammenhangs Varro ling. 6,4,31), das sich auch Aen. 1,543 m emores fandi atque n efandi findet. E inen Zusammenhang mit Vergil (so COURGELLE Lecteu1·s 112) sollte man nicht an nehme n, da die Junktur, wie gezeigt, proverbiell und vorvergilisch (Catull. 64 ,405) ist.
ad Donat. 3 (CC Ill A 4,33) Ego cum in tenebris atque in nocte caeca iacerem f. .. J, difficile prorsus ac durum pro illis tune m oribus opinabar, quod m salutem mihi divina indulgentia pollicebatur, ut quis rena.sci denuo posset f. ..J. Die Formulierung caeca n ox, die BüRNER (23) in Beziehung zu georg. 3,260 nocte natat caeca serus freta und Acn. 2,397 multaque per caecam congressi proelia. n octem setzt , erscheint hä ufig , so a uch schon C ic. Mil. 50 et neque caeca nox ostendisset Milonem ( cf. ThLL IIJ s.v. caecus 44 ,72- 77). Zu d en biblischen und christlichen Be legen fü r das Motiv BuCHH EIT Cyprian 350 Anm. 12.
IV.l.4
Cyprian
383
ad Donat. 5 (CC l1l A 6,99) Inde iam fa cultas datur ( ... } immundos et erraticos spiritus (. ..J ad confessionem m inis increpantibus cogere, ut recedant duris verberibus urguere, confiictantes, heiulantes, gementes in crem ento poenae pmpagantis extendere, fiagris caedere, igne lorrere. Die Formulierung igne torrere gehört wohl , gegen B ü RN ER 23, nicht zu georg. 1,267 nunc torrete igni /7i.Lg es ( cj. Demetr. 3) , vielmehr , da nicht von d er Getreidebearbeitung (so a ber Demetr. 3) , sondern von der Folter die Rede ist, zu Stellen wie C ic . Pis. 42 ignibus torreatur (über den Phalaris-Stier; cf. ThLL YII,l s.v. ignis 298,13sq.). ad Donat. 6 (CC III A 6,119) Madetorbis mutuo sanguine: et homicidium cum admittunt singuli, crim en est: vir·tus vocatur, cum publice geritur. Von der blutgetränkten Erde spricht zwar scho n Homer (11. 4,451 pt€. 5' a.t!J.<X'tl ra.la.) und iJun folgend Vergil (Aen. 12,691 sanguine term madet) , doch findet s ich die Wendung auch in in der rhetorischen Prosa, etwa schon Cic. de orat. 3,214 (Capitoliumj fmtris sanguine madet (cf. ThLL VIII s.v. madeo 33,29- 49). Der von B üRNER (20) und COURCELLE (Lecteurs 694) pos tuUerte Vergilbezug läßt sich nicht erweisen . ad Donat. 11 (CC III A 10,244) Tune laceratae domus plagae conscientiam f eriunt, tune r·ei familiaris exhaustae damna noscuntur, quibus redernplus favor vulgi et caducis atqlLe inanibus votis popularis aum quaesita est. Die Formulierung popularis aura ist in der Prosa geläufig (etwa Cic. har. resp. 43, cf. ThLL li s.v. aura 1479 ,49----76), die von B ÜRNER 20 und COURCELLE Lecteur·s 496 postulierte Beziehung zu Aen. 6,816 gaudens popularibus auris läßt sich daher nicht näher belegen. Demetr. 1 (CC III A 36,20) Gerte et Labor im'itus et nullus ejjectus ojjerre Lumen caeco, sermonem sur·do, sapientiam br'Uto, cum nec sentire brutus possit n ec caecus Lumen admitter·e nec surdus audire. Zu Recht verweist GALLICET ad l. (138) a uf de n a llgemein sprichwörtliche n C harakter der Formulierung offer'Te sennonem surdo, so etwa Ter. Heaut. 222 surdo nan·are fabulam; Prop. 4,8,47 cantabant surdo, nudabani pectora caeco; Yerg. ecl. 10,8 non canimus surdis; Hor . e pist.. 2, l , 199sq. narmre ( ... } assello / fabulam surdo; Liv. 3,70,7 ha1td surdis aurib1.LS dicta; 40,8 ,10 vana surdis auribus caner·e, während MARA (591) die Stelle als Ve rg ilreminiszenz verzeichnet. Demetr. 10 (CC Ill 40,177) Qui alios iudicas aliquando esto et tui iudex, conscientiae tuae latebms intuere, immo, quia nullus iam delinquendi vel pudor est et sie peccatur· quasi magis per ipsa peccata placeatur·, qui perspicuus et nudus a cunctis videris et ipse te respice. domin . orat. 5 (CC III A 92,63) Quod Anna in primo Regnorum libro ecclesiae typum portans custodit et servat, quae Deum non clamos petitione s ed tacite et modeste mtra ipsas pector'is laiebms precabatur·. B ÜRNER (24) sieht das Bild der pectoris latebrae von Ve rg. Aen. 10,601 tum latebras animae pectus mucr·one recludit beeinflußt. Doch is t d er ü be tragene Gebrauch von latebrae seit klassischer Ze it in der Prosa gut belegt ( cf. T hLL Yll,2 s. v. latebra 993,44- 994,6, etwa z. B. C ic. MareeiL 22; off. 3,106 ne quaeratur latebra periurio; Paneg. 4,1,3 pectomm latebras) ; bei den christliche n Autoren , darunter Cyprian selbst, wird d a mit öfter der O rt der Gewissensentscheidung bezeichnet (etwa Te rt. paenit. 3,9 m ediocritas humana facti solummodo iudicat quia voluntatis latebris par
384
IV.l
Ausgeschiedene Parallelen
non est; Cypr. laps . 27 voluntates [. ..J in ipsis adhuc clausi pectoris latebris intuetur fsc. deusj; Demetr. 10 conscientiae tuae latebms intuere; zel. 9 curoe [. ..J quae se intra conscientiae latebram caeco dolore cluserunt; Lact. inst . 5,19,32 fsc. deusj latebras cordis videt), wobei gern, wie auch hier, ein Genitivattribut hinzutritt. hab. virg. 2 (HARTEL I 189) Dat vivendi timorem , dat innocentiae legem , postquam contulit sanitatem , n ec habenis liberis et solutis vagari postmodum patitur, sed ipsis potius quibus sanatus fuemt mancipato gravius comminatur, quod sit scilicet m inor culpa deliquisse ante, cum necdum nosses disciplina Dei , nulla sit venia ultra delinqv.ere, postquam Deum nosse coepisti. Gegen die von B ÜRNER (23) angenommene Ve rbindung von liberis habenis mit Verg. georg. 3,194 liber habenis (cf. ThLL VII,2 s.v. liber 1285,50-52, etwa Ov. am. 2,9,20 carcere liber equus; Liv. 4,33,10 liberi frenis {. .. } equi; für die Junktur Petro n. 124 vers. 258 abruptis ceu liber habenis; Stat. Theb. 6,318 libe1· habenis I impetus; zum übertragenen Gebrauch von habena auch I< EENAN ad hab. virg. 2, 88} spricht der oxymoronha fte Bezug von liber auf habenae ( cf. ThLL VIJ,2 s.v. liber 1288,53) parallel zu dem a uffä lligen solutus ( cf . ThLL VI ,3 s. v. habena 2394 ,64 für die Junktur mit solvere sons t nur Stat. T heb. 8,423). Oie Formulierung ist also zwar als gesucht und poetisch , aber nicht a.ls dezidiert Vergilisch zu bezeichnen . hab. virg. 14 (HARTEL I 197) Neque enim Deus coccineas aut purpureas oves fecit aut herbarum sucis et conchylii.s tinguere et colorare lanas docuit n ec destinctis auro lapillis aut margaritis contexta serie et numerosa conpage digestis m onilia instituit, quibus cervicem quam f ecit absconderet, ut operiatur illud quod Deus in homin e f ormavit et conspiciatur id desuper quod diabolus invenit. NAZARRO (51) sieht hier 'die erste Spur für die Gegenwart der Vierten Ekloge in der chris tlichen Literatur ', nämlich der Verse ecl. 4,42- 46: nec varios discet m entiri lana colores, I ipse sed in pmtis aries iam suave rubenti I murice, iam croceo mutabit vellera luto; I sponte sua sandyx pascentis vestiet agnos. Allerdings gibt es keinerlei wörtliche Übere instimmung, und die Krit ik am Wollfärben als Zeichen der De kadenz ist topisch , Textbelege und Angaben zu rechtlichen Einschränkungen in bezugauf das Wolle fä rben bietet K EENAN ad hab. virg. 14 (140sq.). Cf. Lucr . 5, 1423sq.; Tib. 2.4 ,28 0 pereat, quicumque legit viridesque smaragdos / et niveam Tyrio murice tingi t ovem . Verg. georg. 2,465 alba neque Assyrio jucatur lana veneno; cf. B. THORNTON, A Note on Vergil E clogue 4.42-45, AJPh 109 {1988) 226228, zu Vergils Umgang mit der Topik. In christlichem Kontext rezipiert wird die Eklogenstelle aber Cypr. Gall. e xod. 1324.
Japs. 22 (CC III 233 ,444) Alta et erecta cervix nec quia cecidit inflexa est, tumens animus et superbus nec quia vitus est fra ctus est. lacens stantibus et integris vulneratus minatur et, quod non statim Domini corpus inquinatis manibus accipiat aut ore polluto Domini s anguin em bibat, sacerdotibus sacrilegus irascitur. Adque - o tuam nimiam, furiose, dementiam, - irosceris ei qui abs te avertere iram De1. nititur; ei mtnaris qui pro te Domini misericordiam deprecatur, qui vulnus tuum sentit quod ipse n on sentis, qui p1"0 te lacrimas fundit quas forsitan ipse non fundis. Gegen Bü RNER (23) s teht sanguinem bibere kaum in Zusammenhang mit Aen. 11 ,804 fsc. hastaj virgineumque alte bibit acta cruorem. Zum einen erscheint die Formulierung häufig (cf. ThLL II s.v. bibo 1962,44-49, etwa Sen. Thy. 917i 1055sq.; dial. 4,33,4 n on aliter quam si filii sanguinem biberet; Flor. epit. 3,3,9; 4,1,4i Plin . nal. 28,4 (gladiatores}; 28,147; 3l , ll 9; 28,148; 28,225 etc.), zum anderen geht es
IV.l.5
Arnobius
385
hier natürUch um den eucharistischen Genuß des Blutes Chris ti nach Joh 6,56 6 1:pw-ywv IJ.OU 1:1jv acipx.<X x<Xl nlvwv IJ.OU 1:0 <XtiJ.<X tv EIJ.Oi IJ.ivu x.&-yw lv <XÖ't<';> ( cf. Hier . epist. 120,2; Aug. civ. 21 ,25; serm . 382,2). Auch bei lacrimas fundit, d as B ü RNER (24) auf Aen. 3,348 et multum lacrimas verba inter singula fundit zurückführen wiU , liegt e in in späterer Prosa ganz ü blicher Sprachgebra uch vor ( cf. ThLL Vl ,l s. v. fundo 1564,42- 52, etwa Sen. cont r. exc . 8,69; Sen . d ial. 6,1,2; 9,15,6; P lin. nat. 8,157 et.c.). laps. 25 (CC III 234,478sq.) Jlli ei aput idolum quo populus confluebat, quod caTmen necdum posset edere per aetatem, panem mero mixtum, quod tarnen et ipsum de immolatione pereuntium supm·erat, tradiderunt. B Ü RN ER (24) sieht hinter der FormuUerung panem mero mixturn d ie Vergilische Schilderu ng vom trunken im Schla f sich erbrechenden Poly phem , Aen. 3,633 eructans et frusta cruento I per somnum. commixta mero. Doch ist der Ausdruck ebenso na heHegend wie unauffä Uig: Merum find et sich hä ufiger in nachklassischer Prosa (cf. T hLL VIII s.v. me1-us: 848,66 merum, etwa M in. Fel. 31,5; Arnob. na t. 5,2) , ebenso miscere mit dem Dativ für Rezept w-e n und ähnliches ( cf. ThLL VIII s. v. misceo 1086,61- 1087, 14). unit . eccl. 18 ( CCL II1 262,442sq.) Sie Chore et Dathan et A biron, qui sibi contra Mosen et Aar-on sacerdotem sacrificandi licentiam vindicare conati sunt, poenas statim pro suis conatibus pependerunt: terra compagibus ruptis in profundum sinum patuit, stantes adque viventes recedentis soli hiatus absorbuit. Die Formulierung terra {. .. } patuit bringt BÜRNER (23) in Zusammenhang mit Aen. 1,298 (297- 299) ut terrae utque novae pateant Karthaginis arces I hospitio Teucris. J edoch di vergieren beide Stellen deutUch in semantischer Hins icht: Cyp rian spricht von einem sich au ftuenden Erdspalt (cj. T hLL X,l s.v. pateo 659,40- 57; ähnlich C ic. nat. 2,95 patefactis tenue fauctbus; Li v. 7 ,6,4 patentes terrae hiatus) , Verg il von Land , das zur Nutzung zur Verfügung steht. (cf. T hLL X,l s.v. pateo 664 ,1-46). e leem. 13 (CC lil A 63,253sq.) Obsederunt animum tuum sterilitatis tenebrae et recedente inde lumine veritatis carnale pectus alta et profunda avaritiae caligo caecavit. BÜRNER (24) sieht in der Beschreibung des spende nunwilligen Gewissens d en Einfluß des vergilischen (Aen. 3,311) Lux alma recessit. Gegen e ine Referenz, die a uf der Verbindung von recedere mi t dem Semem lt,[cj- basieren müßte, spricht a ber zum einen die Una uffä lligkeit der Formulierung bei Cyprian - der vorliegende Gebrauch von recedere ist aUgemein (cf. OLD s.v. ·recedo 2 'to move back or away'), die Meta phorik von Lumen, tenebrae, caligo in chris tUchem Kontext üblich , so etwa bei Cypria n selbst domin. or. 35 sole ac die saeculi recedente quando oramus et petimus ut supe1· nos Lux denuo venia.t; ä hnüch zel. 10; 11 - , z um anderen d ie Divergenz der Pragmatik - bei Verg il wird d er Tod umschrieben.
1.5
Arnobius
2,18 (M. 86,21- 24) Vestem illa fsc. animaliaj non norunt, setlas naves atque ara.tra conpingere nec denique superlectilem cetemm quam familiaris usu exposcit. Non sunt ista scientiae munem sed pauperrimae necessitatis inventa. Der aus dieser Gegenüberstell ung von Mensch und T ier herausgearbeitet e Gedan ke
386
IV .1
Ausgeschiedene Parallelen
von der Kulturentste hung a ufgru nd der natürlichen Schutzlosigkeit des Menschen, steht zwar, wie RAPlSARDA ( Arnobio 247) bemerkt, vielleicht a uch hinter Vergils Labor improbus (georg. 1,143-146). Doch ist die natürliche Schwäche d es Menschen als Ursache für K ulturentstehung und Staatenbildung Gemeingut antiken Denkens (grundlegend etwa Lucr. 5,925-1010; 1105-1121; C ic. o ft'. 1,158; 2,73sq.; rep . 1,39). 2 ,67 (M . 145,9) Aut Martium discrim en obeuntes spem proelii sumitis ex acuminibus auspicati? SPINDLER ( 12) nennt als Vorbild für spem proelii sumere Verg. Aen. 11.18 spe proesumite bellum. Das Vergilische spe proesumere aliquid (so auch Tac. ann . 11 ,7,1 aeternitatem famae spe proesumat; R ufin . Basil. hom. 3,1 p.1744 divitias [. ..J insani spe inaniter pmesumebat, cf. ThLL X,2 s.v. pmesumo 962,36; proesumere verwendet Arnobius d urchaus, so 1,38; 2,22; 2,33; 3,7; 3,10; 3,16; 5,4; 6,4; 7,37) weicht semantisch zu stark von spem alicuius rei sumere ab, a ls daß man , trotzähnlicher Pragmatik, einen Zusammenha ng fassen könnte . Für Martium discrimen muß man nicht mit RAPISARDA (254) den Einfluß von Lucan. 3,336; 4,770 (auch 5,723; Sil. 5,660) discrimen Martis annehmen, denn etwa a uch Curtius Rufus hat 9,6 ,24 belli Martisque discrimen impavidus subibo; 9,9,4 sine ullo Martis discrimine, cf. T hLL V, l s.v. discrimen 1359, 19- 37.
°
2, 75 (M. 155,4) Non infantes sub uberibus matmm centenarios legitis edidisse vagitum {. ..}'? Die Wendung sub uberibus bra ucht nicht mit S PINDLER ( 12) aus Verg. Aen . 5,285 geminique sub ubere nati erklärt zu werden, da. sie zum einen hä ufiger vorkommt (so etwa Liv. 10,23,12 sub uberibus lupae; Calp. ecl. 2,68; Stat. silv. 5,5,25.73sq.; T heb. 3,682; Sil. 3,63; Vulg. lev. 22,27; cf. Sil. 4,377 vagitum cohibens suspendit ab ubere natos; 9,71 matris in ubere nati) und sich Arnobius zu m a nderen nicht, wie die Vergilstelle, a uf Romulus und Remus, sondern ausdrücklich ( legitis) a uf eine andere QueUe (wohl Hdt. 1,68, zitiert bei Gell . 3,10,11- 15, cf . MCCRACKEN ad l. l 347 Anm. 471) bezieht, der er entnimmt, daß die Menschen fr üher größer - und d amit , so folgert er , der Erlösungstat C hrist i noch nkht bedürft ig gewesen seien. 3,10 (M. 168,12) Havet animus atque ardet, in chalcidicis illis magnis atque in palatiis caeli deos deasque inspicere intectis corporibus atque nudis, ab laccho Cererem, Musa ut pmedicat Lucretia, mammosam, Hellespontiacum Priapum inter deas virgines atque matres circumf erentem res illas proeliorum semper in expeditionem paratas. Nach SANTORELLI (246) stelle Arnobius llier P riapus auf eine Stufe mit den Tieren, indem er ihn durch die Referenz auf georg. 3,98 si quando ad proelia ventum est darste lle a ls ' un cavallo ehe, ormai vecchlo, si giunge a un dueUo d 'a more, si scatena inutilmente" ( cf. Serv . georg. 3,98 bene 'si quando', quia senex mro. et 'proelia ' pro coitu dixit.): "La maJinconia dell' imma.gine rende grottesca la divinita ehe non ha altro spessore se non q uello sessuale ehe si esaurisce nell'accoppiarnento." Jedodl besteht die dieser Interpretation zugrundegelegte Vergilreferenz lediglich a us einem sensu amatorio gebrauchten proelium. Diese meta phorische Ausdrucksweise fi ndet sich jedoch häufiger, na heliegend erweise in d er Liebesd ichtung (etwa Catull. 66,20 invisente novo p1·oelia torva viro; Prop. 2,1,45 nos contra angusto versamus proelia lecto), aber a uch in der Umgangssprache, wie d ie Be lege bei Pla utus (Persa 24 Saucius factus summ Veneris proelio) und in d en Metamorp hosen des Apuleius
IV.1.5
387
Arnobius
(2, 16 Miserere, inquam, et St4bveni maturius. Nam, ut vides, proelio quod nobis sine fetiali officio indixems iam proximante vehementer intentus, ubi primam sagittam saevi Cupidinis in ima praecordia mea delapsam excepi, arcum meum et ipse vigorate tetendi et oppido formido ne neruus rigoris nimietate rumpatur. 5,21 Nox ademt et maritus aderat primisque Ven eris proeliis velitatus in altum soporem descenderat.) zeigen ( cf. OLD s. v. p1·oelium 3b). Angesichts dieser Konnotation nähme sicher kein Leser zum Verständnis des Wortes proelia in diesem Kontext den Umweg über d ie Georgika- Stelle. Hinzu kommt, daß Arnobius die ganze P assage über P riapus in entsprechender eindeutig-zweideutiger Diktion gestaltet: res illas f. ..J in expeditionem paratas ( cf. VAN DER PUTTEN ad l. 94; nat. 5,9 o habitus f oedus Iovis ad obsceni certaminis expeditionem parati). Damit illustriert Arnobius rhetorisch geschickt das den Gott Priapus umgebende Obszöne, welches aufzudecken es ja auch keiner höchst subtilen Vergib·eferenz bedürfte . •
3,21 (M. 178,20) l nminentia dii nesciunt et sortibus vivunt agitantur·que fatalibus: ut quid cuique crastinus dies ferat aut hora, Latonius explicet atque aperiat vates. Die von RAPISARDA (Arnobio 248 Anm. 2) hergestellte Verbindung zur SibyllenSchilderung Aen. 6,77 sq. at Phoebi nondum patiens immanis in ant1·o I bacchatur vates hat ihren Anhalt in d em Stichwort vates und in dem Verweis a uf Apoll, bei Arnobius durch dichterisches (cf. OLD s.v.) Latonius. Da d ie sprachlichen Gem einsamkeiten aber a llgem ein bleiben, und da bei Arnobius nichts a uf die Siby lle im besonderen verweist, ergeben sich keine Anhaltspunkte für ei ne Referenz. 3,36 (M. 193,6) Si totidem nos modis totidemque sententiis deorum vestrorum subrueremus fidem, nulli esset dubi'um, quin ira et rabie concitati ignes, feras et gladios atque alia postular·etis suppliciorum in nos genero, quibus sittm soletis vestram nostri sanguinis adpetitione proluere. Fü r d en Gebrauch von p1·oluer·e sieht SPINDLER (13) Verg. Aen. 1,738sq. ille impiger hausit I spumantem pateram et pleno se proluit auro als Vorbild. Doch geht es Arnobius hier in erster Linie um einen drastischen Ausdruck, d er, wie vor allem die Belege bei den Satirikern zeigen ( cf. Hor. sat. 2,4 ,27 leni praecordia mulso prolueris melius; Pe rs. prol. 1 nec fonte labra prolui caballino, dazu KtSSEL 75: "E rsetzte die gepflegte Dichtersprache das Verb bibere zuweilen d urch die denzentere Vorstellung des Netzens 1... ], so wird bei d em 'ordinären ' Satiriker gleich ein 'Spülen ' daraus." Hor. sat. 1,5, 16 multa prolutus vappa nauta; daneben etwa Copa 29 si sapis, aestivo 1·ecubans mmc prolue vitro), der Umgangssprache angehört. Daß Vergils umgangssprachUche Verwendung von proluere (dazu etwa H ORSFALL 211) Arnobiu::; angeregt ha be, ist zwar nicht auszuschließen, aber angesichts der freien Verfügbarkeit des kolloquialen Sprachregisters unwahrscheinlich. 4,16 (M. 219, 1.4) R(es} si cum divinas apparamus adgredi atque aris fiammantibus sua reddere constituta, Mineruae omnes advolent ac de istius nominis possessione certantes poscant sibi singulae apparatum illum sacrorum reddi: quid in medio faciemus nos animal tenue vel in partes quas potius pii muneris officia transferemus? Das für die Darbring ung von Opfern verwendete reddere findet sich zwar auch, worauf SPINDLER (13) hinweist , bei Vergil (georg. 2,194 pandis fumantia reddimus exta) , doch ha ndelt es sich dabei um e inen häufig gebrauchten Fachausd ruck der Kultsprache (so Serv. georg. 2, 194 ; BERINGER 125; OLD s.v. reddo 9b ' to render ritual o fferings'; cf. Caes. Gall . 7,90,8 diemm XX supplicatio 1·edditur; Hor . carm. 2,7,17; 2,17,30; Ti b. 1,3,34; Ov. trist . 4,2,7sq.; Stat. Theb. 4,466; 9,564 ; Tac. bist.
388
IV .1
Ausgeschiedene Parallelen
4,53 supe1· caespitem redditis extis, zur Verbindung mit exta ThLL V ,.2 s.v. exta 1964,75-82), d en Arno bius doch wohl unabhängig von der VergilsteUe kennen und benutzen dürfte. 4,31 {M . 238, 12) Si in caeremoniis vestris rebusque divinis postilionibus locus est et piaculi dicitur cantmeta esse commissio, si per imprudentiae lapsum aut in verbo quispiam aut simpuvio deerrarit, [. .. ]: audetis abnuere in delictis tarn gravibus violari semper a vobis deos, cum in levioribus causis irasci eos ipsi cum pernicie saepius confiteamini civitatis? In dem urnständHchen , vielleicht auf rechtliche bzw. sakralrech tliche Sprache rekurrierenden Ausdruck piaculi dicitur contra.cta esse commissio {d azu Liv. 5,52,14 tantum sibi reique publicae piaculi contra.het ?) geht Arnobius von der Wendung piacula committere aus, dje weniger Vergilisch , so RAPISARDA ( Arnobio 248 Anm. 2) rrut Verweis a uf Aen. 6 ,569 distulit in seram commissa piacula mortem , als vielmehr in der Rechtssp rache üblich zu sein scheint, so etwa Liv. 5,52,13 Nonne in mentem venit quantum piaculum committatur? 29,18,9 quod piaculi commiserunt; Gell. 19,13,5 si piaculum (. .. ]non committitur praesente Apollinar-e; Vocabularium lurispruden tiae Romanae IV,1 785 s.v. piaculum mit Verweis a uf Paul. 1,21,4; piaculum im Sinne von 'Sünde, Verbrechen ' auch schon Plaut. truc. 223; Fabius Pietor bei Gellius 10,15,10. 5 ,5 (M. 235,21) Hanc fsc. Magnam Matremj in vertice ipso petrae datam quieti et somno quam incestis luppiter cupiditatibus adpetivit, sed cum obluctatus diu id quod sibi promiserat optinere nequisset, voluptatem in lapidem fudit victus. Obwohl SPINDLER (13 Anm. 1) zu Rech t darauf hinweist, daß obluctari erstmals bei Vergil {Aen . 3,38 adgredior genibusqtte adversae obluctor· harenae) belegt ist, hat sich d er Ausdruck schon im ersten nachchristlichen J a hrhundert in d er Prosa eingebügert (cf. ThLL IX,2 s.v. obluctor 116 ,81; C urt. 4,8,8 diu .flumini obluctatus fnautaj; Colum. 3, 18,12; 6,16,6; 8,14,8; Sen. dial. 7,25,6). 5,22 (M. 276,24) Alcumena Electra. La.tona La.odamia, mille aliae virgines ac mille m atres cumque illis Catamitus puer pudoris spoliatus est honestate: eadem ubique est luppite1· fabula [. .. }. Die Affäre des Zeus mit {d er At lastochter) Elektra gehört zum Grundbestand der a ntike n Mythologie (etwa Apollod . 3 ,10,1; Ov. fast. 4,31.1 77) und muß nicht, so JIRA NI (416) , durch Aen . 8,134- 137 (Dardanus, Iliacae primus pater urbis et auctor, I Electra., ut Grai perhibent, A tlantide cretus, I advehitur Teucros; Electra.m maximus Atlas I edidit, aetherios umero qui sustinet orbis.) a ngeregt sein. Fü.r d as dreimal {5,25; 7,11 ; 7,49) bei Arnobius vorkommende ineluctabilis verweist S PI NDLER (13) insofern zu Recht a uf Vergil , als d ort (Aen. 3,324; 8,334) das Wort erstmals belegt ist. Jedoch wird es schon bald (Vell. 2,57,3; Sen. nat. 3 pr. 16; 6 ,7 ,2; Tert. adv. Mare. 1,4,6; Cypr. ze l. 9) in die Prosa übernommen und vor a llem in d er späteren Latinität häu fig verwendet (cf. ThLL VII,l s.v. 1291). Hier liegt ein echter G renzfall und ein typisches Beispiel für die Aufnahme ursprünglich dk hterischer Lexik in die Sprache der nachklassischen Kunstprosa vor {siehe oben 25 Anm. 1). Weil d as Wort bereits im ersten nachchristlichen Jahrhundert mehr als verei nzelten Ein gang in die Prosa fi ndet, zur Zeit der behandelten Autoren also keinen color Ve1yilianus meh r an sich haben d ürfte, is t es hier ausgeschieden. Verg ils Einfeluß a uf die Sprache d er christlichen Lat inität ist in diesem FaU e indeutig indJrekt.
2 2.1
Stellenregister Ve rgil
Ausgeschied e ne P ar allelen e cl. 1,81: Novatian. cib. lud. 2,7 {379) 4,42-46: Cypr. hab. virg. (384) 6,6lsq.: Tert. coron. 12,2 (370) 8,71: Tert. mart. 1,5 {369) 10,8: Cy pr. Demetr. 1 (383) g e org. 1,55: Novatia.n. cib. l ud. 2,6 (379) 1,143- 146: Arnob. nat. 2,18 {385) 1,252sq.: Min . Pel. 17,6 (371) 1,276: Cypr. a.d Donat. 5 (383) 1,380: Min . Fe I. 3,5 (370) 1,440sq.: Min. Pel. 25,10 (372) 1,487: Novatian. cib. lud. 4,3 (380) 1,497: Min . Fel. 37,9 (372) 2,194: Arnob. nat. 4,16 (387) 2,386: Novatian. trin . 1,9 {373) 2,605: Novatia.n . trin. 2,10 (374) 3,98: Arnob. nat. 3,10 {386) 3,194: Cypr. ha b. virg. 2 (384) 3,311: Cypr. eleem. 13 (385) 3,356: Tert . a.dv . M are. 1,) ,3 (366) 4,136: Min. Fel. 37,9 (372) 4,240: Novatian. Cypr. epist . 36,2, 1 (378) 4,243: Min . Fel. 8,4 (371) ; Novatian. cib. lud. 3,23 (379) 4,478: Novatian. pudic. 13,4 (382) 4,482sq.: Min. Pel. 20,3 (372)
Aen . 1,298: Cypr. unit. eccl. 18 {240) 1,543: Cypr. epist . 55,9 (382) 1,604: ovatian. Cypr. epist. 30,1,1; pudic. 3,1 (375) 1,685-687: Tert. virg. vel. 14 ,5 (369) 1,739: Arno b. nat. 3,36 (387) 2,182: Novatia n. trin. 1,1 (373) 2,313: Novatian . Cypr. epist . 30,6,3 (377) 2,363.368sq. 755: Tert. anim . 30,3 (367)
2,369: Ter t. anim. 43 ,10 (368) 2,397: Cypr. ad Donat. 3 {382) 2,549: Novatia.n. Cypr. epist. 30,2,2 {376) 3,38: Arnob. nat. 5,5 {388) 3,104: Tert . nat. 2,17,5; apol. 12,5; 25 ,7; Min . Fel. 23,13; Arnob. nat. 4,25 {363) 3,244: Tert. nat. 1,7,20 {362) 3,320: Novatian . pudk. 13,4 (382) 3,324: Arnob. nat. 5,25; 7,11 ; 7,49 (388) 3,348: Cypr. laps. 22 {239) 3,517: Novatia.n. cib. l ud. 2,12 (379) 3,633: Cypr. Japs. 25 (385) 4,13: Novatia n. Cypr. epist. 30,2,2 (376) 4,244: Tert. anim . 49,2 (368) 4,470: Novatia.n . Cypr. epis t . 36,1,1 (378) 4,581: Novatian . Cypr. epis t. 30,8,1 (377) 4 ,669 sq.: Tert . pal l. 1,2 (366) 5,285: Arno b. nat. 2,75 (386) 5,818: Novatian. trin . 8,10 (374) 5,694sq.: Tert. Scap. 2,1 {365) 5, 785: Novatia n. cib. lud. 4,3 {380) 6 ,77s q.: Arnob. nat. 3,1 (296) 6,160: Min . Fel. 19,3 {371 ) 6,200: Novatian. trin. 2,10 (374) 6,288: Novatia n. cib. l ud. 2,12 (379) 6,429: Novatian. Cypr. epis t. 36, 1,2 {378) 6,569: Arnob. nat. 4,31 {388) 6,715: Ter t. anim. 50,4 {369) 6,746: Novatia n. cib. lud. 1,4 (378) 6,795: Tert. nat. 2,17,3; apol. 25,3 (363) 6,816: Cypr. ad Donat. 11 {226) 6,847- 853: Ter t. apol. 30,1sq. {364) 6,862: Tert. orat. 17,2 (369) ; Novatia.n . pudic. 13,4 (382)
390
I V. 2
7,44: Novatian. trin. 16,9 (375) 7,297: Novatian. Cypr. epist. 36,2,1 (378) 7,318: Novatian. pudic. 12,2 (382) 7,488: Min. Fel. 38,2 (373) 7,580: Novatian. pudic. 10,3 (381) 7,661: Tert. apol. 21 ,14 (364) 8,134- 137: Arnob. nat. 5,22 (388) 8,297: Tert. nat. 1,7,20 (362) 8,329: Tert. a pol. 10,8 (363) 8,334: Arnob. nat. 5,25; 7,11 ; 7,49 (388) 8,465: Novatian. cib. lud. 6,6 (380) 8,525sq.: Tert. a pol. 11 ,6 (364) 8 ,526: Novatian . Cypr. epist. 30,6,3 (377) 8 ,638sq.668sq.: Tert. spect . 23,2 (370) 8,698sq.: Tert. nat. 1,10,17; apol. 6,8 (362) 9,219: Novatian. t rin. 2,12 (374) 10,23: Min. Fel. 25,3 (372) 10,29sq.: Tert. apol. 14,2 (364) 10,500: Tert. Scap. 1,2 (365)
Stellenregister
10,601: Cypr. Demetr. 10; domin. orat. 5 (383) 10,813: Min. Fel. 5,9 (371) 10,845: Min. Fel. 18,11 (371) 11,5- 16: Tert. adv. lud. 9,20; adv. Mare. 3,14,4 (365) 11,18: Arnob. nat. 2,67 (386) 11 ,28: Novatian. Cypr. epist. 36,1,2 (378) 11,166: Novatian. Cypr. epist. 36,1,2 (378) 11 ,192: Novatian. Cypr. epist. 30,6,3 (377) 11 ,480: Novatian. pudic. 13,4 (382) 11 ,613: Novatian. Cypr. epist. 30,3,3 (376) 11 ,781: Novatian. Cypr. epist. 30,5,4 (376) 11,804: Cypr. laps. 22 (239) 11 ,888: Novatian. Cypr. epist. 30,3,3 (376) 12,96sq.: Ter t. a nim . 20,3 (367) 12,499: Novatian. t rin. 8,10 (374) 12,691: Cypr. ad Donat. 6 (383)
Zitate ecl. 1,68
ca.espite culmen
Cypr. ad Donat. 2 (220)
ecl. 3,3
infelix [. .. } pecus
Arnob. nat. 7,20 (327) ; 7,24 (327)
ecl. 3,60
I ovis omnia plena
Arnob. nat. 3,9b ? (297) Min . Fel. 32,7 (159)
ecl. 5,37
lolium [. .. } avenae
Arnob. nat. 2,59? (291)
ecl. 6,54
pallentis r-uminat herbo.s
Arnob. nat. 5,23b (316)
ecl. 8,65
mascula tura
Arnob. nat. 7,28 ? (329)
georg. 1, 18sq.
oleaeque Minerva / inven-
Arnob. nat. 3,31 (301)
trix georg. 1,30
ultimo. Thule
Arnob. nat. 6,5 ? (321)
georg. 1,55
arborei fetus
Cypr. Demetr. 3 {231)
georg. 1,62
Deuca.lion vacuum Lapides iactavit in orbem exustus ager morientibus aestuat h erbis
Arnob. nat. 5,5 (312)
georg. 1,107
Cypr. Demetr. 20a (232)
IV.2.1
391
Vergil
georg. 1,125.127b. 128
nulli subigebant arua coloni {. ..} ipsaque tellus I omnia liberius nullo poscente f erebat serpentibus addidit (. .. } lupos
Ter t. nat. 2,13,14 (44)
georg. 1, 135
silicis venis abstrusum {. .. } . tgnem
Arnob. na t . 7,50 (332)
georg. 1,152- 154
intereunt segetes {... } interque nitentia culta I inf elix lolium et steriles dominantur avenae
Cypr. Demetr. 23 (234)
georg. L,208sq.
die {. .. } horas ( ... J dividit
Novatia n. spect. 9,2a (204)
georg. 1,280 cf. 3,304
{im·orar·e)
Cypr. ad Donat. 14 ? (230)
georg. 1,298
terit area fruges
Cypr. mortal. 12b {242)
georg. l ,395sq.
stellis {... J obtunsa {. .. J Luna
Arnob. nat. 2,58 ? (290)
georg. 1,461sq.
ser·enas
georg. 1,473 cj. Aen. 3,574
ftammarumque globos
A.rnob. nat . 2,14b {283)
georg. 2,44
lege litoris oram
Min. Fel. 3.4 (117)
georg. 2,87
pomaque
georg. 2, 135 cf. Aen. 12,790
(anhelus)
Min. Fel. 7,3? (122)
georg. 2 ,461sq.
foribus (. .. } sttperbis I mane salutanturn {... } undam
Cypr. ad Donat. 11 (226)
georg. 2,464
aum vestis
Cypr. ad Donat. 3 ? (221)
georg. 2,482 = Aen . 1,746
tardis {. .. } noctibus
Arnob. nat. 1,2b (265)
georg. 2,4.86
(inglorius)
Cypr. ad Donat. 3 ? {221)
georg. 2,495
Jasces {. .. } purpura
Cypr. ad Donat. 3 ? (221); 12? (228)
georg. l ,l 29sq.
georg. 2,502 georg. 2,506
f. .. J nubes
f... J Alcinoi
insanumque j01·u.m
Arnob. na t. 1,11b ? {267)
Cypr. mortal. 8 (241)
Tert. pa ll. 2,7 ? (61)
ad Donat. l Ob (226) Cypr. ad Donat. 12 (228)
georg. 2,509
gemma bibat et Sarrano do1·miat ostro per cuneos
georg. 2,516
pomis exuberat
Cypr. patient. 4 (245)
georg. 2,542 cf. Ae n. 12,338
(Jumans)
Min . Fel. 7,3? {122)
Cy pr. ad Donat. 3? (221)
392
JV .2
f. .. j
Stellenregister
georg. 3,20 cf. Aen. 5,69
cru.do
georg. 3,34
spirantia signa
Arnob. nat. 6,16a (322)
georg. 3,65
suffice prolem
Arnob. nat. 3,9a (296)
georg. 3,92- 94
(Saturn und P hilyra)
Arnob. nat. 4,26 (308)
georg. 3,113sq.
primus Ericthonius curru.s et quattuor ausus I iungere equos rapidusque rotis insistere victor
Tert. spect. 9,3 (74)
georg. 3,134
paleae iactantur inanes
Cypr. unit. eccl. 9 (239); mortal. 12c (242)
georg. 3,136
genitali arvo et sulcos olimet
Tert. anim. 27 ,8 (67)
georg. 3,261
scopulis inlisa
Novatian . Cypr. epist. 30,2,1 ? (196); Cypr. Japs. 16 ? (196)
georg. 3,304 cf. 1,280
{inrorare)
Cypr. ad Donat. 14 ? {230)
georg. 3,384
{lanitium}
Arnob. nat. 1,11 ? (267); 1,21 (271); 5,25 ? (319); 7,16? (325)
georg. 3,415
agitare (. .. } nidore
Tert. uxor. 2,6,1 (76)
georg. 3,423
(agmen)
Arnob. nat. 7,44a ? (332)
georg. 3,530
somnos abrumpit
Cypr. unit. eccl. 27 (240)
georg. 3,556
catervatim
Arnob. nat. 7,39b ? (330)
georg. 4,61sq.
frondea (. .. } tecta petunt
Cypr. ad Donat. la (2t9)
georg. 4,64
tinnitusque (. .. J quate cymbala
Arnob . nat. 7,32 (330)
georg. 4,7l sq.
rauci (. .. j sonitus imitata tubaru.m
Novatian. spect. 7,2 (203)
georg. 4,261
{fu.ndamen)
Arnob. nat. 3,1 ? (296); 6,7? (322)
georg. 4,199
f etus (. .. } edunt
Arnob. nat. 2,16 (287)
georg. 4,221sq.
deum namque ire per omnis I terrasque tractusque maris caelumque profundum
Min . Fel. 19,2b (142)
georg. 4,243
stelio (. .. } lucifu.gis {. ..J blattis
Arnob. nat. 6,16b {322)
georg. 4,249
generis lapsi sarci1·e n1inas
Novatia n. pudic. 13,2 (207)
caestu
Arnob. nat. 1,36e (276); 7,33 (330)
IV.2. 1
393
Yergil
georg. 4,307
garrula (. ..J hir-undo
Tert. an im . 32,8 ? (68) ; Arnob. nat. 7,17 ? (325)
georg. 4 ,3ll sq.
t enuemque (. .. ] aera (. .. ] effusus nubibus imber·
Novatian. s pect. 9,2b (204)
georg. 4,346
dulcia furta
Arnob. nat. 5,31 ? (319)
georg. 4,422
ob·ice saxi
Min. Fel. 4,5 ? (119)
georg. 4,528sq.
altum (. .. ] spumantem undam
Novatian. t rin. 1,7 (195)
Aen.
(Aeneas)
Tert. nat. 2,9,12- 18 (80); a pol. 14,2 (51) ; adv. Mare. 1,5,1 (64); Min. Fel. 23,6 (151)
Aen.
(Dido)
Tert. mart. 4,5 (85) ; nat . 1,18,9; a po l. 50,5; a nim. 33,9; castit . 13,3; monog. 17 ,2; Min. Fe l. 20,6
Aen. 1,12- 18
urbs (. .. ] Karthag o ( ... ] Iuno (. .. ] posthabita ( ... j Samo. hic illius arma, I hic currus fuit; hoc regnum dea gentibus esse, I si qua fa ta sinant, iam tum t endi tque f o·uetque
Tert . nat. 2,17,6 (47); apol. 25,8a (52)
Aen. 1 ,13sq.
Karthago ( ... ] aspen i ma belli
Tert.. palt. 1,3a (58)
Aen. 1 ,46sq.
l ovisQtLe
I
studiisque
unx
Tert.. apol. 25,8b (52) ; Arnob. na t. 3,30 ? (300)
Aen. 1,49
a1·is imponet.
Cypr. unit. eccl 18 (240)
Aen. 1,106
s·ummo in ftuctu
Min. Fel. 3,6 ( 118)
Aen. I , 176
nutfimenta (.. .] i n fomi t e
Cypr. hab. virg. 1 ? (237)
Aen. 1,266
tmnsie1'int (.. .] hiberna
Cypr . epist . 37,2,2 (218)
Aen. 1,279
impe7'ium sine fine dedi
Tert. a pol. 25,16 (54); Min . Fel. 25 ,1 ( 154)
Aen. 1,282
Romanos rerum dominos
Arnob. nat. 4,1 (303)
Aen. 1,446sq.
t emplum ( ... J donis opulen tum et numin e
Min. Fel. 7,5 {125)
Aen. 1,661
ambiguam [... ] bilinguis
Tert. adv. Val. l ,4 ? (62)
Aen. 1,672
cardine rer-um
Arnob. nat. 7,39a {330)
et soror et con i-
394
TV .2
Stellenregister
Aen . 1,557.660 cf. 7,355
pectore {...1implicet
Min . Fel. 1,2 (114)
Aen. 1,734
laetitiae Bacchus dator
Arnob. nat. 3,33 ? (302)
Aen. 1,739
spumantem pateram
Novatia n. spect. 5 ,1 (202)
Aen. 1,743
unde hominum genus et pecudes, unde imber et ignes
Min. Fel. 19,2b (142)
Aen. 2, 1
intentique ora tenebant
Min . Fel. 39 (168)
Aen. 2,80
vanum {...1 mendacemque f.. -I finget
Arnob. nat. 1,54 ? (282)
Aen. 2,208 et al.
(volumen)
Arnob. nat. 7,44<: ? {332)
Aen. 2,212
(agmen)
Arnob. nat. 7,44a? (332)
Aen. 2,313 cf. 8,526; 11 ,192
clangorque tubarum
Novatian. spect . 7,2 (203)
Aen. 2,407 cf. 588
furiata mente
Cypr. zel. 8 (247)
Aen. 2,447 = II ,846
extrema [... I morte
Min. Fel. 36,9 (168)
Aen. 2,758
ignts edax
Arnob. nal. 6 ,23 ? (324)
Aen. 2,774 et al.
{haerere)
Cypr. la ps. 8 ? (238)
Aen. 3,66 sq.
spumantia cymbia guinis f.. ·I pateras
Aen. 3,75
(arquitenens)
Arnob. nat. 1,36d ? (276) ; 4,22 (2 0)
Aen. 3, 118- 120
mactavit {...I nigram [. ..I albam cum tabida [... I caeli tractu
Arnob. nat. 7,19? (326)
Aen. 3,137sq.
f.. -I rebus
Acn. 3, 145 cf. 11 ,335
fessis
Aen. 3, 176sq.
supinas [. ..J manus
Aen. 3,391
= 8,44
Aen. 3,41 5 Aen. 3,417 sq.
Aen. 3,574 cj. georg. 1 ,4 73
f. ..1 san-
tf'iginta
f. .. j fettLS
tantum aevl ionginqua valet mutare vetustas venit medio ui pontus et undis / Hesperium Siculo latus abscidit globos flammarum
Novatia n. spect. 5,1 (202)
Min . Fel. 5, 10 (121) Arnob. nat . 1,25 {272); 1,28a (273); 3,24 272 Cypr. Fort . 8 ? (248) Ter. adv. Ma re. 1,5, 1 (64) Tert. pa ll. 1,3b {58) Tert. a pol. 40,4 (56); pall. 2,3 {60) Arnob. nat. 2,14b (283)
IV.2.1
395
Vergj)
Aen. 3,582
caelum subtexere fumo
Arnob. nat. 7,15 (324)
Aen. 3,626sq.
m embra ftuentia tabo {. .. ] artus
Cypr. patient. 18 (246)
Aen. 3,631
ceruicem inftexam
Cypr. Japs. 22 ? (239)
Aen. 3,664 cf. 8,230; 10,718
(injrende1·e)
Tert. apol. 12,6? (51); coron . 1,2? (76)
Aen. 4,2
caeco carpitur· igni
Novatian. pudic. 10,1 (206)
Aen. 4,15
fixum immotumque
Arnob. nat. 5,34 (320)
Aen. 4,15 et al.
(sede1·e)
Arnob. nat . 4,18 (303)
Aen. 4,26
(nox)
Novatian. Cypr. 30,7,2 (197)
Aen. 4,122
desupe1· infundam
Cypr. ad Donat. 4a (224)
Aen. 4,174
Fama, malum qua non aliud velocius ull'um
Tert . nat . 1,7,2 (41); a pol. 7,8 ( 49)
Aen. 4,199
templa {. .. ] immania
Arnob. nat. 1,34 (275)
Aen. 4,242
(Mercurius} evocat
Aen. 4,259
( Cyllenius} alatis (. ..] pla.n·· tis
Min. Fe!. 22,5 (150)
Aen. 4,638
l ovi S tygio
Arnob. nat. 2,70a ? (293); 3,31 ? (301)
Aen. 5,69 cf. georg. 3,20
crudo [... ] caestu
Arnob. nat. 1,36e (276); 7,33 (330)
Aen. 5,90
(agmen)
Arnob. nat. 7,44a ? (332)
Aen. 5,230 = 12,49
pro laude pacisci
Tert. apol. 50,7 (57)
Aen. 5,234 cf. 6,55
fudissetque preces
Cypr. Demetr. 20b ? (233); Arnob. nat. 5,21 ? (316)
Aen. 5,262
(tutamen)
Arnob. nat. 1,28b et al. ? (273)
Aen. 5,309
caput nectentur
Min. Fel. 12,6 (127)
Aen. 5,591
(im·emeabilis}
Arnob. nat. 2,36 ? (289)
Aen. 5, 743 = 8,410
sopitos suscitat ignes
Novatian . (199)
Aen. 5, 745
/arTe pio
Arnob. nat. 7,26 ? (328)
Aen. 6
Tartarus
Cypr. Novatian. 30,7,2 (197)
animas
(. .. ]
epist.
Te rt. an im. 53,6 (72)
cib.
lud.
3,3
epist .
396
IV.2
Stellenregister
Aen . 6 ? cf. Sen. suas. 3,5
plena deo (Sibylla'!)
Min. Fel. 7,6 (125)
Aen. 6,7 cf. georg. 1,135
abstrusa in venis silicis
Arnob. nat. 7,50 (332)
Aen. 6,48
pectus anhelum
Tert. palJ. 4,6 (61); Arnob. nat. 1,17b (270)
Aen. 6,55 cf. 5,234
funditque preces
Cypr. Demetr. 20b? (233) ; Arnob. nat. 5,21 ? (316)
Aen. 6,66
praescia venturi
Tert . adv. Mare. 1,5,1 ? (66); Cypr. mortal. 19 ? (244)
Aen . 6,93 = 11,480
causa mali tanti
Tert. adv. Mare. 2,5,1 (66)
Aen. 6,100
obscuris vera involvens
Min. Fel. 27,1 (157)
Aen. 6,121
alterna morte
Min . Fel. 22,7 ( 150)
Aen. 6,129sq.
aequus (. .. ] luppiter
Tert. 2,1 3, 20 (46)
Aen. 6,135
insan o (. .. ] indulgere labori
Min. Fel. 5,6 (119)
Aen. 6, 196sq.
ne defi ce rebus / diva parens
Novatian. (200)
Aen . 6,272
rebus nox abst1,lit atra colorem
Tert. anim. 43 ,7 (68)
Ae n. 6,273
in faucibus Orci
Arnob. nat. 2,53. 78 ? (290)
Ae n. 6,296
caeno [... J voragine
Arnob. nat. 2,14c (283)
Aen. 6,323 cf. 6,369
(Stygia palus)
Tert. anim. 50,3 (70); Min. Fel. 35,1 (164)
Aen. 6,369 cf . 6,323
(Stygia palus)
Tert. anim. 50,3 (70); Min . Fel. 35,1 (164)
Aen. 6,424
(inrem eabil.is)
Arnob. na t. 2,36 ? (289)
Aen . 6,429
(meryere)
Arnob. na.t. 2,14a (283)
Aen. 6,471
s tet Marpesia caut es
Arnob. nat. 2,24 (287)
Aen. 6,502
cui tantum de t e licuit '?
Tert. mart . 4,9 (73) ; nat. 1, 7, 1 (4 1)
Aen. 6,540
ubi se via findit in ambas
Min . Fel. 16,3 ( 128)
Aen. 6,550
ftammis [. .. } torrentibus
Arnob. na.t. 2,14b (283)
Aen . 6 ,580sq.
T itania [...J fulmine [...J in . t.mo
Arnob. na t. 5,19 ? (315)
Aen. 6 ,640 sq.
lttmine vestit [...J solemque[. ..J sidera
Arnob. nat. 1,2a ? (265)
cib.
lud . 6,3
IV.2.1
397
Vergil
Aen. 6,724- 729
Principio caelum ac terra.s camposque liquentis I lucentemque globum lunae Titaniaqtte astra I spiritus intus alit, totamque infusa per ar·tus I mens agitat molem et magno se cor7Jore m iscet. I inde hominum pecudumque genus vitaeque valanturn I et quae marmor·eo fert monstra sub aequore pontus.
Min. Fel. 19,2a {136)
Aen. 6,725
globum lunae (. ..] astra
Novatian. trin. 1,2 (193); spect. 9,1 (204)
Aen. 6,726 sq.
infusa
Aen. 6,730
vigor
Aen. 6,740
(supplicia)
Novatia n. Cypr. 30,7,2 ( 197)
Aen. 6,742
(exuri)
Arnob. nat. 2,14a (283)
Aen. 6,748
(volver·e)
Arnob. na t . 2,14a (283)
Aen. 6,784 cf. 9,82
B erecyntia
Arnob. nat. 5,13 (314)
Aen. 6,795sq.
imper'ittm ( ... ] extra ( ... ] solisque vias
Min. Fel. 6,2 (121)
Aen. 6,830 sq.
socer
Aen. 6,881 cf. 11,770; 12,651
(spumans)
Min. Fel. 7,3 ? (122)
Aen. 7,8
aspimnt am-ae
Min. Fel. 2,4 ? (115)
Aen. 7 ,27sq.
venti posuere (. .. ] flatu s
Min . Fel. 3,3a (116)
Aen. 7,4
(r-evocare)
Min. Fel. 1,1 ? (114)
Aen. 7,45- 49
Latinus (. .. } Pauno Picus pat er· f. .. j Sattwne
Arnob. na t . 2, 71 (294)
Aen. 7,177.179
ex ordine f. .. ] vitisator ser'Uans f. .. Jfalcem
Arnob. nat . 3,29 (299)
Aen. 7 ,355sq. cf. 1,557.660
sensus t or-e
Aen. 7,606
Parthosque reposcere signa
Min. Fe l. 7,4b (123)
Aen. 7,611
(sedere)
Arnob. nat. 4,18 (303)
Aen. 7,66 1
mixta deo mulier
Min . Fel. 7,6 (125)
f. .. ] se miscet
f. .. J caelestis
Min. Fel. 32,7 sq. ? (159) Min. Fel. 26,8 (156)
origo
f. ..J gener
f. .. J implicat
epist.
Min . Fel. 18,6 ?(130)
f. .. }
(. .} pec-
J\lin. Fel. 1,2 (114)
398
IV.2
f.. ·I Allia nomen
Stellenregister
Min. Fel. 7,4a (123)
Aen. 7,717
infaustum
Aen. 7,790 cf. 8,307
(obsitus)
Arnob. nat. 4,26 ? {308)
Aen. 7,811
tingeret aequore plantas
Min . Fel. 3,3b (116)
Aen. 8,1
belli signum {. .. } ab arce
Arnob. nat. 2,67 (292)
Aen. 8,40
(tumor)
Arno b. nat. 1,28c ? (273)
Aen. 8,44 = 3,391
triginta {... I f etus
Ter. adv. Mare. 1,5,1 {64)
Aen. 8, 138sq.
M ercurius f. .. I quem candida Maia I Cyllenae gelido conceptum vertice fudit
Arnob. nat. 1,36c (276) ; 3,32 (301)
Aen. 8,187
vana superstitio
Tert. apol. 24 ,7 ? (51); Min . Fel. 9,2 ? , 1,5 ? (126) ; Novatian. spect . 2,1 ? (201 ); Cypr. Demetr . 5? (232)
Aen. 8,230 cf. 3,664 ; 10,71 8
(infrender-e}
Tert. . a pol. 12,6? {51); coron. 1 ,2 ? (76)
Aen. 8,301
Iovis proles
Arnob. nat. 4,35 (31 1)
Aen. 8 ,307 cf. 7,790
(obsitus)
Arnob. nat. 4,26 ? (308)
Aen. 8 ,322sq.
Latiumque vocaTi I maluit, his quoniam latuisset tutus . . m ons
Min . Fel. 23,11 (152); Arnob. nat. 4,24 (307)
Aen. 8,348
silvestribus horrida dumis
Tert.. a pol. 26,2 (55)
Aen. 8,357sq.
lanus {... 1Satur-nus condidit {. ..I Ianiculum {. ..} Satumia
Min. Fel. 23,11 ( 152); Arnob. nat.. 1,36a {276)
Aen. 8,410 = 5,743
sopitos suscitat ignes
Novatian. (199)
Aen. 8,424- 428
(Vulkans Schmiede im Ätna )
Min. Fel. 23,6 (151)
Aen. 8,526 cf. 2,313; J 1,192
tubae
f...J clangor
Novatia n. spect . 7,2 (203)
Aen. 8,582sq.
auris
I
Arnob. nat. 1,36f (276)
Aen. 8,620
(vomere)
Arnob. nat. 6,3 (320)
Aen. 8,635
raptas sine m ore Sabinas
Min . Fel. 25,3 (155)
Aen. 8,668
Tartareas {. ..} sedes
Arnob. nat. 5,19 (315)
Aen. 9,59
Lupus insidiatus ovili
Arnob. nat . 1,11a (267)
vulneret
cib. lud.
3,3
fV .2.1
399
VergiJ
Aen. 9,82 cf. 6,784
Ber·ecyntia
Arnob. nat. 5,13 (314)
Aen . 9,93
torquet qui sidera
Arnob. nat. 5,23c (316)
Aen. 9 ,104 sq. = 10,113sq.
Stygii per· fiumina fratris , / per pice torrentis atraque . . vomgme npas
Min. Fel. 35,2 {164)
Aen. 9,106 10,115
totum nutu tremefecit Olympum
Arnob. na t. 4 ,21 (304 )
Aen. 10,3
sider·eam in sedem
Arnob. nat . 6,17 {323)
Aen. 10, 18
0 pater, o hominum rerumque aeterna potestas
Arnob. nat. 5,23a {316)
Aen. 10 ,113sq. = 9,104sq.
Stygii per fiumina fmtris, / per pice torr·entis atraque . . vomgtne npas
Min. Fel. 35,2 {164)
Aen. 10, 115 9,106
totum nutu tremefecit Olympum
Arnob. na t. 4 ,21 {304)
Aen. 10,271 cf. 8,620
(vomere)
Arnob. nat. 6,3 (320)
Aen. 10,307
r·etrahitque {. ..J relabens
Min. Fel. 3,3c (116)
Aen. 10,319
deiecit leto
Novatia n . cib. (199)
Aen. 10,472
m etasque
f... J
pervenit ad
lud.
2 ,6
Arnob. nat. 2,8 (282)
aev~
Aen. 10,646
vertit vestigia
Min. Fel. 3,5 (118)
Aen. 10 ,7 18 cf. 3,664 ; 8,230
(infr·endere)
Tert . apol. 12,6 ? {51); coro n. 1,2 ? (76)
Aen. l0,727sq.
taeter· {. .. } cruor
Arnob. n at. 1,2c (265)
Aen. 10,733
caecum {. .. } vulnus
Min . Fel. 9,5 ( 126)
Aen. 10,899
hattsit caelum
Cypr. ad Donat. 4b {224)
Aen. Ll ,82
caeso {. . .J sanguine
Min . Fel. 30,1 ( 158)
Aen . 11 ,192 cf. 2,3 13; 8,526
clangor-que lttbarum
Novatia n . s pect. 7,2 {203)
Aen . 11 ,335 cf. 3,145
rebus {. .. } f essis
Arnob. nat. 1,25 ?; 1,28a ?; 3 ,24 ? (272)
Aen . 11 ,452
stimulis (. .. } ime
Arnob. na t. 7,23? (328)
Aen. 11 ,480 = 6 ,93
causa mali tanti
T ert. adv. Mare. 2,5,1 (66)
Aen. 11 ,483
Tritonia viryo
Arnob. na t. 3,21 {298); 7,22 {328)
400
IV.2
SteUe megister
Aen. 11 ,507
oculos [. .. ] fixus
Cypr. ad Donat. 1b (220)
Aen. 11 ,625--627
nunc [. .. ] perfundit harenam {. ..] nunc {. .. ] resorbens
Min. Fel. 3,3d (116}
Aen. 11 ,770 cf. 6,881; 12,651
{spumans)
Min. Fel. 7,3 ? {122)
Aen. 11 ,846 2,447
extrema [. .. ] morte
Min. Fel. 36,9 (168)
Aen. 12,49 = 5,230
pro laude pacisci
Tert. apol. 50,7 (57)
Aen. 12,90
ignipotens
Arnob. nat. 2, 70b (293)
Aen . 12,102
scintillae [. .. ] micat [. ..] ig. ms
Arnob. nat. 1,17a (270)
Aen. 12,202
nulla dies pacem hanc Italis nec foedera rumpet
Cypr. ad Donat. lOa (226)
Aen. 12,338 cf. georg. 2,542
{fumans)
Min. Fe!. 7,3? (122)
Aen. 12,367
venti incubuere
Cypr. mortal. 12a (242)
Aen. 12,486
vario {. .. ] fiuctuat aestu
Cypr . laps. 4 (237)
Aen. 12,508
costas et cratis
Arnob. nat. 3,13 (298)
Aen. 12,646
usque adeone mori miserum est 'l
Tert. fug . 10,1 (77)
Aen. 12,651 cf. 6,881 ; 11,770
(spumans)
Min. Fe!. 7,3? (122)
Aen. 12,780
cassa {. .. ] vota
Min . Fe!. 12,1 (127)
Aen. 12,790 cf. georg. 2,135
{anhelus)
Min. Fe!. 7,3? (122)
Aen. 12,794
indigetem A enean
Tert. na t. 2,9, 18 (80) ; Arno b. nat. 1,36b ? (276)
fV.2.2
2.2
401
Arnobius
Arnobius
Ausgeschie dene P aralle len: nat. nat. nat. nat. nat.
2,18 2,67 2, 75 3,10 3,21
(385) (386) (386) (386 (387)
nat. nat. nat. nat.
3,36 (387) 4,16 (387) 4,31 (388) 5,5 (388)
nat. nat. nat. nat.
5,22 5,25 7,11 7,49
(388) (388) (388) (388)
Zitat e : nat. 1,2a ? (265)
sider-um sol [. ..Jluce vestiuntur
Aen. 6 ,640
nat. 1,2b {265)
tardissimas luces nox
georg. 2,481 = Aen 1,745
nat. 1,2c (265)
cnwr· taeter
Aen. 10,727
nat. 1, l la (267)
ovilibus ·i nsidiatur luptiS
Ae n . 9,59
nat. 1,11 b ? (267)
Lupus ( ... J serpens (. ..J addiderunt
georg. l ,l29sq.
nat. 1,17a (270)
scintillae emicent (. ..J ex ore
Aen. 12,10l sq.
nat. 1, 17b (270)
anhelum pectus
Aen. 6 ,48
nat. 1,21 (271)
lanitia cu1·ent
georg. 3,384
na t . 1,25? (272)
rebus fessis
Aen. 3,145; 11 ,335
nat. 1 ,28a ? (273)
1·ebus fessis
Aen. 3,145; 11,135
naL. 1,28b ? (273)
(tutamen)
Aen. 5,262
naL. 1,28c (274)
(tumor)
Ae n. 8,40
nat. l ,34 (275)
Capitolia (... } immania
Aen. 4 ,199
nat. 1 ,36a (276)
lanus faniculi conditor et civitatis Saturniae Saturnus auctor
Aen. 8,357 sq.
naL 1,36b ? (276)
l ndigetes
Aen . 12,794
nat. 1 ,36c (276)
Mercuriti.S t1ter·o fust/.5 Maia e {... j candidae
Aen . 8,138sq.
nat. 1,36d ? (276)
(arquitenens}
Aen . 3,75
nat. 1 ,36e (276)
crudo (. ..J caestu
georg. 3,20; Aen. 5,69
nat. 1,36f (276)
vulnemtis auribus
Aen . 8,582sq.
nat. 1,49 ? (282)
( dator)
cf. ad 3,33
402
IV .2
Stellenregister
nat. 1,54 ? {282)
vanos mendaces [...J fingerent
Aen. 2,80
nat. 2,8 (282)
per gmdus aetatis venturam senectutis ad metas
Aen. 10,472
nat. 2 ,14a ? (283)
volvi mergi exuri
Aen. 6,748.742.550
nat. 2,14b {283)
torrentia ftammarum globis
georg. 1,473; Aen. 3,574: 6 ,550
nat. 2,14c (283) cf. 2,30
caenosis voraginibus
Aen. 6,296
nat. 2 ,16 (287)
edunt per uteros f etus
georg. 4,199
nat. 2,17 ? {287)
{tutamen)
Aen. 5,262
nat. 2 ,24 (287)
Marpesia ut dieturn est rupes stabit
Aen. 6,471
nat. 2,30 {285)
caenosis gurgitibus
Aen. 6,296
nat. 2,32 ? (289)
mortis [. ..J in faucibus
Aen. 6,273
nat. 2,36 ? (289)
{inrem eabilis)
Aen. 5,591 ; 6,424
nat. 2,40 ? (290)
(tutamen)
Aen. 5,262
nat. 2,53 ? {290)
(Orci fauces)
Aen. 6,273
nat. 2,58 (290)
luna [. .. j stellae [. .. j obtunsi
georg. 1,395sq.
nat. 2,59 ? {291)
avenae [. .. } lolium
ecl. 5,37; georg. 1, 154
nat. 2,67 (292)
bella, signum [... } ex arce
Aen. 8, 1
nat. 2,70a? {293)
{Iuppiter Stygius}
Aen. 4 ,638
nat. 2,70b {293)
{ignipotens)
Aen. 12,90
nat. 2, 71 (294)
{Picw, Fauni pater atque avus Latini; Saturnis)
Aen. 7,45b-49
nat. 2,78 ? (296)
mortis [. .. f in f aucibus
Aen. 6,273
nat. 3,1 ? (296)
{fundamen)
georg. 4,261
nat. 3,9a (296)
sufficere prolern
georg. 3,65
nat. 3,9b ? (297)
plena esse diis omnia
ecl. 3,60
nat. 3,13 (298)
sub costis eourmque sub cm tibw
Ae n. 12,508
nat. 3,21 (298)
virgo Tritonia
Aen. 11 ,483
nat. 3 ,29 (299)
(vitisator falcif er)
Aen. 7, 179
IV.2.2
403
Arnobius
nat. 3,30 ? (300)
fsc. h mo} soror et comunx [.. .} l ovis
Aen. 1,46sq.
nat. 3,31 (301 )
virgo fsc. Minerva} in ventrix oleae
georg. 1,18sq.
nat. 3,32 (301)
Cyllenius [... } jusus
Ae n . 8,139
nat. 3,33 ? (302)
Liber [...J hilaritatis dator
Ae n . 1, 734
nat. 4,1 (303)
Romanos, dominos rerum
Aen . 1,282
na t. 4,18? (303)
(seder·e)
Ae n. 4,15 et al.
nat. 4,21 (304)
supercilii n u tu totum motans et tremejaciens caelum
Aen . 9,106 = 10, 115
nat. 4,24 (307)
quod tutus juisset a filio, nomen Latio inposuisse pro
Ae n . 8 ,321- 323
munere nat. 4,26 ? {308)
obsitus
Ae n. 7,790; 8,307
nat. 4,26 (308)
sub pecoris specie hinnitibus evolavisse iactatis
georg. 3,92- 94
naL. 4,27 {31 0)
(Anchisae ntLptiae; A eneadum mater)
{Aen . 1,252sqq.)
na t. 4,35 (311)
fsc. Hercu!es} proles l ovis
Ae n . 8,30 1
nat,. 5,5 (3 12)
Lapides[... } in m·bem [. .. } vacuum Deucalion iactavit
georg. 1,62
nat. 5,13 (3 14)
Ber·ecyntia
Ae n . 6,784 ; 9,82
nat. 5, 19? {3 15)
fsc. Titanos} fulmine [. .. } in imas Tm·tar'i praecipitaveri.t sedes
Ae n . 6 ,580sq.
nat. 5,21 ? (3 16)
jundit preces
Aen . 5,234 ; 6,44
nat . 5,23a (3 16)
patr-em [. .. } aeternam r-erum atque hominum potestatem
Aen . 10,18
nat. 5,23b (316)
1-umigantem pallentis he1·bas
ecl. 6,54
nat. 5,23c (3 16)
torquentem [... } sidera
Aen . 9 ,93
nat. 5,25 ? (3 19)
{lanitium)
georg. 3 ,384
nat. 5,31 ? (3 19)
furta dulcissima
georg . 4 ,346
nat. 5,34 ? (320)
jixa atque immota
Aen . 4 ,15
nat. 6,3 (320)
(evomere)
Aen . 8,620; 10,271
na t . 6 ,5? (32 1)
(ultima Thyle}
georg. 1,30
Venus
404
IV .2
SteHenregister
nat. 6, 7 ? (322)
(fundamen)
georg. 4,261
nat. 6,16a (322)
spirantia signa
georg. 3,34; Aen. 6,847
nat. 6,16b (322)
(stelio, blatta lucifuga)
georg. 4,234
nat. 6,17.18 (323)
(sedes sidereae)
Aen. 10,3
nat. 6,23 ? (324)
edax ignis
Aen . 2,758
nat. 7,15 (324)
caelum fumo subtexere
Aen . 3,582
nat. 7,16? (325)
{lanitium)
georg. 3,304
nat. 7,17 ? (325)
hiru.ndines garru.lae
georg. 4,307
nat. 7,19 ? (326)
albas (. .. ] mactari
Aen. 3,118-120
nat. 7,20.24 (327)
(infelicissimae pecudes)
ecl. 3,3
nat. 7,22 (328)
TI'itonia virgo
cf. ad 3,21
nat. 7,23 ? (328)
(s timuli iraru.m)
Aen. 11,452.728
nat. 7,24 (327)
(infelicissimae pecudes)
cf. ad 7,20
nat. 7,26 ? (328)
pium far
Aen. 5,745
nat. 7,28 ? (329)
(masculum thus)
ecl. 8,65
nat. 7,32 (330)
tinnitibus et quassationibus cymbaloru.m
georg. 4,64
nat. 7,33 (330)
cru.dis (. ..] caestibus
georg. 3,2; Aen. 5,69
nat. 7,39a (330)
{rei cardo)
Aen. 1,672
nat. 7 ,39b ? (330)
catervatim
georg. 3,556
nat. 7,44 ? (332)
(agmen, volumen)
georg. 3,423 et al.; Aen. 2,208 et al.
nat. 7,50 (332)
vim silicis fragmentis ignis more subiectam ver~isque in eius abstru.sam
georg. 1,135; Aen. 6,7
nigerrimasque
IV. 2.3
Cyprian
2.3
Cyprian
405
Ausgeschiedene Parallelen: Demetr. 1 (383) Demetr. 10 (383) ad Donat. 3 (382) ad Donat. 5 (383) ad Donat. 6 (383)
ad DonaL. 11 (383)
eleem . 13 (385) epist. 55,9 (382) hab. virg. 2 (384) hab. virg. 14 (384)
laps. 22 (384) laps. 25 (385) unit. eccl. 18 (385) zel. 9 (388)
Zitate: Demetr. 3 (231)
a1·boreis f etibus
georg. 1,55
Demetr. 5 ? {232)
vanis supersti tionibus
Aen. 8 ,187
Demetr. 20a (232)
herbis siccitate mo1·ientibus aestuans campttS arescat
georg. 1,107
Demetr. 20b ? (233)
p1·eces fundimus
Aen. 5,234; 6,55
Dernetr. 23 (234)
inter cultas et Je1·tiLes segetes Lolium et avena dominetur
georg. 1,152- 154
ad Donat. La (219)
petamus {... } frondea t ecta
georg. 4 ,61 sq.
ad Donat. l b (220)
in me oculas {. .. J fi.xus
Aen. 11,507
ad Oonat. 2 (220)
nullis ad copiam f ecundi caespitis cuLminibus
ecl. 1,68
ad DonaL. 3 ? (221)
(aurum, purpum, fa sces, inglorius, cunettS)
georg. 2,464sq. ; 495sq. ; 486; 508sq.
ad Donat. 4a ? (224)
desuper se Lumen infudit
Ae n. 4,122
ad DonaL. 4b (224)
caelitus spiritu hattSto
Aen. 10,899
ad Dona t. lOa? (226)
pace rupta
Aen. 12,202
ad Donat.. lOb (226)
forum {. ..J insanum
georg. 2,502
ad DonaL. 11 (226)
superbas f ores matutinus saLutator obsedit
georg. 2,46l sq.
ad Donat. 12 (228)
defossae {. ..J bibat {. ..} gem ma
georg. 2 ,506sq.
ad Dona L. l3 sq. ? {229)
(die Laudes agricolamm)
georg. 2,458- 540
ad Douat. 14 ? (230)
(inromre}
georg. 1,280; 3,304
epist. 37 ,2,2 (218)
tmnsmeavit hibemum
Aen. 1,266
Fort. 8 ? (248)
supmas manus
.
Aen. 3, 176sq.
406
IV .2
Stellenregister
hab. virg. 1 ? (237)
( nutrimenta, fomes)
Aen. 1,176
laps. 4 (237)
fluctuans vario {. .. ] aestu
Aen. 4,532; 8,19; 12,486
laps. 8 ? (238)
{haerere)
Aen. 2,774 et al.
laps. 16 ? (238)
scopulis ( ... ] inlidunt
georg. 3,261
la ps. 22 ? (239)
cervix [. .. ] inflexa
Aen. 3,631
mortal. 8 (241)
nubila serena
georg. 1,461sq.
mortal. 12a (242)
ventis incumbentibus
Aen. 12,367
mortal. 12b (242)
area fruges terit
georg. 1,298
mortal. 12c (242)
inanes paleae
georg. 3,134
mortal. 19? (244)
pmescius
Aen. 6,66
patient . 4 (245)
exuberare pomis
georg. 2,516
pa tient. 18 (246)
tabescentes ac fiuentes artus
Aen. 3,626sq.
unit. eccl. 9 (239)
inanes paleae ( ... ] iactantur
georg. 3,134
unit. eccl. 18 (240)
inposuerunt altari
Aen. 1,49
unit . eccl. 27 (240)
sornno abrupto
georg. 3,530
zel. 8 (247)
furiatae mentis
Aen. 2,407
IV0204
2.4
407
M inucius Felix
Minucius Felix
Ausgeschiedene Parallelen: 3,5 {370) 5,9 {371 ) 8,4 {371)
18,11 (371) 19,3 {371 ) 20,3 (372) 25,3 {372)
17,6 (371 )
25,10 (372) 37,9 (372) 38,2 (373)
Zitate: 1,1 ? (114)
(1·evocare)
Ae no 7,40
1,1sqo ? (ll4)
dulcedo {.. o] pectori {.. oj sensibus implicata
Aeno 1,660; 7,355
1,5 ? (51)
superstitiosis vamitatibus
Aeno 8,187
2,4 ? (115)
aura adspimns
Aeno 7,8
3,3a? (116)
positis fiatibus
Aeno 7,27sqo
3 ,3b ( 116)
aequo1-is limine planlas tingueremus
Aen . 7,811
3,3c ( 116)
relabens (. 0] retrahens
Ae no 10,307
3,3d (116)
Aeno 11 ,625- 627
3,5 ( 118)
ha1-enas {... ] perfundens {.. 0] nunc {.. oj nunc {.. oj ?'esorberet oram {.. J litoris ( .. 0] legebamus versis vestigiis
3,6 {118)
summis ft:uctibus
Aeno 1.106 •
4 ,5? ( 119)
petmrum obicibus
georgo 4,422
5,6 (119)
indulgentes insano {0. 0] labori {0 0] cupiditate
Aen. 6,133- 135
5 ,10 (12 1)
cum labe pestifera caeli tmctus inficitur
Aen. 3,137sqo
6,2 (121)
imperium suum ttltra solis
Ae n. 6,795sqo
3,4(117)
0
0
georgo 2,44 Aeno 10,646
0
mas 0
7,3a ? ( 122)
(anhelus)
georgo2,135; Aen. 12,790
7,3b ? (122)
(spumans)
Aen. 6,881 eto alo
7,3c? ( 122)
(fumans)
georgo 2,542 et alo
7,4a ( L23)
Allia nomen infaustum
Aeno 7,717
408
JV.2
SteHenregister
7,4b (123)
Parthos signa repetamus
Aen. 7,606
7,5 (125)
templis (. ..} numinibus [. .. } opulenta
Aen. 1,446sq.
7,6 (125)
pleni et mixti deo vates
Aen. 7,661; 6, 12.65; cf. Sen. suas. 3,5- 7
9,2 ? (126)
vana superstitio
Aen. 8,187
9,5 (126)
caecis
12,1 (127)
cassa vota
Aen. 12,780
12,6 (127)
caput nectitis
Aen. 5,309
16,3 (128)
viam [. .. } ubi f. .. } in plures una diffinditur
Aen. 6,540
18,6 (130)
generi et soceri bella
Aen. 6,830sq.
19,2a (136)
Quid? Mantuanus Maro nonne apertius proximius verius principio ait caelum ac te1''TO.S et cetera mundi membra spiritus intus alit et infusa mens agitat, inde hominum pecudumque genus et quicqttid alittd animalium '?
Aen. 6,724- -729
19,2b (142)
ldem alio loco mentem istam et spiritum deum nominal. Haec enim verba sunt: 'de. um namque tre per omnes I terrasque tractusque maris caelumque profundum, I tmde homines et pecudes, unde imber et ignes. '
georg. 4,220sq. 1,743
22 ,5? (150)
pedibus Mercurius alatis
Aen . 4,259
22,7 (150)
Gastores altemis moriuntur
Aen. 6 ,121
23,6 ( 151)
illic lovis fulmen cum Aeneae armis [. .. } fabricatur
Aen. 8,424- 428
23,11 (152)
quod tuto latuisset, vocari maluit Latium, et urbem Satumiam idem [. .. J et I aniculum lanus f. .. J reliquerunt
Aen . 8,322sq. 357 sq.
25, 1 (154)
Romanis dedit f. .. } imperium
Aen. 1,279
25,3 (155)
mrymes puit
f. .. } vulneribus
f. .. }
sine mo1-e ra-
Aen. 10,732
Aen. 8,635
+
Aen.
IV.2.4
409
!VIi nucius Felix
26,8 ( 156)
a. ca.elesti vigore
Aen. 6,730
27,1 {157)
oracula ( ... ] falsis pluribus involuta.
Aen. 6,100
30,1 (158)
sa.nguinem (. .. ] ca.edat
Aen. 11 ,82
32,7sq. ? (159)
omnia (. .. j deo (. .. ] plena (. .. ] infusv.s (. .. j miscetur
ecl. 3,60; Aen. 6,724727
35,1 (164)
Stygia pa.lude saepius ambientis ardoris
Aen. 6,550; 6,323.369 et al.
35,2 (164)
per torrentis ripas et a.tram . vomgmem
Aen. 9 ,104sq. = 10,113sq.
36,9 (168)
ad extremam mortem
Aen. 2,447; 11,146
39 ( 168)
intentos vultus ten e.bamus
Aen. 2,1
41 0
2.5
IV.2 Stellenregister
Novatian
Ausgeschiedene P aralle len: cib. lud . 1,4 (378) ci b. lud. 2,6 (379) ci b. l ud. 2,7 (379) ci b. l ud. 2,12 (379) c ib. l ud. 3,23 (379) cib. l ud. 4,3 (380) cib. lud . 6,6 (380) Cypr. e pist. 30,1,1 (375) Cypr. epist . 30,2,2 (376) Cypr. epist . 30,3,3 (376)
Cypr. epist . 30,5,4 (376) Cypr. epis t . 30,6,3 (377) Cypr. epist . 30,7,1 (377) Cypr. epis t. 30,8,1 (377) Cypr. epis t. 36,1,1 (378) Cypr. epist . 36,1,2 (378) Cypr. epist. 36,1,2 (378) pud ic. 3,1 (375) pudic. 10,3 (381) pud ic. 12,2 (382)
pud ic. 13,4 (382) spect. l 0,1sq. (380) tri n. 1,1 (373 trin. 1,9 (373) trin . 1,14 (373) trin . 2,10 (374) trin . 2,12 (374) t rin . 8,10 (374) tri n. 16,9 (375) trin . 28,30 (375)
Zitate: ci b. l ud . 2,6 (199)
ter-rae soloque deiecit
Aen. 10,319
cib. lud. 3,3 ( 199)
ignittm m ore [. ..J sopita
Aen . 5,743 = 8,4 10
cib. l ud . 6,3 (200)
m ater deficere
Aen . 6, 196sq.
Cypr. e pist. 30,2,1 ? ( 196)
inlidat in scopulos
georg. 3,261
Cypr. e pist. ( 197)
( Tartar-us, caligo)
30,7,2
supplicia,
n ox,
Aen. 6,740 et al.
pudic. 10,1 (206)
fiammas [. .. J i n medttllis caeca (... ] incendia
Aen. 4,2.66
pudk
ruinae collapsi generis resarciuntur superstitiones vanas
georg. 4,249
spect . 5,1 (202)
cruor [. ..J calidus exceptus s pu mlmti patera
Aen. 1,739; 3,66sq. 6,248
spect . 7,2 {203)
clangores tubae [. ..Jim itatur raucos
Aen. 2,313 et al.; georg. 4,7l sq.
spect . 9,1 {204)
globum lunae
Aen. 6,725
spect . 9,2a (204)
( divtdere, dies, horo, librore)
gcorg. 1,208sq.
spect.. 9,2b (204)
im bres controctis profundentern
gcorg. 4,3ll sq.
t rin. 1,2 ( L93)
lunae [. ..J globum astrorum spumans unda
13.2 (207)
s pect . 2,1 ? (201 )
trin. 1,7 ? (195)
nubibus ( ... J
Aen. 8,187
Aen. 6,725 georg . 4,528sq.
IV .2.6
2.6
411
Tertullian
Tertullian
Ausgeschie d e ne P aralle le n: arüm. 20,3 (367) anim. 30,3 (367) anim. 43,10 (368) anim. 49,2 (368) anim. 50,4 (369) apol. 6 ,8 (362) apol. 10,8 (363) apol. 11,6 (364) apol. 14,2 (364) apol. 21,14 (364)
apol. 25,3 (363) apol. 30,l sq. (364) coron . 12,2 (370) adv. lud. 9,20 (365) adv. Mare. 1,1,3 (366) adv. Mare. 1,4,6 {388) adv. Mare. 3,14,7, (366) m art. 1,5 (369) nat. 1,7,20 (362)
na t. 1,10,17 (362) nat. 2,17,3 (363) nat. 2,17,5 (363) orat. 17,2 (369) pall. 1,2 (366) Scap. 1,2 (365) Sacp. 2,1 (365) s pect. 23,2 (370) virg. vel. 14,5 (369)
Zitate: a nim. 27,8 (67)
limus ( ... J sulco et aTvo
georg. 3 ,136
anim. 32,8 ? (68)
hirundines ex gan·ulis
georg. 4,307
anim. 33,9 (68)
(Dido)
cf. 85sqq.
an im . 43,7 (68)
nox (. .. ] a:uferens ?'erum (. .. } coloTem ( Achills Feiung in der Styx)
Aen . 6 ,272
evocator'is anima?'Um, Mercurii poetarum
Aen. 4,242; 6,749sq. Aen. 4,174
apol. 12,6? (5 1)
Fama est mal·um, qua non alittd velocius ullum (infrendere)
apol. 14 ,2 (5 1)
( A eneas)
cj. 80sqq.
apol. 24 ,7 ? (51)
vanae supeTstitionis
Aen. 8,187
apol. 25,8 (52)
posthabita Samo (. .. ] hic illius arma; / hic WN'US fuit; hoc regnum dea gentibus esse, / si qua jata sinant, iam tune tenditque jovetque. (. .. ] conitmx I ovis et soror· imperium sine fine
Aen . 1,16-18.46
apol. 26,2 (55)
(silvestr'is Roma, Capitolium)
Ae n. 8,347sq.
apol. 40,4 (56)
vis undarum Lucaniam abscisam in Siciliae nomen relegavit
Aen. 3,417 sq.
an im. 50,3 (70) an im. 53,6
(72)
a pol. 7,8 {49)
apol. 25,16 (54)
Aen. 6 ,57sq.
Aen. 3,664 et al.
Aen . 1,279
412
IV.2
Stellenregister
apol. 50,5 (57)
Carthaginis conditrix
cf. 85sqq.
apol. 50,7 (57)
de laude pepigerunt
Aen. 5,230
eastit. 13,3 (78)
(Dido)
cf. 85sqq.
eoron . 1,2 ? (76)
(infrendere)
Aen. 3,664 et al.
fug. 10,1 (77)
usque adeone mori miserum est?
Aen. 12,646
adv. Mare. 1,5,1 (64)
triginta A eonum f etus, tarnquam A eneiae scrofae
Aen. 3,391 = 8,44
adv . Mare. 2,5 ,1 ? (66)
(praescius)
Aen. 6,66
mart . 4,5 (85)
( Dido}
cf. 85sqq.
mart. 4,9 (73)
tantum
monog. 17,2 (78)
regina Carthaginis
cf. 85sqq.
nat. 1,7,1 (41)
tantum de (. .. } licuit
Aen. 6,502
nat . 1,7,2 (41 )
Fama malum, quo non aliud velocius ullum
Aen . 4,174
nat. 1,18,3 (44)
(Dido)
cf. 85sqq.
nat. 2,9,12- 18 (80)
( A eneas)
cj. 80sqq.
nat. 2,13,14 (44)
nulli subigebant arva coloni; tpsaque omnia tellus nullo poscente ferebat
georg. 1,125- 128
nat. 2,13,20 (46)
Vergilii aequus Juppiter
Aen. 6, 129sq.
nat. 2,17,6 (47)
luno urbem suam posthabita Samo dilectam f... } hic llius arma; I hic curru.s fuit; hoc regnum dea gentibus esse, I si qua fata sinant, iam tune tenditque fovetque.
Aen. 1,16- 18
pall. 1,3a (58)
studiis asperrima belli
Aen. 1,14
pall. 2,3 (60)
(latus, mediotenus, Sicilia}
Aen. 3,417sq.
pa U. 2,7 ? (61)
Alcinioi pometum
georg. 2,87
paU. 4,6 (61)
pectus m ent
pall. 4,10 ? (62)
vanissimis superstitionibus
Aen . 8,187
praescr. 39,3sq. (78)
( Vergilius)
cf. 78sq.
f. ..} licet de
f...J anhelum
Aen. 6,502
{... ] tu-
Aen. 6,48sq.
IV.2.6
413
Tertuman
sp ect. 9,3 (74)
Primus Erichthonius currus et quattuor ausus / iungere equos rapidttsque rotis insiste1·e victor.
georg. 3,113sq.
uxor. 2,6,1 (76)
nid01-e turis agitabitur
georg. 3,414sq.
a.dv. Val. 1,4 ? (62)
ambiguitates bilingues
Aen. 1,661
adv. Val. 10,2 (63)
causa mali tanti
Aen. 6,93 = 11 ,480
3
Literaturverzeichnis
3.1
Ausgabe n und Kommentare
Ve rgil MYNORS, R.A.B. , P . Vergili Maronis opera, Oxford 19774 (verwendete Textausgabe)
..
ALBRECHT, M. von , P. Vergilius Maro, Bucolica. Hirte ngedichte. Ubersetzung, Anmerkungen , interpretiere nder Kommentar und Nachwort, Stuttgart 2001 A USTIN, R .G., P. Ve rgiü Maronis Aeneidos Liber Primus, with a Commentary, Oxford 1971 -
ders., P . Vergili Maronis Aeneidos Liber Secundus, with a Commentary, Oxford 19632
-
d ers., P. Ve rgili Maron is Ae neidos Liber Quartus, with a Comme nta ry, Oxford 1955
-
ders., P . Vergili Maronis Aeneidos Liber Sextus, with a Comme ntary, Oxford 1977
C LAUSEN, W ., V irgil , Eclogues. With an Tntroduc tion and Commentary, Oxford 1994 COLEMAN , R. , Vergil, Eclogucs, Cambr idge 1977 DI NCEL, J ., Komme ntar zum 9. Buch d er Ae ne is Ve rg ils, lleidelberg 1997 EDEN, P.T. , A Comme ntary on Virgil: Aeneid VHI , Leide n 1975 F ORDYCE, C.J ., P. Vergili Maronis Ae neidos libri Vli- VIll , with a Com me ntary, Oxford 1977 GRANSDEN, K.W. , Virgil, Aeneid Book V III, Cambridge 1976 -
de rs., Virgil , Aeneid Book XI , Cambridge 1991
HARDI E, P., V ir gil , Ae neid Book IJ< , Cambridge 1994 HARRJSON , S.J. , Vergil : Ae neid 10, with Introduction , 1)·ans lation , and CommenLary, Oxford 1991 H OSJUS, C., P. Ve rgili Maronis Bucolica cum a uctoribus e t imitatoribus, Be rlin 1968 2 LADEWIC , T ., et al. , Vergils Gedichte, Berlin 1 19159 , II 1912 13 , IH 1904 9 ~IACU I N ESS, W .S. , Virgil : Aeneid Book XII , Letchwor t h 19733
MYNORS , R .A. B., Virgil , Ceorgics. Edjted with a Comme ntary, Oxford 1990 NORDEN, E. , P . Ve rgilius Maro: Aeneis Buch VI , Stutlgar t 1957 4 PAC E, T .E., The Aeneid of Virgil , Edited wit h l ntroduc tion and Notes, London l: 1894 , IT: 1900 d ers. , P. Ve rgili Maronis Bucolica e t Georgica, wit h lntroduction and Notes, London 1898
IY.3. 1
415
Ausgaben und Kommentare
PARATORE, E., Virgilio. Eneide (traduzione di L. CANALI) , [M ilano] I: 19882 , Il: 19892 , ITI: 1992 4 , IV: 1991 2 , V: 1982, VI: 1983 ( Fondazione Lorenzo YaJla) P EASE, A.S. , Publi Vergili Maronis Aeneidos liber quartus, Cambridge 1935
I
Mass.
RJBBECI<, 0., P. Vergilii Maronis opera, Leipzig l 18942 , 11 & 111 18952 RICHTER, W ., P. Yergili Maronis Georgica, herausgegeben und erklärt, München 1957 T HOMAS , R. F ., Virgil, Georgics, Cambridge 1988 USSAN I, V., Virgilio, Eneide libro II. lntroduzione e commento, Roma 1952 WILLIAMS, R.D., Virgil, Aeneid Book V. Edited with a Commentary, Oxford 1960 ders. , Virgil , Aeneid Book III. Edited with a Commentary, OxJord 1962 ders ., The Aeneid of Yirgil, edited with introduction and notes, London singstoke 1: 1972, Tl: 1973
I
Ba-
Te rtullian QuJnti Septimi F lorenlis T erlullia ni opera. Pars 1: Opera Cat holica. Adversus Marcionem , Pars U: Opera Montanistica, Turnhout 1954 (CC I & Il) (verwendete Textausgabe) AzZALI ß ERNARDELLI, Giovanna, Tertulliano, Scorp iace, FiTenze 1990 B ECt<E:R, C. , Tertullian , Apologeticum . Verteidigung des C hristentums, München 19843 BRAUN, R. , Tertullien , Contre Marcion . l ntroduction , texte critique , traduction et notes, Paris 1 1990 (SC 365) , II 1991 (SC 368) , Hl 1994 (SC 399) B üCHN ER, J. , Quint. Sept. Flor. Tertullian , Oe Spectaculis. Kommentar, Oiss. WüTzburg 1935 CASTORINA , E., Quinti Septimi Florentis Tertumani de spectaculis. I ntroduzione, testo critico, commento e traduzione, Firenze 1961 COLOMBO , S. , Q. Septimii Florentis Tertulliani Apologeticum , Torino 1926 CosTA NZA , S., Tertulliano, Oe paUio. Testo , traduzione e com mento, Napoli 1968 EVANS , E. , Tertullian 's Treatise againsl Praxeas. The Text edited with an lnt roduction , Trans lation and Conunentary, Lo ndo n 1948 d ers. , Tertullia n's Tract on t he Prayer. The Latin text wit h C riticaJ Notes, an EngHs h Trans lation, _an lntroduction and Explanatory Observations, London
1953 ders. , Tertullia n 's Treatise on t he lncarnation. The Text EdJted with an lnt rod uction , Trans lation a nd Commentary, London 1964 ders. , TertuWan 's Homily on Baptism. The text Edited with an Introduction , Translation and Commentary, London 1956 FONTAIN E, J .,, Q . Septimi Florentis Tertulliani de corona. Tertullien , s ur Ia couron ne . Edition, introduction et commentaire, Paris 1966
416
I V .3
Literaturverzeichnis
FRASSINETTI , P., Qwnti Septimi Florentis Tertullia.ni Apoloceticum , Torino 1965 (Corpus Paravianum) FREDOUILLE, J .-C. , T ertullien . cont re les Valentiniens. 1: intro duction, texte critique, traduction, Paris 1980 (SC 280); li: commentaire et index, Paris 198 1 (SC 281) -
ders., Tertullien , de Ia patience. Introduction , texte cri tique, t raduction et commentaire, Paris 1984 (SC 310)
FRIEDRICH, H.- V., Tertullian. Oe exhortatione castitatis. Ermahnung zur Keuschheit , herausgegeben und überset zt , Stut tgart 1990 GERLO, A., Q. S. Fl. Tertullianus. Oe Pallio. Kritische uitgave met vertaling en commentaar. I InJeiding, tekst en vertaling. li Commentaar, Wetteren 1940 GRAMAGLIA, P.A., Tertulliano, Ai martiri. lnt roduzione, traduzione e note, Roma
1980 -
ders., Tertulliano, A Scapula. Jntroduz ione, traduzione e note, Roma 1980
-
ders., Tertulliano, La preghiera. Introduzione, traduzione e note, Roma 1984
HAIDENTHALLER, M. , Tertullians zweites Buch ad nationes und de testimonio ani.. mae. Ubertragung und Kommentar, Paderborn 1942 HOPPE, H., Quinti Septimi Florentis Tert ulliani apologeticum, Wien 1939 (CSEL 69)
I
Leipzig
ISETTA , Sandra, T ertulliano, L'eleganza d eUe donne, F irenze 1986 LE SA INT, W .P. , Tertutlian , Theatises on Ma rriage o.nd Rema rriage. To his Wife. An Exhortation to C hastity. Monogamy, Westmins ter I Maryla nd 1951 -
d ers., Tertullian, Theatises on Penance. On Peni tence and O n Puri ty, Westminster I London 1959
M AHE, J .- P., Tertullien, Ia chair du C hrist. Int roduction , texte critique, t raduction et commentaire, Pa ris J 975 (I SC 216, Il SC 217) MARASTONI , A., Q .S. F Tertullia ni ad versus Valentinianos, Padova 1971 MARTIN, 1., Q.S.F. Tert ulliani apologeticum, Bonn 1933 (Florilegium patristicum
VI) MATTE! , P., Tert ullien , le mariage unique. Int roduction , texte critique , traduction et commentaire, Paris 1988 (SC 343) MENGHI , M. Tertulliano, L'anima (De anima) , Venezia 1988 MICAELLI , C. I M UNIER, C. , Tertullien, Ia pudicite. 1: introduction , texte critique et t raduction, Pa ris 1993 (SC 394); 11: com mentaire et index , Paris 1993 (SC
395) f...loRESCHINI , C., Tertullien , exhortat ion a Ia chastete. l ntroduction, texte critique et commentaire (traduction par J .- C. FREDUOILLE) , Paris 1985 (SC 319) M UNIER, c., Tertullien , A son epouse. Lntroduction , texte critique, traduction et notes, P aris 1980 (SC 273) d ers., Tertullien , La penitance. lnt roduction, texte critique, traduction et commentaire, Paris 1988 (SC 3 16)
IV.3 .1
Ausgaben und Kommentare
417
ÜEHLER, F., Quinti Septimii Florentis Tertulliani Opera om nia, Leipzig I 1853, 1854 , III (Dissertationes) 1853
n
Q UACQUARELLI, A. , Q.S.F. Tertulliani ad marty ras. Prolegomeni, testo critico, traduzione e com mento, Roma 1963 RAUSCHEN, G. , Tertulliani Apologetici recensio nova, Bonn 19122 (Florilegium Patristicum VI) R EPOULE, R .F. , Tertullien , Traite de Ia prescription contre les heretiques. Introductio n, texte critique, et notes (traduct ion de P. DE LABRIOLLE), Paris 1957 (SC 46) RILEY, M.T. , Q. S. Fl. Tertulliani adversus Valentinianos. Text, Translation, and Commentary, D iss. Stanford 1971 R uGC IERO, F., Tertullia no, de corona. lntroduzione, testo, traduzione e note , Mila no 1992 SCARPAT, G. , Q.S.F. Tertulliano, Contra P rassea. Edizione critica con introduzione , traduzione ita liana, note e indici, Torino 1985 SCHLEYER, D. , Tertullia n, De praesciptione haereticorum. Vom prinzi piellen Einspruch gegen die Häretiker. Übersetzt und eingeleitet , Thrnhout 2002 SCHNEIDER, A., Le premier Iivre ad nationes de Tertullien. Introduction , texte, t raduction et commentaire, Rome 1968 ScH ULZ- FLÜGEL, Eva, Tertullien, le voile des vierges. Introduction et commenta ire (traduction par P. MATTEI) , Paris 1997 (SC 424) S IEBEN, J ., Tert uiUan, Adversus Praxean. Gegen Praxeas. Übersetzt und eingeleitet , Freiburg et al. 2001 STEPHAN , A. , Tertulliani ad uxorem libri duo d enuo editi a pparatu critico commentario exegetico Batave scripto indke verba rum et nominum ins tructi, Amsterdam 1954 STÜCKLIN , C ., Tertullian , De viryinibus velandis. Übersetzung, Einleitw1g, Kommenta r , Fra nkfurt am Main et al. 1974 TH IERRY , J.J. , Tert ullianus , Oe fu ga in persecutione . Met in leidung, vertaling, toelichting en index, Hilvers um 194 1 TIB ILETTI , C. , Q.S.F. Tertulliani de testimonio a nimae. lntroduzione, testo e cornmento, Torino 1959 -
d ers ., TertuiJiano, La testimonianza dell 'anima, Firenz.e 1984
T RÄNKLE, H., Q.S.F. Tertull iani adversus l udaeos. Mit Einleitung und kritischem Kommentar hera usgegeben, Wies baden 1964 T uRCAN , Ma rie, Tert ullien , La toilette des femmes. Introduction , texte cri tique, traduction et commentaire, Pa ris 1971 (SC 173) -
dies. , TertuUien, Les spectacles. Introduction, texte critique, traduction et commentaire, P a ris 1986 (SC 332)
UCLIONE , R. , Q.S. F. Tertull ia no, Le uniehe nozze. Edizione critica con introduz ione, t raduzione , note e indici , Torino 1993
418
fV .3
Literaturverzeich n is
WALTZING , J .- P ., TertuJJien , Apologetique. Commentaire analytique, g rammatical & historique, Paris 193 1 -
ders. , TertuJlien , Apologetique, texte etabü e t traduit , Paris 1971 3
WASZINK , J .H. , Quinti Septimi F lorentis Tert ulliani de anima, edited with introd uction and commentary, Amsterdam 194 7 -
d ers. , Tertulüan , T h e Treatise against Hermogenes. Translated and Annotated, Westminster I London 1956
-
d ers., Tert ullian , Über die Seele. Eingeleitet, übersetzt und erläutert, Zürich München 1980
I
ders. I VAN W INDEN , J .C.M., T ertuUianus, Oe id ola tria . C ritical Text, Tran&lat ion and Commentary, Leiden 1987
MinuciüS Felix I
I
Leipzig 19922 (verwendete
8AEHRENS, A., M. M inucii Felicis Octavius, Leipzig 1886 8A EHRENS, W .A., M. Minucii Felicis Octavius, Leiden 19 12 B EA UJEU, J ., M in ucius Felix , Octavius, texte etabli et traduit , Paris 19742 BODELON , S., EI discu rso Anticrist iano de Cecilio en el Octavio d e Minucio Felix , MHA 131 14 {1992193) 247- 294 !Übersetzung und Kommentar zu M in . Fel. 1- 14] 80EN IG, H., Minucius Felix, Octavius , Leipzig 1903 C LARKE, C. W ., T he O ctavius of Minucius Feüx, Translated a nd Annotated , New York 1974 {Ancient C hristia n Writers 39) OOM BART, B., Minucius Felix , Octavius, herausgegeben u nd übersetzt, Erlangen 188 12
OOUGLAS S IMPSON , Adelaide , M. M inuci i Felicis Octavius. P rolegomena, Text a nd C rit ical Notes, Oiss. New York 1938 FAUSCH, W. , Oie Einleit ungskap itel zum ' Octavius' des Minucius Feüx. Ein Kommenta r, Oiss. Z ü rich 1966 I
ders. , M. Min ucii Felicis Octavius, Torino 19723 (Corpus Paravianum)
Q u iSPEL, C ., M. Min ucii Felicis Octavius, uitgeven en van commentaar voorzien , Leiden 1949 RAUSCHEN, C. , M. Minucii Felicis Octavi us, Bonn 1913 (F lorilegium Patristicu m Vl ll)
IV.3.1
Ausgaben und Kommentare
419
SCHÖNE, A., M. Minucii Felicis Octavius, herausgegeben und m it einem kritischen Anhang versehen, Leipzig 1912 VAN WAGENINGEN, J ., M. Minucii Felicis Octavius, van inJeid ing en aanteekeningen voorzien, l. Irrleiding en tekst, II . Aanteekeningen , Utrecht 1923 WALTZ ING , J .- P., Octavius de Minucius FeHx, [Liege]1909 [Kommentar] -
ders. , M. Minucii Felicis Octavius, Leipzig 1926 2 [Ausgabe]
Novatian DrERCKS, G.F. , Novatian i opera, Thrnhout 1972 (CC IV) (verwendete Textausgabe) GRANADO, C. , Novaciano, La Trinidad. Introducci6 n, traducci6n, comentarios e Indices, Madrid 1996 LANDGRAF, G. j WEYMAN, C., Novatians epistula de cibis ludaicis, ALLG 11 (1900) 221- 249 LOI, V ., Novatianus, Oe trinitate, edizione, traduzione e commento, Torino 1975 MATTE!, P. , Novatien, De trinitate 3 1. Texte et traduction. Commentaire philologique et doctrina l, MAT 20 (1996) 159- 257 W EYER, H., Novatianus, Oe Trinitate. Über den dreifalt igen Gott, Text und Übersetzun g mit Einleit ung und Kommentar , Düsseldorf 1962
Cyprian Caecilii Cypriani Opera 1, Turnhout 1972 (CC III); O pe ra II , Turn hout 1976 (CC 111 A); Epistularium , Turnhout 1994 (CC IIJ B); Epistularium , epistulae, 1\tr.nJw ut 1996 (CC III C) ( verwendete Textausgabe) BAYARD, L., Saint Cyprien, Correspondance. TexteetabU et traduit, Paris I 19622 ' n 19612 B EVENOT, M., St . Cyprian , T he Lapsed, T he Uni ty of the CathoUc C hurch. TransIales and a nnotated , New York 1956 CONWAY, Sr. M . George Edward , Thasci Caecili Cypria ni de bono patientiae. A Translation wit h an ln troduction and a Commentary, Diss. Washington 1957 HARTEL, G., S. Thasci Caecili Cypria ni opera omnia, Wien 1- III 1868- 1871 (CSE L 3 ,1- 3) K EENAN, Sr. Angela E. , Thasci Caecili Cypriani de ha bitu virginum. A Corn mentary with a n l nt roduction a nd Translation , Diss. Wash ington 1932 MOLAGER, J. , Cyprien d e Carthage, A Donat et La vertu de Ia patience. Introduction , traduction et notes, Paris I 982 (SC 291) POIRJER, M. , Cyprien de Carthage, La bienfaisanceet les a umönes, Paris 1999 (SC 440) R EBENACK, E.Y. , Thasci Caecili Cyp riani de opere et eleem osynjs, Diss. Washington 1962 REVEILLAUD, M., Saint Cyprien , L'ora ison dominicale. Texte, traduction , introduction et notes, Paris 1964
420
fV .3
Literat urverzeichnis
Arno bius MARCHESI, C., Arn obü adversus na tiones libri VII , Torino 19532 (Corpus Paravianum) (verwendete Textausgabe) AMATA, B., Arno bio , D ifesa d ella vera relig ione. lntroduzione, traduzione e note, Roma 2000 C IERLICH, Gabriele , Arnobius von Sicca. Ein Kommentar zu den ers ten beiden Büchern seines Werkes adversus nationes, Diss. masch. Mainz 1985
LE BONNIEC, H., Arnobe, contre les gent ils, )jvre I, texte etabli , t raduit et commente, Paris 1982 McCRACKEN, G.E. , Arnobius of Sicca, T he case against the Pagans. Adversus nation es, Newly Translated and Annotated , Westminster I Mary land 1949 ( Ancient C hris t ia n W riters 7) R EIFFERSCHEID, A. , Arnobii adversus nationes libri YIT, Wien 1875 (CSEL 4) VAN DER P uTTEN, J.M .P.B ., Arnobii adversus nationes 3,1- 19, uitgegeven met in leid ing en commentaar, Diss. Leiden 1970
K o mmentare zu ande r e n Autore n BAILEY , C., Titi Lucreti Gari de rerum nat u ra libri sex. Edited wit h P rolegomena, Critical Apparatus, Translation , and Gommentary, Oxford 1947 BöMER, F. , P. Ovidius Naso. Die Fasten. Herausgegeben , übersetzt und kommentiert , Heidelberg I (Einleit ung, Text und Übersetzung) 19922 , ll (Kommentar) 1958 de rs., P. Ovidius Naso. Die Metamorphosen , Kommentar, Heidelberg 1- V 1969-1986 HEUBECK , A., et al. , A Gommentary on Homer's Odyssee, Oxford 1- IIl 19881992 l<J RK , G .S., (ed. ), The lliad : A commentary, Garnbridge I- VI 1985-1993 f
dies. , A Commentary on Horace Odes, Book Il, Oxford 1978
PEASE, A.S. , M. Thlli C iceronis de divinatione libri duo, University of lllinois I 1920, II 1923 (ND Darmstad t 1963) -
d ers., M. Thlli Gicero nis d e natura deorum , Garnbridge
I
Mass. l 1955, II 1958
S KUTSCH, 0 ., T he Annals of Q. E nn ius . Edited with [nt roduct ion and Commentary, Oxford 1985 S PALTENSTElN , F. , Gommen taire des Punica d e Silius l talicus, Gen€we I 1986, II 1990
IY.3.2
421
Konkordanzen , Lexika und Ha ndbücher
YIANSINO , G ., Marco Annaeo Lucano, La Guerra C ivile ( Farsaglia), testo critico, traduzione e commento, Milano 1995 WEST, M.L ., Hesiod , Theogony. Edited wit,h Prolegomena a nd Commentary, Oxfo rd 1966 ders., Hesiod, Works and Oays. Edited wit h P rolegomena a nd Commenta ry, Oxford 1978
3 .2
Konkordanzen, Lexika und Handbücher
ALBRECHT, M. von, Geschichte der römischen Li terat ur, München 19942 ALTANER, B.
I
STU IB ER, A. , Patrologie, Freiburg et al. 19808
BAUER, W . I ALAND, K. und Ba rba ra, Griechisch-deutsches Wör terbuch zu d en Schriften des Neuen Testaments und der frühchristliche n Litera tur, Berlin I New York 19886 BERI
latin-fran~ais
des a uteurs chretie ns, StrasboUJ·g 1954
BRAUN , R ., et al. , Chronica Tertullianea et Cypria nea 1975- 1994. Bibliog raphie critiq ue de Ia premiere Litterature la tine chretienne , Paris 1999 BTL- 2: Bibliotheca Teu bneria na Latina, Vers ion 2.0, München 2002 [CD- ROM] CC: Corpus Christiano rum. Series Lat ina, Th.rnl10ut 1954sqq. CLAESSON, G., Index Tert ullianeus, Pa ris 1 1974, li & Ill 1975 C LC LT- 5: Ceted oc Libra ry of Latin Tex ts, Version 5.0, Turn hout 2002 [CD- ROM] CURTIUS, E.R. , Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, T ü bingen sel 1993 1 1 DNP: CANCIK , H. 1996sqq.
I
SCHNEIDER, H., (Hg.) , Der Neue Pa uly, Stu ttgart
I
I
Ba-
Weimar
DPAC: D izionario pa tristico e di antichüa cristia ne, d iretto d a A. D1 BERARDINO, Roma I 1983, Il 1984, lU (Atla nte patris tico, indici) 1988 EV: Enciclopedia Virgilia na , Roma 1984- 1991 EWNT: BALZ, H. I SCHNEIDER, G. , Exegetisches Wö rterbuch zum Neuen Testament , Stuttgart et al. 19922 FORCELLINI, A., Lexicon Lotius Latini taLis, I. F URLANETTO et al. (ed .), Padova 1940 HABEL, E .
I
GRÖBEL , F. , Mittellateinisches G lossar , Paderbo rn 1959 2
HOC: SCHMAUS, M. , et al. (Hg.) , Ha ndbuch d er Dogmengeschichte, Freiburg et al. l95 l sqq. HKG(J ): J EDIN, H. (Hg.), Ha nd buch der Kirchengeschichte, Freib u.rg et al. 19621979 H LL: H ERZOG, R. I SCHMIDT, P .L ., (Hg.) , Handbuch d er lateinischen Li tera tur d er Antike, München 1989sqq.
422
IV .3
Literat urverzeichnis
KH: K ÜHNER, R. I Ho LZWErSSIG, F ., Ausführliche Gramma tik d er late inischen Sprache. Erster Teil: Elementar-, Fo rmen- und Wortlehre , Hannover 19122
I R. I
KlP: ZIEGLER, K.
SONTH EIMER, W ., (Hg.) , Der Kleine Pa uly, München 1975
KS: K ÜHNER, STEGMANN , C. , AusführHebe G ramm atik d er lateinischen Sprache . Zweiter Teil : Satzlehre , Hannover 19765 KYTZLER, B., et al., Concordant ia in Minuci FeHcis Octavium, Hitdesheim et al. 1991 LACL: Dö PP, S. I GEERLINGS , W. , (Hg.), Lexiko n d er antiken chris tHeben Literatur, Freiburg et al. 20023 LAUSBERG , H ., Handbuch d er liter arischen Rhetorik, Stuttgart 19903 LAW: Lexikon d er Alten Welt , Zürich LC A: B AUER, J.B. 1999
I
I
Stut tgart 1965
H UTTER, M. , (Hg.), Lexikon der christlichen Antike, Stuttgart
L ESKY, A., Geschichte der g riechischen Literatur, Bern
I
München 1971 3
LHS: LEUMANN , M. I HOFMANN, J .B. I SZANTYR, A., La teinische Grammatik. 1. Lateinische La ut- und Formenlehre , München 1977, II. Lateinische Syntax und S tilistik, München 1965 LIMC : Lexicon iconogra phicum mythologiae classicae, Zürich
I
München 1981sqq.
LÖFSTEDT, E. , Syntactica , Lund 1956 2 LSJ : LIDDELL, H .G. 1996 10
I
SCOTT, R.
I
JONES, H .S. , A Greek- English Lexicon ,
MALTBY , R. , A Lexicon o f Ancient La tin Etymologies, Leeds 1991 MERGUET , H ., Lexikon zu Vergilius, Leipzig 1912 NEuE, F .
I
WAGENER, C ., Formenlehre der la teinischen Sprache , Leipzig 1902
NORDEN , E ., Ant ike Kunstprosa, Leipzig
I
Berlin 1909 2
OLD: GLARE , P .G. W ., Oxford La tin Dictionary, Oxford 1982 ÜTTO, A., Die Sprichwörter un d sprichwö rt lichen Redensarten der Römer , Leipzig 1890 ÜVERBECK, J ., D ie a ntiken Schriftquellen zur Geschichte der bildenden Künste bei d en G riechen, Leipzig 1868
PHI 5.3: Packard Huma nit ies Instit ute, Los Altos [CD- ROM] (cf. C . SCHÄFER, Computer und antike Texte, St. Katharinen 1993, 17- 22) R AC: Reallexikon für Antike und Christent um. Begründet von F.J . D ÖLGER, S tuttgart 1950 sqq. R E: WtssowA , C., et al. (Hg.), Pa ulys Realencyclopädie d erclassischen Altert umswissenschaft, Stut tgart 1893sqq. REICHENKRON , G. , Historische La tein- Altromanische G ramma tik. Teil I, Wiesbaden 1965 SCHANZ, M. I HOSIUS, C. , Geschichte d er römischen Literatur, München I 1927, 11 19354 , f1l 19223 , IV ,1 1914 2 , IV ,2 1920
l V.3.3
423
E inzelli tera t ur
SoUTER, A., A G lossary of Later La t in , O xJord 1949 ThLL: T hesaur us linguae La tinae, Leipzig l 900sqq. TRE: f(RAUSE, G. / ~IÜLLER , G., {Hg.). T heologische Realenzyklopädie , T übingen 1976sqq. VÄÄNÄNEN , V., Int rod uctio n au latin vulgaire, P aris 1967 2 WACKERNAGEL, J ., Vorlesun gen Ober Synta x, Basel T 1926 2 , 11 1928 2 WALDE, A. I HOFMANN, J .B ., Lat einisches Etymologisches W ö rter buch , He id elb erg 19825 W ISSOWA, G., Relig ion und K ult us der Römer , München 19 12 2
3 .3
Einzelliteratur
ALAND, Barba ra , C h ristentum , Bildung und römische Obersch icht. Z um ' Octavius' d es Minu cius Felix , in : P la to nis mus und C hristentum . F S fü r H . D ö RRI E, hg. v. B. ALA ND u . F . M ANN, JbAC Ergänzungsba nd 10 , Münster 1983, 1130 ALDMIA, Ana Maria, E I Octavius de Minucius Felix. P untos discutid os, E C las 91 ( 1987) 55- 64 ALLEN , C., l nter textuality, Lo ndon
I
New Yo rk 2000
A MAT, J acqueli ne, Songes et visions. L'au- d ela dans Ia litt.erature la ti ne tard ive, P aris 1.985 AMATA, B., Pro blem i di a ntropologia arnobia na, Rolll a 1984 -
ders., M iLo e paideia in Arnoh io di Sicca, in : C rescila d ell ' uo mo (et a postnicena), a cura di S. F ELICI, Roma 1988, 35- 50
BALL. Maria T ., Nat ure a nd the Vocabulary o f pria n , Diss. Wash i11gt o n 1946
ature in t he Works of Saint Cy-
BARNES, T. D., Ter tullian. A Historical a nd Litera ry Study, Oxford 1985 2 BARTELINK , G.J .M., ' Homer', RAC 16 {1994) 116-14 7 BATINSKY, E mi ly E., Vergilian C itations in Seneca's P rosc Wor ks, Diss. Un ivers ity of Colo rado 1983 B AYARD, L. , Le la tin d e saint Cyprien , P aris 1902 BAYLIS, H.J ., Minucius Felix and his Place a mong t he E arly f'athers of t he Lat in C hurch , Londo n 192 BECKER, C., Ter t uUians Apologeticum. Werden und Leis t ung, M ünchen 1954 -
d ers., Der ' Oct avius' des Minucius Felix. He idnische P hilosphie und fr ühclLristliche Apo logetik, München 1967
BENDER, A. , Die na türliche Gotteserke nntnis be i La ktanz u nd seinen a po loget ischen Vorgängern , Frank furt am Main et al. 1983 BERGE, R ., E xegetische Bemer kungen zur Dä mo ne nauffassung d es M inucius Felix , Kevelaer 1929
JV .3
424
Lite raturverzeichnis
8ERI NGER, L., Oie Kultwörter bei Vergil, Oiss. Erlangen 1932 B ERTHOLD, H ., Das "klassische" Zitat. Versus notissimi in der Augusteischen Epoche, Klio 67 (1985) 302- 314 -
d ers ., D ich tervers und P hilosophenspruch. Konkurrenz und Zusammenspiel, Philologus 135 (1991) 184- 190
B ERTI, Nadia , lmitatio Didonis e su icidio rituale nella morte della m oglie di Af:r drubale, in : Dulce et decorum t!$l pro patria mori. La morte in combattim ento nell'antichita , a cu ra di Marta SORDI, Milano 1990, 231- 246 BINDER, G ., Yerg il , die Aene is u nd Dido, in : d ers. (Hg.), Oido und Aeneas. Vergils Dido- Dra ma und Asp ekte seiner Rezept ion, Trier 2000, 9 23 Bos, A.P ., ' Imma ne nz u. 'fra nszendenz', RAC 17 (1996) 104 1- 1092 B RA UN, R ., Tertullien et les poetes la tins, AFLNice 2 (1967) 21- 33, j etzt auch in: d ers. Approches 97- 109 -
d ers., Deus Christianorum. Recherche:; sur le vocabulai1e dvct riual c!e Tertallien , Paris 19772
-
d ers. , Approch es d e Tert u llie n, Paris 1992
ß ROICH, U. / P FISTER, M. , (Hg.) , lntertextualität. Formen, F\mktio nen , anglistische Fallstud ien, Tüb ingen 1985 BuCHH EIT, V. , Goldene Zeit und Paradies auf Erden (Lactanz, inst . 5,5-8), W J A -
NF 4 (1978) 161- 185 & 5 (1979) 219-239 d ers. , Cy prian - Seneca und die Laudes agricolarum Vergils, RhM 122 (1979) 348- 359 ders., Non agnitione sed gratia (Cypr. Don. 2) , Hermes 115 (1987) 318- 33d ders., Non homini sed Deo (Cypr. Don. 3-4) , Hermes 117 (1989) 210-226 ders., Verg il a ls Zeuge de r natürlichen Gotteserkenntnis bei Minucius Felix und Laktanz , RhM 139 (1996) 254- 259
B ÜRNER, G. , Vergils E in fl uß be i den Kirchenschriftstellern der vorn izän ischen Periode, Diss. E rlangen 1902 B URGER, C. , Oie t heologischen Positionen des Älteren Arnobius, Diss. m asch. Heid elberg 1970 CALLU , J .- P., Jmpius Aeneas? Echos virgiliens d u ba.s-empire, in : C HEVALLIER
161- 178 C APP ELLE'ITI, A., Minucio Felix y su Filosoffa d e Ia Religion, RVF 19 (1985) 7-62 C HAMPEA UX, J acq ueline , Arnob e lecteur d e Varron, REAug 40 (1994) 327- 357 C II APOT, F ., Les grandes o rientations d es travaux sur I' Octavius d e Minucius Felix. Rema rques s ur t rente a ns de bibüographie , VL 150 (1998) 18- 28 C HEVA LLI ER, R ., (ed .), P resence de Virgile, Paris 1978 COMPARETTI, 0 ., Virgilio nel medio evo. Nuova edizione a cura d i G . PASQUALI , Firenze 1943 2 ,
CouRCELLE, P ., Interp ret a tions nOO-platonisants d u Iivre VI d e l' E ne ide , in: Recherches sur Ia t radition platonienne, E ntreliens Fondation Hard t 3, Vandreuvres / Geneve 1955, 95-136
1V .3.3
425
Einzelliteratur
d ers. , Les peres de l'eglise d evant les enfers vir giliens, AHOL 22 (1955) 5-74 d ers. , Yirgile et l' immanence d ivine chez Minucius Felix, in: Mullus. FS T . IÜA USER, Münster 1964, 34-42 ,
ders. , Lecteurs pai"ens et lecteurs chretiens de I' Eneide. 1. Les temoign ages littera ires, Paris 1984 Cu RTI, C. , ' Arnobio', EV 1 ( 1984) 327sq. ÜA SS ~'I ANN,
E., ' Jenseits: C. Christlich. IH- YII', RAC 17 ( 1996) 353-401
D ' ALES, A., Tertullien helleniste, REG 50 (1937) 329-362 DE Y1vo. A. I S PINA, L. , ' Come dice il poeta ... ' Percorsi greci e lati ni di parole poetiche, Napoli 1992 DOICNO , J ., Le placitum eschatologique attribue aux s to"iciens pa r Lactance, RPh 5 1 ( 1977) 43- 55 Ec KERT, G. , Orator Christianus. Unters uchungen zur Argumentationskunst inTertullians Apologeticum , Stuttgart 1993 EDM UNDS , L., Intertextuality and t he Reading of Roman Poetry, S a ltimore don 2001
I
Lon-
ELLSPERMANN , G. , T he Attitude of t he Early Christian Latin Wri ters toward Pagan Literature and Learning , Washington 1949 FJ EDROWICZ, M., Apologie im fr ühen Christentum. Die Kontrove rse um den christlichen Wahrheitsanspruch in den ersten J a hrhunderten, Paderborn et al. 2000 F ONTA l NE, J ., As pects et problemes d e Ia prose d 'art la tine au llle siede. La genese des s tyles ta tins chretiens , Torino 1968 FOUCII ER, A. , Historia proxima poetis. L' influence de Ia poesie epique s ur le sty le des historiens tatins d e Sallus te a Ammien Marcellin , Bruxelles 2000 F'RGDOUJLLE, J .-c., Tertull ien et Ia conversion de Ia culture antique, Paris 1972 d ers. , Tertullien et Ia cult ure antique, in : ~lelanges E. GAREA U, Ottawa 1982 , 197 206 ders. , Lang ue philosophique el t hoologie d 'exp ression la tine (lle- m e siecles) , in : La Ia ngue latine - Ia ngue d e Ia philosophie. Actes du colloque organise par I' Ecole fran<;aise de Rome, Rome 1992, 187- 199 F RENTZ, W ., My t hologisches in Yergils Georgica , Meisenha im a m C la n 1967 GALJNSKY, G. K., Aeneas, Sic ily, and Rome , Princeton 1969 GALLICET, E., VergiJ in der christlichen Welt der ersten J ahrhunderte, in : Vergilius Romanus. Cod ex Vaticanus La tinu 3867 IFaksimilea.usgabeJ. Kommentarband , Zürich 1986 , 196-232 GEtSA U, H. von, ' M. Minucius F'c lix', RE S uppt. 11 ( 1968) 952- 1002 GENETTE, C. , Pa limpseste. Die Literatu r a u f zweiter Stufe, Frankfurt am Main 1993 (O rigina l: Palimpsestes. La Ii ttera ture a u second d egre , Pa ris 1982) CEORCII , H., Die antike Äneiskri tik aus den Scholien und a nderen Quellen hergestell t, Stuttgart 1891 G JCON , 0. , Die antike Kultur u nd das Christentum , Güterslo h 19692
426 -
IV .3
Literaturverzeichnjs
ders., Arnobio: cristianesimo e mondo romano, in: Mondo classico e cristianesimo, Roma 1982, 87- 100
GLOCKMANN , G. , Homer in der frühchristlichen Literatur bis J ustinus, Berlin 1968 GOTTLIEB , G. I BARCELO, P. (Hg.) , Christen und Heiden in Staat und CeseUschaft des zweiten bis vierten Jahrhunderts, München 1992 G ÜLZOW, H., Cyprian und Novatia n. Der Briefwechsel zwischen den Gemeinden in Rom und Ka rthago zur Zeit der Verfolgung des Ka isers Decius, T übingen 1975 HACENDAHL, H., Methods of Citation in Post- C lassical Latin Prose, E ranos 45 {1947) 114- 128 ders., Latin Fathers and the Classics, Göteborg 1958 ders., August ine and t he Latin C lassics, Göteborg 1967 ders., Von TertuUian zu Cassiodor. Die profane lite rarische Trailition in dem lateinischen christlichen Schrift tum , Göteborg 1983 HARNACK, A., Eine bisher nicht erkannte Schrift Novatian 's vom J ahre 249150 ['Cyprian' de lav.de mat·tyriij, TU 13,4b (1895) 39-42 HECK, E ., MH 8EOMAXEIN oder: Die Bestrafung des Gottesverächters, Frankfu rt am Main et al. 1987 ders., Lactam und die Klassiker . Zu Theorie und Praxis der Verwendung heidnischer Literatur in christlicher Apologetik, P hilologus 132 (1988) 16ü-179 ders., Vestrum est - poeta noster. Von der Geringschätzung Vergils zu seiner Aneignung in der frühchristlichen lateinischen Apologetik, MH 47 ( 1990) 102- 120 HELBIC, J ., Intertextualität und Markierung, Beideiberg 1996 HoOGMA, R.P. , Der Einfluß Vergils auf rue Carmina Latina Epigra phica, Amste rdam 1959 HORSFALL, N.M., (ed.) , A Campanion to t he Study of Virgil, Leiden et al. 1995 INCREMEAU , Christiane, Minucius Felix et ses 'sources': Je travail de l'ecrivain, R EAug 45 {1999) 3- 20 JAEG ER, W., Das frühe Christentum und die griechische Bild ung, Berlin 1963 (Original : Early Christianity and C reek P aideia, Garnbridge I Mass. 1961) JIRANI, 0 ., Myt hologjcke prameny Arnobiova spisu Adversus Nationes, LF 35 ( 1908) 1- 11; 83-97; 163- 188; 323- 339; 403- 423 J ÜRGENS, H., Pompa diaboli. Die lateinischen Kirchenväter und das antike Theater, Stuttgart et al. 1972 KAROS!, A., Quibusnam scriptoribus non christianis Minucius Felix in Octavio componendo usus sit?, Budapest 1905 KLEIN, J . I FIX, Ulla (Hg.), Textbeziehungen. Linguistische und literaturwissenschaftliche Beit räge zu lntertextua lität, T übingen 1997 I< LEIN , R., Tertullian und das römischen Reich, Beideiberg 1968 -
ders. (Hg.), Das frü he Christentum im römischen Staat, Darmstadt 19822
IV.3.3
Einzelliteratur
427
l
LE BONNIEC, H., Echos ovidiens dans l'adversus nationes d 'Arnobe, in : R . C HEVALLIER (ed.), Presence d 'Ovide, Paris 1982, 139-151 LEHR, H., Religion Wld Kult in Vergi ls Aeneis, Diss. Gießen 1934 LORD, Mary L., Dido as an Example of C hastity, HLB 17 ( 1969) 22- 44 & 216232 MACOONALD, D.R. , (ed.), Mimesis a nd lntertextuality in Antiquity and Chris tianity, Ha rrisburg 2001 f-.IARA , laria C razia, 'Cipria no ', EV l {1984) 790sq. f-. IARKSCHIES, C., Valentinus Gnosticus? Untersuchungen zur valentinianischen G nosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten, Tübingen 1992 f\IARTIN , J. / Q utNT, Barbara, (Hg.) , C hristentum und a nt ike Gesellschaft , Darmstadt 1990 !\lARTINDALE, C., (ed.), The Cambrigde Companion to Virgil , Cambridge 1997 lVI ESSMEH, E ., Laktanz und die Dichtung, Oiss. München 1974
t\ ltC'KA , E. F., T he Problem od Oivine Anger in Arnobius and Lactantius, Oiss. Washington 1943 !\lORA, F., Arnobio e i culti d i mis tero. Analisi storico- religiosa del V libro dell' Adversus Nattones, Roma 1994 der ., ·Arnobius ', ONP 2 ( 1997) 2 1 q. !\IORICCA, U., Oi alcune probabi li fonti d ' un opuscolo di S. C ipria no, Athenaeum 5 ( 19 17) 124- 158 MÜLLER , G.A. , Formen und Funktionen der Vergilzitate und -anspielungen bei Augustin von Hi ppo, Pa.derborn et al. 2003 t\I ÜLLER, K., Rhythmische Bemerkungen zu Minucius Felix, MH 49 (1992) 57- 73 AZZARO. A.V. , La IV Bucolica di Virgilio neU'a ntichita crist.iana, in : Omaggio Sannita a Virgilio, a cura di A.V . NAZZARO, S. Giorgio del Sannio 1983, 49- 72 ESTLE, W. , Oie Haupteinwä nde des antike n Oenkens gegen das Christentum , in : MARTtN/ Q UtNT 17- 80 (erstmals in: ders., Griechische Studien, Stuttgart. I 948, 597- 660) ÜPELT, llona, ' Aeneas', RAC Suppl. 1/2 (1985) 88- 94 , erstmals: JbAC 4 ( 1961 ) 184- 1 6
428 -
IV .3
Literaturverzeichnis
dies. , Schimpfwörter bei Arnobius dem Älteren , WS NF 9 (1975) 161- 174
ÜSWIECIMSKI, S., Oe scriptorum Romanorum vestigiis apud Tertullianum obviis quaestiones selectae, Krak6w 1951 PILHOF'ER, P., Presbyteron Kreitton. Der Altersbewe is der j üdisch en und chris tlichen Apologeten und seine Vorgeschichte, Tübingen 1990 PLETT, H.F. , Sprachliche Konstituenten einer intertextueUen Poetik, in: BROICH I P FISTER 78- 98 -
d ers., T he Poetics of Quotation . Grammar and Pragmatics of an Intertextual P henomenon , in: Bulletin de Ia cornrnission interuniversitaire Suisse d e linguistique a ppliquee 48 (1988} 66-81 ders., (ed .), Intertextuality, Berlin
I
New York 1991
P OHLENZ, M., Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung, Göttingen I 19927 , II 19906 ,
POINSOTTE, J .- M. , L' image d e Didon dans l'Antiquite tardive, in: Enee et Didon , edite par R. MARTIN, Paris 1990, 43- 54 PRICOCO, S. , ' Minucio Felice', EV 3 (1987) 537 Q UACQUA RELLI, A., Una difesa re torica in Tertulliano. L'auxesis di Virg ilio Aen. 4,174 a favore dei C ristiani, in : O ikumene. Studi paleocristiani pubblicat i in onore d el Concilio Ecumenico Vat icano II, Catania 1964, 159 164 RAPISARDA , E. , Amobio, Catania 1946 -
d ers. , L'angelo d ella morte in V irgilio e in Tertulliano, in : Societas Academica Dacoromana, Acta Philologica III, Roma 1964, 309-312
RIZZI, M ., Id eologia e retorica negli exordia apologet ici , Milano 1993 ROCHETTE, B., Herades a Ia croisee des chemins. Un greco-latine, LEC 66 {1998) 105-113
't61tO<
dans Ia littera ture
RUJz OE ELVIRA, A., Dido y Eneas, CFC 24 {1990) 77- 98 SANTORELLI, Paola , Parodia virgiliana in Arnobio, Maia 41 ( 1989) 241- 250 SCHIPPERS, J .W ., Oe Ontwikkeling d er Euhemeris tische Godencritiek in d e C hristlijke Latijnse Literatuur, Groningen 1952 SCHMITZ, T.A. , Moderne Lite raturtheorie und antike Texte. Eine Einführung, Darmstadt 2002 SCHNEIDER, C., Geistesgeschichte d er christlichen Antike, München 19702 Sc HÖLLCEN , G. , Ecclesia sordida '? Zur Frage der sozia len Stellung frühchristlicher Gemei nden am Beispiel Karthagos zur Zeit T ertullians, Münster 1984 SI MM ONS, M.B., Arnobius of Sicca. Religous Confti ct and Competition in the Age of Diocletian , Oxford 1995 SITTE, A ., My thologische Quellen des Arnobius, Diss. Wien 1970 SPANNEUT, M. , Le sto'icisme d es peres de I'Eglise, Paris 19572 SPINDLER, P., Oe Arnobii genere dkendi , Diss. Straßburg 1901 STEINER, H ., Das Verhältnis Tert uUians zur antiken Paideia, St. Ottilien 1989
rv .3.3
E inzelliteratur
429
STU IBER, A. , ' Dido', RAC 3 (1957) 1013- 1016 SUERBAUM, W ., Hundert J a hre Vergil- Forschung: Eine syst ematische Arbeitsbibliographie mit besonderer Ber ücksichtigung d er Aeneis, ANRW li 31,1 {1980)
2- 358 SwiFT, L.J ., Arnobius and Lactantius: Two V ie ws of t he Pagan Poets, TAPhA 96
( 1965) 439- 448 SZARMACH, M., Oie Anspielungen a uf die heidnische Literatur in Cyprians de borw patientiae, in: Worte, Bilder, Töne. Studien zur Antike und Antikerezep t ion , P S B. I
197- 200 THOME. Gabriele, Vorstell ungen vom Bösen in der la t einischen Literatur. Begriffe, Motive, Gestalten , Stuttgar t 1993 TIIÖNNES, H.- W ., Caelestia recogita, et terrena respicies. Altkirchliche Apologetik a m Beis piel Tertumans im Verg leich mi t modernen Entwürfen , F'rankfurt am Ma in et al. 1994 TlßiLETTI, C., 'Tertulliano', 'EV 5 (1990) 14Q-142 UG LION E, R. , Virg ilio in Te rtull iano: lntertestualita e riscrittura, BStudLat 29
(1999) 504- 522 -
ders., Poeti latini in TertuUiano: I ntertestua lita e riscrittura, A&R 46 (2001 )
9- 34 SSAN I, V .. Enea t raditore, SJFC 22 (1947) 109- 123 VAN DER NAT, P.C. , Zu den Voraussetzungen d er christli ·hen lateinischen Li teratur: die Zeugnisse von M inuci us Felix und Lakta nz, in: C hristianisme et forrnes Litte raires d e I' Antiquit e tardive en Occident . Entretiens Fondation ll a rdt 23, Geneve 1977, 191- 234 VAN DER VLIET, 1., Studia Ecclesiastica. Ter t uUia nus I: C ritica et l nterpretatoria, Le iden 1891 1 ' IANO, A ., Ret6rica, filosofla y g ra matica en el · Aduersus nationes' d e Arnobio d e Sicca , F'ran kfurt am ~ l ain et al. 1993 V1s, J .M., Ter tullianus' d e pallio tegen de achtergrond van zijn overige werken Nijmegen 1949 VoRGRifviLER, H., Gesch ichte d er Hö lle, München 1994 2 Voss, B . R.., Der Dialog in d er frü hchristlichen Li teratur, München 1970 \VASZINK, J .H., Eine E nn ius- R.em iniszenz bei Cyprian?, Mnemosy ne s.III 1 {1933/ 34) 232sq. WATSON, E.W ., T he La nguage and Sty le of St. Cyprian, in : Studia biblica et ecclesiastica IV , Oxford 1896, 189-329 W EIDMA N, C., Unent d eckte Dichterimitationen in Ter tullians Ad Nationes, WS
JO ( 1995)467--479 WI ESEN. O.S., Virg il, M inuci us .Felix and the Bible, Hennes 99 (1971) 7Q-91 WLOSOI<, Anton ie, Lak tanz und d ie philosophische G nos is. Unters uchungen zur Geschichte und T erminolog ie d er gnostischen Erlös ungsvors t ellung, Heidetberg 1960
430
IV .3
Literaturverzeichnis
-
dies., Die Göttin Venus in Vergils Aeneis, Heidlberg 1967
-
dies., Rom und d ie Christen. Zur Auseinandersetzung zwischen Christentum und römischem S taat, S tuttgart 1970
-
dies., Vergil als Theologe. luppiter - pater omnipotens, in: dies. R es humanae 368- 383, erstmals Gymn asium 90 ( 1983) 187- 202
-
dies. , Et poetica figmenta et philosophiae veritatem. Bemerkungen zum 6. Aeneis buch, insbesondere zur Punktion der Rede des Anchises (724ff.), in: d ies., Res humanae 384- 391, erstmals LF 106 (1983) 13- 19 dies., Zwei Beispiele frühchris tlicher ' Vergilrezeption': Pole mik (Lact., div. inst . 5,10) und Usurpation (O r. Const. 19- 21), in : dies., Res humanae 437-459, erst mals in: V. P ÖSCHL (Hg.) , 2000 J ahre Vergil. Ein Symposion, W iesbaden 1983, 63-86
-
d ies., Gemina doctrina ? Über Be rechtigung und Voraussetzungen a llegorischer Ae neisinterpretation, in: dies. Res humanae 392-402, erstmals : Gemina cl.oc.trina. On AllegoricaJ Interpretation , in : F. C AIRNS (ed.), Papers of the Liverpool Latin Semi nar V, Liverpool 1986, 75-84
-
dies. , Res humanae - res divinae. Kleine Schriften, hg . v . H ECK, E. f SCHMIDT, E.A., He idelberg 1990
ZEECERS- VANDER VORST, Nicole, Les citations des poetes grecs chez les apologistes chretiens d u ue sied e, Louvain 1972