STUDIEN ZUR GESCHICHTE UND KULTUR DES ALTERTUMS Neue Folge I. Reihe: Monographien Im Auftrag der Görres-Gesellschaft herausgegeben von HEINRICH CHANTRAINE, TONY HACKENS, HANS JÜRGEN TSCHIEDEL U. OTTO ZWIERLEIN
16. Band
Ferdinand Schöningh Paderborn • München • Wien * Zürich
STEFAN FREUND
Vergil im frühen Christentum Untersuchungen zu den Vergilzitaten bei Tertullian, Minucius Felix, Novatian, Cyprian und Arnobius
2. Auflage 2003
Ferdinand Schöningh Paderborn • München • Wien • Zürich
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Einbandgestaltung: Anna Braungart, Regensburg Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier© ISO 9706 2., korr. u. erw. Auflage 2003 €> 2000 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH. JUhenplatz 1. D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fallen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn ISBN 3-506-79066-8
Vorwort zur ersten Auflage Das vorliegende Buch ist die überarbeitete und gekürzte Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 1998/99 von der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt angenommen wurde. Wenn aus der für mich sehr lehrreichen und vergnüglichen Beschäftigung mit dem Gegenstand, wie zu hoffen, ein Erkenntnisgewinn erwachsen und in diesem Buch festgehalten ist, gebührt der Dank dafür einer Reihe von Menschen: Herr Prof. Dr. Hans Jürgen Tschiedel, Eichstätt, regte die Entstehung der Arbeit an und förderte sie unermüdlich mit wissenschaftlicher und menschlicher Anteilnahme. Frau Prof. Dr. Antonie Wlosok, Mainz, zeigte von Anfang an freundliches Interesse an dem Projekt, begleitete engagiert die Arbeit mit entscheidenden Ratschlägen und scharfsinniger Kritik, schließlich übernahm sie auch die Mühen des Korreferats. Herr Prof. Dr. Eberhard Heck, Tübingen, gab wichtige Hinweise und stellte freundlicherweise Material zur Verfügung, Herr Prof. Dr. Walter Kißel, Erlangen, ermöglichte die Präsentation und fruchtbare Diskussion des Projektes in einem Forschungskolloquium zur Intertextualität, Herr Prof. Dr. Peter Krafft, Eichstätt, leitete meine ersten Annäherungen an den Themenbereich an, Herr Prof. Dr. Jürgen Malitz, Eichstätt, gab vor allem in der Anfangsphase wichtige Hilfestellungen. Herr Dr. Dietfried Krömer gewährte mir in sehr entgegenkommender Weise den Zugang zum Archiv des Thesaurus linguae Latinae. Herr Dr. Peter Grau und Herr Dr. Friedrich Heberlein, beide Eichstätt, standen mir stets mit sachkundiger Hilfsbereitschaft und wohlwollendem Interesse bei. Unter den Freunden, welche die Arbeit durch Ermutigung, Diskussion und entsagungsvolles Korrekturlesen er- und mittrugen, seien Christian Albert M.A., Margit Glück, Dr. Peter Hefele, Klaus Meier, Christian Schöffe! und Wolfram Zimek, vor allem aber Sr. M. Gratia Rotter und Wolfram Schröttel genannt, dessen unerbittlicher Kritik ich viel verdanke. Während meines Promotionsstudiums erhielt ich über die Konrad-Adenauer-Stiftung ein Stipendium aus Bundesmitteln. Den Herausgebern danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe 'Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums', der Görres-Geseilschaft und ihrem Präsidenten Prof. Dr. Dr. mult. h.c. Paul Mikat für die Übernahme der Druckkosten. Herr Peter Zimmermann, Eichstätt, half mit großer Geduld und Sachkunde bei der Erstellung der Druckvorlage. Schwabach, Allerheiligen 1999
Stefan Freund
Vorwort zur zweiten Auflage Es ist ein Grund zur Freude, wenn ein Buch dieser Art seine zweite Auflage erlebt, denn zum einen zeigt dies dem Verfasser und allen, ohne deren Beteiligung die Arbeit nicht entstanden wäre und denen hier nochmals ausdrücklich gedankt sei, daß der behandelte Gegenstand tatsächlich auf das erhoffte Interesse gestoßen ist. Zum anderen bietet sich die Gelegenheit, Fehler zu korrigieren, neu Erschienenes einzuarbeiten und manches im Licht der Rezensionen 1 besser oder zumindest anders zu gestalten: 1. Bekannt gewordene Fehler und Errata wurden durchgehend beseitigt. 2. Seit 1999 erschienene einschlägige Forschungsliteratur wurde berücksichtigt. Hervorzuheben sind zwei niaterialreiche Aufsätze von Renato Uglione über Tertullians Nutzung von Vergil (1999) und anderen Dichtern (2001), eine anregende Untersuchung von Christiane Ingremeau über den Umgang des Minucius Felix mit seinen Quellen (1999) sowie die grundlegenden Monographien von Antoine Foucher über den Einfluß epischer Sprache in der lateinischen Historiographie (2000) und von Gerhard Müller über die Vergilzitate bei Augustinus (2003).2 3. Den Anregungen der Rezensionen wurde im Rahmen des Möglichen Rechnung getragen. Natürlich konnte nicht alles, woran berechtigte Kritik geäußert wurde, geändert werden. Insbesondere sollte das Buch etwas leserfreundlicher gestaltet werden, nämlich durch (a) Straffungen im Anmerkungsapparat, (b) Erweiterungen der Stellenregister, (c) eine kritische Überprüfung der Einstufung und Interpretation einiger Zitate, was teilweise zu einer vertieften Begründung des bisherigen Standpunktes, teilweise zu Änderungen führte. Besonderer Dank hat an dieser Stelle allen Rezensentinnen und Rezensenten zu gelten, vor allem auch denjenigen, die mir noch über ihre Besprechungen hinaus Hinweise und Material für Verbesserungen zukommen ließen: Herrn Prof. Dr. Eberhard Heck, Tübingen, Herrn Prof. Dr. Rainer Henke, Münster, Frau Prof. Dr. Karla Pollmann, St. Andrews, und FVau Dr. Gudrun Schickler, Tübingen. Herr Peter Zimmermann vom Rechenzentrum der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt half wiederum sachkundig und geduldig bei Fragen zur Textverarbeitung. Für dennoch verbliebene sowie neu hinzugekommene Fehler und Unzulänglichkeiten in der Darstellung ist allein der Verfasser verantwortlich. Eichstätt, im Mai 2003 1
2
Stefan Freund
F. CHAPOT, REAug 47 (2001) 370sq.; P.V. COVA, Athenaeum NS 90 (2002) 667—669; J. FILEE, LEC 69 (2001) 209sq.\ Therese FUHRER, MH 58 (2001) 246; J. GRUBER, Plekoe 3 (2001) http://www.pleko8.uni-muenchen.de/2001/rfreund.html; E. HECK, demnächst im IJCT; R. HENKE, JbAC 44 (2001) 207—210; G.A. MÜLLER, ThLZ 127 (2002) 409— 411; Karla POLLMANN, ZAG 7 (2003) 167sc?.; Ulrike RIEMER, Klio 84 (2002) 240s?.; Gudrun SCHICKLER, Gymnasium 109 (2002) 242—244. Siehe Literaturverzeichnis, S. 423sqq.
Inhaltsverzeichnis Vorwort zur ersten Auflage
4
Vorwort zur zweiten Auflage
5
/
Einleitung
11
1
Thematische Einordnung
11
1.1
Die Anfänge christlicher Vergilrezeption
11
1.2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
15
2
Vorüberlegungen zur Methodik
2.1
Zu Begriff und Theorie des Zitates
21
2.2
Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
24
//
Vergil bei den einzelnen Autoren
32
1
Tertullian
32
1.1
Zur Forschungslage
32
1.2
Die Vergilzitate
41
1.2.1
Apologetische Schriften
41
1.2.2
Antihäretisch-dogmatische Schriften
62
1.2.3
Praktisch-asketische Schriften
73
1.3
Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil, Aeneas
21
und Dido
78
1.3.1
Vergil
78
1.3.2
Aeneas
80
1.3.3
Dido
85
1.4
Auswertung
90
1.4.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
90
1.4.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
94
1.4.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
97
1.4.4
Vergil bei Tertullian: Funktion und Bewertung
98
8
Inhaltsverzeichnis
2
Minucius Felix
101
2.1
Zur Forschungslage
101
2.2
Die Vergilzitate
114
2.3
Auswertung
169
2.3.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
169
2.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
176
2.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
183
2.3.4
Vergil bei Minucius Felix: Funktion und Bewertung
184
3
Novatian
192
3.1
Zur Forschungslage
192
3.2
Die Vergilzitate
193
3.3
Auswertung
208
3.3.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
208
3.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
210
3.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
211
3.3.4
Vergil bei Novatian: Funktion und Bewertung
212
4
Cyprian
215
4.1
Zur Forschungslage
215
4.2
Die Vergilzitate
218
4.2.1
Briefe
218
4.2.2
Apologetische Schriften
219
4.2.3
Biblische Testimonien, pastorale und ekklesiologische Schriften
236
4.3
Auswertung
249
4.3.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
249
4.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
251
4.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
252
4.3.4
Vergil bei Cyprian: Funktion und Bewertung
253
5
Arnobius
256
5.1
Zur Forschungslage
256
5.2
Die Vergilzitate
265
Inhaltsverzeichnis
9
5.3
Auswertung
333
5.3.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
333
5.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
336
5.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
337
5.3.4
Vergil bei Arnobius: Funktion und Bewertung
339
///
Zusammenschau
343
1
Linien der Individualität — Versuche einer Einzelcharakteristik 343
1.1
Tertullian
343
1.2
Minucius Felix
344
1.3
Novatian und Cyprian
345
1.4
Arnobius
345
2
Linien der Kontinuität — Versuch einer Gesamtauswertung. . 347
2.1
Die Zitatsegmente: Form und Veränderungen
347
2.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
350
2.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
350
2.4
Vergil bei den ersten christlichen Autoren: Funktion und Bewertung
355
3
Entwicklungslinien — Versuch einer abschließenden Zusammenfassung 359
IV
Anhang
1
Ausgeschiedene Parallelen
1.1
Tertullian
362
1.2
Minucius Felix
370
1.3
Novatian
373
1.4
Cyprian
382
1.5
Arnobius
385
362 362
10
Inhaltsverzeichnis
2
Stellenregister
389
2.1
Vergil
389
2.2
Arnobius
401
2.3
Cyprian
405
2.4
Minucius Felix
407
2.5
Novatian
410
2.6
Tertullian
411
3
Literaturverzeichnis
414
3.1
Ausgaben und Kommentare
414
3.2
Konkordanzen, Lexika und Handbücher
421
3.3
Einzelliteratur
423
Teill
Einleitung 1
Thematische Einordnung
Die vorliegende Arbeit besteht in ihrem Kern aus der Untersuchung von ungefähr 200 Vergilzitaten aus der christlichen lateinischen Literatur der vorkonstantinischen Zeit, genauer gesagt aus den Jahren 197 bis etwa 310. Bei den meisten dieser Zitate aber wird Vergil nicht wörtlich wiedergegeben. Vielmehr liegen oft nur Textberührungen vor. Auf den ersten Blick mag daher der Eindruck einer über stilistische Fragen kaum hinausreichenden Detailinterpretation entstehen. In ihrer Gesamtheit betrachtet weisen die Vergilbezüge jedoch weit über die Einzelstelle hinaus. Zum einen nämlich zeichnet sich darin der Beginn der Wirkungsgeschichte Vergils im Christentum ab. Was in den Zitaten sichtbar wird, ist also der Anfang eines Prozesses der Auseinandersetzung und Aneignung, der Literatur und Denken der Spätantike und des Mittelalters in entscheidender Weise geprägt hat. Zum anderen repräsentiert Vergil römisches Selbstverständnis und römische Kultur in solchem Maße, daß der Umgang mit ihm zugleich als ein Paradigma für die Auseinandersetzung des frühen Christentums in der lateinischen Welt mit der römischen Kultur insgesamt gelten kann. Diese beiden Aspekte beschreiben den thematischen Rahmen der vorliegenden Arbeit und stellen gewissermaßen das obiectum materiale der Untersuchungen an den Vergilzitaten dar.
1.1
Die Anfange christlicher Vergilrezeption
In der Forschungsdiskussion über die christliche Vergilrezeption1 in der Antike zeichnen sich deutlich zwei Schwerpunkte ab: zum einen die messianische Deutung der vierten Ekloge durch Kaiser Konstantin und zum anderen die zwar teils kontroverse, jedenfalls aber umfangreiche Aufnahme Vergils bei den Kirchenschriftstellern des vierten und fünften Jahrhunderts.2 Die 1
2
Zur Vergilrezeption im Überblick noch immer D. COMPARETTI, Virgilio nel medioevo, Firenze 18952 (Neuausgabe von G. PASQUALI, Firenze 19432; deutsch von H. DÜTSCHKE, Leipzig 1875; englisch von E.F.M. BENECKE, Vergil in the Middle Ages, London 1908, ND 1966). Bei W. StiERBAUM, Hundert Jahre Vergil-Forschung: Eine systematische Arbeitsbibliographie mit besonderer Berücksichtigung der Aeneis, ANRW II 31,1 (1980) 2—358, dominiert zum Problemfeld 'Vergil im Christentum* (312—315; ähnlich ders., 4Vergilius\ DNP 12/2 [2003] 53), obwohl nur in Auswahl berücksichtigt, die Literatur über die vierte Ekloge; seitdem etwa G RADKE, Die Deutung der 4. Ekloge Vergils durch Kaiser
12
1.1
Thematische Einordnung
Vorgeschichte der Aneignung Vergils durch das Christentum in Spätantike und Mittelalter hingegen findet kaum Beachtung. Obwohl sich in der Rückschau der Umgang der ersten christlichen Autoren mit Vergil als Beginn einer entscheidenden Entwicklungslinie in der europäischen Geistesgeschichte erweist, berücksichtigen die Gesamtdarstellungen zur Wirkungsgeschichte Vergils im Christentum die vorkonstantinische Epoche nur am Rande.1 Es sind aber auch nur wenige Einzeluntersuchungen, die sich mit diesem Zeitraum beschäftigen: Die Arbeit von BÜRNER 2 kommt über den Charakter einer Mar terialsammlung nicht hinaus und enthält vieles Ungeprüfte und bloß Assoziierte. Immerhin knappe Darstellungen bieten in jüngerer Zeit Artikel in der Enciclopedia Virgiliana zu den ersten Latini Christiani.3 Ausdrücklich hat bislang überhaupt nur ein Beitrag4 von HECK den Bogen der Entwicklung
1
2
3
4
Konstantin, in: R. CHEVALLIER (ed.), Presence de Virgile, Paris 1979, 147—174; Antonie WLOSOK, Zwei Beispielefrühchristlicher'Vergilrezeption*: Polemik (Lact., div. inst. 5,10) und Usurpation (Or. Const. 19—21), in: dies., Res humanae — res divinae. Kleine Schriften, Heidelberg 1990, 437—459, erstmals in: 2000 Jahre Vergil. Ein Symposion, hg. v. V. PÖSCHL, Wiesbaden 1983, 63—86, v.a. 444—455. — Bei den Untersuchungen zur Vergilrezeption einzelner christlicher Autoren nehmen in SUERBAUMS Bibliographie (c/. 329—334) Kirchenväter wie Ambrosius, Hieronymus, Paulinus von Nola und Augustinus — zu diesem anregend mit einem bemerkenswerten biographischen Ansatz Sabine MACCORMACK, The Shadows of Poetry. Vergil in the Mind of Augustine, Berkley et cd. 1998, und jüngst umfassend G.A. MÜLLER, Formen und Funktionen der Vergilzitate und -anspielungen bei August in von Hippo, Paderborn 2003 — den meisten Raum ein. Sie werden weder bei COMPARETTI noch, um ein Beispiel aus der neuesten Literatur zu nennen, in den Beitragen zur Nachwirkung Vergils im von C. MARTINDALE herausgegebenen Cambridge Companion to Virgil, Cambridge 1997, zusammenhängend behandelt; ähnliches gilt etwa auch für K. BÜCHNERS RE-Artikel (VIII A,l [1955, Sonderdruck München 19783] hier 444) und A. CERESA-GASTALDO, 'Cristianesimo', EV 1 (1984) 934—937. Zwei von etwa 25 Seiten seines skizzenhaften Gesamtüberblicks widmet den Autoren der vorkonstant in ischen Zeit E. GALLICET, Vergil in der christlichen Welt der ersten Jahrhunderte, in: Vergilius Romanus. Codex Vaticanus Latinus 3867 [Faksimileausgabe]. Kommentar band, Zürich 1986, 196—232. Vor allem eine Materialsammlung zu den Vergilzitaten aus dem sechsten Aeneisbuch bietet P. COURCELLE, Les peres de l'eglise devant les enfers virgiliens, AHDL 22 (1955) 5—74; auf die gesamte Aeneis erweitert: Lecteurs paiens et ehretiens de l'Eneide, Paris 1984. — Noch weniger Aufmerksamkeit schenken der Wirkung Vergils die Untersuchungen zur Auseinandersetzung der Christen mit der paganen Literatur im allgemeinen, etwa G. ELLSPERM ANN, The Attitüde of Early Christian Latin Writers toward Pagan Literature and Learning, Washington 1949; H. HAGENDAHL, Latin Fathers and the Classics, Göteborg 1958; W. KRAUSE, Die Stellung der frühchristlichen Autoren zur heidnischen Literatur, Wien 1958; H. HAGENDAHL, Von Tertullian zu Cassiodor. Die profane literarische Tradition in dem lateinischen christlichen Schrifttum, Göteborg 1982. In einem umfangreichen Forschungsbericht zur frühen christlichen Latini tat für die Jahre 1975 bis 1994 sind gerade drei Titel zum Stichwort * Vergil' verzeichnet (BRAUN Chronica Tertiülianea et Cyprianea 628, statt 'SC, 26' ist 'SC, 29' zu lesen). G. BÜRNER, Vergils Einfluß bei den Kirchenschriftstellern der vornizänischen Periode, Diss. Erlangen 1902 C. CURTI, 4Arnobio\ EV 1 (1984) 372*?.; Maria Grazia MARA, 4Cipriano\ EV 1 (1984), 790*?.; S. PRICOCO, 'Minucio Felke', EV 3 (1987) 537; C. TIBILETTI, 'TertuUiano', EV 5(1990) 140—142. E. HECK, Vestrum est — poeta noster. Von der Geringschätzung Vergils zu seiner Aneignung in der frühchristlichen lateinischen Apologetik, MH 47 (1990) 102—120.
1.1.1
Die Anfänge christlicher Vergilrezeption
13
'Von der Geringschätzung Vergils zu seiner Aneignung in der frühchristlichen lateinischen Apologetik" bis einschließlich Laktanz nachgezeichnet. Daher richtet sich das Augenmerk gezielt auf die Autoren der vorkonstantinischen Zeit. Als Repräsentanten dieser ersten Phase der christlichen Latinität sollen Tertullian, Minucius Felix, Novatian, Cyprian und Arnobius untersucht werden. Nicht berücksichtigt werden hingegen der erste christliche Dichter Commodian, den die neuere Forschung in die Mitte des dritten Jahrhunderts datiert,1 die Pseudocyprianea aus Cyprians Zeit und Laktanz. Commodian bleibt außer acht, da er die poetische Form gewählt hat. Indem er nämlich Dichtung in lateinischer Sprache abfaßt — mag er dies auch in auffälliger Kunstlosigkeit tun —, stehen seine Vergilzitate unter formalen Bedingungen, die weniger mit denen der zeitgenössischen Prosaiker als vielmehr mit denen späterer christlicher Dichter zu vergleichen sind.2 Die Auswertung der pseudo-cyprianischen Schriften aus der Zeit Cyprians3 würde zwar die empirische Basis der Untersuchung erweitern, brächte zum einen aber qualitativ kaum Neues und trüge zum anderen wenig zu einer Profilierung der Darstellung bei, da hinter den kurzen Werken unsicherer Herkunft kaum Autorenpersönlichkeiten faßbar sind, um deren Verhältnis zu Vergil es letztlich geht. Schließlich endet die Reihe der Autoren mit Arnobius und bezieht dessen Schüler Laktanz4 nicht mehr mit ein, da er schon der folgenden Epoche zuzurechnen ist: Während erstens Arnobius stilistisch noch unter dem Einfluß der Zweiten Sophistik steht und eher neben Apuleius und Tertullian einzureihen ist, gehört Laktanz bereits dem von Nemesian angestoßenen Klassizismus zu, der 284 den Neubeginn paganer lateinischer Literatur nach jahrzehntelangem Verstummen markiert.5 Zweitens steht Laktanz auch in seinem Umgang mit 1 2
3
4 5
Cf. E. HECK HLL 4 (1997) §498. Insbesondere die Entscheidung zur Verwendung einer Vergilreferenz bei Dichtern und bei Prosaikern wäre kaum systematisch zu vergleichen: Während nämlich der Dichter mit der Wahl der Form sich bereits in die dichterische Tradition und somit in die Nachfolge Vergils begibt, ohne daß dem Einzelzitat eine besondere Aussagekraft zukäme, kann der Prosaiker zum einen die Entscheidung für oder gegen ein Zitat im Einzelfall treffen und zum anderen ausdrücklich über das Zitat reflektieren, was in poetischen Texten nur ausnahmsweise möglich ist. — Die Rolle Vergils bei Commodian stellt HECK (Vestrum est 112—117) zusammenfassend dar; allgemein zur Auseinandersetzung mit den paganen poetae in der christlichen Dichtung P.-A. DEPROOST, Ficta et facta. La condamnation du 'mensonge des poetes' dans la poesie latine chr&ienne, REAug 44 (1998) 101—121. Cf J. DOIGNON HLL 4 (1997) §480.1.2.3. Hervorgehoben sei darunter die Predigt de laude martyniy in der sich deutliche Spuren vergilischen Einflusses finden, dazu A. 1 HARNACK, Eine bisher nicht erkannte Schrift Novatian's vom Jahre 249/50 ['Cyprian de laude morfyrit], TU 13,4b, Leipzig 1895 (Vergilreminiszenzen als Argument für die Verfasserschaft Novatians); BÜRNER 31—36. Die Schrift quod idola dii non sunt mit ihren zahlreichen Vergilzitaten gehört ins 4. Jahrhundert, cf. Antonie Wlosok, HLL 4 (1997) 583sg. Cf. Antonie WLOSOK, HLL 5 (1989) §570. Zur Phaseneinteilung der lateinischen Literatur in der Spätantike R. HERZOG, HLL 5 (1989) §500, v.a. 30—32; zum Klassizismus des Laktanz in der Folge des Nemesian
14
1.1
Thematische Einordnung
Vergil am Anfang einer neuen Phase. Sein apologetisches Programm, das er in ausdrücklicher Abgrenzung von den früheren Christiani Latini entwickelt, deren Vorgehen er als zu esoterisch empfindet,1 zielt darauf ab, den christlichen Glauben in die Sprache und Vorstellungswelt seiner gebildeten paganen Leser zu übertragen2. Das schlägt sich sowohl in seiner neuen Technik des wörtlichen3 und umfangreichen4 Zitierens als auch in einer neuen Qualität der Auseinandersetzung mit Vergil nieder: Konstantins christliche Deutung der vierten Ekloge zeigt zahlreiche Einflüsse des von ihm zum Prinzenerzieher berufenen Laktanz.5 Drittens erlebt Laktanz zwar selbst am Hof des Diokletian den Beginn der letzten Verfolgungsphase im Jahre 303, durch deren Erleben das apologetische Programm der divinae institutiones noch geprägt wird, sein literarisches Schaffen umgreift aber auch schon die Phase des Umschwungs der kaiserlichen Religionspolitik unter Konstantin. Im Mittelpunkt stehen sollen also, positiv formuliert, diejenigen Autorenpersönlichkeiten der Anfangszeit, welche die gedankliche und die sprachlichliterarische Entwicklung des lateinischen Christentums und seiner Kunstprosa in wesentlichen Zügen repräsentieren und bestimmen. Ausgehend von dieser thematischen Grundlage ergibt sich für die folgende Untersuchung zum einen die Frage, welche Anstöße die ersten christlichen Autoren für die weitere Wirkungsgeschichte Vergib und für seine Aneignung durch das Christentum geben, und zum anderen, wie sich die christliche Ver-
1 2
3 4
5
WLOSOK HLL 5 (1989) 380.
Cf. Lact. inst. 5,1,21. Cf. WLOSOK HLL 5 (1989) 386.
Cf. H. HAGENDAHL, Methods of Citation in Post-Classical Latin Prose, Eranoe 45 (1947) 114—128. Überblick im Index auctorum (hier 266—268) in der Gesamtausgabe von S. BRANDT, Wien 1893, CSEL 27; cf. L.J. SWIFT, Arnobius and Lactantius: Two Views of Pagan Poets, TAPhA 96 (1965) 439—448; C. MESSMER, Laktanz und die Dichtung, Dise. München 1974, insbesondere 121—126; A. GOULON, Les citations des poetes latins dans Foeuvre de Lactance, in: J. FONTAINE (ecl.), Lactance et son temps, Paris 1978, 107— 156; P. MONAT, Lactance et la bible, Paris 1978, 1 55—61; R.M. OGILVIE, The Library of Lactantius, Oxford 1978, v.a. 7—19; V. BUCHHEIT, Goldene Zeit und Paradies auf Erden (Lactanz, inst. 5,5—8), WJA NF 4 (1978) 161—185 & 5 (1979) 219—239; L. FERRERES, Presencia de Virgili a Lactanci, in: Studia virgiliana. Societat espanyola destudios classics, Actes del Vle simposi, Barcelona 1983, 147—152; WLOSOK Zwei Beispiele 437—444; R.M. OGILVIE, Vergil and Lactantius, in: Atti del convegno mondiale scientific» di studi su Virgilio, Milano 1984, I 263—268; T. ADAMIK, Die Funktion der Vergilzitate in Laktanz' de mortibus persecutorum, AAASzeged 25 (1984) 85—95; GALLICET Vergil 198s<j.; P. MONAT, 'Lattanzio', EV 3 (1987) 137«$.; E. HECK, Laktanz und die Klassiker, Philologus 132 (1988) 160—179; HECK Vestrum est 117—120; J. BRYCE, The Library of Lactantius, New York / London 1990, 276—314; V. BUCHHEIT, Cicero inspiratus — Vergilius propheta? Zur Wertung paganer Autoren bei Laktanz, Hermes 118 (1990) 357—372, v.a. 368—372; ders., Vergil als Zeuge der natürlichen Gotteserkenntnis bei Minucius Felix und Laktanz, RhM 139 (1996) 254—259; demnächst eine Tübinger Dissertation von Gesine BECHTLOFF. Dazu etwa WLOSOK Zwei Beispiele 454; GALLICET Vergil 198; B. BLECKMANN, Ein Kaiser als Prediger: Zur Datierung der Konstantinischen "Rede an die Versammlung der Heiligen", Hermes 125 (1997) 183—202, v.a. 185 Anm. 12.
1.1.2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
15
gilrezeption innerhalb des untersuchten Textcorpus, also während des dritten und frühen vierten Jahrhunderts, entwickelt hat.
1.2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
Die Vergilzitate bei den ersten christlichen Autoren sind nicht nur als der Beginn christlicher Vergilrezeption von Interesse, sondern auch wegen ihres exemplarischen Charakters. Denn der Dichter repräsentiert in wesentlichen Aspekten die pagane Kultur und Umwelt, mit der sich die Christiani Latini konfrontiert sehen. Die Vergilzitate stellen daher konkrete Berührungspunkte in der Auseinandersetzung von Antike und Christentum dar.1 Das wird an den folgenden vier Aspekten deutlich: 1. Vergil als Schulklassiker Im Kaiserreich ist Vergil der wichtigste Klassiker im Kanon der schulischen Lektüre und Gegenstand des Unterrichts in allen Ausbildungsstufen: Der grammaticus erklärt den Dichter, beim rhetor spielt die Schulung an Vergil eine wesentliche Rolle, auch die wissenschaftliche Philologie setzt sich mit ihm auseinander.2 Es spiegelt sich daher zum einen im Umgang der christlichen Autoren mit Vergil deren Haltung gegenüber paganer Rhetorik und Bildung wider. Einerseits sind sie selbst in ihrer rhetorischen Ausbildung an Vergil geschult, andererseits stehen sie als Christen der heidnischen Kunst der Verführung durch Sprache ablehnend gegenüber.3 Zum anderen ist Vergil auch für die Leserschaft der Christiani Latini 1
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Grundsätzlich dazu etwa O. GIGON, Die antike Kultur und das Christentum, Gütersloh 19692; C. ANDRESEN, Antike und Christentum', TRE 3 (1978) 50—99; C. GNILKA. Der Begriff des rechten Gebrauchs. Xpf)oic. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kultur I, Basel / Stuttgart 1984; ders., Kultur und Conversion. Xpf)ot<. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kultur II, Basel / Stuttgart 1993; zu GNILKAS Konzeption aber MÜLLER Vergilzitate 34—39. Cf. H. NORTH, The Use of Poetry in the Training of the Ancient Orator, Traditio 8 (1952) 1—33; H.-I. MARROU, Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, Freiburg / München 1957 (Original: Histoire de l'eciucation dans l'antiquite, Paris 19553), v.a. 401—412; R. KASTER, Guardians of Language: the Grammarian and Society in Late Antiquity. Berkeley 1988. v.a. 169—196; J. CHRISTES, 'Erziehung', DNP 4 (1998) 110—120. Zur entsprechenden Stellung Homers R.F. HOCK, Homer in Greco-Roman Education, in: D.R. MACDONALD (ed.), Mimesis and Intertextuality in Antiquity and Christianity, Harrisburg 2001, 56—77 (mit Forschungsüberblick). Dazu grundlegend P.G. VAN DER NAT, ZU den Voraussetzungen der christlichen lateinischen Literatur: Die Zeugnisse von Minucius Felix und Laktanz, in: Christianisme et formes litteYaires de l'antiquit£ tardive en occident, Entretiens Fondation Hardt 23, Vandoeuvres / Geneve 1976, 191—234, v.a. 2l\sq.\ zum Umgang mit der Rhetorik im besonderen etwa A.F. MEMOLI, Diversitä di posizioni e apparenti incoerenze degli scrittori latini cristiani di fronte alla eloquentia classica, Aevum 43 (1969) 114—143; A. ALBERTE. Actitud de los cristianos ante la retörica, Fortunatae 1 (1991) 133—142; detailliert am Beispiel des Arnobius A. VICIANO, Retörica, filosoffa y gramatica en el 'Aduersus nationes' de Arnobio de Sicca, Frankfurt am Main et al. 1993.
16
1.1
Thematische Einordnung
in vorkonstantinischer Zeit von zunehmender Bedeutung. Da nämlich das Christentum im Verlauf des dritten Jahrhunderts immer mehr Anhänger gewinnt1 und immer mehr — vor allem in Nordafrika, woher Tertullian, Minucius Felix, Cyprian und Arnobius stammen — in die höheren Schichten vordringt,2 nimmt die Zahl derjenigen unter den Lesern christlicher Literatur zu, die aufgrund ihrer höheren Bildung mit Vergil vertraut sind und daher seine Benutzung nach paganem Vorbild zu schätzen wissen oder auch erwarten. Das gilt zum einen im Hinblick auf die Auseinandersetzung nach außen in Protreptik und Apologetik, die sich nun an die gebildete pagane Oberschicht richtet.3 Zum anderen aber steigt mit dieser Ausbreitung des Christentums auch der Bildungsstand innerhalb der christlichen Gemeinden.4 2. Vergil als Nationaldichter Daß unter den Holztäfelchen, die sich bei Ausgrabungen in dem in Schottland gelegenen römischen Militärstützpunkt Vindolanda fanden, eines einen Aeneisvers enthält,5 illustriert nicht nur die Bekanntheit des Schulautors Vergil sogar an den äußersten Grenzen des Imperiums, sondern deutet zugleich seine Rolle als Repräsentant des Römertums 1
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Durch die relativ kurzen Verfolgungsphasen unter den Kaisern Decius (249/250) und Valerian (257 — 259) wird das Wachstum des Christentums nicht nachhaltig eingeschränkt, c/. HKG(J) I 260. Dazu allgemein W. ECK, Das Eindringen des Christentums in den Senatorenstand bis zu Konstantin dem Großen, Chiron 1 (1971) 381—406; A.H.M. JONES, Der soziale Hintergrund des Kampfes zwischen Heidentum und Christentum, in: R. KLEIN (Hg.), Das frühe Christentum im römischen Staat, Darmstadt 1982, 337—363, erstmals: The Social Background of the Struggle between Paganism and Christianity, in: The Conflict between Paganism and Christianity in the Fourth Century, ed. by A. MOMIGLIANO, Oxford 1963, 17—37; VAN DER NAT 191—197; W. WISCHMEYER, Von Golgatha zum Ponte Molle. Studien zur Sozialgeschichte der Kirche im dritten Jahrhundert, Göttingen 1992, v.a. 63—90; C. MARKSCHIES, Zwischen den Welten wandern. Strukturen des antiken Christentums, Frankfurt am Main 1997, v.a. 53—68. — Insbesondere zeigt G. SCHÖLLGEN, Ecclesia sordida? Zur Frage der sozialen Schichtung frühchristlicher Gemeinden am Beispiel Karthagos zur Zeit Tertullians, Münster 1984, daß sich die Gemeinde Karthagos schon in den ersten Jahrzehnten des dritten Jahrhunderts aus allen Schichten zusammensetzt und die Angehörigen der untersten Schicht nur in geringem Maße vertreten sind. Zur intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Christentum grundsätzlich W. NESTLE, Die Haupteinwände des antiken Denkens gegen das Christentum, in: J. MARTIN / Barbara QUINT, Christentum und antike Gesellschaft, Darmstadt 1990, 17—80, erstmals in: W. NESTLE, Untersuchungen zur Religion, Dichtung und Philosophie der Griechen, Stuttgart 1948, 597—660; J. WALSH / G. GOTTUEB, Zur Christenfrage im zweiten Jahrhundert, in: G. GOTTLIEB / P. BARCELÖ (Hg.), Christen und Heiden in Staat und Gesellschaft des zweiten bis vierten Jahrhunderts, München 1992, 3—86. So beispielsweise die Märtyrerin Perpetua (f7.3. 202 oder 203), dazu P. MCKECHNIE, St. Perpetua and Roman Education in A.D. 200, AC 63 (1994) 279—291; zum theologischen Bildungsstand in der karthagischen Gemeinde zur Zeit Tertullians SCHÖLLGEN 270— 286; siehe unten 88 Anm. 5. Verg. Aen. 9,473, wohl eine Schulübung, c/. A.K. BOWMAN / J.D. THOMAS, The Vindolanda Writing-Tablets, London 1994, 65—67 (Nr. 118). Für den Hinweis danke ich Herrn StR Wolfram SCHRÖTTEL, Scheinfeld.
1.1.2 Vergil als Repräsentant paganer Kultur
17
an: Insbesondere am Nationalepos Aeneis konstituiert sich römische Identität.1 Das bedeutet freilich, daß in der Auseinandersetzung der Christen mit dem römischen Staat, vor allem in der Zeit der Verfolgungen und Repressionen,2 Vergil immer auch als Dichter eines religiös begründeten römischen Herrschaftsanspruchs zu sehen ist. Das Verhältnis der Christen zum römischen Staat spiegelt sich also in ihrem Umgang mit Vergil, umgekehrt steht ihre Vergilrezeption stets unter dem Vorzeichen der ideologischen Vereinnahmung des Dichters. 3. Vergil als Theologe Vergil stellt in seinem Werk römische religio in konstitutiver Weise dar. Er verleiht älteren religiösen und theologischen Konzepten, nicht zuletzt der Unterweltsvorstellung, ihre klassische Ausprägung und gültige Begrifflichkeit.3 Überall dort also, wo sich die Christen mit den traditionellen religiösen Empfindungen und Überzeugungen, von denen sie auch selbst geprägt sind, kritisch oder durch die Anknüpfung an Analoges auseinandersetzen, ist mit dem Einfluß Vergils zu rechnen. Umgekehrt muß jede christliche Annäherung an den Dichter unter dem Vorzeichen seiner Ansprüche und seiner Rezeption im römischen Verständnis von religio stehen. 4. Vergil ab Poet Vergil stellt sich mit seinen Werken in die Nachfolge Homers. Damit übernimmt er auch Traditionen der dichterischen Mythologie. Für den Umgang mit der poetisch-fiktionalen Deutung von Wirklichkeit sehen sich die christlichen Autoren einerseits mit pag an-philosophischen und Dazu beispielsweise HJ. TSCHIEDEL, Erwachendes, aufbegehrendes und verstörtes Ich: Manifestationen der Subjektivität in der römischen Literatur, in: R.L. FETZ et al. (Hg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Berlin / New York 1998, 255—285, hier 279: "Mit der 4Aeneis' [...] schenkt er [sc. Vergil] seinen Mitbürgern eine gleichsam nationale Identität, die in ihrer idealisierenden Sicht als Aufgabe und Verpflichtung verstanden werden konnte und sollte. Er schenkt ihnen die Möglichkeit, sich der faktisch errungenen Größe auch intellektuell zu bemächtigen und zu vergewissern." Allgemein zur Suche nach historischer Begründung römischen Selbstverständnisses W. EDER, Augustus and the Power of Tradition, in: K. RAAFLAUB / M. TOHER (edd.), Between Republic and Empire, Berkeley et al. 1990, 71 —122; zur Inanspruchnahme Vergils jetzt anregend R.F. Thomas, Virgil and the Augustan Reception, Cambridge 2001. Grundsätzlich zur Auseinandersetzung der Christen mit dem römischen Staat etwa Antonie WLOSOK, Rom und die Christen, Stuttgart 1970; die Beiträge bei KLEIN Christentum; am Beispiel Tertullians etwa R. KLEIN, Tertullian und das Römische Reich, Heidelberg 1968; E. HECK, Mfj 6tou.axtiv oder: die Bestrafung des Gottesverächters, Frankfurt am Main et al. 1987, v.a. 30—41. Cf. Antonie WLOSOK, Vergil als Theologe: luppiter — pater omnipotens, in: dies. Res humanae 368—383, erstmals: Gymnasium 90 (1983) 187—202; zur Nachwirkung der Vergilischen Unterweltsdarstellung in Vorstellungswelt und Begrifflichkeit Jacqueline AMAT, Songes et visions. L'au-delä dans la litterature latine tardive, Paris 1985, v.a. 381—389; Gabriele THOME, Vorstellungen vom Bösen in der lateinischen Literatur, Stuttgart 1993, v.a. 182—205.
LI
18
Thematische Einordnung
andererseits mit spezifisch christlichen Aspekten der Dichterkritik und Dichterbenutzung konfrontiert: (a) Pagane Vorgaben In der antiken Kunstprosa stellt das Dichterzitat, im philosophischen Dialog seit Piaton mehr noch als in der Rede, ein ganz geläufiges Mittel der Beweisführung und rhetorischen Gestaltung dar.1 Daher muß auch christliches Uterarisches Schaffen zu Vergil Stellung beziehen.2 Dabei treten die christlichen Autoren aber auch in die von Piaton konstatierte luxXatfc 5va<pofÄ
Zu mehreren Autoren etwa E. HowiND, De ratione citandi in Ciceronis Piutarchi Senecae Novi Testament! scriptis obvia, Diss. Marburg 1921; grundsätzliche Erwägungen anhand von Piaton und Cicero bei J. ANDRIEU, Proc6des de citation et de raccord, REL 26 (1948) 268—293. Die neuere Literatur (dazu unten 23 Anm. 4) steht unter dem Vorzeichen des Intertextualitätsbegriffes, doch liegen die Schwerpunkte auf der Dichtung und neuerdings auf literaturtheoretischen Erwägungen, so etwa L. EDMUNDS, Intertextuality and the Reading of Roman Poetry, Baltimore / London 2002. Meist aber beschäftigt sich die Forschung mit einzelnen Autoren und Aspekten, so etwa 'Come dice il poeta ...* Percorsi greci e latini di parole poetiche, a cura di A. DE VIVO / L. SPINA, Napoli 1992.
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Die Rolle, die verschiedene poetae in Ciceros philosophischen Schriften spielen, übernimmt ab Seneca beinahe ausschließlich Vergil. Senecas Umgang mit Vergil, dem daher exemplarische Bedeutung zukommt, hat in der Forschung eingehende Beachtung gefunden, so etwa H. KRAUSS, Die Vergil-Zitate in Senecas Briefen an Lucilius, Diss. Hamburg 1957, und die weitere bei SUERBAUM 323—325 genannte Literatur, seitdem beispielsweise D. GAGLIARDI, Seneca e Virgilio, in: Scritti in onore di S. PUGUATTI, Milano 1978, V 313—315; Luciana CARANCI ALFANO, La presenza di Virgilio nelle lettere a Lucilio, in: dies., Studia Humanitatis, Napoli 1981, 31—39; J.M. ANDRE, La pr&ence de Virgile chez Slnfeque, Helmantica 33 (1982) 219—233; Emily E. BATINSKY, Vergilian Citations in Seneca's Proee Works, Diss. University of Colorado 1983; S. TIMPANARO, La tipologia delle citazioni poetiche in Seneca: Akune considerazioni, GIF 36 (1984) 163—182; Clara AUVRAY, La citation virgilienne dans les Lettre* ä Lucilius de S6nfeque, BFLM 15 (1987) 2^—34. C/. Plat. rep. 607b. Grundsätzlich zum Konflikt R. KANNICHT, "Der alte Streit zwischen Philosophie und Dichtung.T Zwei Vorlesungen über Grundzüge der griechischen Literaturauffassung, AU 23/6 (1980) 6—36; T. GOULD, The Ancient Quarrel between Poetry and Philosophy, Princeton 1991; zur formal—didaktischen Funktion der Dichterzitate im philosophischen Sprachregister aufgrund ihrer Prägnanz und Einpragsamkeit Sen. epist. 108,85^.; H. BERTHOLD, Dichtervers und Philosophenspruch. Konkurrenz und Zusammenspiel, Philologus 135 (1991) 184—190. Insbesondere bei Clemens von Alexandiren, dazu etwa W. DEN BOER, De allegorese in het werk van Clemens Alexandrinus, Diss. Leiden 1940; M. FlEDROWicz, Apologie im frühen Christentum. Die Kontroverse um den christlichen Wahrheitsanspruch
LI.2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
19
(b) Christliche Vorgaben Die Christen finden in der Dichtung polytheistische Vorstellungen und mythologische Gottesbilder vor, die zwar wesentlicher Bestandteil paganer Kultur sind, die ihrem Glauben aber grundsätzlich zuwiderlaufen.1 Von Anfang setzt sich das Christentum unter diesen Vorzeichen mit der Dichtung auseinander: Bereits im Neuen Testament finden sich Dichterzitate2, namentlich aber die griechischen Apologeten nehmen dazu Stellung:3 So zeigen beispielsweise Justin und Athenagoras ein sehr differenziertes Verhältnis zu den Dichtern, indem sie einerseits die Analogien zu Christlichem hervorheben und andererseits gezielte Kritik üben, während bei Tatian unversöhnliche Polemik und bei Theophilos Ablehnung überwiegen. Auch für den formalen Rahmen einer Dichterrezeption liegen darin so unterschiedliche Vorgaben wie die philosophische Hermeneutik der X6yo$ orcepiiaiixös-Lehre bei Justin, die bald platte, bald pointierte Polemik bei Tatian oder die antiquarische Fülle der Zitate bei Theophilos. Vergil prägt also die pagane Lebenswelt und Kultur, von der sich die Christen einerseits absetzen und in der sie andererseits ihre geistigen Wurzeln haben und ihre eigene Position finden müssen. Die Auseinandersetzung mit Vergil stellt, so läßt sich die zweite Begründung der vorliegenden Untersuchung zusammenfassen, einen bedeutsamen und in vielerei Hinsicht beispielhaften Faktor bei der Inkulturation des Christentums in der römischen Antike dar. Aus den oben skizzierten vier Punkten ergeben sich auch wesentliche Fragen, die an die zu untersuchenden Zitate zu stellen sind: Wie gehen die Autoren rhetorisch mit Vergil um — sowohl in der Selbstdarstellung und Verteidigung
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in den ersten Jahrhunderten, Paderborn 2000, 58; grundsätzlich J. P£PIN, Mythe et all£gorie. Les origines grecques et les contestations jud£o-chr£tiennes, Paris 19762; C. BLÖNNINGEN, Der griechische Ursprung der jüdisch-hellenistischen Allegorese und ihre Rezeption in der alexandrinischen Patristik, Frankfurt am Main et al. 1992. Daß bereits Vergil selbst mit einer entsprechenden Deutung seines Werkes rechnet, zeigt Antonie WLOSOK, Gemina doctrina? Über Berechtigungen und Voraussetzungen allegorischer Aeneisinterpretation, in: dies. Res humanae 392—402, erstmals in: Filologia e forme letterarie. Studi F. DELLA CORTE, Urbino 1987, 11 517—527. Zu diesem Konflikt im allgemeinen und seiner Austragung bei Laktanz VAN DER NAT 212—225; Grundsätzliches zur protreptischen und polemischen Verwendung von (Dichter-)Zitaten als Argumentationsmittel in der Apologetik FIEDROWICZ 170—179. C/. 1 Kor 15,33; Tit 1,12; Apg 17,28. Dazu etwa G. GLOCKMANN, Homer in der frühchristlichen Literatur, Berlin 1968; Nicole ZEEGERS-VANDER VORST, Les citations des poetes grecs chez les apologistes chr&iens du IIe siecle, Louvain 1972; zu einzelnen Autoren: H. FUNKE, Euripides, JbAC 8/9 (1965/66) 233—279; T. WOLBERGS, 'Hesiod', RAC 14 (1988) 1191—1205; G.J.M. BARTELINK, 'Homer', RAC 16 (1994) 126—132; Forechungsuberblick bei P. BEATRJCE, Hellenisme et christianisme aux premiers siecles de notre ere, Kernos 10 (1997) 39—56; grundsätzliche geistesgeschichtliche Einordnung bei C. SCHNEIDER, Geistesgeschichte der christlichen Antike, München 19702, \S9sq.
20
1.1 Thematische Einordnung
nach außen als auch im innerchristlichen Diskurs? Inwieweit wird Vergil weniger als Autor denn als Sprachrohr römischer Herrschaftsideologie und als exemplarische Formulierung nationalrömischen Selbstverständnisses zitiert? Wo distanzieren sich die Christen von vergilischen Ausdrucksformen römischer religio, wo dringen diese umgekehrt in christliches Reden und Denken ein? Besonderes Augenmerk hat dabei der Unterweltsschilderung im sechsten Aeneisbuch zu gelten. Inwieweit steht der Umgang mit Vergil schließlich unter den Vorgaben der philosophischen Literatur und der griechischen Patristik in bezug auf die Dichtung?
2
Vorüberlegungen zur Methodik
Nach diesen Vorüberlegungen zum thematischen Rahmen der Untersuchung ist ihr Gegenstand, das obiectum formale, zu bedenken. Das Zitat nämlich wird hier als der Berührungspunkt von Texten betrachtet, deren Wechselwirkung einzelne Rückschlüsse auf einen Prozeß kultureller Auseinandersetzung ermöglicht.
2.1
Zu Begriff und Theorie des Zitates
Versteht man in einem weit gefaßten Sinn1 unter einem Zitat jedes Element in einem Text, das auf eine andere Quelle zurückgeht als sein Kontext, so wird deutlich, daß damit ein ganzes Spektrum gegenseitigen Ineinandergreifens von Texten umschrieben wird. Die antike Rhetorik kennt keinen Ausdruck, der die ganze Breite dieses ZitatbegrifFes abdeckt.2 Am nächsten kommen nach LAUSBERG3 die auctoritas als "allgemeiner Weisheitsspruch aus der Folklore oder aus der Dichtung, der vom Redner im Parteiinteresse mit der caxisa in Beziehung gesetzt wird"4, und die chria als anekdotenhaft eingekleidete Sentenz einer berühmten Persönlichkeit5. Damit grenzt das Zitat einerseits an die gehobene sententia in der Form des geflügelten Klassikerwortes und das volkstümliche proverbium.6 Anderereits aber erfaßt der Begriff des Zitates auch Phänomene, die die antike Rhetorik unter dem Begriff der imitatio subsumiert, also des Prinzips rhetorischer Schulung und Gestaltung durch die Übernahme von Wortschatz, Ausdruck und Inhalten eines nachahmenswerten Vorbildes.7 Ein 1
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So etwa H.-U. SIMON, 'Zitat \ Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte 4 (19842) 1049—1081, hier 10495g.: ""Zitat" meint ein aus seinem Kontext gelöstes und in einen anderen Kontext transponiertes Element [...]." Es gibt kein entsprechendes Substantiv, in der Flegel werden Umschreibungen nach dem Muster xö Xiföiisvov xou öeivoc bzw. illud alicuius gebraucht, dazu grundsätzlich M. VON ALBRECHT, Zitat', LAW (1965) 3339. Das Verb citare findet sich allerdings im modernen Sinne schon ab Cicero (c/. ThLL III s.v. cito 1201,20—27): Cic. fin. 2,18 Graecu qui hoc anapaesto citantur, cf. Liv. 4,20,8; luv. 2,43; Arnob. nat. 5,21 illum citabimus Tarentinum notumque senarium. — Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff 'Anspielung': Auch dort umfaßt der moderne Terminus eine Reihe von Figuren der antiken Rhetorik (atvtyjxoc. Oicövota, ouvltxfaoic, figura, significatio, suspicio, allusio), dazu P. HUGHES, 'Anspielung*, Historisches Wörterbuch der Rhetorik 1 (1992) 652— 655. Unter dem Stichwort "citation" (definiert als "passage emprunte ä un auteur qui peut faire autorit£") verweist LAUSBERG §1246 auf auctoritas und chria. LAUSBERG §426; cf. Quint. inst. 5,11,36. Cf. LAUSBERG §1117; Quint. inst. 1,9,4. Zu dieser Differenzierung H. BERTHOLD, Das "klassische" Zitat. Versus notissimi der Augusteischen Epoche, Klio 67 (1985) 302—314. Cf. Quint. inst. 10,2; LAUSBERG §§11435?.; Anne Marie GUILLEMIN, Limitation dans les litte>atures antiques et en particulier dans la litteYature latine, REL 2 (1924) 35— 57; E. LÖFSTEDT, Reminiscence and Imitation. Some Problems in Latin Literature,
22
1.2
Vorüberlegungen zur Methodik
gewichtiges Problem sieht die antike Rhetorik beim Dichterzitat schließlich darin, daß die Wiedergabe von Versen in Prosa dem Gebot der stilistischen und rhythmischen Einheitlichkeit widerspricht.1 Die moderne Terminologie kennt ein ganzes Wortfeld zum Begriff Zitat — herkömmlich etwa Anklang, Reminiszenz, Anspielung, Verweis, Bezugnahme und Referenz. Der zentrale Begriff in den letzten Jahrzehnten jedoch ist Intertextualität.2 Die literaturwissenschaftliche Diskussion und Theoriebildung im Zusammenhang damit,3 die mittlerweile auch häufig zum Verständnis antiker Texte herangezogen wird,4 kann hier nur insoweit Berücksichtigung
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Eranos 47 (1949) 148—164; A. REIFF, interpretatio, imitatio, aemulatio. Begriff und Vorstellung literarischer Abhängigkeit bei den Römern, Diss. Köln 1959; A.N. CIZEK, Imitatio et tractatio. Die literarisch-rhetorischen Grundlagen der Nachahmung in Antike und Mittelalter, Tübingen 1994; Jacqueline DANGEL, Imitation crdatrice et style chez les latins, in: G. MOLINIE / P. CAHN£, Actes du colloque internationale Qu'est-ce que le style?, Paris 1994, 93—113; A. FOUCHER, Historia proxima poetis. L'influence de la poesie 6pique sur le style des historiens latins de Salluste k Ammien Marcellin, Bruxelles 2000, 264—272. Cf. LAUSBERG §1074 lb); zur Diskussion dieser Frage in der antiken Rhetorik L. SPINA, Ermogene e la citazione poetica, in: D E VIVO / SPINA 7—20; zum Sonderfall Geschichtsschreibung FOUCHER 332—357. In der vorliegenden Arbeit werden alle diese Begriffe verwendet, und zwar nicht auf der Basis bestimmter terminologischer Konventionen {cf. unten 23 Anm. 2), sondern in ihren gemeinhin üblichen Denotationen im Bewußtsein ihrer Randunschärfe. Knappe Zugänge bieten, von der theoretischen Literaturwissenschaft herkommend, M. PFISTER. 'Intertextualität', in: D. BORCHMEYER / V. ZMECAÖ (Hg.), Moderne Literatur in Grundbegriffen, Tübingen 19942, 215—218, und Renate LACHMANN, 'Intertextualität1, in: U. RICKLEFS (Hg.), Fischer Lexikon Literatur, Frankfurt am Main 1996, II 794—809; J. KLEIN / Ulla Fix (Hg.), Textbeziehungen. Linguistische und literaturwissenschafüiche Beiträge zur Intertextualität, Tübingen 1997 (v.a. 21—176). Einen guten Überblick über die Geschichte des Begriffe und der damit verbundenen Konzeptionen geben O. ETTE, Intertextualität. Ein Forschungsbericht mit literatursoziologischen Anmerkungen, Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 3/4 (1985) 497—522, und M. PFISTER, Konzepte der Intertextualität, in: U. BROICH, / M. PFISTER (Hg.), Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, Tübingen 1985, 1—30; übersichtliche Darstellung der unterschiedlichen Verstehensweisen von Intertextualität bei G. Allen, Intertextuality, London / New York 2000; Bibliographie zur älteren Literatur U.J. HEBEL, Intertextuality, Allusion, and Quotation. An International Bibliography of Critical Studies, New York 1989; interpretationsorientiert M. WORTON / Judith STILL (ed.), Intertextuality: Theories and Practices, Manchester / New York 1990; übersichtlich zu den verschiedenen Verständnisweisen des Begriffe Intertextualität; knapp und auf die Erschließung antiker Texte bezogen A. BENDUN, 'Intertextualität', DNP 5 (1998) 1044—1047, v.a. 1045*?., EDMUNDS 133—163, und T.A. SCHMITZ, Moderne Literaturtheorie und antike Texte. Eine Einführung, Dannstadt 2002, 91—99. Meistens freilich zur Interpretation dichterischer (bzw. nationaler) Texte, so insbesondere die methodisch wegweisenden Arbeiten von G.B. CONTE, Memoria dei poeti e sistema letterario. Catullo, Virgilio, Ovidio, Lucano, Torino 1974 (The Rhetoric of Imitation: Genre and Poetic Memory in Virgil and Other Latin Poets, Ithaca / London 1986; cf. ders., uRhetoric of Imitation'1 as Rhetoric of Culture. Some New Thoughts, Vergilius 38 [1992] 45—55); daneben mit exemplarischer Anwendung auf Einzelfragen etwa J. BLÄNSDORF, Senecas Apocolocyntosis und die Intertextualitätstheorie, Poetica 18 (1986) 1—26; Maria Grazia BONANNO, L'allusione necessaria. Ricerche intertestuali sulla poesia greca e latina, Roma 1990 (zur Rezeption des IntertextualitätsbegrirTes v.a.
1.2.1
Zu Begriff und Theorie des Zitates
23
finden, als es der Lösung des methodischen Grundproblems der vorliegenden Arbeit dient.1 — Das aber besteht, verkürzt gesagt, darin, daß aus einer bestimmten Anzahl punktueller Textbeziehungen Rückschlüsse auf einen Inkulturationsprozeß zu ziehen sind, wie er sich in der Berührung von Texten vollzieht. Bei dieser Berührung von Texten spielen drei Konstituenten eine Rolle: erstens der Prätext, also derjenige Text, auf den rekurriert wird, zweitens der Folgetext, also derjenige Text, der auf den Prätext rekurriert, drittens das Zitatsegment, also diejenigen beiden Texten gemeinsamen Elemente, in denen dieser Rekurs besteht.2 Im Zusammenspiel dieser drei Größen ist ein Zitat nach PLETT uein aus einem Prätext abgeleitetes Sprachsegment, das in einem (Folge-) Text eingelassen ist, wo es ein proprie-Segment sub11—40; dazu auch die Rezensionen R. GuERRlNl. Ailusione e intertestualitä, GIF 45 [1993] 121—126; W. RÖSLER. Gnomon 66 (1994] 193—196); S. HINDS, Allusion and Intertext. Dynamics of Appropriation in Roman Poetry, Cambridge 1998. Wichtig wegen prinzipieller (kritischer) Überlegungen zur Anwendung der Begrifflichkeit ist R.O.A.M. LYNE, VergiPs Aeneid: Subversion by Intertextuality. Catullus 66.39-40 and Other Examples, G&R 41 (1994) 187—204, v.a. die Appendices uIntertextuality and Latin Literat ure: Some Selected Bibliography" [200, fast ausschließlich zu Vergil] und "Objections to the Term intertextuality1 " [200sg.]). Prinzipielle Überlegungen für die Dichtung des ersten vorchristlichen Jahrhunderts anhand der Schlüsselbegriffe Text, Dichter, Leser, literarische Figur und Adressat bietet EDMUNDS, v.a. 1—94. — Hier von besonderem Interesse sind wegen ihrer Auseinandersetzung mit nicht-fiktionalen Texten der Nachklassik Maria Laura ASTARJTA, La citazione in Gellio, in: DE VIVO / SPINA 139—150; Teresa PISCITELLO CARPINO, La parola dei poeti nelle Epistole di Paolino di Nola: tra citazione e ailusione, in: DE VIVO / SPINA 151—166; Marisa SQUILANTE, Strategie intertestuali in Marziano Capeila, in: D E VIVO / SPINA 167—185; H. KRASSER, extremos pudeat rediisse — Plinius im Wettstreit mit der Vergangenheit. Zu Vergilzitaten beim jüngeren Plinius, A&A 39 (1993) 144—154 (legt Elemente aus H.F. PLETT, Sprachliche Konstituenten einer intertextuellen Poetik, in: BROICH / PFISTER 78—98, zugrunde), P. SCHENK, Formen von Intertextualität im Briefkorpus des jüngeren Plinius, Philologus 143 (1999) 114—134 (auf der Basis von BROICH / PFISTER, mit Literaturhinweisen zum Zitat), und Ellen FINKELPEARL, Pagan Traditions of Intertextuality in the Roman World, in: MACDONALD Mimesis 78—90 (zu Apuleius). Die besondere Problematik der antiken christlichen Literatur in ihrem Spannungsfeld zwischen biblischen und paganen Vorbildern berücksichtigt exemplarisch etwa V.A. NAZARRO. Intertestualitä biblica e classica in testi cristiani antichi, in: B. AM ATA. Culture e lingue classic he 3, Roma 1993, 489—514 (mit ausführlichen Überlegungen zu Theorie und Methodik, am Beispiel von Paulinus von Nola und Ambrosius). Konzepte und Ansätze zur Anwendung in der Interpretation bieten beispielsweise G. GENETTE. Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe, Frankfurt am Main 1993 (Original: Palimpsestes. La litterature au second degre, Paris 1982); BROICH / PFISTER passim; H.F. PLETT, The poetics of Quotation. Grammar and Pragmatics of an Intertextual Phenomenon, in: Bulletin de la commission interuniversitaire Suisse de linguistique appliquee 48 (1988) 66—81; H.F. PLETT (ed.), Intertextuality, Berlin / New York 1991; Susanne HOLTHUIS, Intertextualität. Aspekte eine rezeptionsorientierten Konzeption, Tübingen 1993; J. HELBIG, Intertextualität und Markierung, Heidelberg 1996; KLEIN / Fix 179—402. — Musterhaft sind Interpretationsmodelle der Intertextualitätsforschung auf die Vergilrezeption des Augustinus angewandt bei MÜLLER Vergtlzitate, zur Methodik 19—34. Eine kritische Übersicht zur einschlägigen Terminologie bietet HELBIG 75—81. Allerdings entscheidet sich HELBIG für den Begriff * manifester Text*, nicht für den Begriff 'Folgetext', der hier als der kompaktere und anschaulichere Terminus verwendet wird.
24
1.2
Vorüberlegungen zur Methodik
stituiert"1. Ein Prozeß intertextueller Kommunikation kann nach dem von 2 HELBIG entwickelten Modell folgendermaßen vorgestellt werden: Bei der Textproduktion greift der Autor selektiv auf den ihm zur Verfügimg stehenden Zeichenvorrat zurück. Dabei kann er auch markierte oder nicht markierte Zitate in den Folgetext setzen, die Referenzen auf Prätexte darstellen. Diese Einschreibungen kann der Rezipient wiederum unter Rückgriff auf seine Kenntnis der Prätexte identifizieren und dadurch zu einer Neuinterpretation des Folgetextes gelangen. Ergebnisse der neueren Forschungen zu Zitat beziehungsweise Intertextualität sollen aber vor allem in die bei der Untersuchung der Zitate anzuwendende Methodik einfließen.
2.2
Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
Die erste Aufgabe, die sich noch vor jedem interpretatorischen Zugriff stellt, ist die Auffindung der Zitate. Eine besondere Schwierigkeit besteht im vorliegenden Fall darin, daß es sich meist nicht um wörtliche und somit eindeutig identifizierbare Zitate handelt, sondern um Parallelen, die sich nur in Wendungen, Junkturen oder Einzelwörtern fassen lassen. Der erste Schritt besteht also darin, möglichst viele solcher Parallelen zwischen den untersuchten Christen und Vergil zusammenzutragen.3 Die wichtigsten Quellen sind dabei die Indizes der Ausgaben, die Materialsammlungen von BÜRNER und COURCELLE, Untersuchungen zu Stilistik und Quellenbenutzung der einzelnen Autoren sowie die Kommentare und Similienapparate.4 In einem zweiten Schritt werden diese Parallelen daraufhin untersucht, ob und inwieweit darin tatsächlich Beziehungen zwischen beiden Texten faßbar sind. Diese Überprüfung besteht meistens in der Klärung der Frage, ob die Parallele (also die Formulierung, die Junktur oder das Einzelwort) entweder außerhalb der beiden Belege selten, für Vergil charakteristisch ist oder auf diesen zurückzugehen scheint. Ziel dabei ist die Non-Falsifikation derjenigen Zitate, die eingehender interpretiert werden.5 Daraus ergibt sich die folgende Einteilung: 1 2 3
4
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PLETT Konstituenten 81; c/. ders., Poetics 67. Zusammengefaßt in der Skizze HELBIG 82. Auf eine gezielte eigene Suche nach bislang unentdeckten Zitaten wurde verzichtet (zu deren Schwierigkeit MÜLLER Vergilzitate 17 mit Anm 30). Keine noch so systematische Recherche nämlich hätte mehr leisten können, als die Zahl der Zitate — und zwar eher der undeutlichen und somit für die Interpretation weniger aussagekräftigen — um ein weniges zu erhöhen. Vollständigkeit wäre aber in keinem Fall zu erreichen gewesen. In den einleitenden Bemerkungen zum Forschungsstand werden zu jedem einzelnen Autor auch die wesentlichen Quellen für Angaben zu Vergilzitaten vorgestellt. Bei Tertullian und Cyprian werden jedoch die durchgesehenen (im wörtlichen Sinne, denn meistens fehlt ein Stellenindex zu den paganen Autoren — daher ist hier vielleicht auch manches übersehen) Kommentare in der Regel nur im Literaturverzeichnis aufgeführt, da sie meist zum Umgang mit Vergil keine weiteren Hinweise enthalten. Diese Methode fordert und praktiziert schon HAGENDAHL Latin Fathers 13.
1.2.2
Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
25
1. Ausgeschiedene Pamllelen Dabei handelt es sich um Stellen, für die in der Forschung ein Bezug auf Vergil angenommen wurde, der sich aber nach näherer Überprüfung nicht halten oder widerlegen läßt. Diese Stellen sind im Anhang (362sqq.) dokumentiert und als Block zu Beginn der einzelnen Autoreneinträge ins Stellenregister (389sqq.) aufgenommen. 2. Behandelte Zitate Diejenigen Stellen bei den untersuchten christlichen Autoren, an denen sich Indizien für eine Verbindung zu Vergil gefunden haben, werden im Teil II der Arbeit ('Vergil bei den einzelnen Autoren') besprochen. Das Spektrum reicht dabei von eindeutigen wörtlichen Zitaten ganzer Verse bis zur wahrscheinlichen Nachwirkung einer Sprachschöpfung Vergils. Im Register sind Stellen, die keinesfalls ohne Überprüfung des vorne dazu Angemerkten als Zitate verbucht werden sollten, durch *?' gekennzeichnet. Es ist prinzipiell schwierig, das Vorhandensein oder die Deutlichkeit eines Vergilbezuges objektiv zu fassen. Insbesondere aufgrund der Tendenz nachklassischer Prosa, auf Vokabeln und Ausdrucksformen zurückzugreifen, die klassisch noch streng auf die Dichtung beschränkt sind1, bleibt die Grenze zwischen Vergilnachklang und rhetorischer Stilisierung nach dem Geschmack der Zeit unscharf. Es gibt also sicherlich Stellen, an denen man zu einer anderen Bewertung als der hier vorgetragenen und begründeten gelangen kann. Die Einzeluntersuchung der Zitate bildet den Kern der Arbeit. Nach einem einleitenden Forschungsüberlick über den betreffenden christlichen Autor, sein Verhältnis zur paganen Kultur, Literatur und Dichtung werden die Vergilzitate behandelt.2 Die Reihenfolge richtet sich dabei zunächst nach der Chronologie und, bei den mit mehreren Schriften vertretenen Autoren, nach Grundsätzlich nimmt die Verwendung poetischer Worte und Formulierungen in der Kunstprosa seit der Silberneu Latinität zu, c/. NORDEN Antike Kunstprosa I 2S6sq. Gewissermaßen eine Vorreiterrolle nimmt dabei die nach dem antiken Gattungsverständnis dem Epos nahestehende Geschichtsschreibung ein, dazu Foucher 7—14.256—260. Verstärkt zeigt sich diese Tendenz in der Zweiten Sophistik, v.a. bei Apuleius, dazu etwa M. BERNHARD. Der Stil des Apuleius von Madaura, Stuttgart 1927, der zu jeder Schrift, also auch zu den philosophischen, einen Paragraphen über das "poetische und rhetorische Kolorit" bietet; Caterina LAZZARJNI, II modello virgiliano nel lessico delle Metamorfosi di Apuleio. SCO 35 (1985) 131—160. Ein typischer solcher Grenzfall ist beispielsweise das Wort ineluctabilis, dazu unten 388. Die Gefahr einer Untersuchung, die sich der Rezeption eines einzigen Autors widmet, liegt sicherlich in der Engführung und darin, daß das untersuchte Vorbild zu stark in den Mittelpunkt nickt und nicht mehr im Gesamt der Abhängigkeiten oder Benutzungen gesehen wird — das gilt für andere pagane Autoren (so mit Recht MÜLLER Vergilzitate 12 Anm. 15), aber auch für biblische Vorlagen. Um dem im Rahmen des Möglichen entgegenzuwirken, ist der Rezeption anderer Autoren bei dem jeweiligen Christen im Forschungsüberlick jeweils relativ viel Platz eingeräumt.
26
1.2
Vorüberlegungen zur Methodik
Werkgruppen.1 Ein alphabetischer Index2 findet sich im Anhang (401 sqq.). Für die einzelnen Autoren wird jeweils zunächst ein knapper Überblick zur Forschungslage gegeben, der das Verhältnis zur paganen Dichtung im allgemeinen und zu Vergil im besonderen zum Gegenstand hat. Dann folgt die Diskussion der einzelnen Zitate, an deren Beginn jeweils Folgetext, Zitatsegment und Prätext wiedergegeben und beschrieben werden. Zur anschließenden Interpretation der Zitate dient ein Raster von Kriterien, die freilich nicht alle in jedem Fall zum Tragen kommen können, sondern vor allem sicherstellen sollen, daß sich mögUchst viele Aspekte des Zitates in vergleichbarer Weise erfassen lassen:3 1. Deutlichkeit des Zitates Das wichtigste Kriterium liegt in der Frage, worin der Bezug auf den Prätext besteht und wie deutlich er wird. Alle weiteren Kriterien hängen damit unmittelbar zusammen.4 2. Gestalt des Zitatsegmentes Die Frage nach der Gestalt des Zitatsegmentes5 bezieht sich nicht nur auf dessen syntaktische Form, also darauf, ob es sich etwa um einen vollständigen Satz, eine Prädikation, eine Junktur, mehrere oder ein 1 2 3
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5
Vorbild ist die Anordnung des HLL. Angeordnet nach dem Muster des ThLL. Die literaturwissenschaftliche Forschung zur Intertextualität bietet einige Vorbilder für dieses Verfahren, ein bestimmtes Raster von Kriterien zur Beurteilung einer intertextuellen Struktur heranzuziehen, so beispielsweise Monika LlNDNER, Integrationsformen der Intertextualität, in: BROICH / PFISTER 116—135. Eine vergleichbare Liste für die Vergilzitate bei Augustinus entwickelt MÜLLER Vergüzitate 29—34: Er geht in siebzehn Einzelschritten vor, die in Beschreibung, Analyse und Interpretation eingeteilt sind. Zunächst beschreibt er Umfang (l.) f Umformung (2.), Markierung (3.) und Einführung (4.) des Zitates, um schließlich dessen Signifikanz (5., — handelt es sich um ein absichtliches Zitat oder eine zufällige Parallele?) und Transparenz (6.) zu ermitteln. Dann anaylsiert er die Stellung Zitatsegment im Folgetext (7., MÜLLER spricht vom 'manifesten Text') und im Zusammenspiel mit anderen Zitatsegmenten (8.), den 'Referenzraum' (9.) des Zitates im Hinblick auf den Prätext, den Zusammenhang des Prätextes (10.) und das Verhältnis des Zitatsegmentes zum Prätext (11.), um daraus Funktion (12.) und Fbkussierung (13.) des Zitates zu erschließen. Am Ende steht die frage nach der Bewertung (14.) durch Augustinus, seinem Verstehenshorizont (15.), eventuellen Zwischenquellen (16.) und anderen Rezeptionsbelegen (17.). Prinzipiell richtet sich die Untersuchung in diesem Punkt nach dem von M. PFISTER, Konzepte der Intertextualität, in: BROICH / PFISTER 1—30, entwickelten Modell zur quantitativen Skalierung von Intertextualität, das von sechs qualitativen Kriterien ausgeht, nämlich Referentialität (wie nachdrücklich ist die Bezugnahme?), Kommunikativität (wird die Referenz Autor und Leser bewußt?), Autoreflexivität (werden die Bezüge thematisiert?), Strukturalität (welche Rolle spielt der Prätext im Folgetext?) Selektivität (wie prägnant und pointiert ist der Bezug auf den Prätext?) und Dialogizität (wie groß ist die Spannung zwischen Prätext und Folgetext?). Doch treten diese allgemeinen Gesichtspunkte in der Praxis meist hinter die Erörterung sprachlicher Indizien zurück. Diese Kriterium liegt der von W. KARRER, Intertextualität als Elementen- und Strukturreproduktion, in: BROICH / PFISTER 98—116, erarbeiteten Differenzierung zwischen der Wiedergabe von Wortfolgen und von gedanklichen Mustern zugrunde.
1.2.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
27
Einzelwort handelt, sondern auch auf das Verhältnis von sprachlicher, logisch-syntaktischer und gedanklicher Gemeinsamkeit. 3. Veränderungen am Zitatsegment Die Veränderungen am Zitatsegment werden zum einen formal als Addition, Subtraktion, Substitution, Permutation einzelner Elemente des Zitatsegmentes oder als Kontamination mehrer Zitate1 gegenüber dem Wortlaut im Prätext beschrieben. Zum anderen ist nach Veränderungen im Gehalt durch die formalen Eingriffe, aber auch durch die Segmentierung oder die Transposition in den neuen Kontext zu fragen. Als Motive für Veränderungen am Zitatsegment kommen in Frage: (a) die morphosyntaktische Adaptation, also die Anpassung an den grammatikalischen Kontext gemäß der Kongruenz, (b) die syntaktische Adaptation, etwa durch Weglassen oder Hinzufügen von Konjunktionen, (c) die Prosifikation, also die Beseitigung von diatypischen (Poetismen) oder prosodischen (dichterische Rhythmik) Interferenzen,2 (d) die inhaltliche Adaptation an den Gedankengang des Folgetextes, (e) die Verfremdung, also die bewußte Entfernung vom Prätext. 4. Markierung Unter Markierung wird hier nach dem Entwurf von HELBIG jedes Vorgehen des Autors verstanden, mit dem er die Wahrscheinlichkeit beeinflußt, daß ein Zitat als solches erkannt wird. Dabei unterscheidet HELBIG vier Progressionsstufen: unmarkierte Intertextualität, implizit markierte Intertextualität, explizit markierte Intertextualität und thematisierte Intertextualität3 — je nachdem, ob der Autor die Wahrnehmung des Zitates ganz dem Leser überläßt, sie nahelegt, sie zwingend 1
2
3
So die Terminologie frei nach PLETT, der aber außerdem die Repetition (Konstituenten S2sq.) hinzunimmt und nicht ausdrücklich von 4Kontamination\ sondern von 'complexities' durch 'serialization' und Kondensation' spricht; c/. PLETT, Intertextualities, in: ders. Intertextuality 3—29, hier 23—25. Unter den von PLETT Poetics 70sq. festgehaltenen Typen von Interferenzen (interlingual, diachron. diatopisch, diastratisch, diatypisch, graphemisch und prosodisch) kommen im vorliegenden Fall nur die diatypische und die prosodische in Betracht. — Zum Umgang mit der interlingualen Interferenz Otta WENSKUS, Zitatzwang als Motiv für Codewechsel in der lateinischen Prosa, Glotta 71 (1993) 205—216. HELBIG 17—57. — Unmarkierte Intertextualität liegt vor, "wenn neben einem notwendigen Verzicht auf linguistische und/oder graphemische Signale eine sprachlichstilistische Kongruenz von Zitat und Kontext vorliegt — eine Art literarischer Mimikry, welche die intertextuelle Kommunikativität des Textes reduziert und es ermöglicht, eine intertextuelle Spur nahtlos in einen neuen Kontext zu integrieren, ohne daß hierbei Interferenzen entstehen" (88). Grundsätzlich ist dann von einer Markierung auszugehen, wenn die intertextuelle Spur entweder durch Emphase oder durch eine linguistische Interferenz oder durch hinzutretende Angaben hervorgehoben wird. Implizit ist eine Markierung, die nur als Indiz, nicht jedoch als unzweideutiger Beweis des referentiellen Charakters einer Äußerung fungiert, indem sie die Referenz als eine solche fokussiert, aber
28
1.2 Vorüberlegungen zur Methodik vorgibt oder über das Zitat reflektiert. Dabei kann der Autor über eine Reihe von Techniken verfügen: (a) Die Verfremdung des Zitatsegmentes gegenüber dem vergilischen Original erschwert das Erkennen der Referenz und wirkt als Entmarkierung. (b) Durch Steuerung der Interferenzen, insbesondere der prosodischen und der diatypischen, die belassen, gemindert oder beseitigt werden können, läßt sich die Deutlichkeit der Markierung steigern oder vermindern. (c) Die Position des Zitates im Folgetext kann als Markierung wirken: Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Zitat erkannt wird, steigt, wenn der Leser ein Zitat, insbesondere ein Dichter- oder Vergilzitat, erwartet. Damit ist namentlich in den folgenden Fällen zu rechnen: i. Die rhetorische Praxis legt an bestimmten Stellen den Gebrauch von Zitaten nahe, vor allem in exponierten Passagen (prooemium, peroratio) eines Textes oder in der argumentatio, wenn Belege oder exempla aufgezählt werden. ii. An Stellen, an denen erkennbar andere Dichter zitiert oder genannt, dichterische Themen, vor allem Mythologisches, angesprochen oder überhaupt über Dichtung reflektiert wird, rechnet der Leser eher mit einem weiteren Dichterzitat. iii. Zitate aus dem Werk des Vergil im besonderen wird der Leser bei vergilischen, also im Vergilischen Werk abgehandelten (Aeneas, aetas aurea usw.), und vergil typischen, also vornehmlich mit Vergil assoziierten (religiösen, nationalrömischen usw.), Themen erwarten. (d) Dem Zitatsegment können sprachliche Hinweise unterschiedlicher Deutlichkeit beigegeben sein, nämlich: i. der Hinweis auf etwas dem Folgetext nicht originär Zugehöriges, also auf das factum brutum einer Referenz, ü. der Hinweis auf ein DichterntoX, ohne daß der Dichter identifiziert wird, häufig im Plural (poetae) oder unter Hinweis auf die Gattung, oder noch nicht notwendig offen legt. "Als Abgrenzungskriterium der expliziten gegenüber der impliziten Markierungeart gilt deshalb erstens eine Tendenz zur Monosemierung, die es einem Rezipienten auch ohne hinreichende literarische Vorkenntnisse erleichtern soll, einen intertextuellen Verweis als solchen zu erkennen. Zweitens bedingt die explizit markierte Einschreibung einen mehr oder weniger deutlichen Bruch in der Rezeption und macht es daher unmöglich, die Markierung zu übersehen." (112). Kennzeichen der thematisierten Intertextualität ist die ausdrückliche Benennung der Bezugnahme. Das kann durch meta-kommunikative Verben ('zitieren', 4(vor)lesen\ ...), durch Hinweise auf Literatur und Gattung im Allgemeinen oder durch die Identifizierung des Prätextes oder seines Autors geschehen. — Vor allem bei dieser letzten Differenzierung wird deutlich, daß HELBIG seine Konzeption mit Blick auf die fiktionale Literatur der Neuzeit entwirft. Während dort noch ein wesentlicher Unterschied besteht, ob ein Prätext unübersehbar zitiert oder ob von Romanfiguren über ein Zitat gesprochen wird, ist der Schritt von der Objekt- auf die Metaebene innerhalb eines nicht-fiktionalen Textes weniger gravierend.
1.2.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
29
iii. die eindeutige Zuordnung durch Periphrase oder Nennung des Namens und/oder des Werkes. Die Wahl des Markierungsgrades läßt gewisse Rückschlüsse auf die Intention des Autors zu: Unmarkierte oder implizit markierte Vergilreferenzen eignen sich, die eigene Bildung und souveräne Fähigkeit im Umgang mit dem Klassiker zu beweisen, den Leser durch Rätselspannung zu unterhalten und eine esoterische, exklusive Kommunikationssituation zu suggerieren, könnten aber auch auf eine rein produktionsästhetische Vergilbenutzung hinweisen. Andererseits läuft der Autor Gefahr, daß die Zitate nicht erkannt werden. Je größeres argumentatives Gewicht der Autor dem Zitat also beimißt, desto stärker wird er es markieren. 5. Der Referenzpunkt des Zitates In Anlehnung an die von BROICH und PFISTER entwickelte Differenzierung von Einzeltextreferenz und Systemreferenz1 lassen sich solche Zitate, bei denen gezielt auf eine bestimmte Vergilstelle Bezug genommen wird, von solchen unterscheiden, bei denen eher auf ein bestimmtes Sprachregister oder die Charakteristika einer bestimmten Gruppe von Texten rekurriert wird, also etwa auf die Kultsprache, die Sprache des Epos oder die Dichtersprache. 6. Die argumentative Funktion des Zitates im Kontext Die in der Forschung mehrfach vorgeschlagene Einteilung in die drei Funktionstypen Autoritätszitat, Argumentationszitat und Schmuckzitat 2 ließe sich prinzipiell gut auf christliche Vergilrezeption anwenden: (a) Autoritätszitat: Der Autor macht sich die unbestrittene Autorität Vergib wesentlich zunutze. Er untermauert seine eigenen Kernaussagen dadurch, daß er sie als vergilische darstellt, er bringt also in einem zentralen Punkt seiner Argumentation seine und die vergilische Aussage zur Deckung. Dabei sind drei Möglichkeiten der Sinnkomplexion durch Zusatzkodierung — eine solche muß stattfinden, da die zugrunde liegenden Wirklichkeitsmodelle ja nicht identisch sind3 — denkbar: i. Der Autor läßt das Vergilzitat durch Auswahl oder Kontext in einem seiner eigenen (christlichen) Aussageabsicht zuträglichen Licht erscheinen (interpretatio christiana). Cf. U. BROICH, Zur Einzeltextreferenz, in: BROICH / PFISTER 48—52; M. PFISTER, Zur Systemreferenz, in: BROICH / PFISTER 52—58. Zu dieser Unterscheidung vor allem PLETT Poetics 73—79; zum Aspekt der Wechselwirkung von Prätext und Folgetext in diesem Zusammenhang B. SCHULTE-MIDDELICH, Funktionen intertextueller Textkonstitution, in: BROICH / PFISTER 197—242. Obwohl sich natürlich übereinstimmend formulierte Binzelaussagen zu bestimmten Themen (Ethik, Kosmologie, Monotheismus usw.) finden lassen, entstammen sie doch verschiedenen Grundanschauungen bzw. Weltbildern und sind daher verschieden fundiert und intendiert, also wesenhaft divergent.
30
1.2 Vorüberlegungen zur Methodik ü. Der Autor stellt seine eigene (christliche) Position in einer vergilkonformen Weise dar. iii. Der Autor nähert in der Darstellung sein eigenes und das vergilische Wirklichkeitsmodell einander an. (b) Argumentationszitat: Der Autor zieht eine Vergilstelle als Beleg für eine Aussage, eine Vorstellung oder einen Sachverhalt herem, mit dem er sich dann auseinandersetzt. Die Position des Autors kann positiv (affirmativ) anknüpfend, neutral oder negativ (kritisch) sein. Affirmation oder Kritik können sich auf die Form, auf den Inhalt (bzw. dessen Rezeption) oder auf den Autor selbst beziehen. (c) Schmuckzitat: Der Autor zitiert Vergil zum Zweck der kunstvollen Ausgestaltung einer Passage. Man könnte noch unterscheiden: i. das Zitat mit offenbar gezielter Wirkung im engeren Kontext, die durch die Referenz auf den Prätext zustande kommt, ii. das Zitat einer klassischen Wendung oder eines treffenden poetischen Ausdruckes, den der Leser zumindest in seiner Klassizität goutieren soll, iii. das produktionsästhetisch motivierte Zitat. Die vorliegende Untersuchung befaßt sich freilich zu einem überwiegenden Teil mit Reminiszenzen, die gemäß der obigen Einteilung in die Kategorie Schmuckzitat gehören. Hier werden im Einzelfall auch weitere Kriterien wie etwa die Thematik des Zitates in die Gesamtbewertung einzubeziehen sein, die am Ende der Besprechung eines jeden Einzelzitates versucht wird.
Auf die Einzeluntersuchung der Zitate eines jeden Autors folgt jeweils eine Auswertung und abschließende Bewertung der Beobachtungen und Ergebnisse zu diesem Autor. Deren Gliederung richtet sich nach den drei Konstituenten des Zitierens, Zitatsegment — zusammengefaßt werden Beobachtungen zu Morphologie, Veränderungen, Markierung —, Folgetext (Verteilung und Stellung der Zitate im Folgetext) und Prätext (Provenienz und Thematik der Zitate). Abschließend wird eine Typisierung der Zitate nach ihrer Funktion und eine Gesamtbewertung der Stellung zu Vergil versucht. Es könnte bei alldem der Eindruck einer mechanistisch-schematischen Vorgehensweise entstanden sein. Tatsächlich aber liegt die unverzichtbare methodische Grundlage dieser Arbeit in einem Interpretationsverfahren, das auf der Basis des für sich genommen meist wenig aussagekräftigen Materials eine möglichst umfassende Annäherung an den thematischen Rahmen der Arbeit gewährleistet, wie er im ersten Teil der Einleitung kurz umrissen wurde. Dabei soll vor allem erreicht werden, daß nicht einzelne, vielleicht angesichts der Unsicherheiten im Referenzcharakter mit einer gewissen Kühnheit ausgelegte Zitate das abschließende Urteil über Absichten und Tendenzen der einzelnen Autoren bestimmen, sondern daß ein so gut wie möglich fundiertes Gesamtbild entsteht. Weiteren Interpretationen, sei es zu Einzelstellen, sei es
1.2.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
31
zu bestimmten Fragestellungen, soll und wird das hier dargebotene Material ohne Zweifel noch offenstehen. Deshalb beschränkt sich auch die Zusammenschau im dritten und letzten Teil der Arbeit darauf, die Ergebnisse aus den Untersuchungen zu den einzelnen Autoren nach dem Kriterium der Individualität, der Kontinuität und der Entwicklung zusammenzufassen, um Anknüpfungspunkte für weitere Studien zu bieten.
Teil II
Vergil bei den einzelnen Autoren 1
Tertullian
1.1
Zur Forschungslage
Der Karthager Quintus Septimius Florens Tertullianus wendet sich erst als Erwachsener nach einer gründlichen Ausbildung in Grammatik und Rhetorik dem Christentum zu.1 Der einzige chronologische Anhaltspunkt sind seine zahlreichen Schriften, die in den Zeitraum zwischen 197 und 212 fallen, aber ihrerseits oft nicht genau datier bar sind. Schon in den Jahren zwischen 203 und 207, also wohl nicht allzu lange nach seiner Bekehrung, schließt sich Tertullian der rigoristischen Sekte der Montanisten an. Die ältere Forschung hat bei der Beurteilung von Tertullians Haltung gegenüber der paganen Literatur und Bildung vor allem dessen Neigung zum Rigorismus und die polemischen Passagen im Werk vor Augen und folgert daraus eine grundsätzliche Ablehnung. Einige neuere Arbeiten hingegen weisen Tertullians schroffe Polemik ihrem jeweils spezifischen Kontext zu und stellen das Element der Übernahme und Kontinuität, die, nach FREDOUILLE (1972), 'Konversion der antiken Kultur9 heraus.2 Dementsprechend ist Zu Biographie, Datierung und Forschungsstand H. TRÄNKLE, HLL 4 (1997) §474; Eva SCHULZ-FLÜGEL, Tertullian', LACL (2002) 668—672; zur Persönlichkeit auch T D . 2 BARNES, Tertullian. A Historical and Literary Study, Oxford 1985 ; zur Verbindung von Biographie, Persönlichkeit und Werk P. STEINMETZ, Untersuchungen zur römischen
Literatur des zweiten Jahrhunderts nach Christi Geburt, Wiesbaden 1982, 228—236. Der Text wird zitiert nach der Ausgabe im Corpus Christianorum (Seiles Latina I & II), Quinti Septimi Florentis Tertulliani opera. Pars I: Opera Catholica. Adversus Marcionem, Pars II: Opera Montanistica, Turnhout 1954. Schon KLEIN (Tertullian 81 Anm. 40) warnt vor dem allzu einseitigen Bild eines bildungsfeindlichen Tertullian. Vor allem aber bemüht sich J.-C. FREDOUILLE, Tertullien et la conversion de la culture antique, Paris 1972, und ders., Tertullien et la culture antique. in: Melanges E. GAREAU, Ottawa 1982, 197—206, das Element der Kontinuität und der Inkulturation bei Tertullian herauszuarbeiten; darin folgt ihm etwa H.-W. THÖNNES, Caelestia recogita, et terrena respicies. Altkirchliche Apologetik am Beispiel Tertullians im Vergleich mit modernen Entwürfen, FVankfurt am Main et al. 1994, grundsätzlich 4—7. H. STEINER, Das Verhältnis Tertullians zur antiken Paideia, St. Ottilien 1989, untersucht die Bereiche Bildungstheorie, Literatur, Rhetorik, Staat, Philosophie und Religiosität und kommt jeweils zu dem Ergebnis, daß bei aller Distanzierung und Polemik stets auch sachliche Auseinandersetzung und Anknüpfung zu beobachten ist; ähnlich schon E.I. KOURI, Tertullian und die römische Antike, Helsinki 1982. HAGENDAHL (1982, Von Tertullian 14—24) betont dagegen die "souveräne Selbständigkeit, die in Tertullians geistiger Haltung und dramatischem Entwicklung»-
II. 1.1
Zur Forschungslage
33
auch Tertullians Verhältnis zur Dichtung im allgemeinen nicht nur von den Äußerungen schroffer Ablehnung her zu betrachten:1 Die Auseinandersetzung mit poetae und poetica2 findet hauptsächlich in den frühen apologetischen Schriften ad nationes, Apologeticum und de testimonio animae statt.3 Im Werk ad nationes kritisiert Tertullian die Dichtung wegen ihres mythologischen und daher unwürdigen Gottesbildes (nat. 2,1,13 apud poetas omnia indigna, quia turpia) und nimmt das zum Anlaß reichlicher Polemik. Diese bezieht sich freilich nicht zuletzt auf die widersprüchliche Haltung der Heiden den Dichtern gegenüber, einerseits die Unangemessenheit der mythologischen Religion einzugestehen, sie aber andererseits beizubehalten.4 Auch gang zum Vorschein kommt" (23), aufgrund derer ihm weitergehende Kompromisse mit paganem Denken unmöglich seien. Im Sinne einer grundsätzlichen Ablehnung beispielswiese ELLSPERMANN (1949). Er untersucht die Einlassungen Tertullians zu den Bereichen Philosophie, Literatur, Dichtung, Wissenschaft und Rhetorik. Für das Dichterbild stellt er insbesondere fest: (1) Tertullian sieht bei den Dichtern gewisse Grundwahrheiten, die freilich ursprünglich der alttestamentlichen Offenbarung entstammen und von ihren heidnischen Rezipienten vollkommen entstellt wurden (28; 41). (2) Die Versuche griechischer Apologeten, christliche Wahrheiten und pagane Dichtung und Philosophie zu harmonisieren, hält Tertullian für unangemessen (c/. Z2sq. mit Bezug auf test. anim. 1). (3) Zwar kann nach Tertullians Ansicht die Kenntnis paganer Literatur in der argumentativen Auseinandersetzung bisweilen nützlich sein, uthe poets, however, he regarded as the betrayers of the truth, the inventors of falsehood, and the fosterers of immorality" (42). — Abseitig KRAUSE (1958, 91—109), mehr als berechtigt die Kritik von HECK Vestrum est 103. Eine umfassende Untersuchung der Stellungnahmen Tertullians über die Dichtung steht noch aus. Hier seien einige Beobachtungen zu den Äußerungen über die Stichworte poeta und poetica zusammengetragen, die Stichworte Carmen, auctor und scriptor bieten nichts Weiterführendes. Über die Stichworte poeta und poetica sind daher die wesentlichen Aussagen über die Dichtung im allgemeinen wenigstens soweit erfaßt, daß sich ein ungefähres Bild ergibt. Auf die lateinischen Dichter im besonderen wird im Anschluß noch einzugehen sein, zu den den griechischen A. D'ALES, Tertullien helleniste, REG 50 (1937) 329—356, v.a. 331—334. Auch kann Tertullians Auseinandersetzung mit dem Theaterwesen weitestgehend unberücksichtigt bleiben, da sie sich vor allem auf die Praxis des gesamten Schauspielwesens und öffentlichen Unterhaltungsbetriebes seiner Zeit bezieht, dazu grundsätzlich H. JÜRGENS, Pompa diaboli. Die lateinischen Kirchenväter und das antike Theater, Stuttgart et a/. 1972, 173—247. Was Tertullian also über das Theater äußert, wird man kaum mit seinem Verhältnis zu Vergil in Zusammenhang bringen dürfen, dazu auch unten 108 Anm. 1. Nur vereinzelt äußert Tertullian sich kritisch über die dramatische Dichtung, etwa über den unschicklichen Ödipus-StofT (nat. 2,16,5.9(7.). Dem entgegen stehen übrigens zahlreiche Zitate aus der lateinischen dramatischen Dichtung. In diesen drei Werken finden sich 31 von insgesamt 48 Belegen für die Worte poeta und poetica bei Tertullian. In ad nationes polemisiert Tertullian reichlich gegen die Dichter, die als Mythographen (nat. 1,19,7 nee mythici ac poetici soli talia canuntt /.../; nat. 2,7,1 ut ad mythicum transeamus, quod poetis deputatur, ähnlich auch nat. 2,3,2; 2,7,8 und 2,12,16) ein sowohl lächerliches und unwürdiges (nat. 2,13,17 De quo [sc. love] poetica sie lusttavit, /.../) als auch verwirrendes und falsches (nat. 1,10,40 Exinde quis non poetarum ex auetoritate prineipis sui (sc. Homeri] in deos insolens aut vera prodendo aut falsa fingendo?) Götterbild verbreiten. Für diese Gleichsetzung von Dichtung und Mythographie beruft sich Tertullian ausdrücklich auf Varros theologia tripartita (nat. 2,1,10, ähnlich nat. 2,9,1), mit deren Ebenen er sich dann kritisch und polemisch auseinandersetzt (nat.
34
II. 1
Tertullian
in der überarbeiteten Fassung, dem Apologeticum, kritisiert Tertullian die mythologische Darstellung der Götter bei den Dichtern, doch zum einen läßt die polemische Schärfe nach, zum anderen tritt ein neuer Aspekt hinzu: Der Dichtung liege eine verderbte und verdunkelte göttÜche Wahrheit zugrunde.1 In der Schrift de testimonio animae spricht sich Tertullian ausdrücklich gegen eine apologetisch-protreptische Verwendung von Dichterzitaten aus, in denen er keinen geeigneten Anknüpfungspunkt einer natürlichen Theologie sieht.2 In den späteren apologetischen Schriften sowie in den antihäretisch-
1
2
2,1,13 Denique apud philoaophos incerta, quia varia; apud poetas omnia indigna, quia turpia; apud populos passiva omnia, quia voluntaria.). Bezüglich der Dichtung (nat. 2,7 passim) hält er den Heiden insbesondere ihren widersinnigen Umgang mit den Aussagen der poetae vor: Obwohl ja auch Piaton aus seinem Idealstaat die Dichter samt Homer als Gotteslästerer verbannt hätte (nat. 2,7,11 Crvrninatores deorum poetas eleminari Plato censuit, ipsum Homerum sane cotxmatum civitate pellendum.), behalte man sie, ohne ihr verkehrtes Gottesbild zu hinterfragen — Igitur si creditis poetis, cur tales deos Colitis? Si ideo Colitis, quia non creditis poetis, cur laudem mendacibus fertis nee cavetis ne offendatis quorum detreetatores honoratis? (nat. 2,7,13). Auch im Apologeticum brandmarkt Tertullian das unangemessene Gottesbild der Dichter, doch ist hier sein Ton weniger polemisch. Das zeigt sich ganz deutlich beim Vergleich zwischen der Urfassung des dichtungskritischen Satzes nat. 1,10,40 Exinde quis non poetarum ex auetoritate prineipis sui [sc. Homeri] in deos insolens aut vera prodendo aut falsa fingendo? mit seiner Endfassung apol. 14,4 Exinde quis non poeta ex auetoritate prineipis sui [sc. Homeri) dedecorator invenitur deorum? Außerdem steht die Dichtungskritik eher am Rande: Nur apol. 14,4 enthält eine negative Äußerung über die poetae im allgemeinen. Zwar bezieht sich Tertullian wie schon in der vorigen Schrift ebenfalls auf phüosophi, poetae und vulgus als Autoritäten paganer Gottesvorstellungen, nun aber überwiegend konstruktiv, indem er bei ihnen gewisse, wenn auch oft verschüttete oder verdunkelte, Vorprägungen christlicher Lehraussagen aufzeigt, insbesondere bezüglich der Dämonen (apol. 22,1 sq. Sciunt daemones phüosophi Socrate ipso ad daemonii arbitrium exspeetante. Quidni? Cum et ipsi daemonium a pueritia adhaesisse dicatur, dehortatorium plane a bono. Omnes sciunt poetae; etiam vulgus mdoctum in usum maledicti frequentat) und des Totengerichts (apol. 23,13: Vor dem Richterstuhl Christi werden die daemones allenfalls sagen Minoen et Rhadamanthum seeundum consensum Piatonis et poetarum hoc [sc. tribunal] esse sortitos; 47,11—14: Die spirttus erroris haben die salutaris diseiplina verfälscht, ut quis ideo non putet Christianis credendum, quia nee poetis nee philosophis, vel ideo magis poetis et philosophis existimet credendum, quia non Christianis (11). Daher werden die Christen nicht ernstgenommen, wenn sie, wie es die Philosophen und Dichter tun, ein tribunal apud injeros verkünden.). Diese Grundwahrheiten seien, so Tertullian, aus göttlicher Offenbarung genommen (apol. 47,2 Quis poetarum, quis sophistarum, qui non de prophetarum fönte potaverit? und apol. 47,14 Unde haec, oro vos, philosophis aut poetis tarn consimilia? Non nisi de nostris sacramentis. Allein im Pragmentum Fuldense (apol. 19,5*sq.) findet sich außerdem: 5* Adeo respici potest tarn iura vestra quam studio de lege deque divina doctrina coneepisse. Quod prius est, hoc sit semen necesse est. Inde quaedam nobiscum, vel prope nos habetis. 6* De sophia amor eius philosophia vocitatus est: de prophetia affeetatio eius poeticam vaticinationem deputavit. Gloriae hominibus, si quid invenerant, ut proprium facerent, adulteraverunt. Etiam fructibus a semine degenerare contingit.), dann aber von spiritus erroris verdunkelt worden (c/. apol. 47,11), so daß die christliche Wahrheit von dort aus nicht mehr zugänglich ist, apol. 49,1: Haec sunt, quae in nobis solis praesumptione vocantur, in philosophis et poetis summae scientiae et insignia ingenia. Im Einleitungekapitel wendet sich Tertullian gegen die Versuche einiger griechischer Apologeten, aus paganer Literatur, Dichtung und Philosophie testimonia Christianae
IL 1.1
Zur Forschungslage
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dogmatischen und praktisch-asketischen Werken bleibt die Auseinandersetzung mit der Dichtung im allgemeinen auf stereotype Floskeln beschränkt: Zweimal vergleicht Tertullian häretische Lehren mit dichterischer Fiktion,1 jedoch stehen die poetae öfter auch für en passant herbeigezogenes Bildungsgut2. Häufiger verweist Tertullian nur noch im Werk de anima auf die poetae, meist aber nur ganz marginal und im Rückgriff auf allgemeines Bildungsgut.3 Der Dichterkritik liegen zum einen der schon in der paganen Tradition immer wieder erhobene Vorwurf der FiktionaÜtät und unwürdigen Darstellung der Götter zugrunde, zum anderen der spezifisch christliche Gedanke verdunkelter göttlicher Wahrheit. Der letztere Aspekt wird aber über das Apologeticum hinaus nicht weiter ausgeführt. Als durchgängige Linie läßt sich lediglich die Ablehnung dichterischer Fiktion ausmachen.4 Bei aller Verkehrtheit des Gottesbildes der Dichter, bei aller Verderbtheit ihrer einst wahren Überliefe-
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veritatis (c/. test. anim. 1,1) herauszupicken, da solches Material von den Heiden ja doch nicht anerkannt werde. Diese würden, konfrontiert mit den widersprüchlichen Gottesaussagen der Dichter, einfach deren Aussagekraft leugnen und in ihrem Irrtum verharren, test. anim 1,3: Sed suis quidem magistris alias probatissimis atque lectissimis fidem inclinavit humana de incredulitate duritia, sicubi argumenta Christianae defensionis impingunt. Tunc vani poetae, cum deos humanis passionibus et fabulis designant, tunc philosophi duri, cum veritatis fores pulsant. Auffälligerweise denkt Tertullian hier offensichtlich daran, aus den Philosophen zwar positiv bestimmte christliche Lehren zu belegen, mit den Dichtern aber nur negativ heidnische Vorstellungen ad absurdum zu führen. Von einer Möglichkeit, Christliches aus der paganen Dichtung zu beweisen, ist hier nicht die Rede, wenngleich oben (1,1 ex litteris /.../ phiiosophorum vet poetarum [...] testimonia excerpere Christianae veritatis) offensichtlich dieses positiv argumentierende Vorgehen gemeint ist. Zu Tertullians Bewertung der poetae im Rahmen der natürlichen Theologie auch C. TIBILETTI, Q.S.F. Tertulliani de testimonio animae. Introduzione, testo e commento, Torino 1959, 151—153. So polemisiert er adv. Marc. 1,3,1 gegen die Häresie als eine Verirrung, die die poetica et pictoria licentia noch übertrifft, in der Häretikerpolemik adv. Val. 7,1 greift er die Lehre der Ketzer als Irrtum an, der noch verwunderlicher sei als die Vorstellungen eines Ennius oder Homer. Tertullian beruft sich lediglich spect. 30,4 auf die poetae als Autoritäten, die die Existenz eines Totengerichts belegen. Allgemein als Bildungsgut, doch mit despektierlicher Konnotation des Fiktionalen, werden die Dichter pall. 6,2; coron. 7,3; 13,8 genannt. So etwa anim. 1,4; 18,1 (aus Plat. Phaid. 65e übernommen); 35,5; 53,6; 56,2. Nicht überbewerten sollte man die Äußerung poetis ne vigilantibus credam (anim. 33,8) — so etwa schon der öfter zitierte J. VAN DER VLIET, Studia Ecclesiastica. Tertullianus I, Critica et Interpretatoria, Leiden 1891, 10: uPoetas imprimis spernit, quibus ne vigilantibus quidem, nedum somniantibus credat." Hier nimmt Tertullian in seiner Widerlegung der Seelenwanderungslehre auf den Traum des Ennius von Homer als Pfau (ann. 15) Bezug. Die Pointe richtet sich also nicht gegen die Dichtung, sondern gegen die Vorstellung von der Reinkarnation in einer dem Verhalten im Vorleben entsprechenden Gestalt. Zugrunde liegt lediglich der stereotype Gedanke von der FiktionaÜtät der Dichtung im allgemeinen. In eben diese Richtung geht auch der erneute Verweis auf die licentia poetarum (anim. 57,12). Vielleicht wird man hier auch die Schriftstellerpersönlichkeit berücksichtigen müssen. D A L £ S * (334) vielzitiertes Urteil: "Tertullien est ne pour la prose" weist in eben diese Richtung: Tertullian scheint der Dichtung nicht nur als Christ distanziert gegenüberzustehen, sondern auch, und vielleicht vor allem, als Rhetor mit der poetischen Fiktion wenig anfangen zu können.
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II. 1
Tertullian
rung, bei aller Fruchtlosigkeit der Dichterzitate zur Heidenbekehrung, denkt dennoch Tertullian nicht daran, die Dichter aus dem christlichen Bewußtsein tilgen zu wollen; er hebt nur hervor, wo man sich als Christ nicht auf sie verlassen darf. Er setzt also keineswegs, worauf FREDOUILLE mit Recht hinweist, pauschal stets Dichtung und ablehnenswerte Mythologie gleich, sondern verurteilt die Dichtung nur, soweit sie tatsächlich die Irrtümer der Mythologie verbreitet, nicht aber schon das Poetische an sich, wenngleich er diesem nur eine sehr entfernte Annäherung an die Wahrheit zugesteht.1 Der an vielen Stellen, meist freilich recht stereotyp, zum Ausdruck gebrachten Ablehnung der Dichtung im allgemeinen ist daher deren Benutzung in praxi gegenüberzustellen: Tertullian nennt und zitiert in seinen Werken zahlreiche pagane Autoren, wobei tendenziell die Griechen gegenüber den Lateinern und die Prosaiker gegenüber den Dichtern vorherrschen.2 Die Grundlinien in der Rezeption lateinischer Dichter hat BRAUN 1967 in einer maßgeblichen Untersuchung herausgearbeitet:3 Der am meisten zitierte römische Dichter ist Vergil, obwohl er nur an zwei Stellen (praescr. 39,35g.; adv. Marc. 1,5,1) namentlich genannt wird. Unter den Epikern kennt Tertullian, der archaistischen Mode entsprechend, darüber hinaus Ennius: In der Schrift de anima zitiert er im Zusammenhang mit der Seelenwanderungslehre Ennius9 TVaum von der Wiedergeburt des Homer in der Gestalt eines Pfau, eine polemische Spitze gegen die Valentinianer setzt er mit dem Enniuswort cenacula maxima caeli* Lukrez wird zweimal mit dem Vers tangere enim et tangi, nisi corpus, nulla potest res (1,304) zitiert, einmal ohne Namensnennung gegen doketistische Irrlehren über den Kreuzestod Christi (adv. Marc. 4,8,3), einmal mit der Einleitung unde et Lucretius im Sinne einer Körperlichkeit der Seele (anim. 5,6), beide Male aber wohl angeregt durch Senecas Zitat des Verses (epist. 106,8). Außerdem zeigt sich Tertullian an mehreren Stellen von der lukrezischen Säuglingsschilderung beeinflußt,5 dem Werk de anima insgesamt scheint eine Auseinandersetzung mit dem dritten Buch de
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FREDOUILLE Culture 200; 205.
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Einen ersten Zugang bieten der Index scriptorum (II 14955g.) und der Index nominum (II 1497—1507) im Corpus Christianorum, das Material faßt HAGENDAHL (Von Tertxälian 17sq.) zusammen. Die Benutzung griechischer Autoren untersucht D'ALfes, 331—334 die Dichter, 334—347 die Prosaiker, insbesondere zu Homer BARTELINK Homer \29sq.\ C. WEIDMANN, Unentdeckte Dichterimitationen in Tertullians Ad Nationes, WS 108 (1995) 467—479, hier 471—479, weist ein Homerzitat nat. 1,10,37 nach. Einzelne, bislang nicht erkannte Zitate aus Lukrez, Horaz, Ovid, Juvenal, Martial und Pacuvius bietet R. UGLIONE, Poeti latini in Tertulliano: intertestualita e riscrittura, A&R 46 (2001) 9—34, dazu aber unten 38 Anm. 3. Mit der Benutzung lateinischer Prosaiker setzt sich S. OäwiEClMSKi, De scriptorum Romanorum vestigiis apud Tertullianum obviis quaestiones selectae, Krakow 1951, auseinander. R. BRAUN, Tertullien et les poetes latins, AFLNice 2 (1967) 21—33, jetzt auch in: ders., Approches de Tertullien, Paris 1992, 97—109. Tert. anim. 33,8; Enn. ann. fr. 15 V. = 11 SKUTSCH und Tert. adv. Val. 7,1; Enn. ann.
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fr. 60 V. = 51 SKUTSCH, C/. BRAUN PoHes 25; SKUTSCH 203. 5
Tert. adv. Marc. 3,13,2; 4,21,11; anim. 19,7s?.; adv. lud. 9,5; Lucr. 5,222—230.
II. 1.1
Zur Forschungslage
37
verum natura zugrunde zu liegen.1 Auf das Werk des Ovid nimmt Tertullian mehrmals Bezug: Das bekannte spectatum veniunt, veniunt spectentur ut ipsae (ars 1,99) gibt er zweimal (spect. 25,3; cult. fem. 2,11,1) verkürzt zu videre ac videri wieder, in der Polemik gegen die Valentinianer erwähnt er die Metamorphosen, die Ovid seiner Meinung nach vernichtet hätte, wenn er die Veränderungen gekannt hätte, die jene Irrlehrer in ihrem Pleroma annehmen (adv. Val. 12,1). Auch die Formung des Menschen durch Prometheus (Ov. met. 1,76—88) nimmt Tertullian auf (carn. 9,2).2 BPATYXHM (2001) nimmt außerdem die Benutzung Ovids als mythologische Quelle an zwei Stellen an.3 Einiges zitiert Tertullian — indirekt? — aus den Dramatikern, wobei die Komödie und der Mimus überwiegen: In der Schrift de pallio gibt er einen Vers des Laberius über einen Ziegenbock (pall. 1,3), einen Vers des Pacuvius über eine Schildkröte (pall. 3,3), und den Vers eines unbekannten Komödiendichters über die chlamys (pall. 4,8) wieder, hinzu kommen Hinweise auf die Pullones des Novius und die Catinenses des Lentulus (pall. 4,4). Ebenfalls von Laberius stammt das im Apologeticum (48,1) zitierte hominem fieri ex mulo, colubram ex muliere. Erwähnt werden außerdem der Laureolus des Catullus (adv. Val. 14,4) sowie die Mimographen Lentulus und Hostilius (nat. 1,10,44; apol. 15,1). Auf die Tragödie verweisen die Erwähnung der Medea des Hosidius Geta als Beispiel einer Centonendichtung (praescr. 39,4) und, wie neuerdings von WEIDMANN (1995) bemerkt, eine Referenz auf Senecas Thyestes und Oedipus (nat. 1,7,28).4 Einzelne Spuren schließlich verweisen auf die satirische Dichtung, auch wenn kein einschlägiger Autor namentlich genannt wird: In der Schrift ad nationes (1,10,7) klingt die Scheltrede des Davus aus Horazens Satiren (2,7,22—24) an, im Apologeticum (35,9) spielt Tertullian unter Rückgriff auf Martial (4,78,75g.) auf eine Palastintrige unter Domitian an, auf Juvenal (3,2305?. und 4,1 sq.) schließlich beziehen sich Reminiszenzen in den Schriften adversus Marcionem (4,24,9) und de pudicitia (1,1), hinzu kommen noch einige fragliche Parallelen.5 Zusammenfas1
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Dazu im einzelnen BRAUN Poetes 25—28, ältere Literatur 27 Anm. 29. Insbesondere möchte BRAUN die von HAGENDAHL (Latin Fathers 79—81) zusammengetragenen Stellen und dessen Wertung, wonach unter den Apologeten vor Arnobius und Laktanz ein nennenswerter Einfluß des Lukrez nur auf Tertullian erkennbar sei (81), relativiert sehen. Kaum Neues in dieser Hinsicht bringt E. OTON SOBRINO, Epicuro y Lucrecio en la polemica de Tertuliano y Lactancio, Helmantica 40 (1989) 133—158, hier 1425g. Dazu im einzelnen BRAUN Poetes 29. Die im index scriptorum des Corpus Christianorum zusätzlich genannte Stelle coron. 7,4 nimmt lediglich allgemein auf den Faden der Ariadne Bezug. A. K). BptwyxHH. OBMAHH KAK MH<J>ojiorHMr< KHH HCTOMHMK TcpTyjuinaHA, Hyperboreus 7 (2001) 242—246: Der Janus apol. 28,1 gehe auf Ov. fast. 1,89—96 zurück, die Schilderung der Heraklestaten pall. 4,3 auf Ov. epist. 9,67—118. Dazu allgemein BRAUN Poetes *29sq. WEIDMANN (468—471) sieht in den Worten grande nescio quid (nat. 1,7.28) und dem Bezug auf tragoedia Thyestae vel Oedipodis (nat. 1,7,27) eine Referenz auf Sen. Oed. 925 grande nescio quid parat und Thy. 267—270. BRAUN Poetes 3a—33. Einen starken Einfluß der Gattung Satire insgesamt auf Tertullian, was thematische Schwerpunkte (Unmaßigkeit und Völlerei, Fehlverhalten von FVauen, Aberglaube und Idolatrie) und bestimmte literarische Techniken (Apostrophe,
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II.1
Tertullian
send kommt BRAUN ZU dem Schluß: Zwar kenne Tertullian sicherlich mehr, als er zitiere. Nach seiner Bekehrung aber träten davon nur noch einzelne Spuren hervor, vor allem in satirischen Sottisen und in polemischen Zusammenhängen.1 Einen ganz neuen Blickwinkel auf Tertullians Verhältnis zu den Dichtern sucht UGLIONE (2001) zu eröffnen, indem er bislang unbekannte Reminiszenzen aus Lukrez, Horaz, Ovid, Juvenal, Martial und Pacuvius bei dem Christen namhaft macht und daraus folgert, daß man zum einen dem Umfang der Dichterbenutzung bei Tertullian bei weitem unterschätzt und zum anderen die intertextuelle Dimension übersehen habe, denn "il testo di Tertuiiiano sovente vive di altri testi, li assume, li trasforma e definisce se stesso in quanto portatore di altre realtä" ? FVeilich sind manche der von UGLIONE angeführten Zitate so schwach markiert und in ihrer Referentialität so fraglich, dass mancherorts eine zurückhaltendere Interpretation des scheinbaren intertextuellen Zusammenhangs angebracht schiene.3 Die Vergilbenützung des Tertullian ist erst in der jüngeren Forschung eingehender betrachtet worden. Die ältere Literatur beschränkt sich darfictus interlocutor, Personifikation, sententiae, exempla) seines Schaffens angeht, sucht R.F. BOUGHNER, Satire in Tertullian, Dies. Baltimore 1975, zu erweisen. Insbesondere kenne Tertullian Varro (14), Juvenal (14—16, mit Diskussion einiger Parallelen) und Seneca (16—18). Cf. BRAUNS anschauliche Gesamtbewertung Poetes 33. UGLIONE Poeti 34.
Es ist hier nicht möglich, die über zwanzig von UGLIONE angeführten Stellen in gleicher Weise zu würdigen, wie es wohl nötig wäre und wie im Fall seines ergänzenden Beitrages über die Vergilzitate bei Tertullian auch geschieht, dazu unten 98 Anm. 3. Hier nur exemplarisch zum ersten Lukrez- und Horazzitat: (1) Wenn man neben den von UGLIONE {Poeti 11) zu Recht angeführten Dichterparallelen für Tert. apol. 9,13 aanguine /.../ vel intra viscera sepulto (nur eine davon ist Lucr. 5,993 viva videns vivo sepeliri viscera busto) auch Stellen wie Ps. Quint. decl. 12,2 aestuant adhuc intra pec~ tus sepulta ventribus nostris cognata viscera und Apul. met. 5,18 saevissimae bestiae sepeliri visceribus berücksichtigt, wird klar, daß es sich bei Tertullians intra visceribus sepultum um eine vielleicht poetisch inspirierte, aber für die barocke Rhetorik der Zeit ganz übliche Wendung handelt, im Zusammenhang mit der besser nicht mehr von einer usicura agnizione del'ipotesto" (I.e. — gemeint ist tatsächlich Lukrez!) die Rede sein sollte. Daran ändert auch die von UGUONE ins Feld geführte v-Alliteration nichts. (2) Tert. anim. 26,2 at cum partus /sc. Rebeccae] aperitur et numerus inspicitur et auguratus recognosciturt puto, tarn non animae solummodo probantur infantum, sei et pugnae (zur Sache Gen 25,22; Rom 9,12) bringt UGLIONE (Poeti 19) zusammen mit Hör. carm. saec. 13—16 rite maturos aperire partus / lenisf Ilithyia, tuere matrest / sive tu Lucina probas vocari / seu Genetyllis. Gemeinsam sind partus aperire und probare. Ersteres ist eine horazische Junktur, die hier erstmals in Prosa erscheint (ThLL X,l s.v. partus 537,54; 538,48; 542,38). Die Verbindung mit dem (syntaktisch freilich nicht direkt angebundenen und semantisch divergierenden) probare läßt eine Nachwirkung, weniger eine bewußte Benutzung der sublime Sprache im Carmen saeculare hier denkbar erscheinen. In späterer christlicher Literatur erscheint die Wendung partus aperire aber oft (etwa Ambr. Cain. et Ab. 1,10,46; Petr. Chrys. serm. 40,1 — in Zusammenhang mit biblischen Geburtsschilderungen), so daß man sich fragen muß, ob nicht die Wendung partus aperire als (horazisch inspirierter?) Euphemismus ihren Platz in Sprache christlicher Predigt und Paränese gehabt haben kann. — In gleicher Weise wären alle übrigen namhaft gemachten Parallelen zu diskutieren.
II. 1.1
Zur Forschungslage
39
auf, Vergilparallelen auszuweisen und die Bewertung des Dichters unter einer Tertullian unterstellten grundsätzlichen Ablehnung paganer Kultur, Bildung und Literatur zu subsumieren.1 Über die bloße Bestandsaufnahme2 der Vergilzitate geht erst BRAUN (1967) hinaus: Zunächst weist er darauf hin, daß die Zitate überwiegend aus der Aeneis stammen, während die Georgika kaum und die Bukolika gar nicht herangezogen werden.3 Bei den Zitaten aus der Aeneis unterscheidet BRAUN erstens sentenziöse Verse, die auch andernorts häufig angeführt werden und sprichwörtlichen Charakter haben,4 zweitens Zitate, die mit Karthago und seiner Schutzgöttin Juno zu tun haben,5 und drittens satirisch oder polemisch gebrauchte Zitate6. Daraus gewinnt BRAUN das Gesamtbild eines zwar einerseits an Vergil geschulten Autors, der immer wieder auf eindrückliche Stellen Bezug nimmt, andererseits aber eines christlichen Polemikers, vielleicht auch eines lokalpatriotischen Afrikaners, der sich vom römischen Nationaldichter distanziert.7 Nach GALLICET (1986) gebrauche Tertullian den Dichter zwar rhetorisch als ornatus und zur Argumentation, grundsätzlich aber sei Vergil für Tertullian ein Gegner, der "nicht mit Sympathie gesehen, wohl aber oft mit Ironie zitiert"8 werde, wie die Anspielungen auf die Vergilcentonen (praescr. 39,3) 1
2
3 4 5
So etwa VAN DER VLIET (1891) 10. BÜRNER (1902) beschränkt sich auf eine bloße Aufzählung von Parallelen (15—18). ELLSPERMANN (1949) erwähnt Vergil in seinem Kapitel Über Tertullian (23—42) gar nicht, er hebt lediglich Tertullians Ablehnung der Dichtung im allgemeinen hervor. KRAUSE (1958) geht zwar die Vergilzitate durch (153—174), erwähnt sie aber nicht in der Darstellung von Tertullians Gesamturteil über die pagane Literatur (91 — 109). KRAUSE beschränkt sich auf die grundsätzliche Bemerkung (108): "Die Dichtung, deren formale Seite er anerkennt, lehnt er wegen des Inhalts in Epik und Dramatik völlig ab." Auch KOURI (1982) und STEINER (1989) gehen, offenbar eng an KRAUSE angelehnt (BRAUN Pottes scheinen beide nicht zu kennen), eine Auswahl paganer Zitate im Werk des Tertullian durch (KOURI 83—100; STEINER 101—127), beurteilen aber sein Verhältnis zu paganer Literatur und Dichtung — Vergil wird nicht mehr ausdrücklich erwähnt — etwas differenzierter (KOURJ 100s?.; STEINER 128—130). Allerdings steht auch in der neueren Literatur Tertullians Verhältnis zu Vergil im Rahmen der Frage nach seiner Einstellung zur paganen Kultur insgesamt nur ganz am Rand, so etwa bei FREDOUILLE (Conversion 7&$q. — im Abschnitt über die Auseinandersetzung mit dem Heidentum, 235—254, kommt Vergil gar nicht vor), HAGENDAHL (Von Tertullian \8sq.) und BARNES (vor allem im Kapitel A Pagan Education\ 187—210). Neben BORNER (1902, 15—18, dort auch ältere Literatur) und COURCELLE (1984, Lecteurs, jedoch fehlt das Lemma 'Tertullien' im * Index des nonis1 759, Tertullian wird erwähnt auf den Seiten 24, 31, 75, 179, 240, 257, 310, 318, 391, 431, 433, 446, 482, 568, 573, 581, 608, 684, 692) sowie den Kommentaren (ausgewiesen zu den jeweiligen Werken) geben auch C. BECKER (Tertullians Apologeticum. Werden und Leistung, München 1954, 294s
6
apol. 25,16; adv. Marc. 1,5,1; nat. 2,9,12—18
7
PoHes 24.
8
Vergü 197.
40
IM
Tertullian
und das Sauprodigium (adv. Marc. 1,5,1) als Pointen in der antihäretischen Polemik zeigten. HECK (1990) attestiert Tertullian, er behandle Vergil "mit einer Geringschätzung, die unter den als Vergillesern fassbaren römischen Autoren selten ist".1 Denn erstens werde der Dichter zwar etwa fiinfzehnmal zitiert, aber nur zweimal beim Namen genannt, einmal in antihäretischem Zusammenhang (praescr. 39,3) als "Steinbruch für Centonendichter" und einmal in apologetischem Zusammenhang (nat. 2,13,20) als "Lieferant eines falschen Gottesprädikates für einen Gott, der nie einer hätte werden dürfen" (106). Zweitens leite Tertullian das einzige wörtliche Zitat, das den Heiden entgegengehalten werde (apol. 7,8), "eher abwertend — 'bei euch gibt es so ein Dichterwort' " ein mit den Worten vestrum est (107). Schließlich könne man "sogar bei Tertullian antivergilische Töne vernehmen" (/.c), wenn imperium sine fine dedi (Aen. 1,279) in einem herabsetzenden Kontext (apol. 15,16) zitiert werde, wenn Tertullian gegen die Gestalt des Aeneas polemisiere (nat. 2,9,12—15) und wenn Dido entgegen der vergilischen Fassung Aeneas nie treffe, sondern als Beispiel der Sittsamkeit und der über den Tod hinausreichenden Gattentreue sterbe, wenn also bei Tertullian, vielleicht unter dem Einfluß afrikanischer Tradition, eine "Dido pudica et Punictf (109) auftrete. Tertullian ignoriere also Vergils infelix Dido, tue den pius Aeneas verächtlich ab und würdige den Dichter nur als "Verfasser von uestra, von Dichterworten heidnischer Römer" (I.e.). TIBILETTI (1990) kommt nach einer Vorstellung der wichtigsten Vergilzitate zu dem Schluß, daß Tertullian zwar eine gründliche Kenntnis des Klassikers erkennen lasse, daß aber angesichts des Umfangs des Gesamtwerkes Vergilzitate nicht allzu häufig vorkämen, und wenn, dann in rhetorischpolemischem oder moralischem Kontext, ohne Zugang zu deren poetischem Gehalt.2 Daneben konstatiert TIBILETTI einerseits einen afrikanischen Lokalpatriotismus in der Vorliebe für Stellen über die Größe Karthagos und andererseits eine antirömische Tendenz, vor allem in der Polemik gegen die Figur des Aeneas (nat. 2,9,12—18). Eine ganz neue Perspektive eröffnet UGLIONE (1999):3 Er benennt elf in der bisherigen Forschung nicht berücksichtigte Stellen, an denen er einen "dialogo intertestuale tra Virgilio e Tertulliano"4 zu entdecken glaubt, ein subtiles Spiel mit der Spannung zwischen Prätext und Folgetext, das man bisher gar nicht beziehungsweise nicht in hinreichender Tiefe gewürdigt habe.5 Lediglich mit der vertieften Interpretation einzelner Zitate beschäftigen
Vestrum est 105. TIBILETTI Tertulliano 141.
R. UGLIONE, Virgilio in Tertulliano: Intertestualita e riscrittura, BStudLat 29 (1999) 504—522. Virgilio 505 Zur Bewertung aber oben 38 Anm. 3 und v.a. unten 98 Anm. 3.
11.1.2
Die Vergilzitate
41
sich schließlich die im gleichen Jahr (1964) erschienenen Beiträge1 von RAPISARDA und QUACQUARELLI.
Von besonderem Interesse ist also die Frage, welche Bewertung Vergils dessen Verwendung in polemischen Kontexten impliziert. Daneben verdienen die Figuren der Dido und des Aeneas vor dem Hintergrund einer afrikanischen Sichtweise und einer antirömischen Tendenz Beachtung. Schließlich ist darauf zu achten, ob TertuUian an manchen Stellen auch eine subtile intertextuelle Auseinandersetzung mit dem vergilischen Prätext zeigt.
1.2 1.2.1 ad
Die Vergilzitate Apologetische Schriften nationes
Eine apologetische Zielsetzung verfolgt TertuUian in den beiden Büchern ad nationes, entstanden im FVühsommer 197.2 Im ersten Buch setzt er sich mit den gegen die Christen erhobenen Vorwürfen auseinander und begegnet diesen mit einer retorsio, das zweite Buch ist der Kritik an den paganen Gottesvorstellungen gewidmet, wobei sich TertuUian in der Gliederung an Varros Konzeption der theologia tripartita orientiert. Das Werk ist nur in einem einzigen, an vielen Stellen unleserlichen Codex überliefert und weist deutliche Merkmale der Unfertigkeit auf. Wahrscheinlich war es in der vorliegenden Form nicht zur Veröffentlichung bestimmt, vielmehr dürfte aus einer gründlichen Überarbeitung das Apologeticum entstanden sein.3 nat. 1,7,1.2 (1) 'Unde ergo\ inquitis, tantum de vobis Famae licuit, cuius testimonium suffecerit forsitan conditoribvs legum?' Quis, ovo, Sponsor aut Ulis tunc aut exinde vobis de fide Famae? (2) Nonne haec est Fama malum, quo non aliud velocius ullum? Cur malum, si vera semper sit? Non mendacio plurimum? /.../ (3) /.../ Tarndiu enim vivit non probat quicquam, siquidem approbata cadit et quasi officio nuntiandi functa decedit /.../. /.../ (5) Fama quantacumque ambitione diffusa est, ab uno aliquando ore exorta sit necesse est; exinde in traduces quodammodo linguarum et auriurn serpit et modicum originum Vitium rumoris obscurat, ut nemo recogitet, ne primum illud os mendacia seminaverit, quod saepe fit (a)ut aemulationis ingenio aut suspicionis arbitrio aut etiam 1
2 3
E. RAPISARDA. L'angelo della morte in Virgilio e in Tertulliano, in: Societas Academica Dacoromana, Acta Philologica III, Romae 1964, 309—312 (zu an im. 53,6); A. QUACQUARELLI, Una difesa retorica in Tertulliano. L'auxesis di Virgilio Aen. 4,174 a favore dei Cristiani, in: Oikumene. Studi paleocristiani pubblicati in onore del Concilio Ecumenico Vaticano II, Catania 1964, 159—164. Zur Datierung und insgesamt zur Forschungslage H. TRÄNKLE HLL 4 (1997) 44Zsq. So BECKER Tertullians Apologeticum, passim, v.a. 175; \95sqq.
42
II. 1
Tertullian
nova mentiendi voluptate. (6) Sed bene quod omnia tempus revelat, testibus sententiis et proverbi(i)s vestris ipsaque natura, quae ita ordinata est, ut nihü lateat, etiam quod Fama non prodidit. In den ersten sechs Kapiteln greift Tertullian das widersprüchliche Vorgehen der Justizbehörden gegen die Christen an: Die Verfolgung des nomen Christianum entspringe reiner Unkenntnis und sei daher auch durch ein entsprechendes Gesetz nicht gerechtfertigt. Am Anfang des Kapitel 7 steht der Einwand eines fictus interlocutor. Die Fama habe dem Gesetzgeber einen Anhalt für seine Maßnahmen gegen die Christen gegeben (nat. 1,7,1). Daraufhin kritisiert Tertullian, ehe er auf die Unglaubwürdigkeit der Christengreuel eingeht (nat. 1,7,22—34), ausführlich die Unzulänglichkeit dieser Entscheidungsgrundlage (nat. 1,7,2—21), indem er zunächst allgemein auf das Wesen der Fama und ihre geringe fides (nat. 1,7,2—7) eingeht, dann die besondere Situation der Christen (nat. 1,7,8—21) erläutert.1 (1) Schon das einleitende tantum de vobis Famae licuit scheint sich an Vergil anzulehnen, und zwar an die Worte, die Aeneas in der Unterwelt bestürzt an Deiphobus richtet, Aen. 6,502 (502—504): cui tantum de te licuit? mihi fama suprema nocte tulit fessum vasta te caede Pelasgum procubuisse super confusae stragis acervum. Der Ausdruck tantum licet alicui (rei) de aliquo findet sich noch einmal bei Seneca und ein weiteres Mal (mart, 4,9, dazu unten 73) bei Tertullian selbst aufgenommen.2 Das Stichwort fama im selben Vers könnte diese sekundäre Reminiszenz angeregt haben. (2) Denn Ausgangspunkt der Vergilbenutzung an dieser Stelle ist sicherlich die bekannte Darstellung der Fama, die die Kunde von der Liaison zwischen Aeneas und Dido verbreitet, Aen. 4,173—195: 173
177 181 183 1 2
Extemplo Libyae magnas it Fama per urbes, Fama, mcUum qua non aliud velocius ullum: mobilitate viget virisque adquirit eundo, parva metu primo, mox sese attollit in auras ingrediturque solo et caput inter nubila condit. monstrum horvendum, ingens, cui quot sunt corpore plumae, tot vigiles oculi subter (mirabüe dictu), tot linguae, totidem ora sonant, tot subrigit auris.
Zur Rolle der fama in Tertullians apologetischer Argumentation J. LOOTZ, Tertullian als Apologet, I 1927, 89—91. CJ. ThLL VII,2 s.v. liceo 1362,29—32. Entsprechend dieser Parallele ist für Tertullian wohl auch nicht, wie SCHNEIDER (ad L 167) vorschlägt, nach dem Vorbild von adv. Hermog. 36,5 de motu et alibi licebit ein verbum dicendi zu ergänzen, sondern der Ausdruck absolut zu fassen, etwa im Sinne von 'jemandem so Übel mitspielen', wohin letztlich auch SCHNEIDERS Übersetzung (**la Renommee s'est permis (sie) tant de libertes ä votre £gard") zu tendieren scheint.
IL 1.2
Die Vergilzitate
188 195
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tarn ficti pravique tenax quam nuntia veri. haec passim dea foeda virum diffundit in ora.
Wie QUACQUARELLI in seiner Interpretation des Zitates zeigt, wählt Tertullian einen sentenzenhaften Vers zu dem in Rhetorik und Dichtung häufig behandelten Topos des Gerüchtes.1 Er leitet das Zitat durch den syntaktisch angebundenen Zusatz norme haec /.../fein und gestaltet es zur rhetorischen Frage um. Tertullians folgende Ausführungen über die Fama sind zum einen, wie QUACQUARELLI herausarbeitet, als eine ganz in der Art der Schulrhetorik entfaltete amplificatio des Verses über die Fama als malum zu sehen, die die gesamte Topik zum Stichwort Gerücht berücksichtigt,2 zum anderen steht dabei aber auch die weitere Beschreibung der Fama bei Vergil im Hintergrund:3 So übernimmt Tertullian nicht nur die seit Homer (II. 2,93) und Hesiod (op. 763sq.) in der Dichtung bekannte Personifikation der Fama4 und zahlreiche Stichwörter (etwa nuntiare, lingua, aures, os, diffundere), sondern vor allem Aussagen über Entstehung und Wesen der Fama: Um einen wahren Kern wachsen bösartige Lügen (Aen. 4,188 zu nat. 1,7,2), erlangen in der Weiterverbreitung eine gefährliche Eigendynamik und entfernen sich immer mehr vom Ausgangspunkt (Aen. 4,175—177.195 zu nat. 1,7,5). In zweierlei Hinsicht jedoch setzt sich Tertullian von seinem Vorbild ab: Während zum einen Vergil die Fama allegorisch darstellt als ein federbedecktes, mit Augen, Mündern und Ohren übersätes, gefiedertes, von der Terra geborenes Scheusal,5 begegnet Tertullian dem Phänomen des Gerüchtes rationalistisch und interessiert sich für seine anthropologischen Dimensionen, wie die Überlegungen zum Sprachgebrauch (nat. 1,7,3), zur psychologischen Disposition des für 1
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QUACQUARELLI Difesa 162—165; als sententia superlativa eingestuft bei Prosc. rhet. 3 p. 55359. Bei Tertullian handelt es sich um das erste belegte wörtliche Zitat, die Abweichung zwischen qua im Vergiltext und quo bei Tertullian spielt dabei keine Rolle, schon die antike Philologie schwankt zwischen den Varianten (c/. Serv. ad /.). QUACQUARELLI Difesa 166—168. Den vergilischen Kontext sieht QUACQUARELLI eher zurücktreten, Difesa 162: "L'ardente apologeta cartaginese fa cadere l'accento su malum, che di per se e giä una definizione della fama. Presuppone che il lettore conosca tutta la descrizione virgiliana fermandosi a considerare la fama come un male, di cui nulla si diffonde piü celermente." Was KRAUSE (153) und. in Abhängigkeit von diesem, KoURi (85) und STEINER (101) auf den Gedanken bringt, Tertullian habe Vergils personifizierte Fama durch die abstrakte fama ersetzt, bleibt rätselhaft (bei BECKER Tertullians Apologeticum 80, der als Beleg zitiert wird, findet sich dergleichen nicht). Abgesehen davon, daß die Entscheidung zwischen fama und Fama beim modernen Herausgeber liegt und deswegen nicht zur Interpretation herangezogen werden dürfte, haben sowohl OEHLER als auch BORLEFFS im CC-Text Fama. Außerdem zeigt der Gebrauch von Verben wie defert, intexat (nat. 1,7,2), mentitur, vivit, probat, cadit, decedit (nat. 1,7,3), daß, in der Beschreibung wie auch in der Wiedergabe des Verses Aen. 4,174, sicher an eine personifizierte Fama zu denken ist. Allerdings bietet F. OEHLER in seiner Gesamtausgabe (Q. Septimi Florentis Tertulliani quae supersunt omnia 1. Leipzig 1853) für nat. 1,7,7 qualem prodigam unter Herbeiziehung von Aen. 4,181 monstrum horrendum, ingens, cui quot sunt corpore plumae die Konjektur quäle prodigtum.
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IM
Tertullian
Gerüchte Empfanglichen (nat. 1,7,4) und zu den emotionalen Impulsen der Verbreitung (nat. 1,7,5) zeigen. Zum anderen nimmt Tertullian keinen Bezug auf den vergilischen Kontext, die Liebesgeschichte von Dido und Aeneas. Das wäre seiner Argumentation auch wenig zuträglich, da bei Vergil der geschilderte Inhalt der fama, die Liaison zwischen dem Fremden aus Troja und der Königin (Aen. 4,191—194), in nuce sachlich zutriflft, während Tertullian im folgenden die Absurdität und Haltlosigkeit der über die Christen verbreiteten Greuelmärchen betont (nat. 1,7,22—34). Der von Tertullian gesuchte Anknüpfungspunkt liegt also weder in der poetischen Ausgestaltung der Stelle, der in der Dichtung eine bedeutende Nachwirkung zuteil wird,1 noch im Zusammenhang der Didohandlung, sondern in der allgemeingültigen Phänomenologie der Fama. Deren sentenzenhafte Kurzfassung im wörtlich zitierten Vers Aen. 4,174 und deren personifizierende Darstellung nutzt Tertullian hier für seine Argumentation aus. Daß es vor allem um die Lebensweisheit und deren sprichwörtliche Formulierung geht, zeigt auch die Gedankenführung in bezug auf die Grenzen der Macht der Fama, nat. 1,7,6: omnia tempus revelat, testibus sententiis et proverbiis vestris ipsaque natura.2 Insgesamt gesehen sucht Tertullian nicht die Autorität des Dichters,3 sondern eine allgemein einsichtige und anerkannte Lebensweisheit über die Fama: Die einleitende Reminiszenz (nat. 1,7,1) scheint ein durch das Stichwort fama angeregter spontaner Einfall zu sein, den Tertullian in der Überarbeitung (apol. 25,8) nicht wieder aufnimmt, der Vers über die Fama wird mit einem proverbiellen Charakter zitiert, aus der Schilderung der Fama interessiert das Allgemeingültige. Mit welchem rhetorischen und psychologischen Geschick freilich Tertullian gerade an diesem Punkt der Argumentation einen sentenziösen Vergilvers wählt, hat QüACQUARELLl gezeigt: Die auf dem Boden von Fremdheit und Unkenntnis gedeihenden Christengreuel gehen gerade in den halbgebildeten Schichten um und lassen sich daher mit rationaler Argumentation kaum widerlegen. Deshalb antwortet Tertullian auf entsprechendem Niveau mit den Mitteln der Schulrhetorik, die aus einer eingängigen Klassikersentenz von nicht anzuzweifelnder Gültigkeit eine kunstvoll gedrechselte Rede entspinnt.4 nat. 1,18,3 Dido: Siehe unten Sbsqq. nat. 2,9,12—19 Aeneas: Siehe unten 80sqq. nat. 2,13,14 (13) Furtivus infans (Iuppiter vester), indignus et tecto et ubere humano, merito quem Cre{tae nutrix) tarn mala manebat. (14) Adultus denique qualemcumque genitorem pellit, felicissimum regem, aurei scilicet saeculi, 1
Cf. COURCELLE Lecteurs 310 Anm. 205; Anne-Marie Tu PET, La survie d'un theme virgilien: la Fama, in: CHEVÄLLIER 497—505.
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CJ. OTTO 343 Nr. 1757. KRAUSE 153 und STEINER QUACQUARELLI Difesa \73sq.
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Anders
101.111.
II. 1.2
Die Vergilzitate
45
sub quo laboris inopiae ( )ae pax quiescebat, sub quo nullt subigebant arva coloni; (ipsaque omnia te)llus nullo poscente ferebat In den Kapiteln 12 bis 16 greift Tertullian nochmals das genus mythicum auf. Zunächst (Kapitel I2sq.) geht er auf die gebürtigen Götter ein, dann (Kapitel 14—16) auf die vergöttlichten Menschen. Nachdem er sich im Kapitel 12 vor allem mit Saturn auseinandergesetzt hat, wendet er sich im Kapitel 13 Jupiter zu, der herangewachsen seinen Vater Saturn verjagt und somit dem Goldenen Zeitalter ein Ende setzt. Dieses aureum saeculum charakterisiert Tertullian mit Versatzstücken aus Vergils berühmter, schon von Seneca und später häufig zitierter1 Schilderung im ersten Georgikabuch, 125—128: Ante Iovem nullt subigebant arva coloni: ne signare quidem aut partiri limite campum fas erat; in medium quaerebant, ipsaque telltLS omnia liberius nullo poscente ferebat In einem die Herrschaft des Saturn charakterisierenden Relativsatz (sub quo) gibt Tertullian zunächst den Vers 125 von der Trithemimeres an vollständig wieder. Dann folgt eine Lücke in der Überlieferung, an deren Ende das Zitat im Vers 128 mit dem Wort tellus und dem Schlußteil des Hexameters von der Penthemimeres an weiterfahrt. Die in der editio princeps* vorgeschlagene Konjektur mit ipsaque aus Vers 127, einem vorgezogenen omnia und der unzweifelhaften Vervollständigung von tellus, wird noch immer akzeptiert.3 Daraus ergibt sich zwar ein vollständiger Satz, aber ein metrisch auffälliges Gefüge aus zwei Hexameterschlüssen. Tertullian liegt also offenbar, die Richtigkeit der Konjektur vorausgesetzt, an der syntaktischen, nicht aber an der rhythmischen Adaptation des Zitatsegmentes. Aus der Beibehaltung der prosodischen Interferenz ergibt sich dementsprechend eine Markierung. Auf die bemerkenswerte inhaltliche Schwerpunktsetzung bei der Zusammenstellung des Zitatsegmentes weist mit Recht schon KRAUSE (155) hin: Tertullian gibt wieder, was den Zustand der Natur im Goldenen Zeitalter betrifft, die ohne Bearbeitung von sich aus Früchte bringt, und läßt die Aussagen über die sozialen Verhältnisse und die Eigentumsregelung fort. Das wird aber wohl kaum, wie KRAUSE annimmt, deswegen geschehen, weil jene Zustände in der Latifundienwirtschaft Nordafrikas gegenstandslos geworden seien. Vielmehr geht es Tertullian gerade nicht um die Beziehungen der Menschen untereinander, sondern um die ideale Beziehung des Menschen zur Natur, theologisch gesprochen um eine Schöpfungsordnung, die zunächst geprägt ist von einer Harmonie zwischen Natur und Mensch, dann aber durch das Eingreifen Jupiters zerstört wird. Darin liegt zunächst eine Polemik gegen den paganen Gott.4 Darüber hinaus aber steht der Mythos vom Ende des Goldenen Zeitalters hier in einer gewissen Analogie zur Vertreibung des Menschen aus 1 2 3 4
Sen. epist. 90,37 sq. Die Verse georg. 1,126s?. zitieren Lact. inst. 5,5,5; Macr. Sat. 1,8,3. Von 1. GOTHOFREDUS. Genf 1625. So etwa von BORLEFFS in seiner Ausgabe und HAIDENTHALLER in seinem Kommentar. So auch KOURI 92.
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II. 1
TertuUian
dem Paradies.1 Vielleicht steht also hinter der apologetischen Benutzung des locus classicus über das Goldene Zeitalter in der Polemik gegen Jupiter die religionsphänomenologische Parallele zwischen der aetas aurea und dem jüdisch-christlichen Paradies. nat. 2,13,20 (20) Si enim re( )pibus et pro seminatoribus suis morata plebs eadem q( ) natura, alibi auctoritas exigebat similitudinem morum. ( ) Quanto deterior, qui non melior? Privato enim titulo Iovem Opti(mum didjtis et est Vergüii 'aequus Iuppiter9. (21) Omnes proinde incesti in suosf impudici (in ex)traneos, impii, iniusti: cui nxdlam insignem infamiam fabula reliquit, (is) deus fieri non fuit dignus. Tertullian kommt, nachdem er das Verhalten gegenüber Saturn abgehandelt hat (nat. 2,13,11—14), auf den Inzest mit Juno (nat. 2,13,15), auf andere erotische Abenteuer (nat. 2,13,16) und auf die Verwandlungen zu sprechen, die der Mythos dem Göttervater zuschreibt (nat. 2,13,17^.). Für die folgenden beiden Paragraphen (nat. 2,13,19s?.), die das Kapitel beenden, läßt sich die Aussage nur erahnen, da der Text lückenhaft und das Erhaltene anscheinend verschrieben ist.2 Offenbar erscheint Jupiter ab Herrscher über eine Schar von göttlichen Wesen (daemones oder die weiteren Nachkommen des Saturn?), die er an Schändlichkeit noch übertreffe. Dazu werden die Gottesprädikationen Iuppiter Optimus Maximus und aequus Iuppiter in Kontrast gesetzt. Daraus folgert Tertullian, Jupiters schlechte Eigenschaften träfen auf alle Götter zu. Den Titel aequus verwendet Vergil, auf den Tertullian sich ausdrücklich bezieht, nur einmal, nämlich in den Worten der Sibylle über die Schwierigkeit, aus der Unterwelt zurückzukehren, Aen. 6,1295g. pauci, quos aequus amavit Iuppiter aut ardens evexit ad aethera virtus, dis geniti potuere. Die Polemik scheint man folgendermaßen erklären zu müssen: Jupiter ist erstens schändlich und zweitens das Oberhaupt einer Götterschar, er heißt Optimus Maximus und aequus, demnach sind alle Götter Übeltäter. Die Pointe liegt also im Spiel mit dem Bezug von Optimus Maximus auf die oben aufgeführten Untaten des Gottes und von aequus auf die gleichmäßige Verworfenheit aller Götter. Damit wird, unter Ausnutzung des semantischen Spektrums von aequus ("gleich9 und 'günstig'), aus dem aequus Iuppiter, also aus dem dichtersprachlichen gnädigen Gott,3 der die Wiederkehr aus dem 1
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So ist in der Genesis das Paradies dadurch gekennzeichnet, daß die Bäume von sich aus ihre Früchte spenden (Gen 2,9), mit der Vertreibung geht die Notwendigkeit des Ackerbaues einher (Gen 3,19). — Zum Zusammenfließen der Vorstellung vom Goldenen Zeitalter und vom jüdisch-christlichen Paradies bei Laktanz (inst. 5,6—8) und in der späteren christlichen Literatur BUCHHEIT Goldene Zeit, passim. Dazu ausführlich HAIDBNTHALLER ad L ISOsq. ThLL I s.v. aequus 1035,22—41 nennt bis auf Frotrto p. 166,22 N. nur poetische Belege.
II. 1.2
Die Vergiizitate
47
Totenreich gestattet, der Übeltäter, der genauso schlimm ist wie seine ganze Bande.1 Bemerkenswert ist, daß eine vergilische Gottesbezeichnung neben dem offiziellen Titel Iuppiter Optimus Maximus steht und Vergils Theologie ein ebenfalls offiziöser Wert beigemessen wird. Die Markierung des Zitates durch die ausdrückliche Nennung Vergils2 soll sicher stellen, daß der Leser diese Pointe, auf die der ganze Gedanke hinausläuft und für deren Perzeption die Herkunft der Gottesprädikation bekannt sein muß, in jedem Fall goutieren kann. nat. 2,17,6 Vellet (Inno urbem suam) poathabita Samo dilectam et utique Aeneadarum ignibus adoleri? (Quod sciam:) hie illius arma; hie currus fuit; hoe regnum dea gentibus esse, si qu(a fata) sinant, iam tunc tenditque fovetque. (7) Misera adversus fata n(on valuit)! Nee tarnen tantum honoris Romani fatis decreverunt, ut dedent(ibus Cartha)ginem sibit quantum Larentinae! Im letzten erhaltenen Kapitel des Werkes widerlegt Tertullian die Ansicht, Rom verdanke seine Größe den Göttern als Lohn für seine Frömmigkeit (nat. 2,17,lsg.).3 In einem ersten Gedanken führt Tertullian die Götter vor, die dafür in Frage kämen, nämlich die urrömischen Sterculus, Mutunus und Larentina (nat. 2,17,3), da ja Jupiter auf der Seite Kretas (nat. 2,17,5) und Juno auf der Seite Karthagos (nat. 2,17,6) stehen müßte. Das besondere Verhältnis der Juno zu Karthago gibt Tertullian in Anlehnung an Vergils Darstellung wieder, der damit zu Beginn des ersten Aeneisbuches die Feindschaft der Juno gegenüber den lYojanern begründet, 16—18: Urbs antiqua fuit (Tyrii tenuere coloni) Karthago, Italiam contra Tiberinaque longe ostia, dives opum studiisque asperrima belli, quam luno fertur terris magis omnibus unam poathabita coluisse Samo. hie illius arma, hie currus fuit; hoe regnum dea gentibus esse, si qua fata sinant, iam tum tenditque fovetque. 1
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Den Rückgriff auf die semantische Ambivalenz von aequus bemerkt schon BRAUN {Pontes 24), der darin eine bewußt vom Autor versuchte, aber ins Apologeticum nicht mehr übernommene Kühneit in der Prätextrezeption sieht. Ausdrücklich dagegen HECK Vestrum est 106 Anm. 23: 'Tertullian stellt den Optimus-Titel und die vergilische Wendung einfach als den Lesern geläufige Iuppiter-Prädikate zusammen; der Kontext des — wahrscheinlich 'geflügelten' [c/. COURCELLE Lecteurs 431 Anm. 45: Plin. epist. 1,2,2; Tert. nat. 2,13,20; Sidon. epist. 4,3,10, S.F.] — Vergilwortes in der Aeneis interessiert ihn dabei nicht, ist ihm vielleicht ad hoc gar nicht präsent." — Doch spricht ja gerade die Bekanntheit der Junktur eher für ein bewußtes Spiel mit der Doppelbedeutung von aequus. Cf. unten 7Ssqq. Zur Ergänzung der lückenhaft überlieferten Eingangsparagraphen HAIDENTHALLER ad l. 194—197.
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IM TertulUan
Aus dem ersten Satz der vergilischen Schilderung übernimmt TertulUan das für ihn Entscheidende, nämlich die besondere Vorliebe der Juno für Karthago, aufgrund derer sie diese Stadt sogar der Insel Samos, dem Ort ihrer Geburt und ihrer Hochzeit mit Jupiter, voransteUe. Die signifikante Formel posthabita Samo gibt TertuUian wörtlich wieder, colere ändert er zu diligere, ansonsten kommt es ihm nicht auf die Geschichte der Stadt an — auch der Name Karthago folgt erst nach dem Zitat, es steht also außer Zweifel, von welchem Ort die Rede ist —, sondern auf deren Zerstörung durch die Römer. Bei Vergil wird die Tatsache, daß Juno weiß, daß die Trojaner einstmals Karthago in Trümmer legen sollen, in den folgenden Versen erwähnt1 als Begründung für ihren Haß gegen Aeneas. TertulUan hingegen blickt auf die Eroberung Karthagos zurück und stellt dieses historische Faktum kontrastierend neben Junos VorUebe für die Stadt. Den zweiten Satz übernimmt TertulUan dann, vieUeicht eingeleitet durch die von den Herausgebern aus der entsprechenden Stelle im Apologeticum (25,8) ergänzte Formel quod sciam, als wörtUches Zitat. Darin geht es um den Hintergrund für die Wertschätzung der Stadt: Da sich dort besonderes Kultgerät, vor allem der Wagen der Juno, befindet,2 liegt der Göttin die Förderung der karthagischen Frömmigkeit besonders am Herzen. Damit greift sich TertulUan also den für seine Argumentation am besten passenden Aspekt aus der vergilischen Begründung für Junos Feindschaft gegen die Trojaner heraus: Obwohl Karthago in besonderer Frömmigkeit Juno verehrt und obwohl sich Juno entschieden für ihren Kultort einsetzt, gelingt es den Römern, die Stadt zu erobern und zu zerstören. Hierfreilichbeschränkt sich TertulUan auf die Schlußfolgerung, daß Juno es kaum gewesen sein könne, die die Römer unterstützt habe. Aus dem vergilischen si qua fata sinant gewinnt er dann im folgenden Paragraphen (nat. 2,17,7) noch eine polemische Spitze gegen die Machtlosigkeit der misera gegenüber dem fatum. Vergil wird also zur Illustration und als locus classicus für das Verhältnis der Juno zu Karthago zitiert. Der Sache nach ist das für den Argumentationsfortgang Entscheidende schon in der einleitenden rhetorischen FVage gesagt: Juno kann es nicht sein, die Rom zur Zerstörung von Karthago verhilft. Das Zitat dient aber nicht nur als Beleg für die Vorliebe der Göttin für Karthago, sondern ergibt zwei apologetische Argumente, nämUch die Sinnlosigkeit von Kult und Frömmigkeit gegenüber heidnischen Göttern und deren Machtlosigkeit gegenüber dem fatum. Apologeticum Gegen Ende des Jahres 197 richtet TertuUian das Apologeticum formell als schriftliche Verteidigung des Christentums an die Provinzstatthalter und die 1 2
Cf. Aen. 1,19—22. Ausführlich beschreibt den Wagen der Hera/Juno schon Hom. II. 5,720—732; zu dessen kultischer Bedeutung BÖMER ad Ov. fast. 6,45 (341).
II. 1.2
Die Vergilzitate
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übrigen mit der Rechtsprechung betrauten Magistrate.1 Dementsprechend folgt der Aufbau des Werkes den Gesetzen der forensischen Rede: Tertullian führt Klage über den ungerechten Umgang mit den Christen, dann widerlegt er die gegen sie erhobenen Vorwürfe. Am Ende steht die retorsio und eine Abgrenzung des Christentums von philosophischen Lehren. apol. 7,8 Natura famae omnibus nota est Vestrum est: Fama2 malum, qua3 non aliud velocius tdlum. Cur malum fama? quia velox, quia index, an quia plurimum mendax? Quae ne tunc quidem, cum aliquid veri defert, sine mendacii vitio est, detrahens, adicienSy demutans de veritate. Seine Widerlegung der Vorwürfe de sacramento infanticidii et pabulo inde et post convivium incesto (apol. 7,1) beginnt Tertullian mit dem Einwand, daß es sich dabei um ungeprüftes Gerede handle (apol. 7,2), für das seit Aufkommen des Christentums niemals die Spur eines Beweises habe erbracht werden können (apol. 7,3—5). Ferner sei nach dem Ursprung dieser Greuelmärchen zu fragen: Uneingeweihte kennten sie nicht, Teilnehmer trügen sie nicht an die Öffentlichkeit (apol. 7,6sg.). Alles sei nur fama (apol. 7,8—14). Im folgenden Kapitel (apol. 8) argumentiert Tertullian dann, daß kein Mensch es über sich bringe, solche Greueltaten zu begehen. Die Ausführungen über die natura famae leitet Tertullian, wie schon im Entwurf (nat. 1,7,2), mit dem sentenziösen Vers (Aen. 4,174) aus Vergils Dido-Buch ein, dann lehnt er sich wiederum an die Beschreibung der Fama (Aen. 4,173—197) an. Bemerkenswert sind folgende Veränderungen gegenüber der früheren Fassung (nat. 1,7,1—7):4 Kein fictus interlocutor leitet mehr mit einer Vergilreminiszenz den exkursartigen Abschnitt über die fama ein, sondern das knappe natura famae omnibus nota est, das in der Art einer Überschrift das Wesentliche zusammenfaßt. Das Zitat, diesmal syntaktisch 1
2
Zur Datierung und insgesamt zur Forschungslage H. TRÄNKLE HLL 4 (1997) 444—449; zum Aufbau G. ECKERT, Orator Christianus. Untersuchungen zur Argumentationskunst in Tertullians Apolögeticum, Stuttgart 1993. DEKKERS fügt an dieser Stelle in seinem CC-Text von 1954 ein est ein, ohne im Apparat eine Erklärung zu bieten. Weder die anderen herangezogenen Ausgaben (MlGNE PL I 361 n. 52, OEHLER, RAUSCHEN, COLOMBO, MARTIN, HOPPE, BECKER, FRASSINETTI, VVALTZING, auch nicht im Kommentar [ad i 63]; an älteren etwa CAILLAU / GUILLON, Mailand 1831; OBERTHÜR, Würzburg 1780) noch, soweit ich sehe, die textkrtitische
3 4
Literatur (H. SCHRÖRS, Zur Textgeschichte und Erklärung von Tertullians Apologetikum, Leipzig 1914; E. LÖFSTEDT, Kritische Bemerkungen zu Tertullians Apologeticum, Lund 1918, ad L 26; G. RAUSCHEN, Emendationes et adnotationes ad Tertulliani apologeticum, Bonn 1919 [Florilegium Patristicum 12], ad l. 12; G. THÖRNELL, Studia Tertullianea, Upsala I 1918 — IV 1926) wissen von dieser Lesart. Die Rezensenten der CC-Ausgabe M.RJ. VAN DEN HOUT, Museum 60 (1955) 224—226, S.L. GREENSLADE, JThS NS 7 (1956) 125—129, C. BECKER, ThRev 54 (1957) 172—174, und J.G. PREAUX, RB 36 (1958) 951—953, nehmen dazu nicht Stellung. Es scheint lediglich ein Versehen des Herausgebers vorzuliegen. Tert. nat. 1,7,2 quo, vgl. aber oben 43 Anm. 1. Siehe oben (41) zu nat. 1,7,1 sq.
50
II. 1 Tertullian
abgesetzt, wird eingeleitet durch vestrum est Darin markiert Tertullian zwar den Grenzverlauf zwischen seiner Seite, der christlichen, und der Seite seiner Adressaten, der paganen, auf die Vergil als 'einer der Euren91 gehört. Aber nicht die Distanzierung von Vergil als paganem Dichter ist der Zweck dieser Worte, sondern die ausdrückliche Anknüpfung an eine der Gegenseite bekannte Einsicht über die natura famae in einer Form, die eine besondere Gültigkeit und Wertschätzung bei den Angesprochenen für sich beanspruchen kann. In ähnlichem Sinne heißt es dann auch unten (apol. 7,13): bene autem quod omnia tempus rtvelat, testibus etiam vestris proverbiis atque sententiis, womit Tertullian ebenfalls auf eine pagane Spruchweisheit anspielt, die auf die Dichtung zurückgeht.2 Natürlich muß also angesichts der für das Werk charakteristischen Konfrontation von Paganem und Christlichem Vergil auf der Gegenseite stehen. Wenn Tertullian diese Tatsache aber durch vestrum est betont, dann tut er das nicht, um sich bewußt vom Dichter abzusetzen, sondern um seine Argumentation (im Sinne eines 'ihr sagt doch selbst9) in der Vorstellungswelt seiner paganen Adressaten zu verankern.3 Es ist also, genau wie in derfrüherenFassung, das Sentenziöse und Allgemeingültige des Verses, worauf es Tertullian ankommt; die auctoritas des Dichters spielt vielleicht bei der konzeptionellen Entscheidung für das Zitat eine Rolle, kommt aber im Text nicht zum Tragen. Die auf das Zitat folgenden Überlegungen zur natura famae lehnen sich bis auf kleinere Umformulierungen an die frühere Fassung an.4 Tertullian bleibt also bei der in lockerer Nachahmung Vergils erarbeiteten Phänomenologie der Fama. So WALTZING ad i 63. C/. WALTZING ad L 63; OTTO 343 Nr. 1756. Während BRAUN (Pottes 23) mit Recht nur
hervorhebt, daß Tertullian "insiste sur l'origine profane'', sieht HECK (Vestrum est 107) darin einen Beleg der Geringschätzung Vergils: u[D]as blosse uestrum est an unserer Stelle statt der Nennung eines Kronzeugen mit autoritativer Geltung, der Vergil spätestens seit Seneca und Quintilian war, [wirkt] eher abwertend — 'bei euch gibt es so ein Dichterwort'. Tertullian denkt jedenfalls nicht daran, sich auf Vergil als eine hochgeachtete Autorität zu berufen, wie das spätere Christen tun werden, sondern setzt Worte heidnischer Römer als uestra ebenso von Christlichem ab, wie er andernorts [sc. nat. 1,18,2—5; castit. 13,3, S.F.] den Exempla standhafter Römer, die er uestri nennt, standhafte Christen als nostri gegenüberstellt." — Bei diesen Beobachtungen ist freilich zu bedenken, daß Tertullian an dieser Stelle eine Bewertung Vergils gar nicht beabsichtigt. In den Worten vestrum est wird zwar, wie HECK zu Recht betont, der Graben deutlich, der zwischen Heidentum und Christentum verläuft, auch die Tatsache, daß es Tertullian hier offenbar nicht darum geht, diesen Graben zu überbrücken und sich ausdrücklich auf eine pagane Autorität zu berufen. Andererseits aber ist dem Apologeten hier auch nicht an einer bewußten und intentionalen Distanzierung von Vergil, d.h. an einer Abwertung des paganen Dichters, gelegen. Dazu bleibt Vergil viel zu sehr im Hintergrund, Tertullian sucht in erster Linie, wie QUACQUARELLI (Difesa, passim) richtig gesehen hat, die bei seinen Adressaten anerkannte Sentenz. Lediglich der Schlußsatz ist signifikant geändert (nat. 1,7,7 und apol. 7,14). Er beendet die exkursartigen Ausführungen über das Wesen des Gerüchtes und führt wieder zurück zur Argumentation, daß es keinerlei Beweise für die Greuelmärchen über die Christen gebe.
II. 1.2
Die Vergilzitate
51
apol. 12,6 Sed plane non sentiunt has iniurias et contumelias fabricationis suae dei vestri sicut nee obsequia. O impiae voces, o sacrüega convicia! Infrendite, inspumate! Iidem estis, qui Senecam aliquem pluribus et amarioribus de vestra superstitione perorantem probetis. Die Weigerung der Christen, am Götterkult teilzunehmen, erklärt Tertullian im Kapitel 12 damit, daß es sich bei den Götterbildern nur um tote Materie handle. Dem Unmut seines Publikums vor ausgreifend, verweist er dieses auf Senecas entsprechende Ausführungen.1 Das für den Zorn der Leser gebrauchte Verb infrendere erscheint in der Dichtung seit Vergil (dentibus infrendens Aen. 3,664 Polyphem; 8,230 Herkules; 10,718 Eber), vor allem bei den Flavischen Epikern, in der Prosa vereinzelt nach Tertullian.2 Tertullian verwendet das Wort nochmals in der Schrift de Corona, für die ungehaltene Reaktion der Kameraden, als ein christlicher Soldat die Bekränzung verweigert (coron. 1,2 Denique singuli designare et ludere eminus, infrendere comminus). Tertullian greift also zur Ausgestaltung des heidnischen Zornes, der den Christen entgegenschlägt, auf das Register der vergilisch geprägten Dichtersprache zurück. apol. 14,2 filium suum Aeneam: Siehe unten SOsqq., v.a. 81. apol. 24,7 Atque adeo et Aegyptiis permissa est tarn vanae superstitionis potestas avibus et bestiis consecrandis et capite damnandis, qui aliquem huiusmodi deum oeeiderint. Im Rahmen der retorsio des crimen laesae religionis, der die Kapitel 24 bis 26 gewidmet sind, begründet Tertullian seine Forderung nach der libertär religionis (apol. 24,6) mit dem Hinweis auf die verschiedenen Völker, denen jeweils ihre eigene Form der Religionsausübung zugestanden werde, auch wenn es sich, wie bei den Ägyptern, um eine vana superstitio handle. Dieser Ausdruck ist im achten Aeneisbuch erstmals belegt. Dort erklärt Euander dem Aeneas das gerade zu Ehren des Herkules abgehaltene Opferfest, Aen. 8,187 (185—189): /.../ Non haec sollemnia nobis, has ex more dapes, hanc tanti numinis aram vana superstitio veterumque ignara deorum imposuit: /.../ Aus der Junktur wird bald eine feste Wendung für eine Haltung verurteilenswerten Aberglaubens, der die Ordnung stört: Columella (1,8,6; 11,1,3) bezeichnet damit abergläubische Umtriebe, die in einer gut geführten villa rustica zu unterbinden sind, Seneca (nat. 7,1,2) die grundlose Unruhe, von der die unkundige Masse bei einer Mondfinsternis erfaßt wird, Tacitus (hist. 4,54) die bereitwillige Aufnahme eines vermeintlichen Himmelszeichens, das 1 2
Gemeint ist wohl Senecas verlorene Schrift de superstitione, cf. WALTZING ad L 97. ThLL VII, 1 s.v. infrendo 1488,26-^3; cf. NEUE / WAGENER III 282.
52
IM Tertullian
in der Deutung der Druiden in Gallien Unruhe verbreitet.1 Auch die Christen greifen den Ausdruck sogleich auf: Tertullian (pall. 4,10) verwendet ihn nicht nur für die Religion der Ägypter, sondern auch für alle Formen des Aberglaubens, denen sich die sapientia versagt. Minucius Felix läßt in seinem Dialog Octavius den heidnischen Unterredner Caecilius diesem Sprachgebrauch folgen und ihn mit vana supersiitio den christlichen Glauben als Grundlage des verdächtigen Zusammenhalts der Christen untereinander bezeichnen.2 Cyprian stellt die vana superstitio als Oberbegriff für das Heidentum der vera religio, dem Christentum, gegenüber.3 Auch Novatian, Firmicus Maternus und zahlreiche weitere Autoren der christlichen Latinität4 übernehmen den Ausdruck und verwenden ihn ganz aus christlicher Perspektive für Heidnisches, Häretisches und Jüdisches. apol. 25,8 Vellet et luno Punicam urbem, posthabita Samo dilectam, ab Aeneadarum utique gente deleri? Quod sciam: hie illius arma; hie eurrus fuit; hoe regnum dea gentibus esse, si qua fata sinant, iam tune tenditque fovetque. Misera illa coniunx Iovis et soror adversus Fata non valuit! Plane Foto stat Iuppiter ipse. (9) Nee tantum tarnen honoris Fatis Romani dieaverunt dedentibus sibi Carthaginem adversus destinatum votumque Iunonis, quantum prostratissimae lupae Larentinae.5 Gegenstand der apologetischen Kritik im Kapitel 25 ist illa praesumptio du centium Romanos pro merito religiositatis diligenttssimae in tantum sublimitatis elatos, ut orbem oecuparint (apol. 25,2), die von paganer Seite auch als Gottesbeweis angeführt werde. Zunächst wirft Tertullian voller Ironie die Frage auf, welche Götter denn dafür in Anspruch zu nehmen wären: Es müsse sich um die ursprünglich römischen Gottheiten Sterculus, Mutunus und Larentina handeln (apol. 25,3). Nach einer spöttischen praeteritio der Kybele (apol. 25,4—6) schließt Tertullian Jupiter, der kaum Cretam suam Romanis faseibus coneuti sineret (apol. 25,7), und Juno aufgrund ihrer Vorliebe für Roms Erzfeind Karthago (apol. 25,85?.) als Förderer des Imperium Romanum aus, um in beißendem Sarkasmus wieder auf die lupa Larentina zurückzukommen. Wie schon in derfrüherenFassung (nat. 2,17,6), so lehnt sich Tertullian auch hier an Vergil an: Karthago sei eine Stadt (Aen. 1,15—17), 1 2 3 4
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Außerdem etwa Sil. 5.126; Seren. 50,931. Min. Fei. 9,2, siehe unten 126; c/. 1,5 superstitiosis vanttatibus. Cypr. Demetr. 5, siehe unten 232. Novatian. spect. 2,1 (siehe unten 201); Firm. err. 17,4; auch spater sehr häufig als feste Wendung, etwa Faustin. trin. 5,5; Ambr. Abr. 1,4,22; in psalnx 1,22,3; in Luc. 7,106; Aug. civ. 18,24; Hier. Is. 4,11,15. Lact. inst. 4,28,15 hingegen zitiert den Vergilvers wörtlich. Zur im Text fehlenden und im Register irreführenden ((poeta ignotus1) Zuweisung des Zitates im Corpus Christianorum wenig ertragreich G. MAIOL1, Ramenta patristica 20—30, Ephemerides Carmeliticae 30 (1979) 470—487, hier 485sq.
II. 1.2
Die Vergilzitate
53
quam Inno fertur tertis magis omnibus unam posthabita coluisse Samo. hie illius arma, hie currua fuit, hoe regnum dea gentibus esse, si qua fata sinant, tarn tunc tenditque fovetque. Wiederum steht der Aspekt des Kultes, also die Höherschätzung des Kultortes durch die Göttin, im Mittelpunkt des Zitates. Eingeleitet wird das Zitat mit den Worten quod sciam. Dabei bleibt zu fragen, ob damit der Wortlaut der Vergilverse ('soviel ich weiß, heißt es: [...]') oder deren Inhalt ('soviel ich weiß, war dort [...]') gemeint ist.1 Jedenfalls will Tertullian damit keinen wirklichen Zweifel an seiner Wiedergabe oder an der sachlichen Richtigkeit der Vergilworte ausdrücken, vielmehr ist darin einfloskelhaft-urbanesUnderstatement zu sehen.2 Neu gegenüber der Fassung der Stelle im Werk ad nationes ist die Reminiszenz coniunx Iovis et soror, die zurückgeht auf Aen. 1,4659. (46—48): ast egOy quae divum incedo regina Iovisque et soror et coniunx, una cum gente tot annos bella gero. Anders aber als etwa später Arnobius zitiert Tertullian diese auf Homer zurückgehende Formel nicht, um daran den Vorwurf des Inzestes zu knüpfen,3 wenngleich das Anrüchige mitschwingen dürfte, sondern um den Kontrast zwischen Junos Machtstellung und ihrer Machtlosigkeit beim Einsatz für Karthago herauszustellen. Das entspricht genau dem vergilischen Kontext der Worte, der sich an das obige wörtliche Zitat anschließt und beim Leser zweifellos evoziert wird: Juno klagt über den Verlust an Ansehen und kultischer Verehrung, der ihr drohe, wenn sie die Landnahme der TYojaner in Italien nicht verhindern könne. Tertullian führt also seine mit dem wörtlichen Zitat begonnene Anlehnung an die Exposition der Aeneis und insbesondere den Auftritt der Juno konsequent und der gedanklichen Entwicklung des Epos entsprechend weiter. Dabei betrachtet er den Fortgang der Ereignisse freilich nicht aus dem Blickwinkel der gemäß dem fatum siegreichen Troja^ ner, sondern aus dem der unterlegenen Karthager und ihrer Schutzgöttin Juno. Diesen bereits im Werk ad nationes praktizierten Perspektivenwandel bei der Aeneisrezeption baut Tertullian durch hinzugefügte Referenz weiter aus. Wiederum greifen dabei die Kritik am römischen Selbst Verständnis, ein nordafrikanischer Lokalpatriotismus und die ironische Spitze gegen pagane Gottesvorstellungen ineinander, die Juno als misera Uta genauso machtlos dem fatum gegenüberstehen lassen wie ihren Bruder und Gatten, denn: Fato stat Iuppiter ipse. Auch dieses Zitat ist neu gegenüber der Fassung im zweiten Buch ad nationes. Woher dieser daktylische Halbvers stammt, läßt sich 1
2 3
Die von WALTZINC; zur Erklärung der Stelle (191) gegebenen Übersetzungen ("autant que je sache, si j'ai bonne memoire, si Jen crois Virgile") lassen beide Möglichkeiten offen. WALTZINC. (ad i 191) spricht von einer "locution familiere" und verweist auf apol. 23,19 Colitis Mos, quod sciam, etiam de sanguine Christianorum. Siehe unten (300) zu Arnob. nat. 3,30.
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II. 1
Tertullian
nicht klären. Die ältere Forschung schreibt ihn Ennius zu, neuerdings hat man Lukan vorgeschlagen.1 Die Erweiterung auf Jupiter greift dessen oben (apol. 25,7) mit der besonderen Beziehung zu Kreta begründeten Ausschluß als Schutzgott des imperium Romanum wieder auf und führt das Argument zu Ende: Die Römer verdanken ihre Größe nicht den Göttern Jupiter und Juno, sondern dem fatum. Da sie diesem aber sogar noch die prostitutissima lupa Larentina an Verehrung voranstellen, kann das imperium Romanum kaum zum Dank von den Göttern gefördert worden sein. Im apologetischen Argumentationszusammenhang sollen die Zitate also in erster Linie verdeutlichen, wie machtlos die paganen Schutzgottheiten und wie sinnlos ihre Kulte sind. Damit einher geht der Beweis dafür, daß Juno nicht diejenige Gottheit sein könne, der Rom seine Größe verdankt.2 Im Hintergrund scheinen nordafrikanischer Lokalpatriotismus verbunden mit einer Antipathie gegen die Aeneadae und ihr Sendungsbewußtsein ebenso mitzuschwingen wie die Freude an der pointiert ironischen Polemik. Vergil fungiert dabei in erster Linie als der TYäger der kanonischen Überlieferung, deren Kenntnis beim Adressaten vorauszusetzen ist. apol. 25,16 Et ab hostibus suis sustinent adorari et Ulis imperium sine fine decernunty quorum magis iniurias quam adulationes remunerasse debuerant! Sed qui nihil sentiunt, tarn impune laeduntur quam frustra coluntur. Gegen die Anschauung, die Götter förderten das imperium Romanum aufgrund der Frömmigkeit der Römer, führt Tertullian als letztes Argument (apol. 25,14—17) die irreligiositas der Römer an: Da es bei deren Eroberungen zwangsläufig zu sacrilegia gekommen sei, müßten dann die Götter ihren Feinden ein imperium sine fine verliehen haben. Damit greift Tertullian die berühmte Formel aus der Jupiterprophezeiung im ersten Aeneisbuch auf, 279: his ego nee metas rerum nee tempora pono: imperium sine fine dedi. 1
2
Von einem Enniusfragment geht etwa BRAUN (Pontes 25 Anm. 18) aus, V. TANDOI, Intorno ad una citazione poetica latente in Tertulliano, Apol. 25,8 fato stat Iuppiter tpse, in: Disiecti membra poetae I, a cura di V. TANDOI, Foggia 1984, 175—199 weist den Halbvers einem verlorenen Lukangedicht de incendio urbis zu. Daher wird man STEINER (107) nicht zustimmen, wenn er (unter Berufung auf KRAUSE 156) behauptet, u[d]aß das Zitat in den vorliegenden Zusammenhang kaum hineinpaßt". Auch seine Bemerkung (oder sein Einwand?), Tertullian hätte noch weitere Stellen, etwa Junos Klage über ihre Machtlosigkeit (Aen. 1,46 [!]), zitieren können, bleibt rätselhaft: Genau das tut Tertullian doch. STEINERS Gesamturteil über die Stelle (107: "Freilich sind alle diese Passagen als Demonstration der Literaturkenntnis des Autors wohl wichtiger denn als apologetische Argumente, vor allem, weil wieder einmal etwas fatal seine Neigung durchschlägt, die Götter in die menschliche Vorstellungswelt zu verpflanzen") übersieht zum einen die Fügung der Argumentation, die ohne das klug ausgewählte Zitat über die Sinnlosigkeit des Kultes und die Machtlosigkeit des Schutzgottes keinen Bestand hätte, zum anderen die Tatsache, daß nicht Tertullian einem anthropomorphen Gottesbild huldigt, sondern die Kritik an einem solchen eines der zentralen Anliegen apologetischen Schrifttums darstellt — und keine 'fatale Neigung*.
II. 1.2
Die Vergilzitate
55
Hier zitiert Tertullian eine Schlüsselstelle für das römische Nationalbewußtsein und für die theologische Rechtfertigung der Expansionspolitik. Durch den Kontrast zwischen den Freveltaten bei der Erweiterung des römischen Herrschaftsbereichs und dem Anspruch eines gottgegebenen imperium führt Tertullian zum einen die religiöse Begründung römischer Größe ad absurdum und stellt zum anderen den Glauben an pagane Götter, die belohnen und bestrafen können, grundsätzlich in Frage. Für die Gegenposition steht das hier als ideologisches Schlagwort gebrauchte imperium sine fine. Vergil spielt also nur insofern eine Rolle, als von ihm der Ausdruck stammt.1 Auch spätere Christen greifen das Zitat vom imperium sine fine in der Auseinandersetzung mit dem religiösen Anspruch Roms auf.2 apol. 26,2 Quid erratis? prior est quibusdam deis suis silvestris Roma; ante regnavit quam tantum ambitum Capitolii extrueret. Regnaverant et Babylonii ante pontifices et Medi ante quindecimviros et Aegyptii ante Salios et Assyrii ante Lupercos et Amazones ante virgines Vestae. Im Kapitel 26 wendet Tertullian seine refutatio ins Positive: Der eine Gott verteile die Herrschaft, deswegen hätten auch vor der Entstehung Roms und seines Kultes Reiche existiert. In diesem Zusammenhang läßt er nochmals das oben (apol. 25,12) schon ausgeführte historische Argument anklingen: Manche Götter Roms seien jünger als die Stadt selbst. In dem Ausdruck silvestris Roma liegt eine Anspielung auf den Rundgang des Aeneas und des Euander auf dem noch von Gestrüpp bedeckten Ort des späteren Rom, Aen. 8,347s(7.: Hinc ad Tarpeiam sedem et Capitolia ducit aurea nunc, olim silvestribus horrida dumis. Zwar liegt eine sprachliche Referenz nur in Silvester, aber durch den Bezug auf Rom und den Zusammenhang mit dem ausdrücklich erwähnten Kapitol ergibt sich eine so auffällige Junktur, daß der Leser auf diese gedankliche Verbindung stoßen muß.3 Der Hinweis auf die Zeiten, als Rom noch eine menschenleere Einöde war, paßt freilich weniger in den aktuellen Gedankengang, daß die Stadt älter sei als ihre Götter, sondern weist auf das folgende Argument voraus, wonach es auch schon vor der Entstehung des imperium Romanum mächtige Reiche gegeben habe. In seinem unmittelbaren Kontext erscheint silvestris Roma daher zunächst doppelt rätselhaft, ehe sich die Anspielung und die gedankliche Verknüpfung mit dem folgenden Satz klären. In 1
In diesem Schlagwort manifestiert sich eine religiöse Dimension römischen Herrschaftsanspruches, die Tertullian als Christ nicht mittragen kann, cf. KLEIN Tertullian 66; HECK Mt\ 8tou.axeiv 61 sq.
2
3
Cf. Min. Fei. 25,1; dazu unten 154; Proba cento 142s?.; Aug. civ. 2,29 Illic enim tibi non Vestalis focus, non Lapis Capitolinus, sed unus deus et verus nee metas verum nee tempora ponet, imperium sine fine dabit. Quodv. 5,13,5. OLD und FORCELLINI s.v. silvestris geben keine Hinweise auf einen Sprachgebrauch, der die Verwendung von silvestris für Rom anders erklären könnte.
56
IM Tertullian
dem vergUisch gefärbten Hinweis, daß es bereits große Reiche gab, als Rom noch eine Wüste war, mag auch Spitze gegen den römischen Nationalstolz und seine Berufung auf Vergil liegen. apol. 40,4 Memorat et Plato maiorem Asiae vel Africae terram Atiantico mari inereptam. Sed et mare Corinthium terrae motus ebibit, et vis undarum Lucaniam abscisam in Siciliae nomen relegavit. Haec utique non sine iniuria incolentium accidere potuerunt. Im Kapitel 40 setzt sich Tertullian mit dem oft zum Anlaß für Pogrome und Verfolgungen genommenen Vorwurf auseinander, die Christen seien schuld an Naturkatastrophen und Unglücksfallen. Diese aber, so hält Tertullian dagegen, habe es immer gegeben (apol. 40,3—9). Unter den Beispielen, die Tertullian anführt, versunkene Inseln und weitere geographische Veränderung aufgrund von Naturkatastrophen, findet auch die Loslösung Siziliens vom Festland Erwähnung. Dasselbe Ereignis beschreibt bei Vergil der Seher Helenus in seiner Prophezeiung über die den TVojanern bevorstehende Fahrt, Aen. 3,417s9. (417—419): /.../ venu medio vi pontus et undis Hesperium Siculo latus abscidit, arvaque et urbes litore diductas angusto interluit aestu. Zwar findet sich der Sachverhalt oft erwähnt, da die antike Geographie Sizilien allgemein für einen abgetrennten Teil Italiens hält,1 was auch unter Verwendung der Stichworte vis und absondere dargestellt wird, aber unter den Belegen ist Vergil der sprachlich am engsten verwandte und als locus classicus die nächstliegende Quelle.2 Da aber auch Ovid (met. 15,290—292) und Valerius Flaccus (2,616—620) dieses naturgeschichtliche Phänomen erwähnen, scheint für Seneca (nat. 6,30,2sq.) das discidium Siziliens von der Apenninhalbinsel beinahe ein poetischer Topos zu sein. Überdies zitiert Tertullian in der Schrift de pallio (1,3) den Vers Aen. 3,415 und verweist wiederum (2,3) auf die Loslösung Siziliens vom Festland — dort als exemplum für eine Veränderung äußerer Erscheinungsformen in der Natur —, die Passage ist ihm also vertraut. Das vergilische vi /.../ et undis verbindet Tertullian zu vis undarum, die poetischen Bezeichnungen Hesperium und Siculum latus ersetzt er durch die exakten geographischen Bestimmungen Lucania und Sicilia; beibehalten wird abscindere mit der Gewalt des Meeres als Agens. Einerseits vereinfacht Tertullian den poetischen Ausdruck, andererseits setzt er durch die Konstruktion in nomen Siciliae relegare ein eigenes stilistisches lumen. Ganz offensichtlich wird Vergil nicht zitiert, sondern als Quelle benutzt. Tertullian benötigt in erster Linie das exemplum und nimmt es aus 1 2
C/. Strab. 1,54; Mela 2,115; Plin. nat. 2,204. Daher leitet die Antike auch 'PVrriov als 'Bruchstelle' von MTVI>|U ab, c/. K. ZIEGLER, 'EixtMa', RE II A,2 (1923) 246659. Seit Vergil findet sich abscindere für die Loslosung Siziliens vom Festland, c/. ThLL I s.v. abscindo 151,49—56; mit anderen Worten Plin. nat. 2,204 Namque et hoc modo inaulas rerum natura fecit: avellit Sicüiam Italiae, Cyprum Syriae, Euboeam Boeotiae, Euboeae Atalanten et Macrian, Besbicum Bithyniae, Leucostam Strenum promunturio.
II. 1.2
Die Vergilzitate
57
Vergil. Ob der Leser den Rekurs auf den locus classicus goutiert oder ob er nur das Faktum als solches aufnimmt, scheint Tertullian gleichgültig zu sein. Weder beseitigt er gezielt alle Hinweise auf seine Quelle, noch hebt er sie hervor. Argumentative Funktion kommt der Referenz jedenfalls nicht zu. apol. 50,5 Carthaginis conditrix: Siehe unten Sbsqq. apol. 50,7 Omitto eost qui cum gladio proprio vel alio genere mortis mitiore de laude pepigerunt. In den beiden Schlußkapiteln des Werkes (49 und 50) legt Tertullian die Konsequenzen einer weiteren gerichtlichen Verfolgung der Christen dar: Für die Gegner des Christentums bestehe kein Grund zur Freude, denn zum einen hätten die Christen sich diesen Weg gewählt (apol. 49,4—6), zum anderen sei das Martyrium etwas Begrüßenswertes, da es den Christen den höchsten TYiumph (apol. 50,1—11) und neue Anhänger (apol. 50,12—16) verschaffe. Im Zusammenhang mit dem Lob des Martyriums wendet sich Tertullian gegen den Einwand: cur queriminif quod vos insequamur, si pati vultis [...]? (apol 50,1). Er erläutert christliche Leidensbereitschaft anhand des Vergleichs mit der militia (apol. 50,1—3). Dann (apol. 50,4—9) führt er exempla von Heiden an, die für ihre Ideale Leib und Leben geopfert hätten. Nach dem Beispiel des Philosophen Anaxarchos, der, während er im Mörser zerstampft worden sei, gerufen habe: tunde, tunde, /.../ Anoxarchi follemf Anaxarchum enim non tundis! (apol. 50,6), distanziert sich Tertullian von denjenigen, die einen ebenso leichten wie ruhmvollen Tod von eigener Hand suchten. Gerichtet ist diese Bemerkung offenbar gegen Philosophen und Philosophenschulen, die den Selbstmord rechtfertigen oder anraten.1 Die in diesem Zusammenhang verwendete Formulierung de laude pacisci scheint sich an vergilischen Sprachgebrauch anzulehnen: Im Schiffswettrennen des fünften Aeneisbuches gäbe die in Führung liegende Mannschaft des Cloanthus sogar ihr Leben für die Verteidigung des Vorsprungs und für den ruhmvollen Sieg, 230 (229—231): hi proprium decus et partum indignantur honorem ni teneant, vitamque volunt pro laude pacisci; hos successus alit: possunt, quia posse videntur. Im zwölften Aeneisbuch erwidert Turnus auf Latinus' Versuch, ihn zum Nachgeben zu bewegen, 49: Quam pro me curam geris, haue precor, optimet pro me deponas letumque sinas pro laude pacisci. Auch wenn bei Vergil eine transitive Konstruktion von pacisci mit pro ('Leben' bzw. 4Tod für den Ruhm einsetzen'), bei Tertullian hingegen eine intransitive mit de (kmit dem Schwert (...) den Ruhm erschachern') zugrunde 1
Dabei ist wohl in erster Linie an Stoiker, Kyniker und Kyrenaiker zu denken, c/. A.J.L. VAN HOOFF, FVom Autothanasia to Suicide, London / New York 1990, 181—197, und E.P. C.ARRISON, Attitudes toward Suicide in Ancient Greece, TAPhA 121 (1991) 1—34.
58
II.1
Tertullian
liegt, besteht doch sowohl in den Elementen laus und pacisci als auch im Aussagegehalt, der Hingabe des Lebens um des Ruhmes willen, ein deutlicher Zusammenhang.1 Tertullian knüpft also an einen vergilischen Ausdruck für Todesbereitschaft an, verändert aber die Konstruktion und gebraucht den Ausdruck pejorativ. Allerdings wäre zu fragen, ob nicht auch schon bei Vergil eine Nuance tadelnswerter Leichtfertigkeit in beiden Szenen und in der Formulierung liegt. de pallio Die zwischen den Jahren 205 und 211 entstandene Schrift de pallio nimmt im Werk des Tertullian eine Sonderstellung ein, da sie sich ganz paganrhetorisch gibt:2 Tertullian wendet sich an seine karthagischen Mitbürger und rechtfertigt sich dafür, daß er die Toga gegen das Pallium getauscht hat. Im ersten Teil stellt er grundsätzliche Überlegungen an zum Wechsel der Kleidung als einem biologischen und anthropologischen Phänomen (Kar pitel 2—4), der zweite Teil (Kapitel 5sq.) stellt ein Lob des Palliums dar. Das Werk ist geprägt durch eine höchst kunstvolle Sprache in der Nachahmung des Apuleius, wie sie sonst in der christlichen Latinität nicht begegnet,3 den christlichen Charakter der Schrift macht erst der Schlußsatz eindeutig4. Wahrscheinlich wendet sich die ungewöhnliche Schrift in protreptischer Absicht an ein gebildetes heidnisches Publikum, das die Uterarische Qualität zu schätzen weiß und sich so in Kontakt mit dem Christentum bringen läßt.5 pall. l,3ab Nam et arietem (non quem Laberius reciprocornem et lanicutem et testitrohum, sed trobes machina est, quae muros frangere militat) nemini unquam adhuc libratum illa dicitur Carthago, (a) studiis asperrima belli, prima omnium armasse in oscillum penduli impetus, commentata vim tormenti de bile pecoris capite (se) vindicantis. Cum tarnen ultimant tempora patriae et aries iam Romanus in muros quondam suos audet, stupuere illico Carthaginienses ut novum extraneum ingenium. 1
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Cf. ThLL X,l s.v. paciscor 19,12—16 zur transitiven Konstruktion mit pro (Vergil), über Leben und Tod sonst nur Tac. hist. 3,48,3 pactus Aniceti exitium, pro laude nur Ps. Rufin. loe. bell. lud. 3,8 p. 717; 20,35—39 die intransitive Konstruktion mit de (Tertullian), ohne Beleg für de laude. Die Reihe von Belegen zeigt, daß bei Tertullian keine singulare Wendung vorliegt, die beispielsweise durch den Ausfall eines Akkusativobjekts zu erklären wäre. — Cf. WALTZING adapol. 3,4 (37): 50,7 Vergilreminiszenz. Zu Datierung und Forschungslage H. TRÄNKLE, HLL 4 (1997) 455—457; die Besonderheiten des Werkes stellt heraus J.M. Vis, Tertullianus' de pallio tegen de achtergrond van zijn overige werken, Nijmegen 1949, vor allem 136—143. Zu Sprache und Stilistik G. SÄFLUND, De pallio und die sprachliche Entwicklung Tertullians, Lund 1955; die dort vertretene Spätdatierung in die Zeit 222/3 hat sich aber nicht durchgesetzt. pall. 6,2 Gaude pallium et exsulia! Melior iam te phüosophia dignata est ex quo Christianum vestire coepisti. So TRÄNKLE HLL 4 (1997) 457. Doxographie älterer Meinungen in der ansonsten nicht unproblematische Arbeit von D. TFUNGAU, O 'de pallio' de Tertuliano, Säo Paulo 1980, 37—85.
II.1.2
59
Die Vergilzitate
(b) Tantum aevi longinqua valet mutare Sic denique non pallium agnoscitur.
vetxistas!
Im Einleitungskapitel drückt Tertullian zunächst ironisch den angeredeten viri Carthaginienses gegenüber seine Freude darüber aus, daß es ihnen so wohl ergehe, daß sie sich mit Kleiderfragen beschäftigen könnten (pall. 1,1). Beim Pallium handle es sich um ein ursprünglich karthagisches Kleidungsstück, das erst im Rahmen der römischen Eroberung durch die Toga verdrängt worden und in Vergessenheit geraten sei (pall. 1,1—3). Als exemplum dafür, daß die Karthager etwas ihnen ursprünglich Eigenes später nicht wiedererkennen, führt Tertullian dann (pall. 1,3) den Rammbock an, den die Karthager erfunden, dann aber als eine Neuigkeit bestaunt hätten. Das an sich schon merkwürdige Beispiel gestaltet er besonders aus: Zunächst illustriert Tertullian mit einem nur hier belegten Laberiuszitat (mim. 20), welchen aries er nicht meint, nämlich den lebendigen. Natürlich befürchtet Tertullian nicht wirklich ein Mißverständnis, vielmehr spielt er mit der Doppelbedeutung von aries und sucht eine Gelegenheit, das Zitat mit seiner derb-komischen (testitrahus) Nuance anzubringen. Bemerkenswert ist übrigens, daß Tertullian etwas weiter unten in ganz ähnlicher Weise, bei der Erwähnung des Chamäleons — eines Tieres, das ebenfalls seine 'Kleidung' wandelt — den Leser erst auf einem prätenziösen Umweg vermittels eines Dramatikerzitates, diesmal aus Pacuvius und eigentlich auf die Schildkröte bezogen,1 in die Irre führt.2 (a) Vergil ist dann zunächst durch ein Epitheton für Karthago vertreten. Tertullian greift damit wieder auf die Passage zurück, aus der er schon im zweiten Buch ad nationes (2,17,6) und im Apologeticum (25,8) die Verse über Junos besondere Vorliebe für die Stadt übernommen hat, Aen 1,14: Karthago, Italiam contra Tiberinaque longe ostia, dives opum studiisque asperrima belli, Den dichterischen Charakter der Worte unterstreicht die Beibehaltung des Hexameterschlusses, allerdings paßt der Zusatz inhaltlich genau in den Kontext der militärischen Tüchtigkeit der alten Karthager. Hier spielt Tertullian vielleicht auch mit dem Lokalpatriotismus seiner Mitbürger, denn einerseits wäre denkbar, daß die Vergilworte öfter als Ausdruck karthagischen Selbstbewußtseins gebraucht wurden. Andererseits implizieren sie im Kontext auch den Vorwurf des Verfalls gegenüber der Vorzeit. Dieser Vorwurf trifft in bezug auf die Kriegskunst die Karthager zur Zeit der römischen Eroberung, in bezug auf das Pallium aber die Adressaten. (b) Zur Erklärung des Wandlungsprozesses, aufgrund dessen die Karthager ihre eigene Erfindung bei der römischen Eroberung nicht mehr erkannt 1 2
Pacuv. trag. 4,2, überliefert Cic. div. 2,133. Cf. GERLO ad i II 75. Tert. pall. 3,3 Est et 'quadrupes tardigrada, agrestis, humilis, aspera.' Testudinem Pacuvianam putas? Non est. Capxt et alia bestioia versiculum, de mediocribus oppido, sed nomen gründe. Chamaeleontem qui audieris haud ante gnarus, tarn timebis aliquid ampltus cum leone.
60
II. 1
Tertullian
hätten, zitiert Tertullian dann einen sentenziösen1 Vers aus Vergils Beschreibung der Entstehung Siziliens, die er schon im Apologeticum (40,4) benutzt hat, Aen. 3,415 (414—417): Haec loca vi quondam et vasta convulsa ruina (tantum aevi longinqua valet mutare vetustas) dissiluisse ferunt, cum protinus utraque tellus una foret: [...]. Der Vers ist ohne Einleitung in den Text gesetzt, eine abschließende Bemerkung (Sic denique non pallium agnoscitur) sichert das rechte Verständnis im Zusammenhang und beendet das Kapitel. Während ansonsten im Werk des Tertullian den Zitaten eine meist klar zu bestimmende argumentative Punktion zukommt und oft ein ironischdespektierlicher Unterton anhaftet, zitiert er hier beinahe verspielt-zweckfrei nur um des ornatus willen. Diese Beobachtung freilich, daß Tertullian in der Schrift de pallio mit Literaturkenntnis brillieren und den Leser geistreich unterhalten will,2 trifft in erster Linie für die Dramatikerzitate zu. Bei den Vergilzitaten bleibt er nicht nur zwei bereits im Apologeticum benutzten Passagen, sondern auch der inhaltlichen Tendenz treu, Aussagen über Karthago und sentenziöse Verse zu zitieren. pall. 2,3 Mutat et nunc localiter habitus, cum situs laeditur, cum inter insulas nulla iam Delos, harenae Samos, et Sibylla non mendax, cum (terra) in Atlantico Libyam aut Asiam adaequans iam quaeritur, cum Italiae quondam latus Hadria Tyrrhenoque quassantibus mediotenus interceptum reliquias Siciliam facit, cum tota plaga discidii contentiosos aequorum coitus angustis retorquens novum vitii maris imbuit, non exspuentis naufragia sed devorantis. Unter den Beispielen für einen Wechsel des habitus in der Natur erwähnt Tertullian die Abtrennung Siziliens von der Apenninenhalbinsel. Wie schon im Apologeticum (40,4)3 hat Tertullian dabei auch hier offenbar Vergils Schilderung dieser geographischen Gegebenheit vor Augen, Aen. 3,4175g. (417— 419): /.../ venu medio vi pontus et undis Hesperium Siculo latus abscidit, arvaque et urbes litore diductas angusto interluit aestu. Tertullian übernimmt aus der Aeneis nicht nur das exemplum, sondern hat, wie die zwei gemeinsamen Elemente zeigen, auch die vergilische Formulierung 1
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RIBBECK im Testimonienapparat seiner Vergilausgabe und COURCELLE (Lecteurs 257) weisen allerdings keine früheren Zitate aus, spätere nur in der Dichtung und in Kommentaren. Daß Tertullian in de pallio ein ganz anderes Verhältnis zur Literatur an den Tag legt als in seinem übrigen Werk, zeigt Vis 35—40. Dazu oben 56sq.
11.1.2
Die Vergilzitate
61
vor Augen. Daß er die ganze Passage kennt, zeigt auch das Zitat von Vers Aen. 3,415 oben pall. 1,3b (58). pall. 2,7 Revera orbis cultissimum huius imperii rus est, eradicato omni aconito hostilitatis et cacto et rubo subdolae familiaritatis convulso, et amoenus super Alcinoi pometum et Midae rosetum. Laudans igitur orbem mutantem, quid denotas hominem? Pall. 2,1 führt Tertullian aus: Certe habitum vettere naturae totius sollemne munus est Aus Beispielen aus der Natur folgert er schließlich, daß auch dem Menschen der Wechsel nicht zu verübeln sei, der die Schönheit der ganzen Welt erst ausmache — eine Schönheit, die noch den Obstgarten des Alkinoos übertreffe (pall. 2,7). Dieses pometum Alcinoi findet sich, zurückgehend auf Homers Darstellung (Od. 7,112—132), immer wieder sprichwörtlich in der römischen Dichtung,1 so auch in Vergils Georgika, 2,87 (83—88): Praeterea genus haud unum nee fortibus ulmis nee salici lotoque neque Idaeis cyparissis, nee pingues unam in faciem naseuntur olivae, orchades et radii et amara pausia baca, pomaque et Alcinoi silvae, nee sureulus idem Crustumiis Syriisque piris gravibusque volemis. Allerdings läßt sich nicht erweisen, ob Tertullian an Vergil oder einen anderen Beleg denkt. Ihm geht es in erster Linie um den dichterischen Topos. pall. 4,6 /.../ [sc. Alexander] pectus squamarum signaculis disculptum textu perlucido tegendo nudavit, anhelum adhuc ab opere belli, et ut mollius ventilante serico, extinxit. Non erat satis animi tumens Macedo, ni illum etiam vestis inflatior delectasset; /.../. Unter den negativen Beispielen für die Annahme fremder Kleidung führt Tertullian auch Alexander den Großen an. Die Schilderung der noch vom Kampf atemlosen Feldherrn weist, wie UGLIONE bemerkt,2 Gemeinsamkeiten auf mit Vergils Darstellung der in Verzückung geratenden Sibylle, Aen. 6,485g. (47—51): /.../ [sc. SibyllaeJ non color unus, non comptae mansere comae; sed pectus anhelum, et rabie fera corda tument, maiorque videri nee mortale sonans, adflata est numine quando iam prvpiore dei. Die Junktur pectus anhelum3 erscheint von Vergil an häufig in der Dichtung der Silbernen Latinität,4 erstmals in Prosa Ps. Quint. decl. 8,8. Bei Tertullian 1
2 3 4
Cf. OTTO 12 Nr. 53; ThLL I s.v. Mein aus 1518,21. In Prosa findet sich offenbar kein weiterer Beleg. Virgüio 512s?. Cf. Arnob. nat. 1,17b, dazu unten 270; anhelus Min. Fei. 7,3a, dazu unten 122. Etwa Sil 12,418$?., al.\ Stat. Theb. 2,672s?., al.; Octavia 779; ThLL II s.v. anhelus 68,14s?.
62
II. 1
Tertullian
sind Substantiv und Adjektiv bewußt gesperrt durch die betont ausgreifende Beschreibung der Rüstung. Zusammen mit dem Stichwort tumens, dem sich ein Komparativ (maior bei Vergil, inflatior bei Tertullian) anschließt, deutet dies auf eine Vergilbenützung hin. UGLIONE sieht einen Gegensatz zwischen der Sibylle, die "inequivocabUi tratti virili" aufweise, und Alexander, der wie u una femminuccia" der Faszination schöner Gewänder erliege, und betont mit Recht die Ausrichtung der vergilischen Schilderung auf die rabies der Prophetin und derjenigen Tertullians auf die Schwäche und Eitelkeit des Feldherrn.1 Doch wird der Prätext kaum deutlich genug evoziert, um die von UGLIONE angenommenen Effekte der Komik und Entmythisierung der Vorlage zu erreichen. In erster Linie geht es Tertullian um die wirkungsvolle Darstellung irrational handelnden Alexander. Vergil bietet, wie es sich auch der Verfasser der declamationes maiores zunutze macht, geeignetes Material für die rhetorische Ausgestaltung von Gemütszuständen.2 pall. 4,10 vaniasimis 1.2.2
superstitionibus:
Siehe oben (51) zu apol. 24,7.
Antihäretisch-dogmatische Schriften
adversus
Valentinianos
Die in montanistischer Zeit entstandene Schrift setzt sich in Form einer narratio der Irrlehren mit der gnostischen Häresie des Valentinus auseinander, der um die Mitte des zweiten Jahrhunderts in Rom lehrt und eine große Anhängerschaft findet.3 Das Werk gliedert sich in einen Einleitungsteil (Kapitel 1—6) über Grundlagen und Geschichte der valentinischen Lehre sowie Quellen und Aufbau der folgenden Darlegungen, einen Hauptteil (Kapitel 7—32), in dem die Lehre des Valentinusschülers Ptolemaeus dargelegt wird, und abschließende Hinweise auf abweichende Lehren (Kapitel 33—39). Die ansprechend gestaltete und mit Uterarischen Anspielungen versehene Schrift richtet sich offenbar an ein breiteres Publikum.4 adv. Val. 1,4 Si bona fide quaeras, concreto vultu, suspenso supercüio 'altum est' aiunt. Si subtiliter temptes, per ambiguitates bilingues communem fidem adfirmant. 1 2 3
4
Virgüio 513. C/. Rhet. Her. 4,44,68 anhelans ex infimo pectore crudelitatem; Sen. dial. 5,4,2 (Symptome des Zorns) pulsatum saepius pectus, anhelitus crebros. Zu Datierung und Forschungslage H. TRÄNKLE HLL 4 (1997) 462s?.; zur Lehre des Valentinus K. RUDOLPH, Die Gnosis, Göttingen 19903, 342—350; C. MARKSCHIES, Valentinus Gnoaticus? Untersuchungen zur Valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins, Tübingen 1992, dazu G. QUISPEL, Valentinus and the Gnostikoi, VChr 50 (1996) 1—4. Zum Adressatenkreis TRÄNKLE HLL 4 (1997) 463; zur Ausgestaltung FREOOUILLE Introduction 1 12—23; zu den literarischen Anspielungen der Index scriptorum antiquorum in FREDOUILLES Kommentar (II 379—387).
11.1.2
Die Vergilzitate
63
Zu Beginn greift Tertullian die mangelnde Klarheit der Valentinianer an. Die Junktur ambiguitates büingues hat, wie ÜGLIONE1 bemerkt, eine Paralle bei Vergil, der Didos mißtrauische Einstellung, aufgrund derer Venus ihre Liebe zu Aeneas erwecken zu müssen glaubt, mit ihren schlechten Erfahrungen folgendermaßen erklärt, Aen. 1,661: Quippe domum [sc. DidoJ timet ambiguam Tyriosque büinguis. Bei Tertullian erscheinen die Stichwörter, die Vergil als parallele Adjektive bietet, aufeinander bezogen als Substantiv und Adjektiv: Ambiguitas ist der gängige rhetorische Fachausdruck für 'Zweideutigkeit'2 und bei Tertullian nicht ungewöhnlich (35 Belege). Büinguis erscheint eher in Komödie und Satire als in der höheren Dichtung, von Tertullian (nur hier) an in Prosa, vor allem bei Christen, vielleicht unter dem Einfluß biblischer Aussagen.3 Die Tatsache, daß die Junktur sonst anscheinend nicht belegt und etwas pleonatisch4 ist, könnte darauf hindeuten, daß sich Tertullian hier bei der sprachlichen Ausgestaltung von Vergils Formulierung anregen läßt.5 adv. Val. 10,2 Et *** metuere postremo, ne Jinis quoque insisteret; haerere de ratione casus, curare de occultatione. Remedia nusquam. Ubi enim iam tragoediae atque comoediae, a quibus forma mutuaretur exponendi quod citra pudorem erat natum? Dum in malis res est, suspicit, convertit ad patrem. Sed incassum enisa, ut vires deserebant, in preces succidit Tota etiam propinquitas pro ea supplicat, vel maxime Nus — quidni? causa malt tantfi! Nullus tarnen Sophiae exitus vacuit In den Kapiteln 9 und 10 gibt Tertullian den Mythos von dem weiblichen Aeon Sophia wieder: Diese verfalle auf der Suche nach ihrem Vater den Affekten, werde aber von ihren Mit-Aeonen gerettet, wobei freilich die materielle Welt entstehe (Kapitel 9). Die andere Variante (adv. Val. 10,1—4) laute, daß Sophia aus Sehnsucht nach ihrem Vater ohne Zutun eines Mannes eine Tochter geboren habe, woraufhin freilich auch ihre Sterblichkeit zu befürchten gewesen sei. Da sich aber die Mit-Aeonen, allen voran Nus, ihrem flehentlichen Gebet angeschlossen hätten, sei sie gerettet worden. Auf den gefallenen Aeon Sophia bezieht Tertullian die Worte causa mali tanti, als Apposition im 1 2 3 4 5
6
Virgilio 5\Ssq. Cf. ThLL I s.v. 1840,29*^. Etwa Spr 8,13; Koh 5.17; 1 Tim 3,8; c/. ThLL II s.v. \9S6y60sqq.\ FoiiCHER 199. So auch mit Recht FREDOUILLE ad l. 177. UGLIONE (Virgilio 519) bemerkt außerdem, daß der bei Vergil gegen die Mutterstadt Tyros und somit gegen die Karthager gerichtete Vorwurf auf die Häretiker umgelenkt werde. Freilich ist die Markierung so schwach, daß sich solche Überlegungen nur auf die produktionsästhetische Ebene beziehen können. Wenn man also überhaupt danach fragen kann, dann liegt die gedankliche Gemeinsamkeit in der Täuschung, welche die Karthagerin Dido und der Frager erfahren. So die Interpunktion in der Ausgabe von FREDOUILLE, dazu die folgende Anm.; KROYMANN im CC interpungiert /.../ Nus. Quidni? Causa mali tantü, RlLEY /.../ Nus. (quid? causa mali tantt?) /.../, sie verstehen den Ausdruck causa mali tanti also als elliptisch verkürzter Einwurf.
64
IM
Tertullian
Ablativ zu pro eal: Die ganze Verwandtschaft bittet für die causa mali tanti. Das eingeschobene quidni dient der Hervorhebung. Auch in der Aeneis aber findet sich zweimal causa tanti malt, jedesmal als Bezeichnung für Lavinia; zunächst in der Sibyllenprophezeiung des sechsten Aeneisbuches, wo sie, einen Krieg auslösend, als zweite Helena erscheint, Verg. Aen. 6,93: causa mali tanti coniunx Herum hospita Teucris externique Herum thalami. Im elften Buch, als sie die Bittprozession vor der Schlacht verfolgt, findet sich der Hinweis auf (die in Begleitung ihrer Mutter einhergehende) Lavinia als Kriegsgrund, 480: /.../ iuxtaque comes Lavinia virgo, causa mali tanti, oculos deiecta decoros. Zwar wird die vergilische Wendung öfter aufgenommen2, manches deutet aber auf einen Bezug zur Aeneis hin: Den Aeon Sophia und Lavinia verbindet, daß beide Figuren jung und weiblich zu denken sind, daß beide unabsichtlich eine Reihe verhängnisvoller Ereignisse auslösen, daß bei beiden schließlich die Beziehung zum Vater und der pudor eine gewisse Rolle spielen3. Berücksichtigt man außerdem, daß sich durch Vergils zweimalige Verwendung desselben Halbverses für Lavinia dessen unveränderte Wiedergabe4 ein recht deutlicher Hinweis auf diese epische Figur ergeben dürfte, so wird man die Möglichkeit einer alludierenden Annäherung der Figuren Lavinia und Sophia in polemisch-ironisierender Absicht zumindest nicht ausschließen. adversus
Marcionem
Sein umfangreichstes Werk, die fünf Bücher adversus Marcionem erarbeitet Tertullian von den Jahren 207/8 an.6 Die polemische, aber fundierte Auseinandersetzung mit den heterodoxen Lehren des Markion führt Tertullian in den ersten drei Büchern auf dogmatischer, im vierten und fünften Buch auf exegetischer Ebene. adv. Marc. 1,5,1 Aut quae ratio duo summa magna composuit? Primo enim exigam} cur non plura, si duo, quando locupletiorem oportet credi substantiam divinitatisf si competeret ei numerus. Honestior et liberalior Valentinus, qui simul ausus est duos [sc. deos] coneipere, Bython et Sigen, tum usque 1 2 3 4 5
In diesem Sinne FREOOUILLE ad i 11 249*?. Zitiert etwa luv. 14,290; Lucan. 7,407sq. Sulp. Sev. chron. 1,27,4; Prud. psych. 604; c/. Sen. nat. 3,27,1. Zu pater und pudor bei Lavinia H.J. TSCHIEOEL, Lavinias Erröten, in: Studia classica I. TAROITI oblata, a cura di L. BELLONI et al., Milano 1995, I 285—297, hier 294sq. So schon C. WEYMAN in der Rezension der Ausgabe von KROYMANN, BPhW 28 (1908) 1014. Zu Datierung, Entstehungsgeschichte und Forschungsstand H. TRÄNKLE, HLL 4 (1997) 463—468.
IL 1.2
Die Vergilzitate
65
ad triginta Aeonum fetus, tamquam Aeneiae scrofae1, examen divinitatis
effudit Ausgehend von Markions Lehre von einem bösen alttestamentlichen Gott, der die materielle Welt erschaffen habe, und einem guten Gott, der in der Verkündigung Jesu, wie Markion sie liest, auftrete,2 widerlegt Tertullian im ersten Buch zunächst (Kapitel 3—7) die Vorstellung, zwei Götter könnten nebeneinander existieren. Im Kapitel 5 sucht Tertullian den Ditheismus ad absurdum zu führen: Wenn man zwei Götter annehme, so der polemische erste Gedanke, könne man auch gleich noch mehr annehmen, der gnostische Häretiker Valentinus sei großzügiger gewesen und habe gelehrt, daß aus Bython und Sigen vierzehn Paare weiterer Aeonen hervorgingen, so daß sich insgesamt dreißig ergeben.3 Diese dreißig Aeones vergleicht Tertullian in einer polemischen Spitze mit den dreißig Ferkeln aus Vergils Sauprodigium, das zunächst Helenus im Munde führt, Aen. 3,389—393: Cum tibi sollicito secreti ad fluminis undam litoreis ingens inventa $ub üicibus sus triginta capitum fetus enixa iacebit, alba solo recubans, albi circum ubera nati, is locus urbis erit, requies ea certa laborum. Dann wird die Prophezeiung wiederholt4 vom Flußgott Tiber, Aen. 8,42—45: Iamque tibi, ne vana putes haec fingere somnum, litoreis ingens inventa sub üicibus sus triginta capitum fetus enixa iacebit, alba solo recubans, albi circum ubera nati. Ausgangspunkt für diesen Vergleich ist wohl die Anzahl von dreißig Nachkommen. Alles zielt darauf ab, die Lehre des Valentinus ins Lächerliche zu ziehen: Für die Aeones übernimmt Tertullian aus dem vergilischen Wortlaut das betont vegetative fetus, aus der stilistisch erhabenen sus wird die scro/a 5 . Als Markierung der Allusion wählt Tertullian aufgrund der Assonanz mit Aeones das dichterische Adjektiv Aeneia6, wobei Aeonum fetus — Aeneiae scrofae lautlich die Verbindung der Muttersau zu ihren Ferkeln pointiert. Tertullian greift also auf eine bestimmte, allgemein bekannte — die Markierung Aeneia scheint ihm zu genügen — Formulierung bei Vergil zurück, 1 2 3 4 5 6
Zur textkritischen Begründung BRAUN I 256. Cf. Barbara ALAND, 4Marcion / Marcioniten\ TRE 22 (1992) 89—101; G. MAY, Marcione nel suo tempo, CS 14 (1993) 205—220. Zu den Aeonen in der Darstellung des Tertullian hier MARKSCHIES 310S<J. Zur Verbindung beider Stellen A. PRJMMER, Das Tischprodigium im Rahmen der Aeneis, WS 107/108 (1994/95) 397—416. C/. BRAUN ad l. 1 120, der luv. 6,177 eadem scrofa Niobe fecundior alba als mögliches Vorbild annimmt. ThLL I s.v. Aeneas 985/20—31 führt als Prosabelege außerhalb der Kommentare Tert. adv. Marc. 1,5,1 und Hier, in Gal. 1,4 auf.
66
II. 1
Tertullian
um daraus eine Pointe gegen einen Häretiker zu gewinnen. Vergil wird dabei kaum in ein schiechtes Licht gerückt, sondern als verfügbares Repertoire verwendet. adv. Marc. 2,5,1 lam hinc ad quaestiones omnes. 0 canes, quos foras apostolus expellit, latrantes in Deum veritatisf haec sunt argumentationum ossa, quae obroditis: 'Si Dens bonus et praesdus futuri et avertendi mali potens, cur hominem [...] passus est labi de obsequio legis in mortem [...]?' In einem fiktiven Einwand der Markioniten, die zugunsten ihres Konzeptes von einem bösen Schöpfergott die Frage aufwerfen, warum ein guter und allwissender Gott die Sünde Adams und den Fall der Menschheit zugelassen habe, verwendet Tertullian für den christlichen Gott die Prädikation praesdus futuri. Das von Vergil an (Aen. 6,66 tuque, o sanctissima vates, / praescia venturi)1 belegte praesdus, ab Tacitus in der Prosa faßbar2, vereinnahmt Tertullian als Übersetzung des theologischen Terminus icpo^vokrcTK3. Dem schließen sich Cyprian (mortal. 19, dazu unten 244) und die spätere christliche Latinität an.4 Zwar ist zweifelhaft, ob Tertullian der vergilische Ursprung des Wortes bewußt ist. Immerhin zeigt sich hier aber, daß in die von Tertullian ausgebildete christlich-theologische Terminologie im Lateinischen auch vergilische Sprachschöpfungen einfließen.5 de anima In Tertullians montanistische Zeit gehört die Schrift de anima, in der sich der Verfasser mit verschiedenen gnostisch beeinflußten Irrlehren über die Seele auseinandersetzt und dagegen die erste christliche Psychologie entwickelt.6 Auf eine Einleitung (Kapitel 1—3), in der Tertullian die Notwendigkeit darlegt, sich mit der philosophischen, vor allem der platonischen Seelenlehre auseinderzusetzen, da Hermogenes und andere Irrlehrer sich derer bedienten, folgen drei Hauptteile: Zunächst (Kapitel 4—22) befaßt sich Tertullian mit den Eigenschaften der Seele: Sie habe einen Anfang und eine körperliche 1 2 3
4 5
6
Cf. Aen. 12,452 praescia longe / horrescunt corda Cf. ThLL X,2 s.v. praesdus 821,42sg.; FOUCHER 195. Dazu R. BRAUN, Dens Christianorum. Recherches sur le vocabulaire doctrinal de Tertullien, Paris 1977, 134; cf. BAUER / ALAND S.V. KPOTVUOTTK zur Verwendung in der griechischen Apologetik für den christlichen Gott und für pagane Götter. Cf ThLL X,2 822,41—62; Vet. Lat. Dan. 13,42 praesens es omnium (LXX il&x xfc xdvta). Ein weiteres, allerdings weniger deutliches, Beispiel nennt BRAUN (Deus Christianorum 531 Anm. 4): Das Wort resvrgere, von Tertullian und der christlichen Latinität nach ihm für die Auferstehung gebraucht, ist zunächst ein rein poetischer Ausdruck (etwa Verg. Aen. 1,206; Hör. carm. 2,17,14). H. TRÄNKLE HLL 4 (1997) 471—475, hier 475, schlägt eine Datierung unmittelbar nach 203 vor; für eine Datierung unter der Amtszeit des Scapula (210—213) der grundlegende Kommentar von J.H. WASZINK, Quinti Septimi Florentb TertuUtani de anima, edited with Introduction and Commentary, Amsterdam 1947, hier 5*547.
II.1.2
Die Vergilzitate
67
Gestalt und stelle eine Einheit dar. Im zweiten Hauptteil (Kapitel 23—41) geht es um den Ursprung der Seele, den Tertullian traduzianistisch erklärt. Der dritte Hauptteil (Kapitel 42—50) hat, neben einem Exkurs über Schlaf und Traum (Kapitel 43—49), das Geschick der Seele beim Tod (Kapitel 50— 53) und im Jenseits (Kapitel 54—58) zum Inhalt. anim. 27,8 Cum igitur in primordio duo diversa atque divisa, limus et flatus, unum hominem coegissent, confusae substantiae ambae iam in uno semina quoque sua miscuerunt atque exinde generi progagando formam tradiderunt, ut et nunc duo, licet diversa, etiam unita pariter effluant pariterque insinuata sulco et arvo suo pariter hominem ex utraque substantia effruticent, in quo rursus semen suum insit secundum genus, sicut omni condicioni genitali praestitutum est Im Kapitel 27 legt Tertullian seine traduzianistische Anschauung von der Entstehung der Seele dar: In Adam hätten sich Lehm und Odem (limus et flatus) zum Menschen zusammengefügt, der daher diese beiden Substanzen in seinem Samen weitergebe, so daß bei der Zeugung Körper und Seele enstehen könnten. Die Metaphorik von Furche und Acker, mit der Tertullian die geschlechtliche Vereinigung umschreibt, könnte zwar von der Erschaffung des Adam aus Lehm, wie die Bibel sie darstellt (Gen 2,7), angeregt sein. Die Formulierung sulco et arvo verweist aber auf Vergils periphrastische Schilderung der Paarungen von Hengst und Stute, die um der besseren Fruchtbarkeit willen beschränkt werden müßten, georg. 3,136 (135—137): hoc faciunt, nimio ne luxu obtunsior usus sit genitali arvo et sulcos oblimet inertis, sed rapiat sitiens Venerem interiusque recondat Neben dem Vorkommen des Stichwortes genitalis und des Stammes lim- (limus und oblirnare)1 spricht vor allem die Tatsache für eine Vergilreferenz, daß zwar die Ausdrücke sulcus und arvum einzeln öfter in entsprechender Metaphorik2 erscheinen, als auffällig muß jedoch das gemeinsame Vorkommen gelten.3 Die Tatsache, daß zwei der insgesamt fünf aus dem Vergilvers übernommenen Elemente, nämlich limus und genitalis, etwas abgesetzt erscheinen, deutet darauf hin, daß Tertullian nicht nur eine einzelne metaphorische Formulierung aufgreift, sondern bei der Abfassung der ganzen Passage den Vers georg. 3,136 vor Augen hat. Bemerkenswert ist außerdem, daß in der ganzen Georgikapassage der Geschlechtsakt der Pferde mit den für Menschen üblichen Ausdrücken (maritus 125; patres, nati 128; concubitus, voluptas 130) dargestellt wird, was die Übernahme der Metaphorik von sulcus et 1 2
3
Cf. WALDE / HOFMANN S.V. 1. limus. Cf. Serv. georg. 3,136 'genitali arvo* pro muliebri folliculo, quem vulvam vocant, ut etxam Plinius docet: nam ante folliculus äicebatur. *sulcos oblimet' claudat meatus. et hoc similiter per translationem dixit: nam legimus supra let obducto täte tenet omnia limo \ Dazu die Belege bei WASZINK ad l. 352, der allerdings nicht von einer Vergilreferenz ausgeht.
68
11.1
Tertullian
arvum auf den menschlichen Bereich nahelegt. Quintilian (inst. 8,6,8) zitiert die Verse georg. 3,1355g. sogar als Musterbeispiel für eine Metapher. Die vergilische Ausdrucksweise findet sich auch in einer von Apuleius angefertigten Übersetzung einer im Original verlorenen erotischen Passage aus Menanders Anechomenos, v. 17 (16—21):1 Carpant papillas atque amplexus intiment arentque sulcos molles arvo Venerio Thyrsumque pangant hortulo Cupidinis, dent crebros ictus conivente lumine, trepidante cursu venae et anima fessula eiaculent tepidum rorem niveis laticibus. Tertullian übernimmt von Vergil also eine bekannte metaphorische Umschreibung für den Akt der geschlechtlichen Vereinigung. Dahinter steht wohl nicht nur eine Tendenz zur euphemistischen Periphrase, sondern auch das Bestreben, die von der Bibel vorgegebene Formung des Adam aus Lehm metaphorisch weiterzuführen. anim. 32,8 Nam etsi quidam homines bestiis adaequantur pro qualitatibus morum et ingeniorum et affectuum, quia et deus: 'assimilatus est7 inquit 'homo inrationalibus iumentis' [Ps 48,21], non ideo milvi ex rapacibus fient et canes ex spurcis et pantherae ex acerbis aut oves ex probis et hirundines ex garrulis et columbae ex pudicis, quasi eadem substantia animae ubique naturam suam in animalium proprietatibus repetat Im Rahmen der Widerlegung der Lehre des Empedokles über eine Wiedergeburt in der Gestalt von Tieren unterscheidet Tertullian die Gemeinsamkeit natura, wie sie beispielsweise in der metaphorischen Angleichung von Menschen und Tieren aufgrund bestimmter Charaktereigenschaften deutlich werde, von der Gemeinsamkeit substantia, wie die Palingenesielehre sie vertrete. Die in diesem Zusammenhang angeführte Zuordnung von hirundines und garruli scheint auf eine vergilische Junktur zurückzugehen, so ist nämlich georg. 4,307 von der garrula /.../ hirundo die Rede. Dem Ausdruck dürfte zwar eine übliche Redewendung zugrunde liegen, die in Prosa erhaltenen Belege beschränken sich aber auf Tertullian und Arnobius (7,17, dazu unten 325). anim. 33,9 integrae feminae Didoni: Siehe unten S5sqq. anim. 43,7 Credimus enimy si quid est natura, rationale aliquod opus dei esse. Porro somnum ratio praeit, tarn aptumf tarn utilem, tarn necessarium9 ut absque Mo nulla anima sufficiat, recreatorem corporum, redintegratorem virium, probatorem valetudinum, pacatorem operum, medicum laborum, cui Cf. SCHANZ / Hosius III 126; J. BEAUJEU in seiner Ausgabe: Apulee. Opuscules philosophiques, Paris 1973, hier 169sq.
11.1.2
Die Vergilzitate
69
legitime fruendo dies cedit, nox legem facit auferens rerutn etiam colorem. Quodsi vitale salutare avxiliare somnus, nihil eiusmodi non rationale, nihil non naturale, quod rationale. Im Kapitel 43 beginnt TertuUian seinen Exkurs (anim. 50,1 excessus) über Schlaf und Traum mit dem Erweis der gottgewollten Natürlichkeit des Schlafes. Zunächst (anim. 43,1—5) stellt er eine Doxographie zusammen, verwirft alle Meinungen, daß der Schlaf seine Ursache praeter naturam habe und läßt allein die Ansicht der Stoiker bestehen, wonach der Schlaf zwar eine natürliche Erholung der Wahrnehmungskraft sei, während derer die Seele aber tätig bleibe. Den Gedanken der naturalitas des Schlafes führt er dann (anim. 43,6— 9) allgemein aus, um schließlich (anim. 43,10—12) die christliche Position darzustellen: somnus Adae mors erat Christi dormituri in mortem (anim. 43,10). Im Rahmen seiner Ausführungen über die gottgewollte Nützlichkeit des Schlafes für den Körper verweist TertuUian auf den Wechsel von Tag und Nacht, mit welchem der Schöpfungsplan die Möglichkeit regelmäßiger Erholung biete. Dazu sei die nox /.../ auferens /.../ rerum colorem vorgesehen. Darin nimmt TertuUian einen Ausdruck aus dem sechsten Aeneisbuch auf, mit dem Vergil die Dunkelheit der Unterwelt charakterisiert, Aen. 6,272 (270— 272): quäle per incertam lunam sub luce maligna est iter in silvisf ubi caelum condidit umbra Iuppiter, et rebus nox abstulit atra colorem. TertuUian paßt die vergilische Formulierung morphosyntaktisch an, stellt die Reihenfolge so um, daß das Subjekt an den Anfang tritt, läßt das redundante Adjektiv atra weg und ersetzt den Dativ rebus durch den Genitiv rerum1. Hinter der Wendung steht die grundsätzliche Beobachtung, daß das menschliche Auge bei Dunkelheit keine Farben mehr erkennt. Vergil drückt also einen täglich erfahrbaren Sachverhalt aus, den TertuUian und spätere Autoren2 als Charakteristikum der Nacht übernehmen. Doch zieht TertuUian den Ausdruck nicht nur als klassische Formulierung einer sensiblen Beobachtung heran, wie in der Dunkelheit wahrgenommen wird, vielmehr scheint er diesem auch ein inhaltliches Gewicht beizumessen. Denn daß die Nacht das Erkennen von Farben unmöglich macht, knüpft an die gerade (anim. 43,5) bejahend wiedergegebene stoische Anschauung vom Schlaf als resolutio sensualis vigoris an. Die von Vergil erfaßte Eigenschaft der Nacht wird also nicht um des ornatus oder um ihrer selbst wUlen angeführt, sondern weil sie ins vorgestellte Konzept der von Gott für den Schlaf bestimmten Dunkelheit paßt. WASZINK ad i 466.138 verweist darauf, daß TertuUian öfter Genitiv statt eines zu erwartenden Dativs setzt. Dazu COURCELLE Lecteurs 433 Anm. 52. Prud. cath. 2,7 und Claud. 26,437 kehren die Metaphorik um: Bei ihnen verleiht das Licht Farbe und Kraft, c/. C. WEYMAN, Beiträge zur Geschichte der christlich-lateinischen Poesie, München 1926, 67.
70
IM
Tertullian
anim. 50,3 Legimus quidem pleraque aquarum genera miranda, sed aut ebriosos reddit Lyneestarum vena vinosa aut Lymphaticos efficit Colophonis scaturigo daemonica aut Alexandrum occidit Nonacris Arcadiae venenata. Puit et ludaeae lacus medicus ante Christum. Plane Stygias paludes poeta tradidit mortem diluentes, sed et Thetisßium planxit. Quamquam si et Menander in Stygem mergit9 moriendum erit nihilominusf ut ad Stygem venias; apud inferos enim dicitur. Den Abschnitt über den Tod (Kapitel 50—53) beginnt Tertullian mit einer Polemik gegen den Häretiker Menander, der behauptet, in hoc scilicet se a superna et arcana potestate legatum, ut immortales et incorruptibiles et statim resurrectionis compotes fiant, qui baptisma eins induerint (anim. 50,2). Dagegen räumt Tertullian zwar die Existenz mancher aquarum genera miranda ein,1 aber die Fähigkeit, vor dem Tode zu bewahren, hätten auch die Wasser der Styx nicht. Hier bezieht sich Tertullian auf den Mythos von Thetis, die Achill als Kind zwar in der Styx badet, um ihn unverwundbar zu machen, aber seinen Tod doch nicht verhindern kann, da ihn der Pfeil des Paris in die Ferse trifft, an der Thetis ihn gehalten hatte. Als Gewährsmann für dieses nutzlose Bad in der Styx nennt Tertullian einen poeta. Die Stygia palus läßt zunächst an Vergil denken: Auf dessen Unterweltsbeschreibung (Aen. 6,323 Cocyti stagna alta vides Stygiamque paludem, 369 flumina tanta paras Stygiamque innare paludem) geht die Junktur zurück, die hier erstmals2 in Prosa erscheint und von den späteren christlichen Autoren öfter aufgenommen wird.3 Jedoch spricht Vergil nicht vom Bad des kleinen Achill, überhaupt findet sich die erste erhaltene dichterische Erwähnung dieser Episode erst in der Achilleis des Statius, 1,133*9. :4 /.../ saepe ipsa — nefas! — sub inania natura Tartara et ad Stygios iterum fero mergere fontes. Sollte also Statius der angesprochene poeta sein? Doch ist die Erwähnung bei Statius zu marginal und der Dichter selbst zu unbekannt,5 als daß Tertullian sich sinnvollerweise darauf mit einem bloßen poeta tradidit beziehen könnte. Größere Wahrscheinlichkeit kann demgegenüber ein indirekter Bezugs1
2 3 4
5
Die erstgenannten Wasser hat Tertullian, wie WASZINK (ad i 52159.) anmerkt, aus Plinius (nat. 2,130—132), dann bezieht er sich auf die neutestamenthche Schilderung vom Teich Betesda (Joh 2,2—5). Nach PHI 5.3 und CLCLT-5. Siehe unten (164) zu Min. Fei. 35,1*?. Dazu O.A.W. DILKE, Statius, Achilleid- Edited with Introduction, Apparatus Criticus and Notes, Cambridge 1954, ad L 94; nochmals angedeutet Stat. Ach. 1,266—272. Cf. Anneliese KOSSATZ-DEISSMANN, 'Achilleus', LIMC 1,1 (1981) 37—200, vor allem 40— 45; Monique ROUSSEL, Biographie legendaire d'Achille, Amsterdam 1991, vor allem 74—85; Dorothea SIGEL, AAchilleus. B. Literarische Überlieferung', DNP 1 (1996) 76— 78, hier 77. Auch Hist. Aug. Gord. 3,3, bei VON ALBRECHT Literatur II 757 als Hinweis auf eine Rezeption gewertet, bezeugt eine solche nicht, K. SALLMANN, HLL 4 (1997) 599, zur Unechtheit.
II. 1.2 Die Vergilzitate
71
punkt bei Vergil für sich beanspruchen: Im sechsten Aeneisbuch nämlich wendet sich Aeneas an Apoll als denjenigen, Aen. 6,57sg. Dardana qui Paridis derexti tela manusque corpus in Aeacidae /.../. Diese Anrede erklärt Servius folgendermaßen, Aen. 6,57: Achilles, a matre tinctxis in Stygem paludem, toto corpore invulnerabilis fuit, excepta parte qua tentus est. qui cum amatam Polyxenam ut in templo acciperet statuisset, insidiis Paridis post simidacrum latentis occisus est: undefingiturquod tenente Apolline Paris direxerit tela. Die antike Vergilerklärung bietet also zu einer Stelle des sechsten Aeneisbuches den Mythos von Achills Feiung in der Styx palus. Tertullian kommt dem sprachlich mit seiner Formulierung Stygia palus nahe, die außerdem auf die vergilische Diktion desselben Buches zurückgeht. Mit poeta tradidit dürfte er sich also auf Vergil einschließlich der Kommentierungen beziehen.1 Vielleicht hat Tertullian nicht genau in Erinnerung, wie wenig Anhalt diese mythische Episode, die ihm aus der mündlichen oder schriftlichen Vergilerklärung bekannt ist und die er mit dem Stichwort Stygia palus in Zusammenhang bringt, im Wortlaut des Vergiltextes eigentlich hat. Bemerkenswert deutlich wäre in diesem Fall der Einfluß der schulischen Praxis zu erkennen, in der die Aeneis als universales Lehrbuch dient und an besagter Stelle zu einem Exkurs über den entsprechenden mythologischen Hintergrund Anlaß gibt. Wollte man das annehmen, dann lägen hier einige typische Merkmale für Tertullians Umgang mit Vergil vor: Eine in Inhalt oder Motivik passende Stelle, die Tertullian aus seiner rhetorischen Ausbildung vertraut ist, wird spontan assoziiert und ohne besondere Sorgfalt eingebaut, sogar mit einer ausdrücklichen Markierung.2
Weitere Beispiele für Vergilzitate, bei denen offenbar Kommentarwissen interferiert, bieten etwa M. MAYER, Acotaciones a Apuleyo (Apol. 10), Durius 1 (1973) 277—285; MESSMER 124sq.; siehe auch unten 342 Anm. 1. Natürlich wären auch noch andere Möglichkeiten denkbar, etwa: (1) Tertullian bezieht sich auf eine verlorene, zu seiner Zeit aber hinreichend bekannte Dichtung, die vielleicht auch, in Nachahmung Vergils, von Stygia palus gesprochen haben könnte. Für die Annahme eines solchen Werkes fehlen aber sonstige Indizien. (2) Tertullian nimmt poeta hier cum grano salis und meint damit die dem Bereich der Dichtung insgesamt zugeordnete mythologische Überlieferung, die davon berichtet (Hyg. fab. 107 zur Verwundbarkeit an der Ferse). Wenn sich Tertullian aber bewußt auf die Mythologie im allgemeinen bezöge, wäre eher von fabulae oder wenigstens von poetae die Rede als von einem poeta. (3) Tertullian glaubt irrtümlich, Homer berichte diese Episode, da der Tod des Achill (obwohl nur zweimal vorausschauend erwähnt: II. 19,417; 22,359) und damit verbunden die Achillesferse und deren Ätiologie, durchaus mit der Uias zu assoziieren wäre, und bezieht sich auf ihn als den poeta schlechthin. Wahrscheinlicher ist aber der angenommene Bezug auf Vergil.
72
II. 1
Tertullian
anim. 53,6 Procul dubio cum vi mortis exprimitur de concretione carnis et ipsa expressione colatur, certe de oppanso corporis erumpit in apertum ad meram et puram et suam lucem, statim semetipsam in expeditione substantiae recognoscit et in divinitatem ipsa libertate resipiscit, ut de somnio emergens ab imaginibus ad veritates. Tunc et enuntiat et videt, tunc exultat aut trepidat, prout paraturam devorsorii sui sentit, de ipsius statim angeli facie, evocatoris animarum, Mercurii poetarum. Den Abschnitt über den Tod (Kapitel 50—53) beschließt Tertullian mit Überlegungen zur Trennung der Seele vom Körper. Den Übergang zu den Ausführungen über das Jenseits (Kapitel 54—58) stellt ein Hinweis auf den Engel her, in dessen Gesicht die Seele bereits eine Vorahnung des Kommenden erblicken könne. Diesen Engel identifiziert Tertullian mit dem Mercurius poetarum, also dem cEp|irjc <\>X>XOKO\LK6<; der Mythologie. Der verwendete Ausdruck evocator animarum deutet darauf hin, daß Tertullian die vergilische Schilderung Merkurs vor Augen hat. So heißt es im vierten Aeneisbuch über den sich zu seinem Botengang nach Karthago rüstenden Gott, Aen. 4,242—244: Tum virgam capit: hac animas ille evocat Orco pallentis, alias sub Tartara tristia mittit, dat somnos adimitque, et lumina morte resignat In der Unterweltsschilderung begegnet der Ausdruck evocare animas noch einmal, der handelnde deus ist nach Servius wiederum Merkur, Aen. 6,749 (748—751): hos [sc. animas) omnis, ubi mille rotam voluere per annos, Lethaeum ad fluvium deus evocat agmine magno, scilicet immemores supera ut convexa revisant rursus, et incipiant in corpora velle reverti. Vergil übernimmt an beiden Stellen mit evocare animas einen homerischen Sprachgebrauch, das griechische Vorbild wird aber vor allem bei der Beschreibung des Merkur im vierten Buch erkennbar, Od. 24,1—4: 'EftiYK hl <\>vxh$ KoXXyjvoic 6£ex<xXeixo iv&ptöv iivrprcfjfxov' fye 51 £Aß8ov \uxk yppol xaXf|v xpwelr)v, xfj x' &v5pa>v önjxaxa QiXyti, &v i6£Xti, xoix; 5' otuxc xotl Oicvaiovxac iyelpet. Tertullian übernimmt animas evocare in einer singulären Substantivierung evocator animarum.1 Den primären Bezugspunkt, auf den Tertullian dann mit Mercurius poetarum ausdrücklich hinweist, stellt zweifellos die Passage 1
Cf. ThLL V,2 s.v. evocator 1052,63—68. Auf die Stelle Aen. 6,749 nimmt auch Aug. civ. 10,30 (Piatonice videtur dixisse Vergüius) Bezug. Eine entgegengesetzte Erklärung des Verhältnisses beider Stellen bietet RAPISAROA L'angelo dclla morte: Von der Tertullianstelle aus, an der evocator animarum im juristischen Sinne von 4accusatore delle anime' zu verstehen, aber auf das vergilische animas /.../ ecovat (Aen. 4,242) zurückzuführen sei, werde deutlich, daß Vergil Merkur Aen. 4,242 nicht als (angek> della morte1, sondern
II. 1.2
Die Vergilzitate
73
aus dem vierten Aeneisbuch dar. Vielleicht soll aber im Hintergrund auch die Homerstelle anklingen; der Plural poetarum könnte in diese Richtung weisen, muß aber nicht mehrere Dichter implizieren. Tertullian sucht den locus classicus für Merkur als Seelengeleiter und findet in der mit ikonographischen Zügen, etwa dem Attribut der virga, ausgestatteten und auf Homer bezogenen Darstellung im vierten Aeneisbuch den idealen Bezugspunkt. Bemerkenswert ist dabei aber, daß Tertullian gegenüber Vergil die Richtung des evocare ändert: Bei Vergil führt Merkur die Seelen aus einem Ort im Totenreich fort, so Aen. 4,242 animas ille evocat Orco, Tertullian hingegen setzt ihn parallel zu einem Engel, der aus dem Leben ins Totenreich führt. WASZINK denkt an eine Verwechslung des bloßen Separativs Orco mit einem Richtungsdativ,1 wahrscheinlicher ist aber, daß Tertullian einerseits die dichterische und populärreligiöse Vorstellung vom Seelengeleiter und andererseits die vergilische Formulierung animas evocare vor Augen hat und ohne nähere Überlegungen über die Semantik des Verses verbindet. 1.2.3
Praktisch-asketische Schriften
ad mariyraa In seiner vielleicht ältesten datierbaren Schrift wendet sich Tertullian an eingekerkerte Christen und sucht ihnen TVost zu spenden, zunächst ob der Gefangenschaft (Kapitel 1—3), dann ob des bevorstehenden Martyriums (Kapitel 4—6).2 mart. 4,9 Igitur si tantum terrenae gloriae licet de corporis et animae vigorey ut gladium, ignemy crucem, bestias, tormenta contemnant sub praemio laudis humanaet possum diceref modicae sunt istae passiones ad consecutionem gloriae caelestis et divinae mercedis. als Richter darstellen wolle (310): "Mercurio, neirOrco, chiama a giudizio le anime e dairOrco le invia (mittit) nei luoghi tristi del Tartaro." — RAPISARDA bietet im Grunde also eine Interpretation der Vergi Istelle aus der Tertullian parallele, die auf der petitio principii beruht, daß Tertullian mit evocator animarum tatsächlich 4accusatore delle anime* meint. Warum aber hätte Tertullian ein so verstandenes evocat /.../ animas übernehmen sollen? Denn zum einen widerspricht Merkur als Richter über die Seelen der Verstorbenen grundlegend christlicher Eschatologie, zum anderen sieht RAPISARDA bei Tertullian schließlich doch wieder nur den 4angelo della morte' und nicht den 'accusatore delle anime1 gezeichnet, so spricht er vom "notevole influsso esercitato da Virgilio sugli scrittori paleocristiani circa la rappresentazione dell'angelo della morte*' (312). Für das Verständnis der Tertullianstelle helfen RAPISARDAS Ausführungen also kaum weiter, seiner Interpretation zu Aen. 4,242 stehen die Parallelen Aen. 6,750 und Hom. Od. 24.1s?. entgegen, an denen sicher kein Totengericht gemeint sein kann, da es im ersten Fall auf die Wiedergeburt zugeht und im zweiten ein pythagoreischer Einfluß, den RAPISARDA (311) hinter der Aeneisstelle sieht, ausscheidet. 1
WASZINK ad L 547.
2
Zu Datierung und Forschungslage H. TRANKLE, HLL 4 (1997) 479; für eine Priorität von ad nationes etwa R. BRAUN, Sur la date, la composition et le texte de YAd martyras de Tertullien, in: ders., Approches 157—178, erstmals REAug 24 (1978) 221—242.
74
II. 1
Tertullian
Am Ende der Beispiele paganen Opfermutes zieht Tertullian die Folgerung für die Christen: Wieviel müßten sie erst für die gloria caelestis ertragen, wenn andere schon für die gloria terrena leiden. Der Ausdruck tantum licet alicui frei) de aliquo ist erstmals bei Vergil (Aen. 6,502 Aeneas zu Deiphobus: cui tantum de te licuit?) belegt, Tertullian selbst verwendet ihn auch an anderer Stelle (nat. 1,7,1, dazu oben 41). Hier geht es sicher nicht um eine für jeden Leser nachvollziehbare Vergilreferenz, sondern um eine wirkungsvolle Formulierung für den menschlichen Durchhaltewillen. de
spectaculis
In der Schrift de spectaculis wendet sich Tertullian an seine christlichen Glaubensbrüder, um ihnen darzulegen, daß der Besuch öffentlicher Darbietungen gleich welcher Art für einen Christen nicht statthaft sei.1 Nachdem er einleitend (Kapitel 1—4) eine biblische Begründung für ein Verbot der Spiele gegeben hat, erweist er zunächst (Kapitel 5—13) anhand antiquarischer Belege den kultischen Ursprung und somit den heidnisch-religiösen Charakter der spectacula, dann (Kapitel 14—27) zeigt er die mannigfachen sittÜchen Gefährdungen auf, die bei Massenveranstaltungen drohen, schließlich (Kapitel 28—30) ermahnt er die Christen, die irdischen spectacula den Heiden zu überlassen, sich selbst aber am zu erwartenden adventus domini (spect. 30,1) zu ergötzen. spect. 9,3 (1) Nunc de artificio quo circenses exhibentur. Res equestris retro simplex de dorso agebaturf et utique communis usus reatus non erat Sed cum ad ludos coactus estf transiit a Dei munere ad daemoniorum officia. (2) Itaque Castori et Polluci deputatur haec species, quibus equos a Mercurio distributos Stesichorus docet Sed et Neptunus equestris est, quem Graeci titftiov appellant. (3) De iugo vero quadrigas Soli, bigas Lunae sanxerunt. Sed et* primus Erichthonius currus et quattuor ausus iungere equos rapidusque rotis insistere victor. Erichthonius, Minervae et Vulcani filius, et quidem de caduca in terram libidine, portentum est daemonicum, immo diabolus ipse, non coluber. Im Kapitel 9 trägt Tertullian die Belege dafür zusammen, daß die im Zirkus aufgeführten Spiele ihren Ursprung im heidnischen Kult haben. Die Fahrt mit der Quadriga führt Tertullian zunächst auf Sol zurück, die Fahrt mit dem Zweiergespann auf Luna. Dann erwähnt er auch noch Erichthonios als icpäxoc eupexrj{ des Vierergespannes, indem er zwei Verse aus Vergils Ausführungen über Pferdezucht im dritten Georgikabuch zitiert, georg. 3,113s. (110—117): 1 2
Zur Forschungslage H. TRÄNKLE, HLL 4 (1997) 487sg. interpungiert in seinem CC-Text Sed et: * Primus /.../'• Wie dagegen die Aussage eigentlich lauten muß, gibt K.-W. WEEBER, Quintus Septimius TertuUianus, De spectaculis. Über die Spiele. Lateinisch/deutsch, Stuttgart 1988, treffend wieder: "Aber außerdem war "Erichthonius der erste, [.-.]'•" Entsprechend ist zu interpungieren. DEKKERS
II. 1.2
Die Vergilzitate
75
nee mora nee requies; at fulvae nimbus harenae tollitur, umeseunt spumis flatuque sequentum: tantus amor laudum, tantae est victoria curae. primus Ericthonius currua et quattuor ausus tungere equos rapidusque rotis insistere victor. firena Pelethronii Lapithae gyrosque dedere impositi dorso, atque equitem doeuere sub armis insultare solo et gressus glomerare superbos. Das wörtliche Zitat ohne Autorenangabe wird mit sed et als zweite, abweichende Variante eingeführt, die Einleitungsworte sind in die Syntax der Vergilverse zu ziehen, das Zitat führt den Gedanken unmittelbar weiter. Vergil fungiert demnach als eine dem Leser direkt zugänglich gemachte Quelle. Allerdings benutzt Tertullian für die antiquarischen Ausführungen über den Ursprung der Spiele (Kapitel 5—13) vermutlich1 die ludicra historiades Sueton als Vorbild. Daher ist zu fragen, ob Tertullian die vergilische Variante von der Erfindung der Quadriga dort bereits vorgefunden oder selbständig in das übernommene Gut2 eingefügt hat. Daß bereits Sueton in diesem Zusammenhang auf Vergil verweist, dafür spricht zum einen die Tatsache, daß die Reihe der Versionen nach dem Zitat noch weitergeht. Einen Zusatz hätte Tertullian vielleicht eher am Ende plaziert. Zum anderen ist es nicht wahrscheinlich, daß die Vorlage gerfiuie die vergilische Variante noch nicht oder ohne Hinweis auf Vergil enthalten hätte. Anscheinend findet Tertullian also den Hinweis auf die Georgika schon vor, hebt ihn aber dadurch konzeptionell heraus, daß er ein wörtliches Zitat beibehält und die etymologischen Überlegungen zum Namen Erichthonius folgen läßt.3
ad uxorem Um das Jahr 200 verfaßt Tertullian die beiden Bücher ad uxorem, in denen er seiner Gattin moralische Unterweisungen für den Fall seines Todes gibt.4 Im ersten Buch rät er dazu, von einer Wiederverheiratung abzusehen, im zweiten führt er die Schwierigkeiten vor Augen, die sich aus einer Ehe mit einem Heiden ergeben. 1
2
Aus spect. 5,8 (positum est apud Suetonium Tranquillum vel a quibus Tranquillus aeeepit) läßt sich folgern, daß ein antiquarisches Werk des Sueton über den Ursprung der Spiele den Darstellungen zugrunde liegt, und zwar die Bücher 5—7 seines pratum de rebus variis mit den Themen historia ludicra (5—7) bzw. de speetaculis Romanorum (5s
3
Cf. BÜCHNER ad /. 101 — 103.
4
Zu Datierung, Adressaten und Forschungsstand H. TRÄNKLE, HLL 4 (1997) 493sq.
76
II. 1
Tertullian
uxor. 2,6,1 (At) moratur dei ancilla cum laribus alienis: et inter Mos Omnibus fhominibus] daemonum, Omnibus solemnibus regum, incipiente anno, incipiente mense, nidore turis agitabitur1 ? Im Kapitel 6 des zweiten Buches führt Tertullian aus, daß die Ehe mit einem Heiden, auch wenn dieser sich tolerant gegenüber dem christlichen Glauben seiner Gattin zeigt, dennoch im pagan geprägten Alltagsleben zahlreiche Anfechtungen für die Christin mit sich bringt. So verfolge sie zu Beginn eines neuen Jahres und Monats der Weihrauchduft. Die Formulierung nidore agitari könnte sich an die ersten Verse aus den Anweisungen zum Ausräuchern von Ställen zur Abwehr von Schlangen im dritten Georgikabuch anlehnen, georg. 3,4145g.: Disce et odoratam stabulis accendere cedrum galbaneoque agitare gravis nidore chelydros. Die Verbindung von nidore und agitare ist außergewöhnlich,2 außerdem werden die Verse auch bei Columella (7,4,6) zitiert und passen, da es um das Ausräuchern geht, in den Kontext, wenngleich bei Tertullian das kultische tus verbrannt wird. Allerdings scheint es Tertullian nicht so sehr um die Referenz auf die Vergilstelle zu gehen, sondern um eine ausgefallene Formulierung für das Räuchern. Die Pointe liegt nämlich darin, daß die Christin vom idolatrischen Weihrauchopfer wie ein zu bekämpfendes Ungeziefer vertrieben wird. Die vergilische Formulierung ist also gewählt, weil sie die gewünschte Assoziation mit dem Ausräuchern von Schädlingen herstellt, ohne daß dabei aber dem Leser die Georgikastelle bewußt werden muß. de Corona coron. 1,2 infrendere: Siehe oben (51) zu apol. 12,6. de fuga in
persecutione
In der montanistischen Schrift, entstanden während oder kurz nach der Verfolgung unter Prokonsul Scapula (211—212), legt Tertullian seine rigoristische Position dar, wonach es für einen Christen unter keinen Umständen 1
2
So der Text der Handschriften, der Ausgaben von STEPHAN und MUNIER sowie der Übersetzung von Christine MOHRMANN, Apologeticum en andere geschriften uit Tertullianus' voor-Montanistischen tijd, Utrecht 1951; KROYMANN hingegen konjiziert in seinem CC-Text nidorem turis agitabiU dagegen wendet sich zu Recht STEPHAN ad i 145: uVoor de verändertng bestaat m.i. geen reden. Cf. Ad Mart. 2: non vides alienos deos non nidoribus spurcis verberaris. Agitare Staat hier in de overdr. beteekenis van kwellen, verontrusten, plagen, welke zeer gebruikelijk is." ThLL I s.v. agito 1330,53s?. hat nur die Vergilstelle für nidar als Mittel zum Verjagen, allerdings ist die Stelle im Zusammenhang 4Jagen von Wild* eingeordnet. OLD und FORCELLINI s.v. nidor bieten für nidor als Mittel zum Vertreiben Verg. georg. 3,415; Plin. nat. 12,126 [galbanum] si uratur, fugat nidore serpente$(a,us Vergil?) und Tert. uxor. 2,6,1. PHI 5.3, BTL-2 und CLCLT-5 bieten nichts über die genannten Stellen hinaus.
II. 1.2
Die Vergilzitate
77
statthaft sei, sich einer Verfolgung zu entziehen:1 Die Verfolgung sei eine gottgesandte Prüfung, der wahre Christ wolle und könne ihr nicht entfliehen (Kapitel 1—4). Die Schrift spreche sich nicht für, sondern gegen eine Flucht aus (Kapitel 5—9). Weder Laie noch Geistlicher dürfe sich der Verfolgung entziehen (Kapitel 10sg.), auch nicht durch Bestechung (Kapitel 12—14). fug. 10,1 Sed omissis quidam divinis exhortationibus illum magis Graecum versiculum saecularis sententiae sibi adhibent: 'Qui fugiebat, rursus proeliabitur\ Ut et rursus forsitan fugiat! Et quando vincet qui, cum fugerit, victus est? Bonum militem Christo imperatori suo praestat qui tarn plene ab apostolo armatus tuba persecutionis audita diem deserit persecutionis! Respondebo et ego de saeculo aliquid: 'Usque adeone mori miserum est?' (2) Moriatur quoquo modo aut victus aut victor. Nam etsi negando ceciderit, cum tormentis tarnen proeliatus. Im Kapitel 10 setzt der Gedankengang nach der exegetischen Argumentation der Kapitel 5 bis 9 neu ein mit einem den Fluchtbefürwortern in den Mund gelegten griechischen Vers in lateinischer Übersetzung, den bereits Gellius, allerdings im originalen Wortlaut nach Menander (monost. 45 &Wjp 6 ^euycov xal TC&XIV (iax^oexai), als versus notissimus zitiert.2 Diesem heidnischen3 Sprichwort (sententia saecularis) will Tertullian ebenfalls de saeculo aliquid entgegensetzen und zitiert einen bis zur Hephthemimeres reichenden Versteil aus der Aeneis, in der Turnus die Aufforderung seiner Schwester Iuturna, sich durch Flucht zu retten, zurückweist, Aen. 12,646 (645—647): Terga dabo et Turnum fugientem haec terra videbit? usque adeone mori miserum est? vos o mihi, Manes, este boni, quoniam superis aversa voluntas. Dabei handelt es sich um ein sehr häufig gebrauchtes Sprichwort: Seneca verwendet es als Motto des Todesmutigen, jemand ruft es nach Sueton aus, als Neros Selbstmord auf sich warten läßt, Quintilian zitiert es als Musterbeispiel einer sententia, Macrobius nennt es in einer Aufzählung von geflügelten Worten aus Homer und Vergil, die vice proverbiorum in omnium ore fungantur (Sat. 5,16,6).4 Allerdings läßt Tertullian die Kenntnis des Kontextes durchblicken, wenn er das Sprichwort in eine kriegerische Metaphorik einpaßt.5 1 2 3
4 5
Zu Datierung und Forschungsstand H. TRÄNKLE, HLL 4 (1997) 492. Cf OTTO 148 Nr. 726; Cell. 17,21,28—32. Cf. THIERRY ad L 198; I. ROCA MELIÄ, Significado especial del saeculum tertulianeo. Helmantica 26 (1975) 523—552. Sen. epist. 101,13; Suet. Nero 47,lsg.; Quint. inst. 8,5,6; Macr. Sat. 5,16,7; cf. OTTO 228 Nr. 1140; COURCELLE Lecteurs 692. Diese Beobachtung könnte zu der Vermutung führen, Tertullian nehme durchaus nicht unbewußt die Position des unterlegenen, todgeweihten Turnus ein. Auch in den Zitaten über Juno und Karthago (nat. 2,17,6; apol. 25,8) liest er die Aeneis ja aus der Perspektive der Verlierer und gegen die Aeneadae. Dieser Aspekt könnte aber höchstens für die Auswahl des Zitates, nicht für dessen Leserausrichtung eine Rolle spielen. Im übrigen ist die militxa des Christen in der Verfolgung eine ganz übliche Metaphorik, so etwa THIERRY ad /. 199.
78
II. 1
de exhortatione
Tertullian
castitatis
castit. 13,3 Dido: Siehe unten 85549. de
monogamia
monog. 17,2 regina Carthaginis: Siehe unten 85594.
1.3
Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil, Aeneas und Dido
Neben den bis hierher erörterten Zitaten nehmen die namentlichen Erwähnungen des Autors Vergil und der mythologischen Figuren Aeneas und Dido eine Sonderstellung ein: Zwar kann durch eine bloße Namensnennung sehr wohl eine intertextuelle Beziehung zustande kommen, insbesondere wenn zur Markierung eines Zitates der Autor angegeben wird oder eine bekannte literarische Gestalt aus einem Prätext als re-used figure1 im Folgetext erscheint.2 Was aber die im Anschluß erörterten Stellen kennzeichnet und von den übrigen Zitaten deutlich abhebt, ist zum einen das gänzliche Fehlen einer wörtlichen Textberührung und zum anderen die Komplexität und Indirektheit des Vergilbezuges. 1.3.1
Vergil
Tertullian nennt Vergil an zwei Stellen: In der Schrift ad nationes markiert er ein kurzes Zitat durch die Nennung des Autors, um eine Pointe abzusichern.3 Anders geartet ist die zweite Erwähnung: In den Kapiteln 38 bis 40 seines ersten antihäretischen Werkes de praescriptione haereticorum4 greift Tertullian die manipulativen Methoden an, mit denen die Häretiker scheinbare Belege für ihre Lehren aus der Heiligen Schrift gewinnen und zusammenstellen, im Kapitel 40 vergleicht er dieses Vorgehen mit Centonendichtung, praescr. 39,3sg.: (1) Haec sunt ingenia de sptntaltbxis nequitiae cum quibus luctatio est nobis, fratres, merito contemplanda, fidei necessaria ut electi manu festentur, ut reprobi detegantur. (2) Et ideo habent vitn et in excogitandis instruendisque erroribus facilitatem, non adeo mirandam quasi 1 2 3 4
Cf. etwa W.G. MÜLLER, Interfigurality. A Study on the Interdependence of Literary Figures, in: PLETT Intertextuality 101—121, hier 107—112. Zu diesen Formen der onomastischen Markierung HELBIG 113—117. nat. 2,13,20, dazu oben 46sq. Entstanden deutlich vor 207/8, wendet sich die 'Prozeßeinrede' (praescriptio) gegen die Gesamtheit heterodoxer Lehren, insbesondere aber gegen Markion, Apelles und Valentinus. — Zur Datierung, zum Verständnis des Titels und insgesamt zur Forschungslage H. TRÄNKLE HLL 4 (1997) 458—460.
II. 1.3 Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil, Aeneas und Dido 79 difficilem et inexplicabilem, cum de saecularibus quoque scripturis exemplum praesto sit eiusmodi facilitatis. (3) Vides hodie ex Vergilio1 fabulam in totum aliam componi, materia secundum versus et versibus secundum materiam concinnatis. (4) Denique Hosidius Geta Medeam tragoediam ex Vergilio plenissime exsuxit. Meus quidam propinquus ex eodem poeta inter cetera stili sui otia Pinacem Cebetis explicuit. (5) Homerocentones etiam vocari solent qui de carminibus Homeri propria opera more centonario ex multis hinc inde compositis in unum sarciunt corpus. (6) Et utique fecundior divina litteratura ad Jacultatem cuiusque materiae. (7) Nee periclitor dicere, ipsas quoque scripturas sie esse ex Dei voluntate dispositas, ut haereticis materias subministrarent cum legam oportere haereses esse quae sine scripturis esse non possunL Die Praxis, solche Flickgedichte aus dem Schulklassiker Vergil zu verfertigen, ist hier erstmals ausdrücklich belegt, muß aber Tertullians Darstellung nach unter seinen Zeitgenossen (§3 hodie) modern und häufig geübt sein. 2 Als Charakteristikum stellt er dar, daß sich ein vollkommen neuer Inhalt (§3 fabviam in totum aliam) aus dem zu einem formal zusammenpassenden Ganzen gefügten Sprachmaterial ergebe. Dann (§4) nennt Tertullian zwei Beispiele von Vergilcentonen, die Medea des Hosidius Geta 3 und eine Bearbeitung der tabula Cebetis durch einen Verwandten 4 , welche dieser inter cetera stili sui otia angefertigt habe. Anhand der homerocentones verdeutlicht Tertullian schließlich (§5) nochmals, indem er auf die Bedeutung von cento zurückgreift, die Vorgehensweise der Tlick'dichtung. 5 Es ist also nicht Vergil, sondern dessen Rezeption zur Zeit Tertullians, worauf dieser sich hier bezieht, auf den Dichter selbst fällt kein schlechtes Licht: Das Werk des Hosidius Geta und die Stilübung seines Verwandten wertet Tertullian keineswegs ab, eher sieht er darin Kuriosa. Der leicht despektierliche Ton über die homerocentones erklärt sich aus dem Spiel mit der Metaphorik von cento, und der Zusammenhang mit den Häretikern ficht 1
2 3 4
5
REFOULE setzt in seinen CC-Text das mehrheitlich überlieferte Virgilio. Die Namensform Virgilius erscheint erst vom 5. Jahrhundert an, c/. K. BÜCHNER, 4Vergilius\ K1P 5 (1975) 1190—1200, hier 1190. Tertullian muß von Vergilius gesprochen und geschrieben haben. Cf Rosa LAMACCHIA, 4Centoni\ EV 1 (1984) 733—737; H.A. GÄRTNER, 4Cento\ DNP 2 (1997) 1061—1064; M. BECK, 'Cento*v LACL (2002) 143sq. Cf. PL. SCHMIDT, HLL 4 (1997) §495, dort auch Verzeichnis der Editionen. In den Worten plenissime exsuxit scheint eher ein Staunen als eine Abwertung zu liegen. Beim FUva£ des Kebes handelt es sich um einen wohl ins erste Jahrhundert n.Chr. gehörigen, sich pythagoreisch gebenden Dialog, der im Rahmen der Erklärung eines Kronos- Heiligt ums und seines Bilderschmuckes den Weg zur rechten Bildung erläutert; cf. REFOULE ad /. 143; LESKY Literatur 978. Mit explicuit kann übrigens keine 'Erklärung1 (so die Übersetzung von DE LABRIOLLE: ua explique") gemeint sein, vielmehr muß es sich um eine Übersetzung (cf ThLL V,2 s.v. explico 1735,16—23), genauer gesagt eine freie Übertragung in lateinische Hexameter handeln. Die Homercentonen erwähnt in der antihäretischen Polemik schon Iren. 1,1,20; cf. REFOULE ad l. 143.
II. 1 Tertullian
80
weder Vergil als Vorlage noch die Centonendichter an, die vielmehr als anschauliches Beispiel auf einem anderen, rein literarischen Gebiet dienen. Die formale Besonderheit des Zitates besteht in der Art der Bezugnahme, genauer gesagt in ihrem hohen Abstraktionsgrad: Es liegt keine Textreferenz vor, sondern eine Thematisierung literarischer Rezeption.1 1.3.2
Aeneas
Neben einer knappen Erwähnung des römischen Nationalheros im Apologeticum2 ist vor allem eine Stelle zu berücksichtigen: Im zweiten Buch ad nationes geht TertulUan zunächst nach Varros Konzept der theologia tripartita vor (nat. 2,1,759.) und unterscheidet demgemäß unter den paganen Gottesvorstellungen ein genus physicum, quod philosophi retractant, aliud mythicum, quod inter poetas volutatur, tertium gentile, quod populi sibi quique adoptaverunt (nat. 2,1,10). Dem genus physicum sind die Kapitel 2 bis 6 gewidmet, den mythologischen Göttern das Kapitel 7, den Göttern fremder Städte und Staaten das Kapitel 8. In den Kapiteln 9 bis 11 befaßt sich Tertullian dann mit den römischen Sondergöttern, bei denen er zwei Arten unterscheidet: alios de hominibus assumptos, alios mente conceptos (nat. 2,9,10). Als erstes Beispiel eines vergöttlichten Sterblichen nennt er den als Pater Indigens divinisierten Aeneas und geht einige Episoden der Aeneasüberlieferung durch, nat. 2,9,12—18: (12) Patrem Indigentem Aenean crediderunt, müitem numquam gloriosum, lapide debilitatum. Quod telum quantum volgare atque caninum, tanto ignobile volnus. Sed et proditor patriae Aeneas invenitur, tarn Aeneas quam Antenor. (13) Ac si hoc verum nolunt, Aenea(s) certe patria flagrante dereliquit socios, feminae Punicae subiciendust quae maritum Hasdrubalem, Aeneae timiditate in his supplicantem hosti, non comitata, raptis secumfiliisformam et patrem sibi habere non in fugam sapitf sed in ignes ardentis Carthaginis ut in amplexus patria(e) pereuntis incubuit. (14) Pius Aeneas ob unicum puerum et decrepitum senem Priamo et Astyanacte destitutis? Atquin Romanis magis detestand(us)t qui pro salute principum et domus eorum adversus liberos et coniuges et (omne) pignus suum deierant. (15) Consecra(n)t filium Venerisf et hoc Volcanus scien(s pa)titur et luno concedit. (16) Si baiuli parentum in caelo sedent, cur non potiu{s) Argivi iuvenes dei habitif quod matrem ne in sacris piaculum commi(t)tere(t), plus quam humano more iugcUes provexerunt? (17) Cur non magis dea, qua(e) magis piat illa filia patris in carcere fame defecti uberibus suis educ(atrix) ? (18) Quid aliud Aeneae gloriosum, nisi quod proelio Laurentino nusq(uam) comparuit? Rursus forsitan solito more quasi desertor e proelio fugerit. 1 2
Nach HELBIG (131—135) die Potenzierungsstufe intertextueller Markierung. 14,2, dazu unten 81 Anm. 1.3.2
II. 1.3 Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil, Aeneas und Dido 81 Dabei konzentriert sich Tertullian auf die schwarzen Flecken in der mythischen Biographie des Heros1, um ihn im Rahmen einer euhemeristischen Argumentation als Menschen, und dazu als einen nicht gerade heldenhaften, bloßzustellen:2 Zunächst schmäht er Aeneas als miles numquam gbriosus in Anspielung auf den bekannten Plautustitel3 und begründet dies mit der Verwundung des Aeneas durch einen Stein (II. 5,302—313). Auf den nämlichen Kontext, in dem auch die Verwundung der Aphrodite im Rahmen der Rettungsaktion berichtet wird (II. 5,334 sqq.), bezieht sich übrigens die einzige weitere Erwähnung des Aeneas bei Tertullian (apol. 14,2) — wiederum also auf die homerische Figur. Dann hält Tertullian dem Aeneas vor, wie Antenor ein proditor patriae zu sein. Damit rekurriert er auf eine in hellenistischer Zeit ausgeprägte Variante der Aeneasüberlieferung, gemäß der Aeneas von den Griechen verschont worden sei, da er mit ihnen koUaboriert habe.4 Mit 1
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Allgemein zur Aeneasüberlieferung etwa W. SCHUR, Die Äneassage in der späteren römischen Literatur, Diss. Straßburg 1914; G. BINDER, 4Äneas\ Enzyklopädie des Märchens 1 (1977) 509—528; ältere Literatur zusammengefaßt bei R. CHEVALLIER, Les avatars d'Enee depuis la demiere Guerre Mondiale, in: CHEVALLIER 559—577; N. HORSFALL, Some Problems in the Aeneas Legend, CQ 29 (1979) 372—390; G. D'ANNA, II mito di Enea nella documentazione ietteraria, in: L'epos greco in Occidente. Atti del diciannovesimo congresso di studi sulla Magna Grecia (1979), Taranto 1980, 231—245; F. 4 4 CANCIANI, Aineias\ LIMC 1,1 (1981) 381—396, vor allem 3S\sq.\ P. GRIMAL, Enea\ EV 2 (1985) 229—231; N.M. HORSFALL, The Aeneas-Legend from Homer to Virgil, in: J.N. BREMMER / N.M. HORSFALL, Roman Myth and Mythography, London 1987, 12—24; J. POUCET, La diffusion de la legende d'Enee en Italie centrale et ses rapports avec celle de Romulus, LEC 57 (1989) 227—254; ders., Denys d'Halicarnasse et Varron: Le cas des voyages d'Enee, MEFRA 101 (1989) 63—95; A. BALLABRIGA, Survie et descendance d'Enee. Le mythe grec archaique, Kernos 9 (1996) 21—36; G. BINDER, Der brauchbare Held: Aeneas, in: Die Allegorese des antiken Mythos, hg. v. H.-J. HÖRN / H. WALTER, Wiesbaden 1997, 311—330. Ilona OPELT, ' Aeneas \ RAC Suppl. 1/2 (1985) 88—94, hier 92, erstmals: JbAC 4 (1961) 184—186, resümiert: "In diesen Gedankengängen Tertullians sind euhemeristische Argumente im Dienste der christl. Apologetik verwendet.1' In diesem Sinne auch S. PEZZELLA, Cristianesimo e paganesimo romano, Bari 1972, 77—79. — Analyse der euhemeristischen Argumentation an dieser Stelle bei J.W. SCHIPPERS, De Ontwikkeling der Euhemeristische Godencritiek in de Christlijke Latijnse Literatuur, Groningen 1952, 59sq. Cf. Ilona OPELT, Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, Heidelberg 1980, 18. Ausgangspunkt ist die Ilias, die einerseits von Spannungen zwischen Phamos und Aeneas (18,460; 20,180.298; späte Teilnahme am Krieg 20,90.190), andererseits von des letzteren Bestimmung (20,3075?.) berichtet, das Trojanergeschlecht weiterzufuhren, cf. H. ERBSE, Aineias in der Ilias Homers, Hermes 119 (1991) 129—144. Daraus entwickelt sich als Erklärung für das bei Homer nicht berichtete, aber angelegte Entkommen des Aeneas aus dem zerstörten Troja neben der üblichen Version von Aeneas als dem göttlich auserwählten Überlebenden, dem frommen Retter des Vaters und dem zur Ansiedlung in Italien Bestimmten die Variante vom geschonten Kollaborateur. Ältestes Zeugnis für diese Version des Aeneas proditor ist der hellenistische Lokalhistoriker Menekrates von Xanthos (FGrHist 769 F 3), grundsätzlich dazu etwa C. PASCAL, Enea traditore, RFIC 32 (1904) 231—236; G. KONOPKA, De Aenea postvergiliano, Diss. Königsberg 1913, 42—44 (mit den wesentlichen Stellenangaben); V. USSANI, Enea traditore, SIFC 22 (1947) 109—123 (mit älterer Literatur); ders., Virgilio Enekie libro II, Roma 1952,
82
II. 1
Tertullian
dieser nicht zuletzt antirömischen Variante setzte sich oflfenbar die römische Historiographie des ersten vorchristlichen Jahrhunderts auseinander.1 Im ersten nachchristlichen Jahrhundert2 findet durch die Troja-Mythographie des Dictys und des Dares die Version von den Verrätern Aeneas und Antenor wieder Verbreitung, und zwar als vermeintlich historisch korrekte Variante.3 Davon werden auch die spätantiken Aeneiskommentatoren4 beeinflußt. Tertullian scheint eine kritische Diskussion dieser Variante zu kennen, wie die Überleitung si hoc verum nolunt nahelegt. Daraufhin (§13) macht Tertullian seine Kritik an einem unzweifelhaften Punkt der Aeneasüberlieferung fest, an der Tatsache nämlich, daß Aeneas mit dem Leben davonkommt.5 Hier
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Introduzione XIV—XVI; Antonie WLOSOK, Die Göttin Venus in Verguß Aeneis, Heidelberg 1967, 46—52; G.K. GALINSKY, Aeneas, Sicily, and Rome, Princeton 1969, 3—61, v.a. 48; E. GABBA, Sulla valorizzazione politica della leggenda delle origini troiane di Roma fra III e II secolo a.C, in: I canaJi della Propaganda nel mondo antico, a cura di Marta SOROI, Milano 1976, 84—101; Rita SCUDERI, II tradimento di Anteriore, in: I canali della Propaganda nel mondo antico, a cura di Marta SORDI, Milano 1976, 28—49, v.a. 39sq. Dazu grundsätzlich J.-P. CALLU, 'Impius Aeneas?' Echos virgiliens du bas-empire, in: CHEVALLIER 161—178. So soll nach einem Zeugnis des vierten Jahrhunderts n.Chr. (Ps. Aur. Vict. orig. 9,2 At vero Lutatius non modo Anteriorem, sed etiam ipsum Aenean prodüorem patriae fuisse tradit Cf. Anonimo, Origine del popolo Romano, a cura di G. D'ANNA, Milano 1992, ad L S4$q.) Lutatius Catulus in seinen commune* historiae Aeneas und Antenor als proditores patriae nebeneinanderstellen. Sisenna soll nach Servius (Aen. 1,242) zugunsten des politisch von Sulla vereinnahmten Aeneas (so E. PARATORE, La leggenda di Enea nei rrammenti di Sisenna, in: Atti del convegno: GH storiografi latini tramandati in frammenti, a cura di S. BOLDRINI et o/., Urbino 1974, 223—244, v.a. 239—241) hervorgehoben haben solum Antenorem prodidisse. Nach der Interpretation von K. ZELZER, Iam primum omnium satis constat... Zum Hintergrund der Erwähnung des Antenor bei Livius 1,1, WS NF 27 (1987) 117—124, will auch Livius (1,1,1 Iam primum omnium satis constat Troia capta in ceteros saevitum esse Troianosf duobus, Aeneae Antenorique, et vetusti iure hospitii et quia pacis reddendaeque Helenae semper auctores fuerant, omne ius belli Achivos abstinuisse /.../.) einer zu seiner Zeit virulenten Version vom Aeneas proditor bewußt entgegentreten. Seneca konstruiert in seiner Schrift de beneficiis als Beispiel für solche Menschen, die andere erst in Not bringen, um ihnen dann ihre Hilfe anzudienen, den folgenden Fall, benef. 6,36,1: Quis pium dicet Aeneant si patriam capi voluerit, ut captivitati patrem eripiat? Darin kann man kaum mit GALINSKY (4 Anm. 3) ein unmittelbares Indiz für ein ambivalentes Aeneas-BUd sehen: Aeneas fungiert hier ja gerade als Beispiel für pietas und ersehnt die Einnahme seiner Vaterstadt gerade nicht Es wäre höchstens zu spekulieren, ob nicht hinter dem Konstrukt das Wissen um eine, freilich hier von Seneca für ganz und gar absurd gehaltene, Aeneas proditor-Variante stehen könnte. ( USSANI (Eneide II, Introduzione XV) spricht von einer Anspielung'. Zur Bemühung des Dictys und des Dares um eine vermeintlich 'wahre* Troja-Überlieferung W. EISENHUT, Spätantike Iroja-Erzählungen — mit einem Ausblick auf die mittelalterliche IVoja-Literatur, MLatJb 18 (1983) 1—28, v.a. 11—18; zum Aeneas proditor darin KONOPKA 58—64; CALLU 166—171; J.G. FARROW, Aeneas and Rome: Pseudepigrapha and Politics, CJ 87 (1991) 339—359, v.a. 344—349. Servius scheint die Aeneas proditor-Version als die eigentlich historische anzusehen (v.a. Aen. 1,242, weitere Stellen bei H. GEORGII, Die antike Änetskritik aus den Schollen und anderen Quellen hergestellt, Stuttgart 1891, 72.85*4.104), wohl da er, so WLOSOK Die Göttin Venus 49, Dictys und Dares als zuverlässige Quellen betrachtet. So schon die Prophezeiung des Poseidon in der Ilias (20,307).
IL 1.3 Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil, Aeneas und Dido 83 kommt die Polemik durch die Gegenüberstellung mit der Frau des Hasdrubal zustande, die sich bei der Zerstörung Karthagos im Dritten Punischen Krieg in die Flammen stürzt.1 Dann (§14) zieht Tertullian die pietas des Aeneas in Zweifel, da dieser für seinen Sohn und seinen Vater den König Priamos und Astyanax im Stich gelassen habe. Dieses Vergehen hebt Tertullian heraus vor dem Hintergrund einer gebräuchlichen Eidesformel, durch welche die Soldaten sich verpflichten, das Kaiserhaus höher als die eigenen Kinder zu achten.2 Der nächste Aspekt, den Tertullian anspricht (§15), betrifft eine mythologische Unstimmigkeit der Aeneasüberlieferung, die Frage nämlich, warum Vulkan der Vergöttlichung des uneheÜchen Sohnes seiner Gemahlin nichts entgegengesetzt habe und Juno mit ihrer Gegnerschaft nicht durchgedrungen sei. Damit betont Tertullian zugleich die außereheliche Abstammung des Aeneas. Anhand des Beispiels von Kleobis und Biton (§16) und von Pero (§17) setzt Tertullian nochmals die pietas des Aeneas, diesmal gegenüber dem Vater, durch den Vergleich mit Taten von größerer Hingabe herab.3 Der letzte Vorwurf (§18) gegen Aeneas bezieht sich auf sein Verschwinden im proelium Laurentinum, das ihm Tertullian als Desertion anrechnet.4 Damit kommt Tertullian auch wieder zum Ausgangspunkt zurück, zur Verehrung des Aeneas als Pater Indiges. Was Tertullian hier also vorlegt, ist ein polemischer Durchgang durch die Aeneas-Überiieferung von der Verwundung durch Diomedes im Kampf um Troja über die Flucht bis zum Verschwinden aus der Schlacht am Numicus. Dabei stützt sich Tertullian gänzlich auf die vor- und außervergilische Trar dition - eine Tatsache, die dem antiken Leser sogleich ins Auge fallen muß.
Cf. Polyb. 38,20; Flor. 1,31,16s?.; BERTI 231—238. Gegenüber diesem exemplum fortitudinis — als solches präsentiert Valerius Maximus (3,2,8 ext.) die Episode — erscheint Aeneas alles andere als heroisch: Der Pater Indiges muß sich einer Frau und der römische Nationalheld einer Karthagerin an Heldenmut geschlagen geben. Cf. HAIDENTHALLER ad i 140. Nach Sueton soll Caligula das Heer folgendermaßen auf seine Schwestern eingeschworen haben (Ca!ig. 15,3): neque me liberosque meos cariores habebo quam Gaium habeo et sorores eius. Trotz dieser Übertragung in die zeitgenössischen Verhältnisse dürfte dahinter letztlich eine Tertullian bereits vorliegende Tradition eines impius Aeneas stehen, die in der Version vom Aeneas proditor kulminiert, cf. CALLU passim; USSANI 121: "Una tradizione previrgiliana doveva fare di Enea un vile fuggiasco oltre che un traditore." Zur Kritik an Aeneas' pietas in der antiken Vergilphilologie GEORGII 565. Wiederum liegt aber, wie bei der Frau des Hasdrubal (§13), die eigentliche polemische Spitze in der Art der Gegenbilder: Eher noch hätten die beiden als Zugtiere tätigen Söhne und die dem Vater die Brust reichende Tochter die Vergöttlichung aufgrund ihrer pietas verdient als der Held Aeneas. Die Apotheose des Aeneas während der Schlacht findet sich häufiger in der Aeneasüberlieferung, so etwa bei Livius, 1,2,6: Secundum inde proelium Latinis, Aeneae etiam ultimum operum mortalium fuit. Situs estf quemcumque eum dici ius fasque est super Numicum flumen: Iovem indigetem appellant. Dahinter steht wohl die homerische Entrückung des Helden aus der Schlacht nach der Verwundung durch Diomedes (II. 5,312; cf. 20,390).
84
II. 1 Tertullian
Vergil nämlich läßt die Verwundung des Aeneas mit einem Stein1 ebenso weg wie die Tradition des Aeneas proditor und des feigen Flüchtlings, da in der Aeneis göttliches Eingreifen den Fortgang aus der zerstörten Stadt als Erfüllung einer höheren Aufgabe motiviert — vor allem in der Erscheinung Hektars, der Aeneas die Rettung der Penaten anvertraut (Aen. 2,289—295). Auch läßt der vergilische Aeneas seine Gefährten und Priamus auf jene Aufforderung hin nicht etwa zurück, sondern stürzt sich noch einmal in den Kampf (Aen. 2,336—338), bis er sieht, daß die Freunde und der greise König gefallen sind, und er sich der Seinen erinnert (Aen. 2,559—566).2 Der Tod des Astyanax schließlich wird zwar in der Aeneis vorausgesetzt (Aen. 3,48859.), aber nicht näher ausgeführt. Überhaupt ist die Darstellung des Aeneas im Vergilischen Epos ganz auf dessen pietas abgestellt.3 Die Entrückung aus der Schlacht schließlich kennt die Aeneis nicht, lediglich erwähnt Jupiter die Bestimmung des Helden zu einer Vergöttlichung als Indiges Aeneas (Aen. 12,794). Anders als Laktanz, der sich in seiner Polemik gegen Vergils Aeneasdarstellung (inst. 5,10,1—11) ausdrücklich auf die epische Figur bezieht,4 ignoriert Tertullian gerade Vergils kanonische Darstellung.5 Tertullian bezieht sich ausschließlich auf kritische Punkte in der Aeneas-Über lieferung, die Vergil beseitigt oder bereinigt. Sicherlich zeigt sich in dieser Mißachtung eine Distanzierung von Vergil und eine Relativierung seiner Bedeutung. Andererseits aber bleibt auf diese Weise der literarische Aeneas des Vergilischen Epos von direkter Polemik verschont — ihn treffen die Vorwürfe nicht. Tertullian greift vielmehr den Aeneas der mythologisch beeinflußten historischen Tradition auf einer rationalistischen Ebene an. In der apologetischen Auseinandersetzung geht es um die religiöse Dimension jener Gestalt. Der unmittelbaren Konfrontation mit der epischen Figur geht Tertullian hingegen aus dem Weg. Wenigstens den Rahmen seiner Aeneaspolemik, also die Erwähnung als zum Gott erhobener Mensch und die Entrückung, übernimmt Tertullian aus Varros antiquitates rerum divinarum, der Hauptquelle des zweiten Buches ad nationes.6 Auch den Aeneas proditor beziehungsweise den Aeneas impius 1
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6
Er nimmt die Szene II. 5,302—310 zwar auf und verlegt sie sogar in den Entscheidungskampf zwischen Turnus und Aeneas (c/. G.N. KNAUER, Die Aeneis und Homer, Göttingen 19792, 3\7sq.)y läßt aber den Felsbrocken zu Boden fallen, ehe er Aeneas trifft (Aen. 12,906547.) Genau das von Tertullian Monierte wird also vermieden. Zur Gestaltung der Flucht aus Troja bei Vergil grundlegend R. HEINZE, Virgils epische Technik, Berlin / Leipzig 19153 28—33. Das zeigt etwa C.J. MACKIE, The Characterisation of Aeneas, Edinburgh 1988. Dazu WLOSOK Zwei Betspiele 440—444. Diesen ganz wesentlichen Unterschied zwischen der Aeneaspolemik bei Tertullian und bei Laktanz, der von OPELT (Aeneas 92: "In ähnlicher Weise kritisiert Laktanz [...]") beiseite gelassen ist, hebt WLOSOK Zwei Beispiele 437sq. hervor. Cf. B. CARDAUNS, M. Terentius Varro, Antiquitates rerum divinarum, Mainz 1976, fr. 214: Patrem Indige(n)tem Aenean proelio Laurentino nusq/uam] comparuit aus Tert. nat. 2,19,12.18; zur Stelle jetzt auch (allerdings ohne nähere Berücksichtigung der vorliegenden Fragestellung) Y. LEHMANN, Lafigured'Enee dans l'ceuvre de Varron, in: G. FREYBURGER / L. PERNOT, DU h£ros paäen au saint chnkien, Paris 1997, 47—51, hier 50. — Offen bleiben muß dabei, ob Tertullian den impius Aeneas bzw. den proditor
II.1.3 Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil, Aeneas und Dido 85 findet er in der Tradition vor. Auf den Apologeten selbst geht also nur deren polemische Verwendung und Ausgestaltung zurück. Tertullian treibt hier auch keine Polemik um der Polemik willen, sondern zieht nach den Regeln der Rhetorik ein historisches exemplum. Die Spitze ist dabei antipolytheistisch und — dafür spricht auch die Tatsache, daß Tertullian öfter an Stellen, wo er sich in spöttischer Weise mit dem religiösen Selbstverständnis der Römer auseinandersetzt, diese als Aeneadae bezeichnet 1 — antirömisch, aber nicht antivergilisch. 1.3.3
Dido
Die mythische Gründerin von Karthago findet bei Tertullian an mehreren Stellen Erwähnung: In der Schrift ad martyras führt er eingekerkerten Christinnen und Christen, die ihr Martyrium zu gewärtigen haben, eine Reihe von Männern und Frauen vor Augen, die ihr Leben einem Ideal geopfert haben, mart. 4,5: Nee minus fecerunt philosophi: Heraclittis, qui se bubulo stercore oblitum excussit; item Empedocles, qui in ignes Aetnei montis desiluit; et Peregrinus, qui non olim se rogo immisit, cum feminae contempserint ignes: Dido, ne post virum dilectissimum nubere cogeretur; item Asdrubalis uxort quae iam ardente Carthagine, ne maritum suum supplicem Scipionis videret, cum filiis in incendium patriae devolavit. Als erste nennt Tertullian zwei Frauen, die den Tod in den Flammen gesucht haben, Dido, um einer Wiederverheiratung nach dem Tod ihres ersten Gatten zu entgehen, und die Gemahlin des Hasdrubal, um den Untergang ihrer Heimatstadt Karthago nicht zu überleben. In ähnlicher Weise erscheint Dido noch öfter im Werk des Tertullian. Dieselben exempla wie in ad martyras gebraucht Tertullian auch in der Schrift ad nationes, diesmal allerdings nicht in paränetischem, sondern in apologetischem Kontext: Dem von heidnischer Seite erhobenen Vorwurf der obstinatio, da die Christen weder Tod noch Schmerz flöhen, hält Tertullian Beispiele von Selbstaufopferungen und Selbsttötungen aus der paganen Tradition entgegen, nat. 1,18,3: Crucis vetv novitatem numerosae, abstrusaef Regulus vester libenter dedieavit; regina Aegypti bestiis suis usa est; ignes post Carthaginensem feminam Asdrubale marito in extremis patriae constantiorem docuerat invadere ipsü Dido.
1
eigenständig (anderswoher oder aus eigener Kenntnis) in den Varronischen Kontext hineinträgt, oder ob er ihn nicht eher bereits (dann wohl als ablehenend diskutierte Überlieferungsvariante, worauf das ac si hoc verum nolunt hindeuten könnte) dort vorfindet. So etwa apol. 9,5; 25,8 (c/. nat. 2,17,6); coron. 12/2.
86
II. 1 Tertuilian
Bemerkenswerterweise hebt er den von den Puniern getöteten Römer Regulus als vester ausdrücklich von den beiden Karthagerinnen ab, die ihrerseits miteinander in Zusammenhang treten, da Dido als Vorbild für den Opfertod der Frau des Hasdrubal erscheint.1 Auch im Schlußkapitel des Apologeticum findet sich zur Widerlegung des Einwandes cur querimini, quod vos insequamur, si pati vultis (...]? (apol. 50,1) eine Reihe von exempla todesbereiten Opfermutes, in der wiederum auf Dido Bezug genommen wird, apol. 50,5: Mucius dexteram suam libens in ara reliquit: o sublimitas animi! Empedocles totum sese Aetnaeis incendiis donat: o vigor mentis! aliqua Carihaginis conditrix rogo secundum matrimonium evadit: o praeconium castitatis et pudicitiae! Nun fehlt aber die Gattin des Hasdrubal, außerdem hebt Tertuilian bewundernd die Werte hervor, für die Dido ihr Leben hingibt: castitas und pudicitia. Die nächste Erwähnung der Dido findet sich in der Schrift de anima. Ausgehend vom Traum des Ennius, wonach Homer als Pfau wiedergeboren sei, 2 stellt Tertuilian zur Widerlegung der Palingenesielehre unter anderem die ironische FVage, welches Tier bei einer Wiedergeburt die Tugend einer integra femina Dido angemessen zur Geltung bringe, anim. 33,9: Age nunc, ut poetae in pavos vel in cycnos transeant, si vel cycnis decora vox est, quod animal indues viro iusto Aeaco? quam bestiam integrae feminae Didoni? quam volucrem patientia, quam pecudem sanctimonia, quem piscem innocentia sortientur? omnia famula sunt hominis, omnia subiecta, omnia mancipata. Si quid horum futurus est, diminoratur illic ille cui ob merita vitae imagines, statuae et tituli, honores publici, privilegia rependuntur, cui curia, cui populus suffragiis immolat. Hier steht also Dido nicht mehr als exemplum für den Opfermut, sondern für die im Apologeticum bereits angeklungenen Tugenden castitas und pudicitia. Im letzten Kapitel seiner Eheschrift de exhortatione castitatis trägt Tertuilian Beispiele für seine Grundthese zusammen, daß eine verwitwete Christin nicht wieder heiraten dürfe. An erster Stelle unter den paganen exempla steht Dido, castit. 13,3: Erunt nobis in testimonium et feminae quaedam saecxdares ob univiratus obstinationem fama consecutae: aliqua Dido, quae profuga in alieno solo, ubi nuptias regis ultro optasse debuerat, ne tarnen secundas experiretur, maluit e contrario uri quam nubere, vel illa Lucretia, quae etsi semel per vim et invita alium virum passa est, sanguine suo maculatam carnem abluit, ne viveret iam non sibi univira. CJ. Oros. bist. 4,23,4 mit Nadia BERTI, Imitatio Didonis e suicidio rituale nella morte della moglie di Asdrubak, in: Dulce et decorum est pro patria mori. La morte in combattimento nell'antichita, a cura di Marta SORDI, Milano 1990, 231—246, hier 245*?. Referiert anim. 33,8.
11.1.3 Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil, Aeneas und Dido 87 Hier erscheint Dido als Vorbild, weil sie lieber stirbt, als nicht univira zu leben. Ganz ähnlichen Charakter hat auch ihre Erwähnung in Tertullians letzter Eheschrift de monogamia, 17,2: Solent ethnici iudices destinari. Exsurget regina Carthaginis et decernet in Christianas, quae profuga et in alieno solo et tantae civitatis cum maxime formatrix, cum regis nuptias xätro optasse debuisset, maluit e contrario uri quam nubere. Bei all diesen Erwähnungen der Dido geht Tertullian nicht von Vergils Darstellung der Königin von Karthago im vierten Aeneisbuch aus, die sich aus unglücklicher Liebe zu Aeneas den Tod gibt, sondern von einer vorvergilischen Tradition, in der Aeneas nicht vorkommt. Diese andere Didoüberlieferung1 läßt sich ins vierte Jahrhundert vor Christus zurückverfolgen, ältester Zeuge dafür ist der hellenistische Historiker Timaios von Tauromenion:2 Auf der Flucht vor ihrem Bruder Pygmalion, dem Mörder ihres Gatten, sei Dido nach Libyen gekommen und habe Karthago gegründet. Als der libysche König um sie freite und die Bürger der Stadt sie zur Ehe nötigten, habe sie sich auf einen unter dem Vorwand eines Opfers entzündeten Scheiterhaufen gestürzt, um den Treueschwur gegenüber dem getöteten Gatten nicht zu brechen. Diese Tradition findet sich sowohl im paganen historischen Schrifttum erwähnt, so etwa bei Pompeius TVogus und später bei Solinus,3 als auch in der christlichen Literatur als exemplum herangezogen, nach Tertullian etDazu etwa O. ROSSBACH, 4 Dido\ RE V,l (1903) 426—433; C. PASCAL, Didone nella letteratura latina d'Africa, Athenaeum 5 (1917) 285—293; A. STUIBER, 4Dido\ RAC 3 (1957) 1013—1016; Mary L. LORD, Dido as an Example of Chastity, HLB 17 (1969) 22—44 & 216—232, v.a. 27—40; A. LA PENNA, 4Didone\ EV 2 (1985) 48—57, vor allem 50—52; Antonie WLOSOK, Boccaccio über Dido — mit und ohne Aeneas, in: dies. Res humanae 460—475, hier 468—472, erstmals in: AAntHung 30 (1988) 457—470; HECK Vestrum est \08sq.; BERTI 238—240; N.M. HORSFALL, Dido in the Light of History, in: Oxford Readings in Vergilt Aeneid, ed. by RJ. HARRISON, Oxford 1990, 127— 144; J.-M. POINSOTTE, L'image de Didon dans PAntiquite tardive, in: Enee et Didon, edit£ par R. MARTIN, Paris 1990, 43—54; A. Ruiz DE ELVIRA, Dido y Eneas, CFC 24 (1990) 77—98; ders., Hypomnemata tria, CFC (L) 4 (1993) 83—91; Erika SIMON, 4 Dido\ LIMC 8,1 (1997) 559—562, vor allem 559s?.; F. GRAF, 4 Dido\ DNP 3 (1997) 543; G. BINDER, Vergil, die Aeneis und Dido, in: ders. (Hg.), Dido und Aeneas. Vergils Dido-Drama und Aspekte seiner Rezeption, Trier 2000, 9—23, v.a. 18—22; grundlegend zur Konzeption der vergilischen Dido HEINZE Virgils epische Technik 115—119; dazu und zu deren Rezeption in der Dichtung etwa Maria ADDAMO, Didone nella letteratura latina, Palermo 1952. FGrHist 566 F 82, zum Kontext LORD 32—34. Ausführlich erzählt wird die Version ohne Aeneas lustin. 18,4,3—6,8; Solin. 27,105?. erwähnt Dido als Gründerin von Karthago und führt diese Nachricht auf eine oratio senatoria des Cato zurück, Aeneas wird nicht genannt. Macr. Sat. 5,17,4—6 stellt die vergilische direkt der historischen (ohne Aeneas) gegenüber. Serv. auct. Aen. 1,340 Dido vero nomine Elissa ante dicta est, sed post interitum a Poenis Dido appellata, id est virago Punica linguat quod cum a suis sociis cogeretur cuicumque de Afris regibus nubere et prioris mariti caritate teneretur, forti se animo et interfecerit et in pyram iecerit, quam se ad expiandos prioris mariti manes extruxisse fingebat.
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IM
Tertullian
wa von Minucius Felix und Hieronymus.1 Daß die Version ohne Aeneas als die historisch zutreflfende gegenüber der fesselnden literarischen Version des Vergil angesehen wird, zeigt Macrobius, Sat. 5,17,5s?.:2 Quod ita elegantius auctore digessit, ut fabula lascivientis Didonis, quam falsam novit universitär, per tot tarnen saecula speciem veritatis obtineat et ita pro vero per ora omnium volitet, ut pictores fictoresque et quifigmentisliciorum contextas imitantur effigies, hac materia vel maxime in effigiandis simulacris tamquam unico argumento decoris utantur, nee minus histrionum perpetuis et gestibus et cantibus celebretur. tantum valuit pulchritudo narrandi ut omnes Phoenissae castitatis conscii, nee ignari manum sibi iniecisse reginam, ne pateretur damnum pudoris, coniveant tarnen fabulaet et intra conscientiam veri fidem prementes malint pro vero celebrari quod pectoribus humanis dulcedofingentisinfudit* Die fabula lascivientis Didonis kommt bei Tertullian nicht vor, er nimmt ausschließlich auf die sittsame und opfermütige Dido der historiographischen Tradition4 Bezug. Sie hält er, wie dann Macrobius, für die historisch zuverlässige und zieht sie deswegen als rhetorisches exemplum heran. Darin liegt natürlich ipso facto eine gewisse Zurücksetzung Vergils: Dessen so überaus wirkungsvolle Dido übergeht Tertullian stillschweigend, und der Leser nimmt das sicher auch zur Kenntnis. Allerdings ist folgendes zu bedenken: 1. Tertullian kann die Bekanntheit der historischen Dido bei seinen Lesern so weit voraussetzen, daß diese deren Anführung als exemplum für Opfermut und Keuschheit ohne weiteres verstehen und von der Dido, die sich dem Aeneas hingibt, trennen können, die mit ihrem Selbstmord aus Liebeskummer beinahe die genau gegenläufigen Eigenschaften zu repräsentieren scheint. 2. Es ist ein primär nordafrikanisches Publikum, bei dem Tertullian die Kenntnis der außervergilischen Dido neben der vergilischen5 voraus1
2
Min. Fei. 20,6; Hier. adv. lovin. 1,43; epist. 123,7,2; ebenfalls in Verbindung mit der Frau des Hasdrubal, aber ohne ausdrückliche Bezugnahme auf den Selbstmord aus pudicitia Oros. hist. 4,23,4. — Eine Zusammenstellung der weiteren Erwähnungen dieser Didoversion in der (vor allem christlichen) Literatur der Spätantike bieten der RACArtikel von STUIBER sowie die Arbeiten von LORD (bis in die Renaissanceliteratur) und POINSOTTE; speziell zur christlichen Dichtung Ilona OPELT, Spiegelung und Zerspiegelung der Dido Vergils, in: dies., Paradeigmata Poetica Christiana, Düsseldorf 1988, 126—129. Aber auch Aug. conf. 1,13,22 über die vergilische Didovariante mit Aeneas: doctiores autem etiam negabunt verum esse.
3
Cf. POINSOTTE 53.
4
Siehe oben 87 Anm. 3. Zur Bekanntheit Vergils in Nordafrika etwa P. ROMANELLI, Riflessi virgiliani dei rapporti tra Roma e l'Africa, in: Studi virgiliani I, Roma 1931, 201—218; V. USSANI, Virgüio e l'Africa latina, in: Atti del II congresso nazionale di studi romani, Roma 1931, III 161—
5
II. 1.3 Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil, Aeneas und Dido 89 setzt. Das und eine Nuance karthagischen Lokalkolorits durch den Zusammenhang mit der Asdrubalis uxor (mart. 4,5; nat. 1,18,3)* und durch die Bezeichnung als Carthaginis conditrix (apol. 50,5) und regina Carthaginis (monog. 17,2) deuten darauf hin, daß die heroische Dido im Bereich von Karthago eine besondere Popularität genießt.2 3. Tertullian verwendet Dido als exemplum im Sinne der Rhetorik.3 In dieser Eigenschaft erscheint Dido nicht nur in den apologetischen Schriften, wo eine bewußte Opposition zu Vergil durchaus ihren Sitz im Leben hätte, sondern sogar überwiegend in der innerchristlichen Paränese. Die außervergilische Dido kann daher nicht nur negativ, also antivergilisch, besetzt sein, sondern muß auch und vor allem positive Assoziationen wecken. 4. Tertullian enthält sich, auch in den apologetischen Werken, jeder ausdrücklichen kritischen Auseinandersetzung mit Vergils Didoversion, insbesondere erhebt er nicht den bei anderen paganen und christlichen Autoren laut werdenden Vorwurf der Geschichtsklitterung.4 5. Tertullian greift in seinen Werken über beinahe zwei Jahrzehnte auf das positive exemplum der außervergilischen Dido zurück. An den Idealen, für die er Dido setzt, läßt sich der jeweilige Skopus seines literarischen Schaffens ablesen: Zum einen (mart. 4,5; nat. 1,18,3) nimmt er sie für den Opfermut in Anspruch, der dem von Verfolgung bedrohten Christen abverlangt wird, im Apologeticum (50,5) kommen die für Tertullian offenbar bedeutenden Gesichtspunkte castitas und pudicitia hinzu, Dido wird zur integra femina schlechthin (anim. 33,9), und der Montanist, 171; T. KOTULA, Utraque Lingua eruditi. Une page relative ä l'histoire de l'education dans l'Afrique romaine, in: Hommages ä M. RENARD, Collection Latomus 102 (1969) II 387—392, v.a. 392. Cf. R. BRAUN, Aux origines de la Chretient£ d'Afrique: un homme de combat, Tertullien, BAGB 1965/2 189—208, hier 194, jetzt auch in: ders. Approches 1—20. Wie sehr umgekehrt die Figur der vergilischen Dido von römischer Herrschaftsideologie und vom Gegensatz zwischen Rom und Karthago geprägt ist — eine Tendenz, die keinem Vergilieser im antiken Karthago entgangen sein dürfte —, zeigt übrigens in einem seinerseits nicht ganz ideologiefreien Beitrag H. FUNKE, Sunt lacrimae rerum. Komposition und Ideologie in Vergils Aeneis, Klio 67 (1985) 224—233. Dazu LORD 22—40. Etwa Macr. Sat. 5,17,6; Aug. conf. 1,13,22; Prise, periheg. \S5sq. qua regnans felix Dido per saecula xnvit. / atque pudicitiam non perdit carmine ficto. Auch im griechischen Sprachraum, A.P1. 4,10 (übersetzt Epigr. Bob. 45), hier v. 24. Dazu Ruiz DE ELVIRA 79—84, hier 79 über die Autoren der außervergilischen Tradition: "Pues bien, siguen a Timeo en esta versiön, despues de Virgilio y haciendo, sin duda deliberadamente, caso omiso de Virgilio, ya sea sin nombrarlo a £1 ni a la Enexda, ya acusandolo, implfcita o explfcitamente, de falsario [.]", insbesondere werde die FVage nach der Historizität des Zusammentreffeiis von Dido und Aeneas von Dionysius von Halikarnaß gegen Vergil implizit verneint (80) und vermutlich schon vor Vergil von dem Grammatiker Ateius in einem Werk an amaverit Didun Aeneas (81) diskutiert.
90
II.1
Tertullian
für den die Frage der Wiederverheiratung zum zentralen Anliegen geworden ist, stellt seinen Lesern die univira Dido als das hervorragendste nichtchristliche Beispiel vor Augen (castit. 13,3; monog. 17,2).1 Der Rekurs auf die außervergilische Dido erfolgt also in erster Linie deswegen, weil diese Gestalt für historisch zuverlässig gilt, weil sie gut bekannt und uneingeschränkt positiv besetzt ist. Dabei wird sicherlich ein karthagischer Lokalpatriotismus zu Buche schlagen, dem eine heroische Dido näher steht als eine infelix Dido, die sich aus unerfüllter Liebe zum römischen Nationalhelden umbringt.2 Dieser eher antirömische als antivergilische Zug bleibt aber stets im Hintergrund und hat seinen Ursprung kaum bei Tertullian selbst. Der nämlich stellt vielmehr die positive Anknüpfung an die außervergilische Dido in den Mittelpunkt.
1.4
Auswertung
1.4.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
In seinem erhaltenen Werk nennt Tertullian zweimal Vergil, einmal verweist er auf die Aeneis, schließlich nennt er mit Dido und Aeneas zwei Hauptfiguren der Vergilischen Dichtung. Außerdem ergibt die Bestandsaufnahme etwa 30 Zitate — eine nicht allzu große Zahl in einem ungefähr 1350 Seiten umfassenden Gesamtwerk. Auch den namentlichen Nennungen kommt deswegen kein besonderes Gewicht zu, weil sie jeweils dazu dienen, eine Pointe abzusichern.3 Die Erwähnungen der Dido (mart. 4,5/xzr.) und die Polemik gegen die Gestalt des Aeneas (nat. 2,9,12—18) schließlich beziehen sich nicht auf die vergilische Gestaltung der Figuren zurück, sondern auf außervergilische Varianten. Betrachtet man die Zitatsegmente nach ihrem Umfang, so sind zunächst acht Wiedergaben längerer syntaktischer und rhythmischer Einheiten zu nennen: Zweieinhalb Verse, denen die Paraphrase der vorherigen Verse vorausgeht, gibt Tertullian in der Schrift ad nationes wörtlich wieder, in der Überarbeitung (apol. 25,8) setzt er dann noch eine vergilische Junktur (Iovis et Zum Wandel der Bezugsrahmen des exemplum Dido in Tertullians Schriften allgemein auch LORD 29.37. Etwas kurz greift daher BINDERS (21) Erklärung: Eine usich ihren Affekten (...) ungehemmt ausliefernde Frau konnte in Tertullians Moraltheologie keinen Platz finden". Allerdings betont auch BINDER (/.C.) die Historizität der keuschen Dido in Tertullians Augen. Einmal (nat. 2,13,20) spielt Tertullian mit der Doppelbedeutung der Junktur aequus Iuppiter, die er ausdrücklich auf Vergil zurückführt, dann (praescr. 39,3) vergleicht er die Art und Weise, wie die Häretiker sich auf die Bibel berufen, mit dem Vorgehen der zeitgenössischen Vergilcentonendichtung. Auch der Verweis auf die 30 Ferkel des Sauprodigiums (adv. Marc. 1,5,1), die ausdrücklich der Aeneis zugewiesen werden, läuft auf eine Spitze in der Häretikerpolemik zu.
II. 1.4
Auswertung
91
soror et coniunx) und ein Dichterwort unbekannter Herkunft (fato stat Iuppiter ipse) hinzu. Einen aus zwei Versen bestehenden Satz zitiert Tertullian im Werk de spectaculis (9,3), allerdings wohl als Übernahme aus der Vorlage Sueton. Einen Satz in einem Vers gibt Tertullian in der Schrift ad nationes (1,7,2) wieder und wiederholt ihn im Apologeticum (7,8). Ebenfalls einen Satz in einem Vers umfaßt ein Zitat in der Schrift de pallio (1,3b). Einen vollständigen Satz in einem bis zur Hephthemimeres reichenden Hexameter zitiert Tertullian im Werk de fuga in perseeutione (10,1). Das Goldene Zeitalter beschreibt Tertullian in der Schrift ad nationes (2,13,14) in einer Übernahme von vier Georgikaversen (1,125—128) mit Auslassungen und geringfügigen Umstellungen. An vier Stellen greift Tertullian komplexere Nominalausdrücke auf, nämlich die Epitheta für Juno (apol. 25,8c coniunx Iovis et soror) und Karthago (pall. 1,3a studiis asperrima belli) sowie die Wendungen imperium sine fine (apol. 25,16) und causa mali tanti (adv. Val. 10,2). Deutlicher sind die Veränderungen an verbalen Prädikationen, Formulierungen und Metaphern: Zweimal (mart. 4,9; nat. 1,7,1) übernimmt Tertullian das vergilische cui tantum de te licuit? (Aen. 6,502). Stärker sachbezogen sind die Referenzen auf Vergils Beschreibung der nachlassenden Farbensicht bei Dunkelheit (anim. 43,7), der Abtrennung Siziliens vom Festland (apol. 40,4; pall. 2,3), auf dessen euphemistische Metaphorik für den Geschlechtsverkehr (anim. 27,8) und auf dessen Darstellung des Merkur (anim. 53,6), wenngleich hier auch das homerische Vorbild zu berücksichtigen ist.1 Unter den zweigliedrigen Junkturen sind sechs nominale2 und zwei verbale3. Auf einem Einzelwort beruht die Anspielung silvestris Roma (apol. 26,2), hinzu kommt die Verwendung der von Vergil geprägten Ausdrücke infrendere (apol. 12,6) und praescius (adv. Marc. 2,5,1). Bis hierher läßt sich festhalten, daß umfangreichere wörtliche Zitate beinahe genauso häufig sind wie einzelne vergilische Formulierungen. Wenn Tertullian zitiert, zitiert er oft wörtlich. Die kleine Anzahl der geringfügigen Reminszenzen deutet auch darauf hin, daß Tertullian keinem Automatismus der rhetorischen imitatio folgt, sondern offenbar gezielt einzelne Wendungen auswählt. Was die Veränderungen an den Zitatsegmenten betrifft, so ergibt sich der angesichts der zahlreichen wörtlichen Übernahmen bemerkenswerte Befund, daß Tertullian nur einen einzigen Vers ohne jeden Eingriff wiedergibt, nämlich die Sentenz tantum aevi longinqua valet mutare vetustas (pall. 1,3b). Hier wäre auch die Bezugnahme auf das Alcinoi pometum (pall. 2,7) zu nennen, allerdings muß nicht Vergil die Quelle für dieses in der Dichtung gebräuchliche Motiv sein. So nat. 2,13,20 Vergilix aequus luppiter, apol. 24,7 vana superstttio; pall. 4,6 pectus anhelum (mit folgendem tumens); adv. Val. 1,4 ambiguitates bilingues; anim. 32,8 garrxäa hirundo; anim. 50,3 Stygiae patudes. Formal wäre auch die Bezugnahme auf das Sauprodigium mit der Formulierung triginta /.../ fetus (adv. Marc. 1,5,1) hinzuzunehmen. So apol. 50,7 de laude pacisci; uxor. 2,6,1 nxdore [...) agitare.
92
II. 1
Tertullian
Ansonsten versieht Tertullian die Zitate entweder mit Zusätzen, die der gedanklichen Einbindung dienen, aber die rhythmische Struktur stören, so sed et (spect. 9,3) und, bezogen auf die im Vers genannte Fama, nonne haec (nat. 1,7,2); oder er orientiert sich bei der Übernahme primär an den syntaktischen Einschnitten und übergeht die Versgrenzen, wenn er zweimal einen Satz über zweieinhalb Verse (nat. 2,17,6; apol. 25,8b) und einmal einen bis zur Hephthemimeres (fug. 10,1) zitiert. Das alles deutet darauf hin, daß Tertullian wenig auf den Wortlaut und kaum auf die Rhythmik der Zitatsegmente achtet, sondern eher auf die Syntax und vor allem auf die Aussage Wert legt. Diese Tendenz zeigt sich auch im Werk ad nationes (nat. 2,14,13) bei der zusammenfassenden Wiedergabe der Verse über das Goldene Zeitalter (georg. 1,125—128) in einem Relativsatz: Hier folgen, in rhythmischer Prosa durchaus auffällig, drei Hexameterschlüsse aufeinander, während die Morphosyntax unverändert bleibt. Die Veränderungen beschränken sich auf die einleitende syntaktische Einfügung1, eine inhaltlich bestimmte Auslassung2 und eine kleine Ungenauigkeit in der Wiedergabe3. Wiederum werden Inhalt und Syntax berücksichtigt, nicht aber Wortlaut und Rhythmus. Unter den zwei- und mehrgliedrigen Junkturen bleiben einzelne unverändert,4 in der Regel aber nimmt Tertullian kleinere syntaktische Adaptationen vor6. Weiter gehen die Veränderungen an den Stellen, an denen Tertullian von Vergil die Ausdrucksweise für einen bestimmten Sachverhalt oder Vorgang übernimmt. In diesen Fällen steht den sprachlichen Veränderungen die signifkante Gemeinsamkeit des Inhaltes entgegen, bei der Abtrennung Siziliens vom Festland6 oder beim Nachlassen der Farbwahrnehmung bei Dunkelheit (anim. 43,4).7 Überhaupt bleibt bei vielen Zitaten der Gegenstand der Aussage gleich, während deren Form verändert wird.8 Tertullian zitiert al1 2
3 4
5 6
7
8
Die Umstandsbestimmung ante lovem wird ersetzt durch die Relativsatzeinleitung Saturntis [...] sub quo. Die Verse 126.127a fallen weg, da es dort um die idealen Eigentumsverhältnisse geht, was Tertullian aber im Kontext interessiert, ist das paradiesische Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Liberius ist ausgelassen, ipsa tellus omnia permutiert zu ipsaque omnia tellus, allerdings ist der Text an dieser Stelle korrupt. So wohl mit Bedacht das eigens für die Pointe in Kontaktstellung gebrachte aequus luppiter (nat. 2,13,20), außerdem, eher, da ohnehin im brauchbaren Akkusativ vorgegeben, also nicht absichtlich konserviert, trigvnta /.../ fetus (adv. Marc. 1,5,1) und Imperium sine fine (apol. 25,16). Morpho8yntaktisch angepaßt werden apol. 24,7; adv. Val. 10,2; anim. 32,8; 50,3; zweimal (apol. 25,8b; pall. 1,3a) wird ein überflüssiges -que weggelassen. Diese Vorstellung (Aen. 3,417sq.) übernimmt Tertullian sowohl apol. 40,4, und zwar mit gewissen Zügen einer Prosifikation — in diese Richtung weisen die klaren geographischen Namen, die stilisierte Prosa und die Vermeidung der Personifikation pontus /.../ abscidit —, als auch pall. 2,3. Zudem etwa bei der euphemistischen Metapher für den Geschlechtsverkehr (anim. 27,8) oder bei der Darstellung des Merkur (anim. 53,6). Hierher gehört im weiteren Sinne der Verweis auf das Alcinoi pometum (pall. 2,7). So verwendet Tertullian das vergilische pro laude pacisci für die unüberlegte Lebenshingabe (apol. 50,7), der Zusammenhang von Aeneas' Frage cui tantum de te Hcuit?
II. 1.4
Auswertung
93
so, umgekehrt formuliert, kaum dergestalt, daß er selbständig eine poetische Formulierung in einer Art Metapher auf einen anderen Inhalt übertrüge. Insgesamt gesehen ergeben sich folgende Grundzüge: Tertullian achtet bei den Veränderungen an den Zitatsegmenten wenig auf rhythmische Gesichtspunkte. Wichtig hingegen ist ihm die syntaktische Adaptation der Zitatsegmente. Daraus erklären sich fast alle Veränderungen. Es findet keine inhaltliche Adaptation oder Umdeutung der Zitatsegmente statt: Entweder sind sie so gewählt, daß sie in den Kontext passen, oder die Pointe liegt ausdrücklich in der semantischen Divergenz von Präkontext und Folgekontext, dann ist sie aber durch Markierung abgesichtert, wie etwa im Falle des Vergilii 'aequus Iuppiter' (nat. 2,13,20). Tertullian scheint also gerne dort auf Vergil zurückzugreifen, wo ihm spontan etwas inhaltlich Passendes präsent ist. Das subtile Spiel mit dem Prätext liegt ihm offenbar weit weniger als die Übernahme treffender Ausdrücke und die unübersehbare Pointe. Dementsprechend dient auch keine der konstatierten Veränderungen an den Zitatsegmenten dem Zweck einer bewußten Verfremdung, auch wenn sie entmarkierend wirken.1 Umgekehrt besteht bei vielen Zitaten die Markierung im Unterlassen von Änderungen. Das trifft beispielsweise auf die dreigliedrige Wendung imperium sine fine (apol. 25,16)2 ebenso zu wie auf ganze Verse, die ohne Einleitung (pall. 1,3b) oder syntaktisch angeschlossen (nonne haec nat. 1,7,2; sed et spect. 9,3)3 im Folgekontext stehen, oder auf die durch drei Hexameterschlüsse auffällige Übernahme aus den Versen über das Goldene Zeitalter (nat. 2,13,14). In all diesen Fällen scheint Tertullian eine Perzeption des Zitates vorauszusetzen. Markierend wirkt in einzelnen Fällen die Position in Zitatennestern4 und (Aen. 6,502) paßt zu den Stellen, an denen Tertullian die zugrunde liegende Konstruktion (tantum licet alicui de aliquo) übernimmt (mart. 4,9; nat. 1,7,1), vielleicht steht auch hinter der Übertragung des Ausdruckes nidore agitare von der Ausräucherung von Schlangen (georg. 3,415) auf die Lage der Christin im paganen Hauswesen (uxor. 2,6,1) eine bewußte Pointe. Schließlich bezieht sich auch die in einem Wort bestehende Anspielung silvestris Roma (apol. 26,2) auf den vergil Ischen Kontext. Auch infrendere (apol. 12,6) und praescius (adv. Marc. 2,5,1) widersprechen nicht dem vergilischen Gebrauch. Vergil regt bei den entmarkierten Zitaten vor allem in der Sache und in der Formulierung an, ohne als Vorbild perzipiert werden zu müssen. Das ist wahrscheinlich für nat. 1,7,1 und mart. 4,9 (tantum licet alicui de aliquo); apol. 40,3 und pall. 2,3 (Abtrennung Siziliens); an im. 27,8 (Metaphorik für Geschlechtsverkehr); 43,7 (Verblassen der Farben im Dunkeln), auch bei den festen Ausdrücken vana superstitio (apol. 24,7), hirundo garrula (anim. 32,8) und Alcinoi pometum (pall. 2,7) scheint Vergil als ihr Urheber keine besondere Rolle zu spielen. Doch können auch entmarkierte Zitate bei Tertullian rezeptionsorientiert sein, wie vor allem die vor dem vergilischen Hintergrund zu sehende Anspielung silvestris Roma (apol. 26,2) zeigt. Eine zusätzliche Pointe durch die Perzeption des Präkontextes gewinnnen auch die Zitate apol. 50,7 und uxor. 2,6,1. Mit nur geringfügigen Adaptationen studiis asperrima belli (pall. 1,3a) und causa mali tanti (adv. Val. 10,2). Hierher gehört wohl auch quod sciam (nat. 2,17,6; apol. 25,8), das eher auf das zitierte Faktum als auf das Faktum des Zitierens zu beziehen ist. Am deutlichsten pall. 1,3 und apol. 25,8, daneben nat. 1,7,isq.
94
II. 1
Tertullian
die Frequenz im Prätext 1 oder im Folgetext2, in der sich freilich auch nur Präferenzen des Autors spiegeln können. Die deutlichste Form der Markierung besteht in der Hinzufügung eines Hinweises: Zweimal erwähnt Tertullian ausdrücklich eine dichterische Quelle, einmal für Merkur als evocator animarum (anim. 53,6), wobei auch Homer in dem Plural poetae inbegriffen scheint, einmal für Achills Feiung (anim. 50,3). Zweimal wiederum verweist Tertullian nicht nur auf ein folgendes textfremdes Element, sondern auch ausdrücklich auf eine pagane Quelle, nämlich mit vestrum est (apol. 7,8) und mit respondebo et ego de saeculo aliquid (fug. 10,1). Zweimal schließlich nennt Tertullian expressis verbis den Bezugspunkt der Referenz, da dessen Kenntnis für die Pointe unerläßlich ist: einmal beim Vergilii aequus Iuppiter (nat. 2,13,20) und einmal bei den Aeneae scrofae (adv. Marc. 1,5,1) des Sauprodigiums. Insgesamt gesehen setzt Tertullian die Mittel der Markierung nur in sehr begrenztem Rahmen ein: Dort, wo für die Argumentation entscheidend ist, daß es sich um ein Dichterzitat, ein Zitat aus der paganen Literatur oder ein Vergilzitat handelt, weist er ausdrücklich darauf hin, ansonsten beschränkt er sich darauf, die Verse oder metrischen Versatzstücke in seine Prosa einzufügen, manchmal zu Zitatennestern kombiniert. Daraus ergibt sich eine Scheidung zwischen solchen Referenzen, die der Leser erkennen soll,3 und solchen Referenzen, bei denen Vergil primär den passenden Ausdruck liefert4. Darin zeigen sich zwei Dimensionen rhetorischer Dichterbenutzung: die rezeptionsorientierte Demonstration der Vertrautheit mit dem Klassiker und die produktionsorientierte Übernahme treffender Ausdrücke. Dahinter scheint in aller Regel kein hintersinniges Spiel mit der Prätextkenntnis des Lesers zu stehen, sondern routinierte Rhetorik. 1.4.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Daß die Zitate nicht gleichmäßig über das Werk des Tertullian verteilt sind, zeigt schon ein erster Blick auf die obige Bestandsaufnahme: Die angeführten etwa 30 Zitate und zwei Erwähnungen Vergils finden sich in zehn von 31 Werken, die zusammen etwa 700 von insgesamt knapp 1400 Seiten umfassen.5 1
2 3 4 5
Infrendere (apol. 12,6): Aen. 3,664; 8,230; 10,717; de laude pacisci (apol. 50,7): Aen. 5,230; 12,49; causa mali tanti (adv. Val. 10,2): Aen. 6,93; 11,480; praescius (adv. Marc. 2,5,1): Aen. 6,66; 12,452; Stygia palus (anim. 50,3): Aen. 6,323.369; triginta /.../ fetus (adv. Marc. 1,5,1): Aen. 3,398; 8,44. Aen. 3,417*?.: apol. 40,4; pall. 2,3 (+ Aen. 3,415: pall. 1,3b); Aen. 6,502: mart. 4,9; nat. 1,7,1; Aen. 4,242—244: anim. 53,6. Hierher gehören etwa nat. 2,13,20; praescr. 39,3; adv. Marc. 1,5,1; nat. 2,17,6; apol. 25,8; spect. 9,3; nat. 1,7,2; apol. 7,8; pall. 1,3; fug, 10,1; anim. 53,6. Hierher gehören etwa mart. 4,9; nat. 1,7,1; apol. 12,6; 24,7; 25,16; 26,2; 40,4; uxor. 2,6,1; adv. Val. 10,2; anim. 27,8; 32,8; 43,7; 50,7; adv. Marc. 2,5,1; pall. 2,3; 2,7. Diese Rechenexempel sind natürlich, da nicht alle Werke des Tertullian erhalten sind und da sicherlich nicht alle Zitate erfaßt werden, nur als Näherungswerte zu verstehen und sollen in erster Linie der Veranschaulichung dienen.
II. 1.4
95
Auswertung
Und wiederum sind für vier Werke 25 Zitate ausgewiesen. Dem Umfang nach betrachtet konzentrieren sich also in einem Viertel des Werkes vier Fünftel der Zitate. So enthält das Apologeticum neun, die Schrift de anima sechs, die Schriften ad nationes und de pallio jeweils vier Zitate. Lediglich zwei Zitate sind für die Werke adversus Valentinianos und adversus Marcionem zu verzeichnen, jeweils eines für ad martyras, de praescriptione haereticorum, de spectaculis, ad uxorem und de fuga in persecutione. Erwartungsgemäß finden sich also besonders viele Zitate in den apologetischen Schriften: Apologeticum, ad nationes und de pallio, die dem Umfang nach etwa ein Fünftel des Gesamtwerkes ausmachen, enthalten über die Hälfte der erörterten Zitate. Als Gründe dafür sind zum einen die Ausrichtung auf ein heidnisches Publikum, zum anderen die konzentrierte Auseinandersetzung mit der paganen Kultur anzusehen.1 Aus den Veränderungen, die Tertullian bei der Überarbeitung von ad nationes in bezug auf die Vergilzitate vornimmt, ergibt sich folgendes Bild:
1,7,1 1,7,2
2,9,12—18 2,13,14 2,13,20 2,17,6
ad nationes lantum de vobis Famae licuit Fama malum (...) — — (Aeneas—Polemik) (Goldenes Zeitalter) Vergilii aequus luppiter hie illius arma [...] — — — —
Apologeticum
7,8 12,6 24,7
Fama est malum /.../
25,8
hie illius arma /.../ -I- coniunx Iovis et soror + Fato stat luppiter ipse imperium sine fine
25,16 26,2 40,4 50,7
(infrendere) (vana
silvestris
superstitio)
Roma
(Abtrennung Siziliens) de laude pepigerunt
Das argumentative Zitat über die Fama wird im Apologeticum beibehalten, hinzu kommt ein color Vergilianus in Einzelausdrücken,2 wohl im Zusammenhang mit der rhetorischen Ausgestaltung. Weggelassen wird hingegen die Aeneaspolemik (nat. 2,9,12—18), das in einer Spitze gegen Jupiter gebrauchte Zitat über das Goldene Zeitalter (nat. 2,13,14) und die Pointe des Allerdings ist zu berücksichtigen, daß das Apologeticum die eigentlich nicht zur Veröffentlichung bestimmte Schrift ad nationes ersetzt, so daß die Vergürezeption in diesen Werken im Grunde genommen, was das Gewicht im Gesamtwerk angeht, unzulässigerweise doppelt gewertet wird. Apol. 12,6 infrendere; 24,7 vana superstitio; 25,16 imperium sine fine; 26,2 silvestris Roma; 40,4 (Sizilien); 50,7 de laude pepigerunt.
96
II. 1
Tertullian
aequus Iuppiter (nat. 2,13,20). Dahinter steht zum einen die Umstellung im Argumentationsaufbau, der im Apologeticum nicht mehr Varros theologia tripartita folgt, zum anderen eine Grundtendenz der Vermeidung von allzu Grellem und Plakativem1. Das Zitat über Junos Verhältnis zu Karthago wird zwar übernommen, doch hebt Tertullian im Apologeticum durch zwei weitere Dichterzitate stärker den Aspekt der Ohnmacht der Göttin hervor. Insgesamt stilisiert Tertullian also das Apologeticum gegenüber der Schrift ad nationes durch einen deutlicheren color poeticus in Einzelausdrücken, andererseits fallen einige polemische Spitzen mit Vergilzitaten weg. Für die übrigen apologetischen Schriften sind keine Vergilzitate zu verzeichnen: In der Schrift de testimonio animae wendet sich Tertullian eingangs gegen Versuche, ex litteris receptissimis quibusque phüosophorum vel poetaTum vel quorumlibet doctrinae ac sapientiae saecxdaris testimonia excerpere christianae veritatis (1,1). Das Werk adversus Iudaeos ist dem Judentum gewidmet, in dem knappen offenen Brief ad Scapulam tritt die Auseinamdersetzung mit dem Heidentum hinter der Verteidigung des Christentums gegen konkrete Vorwürfe zurück. Im antihäretisch-dogmatischen Schrifttum fällt das Werk de anima durch zahlreiche Vergilzitate auf. Auch in dieser Schrift spielt paganes Denken insofern eine besondere Rolle, als Tertullian seine christliche Psychologie in Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie entwickelt. In den übrigen Schriften antihäretisch-dogmatischen Inhalts sind vor allem einzelne Pointen in der antihäretischen Polemik zu konstatieren, so der Vergleich der biblischen Argumentation der Häretiker mit der Vergilcentonendichtung (praescr. 39,3), die Gleichsetzung der 30 Aeonen mit den 30 Ferkeln des Sauprodigiums (adv. Marc. 1,5,1) oder die Übertragung der Aussage causa mali tanti von Lavinia auf den Aeon Sophia (adv. Val. 10,2). In den immerhin siebzehn praktisch-asketischen Werken sind nur vier Vergilreferenzen zu konstatieren, denen außerdem kein besonderes Gewicht zukommt: Zweimal eignet sich Tertullian eine vergilische Formulierung an (mart. 4,9; uxor. 2,6,1), einmal übernimmt er ein Zitat als antiquarischen Beleg aus der Vorlage Sueton (spect. 9,3) und einmal setzt er einem von der Gegenpartei gebrauchten paganen Sprichwort eine proverbiale Vergilsentenz entgegen (fug. 10,1). Als weiterer Gesichtspunkt neben der inhaltlichen Ausrichtung der Schriften ist ihre Chronologie zu berücksichtigen. Dem stehen allerdings die Schwierigkeiten bei der Datierung zahlreicher Werke im Wege. Als Grundtendenz läßt sich folgendes festhalten: In den vormontanistischen Schriften, die den kleineren Teil des Gesamtwerkes ausmachen, findet sich der entschieden größere Teil der Zitate. Innerhalb der montanistischen Werke wiederum enthalten die früheren den größten Teil der Zitate.2 Man könnte also den Eindruck geDazu grundsätzlich BECKER Teriullians Apologeticum 195—227. Die an Zitaten reichen Werke de anima und de pallio entstehen 203 oder kurz danach bzw. in den Jahren zwischen 205 und 211, allerdings ist vor allem die Datierung des
11.1.4
Auswertung
97
winnen, daß Tertullian sich mit seiner Entwicklung hin zum Montanismus in zunehmendem Maße von Vergil distanziere. Allerdings konzentriert sich auch in TertuUians Frülizeit die Auseinandersetzung mit Vergil auf die Schrift ad nationes und ihre Überarbeitung, das Apologeticum, zum anderen rückt angesichts einer zunehmenden Konzentration auf innerchristliche Themen der pagane Klassiker naturgemäß in den Hintergrund. Man wird also eher eine durch die äußeren Umstände bedingte als eine bewußte Abwendung von Vergil annehmen müssen. 1.4.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Betrachtet man die Herkunft der Zitate, so fällt zunächst auf, daß die Eklogen unter den diskutierten Reminiszenzen gar nicht vertreten sind. Bei den Georgika liegt, abgesehen von der Übernahme der Verse über das Goldene Zeitalter (nat. 2,13,14), ein gewisser Schwerpunkt im dritten Buch1. Die meisten Zitate lassen sich auf die Aeneis zurückführen, hierin wiederum überwiegend auf die erste Hälfte, insbesondere auf die Bücher 1, 3, 4 und 6. Aus dem ersten Buch werden vor allem Verse über Juno und Karthago entnommen (nat. 2,17,6; apol. 25,8; pall. 1,3a), außerdem die Formel vom Imperium sine fine (apol. 25,16). Die Zitate aus dem dritten Buch beziehen sich bemerkenswerterweise ausschließlich auf die Helenus-Prophezeiung, so das Sauprodigium (adv. Marc. 1,5,1), der sentenziöse Vers tantum aevi longin' qua valet mutare vetustas (415; pall. 1,3b) und die Abtrennung Siziliens (apol. 40,4; pall. 2,3). Ins vierte Buch gehören der Vers über die Fama (nat. 1,7,2; apol. 7,8) und die Darstellung Merkurs (anim. 53,6), außerdem verweist die Erwähnung der Dido (dazu oben Sbsqq.; cf. adv. Val. 1,4) dorthin. Aus der Unterweltsschilderung im sechsten Buch stammen die Formel aequus luppiter (nat. 2,13,20), die Darstellung der nachlassenden Farbenschärfe bei Dunkelheit (anim. 43,4) und die Wendung Stygia palus (anim. 50,3), außerdem die Formeln causa tanti mali (adv. Val. 10,2) und cui tantum de te licuit? (cf. mart. 4,9; nat. 1,7,1). Aus der zweiten Aeneishälfte sind vor allem Iterata zu verzeichnen, Ausnahmen stellen lediglich zwei Zitate aus der Schilderung Urroms im achten Aeneisbuch (apol. 24,7 vana superstitio; 26,2 silvestris Roma) und das ohnehin sprichwörtlich gebrauchte, also wenig an den Kontext gebundene usque adeone mori miserum est? (fug. 10,1) dar. Unter den Zitaten lassen sich ein thematischer und ein funktionaler Schwerpunkt erkennen: Einige Zitate nämlich beziehen sich auf Karthago, auf Juno als dessen Schutzgöttin und auf Dido.2 Zum anderen handelt es sich bei vielen
1 2
letzteren Werkes sehr unsicher; auch das erste Buch adversus Marcionem gehört in die Frühphase des Montanismus. Das Zitat in dem späten Werk de Juga in persecutione ist ausdrücklich als de saeculo aliquid gekennzeichnet. Das Zitat spect. 9,3 ist allerdings über Sueton vermittelt, hinzu kommen die übernommenen Formulierungen anim. 27,8; 32,8. So die Dido Erwähnungen (mart. 4,Spar.), die Zitate über Juno und Karthago (nat. 2,17,6; apol. 25,8), das Epitheton für die Stadt (pall. 1,3a) und das Zitat über die Fama
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II. 1
Tertullian
Zitaten entweder um anschauliche Beschreibungen bestimmter Sachverhalte. Hierher gehören etwa die Abtrennung Siziliens (apol. 40,4; pall. 2,2) und die nachlassende Farbensicht bei Dunkelheit,1 oder um bekannte, oft sprichwörtliche Wendungen, so etwa die Verse über das Goldene Zeitalter (nat. 2,13,14) oder das geflügelte Wort über die allzu große Todesfurcht (fug. 10,l) 2 1.4.4
Vergii bei Tertullian: Funktion und Bewertung
Bis hierher hat sich gezeigt, daß Vergii zwar erwähnt und zitiert wird, daß aber diese Referenzen im Gesamtwerk nur eine marginale Bedeutung haben, da sie sich im wesentlichen auf diejenigen Schriften beschränken, in denen sich der Autor mit der paganen Umwelt auseinandersetzt. Die Zitate sind nach rhetorischen Erfordernissen, dabei aber ohne Berücksichtigung des Rhythmus eingebaut und streng funktionalisiert. Was sich nicht nachweisen läßt, ist ein hintergründiges Spiel und auf die Vergilkenntnis des Lesers setzendes Spiel mit dem Prätext — ein hintergründiges intertextuelles Spiel ist Tertullians Sache nicht.3 Vielmehr lassen sich folgende drei Funktionstypen unterscheiden: 1. Zitate liefern die prägnante Formulierung eines Argumentes, etwa über das Wesen der Fama (nat. 1,7,2; apol. 7,8); über Junos vergebliche Vorliebe für Karthago (nat. 2,17,6; apol. 25,8); über die Zeit, die al1
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(nat. 1,7,2; apol. 7,8), das ja auch in die Dido-Handlung gehört. Außerdem apol. 26,2 sylvestris Roma; 50,7 de laude pepigerunt; uxor. 2,6,1 nidore (...) agitabitur, anim. 27,8 die Metaphorik für den Geschlechtsverkehr; 32,9 hirundo gamda; 53,6 Merkur. Außerdem nat. 1,7,2 und apol. 7,8 fama malum qua non aliud vetocius ullum; nat. 2,13, 20 aequus luppiter; apol. 24,7 vana superstitio; 25,8b coniunx Iovis et soror, 25,16 imperium ainefine; anim. 50,3 Stygia palus; pall. 1,3b tantum aevi longinqua valet mutare vetustas; 2,7 Alcinoi pometum; adv Marc. 1,5,1 Sauprodigium. Einen proverbialen Charakter haben auch die den Zitaten mart. 4,9; nat. 1,7,1 und adv. Val. 10,2 zugrunde liegenden vergilischen Formulierungen cui tantum de te licuit? und causa mali tanti. Eine Ausnahme stellt das von Sueton übernommene antiquarische Zitat spect. 9,3 dar. Ausdrücklich gegen UGLIONE Virgüio, passim. Von den angeführten elf Stellen, für die er ein allusives Spiel mit dem Prätext vermutet, das erst die eigentliche Pointe, eine Verkehrung oder Vertiefung des Sinnes bringe, weisen neun überhaupt keinen faßbaren Vergilbezug auf (dazu jeweils unten: nat. 2,17,3 und apol. 25,3: 363; apol. 30,1 sg.: 364; spect. 23,2: 370; Scap. 2,1: 365; anim. 30,3: 367; nat. 1,7,20: 362; apol. 11,6: 364; vrig. vel. 14,5: 369; adv. lud. 9,20 und adv. Marc. 3,14,7: 366), an den beiden Stellen, die tatsächlich von Vergii beeinflußt scheinen (pall. 4.6 und adv. Val. 1,4, siehe oben 61 und 62) und die entdeckt zu haben UGLIONBS unbestreitbares Verdienst ist, schätzt er die Referentialität viel zu hoch ein. Seine auf der Annahme einer für den Leser merklichen Spannung zwischen Prätext und Folgetext beruhenden Interpretationen lassen sich oft allein schon deswegen nicht halten, weil man eine bewußte Perzeption des Prätextes in den von UGLIONE genannten Fällen nahezu ausschließen muß. UGLIONES Beispiel bewegen sich allein auf einer produktionsästhetischen Ebene: Tertullian übernimmt eine ihm adäquat und wirkungsvoll erscheinende Formulierung, siehe auch oben 38 Anm. 3.
IL 1.4 Auswertung
99
les verändert (pall. 1,3b); über den Märtyrertod, dem man sich nicht entziehen soll (fug. 10,1). 2. Zitate bieten ein exemplum und dessen Ausgestaltung oder generell einen treffenden Ausdruck für einen anerkannten Sachverhalt, so etwa für das Imperium sine fine (apol. 24,7), bei der Abtrennung Siziliens (apol. 40,4; pall. 2,3), bei der garrula hirundo (anim. 32,8), bei nachlassender Schärfe der Farben in der Dunkelheit (anim. 43,7), bei Merkur als Todesengel (anim 53,6), beim kriegserfahrenen Karthago (pall. 1,3a) oder Alexander dem Großen (pall. 4,6). 3. Mithilfe eines Zitates kommt eine polemische Spitze gegen pagane Gottesvorstellungen (etwa nat. 2,13,14.20; apol. 25,8bc) oder gegen Häretiker (praescr. 39,3; adv. Val. 1,4; 10,2; adv. Marc. 1,5,1) zustande. In allen diesen Fällen wird das Poetische den Erfordernissen des Rhetorischen untergeordnet. Es geht Tertullian bei Vergilzitaten nicht um die Form, um die Schönheit der poetischen Sprache oder Rhythmik, sondern um den Inhalt, also um das lYeffende und um die Präzision, mit der ein allgemeingültiger Sachverhalt vom Dichter sprachlich erfaßt wird. Tertullian ist insofern tatsächlich, wie schon D'ALES über sein Verhältnis zur griechischen Dichtung resümiert,1 "ne pour la prose", als er auch in der Vergilischen Dichtung nicht das Poetische, sondern das allgemeingültig oder proverbial Ausgedrückte sucht und rhetorisch funktionalisiert. Diese selbstverständliche, quantitativ gesehen aber letztlich marginale Benutzung muß auch einer Antwort auf die Frage nach der Bewertung des Vergil zugrunde liegen: Vergil ist als der Schulautor schlechthin präsent und wird, wenn auch in geringerem Maße in den späteren und in den innerchristlichen Schriften, gleichermaßen verwendet und vorausgesetzt. Tertullian setzt sich an keiner Stelle ausdrücklich mit Vergil auseinander, aus den vorliegenden Zitaten lassen sich nur drei Grundzüge seiner Haltung zum Dichter herausarbeiten: 1. Der Rhetor Tertullian gebraucht Vergil selbstverständlich nach Gutdünken, in erster Linie als einen Lieferanten treffender Formulierungen für allgemein anerkannte Sachverhalte und Einsichten. Doch legt Tertullian dabei insgesamt keinen besonderen Sinn für poetische Sprache und Rhythmik an den Tag. 2. Der Christ Tertullian verwendet Vergil als Mittel der Argumentation und der Polemik in seinem Sinne. Tertullian sieht, fern jeder lectio 1
D A L E S 334. — BRAUN (PoMes 33, siehe oben 38 Anm. 1) will das einschränken und verweist auf Spuren einer Sensibilität für dichterische Schilderungen. Die Untersuchung der Vergilzitate ergibt aber, daß Tertullian sich nicht für das Poetische, sondern für die rhetorische oder argumentative Wirkung poetischer Formulierungen interessiert.
100
IM Tertullian Christiana, die er grundsätzlich ablehnt (test. anim. 1,1), in Vergil den paganen Dichter, was er auch durchaus hervorhebt, sofern ihm das in der Argumentation tunlich erscheint. Andererseits hat Vergil einen selbstverständlichen Platz in Tertullians christlicher Rhetorik.
3. Der Karthager Tertullian zeigt eine gewisse Vorliebe für Passagen der Aeneis, in denen seine Heimatstadt und deren Schutzgöttin Juno erwähnt werden. Die heroische Dido, die Aeneas nie begegnet, betrachtet er als die historische und führt sie als leuchtendes Beispiel vor Augen, während die poetisch-fiktionale Figur nicht vorkommt. Insgesamt legt Tertullian also weder eine ausdrückliche Geringschätzung noch eine Vorliebe für Vergil an den Tag: Er benutzt den Dichter, wo es ihm geboten scheint, und übergeht ihn, wo er ihm, wie bei Aeneas und Dido, nichts abgewinnen kann. Die grundlegende Weichenstellung jedoch, die Tertullian vornimmt, besteht darin, daß er, als erster christlicher Autor vor die frage nach dem Umgang mit Vergil gestellt, diesen in der TVadition paganer Rhetorik, nun aber im christlichen Kontext, selbstverständlich verwendet.
2
Minucius Felix
2.1
Zur Forschungslage
Der Afrikaner Marcus Minucius Felix1, nach rhetorischer Ausbildung in Rom als Rechtsanwalt tätig2 und zum Christentum konvertiert, verfaßt in den ersten Jahrzehnten des dritten Jahrhunderts3 eine der bemerkenswertesten Schriften der christlichen Latinität: Anläßlich des Todes seines Freundes Octavius ruft der Autor ein Gespräch während eines Spazierganges am Strand von Ostia in Erinnerung, in dessen Verlauf der heidnische Freund Caecilius in der Gegenwart des Autors vom eben Verstorbenen für das Christentum gewonnen worden sei. Nach dem einleitenden Rückblick (Kapitel 1) skizziert Minucius Felix die Szenerie (Kapitel 2—4): An einem idyllischen Ferientag am Meer läßt ein Gruß des Caecilius an eine Serapisstatue ein Streitgespräch aufkommen, zu dessen Schiedsrichter Minucius Felix eingesetzt wird. Caecilius vertritt die Sache des Heidentums (Kapitel 5—13). Zunächst (Kapitel 5— 7) entwickelt er ein mechanistisches Weltbild, in dem der Zufall regiert und nur das Festhalten an der traditionellen religio Verläßlichkeit bringt, dann greift er die verruchten Sitten (Kapitel 8—10) und die widersinnigen Lehren (Kapitel llsq.) der Christen an, die, so sein Schlußappell (13), besser täten, es mit dem Skeptizimus zu halten. Nach einem Zwischengespräch (Kapitel H59.), das vor allem das Verhältnis von veritas und eloquentia zum Gegenstand hat, beginnt die Entgegnung des Octavius (Kapitel 16—38): Zunächst (Kapitel 16) legt er die Unsicherheit dar, die sich hinter der Haltung des Caecilius verberge. Den Beweis dafür, daß Providentia mundus regitur et unius dei natu gubernatur (20,2), führt er dann (Kapitel 17—19) aus der Betrachtung der Schöpfung und aus dem consensus von vulgus, poetae und philosophi in dieser Frage. Nach einer Kritik an der traditionellen religio (Kapitel 20— 27) verteidigt Octavius Leben und Lehre der Christen (Kapitel 28—38) und schließt mit einer Aufforderung zur Freude darüber, daß die veritas divinitatis nostri temporis aetate maturuit (38,7). Daraufhin (Kapitel 39sq.) gesteht Caecilius dem christlichen Redner den Sieg zu und gibt sich in den entscheidenden Punkten überzeugt: et de Providentia fateor et de deo cedo et de sectae iam nostrae sinceritate consentio (40,2). 1
2 3
Eine umfassende Gesamtdarstellung und Übersicht über die Forschungsliteratur bietet auf neuestem Stand E. HECK, HLL 4 (1997) §475, vorher etwa H. VON GEISAU, 4M. Minucius Felix', RE Suppl. XI (1968) 952—1002; Ana Maria ALDAMA, El Octavius de Minucius Felix. Puntosdiscutidos, EClas91 (1987) 55—64; B. KYTZLER, Minucius Felix, TRE 23 (1994) 1—3; F. CHAPOT, Les grandes orientations des travaux sur VOctavius de Minucius Felix. Remarques sur trente ans de bibliographie, VL 150 (1998) 18—28; Bettina WINDAU. 'Minucius Felix', LACL (2002) 504sg. Cf. Hier. vir. ill. 58 Minucius Felix, Romae insignis causidicus; epist. 70,5,1; dazu HECK HLL 4 (1997) 512so. Zur Forschungslage HECK HLL 4 (1997) 513, CHAPOT 22sq.; zuletzt hat M. BROSCIUS, Quo tempore Minucii Felicis Octavius conscriptus sit, Eos 82 (1994) 265, eine Datierung der Handlung ins Jahr 202, der Abfassung zehn Jahre darauf vorgeschlagen.
102
II.2
Minucius Felix
Der in Form und Sprache ciceronianische Dialog orientiert sich stark am paganen Denken und läßt specifica christiana weit im Hintergrund.1 Schon Hieronymus fragt, epist. 70,5,1: quid gentilium litterarum dimisit intactum? Die moderne Forschung erkennt im Octavius ein 'Mosaik'2 aus Elementen paganer Bildung und Literatur, womit teilweise ein abwertendes Urteil, meist aber eine Würdigung der kunstvollen Komposition und des humanistischen Geistes einhergeht.3 Man hat bei Minucius Felix die Benutzung zahlreicher Autoren festgestellt; darunter die Dichter Terenz, Vergil und Lukrez, sowie Cicero und Seneca, daneben beispielsweise Piaton, Sallust, Livius, Valerius Maximus, Tacitus, Sueton und Apuleius.4 Daß diese Anlehnung an die paDie Auffassung, daß man deswegen die Orthodoxie, so etwa A. CAPPELLETTI, Minucio Felix y su Filosoffa de la Religion, RVF 19 (1985) 7—62, oder die theologischen Kenntnisse, so etwa W. BARNARD, 'Apologetik1, TRE 3 (1978) 402, des Autors in Zweifel zu ziehen habe, hat sich zu Recht ebensowenig durchgesetzt wie J. FONTAINES (Aspects et problemes de la prose d'art latine au Hie siecle, Torino 1968, 94—121) Deutung als durchgängig kryptochristlicher Text. So überschreibt C. BECKER, Der 'Octavius1 des Minucius Felix. Heidnische Philosophie und frühchristliche Apologetik, München 1967, sein Einleitungskapitel: "Der 'Octavius1 ein Mosaik?". Die älteren Urteile faßt BECKER (Octavius Ssq.) zusammen, der in seiner Untersuchung einen der wichtigsten Beiträge zum Verständnis der kunstvollen Komposition des Dialoges leistet, die neueren E. HECK HLL 4 (1997) §475 Lit. 6; ein Beispiel für eine positive Würdigung bieten etwa M. VON ALBRECHT, M. Minucius Felix as a Christian Humanist, ICS 12 (1987) 157—168; zum Forschungsstand CHAPOT 23—25; anhand treffender Einzelinterpretationen Christiane INGREMEAU, Minucius Felix et ses "sources": le travail de r&rivain, REAug 45 (1999) 3—20. Auf die Quellenfrage insgesamt gehen GEISALJ (983—988), BEAUJEU (Introduction XXXI—LXVII, mit älterer Literatur) und HECK (HLL 4 [1997] 517 mit Lit. 5) ein; zu den in der älteren Forschung gern ins Feld geführten verlorenen doxographischen Quellen HJ. BAYLIS, Minucius Felix and his Place among the Early Fathers of the Latin Church, London 1928, 327—359. Eine Zusammenstellung wesentlicher Bezugnahmen auf Cicero, Seneca, Piaton, Livius, Sallust, Plinius, Florus, Herodot, Vergil, Ovid, Horaz, Juvenal, weiteren lateinischen Dichtern und Homer bieten die teilweise sehr ergiebigen Similienapparate der Ausgaben (dazu unten 112 Anm. 2) und beispielsweise A. KÄROSI, Quibusnam scriptoribus non christianis Minucius Felix in Octavio componendo usus sit?, Budapest 1905. Die Verbindung paganer Vorbilder, vor allem Ciceros, mit Tertullian als christlicher Hauptquelle stellt vor allem BECKER (Octavius, passitn) dar, zur Benutzung von Ciceros de natura deorum auch Ilona OPELT, Ciceros Schrift De natura deorum bei den lateinischen Kirchenvätern, A&A 12 (1966) 141— 151, hier \A7sq.\ jüngst umfassend zur Cicerobenutzung E. HECK, Minucius Felix, der erste christliche Ciceronianer, Hyperboreus 5 (1999) 306—32. Die zahlreichen Parallelen zu Seneca stellt F.X. BURGER, Minucius Felix und Seneca, Diss. München 1904, zusammen, zu einem Aspekt Elke AHLBORN, Naturvorgänge als Auferstehungsgleichnis bei Seneca, Tertullian und Minucius Felix, WS NF 24 (1990) 123—137; instruktive Beispiele der Cicero- und Senecabenutzung jüngst bei INGREMEAU 4—13; zu Piaton neben BECKER (Octavius 87—89) und VAN DER NAT (206—208) schon J.P. WALTZING, Piaton, source directe de Minucius Felix, MB 8 (1904) 424—428; zu Sallust und Tacitus* diatogus K. BÜCHNER. Drei Beobachtungen zu Minucius Felix, in: ders., Studien zur römischen Literatur, Band IV: Tacitus und Ausklang, Wiesbaden 1964, 105—121; G.L. CARVER, Tacitus' Dialogus as a source of Minucius Felix' Octavius, CPh 69 (1974) 100— 106, gegen einen Einfluß des Tacitus aber BECKER Octavius 61 Anm. 88; zu Pompeius Trogus M. GALDI, Quid Minucius Felix in 'Octavio1 conscribendo a Trogo seu Iustino
II.2.1
Zur Forschungslage
103
ganen Klassiker mit der gezielten Ausrichtung des Dialoges auf die gebildete Oberschicht zusammenhängt, zeigt der maßgebliche Beitrag von Barbara ALAND (1983): Minucius Felix wende sich in einem konsequent durchgehaltenen 'Konzept der sensiblen Anpassung an den Adressaten9 an Angehörige der 'politischen Klasse', also des ordo senatorius, equester oder decurionum. Durch eine an den Inhalten der höheren Schulbildung orientierte, konservative Argumentation, die in jedem Schritt dem Denken dieser gebildeten Oberschicht Rechnung trage, wolle Minucius Felix dieser bis dahin vor allem aus sozialen Gründen dem Christentum fernstehenden Gruppe die Annäherung erleichtern.1 Innerhalb der christlichen Latinität spricht HAGENDAHL (1982) dem Apologeten daher eine Vorreiterrolle in der Annäherung an die pagane Bildungswelt zu.2 Was insbesondere die Rhetorik angeht, so zeigt VAN DER NAT (1977), daß Minucius Felix neben die im frühen Christentum übliche Ablehnung verführerischen Wortgeklingels die Forderung zur Auseinandersetzung mit der eloquentia stellt und in der Unterscheidung zwischen Inhalt und Form die Grundlagen für eine differenzierte Bewertung der e/oquentia schafft.3 derivaverit, RIGI 1932, 136—139. — Auf die Dichter wird gleich noch einzugehen sein. Barbara ALAND, Christentum, Bildung und römische Oberschicht. Zum Octavius des Minucius Felix, in: dies. / F. MANN (Hg.), Piatonismus und Christentum. FS H. DÖRR1E, Münster 1983,11—30. HAGENDAHL Von Tertullian 2Ssq.: "Die literaturgeschichtliche Bedeutung des "Octavius" liegt eben darin, dass Form und Gehalt mehr antik als christlich sind. Mit der Aufnahme einer klassischen Literaturart und mit der bewussten Annäherung an die antike Bildungswelt leitet Minucius Felix die Richtung ein, in der die christliche Literatur sich in den folgenden Jahrhunderten entwickelte." Cf. VAN DER NAT 208—212 zum Zwischengespräch Min. Fei. 14,4—6.7. — Dagegen setzt V. BUCHHEIT, Bildung im Dienst der Wahrheit, SO 58 (1993) 116—128, seine Interpretation der Rede des Schiedsrichters im Zwischengespräch, wonach erstens Minucius Felix "vom ersten Satz an entschiedene Kritik an der Rede des Caecilius" übe (121) und keinerlei Ambivalenz gegenüber seiner Rhetorik oder der Rhetorik im allgemeinen erkennen lasse, sondern Caecilius als Sophisten entlarve, und wonach er zweitens lediglich die Anwendung der Dialektik in der Auseinandersetzung mit dem Heidentum befürworte, die Rhetorik aber grundsätzlich ablehne. Zwei Bedenken scheinen einem solchen Verständnis allerdings im Weg zu stehen: (1) BUCHHEITS Argumentation geht davon aus, daß der Leser eine Parallele zu Piatons Symposion (198a—199d) erkenne, wo Sokrates nach dem vermeintlichen Lob eines Redebeitrages dessen auf Prunk und Täuschung ausgerichteten Charakter bloßstellt, und analog zu diesem Prätext die Schiedsrichterrede deute. Den erkennbar alludierten Prätext über die 0.100X07(01 aus Piatons Phaidon (88c—91c) hingegen solle der Leser nicht auf die (formale) eloquentia, sondern auf die Dialektik als hermeneutisches Prinzip beziehen. Da auf die Symposionpassage nichts weiteres hindeutet und da der Bezug der Phaidonstelle auf die Rhetorik im allgemeinen näher liegt, muß fraglich bleiben, ob die Piatonreferenzen in der vorliegenden Form den Leser darauf hinweisen können und sollen, udaß der Text in Wirklichkeit ganz anders zu lesen ist" (126). (2) Auch angesichts der Gesamtkonzeption des Werkes scheint das von VAN DER NAT vorgeschlagene Verständnis der Stelle näher zu liegen. Denn da sowohl der Dialog insgesamt als auch die Christenrede mit allen Mitteln rhetorischer Kunst gestaltet sind und am Ende (39) Minucius Felix an der Rede des Octavius lobt, daß dieser die christliche Lehre non tantummodo facilis sed et favorabilts (zu den rhetorischen Konnotationen VAN DER NAT 228) dargestellt habe,
104
II.2
Minucius Felix
Eine nähere Betrachtung verdient das Verhältnis zur Dichtung im allgemeinen, wie es sich aus den Äußerungen im Dialog erschließt:1 Der erste, der sich im Dialog ausdrücklich (genauer gesagt: ausdrücklich nicht) auf die Dichter bezieht, ist Caecilius. In seiner Begründung, warum an der überlieferten Religion festzuhalten sei, führt er die praeteritio aus: omitto vetera, quae multa sunt, et de deorum natalibus, donis, muneribus neglego carmina poetarum (7,5). Der heidnische Dialogteilnehmer verzichtet also darauf, hier die Dichter für seine Sache ins Feld zu führen. Dieser 'Verzicht' ist zwar nur ein rhetorisches Stilmittel und keine wirkliche Bewertung, doch ist es für die Argumentationsstrategie des Apologeten bemerkenswert, daß tatsächlich die auctoritas der Dichter nicht gegen die Christen ins Feld geführt wird. Später (11,9) geht Caecilius noch weiter, wenn er die Beispiele für eine Auferstehung Toter in der Dichtung — genannt wird die Geschichte von Protesilaos (11,8)2 — als Argument für christliche Glaubenssätze ablehnt: Omnia ista figmenta male sanae opinionis et inepta solacia a poetis fallacibus in dulcedine carminis lusa a vobis nimirum credxdis in deum vestrum turpiter reformata sunt Letztlich erklärt schon der Heide hier implizit die Dichter für mögliche Gewährsleute christlicher Eschatologie und bereitet so Octavius' dahingehende Argumentation vor. Die von Caecilius ins Feld geführte skeptizistische Grundhaltung des Simonides (13,4 Simonidis melici /.../ admiranda /.../ cunctatio), entnommen aus Cicero (nat. deor. 1,60),3 jedoch gewinnt ihre Argumentationskraft weniger aus dem Dichter als allgemein aus dem Prominenten als Vorbild. Wie nun im zweiten Hauptteil des Dialoges der Christ Octavius die Dichter und insbesondere Vergil (19,1 sq.) in seine Argumentation bezüglich des Monotheismus einbindet, darauf wird noch einzugehen sein.4 An anderer Stelle (19,103g.), wenn Octavius die Gemeinsamkeiten von stoischer Lehre und christlichem Glauben hervorhebt, verweist er unter anderem auf Chrysipp und, wenn auch nur beiläufig, dessen allegorische Interpretation von Hesiod, Homer und Orpheus.5 Der Christ erwähnt also diesen Deutungsansatz, mit dessen Hilfe Anstößigkeiten beseitigt und Zugänge zu einem philosophischkosmologischen Verständnis der dichterischen Mythologie geschaffen werden, in einem auf positive Anknüpfung ausgerichteten Kontext.
1
2 3 4 5
die rhetorische Präsentation also zum Beurteilungskriterium mache, ginge eine scharfe und prinzipielle Kritik an der Rhetorik im Zwischengespräch, zumal eine rhetorisch (!) so kunstvoll durch intertextuelle Bezüge verschlüsselte, doch wohl ins Leere. Auf diese Frage wird in der neueren Literatur nur ganz summarisch eingegangen, die Einlassungen von ELLSPERMANN (1949) und KRAUSE (1958) sind in ihrer Wertung problematisch, dazu unten 108 Anm. 1. Locus classicus Hom. IL 2,695—710, römische Bearbeitungen Catull. 68,73-76; Ov. her. 13; Hyg. fab. 103. Dazu etwa S. BODELÖN, El discurso anticristiano de Cecilio en el Octavio de Minucio Felix, MHA 13/14 (1992/93) 247—294, hier 292. Dazu unten \8Qsq. 19,11 Chrysippus /.../ Zenonemque interpretatione physiologica in Hesiodi, Homeri Orpheique carminibus imitatur, cf. Cic. nat. deor. 1,39—42.
11.2.1 Zur Forschungslage
105
Kritischere Töne erklingen in der refutatio heidnischen Glaubens (Kapitel 20—27): Was die Erkenntnis der göttlichen Providentia in der Welt verstellt, ist, so Octavius (20,2), die antiquitas inperitorum fabellis suis delectata vel capta ad errorem. Nach einer grundsätzlichen Mythenkritik (20,3—22,7) wendet sich der Christ dann (23,1) gegen die Verbreitung dieser Irrtümer in Bildung und Dichtung: Has fabulas et errores et ab inperitis parentibus discimus et, quod est gravius, ipsi studiis et disciplinis elaboramus, carminibus praecipue poetarum, qui plurimum quantum veritati ipsi sua auctoritate nocaerunt — Vor allem die in der Schule gelesenen Dichter sind also schuld an den falschen Gottesvorstellungen. Das untermauert Octavius noch mit dem Verweis auf Piaton, der ja auch Homerum illum inclytum, laudatum et coronatum aus seinem Idealstaat vertrieben habe.1 Dann (23,3—7) führt er Beispiele für anstößige Göttermythen an. Schließlich zieht Octar vius die Schlußfolgerung, diese Geschichten würden nur als Vorwände und Rechtfertigungen menschlicher Laster überliefert (23,7), prägten sich aber den Kindern ein, die so blind würden für die Wahrheit (23,8). Die folgende kritische Auseinandersetzung mit dem Mythos von Saturn und Jupiter (23,9-12) bleibt ohne Bezugnahme auf Dichterwerke, Octavius beruft sich nur auf Historiker2. Das Kapitel enthält also zwei Grundgedanken: Zunächst (23,1—8) geht es, unter pädagogischen Gesichtspunkten, um den schädlichen Einfluß, den die dichterische Mythologie in der Erziehung auf die moralische Entwicklung nehmen kann.3 Dann (23,9—13) bringt Minucius Felix, nun aus historischem Blickwinkel, euhemeristische Argumente gegen den Mythos von Saturn und seinen Nachfahren vor. Später (26,9) verweist Octavius wiederum auf die Dichter, diesmal aber sind sie ihm — vor den philosophi und namentlich Sokrates — Gewährsleute für die Existenz von daemones, den von Gott abgefallenen Geistern.4 Zur Zielscheibe der Kritik aber wird weiter unten (31,1-4) die Bühnendichtung: Im Rahmen der retorsio des Vorwurfe, die Christen träfen sich zu inzestuösen Orgien, verweist Octavius auf die sexuellen Verirrungen, wie sie in der römischen Geschichte5 und in der IVagödie begegnen.6 Schließlich sucht Octavius wieder, die Autorität der Dichter für seine Sache zu nutzen, wenn er schon bei ihnen einen Fingerzeig auf einen Ort der Bestrafung nach dem Tode sieht (35,1). Ganz beiläufig wird hier auch deutlich, woher nach Ansicht des Christen die doctissimi und die poetae 1 2 3 4 5 6
23,2 bezogen auf Plat. rep. 398, aufgenommen bei Cic. rep. 4,5; Tusc. 2,27 und vor allem Tert. nat. 2,7,11 — jedoch setzt Minucius Felix das Epitheton laudatus hinzu. 23,9: Nepos, Cassius, Thallus und Diodor. Dieser Kerngedanke wird in einer Ringkomposition hinführend (23,1) und resümierend (23,8) betont. 26,9 Eos spiritus daemonas esse poetae sciunt, philosophi disserunt, Socrates novit. Gemeint sind die bei den Historikern beschriebenen einschlägigen Vorkommnisse am Kaiserhof. 31,3 Memoriae et tragoediae vestrae incestis gloriantur, quas vos libenter legitis et auditis. Es schließt sich ein Hinweis auf inzestuöse Eheverbindungen und die Gefahr des unbemerkten Inzests durch Promiskuität an, dann (31,4) folgert Octavius: Sic incesti fabulam nectitis, etiam cum conscientiam non habetis.
106
II.2
Minucius Felix
ihr Wissen um die eschatologischen Wahrheiten haben: aus dem Wirken der Dämonen und der Kenntnis der alttestamentlichen Propheten.1 Insgesamt ist das Verhältnis des Apologeten zur paganen Dichtung, wie es sich aus dem Dialog ergibt, also zwar keineswegs unkritisch, aber im ganzen Überwiegt eine weitgehende Offenheit für die pagane Kultur. Das läßt sich an den folgenden drei Beobachtungen erkennen: 1. Zentrale Aussagen der Christenrede werden durch einen Verweis auf die poetae untermauert. Christlicher Monotheismus (19,lsg.), Dämonologie (26,9) und Eschatologie (35,1), also Kernpunkte dessen, was im Dialog überhaupt positiv an christlicher Glaubenslehre zur Sprache kommt2, finden sich in ihren GrundzUgen, so der Beweisgang, unter anderem schon bei den paganen Dichtern angelegt. Allerdings tritt dieses Argument im Gedankengang eher an den Rand.3 Sogar Homer, dessen anthropomorphes Gottesbild weiter unten (23,2594.) noch zum Gegenstand kritischer Auseinandersetzung wird, führt der Apologet ins Feld, freilich ohne ihn beim Namen zu nennen (19,1). Bemerkenswert ist außerdem, daß der Apologet sich der allegorischen Interpretationsmöglichkeit dichterischer Werke in der philosophisch-theologischen Argumentation wohl bewußt ist (19,10$g.). 2. In der Rede des Heiden wird nicht mit den Dichtern argumentiert. Caecilius verzichtet nicht nur expressis verbis (7,5) darauf, Dichterisches als Beleg anzuführen, er lehnt derartige Beweise sogar ausdrücklich und mit harten Worten ab.4 Damit jedoch erreicht der Autor, daß Octavius nicht gegen die Dichter als Beleginstanz argumentieren muß, sondern sich umgekehrt als einziger auf ihre Autorität stützen kann. Dem Leser wird also klar: Die Wahrheit, die in den dichterischen Werken liegt, gehört ausschließlich auf die Seite der Christen. 3. Die Kritik an der Dichtung bleibt moderat, gezielt und für den paganen Leser in jedem Punkt konsensfahig. Während Caecilius' Äußerungen gegen den Wert des Poetischen (11,9) hart und pauschal klingen, Dieser in der Apologie so häufige Gedankengang, die wahren Einsichten im Heidentum seien letztlich aus (alttestamentlicher) Offenbarung geschöpft, steht bei Minucius Felix sehr am Rande. Cf. P. PlLHOFER, Presbyteron Kreitton. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte, Tübingen 1990, v.a. 281—284: Minucius Felix arbeite zwar durchaus in der Heidenrede mit dem Argument, das Ältere sei auch das Bessere, doch für die christliche Sache wende er sich (besonders 38,7) gegen den Vorworf der novitas mit der Begründung, erst jetzt sei der Heilsplan Gottes wirklich vollendet und die veritas Christiana somit vollgültig entfaltet. Daß Minucius Felix die christliche Dogmatik nur in einer sehr begrenzten Auswahl zur Sprache bringt, wird in der Forschung immer wieder betont, etwa ALDAMA 59sq.; KYTZLER TRE 23 (1994) 2; richtig einordnend HECK HLL 4 (1997) 517. Im Kapitel 19 stehen die Philosophen im Vordergrund, 26,9 und 35,1 bleiben die Dichterverweise ohne besondere sprachliche Emphase. 11,9. Daß die Anekdote von Simonides (13,9) nicht hierher gehört, wurde oben (104) schon festgestellt.
II.2.1
Zur Forschungslage
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richtet sich die Kritik des Octavius gegen die fabxdae et errores der Mythologie — gegen die Dichter selbst jedoch nur insofern, als sie diese durch ihre auctoritas zum allgemeinen Schaden insbesondere in der Schullektüre verbreiten (23,1). Dabei bleibt die Polemik des Christen ganz im Rahmen des auch schon der paganen Antike Vertrauten, greift doch schon Xenophanes (DK 21 B 11) das anthropomorphe Gottesbild Homers an, würde Piaton die Dichter wegen ihrer Aussagen über die Götter, worauf ja Minucius Felix selbst verweist (23,2), aus dem idealen Staat verjagen, und kennen schließlich auch Cicero und Tacitus Bedenken gegen die Verwendung der Mythologie in der Erziehung1. Dazu kommt noch, daß die gesamte Dichterkritik sehr stark an Cicero orientiert ist.2 Außerdem wird nur Homer — und zwar im Zusammenhang mit dem Verweis auf die Autorität Piaton — namentlich genannt. Es geht dem Apologeten also offensichtlich nicht um eine Polemik gegen die Dichtung im allgemeinen, sondern um das anthropomorphe Gottesbild der poetischen Mythologie im besonderen, das gerade am Beispiel Homers zu kritisieren keineswegs etwas Neues oder typisch Christliches ist. Und wenn Octavius an anderer Stelle (31,3$q.) das Unsittliche in der Tragödie anprangert, stößt sich der Christ nicht wirklich daran, daß in der TYagödie das Inzestmotiv auftauchen kann; vielmehr trägt er alle Belege inzestuösen Verhaltens in der paganen Welt zusammen, um dann letztlich auf den pointierten Schluß für seine retorsio zu kommen: sie incesti fabulam nectitis (31,4). Minucius Felix ist also im ganzen deutlich darum bemüht, die Dichter zwar als Autorität auf die Seite der Christen zu ziehen, tut dies aber eher unauffällig und nebenbei. Dieser Tendenz steht die Zurückweisung der Dichter als Künder eines falschen, das heißt vor allem anthropomorphen, Gottesbildes gegenüber, die jedoch deutlich pädagogisch akzentuiert ist und im Rahmen der bereits in der paganen Antike vorgebrachten Kritik bleibt. Denn einerseits tiefe Wahrheiten bei den Dichtern zu finden, andererseits ihre Aussagen über die Götter für unsittlich und absurd zu erklären, ist dem theologischen Denken der Antike durchaus nicht fremd:3 Sofern sie Mythologisches Cic. Tusc. 3,2; Tac. dial. 29.1 At nunc natus infans delegatur Graeculae alicui ancillae /.../ horum fabulis et erroribus virides statim et rüdes animi imbuuntur. Zu Min. Fei. 23,1 c/. Cic. nat. deor. 1,42s?. Exposui/ere non phüosophorum iudicia sed delirantium somnia. Nee entm multo absurdiora sunt ea quae poetarum voeibus fusa ipsa suaviiate nocuerunt, qui et ira inflammatos et libidine furentis induxerunt deos feceruntque ut eorum bella proelia pugnas iwlnera videremus, odia praeterea diseidia dtscordias, orius interitus, quereilas lamentationes, effusas in omni intemperantia libidines, adulteria vineula, cum humano genere coneubitus mortalisque ex inmortali proereatos. Besonders deutlich wird das in Ciceros Schrift de natura deorum, wo sich sowohl entschieden ablehnende und polemische Äußerungen gegen das anthropomorphe Gottesbild der Dichter (1,42.77.112; 2,63; 3,77 Poetarum ista suntt nos autem phüosophi esse volumus, rerum auetores, non fabularum; 3,91) als auch Verweise auf theologische
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Minucius Felix
erzählen, werden die Dichter abgelehnt, sofern sie reflektierte Weltdeutungen vermitteln, werden sie ernst genommen. Diese Ambivalenz des Apologeten gegenüber der Dichtung resultiert aus der inhaltlichen Breite des poetischen Schaffens. In der Rezeption und Beurteilung der Dichter im Zusammenhang des philosophisch-theologischen Denkens übernimmt der Apologet also prinzipiell das schon in der paganen Literatur geläufige Muster, die theologischen und kosmologischen Aussagen der Dichter kritisch zu erwägen und sie teils abzulehnen, teils als Beleg heranzuziehen, wenn auch mit deutlicher Tendenz, die Dichter eher für Eigenes in Anspruch zu nehmen als sie zu kritisieren.1 Entsprechend dieser aufgeschlossenen Haltung gegenüber der Dichtung insgesamt, sind die Spuren zahlreicher Dichter im Octavius festzustellen:2 Dreimal bezieht sich Minucius Felix auf Ennius,3 doch handelt es sich dabei Wahrheiten in dichterischen Werken (1,4; 2,166) rinden. Unzutreffend erscheint daher ELLSPERMANNS Urteil: Er sieht im Nebeneinander von Benutzung (nur 19,1*?.) und Kritik (23,1 sqq.; 31,35?.; 37,12) bei Minucius Felix die Ablehnung überwiegen (19), vor allem aus sittlichen Erwägungen (21). Dabei übersieht ELLSPERMANN zum einen zahlreiche Aussagen über die Dichter, zum anderen wird man wohl die Kritik an der Tragödie nicht so schwer gewichten und vor allem die Äußerungen gegen das Geschehen auf den Bühnen der Zeit des Dialoges (37,12) nicht auf die Einstellung zur Dichtung beziehen dürfen, da die klassische Tragödie im 3. Jahrhundert schon längst durch die Mimen und Pantomimen von der Bühne vertrieben ist, c/. H D. BLUME, Einführung in das antike Theaterwesen, Darmstadt 19812, 128—130, siehe auch oben 33 Anm. 2. Wahrscheinlich sind ihm die Werke der griechischen Dramatiker gar nicht näher bekannt, dazu JÜRGENS 32. — Gänzlich unangemessen ist es schließlich, wenn KRAUSE bei seiner Beurteilung der Äußerungen des Apologeten über die Dichter allein unter Berufung auf 23,Isq. behauptet (90): "Völlig abweisend verhält sich Minucius Felix der Dichtung gegenüber, nicht wegen der stilistischen Form, sondern wegen ihres eng mit dem Mythos verknüpften Inhaltes.'1 — Diese Ansichten haben auch in theologische Standardwerke Einzug gehalten, so etwa HKG(J) I 355: MAuf lateinischer Seite kommt Minucius Felix zu einer radikalen Ablehnung der heidnischen Dichtung [...].Die neuere Forschungsliteratur hat sich fast ausschließlich mit dem Rückgriff auf Vergil und Lukrez auseinandergesetzt. Parallelen zu weiteren lateinischen Dichtern, die freilich noch einer näheren Diskussion bedürften, bieten KÄROS1 73—83, WALTZING im Similienapparat seiner Ausgabe 19262 und DOUGLAS SIMPSON 27sq. Hier seien nur einige zentrale Aspekte angeschnitten. (1) Caecilius schließt (12,7) seine Kritik an den eschatologischen Lehren der Christen mit der Aufforderung desinite caeli piagas et mundifata et secreta rimari; satis est pro pedibus aspicere. Dahinter steht ein Fragment aus der Iphigenia des Ennius (trag. frg. 201) Quod est ante pedes nemo spectat, caeli scrutantur piagas, zitiert bei Cicero (div. 2,13,30; rep. 1,18,30). Wie P. COURCELLE, Le retentissement profane et chretien d'un vers d'Ennius, REL 48 (1970) 107—112, zeigt, läßt sich der Spruch als Mahnung an solche, die ob ihrer hochfliegenden Gedanken den Bezug zur Realität verloren haben, bis Sophokles (OT 130) und Piaton (Tht. 174 A) zurück verfolgen; die von Ennius formulierte Version kennen außer Cicero noch Seneca (apocol. 8,3), Apuleius (mund. praef. p. 287) und Donat (Ter. Ad. 3,3,32). Minucius Felix aber ist hier außerdem von Varro (Men. frg. 233 ocxäis caeli rimari piagas) beeinflußt. (2) Zur Begründung für den Monotheismus stellt Octavius (18,6) die rhetorische Frage: Quando umqnam regni societas aut cum fide coepit aut sine cruore discessit? Darin klingt der bei Cicero (off. 1,8,26; leicht abweichend rep. 1,32,49) überlieferte EnniusVers (frg. 381) nulla sancta societas nee fides regni est an. Auch diese Sentenz ist sprichwörtlich (Sen. Ag. 259; Lucan. \,92 sq.).
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stets um sentenziöse Zitate, die sich bereits bei Cicero oder Seneca finden. Wahrscheinlich übernimmt Minucius Felix also geflügelte Worte auf indirektem Weg. Einmal beruft sich Minucius Felix auch namentlich auf Ennius, als nämlich Octavius im Rahmen seiner Kritik am heidnischen Orakelwesen auf den zweideutigen Bescheid des Pythischen Apoll an Pyrrhos hinweist, den Ennius erdichtet habe1. Direkte Quelle für dieses Argument ist eindeutig Cicero.2 Plautus findet lediglich eine namentliche Erwähnung, wenn Caecilius seinen Dialogpartner Octavius herausfordernd als (14,1) homo Plautinae prosapiae, ut pistorum praecipuus, ita postremus philosophorum anredet. Dahinter steht wohl ein auch bei Hieronymus (epist. 49,18,3; 50,1,2 homo Plautinae familiae) vorkommendes Sprichwort, das sich auf die Vulgarismen insbesondere der Sklaven in der plautinischen Komödie bezieht.3 Terenz wird einmal zitiert, nämlich als Octavius die euhemeristische These von der Vergöttlichung dessen, was für den Menschen nützlich ist, ausführt: ut comicus sermo est 'Venerem sine Libero et Cerere frigere' (21,2). Auch hier ist Cicero die Quelle,4 und wiederum übernimmt Minucius Felix das Zitat nicht wörtlich, sondern stellt es aus rhythmischen Gründen um5. Der Mimendichter Laberius tritt durch eine Anspielung6 und durch ein von Seneca gern bemühtes und hier wohl durch ihn vermitteltes geflügeltes Wort7 in Erscheinung.
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(3) Als Ursache des Hasses der Dämonen auf die Christen gibt Octavius (27,8) an: Naturale est enim et odisse quem times, et quem metueris infestare, si posses, was wohl auf dem ebenfalls durch Cicero (off. 2,23) tradierten ennianischen Sinnspruch (frg. 379) fußt quem metuunt, oderunt; quem quisque odit, perisse expetit (c/. oderint dum metuanU dazu OTTO 252 Nr. 1277). Auf die Frage, ob die Formel pater divum atque hominum (19,1) von Minucius Felix als Enniusverweis gedacht ist, wird bei der Erörterung der Vergilreminiszenzen (ad 19,1, unten 132) einzugehen sein. 26,6 De Pyrrho Ennius Apollinis Pythi responsa confinxit, cum iam Apollo versus facere desisseL Cic. div. 2,116; das bei Minucius Felix folgende Beispiel (Demosthenes' Klage über das fiXutitlCtiv der Pythia) stammt aus div. 2,118. So die Kommentare ad /., PELLEGRJNO 114; CLARKE 243 Anm. 172; BEAUJEU 95, dazu vor allem P. FRASSINETTK Ad Minucium Felicem, 14,1, Athenaeum NS 32 (1954) 390— 392; auf die Komödiendichter selbst bezogen BODELÖN 293. Weit mehr Aufmerksamkeit hat das auch textkritisch umstrittene pistorum erweckt, zuletzt B. BALDWIN, A Joke in Minucius Felix (Oct. 14,1), LCM 12,2 (1987) 23. nat. deor. 2,60 Ex quo illud Terenti 'sine Cerere et Libero friget Venus1 in entsprechendem Kontext. Schon bei Terenz (Eun. 732 Verbum hercle hoc verum erit 'sine Cerere et Libero friget Venus 0 wird die Wendung als geflügeltes Wort markiert. Aus dem iambischen Rhythmus, den selbst Cicero beibehält, macht Minucius Felix eine kretisch-trochäische Klausel, der ein Kretikus vorausgeht: Libäro et Ce^riri frigerä. In seiner Kritik am Reinkarnationsglauben verweist Octavius (34,7) auf einen Vers des Laberius (Laber. mim. 21), den Tertullian (apol. 48,1 si qui philosophus adfirmet, ut ait Laberius de sententia Pythagorae, hominem fieri ex mulot colubram ex muliere) zitiert, ohne ihn auszuführen, mit den Worten: Non philosophi sane studio, sed mimi convicio digna ista sententia est. Daß die Christen die Macht wie alle Güter der Welt gering achten, erläutert Octavius (37,9) so: Rex es? Sed tarn times quam timeris. Dahinter steht Laber. mim. 126 necesse est multos timeat quem multi timenL, überliefert Sen. dial. 4,11,3, zitiert dial. 3,20,4;
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II.2
Minucius Felix
Welche Rolle das lukrezische Lehrgedicht im Octavius spielt, ist umstritten: Einerseits nämlich gibt es an zahlreichen Stellen inhaltliche Berührungen mit Lukrez. So sind Motive gemeinsam bei der Schilderung der unbeholfenen Sprechversuche des Kindes1 oder der ratio nascendx*. Insbesondere aber im Kapitel 5, in dem Caecilius eine mechanistische Kosmologie entwirft, finden sich zahlreiche auch bei Lukrez formulierte Gedanken.3 Andererseits aber lassen sich kaum zwingende gedankliche Abhängigkeiten oder tiefergehende wörtliche Übereinstimmungen4 aufzeigen. Man muß also zwar die Kenntnis, nicht aber die ausgiebige Benutzung des Lukrez annehmen.5 Von Catull und den Augusteern gibt es vereinzelte Spuren,6 zu den nachklassischen Dichtern finden sich wenig greifbare Parallelen, vielleicht gehen
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dem. 1,11,4;12,4; epist. 14,10). Min. Fei. 2,1 und Lucr. 5,230. Min. Fei. 18,2 und Lucr. 1,258 Entstehung der Gestirne: Min. Fei. 5,7 und Lucr. 5,471—482; Wechsel von Zusammenballung und Auseinanderfall der Materie: Min. Fei. 5,8 und Lucr. 1,215s?. 262—264; Erklärung der steten Abfolge von Tag und Nacht: Min. Fei. 5,9 und Lucr. 5,656—668; Leugnung einer Providentia mit dem Verweis auf die Planlosigkeit der Blitzeinschlage: Min. Fei. 5,10 und Lucr. 2,1093—1104. Auf sprachlicher Ebene sind die Übereinstimmungen geringfügig und allgemein, z.B. die Verwendung von tenebrae Min. Fei. 1,4 und Lucr. 2,15.59—61; das lukrezische fragmen Min. Fei. 2,1; die Entsprechung von Motiv und Wortwahl bei proiectus (Min. Fei. 5,6 und Lucr. 5,222), außerdem Formulierungen wie mundi membra (Min. Fei. 5,7 und Lucr. 5,243) usw. Im Sinne eines weitergehenden lukrezischen Einflusses und mit zahlreichen Similien F. DALPANE, Se Arnobio sia stato un epicureo. Lucrezio e gli apologeti cristiani Minucio Feiice, Tertulliano, Cipriano, Lattanzio, RSA 10 (1906) 403—435; 11 (1907) 222—236; Iolanda TOMASELLI NICOLOSI, Pagine lucreziane ne\V Octavius d\ Minucio Feiice, MSLC 1 (1947) 67—78: Minucius Felix greife beim Entwurf der mechanistischen Kosmologie (Kap. 5) und öfter (73: "L'eco del De verum Natura si trova perciö sovente ne\V Octavius [...].") auf den Dichter zurück und habe dessen Werk sehr genau verstanden, da er gerade ui due motivi piü vitali della poesia lucreziana" (78) übernehme, nämlich das Elend des auf die Erde geworfenen Menschengeschlechtes einerseits (Min. Fei. 5,6 und Lucr. 5,222s?.) und andererseits die Göttlichkeit der Natur. Denn was Octavius (19,8) über Epikur sage, treffe tatsachlich auf Lukrez zu (77). In berechtiger Skepsis verweist HAGENDAHL (Latin Fathers 79) dagegen auf die geringen wörtlichen Übereinstimmungen und die Allgemeinheit der Motive, so daß er nur in bezug auf die Theorie für die Entstehung von Tag und Nacht sowie auf das Argument von den unterschiedslos einschlagenden Blitzen (5,9) einen lukrezischen Einfluß für möglich erachtet und zu dem Schluß kommt: "Lucretius' influence upon Minucius proves to be rather questionable and can by no means be called profound." Zu Catull unten 115 ad 2,4. Zu Horaz unten 119 ad 5,6, bei ihm (carm. 1,3,5—8; 2,17,5) auch der Freundschaftstopos unam mentem in duobus esse divisam (c/. Min. Fei. 1,3), weitere, aber doch wohl wenig zwingende Similien bei KÄROSI 74—76. Die Formulierung sortes regere findet sich neben Min. Fei. 27,1 ausweislich des PHI 5.3-Corpus nur Tib. 2,5,13; c/. KXROSI &Qsq. Auf Ovid könnten kosmologische Gedanken und mythologische Motive verweisen, die auch in den Fasten und den Metamorphosen behandelt werden, aber die Parallelen bleiben sowohl inhaltlich als auch sprachlich sehr allgemein und können höchstens auf eine Kenntnis und eine mittelbare Benutzung ovidischer Werke hindeuten, diskussionsbedürftige Similien bei KÄROSI 73sq.
11.2.1
Zur Forschungslage
111
einzelne Wendungen auf Senecas Tragödien und auf Juvenal zurück1. Insgesamt also bleibt der Rückgriff auf die Dichtung im Dialog meist unterschwellig und dezent: Insbesondere von den Dramatikern werden allgemein anerkannte und geläufige Sentenzen zur Begründung übernommen. Gewisse Übereinstimmungen zeichnen sich zwar bei Motiven der Mythologie und Kosmologie zu Lukrez und Ovid ab, bei Motiven der Gesellschaftskritik zu den Satirikern2, aber von einer Dichterbenützung im engeren Sinne kann nirgends die Rede sein. Ebenso stellen die Elemente dichterischer Sprache, die unser Autor sowohl in den Einleitungskapiteln3 als auch in bestimmten Einzelpassagen4 als Darstellungsmittel anwendet, keinen deutlichen, geschweige denn einen inhaltlichen Bezug her. Minucius Felix schöpft also aus seiner gründlichen Literaturkenntnis und Belesenheit. Der dichterische Einfluß bleibt dabei aber unterschwellig und dezent. Auch dort, wo für den Leser ein geflügeltes Wort aus der Feder eines Dichters als solches erkennbar sein soll, wird es umgeformt. Das Dichterische ist stets präsent, doch weit im Hintergrund. Und obwohl einmal Plautus (14,1), einmal Ennius (26,6) und einmal Laberius (34,9 mimus) genannt werden, bleibt das ganz beiläufig. Neben der sententia, dem anspruchsvollen Klassikerzitat, für das Minucius Felix nur auf Vergil und höchstens andeutungsweise auf Horaz (5,6) zurückgreift, kommt auch das volkstümlichere proverbium vor, doch in beiden Fällen gibt der Apologet das Zitat lieber in seinen eigenen Worten wieder. Kein anderer Dichter hinterläßt so deutliche Spuren im Octavius wie Vergil, den der Apologet als einzigen Dichter namentlich und wörtlich zitiert (19,2). Vergil wird daher immer wieder als Beispiel für den starken
Die senteuziöse Wendung tarn magnis imperii duos fortuna non cepit (18,6)5 verweist auf Lukan (1,111 non cepit fortuna duos). Spuren scheint auch Seneca tragicus hinterlassen zu haben, so könnte quid ipsa sceleris confidentia tutius (25,3) auf Ag. 115 per scelera semper sceleribus tutum est iter zurückgehen und quamlibet sis multo comitatu stipatus, ad periculum semper solus es (37,9) auf Herc. O. 607sq. cum tot populis stipatus eas / in tot populis vix una fides. Gewisse Formulierungen lassen eine Kenntnis des Juvenal vermuten so 4,1 segregatus dolore nescio quid vultu fatebatur zu luv. 2,17 vultu morbum incessuque fatetur, 24,3 luppiter senuit zu luv. 6,59 senuerunt luppiter et Mars; weiteres, allerdings näherer Dikussion bedürfendes Material bei KÄROSI 76—79. Beispielsweise hat die Götzenbilderkritik des Minucius Felix (24,8sq.) Parallelen bei Horaz (sat. 1,8,1—3.37), außerdem bei Martial (8,24,55g.); auch aus Juvenal bekannte Motive erscheinen. Ob sich unser Apologet also vielleicht an der Gesellschaftskritik der Satiriker und Epigrammdichter orientiert, um auch bei der Polemik gegen Verhalten und Religion seiner Leser möglichst im Rahmen des ihnen Gewohnten zu bleiben, bedürfte einer genaueren Untersuchung. Dazu unten (115s?.) ad 2,4; 3,3. Beispielsweise wird das Rasen der dämonenbesessenen vates mit einschlägigen poetischen Termini beschrieben (27,3 sie rotantur, sie bacchantur, cf. Stat. silv. 4,3,121 sq.; Lucan. 5,169.179; daneben aber Apul. met. 8,27,5*?.), das 28,10 verwandte erotische Vokabular entspricht dem an inhaltsgleichen Stellen bei Martial (2,61,2; 3,81,2; 7,67,15; 11,61,5) und Catull (80,6), während übrigens Tertullian bei der Behandlung der Ausschweifungsvorwürfe (cf. apol. 9,16—20) keine so gründliche Kenntnis jener Dichterstellen bzw. der dortigen Terminologie durchblicken läßt.
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II.2
Minucius Felix
Einfluß paganer Kultur und Bildung angeführt.1 Zudem verweist man auf die große Anzahl von Reminiszenzen.2 In der Beurteilung der Vergilrezeption beschränkt sich die ältere Forschungsliteratur darauf, jenes einzige ausdrückliche Zitat und die große Anzahl von nicht-wörtlichen Reminiszenzen zu erwähnen.3 HAGENDAHL (1947) erklärt die strikte Bevorzugung des paraphrasierenden Zitates bei Minucius Felix mit dem konsequenten Streben nach Stileinheitlichkeit und weist auf die Umformung vom Hexameter in den Klauselrhythmus hin.4 Überhaupt sieht man in den Vergilzitaten vor allem den auf das gebildete Publikum abgestimmten ornatus.5 In der neueren Forschung dreht sich die Diskussion vor allem um die Vergilzitate 19,2, anhand deren die Frage nach Vergils Rolle und Bewertung insgesamt aufgeworfen wird. Den Anstoß dazu gibt ein Aufsatz von WIESEN (1971), der die These aufstellt, daß bei Minucius Felix die später anhand der vierten Ekloge vollzogene christliche Aneignung Vergils angelegt und dessen Dichtung bereits "virtually as a sacred text" zitiert werde.6 BENDER 1 2
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So etwa ALAND 13; HECK HLL 4 (1997) 516. Hinweise auf Vergilparallelen bieten die Similienapparate zahlreicher Ausgaben. Besonders ergiebig sind die Angaben bei Minucii Felicia Octavius, ed. C. HALM, CSEL 2, Wien 1867; Minucius Felix, Octavius, ed. H. BOENIG, Leipzig 1903; M. Minucii Felicia Octavius, rec. J. MARTIN, Bonn 1930 (Florilegium Patristicum VIII), und vor allem M. Minucii Felicia Octavius, ed. I.P. WALTZING, Leipzig 19262. M. Minucii Felicia Octavius. Prolegomena, Text and Critical Notes by Adelaide DOUGLAS SIMPSON, Dias. New York 1938, bietet in der Einleitung (26) eine Zusammenstellung des upoetic colouring". Zahlreiche Verweise enthalten auch die Kommentare Octavius de Minucius Felix par J.P. WALTZING, Liege 1909; M. Minucii Felicis Octavius, van inleidin en aanteekeningen voorzien door J. VAN WAGENINGEN, I. Inleiding en tekst, II. Aanteekeningen, Utrecht 1923; M. Minucii Felicis Octavius, introduzione e commento di M. PELLEGRINO, Torino 1947 (ND 1955, keine NA wie öfter angegeben); M. Minucii Felicis Octavius, uitgeven en van commentaar voorzien door G. QUISPEL, Grieksche en Latijnsche schrijvers met aanteekeningen LXI, Leiden 1949; W. FAUSCH. Die Einleitungskapitel zum 'Octavius' des Minucius Felix. Ein Kommentar, Dias. Zürich 1966; The Octavius of Minucius Felix, Translated and Annotated by G.W. CLARKE, Ancient Christian Writers 39, New York 1974; Minucius Felix, Octavius. Texte ätabli et traduit par J. BEAUJEU, Paris 19742, dort (Introduction XXXV) auch eine Zusammenstellung von Vergilzitaten. Keine Hinweise auf Vergilzitate gibt BODELÖN in seinem Kommentar zu den Kapiteln 1—14. Die wesentlichen Parallelen stellt KÄROSl (69—73) zusammen, daneben sind die Arbeiten von BÜRNER (10—15) und COURCELLE (Lecteurs, passim) sowie der Artikel von S. PRICOOO, 'Minucio Feiice' EV 3 (1987) 537 zu nennen. Auf einzelne Similien bezieht sich in textkritischem Zusammenhang I. VAHLEN, Opuscula academica II, Leipzig 1908 (erstmals: Index lectionum aestivarum Univ. Berolin. 1894), hier 115—117, im Zusammenhang mit der Zitiertechnik HAGENDAHL Methoda 124. Mit dem vergilischen Einfluß auf 32 Jag. befaßt sich in einer Einzeluntersuchung P. COURCELLE, Virgile et rimmanence divine chez Minucius Felix, in: Mullus. FS T. KLAUSER, Münster 1964, 34—42. So etwa BÜRNER (1902) 9sq.\ ELLSPERMANN (1949) 18sq.; KRAUSE (1958) 142—152. HAGENDAHL Methods 123s?. So etwa noch BEAUJEU (1974) Introduction p. XXXV. D. WIESEN, Virgil, Minucius Felix and the Bible, Hermes 99 (1971) 70—91: Beeinflußt vom zeitgenössischen Bild eines allwissenden Vergil und von der philosophischkosmologischen Allegorese poetischer Texte entdecke Minucius Felix eine Parallele zwischen den ersten Worten der biblischen Schöpfungserzählung und der kosmologi-
II.2.1
Zur Forschungslage
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(1983) erkennt in diesen Zitaten die unübersehbare 'Tendenz zur Herausarbeitung der Nähe, der Ähnlichkeit und des Brückenschlages".1 GALLICET (1986) kommt, trotz einer gewissen Skepsis gegenüber WiESENs Ansicht, zu dem Gesamtbild, Vergil sei mehr als Schmuckmittel oder Zielscheibe der Polemik, vielmehr werde er 'Vorgestellt als ein Autor, der der Überlegung, des Respekts würdig ist, da seine Konzeption von Gott grundsätzlich dieselbe ist, die auch die Christen haben."2 HECK (1990) erscheinen die namentlichen und zustimmenden Vergilzitate als "Markstein in der geistig-literarischen Auseinandersetzung der Christen (...) mit der griechisch-römischen Bildungstradition"; darin erweise sich Minucius Felix nicht nur als 'Ciceronianer', sondern auch als 'Vergilianer'.3 Dem begegnet BUCHHEIT (1996) in aller Schärfe mit dem Einwand, Minucius Felix zitiere lediglich "in missionarischprotreptischer Absicht", um "die Heiden auf vertrauter Basis zu verlocken" — von Aneignung' könne demnach keine Rede sein.4 Jüngst schließlich hat Christiane INGREMEAU (1999) anhand vertiefter Interpretationen und Beobachtungen zu einzelnen Vergilzitaten, bei denen sie ein subtiles Spiel mit dem Prätext feststellt, Indizien dafür zusammengetragen, daß Minucius Felix in seiner Vergilbenüzung nicht als "compilateur", sondern in seiner kenntnisreichen und souveränen Verfügung über den Vergiltext als "authentique ecrivain" sowie "chretien lettre, en dialogue avec un patrimoine culturel bien vivant" anzusehen ist.5 Die zentralen Fragen betreffen also zum einen die zahlreichen nicht-wörtlich wiedergegebenen Reminiszenzen, deren Funktion als ornattis und im Argumentationsverlauf des Dialoges sowie deren allusiven Charakter, zum anderen das wörtliche Vergilzitat (19,2), seine Bedeutung im Werk und für die Bewertung Vergils, insgesamt schließlich die Rolle, die der Octavius in der Auseinandersetzung des frühen Christentums mit Vergil spielt.
1
sehen Anchisesrede. Davon ausgehend stelle er einen Cento zusammen, der Vergil als Verkünder christlicher Wahrheiten erscheinen lasse; zur Auseinandersetzung damit unten \40sqq. und 148 Anm. 2 (auf S. 148). — Dem schließt sich Pmcoco (537) in seiner knappen Gesamtbewertung an. A. BENDER, Die natürliche Gotteserkenntnis bei Laktanz und seinen apologetischen Vorgängern, Frankfurt am Main et cd. 1983, 190.
2
GALLICET Vergil 197.
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HECK Vestrum est 110s?., Zitat 110. Zum Beitrag von WIESEN bezieht HECK nicht ausdrücklich Stellung. BUCHHEIT Vergil als Zeuge 255. Der Aufsatz richtet sich vor allem (c/. 254 Anm. 2; 255 Anm. 7; c/. 256 Anm. 10) gegen HECKS These, mit den Zitaten 19,2 beginne "die Aneignung Vergils durch die Christen*" ( Vestrum est 111), dagegen BUCHHEIT, 255: "In Wirklichkeit sieht sich der Autor, der sich an homines docti wendet, die es für den christlichen Glauben zu gewinnen gilt, genötigt, nach einer angemessenen literarischen Ebene zu greifen und inhaltlich eine Brücke zu bauen, die zu den Ufern der verxtas ipsa führt, die ja die Heiden in den Augen unseres Autors nicht kannten und nicht kennen konnten." INGREMEAU 13—19, hier 19.
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2.2
II.2 Minucius Felix
Die Vergilzitate
1,1.2 Cogitanti mihi et cum animo meo Octavi boni etfidelissimi contubernalis memoriam recensenti tanta dulcedo et adfectio hominis inhaesit, ut ipse quodammodo mihi viderer in praeterita redire, non ea, quae iam transacta et decursa sunt, recordatione revocare; (2) ita eius contemplatio, quantum subtracta est oculis, tantum pectori meo ac paene intimis aensibus inplicata est Schon in der einleitenden Periode läßt Minucius Felix deutlich die klassizistische Ausrichtung seines Werkes erkennen. Neben der Referenz auf die ersten Worte von Ciceros de oratore (cogitanti mihi) bezieht er sich in zwei Punkten auf Vergib (1) Der vorliegende Gebrauch von revocare geht auf Vergils Musenanruf zu Beginn der zweiten Aeneishälfte (Aen. 7,40 /.../ et primae revocabo exordia pugnae) zurück.1 Für sich genommen erscheint ein Vergilbezug darin noch nicht zwingend,2 doch der Kontext legt es nahe, hier den Einfluß des Klassikers anzunehmen. (2) Deutlicher wird der Rückgriff auf Vergil bei der Darstellung der innigen Gefühle, die die Erinnerung an den verstorbenen Freund hervorruft. Zu vergleichen ist zum einen die Schilderung der Liebe, die Cupido in Dido weckt, Aen. 1,660 (657—660): At Cytherea novas artis, nova pectore versat consüia, ut fadem mutatus et ora Cupido pro dulci Ascanio veniat, donisque furentem incendat reginam atque ossibus implicet ignem. Mit ähnlichem Vokabular stellt Vergil aber auch dar, wie die Furie Allecto von Amata Besitz ergreift, Aen. 7,355 (354—358): ac dum prima lues udo sublapsa veneno pertemptat sensus atque ossibus implicat ignem necdum animus toto percepit pectore flammam. Die Konstruktion von implicare mit dem Dativ geht auf vergilischen Sprachgebrauch zurück und ist in der Prosa offensichtlich nicht üblich.3 Zur Stelle aus dem siebten Aeneisbuch ist insbesondere anzumerken, daß sie neben dem tragenden Stichwort sensus auch, wie es gleichermaßen bei Minucius Felix zu finden ist, pectus auf diejenige Person bezogen bietet, von der auch implicare ausgesagt wird. 1 2 3
Danach erscheint es in der Dichtung (Mart. 10,2,2; Sil. 16,193) und bei Curtius Rufus (3,3,6; 10,5,21). Geläufig sind Ausdrücke wie memoriam revocare, in memoriam revocare, cf. FORCELLINI/OLD s.v. revoco.
Cf. KS I 381 sq. ThLL VII, 1 s.v.imptico 642,9—33 nennt für die Dativkonstruktion außer Vergil nur Stat. Theb. 11,234s?.; Sil. 2,5165?.; Auson. 394,21 p. 353 P. Wie die Konstruktion in klassischer Prosa lautet, zeigt Cic. leg. 1,47: quae penitus in omni sensu implicata insidet [...] voluptas.
II.2.2
Die Vergilzitate
115
Minucius Felix setzt den color Vergilianus gezielt zur captatio benevolentiae ein. Bemerkenswert ist auch der Bezug auf die Freundschaftstopik, die ebenfalls der Gewinnung des Lesers dient.1 Damit bietet Minucius Felix zugleich in protreptischer Absicht einen Eindruck von der persönlichen Reflexion und Kommunikation gebildeter Christen, denen Vergil als selbstverständliches und eben nicht nur in der Auseinandersetzung nach außen gebrauchtes Mittel sprachlicher Darstellung zur Verfügung steht. Verkürzt gesagt lautet die Botschaft in bezug auf Vergil: Auch Christen können ihre Empfindungen und Gefühle klassisch und in vergilischer Diktion ausdrücken. Das dient letztlich dazu, schon im ersten Satz Berührungsängste und Vorurteile abzubauen. 2,4 itaque cum diluculo ad mare inambulando litore pergeremus, ut et aura adspirans leniter membra vegetaret et cum eximia voluptate molli vestigio cedens harena subsideret, Caecüius simulacro Serapidis denotato, ut vulgus superstitiosus solet, manum ori admovens osculum labiis pressit Die Junktur adspirat aura erscheint vor allem in der poetischen Topik bei der Beschreibung eines ruhigen, gefahrlos befahrbaren Meeres,2 so schon in einem Vergleich bei CatuU, 68,64 (63—66): ac velut in nigro iactatis turbine nautis lenius aspirans aura secunda venu iam prece Pollucis, iam Castoris implorata: tale fuit nobis Allius auxilium. dann bei Vergil für die Weiterfahrt nach der Bestattung der Caieta, Aen. 7,8: 08pirant aurae in noctem nee Candida cursus luna negat, splendet tremulo sub lumine pontus. CatuU liegt durch das Stichwort lenis als Vorbild näher, Vergil wäre die bekanntere Vorlage3, außerdem findet sich bei ihm ebenfalls der Gedanke hereinbrechender Dunkelheit (bei Minucius Felix cum diluculo) als Element einer idyllischen Atmosphärenschilderung. Entscheidend ist jedoch der gesuchte color poeticus bei der Schilderung der Stimmung am Meer im Nebensatz, die in ihrer Harmonie dann den kontrastierenden Hintergrund abgibt für den Gruß des Caecilius an die Serapisstatue. 1
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Dazu M. Rizzi, Amicitia e veritas. II prologo deWOctacius di Minucio Feiice, Aevum(ant) 3 (1990) 245—268; und ders., Ideologia e retorica negli exordia apologetici, Milano 1993, 156—170. CJ. ThLL II s.v. aspiro 840.15—33; ThLL II s.v. aura 1472,4—6. Zwar findet sich die Junktur vereinzelt auch in sachlich geprägten Beschreibungen (Varro rust. 1,57,1; Plin. nat. 13,124), es überwiegen aber, zumal wenn man ähnliche Ausdrücke hinzuzieht, dichterische Schilderungen eines ruhigen Meeres mit Zügen eines locus amoenus, so etwa, neben Catull. 68,64, Verg. georg. 4,417; Aen. 5,764.844; 7,8; Petron. 119,1 v. 38; Lucan. 8,246s?.; Prosa Quint. inst. 10,3,24 (über den Ort, an dem sich der Redner inspirieren lassen soll); Aug. epist. 126.3. Zur aura als Aspekt der dichterischen Ideallandschaft G. SCHÖNBECK, Der locus amoenus von Homer bis Horaz, Diss. Heidelberg 1962, 18. Außerdem finden sich verwandte Ausdrücke häufiger bei ihm, dazu vorige Anm.
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II.2
Minucius Felix
3,3 ibi (d) harenaa extimas, velut stemeret ambulacro, (d) perfundens lenis unda tendebat; et, ut semper mare etiam (a) positis flatibua inquietum est, etsi non canis spumosisque fluctibus exibat ad terram, tarnen crispis tortuosisque ibidem erroribus delectati perquam sumus, cum in ipso (b) aequoria limine plantoa tingueremua, quod vicissim (d) nunc adpulsum nostris pedibus adluderet fluctus, (d) nunc (c) relabens ac vestigia (c) retrahena in sese (d) reaorberet. (a) Ponere von der Beruhigung des Windes gesagt gehört vornehmlich der Dichtersprache an: Intransitiv begegnet es seit Vergil (Aen. 7,275g. cum venti posuere omnisque repente vesedit /flatus; 10,103 tum Zephyri posuere, premit placida aequora pontus).1 (b) Das Netzen der Füße in den auslaufenden Wellen schildert Minucius Felix in der Formulierung in ipso aequoris limine plantas tingueremus, die auf einen Ausdruck in Vergils schon bei Seneca (epist. 85,4) zitierter Beschreibung der heransprengenden Camilla zurückgeht, Aen. 7,811 (808—811): illa vel intactae segetis per summa volaret gramina nee teneras cursu laesisset aristas, vel mare per medium fluetu suspensa tumenti ferret iter celeris nee tingeret aequore plantoa. Die Änderung von aequore zu in ipso aequoris limine dient der Anpassung an den Kontext: Während es bei Vergil um das Dahinschießen knapp über der Wasseroberfläche (aequor) geht, also um eine Annäherung von oben her, meint Minucius Felix die Linie, die das Wasser gerade noch erreicht (ipsum Urnen aequoris), also eine Annäherung von der Seite.2 Außerdem stellt Minucius Felix das Verb an den Schluß und adaptiert es morphosyntaktisch, so daß sich eine ditrochäische Klausel ergibt. (c/d) Für die Schilderung des Wellenschlages gebraucht Minucius Felix zahlreiche Elemente poetischer Sprache.3 Neben dem in dieser Verwendung dichtersprachlichen adludere4 scheint Minucius Felix hier insbesondere von zwei vergilischen Darstellungen des anbrandenden Meeres beeinflußt, nämlich zum einen von der Schilderung der schwierigen Landung des von Tarchon befehligten Entsatzschiffes, Aen. 10,307 (303—307): 1
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3 4
Ebenso etwa Ov. her. 7,49; Stat. siiv. 2,2,118, daneben Gell. 2,30 Nam fluctus, qui flaute aquilone maximi et creberrimi excitantur, simul ac ventus posuit, stemuntur et conflaccescunt et mox fluctus esse desinunt., im vorliegenden Passiv seit Lucan (3,523 posito Borea), cf. OLD s.v. pono 9 "(mainly poet.) To make calm (the sea); (pass. and intr., of winds) to drop"; FORCELLINI S.V. pono 15. Der Übergang von der instrumentalen Ablativkonstruktion (tingeve aequore) zur lokalen Präpositionalkonstruktion ist vielleicht nicht nur durch diese semantische Adaptation bedingt (limine tingeve wäre sehr kühn), sondern könnte auch der Schaffung einer ruhigen, kontemplativen Atmosphäre dienen. Ob Minucius Felix auch bewußt das ältere tinguere (cf. WALDE / HOFMANN S.V.) statt tingere setzt, läßt sich nicht entscheiden. So auch FAUSCH ad i 50: "Die Schilderung des Wellenschlages am Aachen Sandufer trägt ausgesprochen poetische Züge." Cf. Catull. 64,67 ipsius ante pedes fluctus salis adludebant; Stat. Theb. 9,336 extremis adludunt aequora plantis.
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namque inflicta vadis, dorso dum pendet iniquo anceps sustentata diu fluctusque fatigat, solvitur atque viros mediis exponit in undis, fragmina remorum quos et fluitantia transtra impediunt retrahitque pedes simul unda relabens. Minucius Felix übernimmt die Verben retrahere und relabi,1 ändert aber pedes zu vestigia und setzt fluctus statt unda als Subjekt, so daß aus der zerstörerischen Brandung ein beschauliches Bild. Zum anderen scheint Minucius Felix auf einen vergilischen Vergleich des hin- und herwogenden Kampfgeschehens mit der Meeresbrandung zurückzugreifen, Aen. 11,624—628: qualis ubi alterno procurrens gurgite pontus nunc ruit ad terram scopulosque superiacit unda spumeus extremamque sinu perfundit harenam, nunc rapidus retro atque aestu revoluta resorbens saxa fugit litusque vado labente relinquit Hieraus übernimmt er, neben resorbere,2 vor allem die Gliederung des Heranspülens und sich Zurückziehens mit nunc /.../ nunc und die Junktur (h)arenam perfundere*. Auch in diesem Fall transponiert Minucius Felix Elemente aus einer Schilderung wütender Naturgewalt, zumal als Gleichnis eines Schlachtenverlaufs gebraucht, in das idyllische Bild des sachte ans flache Ufer schlagenden Wassers.4 Minucius Felix will also mit den Mitteln dichterischer Sprache eine beschauliche, heitere Szenerie darstellen. Ob darüber hinaus die Spannung zwischen der Gefährlichkeit des Meeres in den Prätexten und der beschaulichen Szenerie im Folgetext im Hinblick auf den sich bereits entwickelnden Konflikt zwischen den Freunden beabsichtigt ist, muß fraglich bleiben. 3,4 Sensim itaque tranquilleque progressi oram curvi molliter litoris iter fabulis fallentibus legebamus. Die Formulierung oram litoris legere, mit der Minucius Felix den Spaziergang der drei Dialogteilnehmer beschreibt,5 geht zurück auf Vergils an Maecenas gerichtete Aufforderung im zweiten Proömium des zweiten Georgikabuches, georg. 2,44 ades et primi lege litoris oram.6 Minucius Felix permutiert 1 2 3 4
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Beide nach OLD s.w. relabor b; retraho 1 und CLCLT-5 von der Meeresbrandung erstmals bei Vergil. Insbesondere in der nachklassischen Literatur wird resorbere allerdings häufiger für das Meer gebraucht, cf. OLD s.v. resorbeo b. ThLL X,l s.v. perfundo 1420,64sq. bringt als Parallele zum vergilischen harenam perfundere nur Manil. 5,562 perfundere rupes. Ganz ähnlich zeichnet wenige Jahrzehnte vorher übrigens Longos in seinen rioijitvtxit xaife Adfvtv xal XXör^v (1,2) einen locus amoenus am Strand von Lesbos: xal ^ OdXarca npooixXuCftv Vjiövoc ixircauivTK ^Ptup uaXOaxfj. Minucius Felix orientiert sich in diesem Detail offenbar ganz am verbreiteten literarischen Geschmack der Zeit. Zum topographischen Hintergrund etwa BODELÖN 263sq. Nach ThLL VII,2 s.v. lego 2 1127,56 kommt zwar seit Vergil legere in dieser Bedeutung öfter vor (etwa Liv. 21,51,7; 33,41,5 etc.), aber durch litoris ist das Zitat eindeutig.
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II.2
Minucius Felix
die drei Elemente, paßt das Verb morphosyntaktisch an und löst durch die Atmosphäre schaffenden Erweiterungen curvi molliter und iter fabulis fallentibus die Kontaktstellung auf. Diese Ergänzungen dienen einer syntaktischen und semantischen Verlangsamung, also der Übertragung des Zitatsegmentes aus dem vergilischen Kontext einer raschen Seereise auf einen idyllischen Strandspaziergang.1 3.5 Sed ubi eundi spatium satis iustum cum sermone consumpsimus, eandem emensi viam rursus versis vestigiis terebamus, et cum ad id loci ventum est, ubi subductae navicxdae substratis roboribus a terrena labe suspensae quiescebant, pueros videmus certatim gestientes testarum in mare tacidationibus ludere. Die Wendung vestigia vexiere scheint angeregt zu sein durch Vergils Schilderung des Trugbildes, mit dessen Hilfe Turnus von Juno aus der Schlacht geführt wird, Aen. 10,646: instat cui Turnus stridentemque eminus hastam conicit; illa dato vertu vestigia tergo. Auffällig ist dabei vor allem die poetische Verwendung von vestigium,2 wie schon 2,4. 3.6 Is lusus est testam teretem iactatione fluctuum levigatam legere de litore, eam testam piano situ digitis comprehensam inclinem ipsum atque humüem quantum polest super undas inrotare, ut illud iaculum vel dorsum maris räderet Ivel] enataretf dum leni impetu labitur, vel aummis fructibus tonsis emicaret emergeret, dum adsiduo saltu sublevatur. In die Schilderung des 4nooxpaxio|i<5? läßt Minucius Felix Elemente epischer Meeresbeschreibung einfließen: Das Bild vom dorsum maris erscheint seit Homer,3 rädere findet sich seit Vergil dichterisch für das Dahinfliegen über die Meeresoberfläche,4 und vor allem die von Vergil (Aen. 1,106 hi summo in flxictu pendent) in die Topik der Seesturmschilderung in die lateinischen Epik eingebrachte Wendung summus fluctu£ läßt einen color Vergilianus deutlich 1
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Sollte außerdem eine assoziative Verbindung bestehen zwischen iter fabulis fallentibus und den nächsten beiden Georgikaversen (45sq.) tum hie te carmine ficto / atque per ambages et longa exorsa tenebol Für die Junktur vestigia vertere weist das PHI 5.3-Corpus keinen weiteren Beleg aus, FORCELLINI s.v. vestigium bietet als nächstliegende Parallele Ov. met. 1,372 flectunt vestigia. Für den poetischen Gebrauch von vestigium im Sinne von Futt verweist HARRISON ad i 228 auf die vorvergilische Dichtung, namentlich Catull. 64.162 Candida permxäcens Itquidis vestigia lymphis, und den wohl zugrunde liegenden Gebrauch von !xvo< wie Eur. Bacch. 1134 Iftp* 61 fl uiv cbXivriv, / fl 6' Ixvoc afttaic &pß6Xaic. Hom. II. 2,159b = Od. 3,142b i*' t6p4a vätafaXdooTK;lateinisch ThLL V s.v. dorsum 2040,53—^5; c/. FAUSCH ad l. 63. Verg. Aen. 5,217 radit iter liquidum celeris neque commovet alas, cf. WILLIAMS ad l. 89; Hör. sat. 2,6,25; epod. 16,53; Ov. met. 10,654, cf. FAUSCH ad l. 63. ThLL VI,1 s.v. fluetus 946,44*?. mit Belegen aus der Dichtung.
II.2.2
Die Vergilzitate
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werden. Wie schon im Paragraphen 3,3 überträgt Minucius Felix hier wiederum eine Formulierung, die im epischen Prätext das Meer als bedrohliche Naturgewalt darstellt, in die idyllische Szenerie des Strandspazierganges. 4.5 modo in istis ad tutelam balnearum iactis et in altum procurrentibus petrarum obicibus residamus, ut et requiescere de itinere possimus et intentius disputare. Die Bezeichnung der aus Steinen aufgeschütteten Mole, petrarum obices, die Caecilius als Sitzplatz für das Gespräch vorschlägt, könnte angeregt sein von der vergilischen Beschreibung der Höhle, in der sich Proteus vor Aristaeus zu verbergen sucht, georg. 4,422 intus se vasti Proteus tegit obice saxi.1 Zwar ist dieser appositive Genitiv klassisch belegt,2 in Verbindung mit obiex aber findet er sich nur in der Dichtung und vereinzelt in gehobener Prosa;3 hinzu kommt eine semantische Nähe (petrarum und saxi, Szenerie am Meer). Minucius Felix sucht an dieser entscheidenden Stelle der Situierung des Gespräches einen gehobenen und poetischen Ausdruck. 5.6 sed quatenus tndtUgentea insano atque inepto labori ultra humilitatis nostrae terminos evagamur et in terram proiecti caelum ipsum et ipsa sidera audaci cupiditate transcendimus, vel hunc errorem saltem non vanis et formidulosis opinionibus inplicemus. Die Formulierung des Agnostizismus, von dem ausgehend Caecilius seine pagane Argumentation entfaltet, lehnt sich an zwei Dichterstellen an: Mit dem Ausdruck indulgere insano labori führt im sechsten Aeneisbuch die Sibylle Aeneas das Ungemach des Unterweltsganges und die Größe des Wagnisses warnend vor Augen, Aen. 6,135 (133—136): quod si tantus amor menti, si tanta cupido est bis Stygios innare lacusf bis nigra videre Tartara, et insano iuvat indulgere laborif accipe quae peragenda prius. Minucius Felix permutiert zwar die drei Elemente, paßt sie morphosyntaktisch an und ergänzt insano pleonastisch4 durch atque inepto; trotzdem bleibt 1
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Cf. RICHTER ad L 388: "obice meint nicht, wie Aen. 8,227 [Aen. 8,226s?. deiecit saxum /.../ fultosque emxmiit obice postis.], einen Stein, der den Eingang der Grotte versperrt, wie der in der Höhle des Polyphem oder am Grabe Christi, sondern die schützende Höhle selbst." Etwa Caes. civ. 1,42,3 munitione fossae; Cic. Verr. 2,4,118 fons aquae dulcis [...], qui ftuctu totus operiretur nisi munitione ac mole lapidum diiunctus esset a mari\ cf. KS I 419. Mit FAUSCH ad i 70 von einem genitivus materiae auszugehen, erscheint Übrigens angesichts der Semantik von obiex problematisch (cf. KS I 429), PELLEGRJNO ad i 69 schlagt deshalb einen explikativen oder appositiven Genitiv vor. ThLL IX,2 s.v. obiex 66,1—9 gegen Wasser Verg. georg. 2,480 etc.; 66,17—20 gegen Menschen Verg. georg. 4,422; Tac. hist. 4,71,4; der Gebrauch von obiex im weiteren Sinne von agger, vailum, saeptum (65,84—66,50) scheint auf Vergil zurückzugehen und in Prosa vor Minucius Felix nur von Tacitus aufgenommen worden zu sein. INGREMEAU (13) weist mit Recht auf eine inhaltliche Akzentverschiebung zwischen
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11.2
Minucius Felix
aber die singulare Formulierung als Zitat für den Leser eindeutig erkennbar.1 Auch wenn im übernächsten Kolon die cupiditas als Antrieb angesprochen wird, so könnte darin Vergils cupido nachklingen. Die zweite, allerdings weniger deutliche Reminiszenz in den Worten ultra humilitatis nostrae terminos evagamur bezieht sich auf Horazens Integer vitoe-Ode, carra. 1,22,105g.: namque me silva lupus in Sabina, dum meam canto Lalagen et ultra terminum curis vagor expeditis, fugit inermem. Die Substitution von vagari durch evagari hebt die Grenzüberschreitung stärker hervor, ebenso das Genitivattribut humilitatis nostrae statt curis expeditis, doch dürfte die Referenz trotz dieser Akzentverschiebung erkennbar bleiben.2 In erster Linie dienen diese Dichterzitate sicherlich dazu, dem heidnischen Leser die Identifikation mit dem seine Position vertretenden Dialogteilnehmer zu erleichtern, der hier den Beweis seiner Bildung gegenüber den soeben (5,4) als studiorum rüdes, litterarum profanos, expertes artium etiam sordidarum bezeichneten Christen erbringt. Ein Blick auf die Präkontexte eröffnet aber vielleicht noch eine tiefere Deutungsebene. An beiden Stellen nämlich ist zwar von einer Gefahr und einem Wagnis die Rede, die Konfrontation damit ist aber keine vermessene Selbstüberschätzung: Der Unterweltsgang des Aeneas ist vom fatum bestimmt und im Ablauf der Ereignisse unumgänglich, bei Horaz bewirkt gerade das Schwelgen des Liebesdichters in den Sphären ultra terminum das Herausgenommensein aus der Welt und somit die Rettung vor dem Wolf. Während also die Zitatsegmente in ihren Präkontexten von einer Gefahr handeln, der sich ein göttlich Erwählter aussetzen kann, ja muß, haben sie im Folgekontext den beinahe gegenteiligen Sinn, indem sie vor einem Wagnis Prätext und Folgetext hin: Für Vergils Aeneas sei die xatdßaoic vielleicht ein labor insanus, aber nicht ineptus — das passe nur auf Caecilius' Haltung gegenüber dem Erkenntnisstreben in der Gottesfrage. Die Hinzufügung von inepto scheint jedoch in erster Linie stilistisch motiviert: Minucius Felix erweitert das Zitatsegment hier wie auch bei anderen Vergilreferenzen (7,5 templis ac delubris; 9,2 vana et demens; 9,5 caecis occultisque; 30,1 caedat fundat exhauriat; 32,7 omnia caelestia terrenaque) um einen wenigstens an dieser Stelle synonymen (c/. 11,9 omnia ista figmenta male sanae opmionis et inepta soiacia a poetis fallacibus in dulcedine carminis lusa; 24,13; Cypr. epist. 73,5,1 singularum [sc. haeresium] vel ineptias vel insanias recensere; ThLL VII, 1 s.v. ineptus 1302,61) Ausdruck. Siehe unten 172 Anm. 3sq. ThLL VII,1 s.v. indulgeo 1252,2 belegt indulgere labori nur Aen. 6,135 und, als Zitat davon, Min. Fei. 5,6. Den Ausdruck ultra terminum, -os belegen PHI 5.3 und CLCLT-5 zwar häufiger in der nachklassischen Prosa (etwa Colum. 6,24; Tac. Germ. 29,3 protulü /.../ ultraque veteres terminos vmperii reverentiam; Apul. met. 5,26; Ps. Quint. decl. 260,3 si defensionem ultra excusationis terminum proferimus), aber (e)vagari findet sich nur bei Horaz und Porphyrio ad i
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warnen. Das heißt, Minucius Felix bringt zwei inhaltlich im Grunde genommen genau gegenläufige Zitate, obwohl die Warnung vor der Hybris, die Caecilius hier ausspricht, zur elementaren Topik poetischer Ethik gehört1 und mit einer Vielzahl einschlägiger Dichterreminiszenzen zu belegen wäre. 5,10 quid tempestates loquar varias et incertas, quibus nullo ordine vel examine rerum omnium impetus volutatur, in naufragiis bonorum malorumque fata mixta, merita confusa, in incendiis interitum convenire insontium nocentiumque, et cum tabe pestifera caeli tractus inficitur, sine discrimine omnes deperire, et cum belli ardore saevitur, meliores potius occumbere? Die als Beispiel für unterschiedslos über die Menschen kommende Katastrophen angeführte Seuche wird nach dem Vorbild der vergilischen Pestschilderung im dritten Aeneisbuch dargestellt, Aen. 3,137sg. (135—139): Iamque fere sicco subductae litore puppes} conubiis arvisque novis operata iuventus, iura domosque dabam, subito cum tabida membris corrupto caeli tractu miserandaque venu arboribusque satisque lues et letifer annus. Deren Wiedergabe in tabe pestifera caeli tractus inficitur hat den Charakter einer auf die wesentlichen Elemente reduzierten Prosaparaphrase: Minucius Felix wendet die ganze Konstruktion ins Passiv, vereinfacht die Syntax und verkürzt im Sinne einer Prosifikation, indem er statt des dichterischen, über drei Verse gesperrten tabida /.../ lues nur tabe mit dem vereindeutigenden Zusatz pestifera — darin dürfte letifer nachwirken — setzt und die Atmosphäre schaffenden Erweiterungen (miserandaque, arboribusque satisque, et letifer annus) wegläßt. Erhalten bleiben der mit tabes eingeleitete cum-Satz und die in diesem Kontext eindeutig vergilische Junktur caeli tractus.2 Minucius Felix sucht hier eine klassische Formulierung für ein exemplum im Mund des Caecilius.3 6,2 Sic eorum [sc. Romanorum} potestas et auctoritas totvus orbis ambitus occupavitt sie imperium suum ultra solis vias et ipsius Oceani limites 1 2
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Klassisch Hör. carm. l,3t37 nil mortalibus ardui est, cf. NlSBET / HUBBARD ad l. 57 zur Topik. Cf. ThLL III s.v. caelum 91,66—69 über verdorbene Luft, die Krankheiten hervorruft: Lucr. 6,820 ut spatium caeli quadam de parte venenet [sc. mortifera vis locorum AvenorumJ; 6,1097 perturbarunt caelum [sc. semina rerum quae sint morbo mortiquej; Aen. 3,138; Sil. 6,187 [sc. anguis] caelum foedavit hiatu; 12,124 letale vomebat suffuso virus caelo — der Gebrauch von caelum in diesem Sinne ist seit Lukrez in der Dichtung üblich, die Junktur caeli tractus aber findet sich nur an der Vergilstelle. Denkt man freilich im Sinne der Interpretation zu 5,6 weiter, so ergibt sich folgende Überlegung: Im Prätext kommt die Seuche eben gerade nicht zufallig, sondern durch das unausweichliche fatum über die Trojaner. Auch hier widersprechen sich also Prätext und Folgetext, so daß man wiederum eine bewußte Unterminierung der paganen Argumentation vermuten könnte. Doch bleibt zu fragen, ob man in einer Reihe von exempla dem Leser solch hintergründige Überlegungen zugemutet sehen kann.
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II.2
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propagavit, dum exercent in armis virtutem religiosam, dum urbem muniunt sacrorum religionibus, castis virginibus, multis honoribus ac nominibus sacerdotum, dum /.../• Die Formulierung für die gewaltige Ausdehnung des imperium Romanum, die Caecilius auf die sorgfältige Beachtung der religiösen Überlieferung zurückführt, steht unter dem Einfluß der Verse über Augustus in der Heldenschau des sechsten Aeneisbuches, 79559- (794—797): [sc. Augustus] super et Garamantas et Indos proferet imperium; iacet extra sidera tellus, extra anni solisque vias, ubi caelifer Atlas axem umero torquet stellis ardentibus aptum. Aus der bekannten Aeneisstelle übernimmt Minucius Felix vor allem den Hinweis auf die Ausdehnung des Imperiums über die solis vias hinaus,1 die ansonsten eher in die Topik für das Alexanderreich gehört2. Zu dem nach Vergil formulierten ultra solis mos für die weiteste Ausdehnung des Imperiums nach Süden und Südosten hin3 fügt Minucius Felix mit ipsius Oceani Limites4 einen Hinweis auf die Grenze im Westen und Nordwesten hinzu. Insgesamt sucht Minucius Felix hier in erster Linie, wie etwa die häufige Wendung imperium propagare zeigt,5 die einschlägige Ausdrucksweise wiederzugeben. Minucius Felix läßt Caecilius gewissermaßen die Erfüllung der Prophetie des Anchises verkünden. 7,3abc testes equestrium fratrum in lacuf sicut (se) ostenderant statuae consecratae, qui anheli spumantibus equis atque fumantibus de Perse vietoriam eadem die qua fecerant nuntiaverunt In einer Reihe von Beispielen für das hilfreiche Eingreifen der Götter in der römischen Geschichte erwähnt Caecilius auch die Dioskuren, die einer vielzitierten Überlieferung nach den Sieg des Aemilius Paullus bei Pydna nach Rom gemeldet hätten.6 Die Beschreibung der auf ihren Pferden heranspren1 2
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Nach Serv. ad i ist darunter der Zodiakus zu verstehen: ut ostenderet XII. signa, in quibus est circulus solis. significat autem Maurorum Aethiopiam, ubi est Atlas. Cf. NORDEN ad Aen. 6,796 (324sq.\ Aeschin. 3,165; Sen. suas. 1,2; Sen. epist. 94,63 über die Expansion Philipps von Makedonien: it tarnen ultra Oceanum solemque. Zur weiteren Rezeption CoURCELLE Lecteurs 496. Das heißt bis zum nördlichen Wendekreis, cf. AUSTIN ad Aen. 6,7965g. (245). INGREMEAU (14) sieht Aen. 4,480—482 Oceani finem iuxta solemque cadentem / ultü mus Aethiopum locus est, ubi maximus Atlas /4 482 axem umero torquet als Vorbild. Der Verweis auf den Oceanus als Grenze der olxouuivr) oder des Imperiums — das ist bei Minucius Felix, nicht aber an genannter Vergilstelle gemeint — ist aber sehr geläufig, cf. ThLL IX,2 s.v. oceanus 408,3sqq., zur Junktur Oceanis finis Sali. lug. 17,4; hist. frg. 1,107; Hyg. fab. 1,9, cf. Liv. 28,32,8; 28,39,13; 36,17,15. Die Junktur Oceani Itmites ist anscheinend gesucht, cf. ThLL VI 1,2 s.v. limes 1415,3. Etwa Liv. 38,16,5; der Gedanke Cic. rep. 3,24. Cf. BEAUJEU ad l. 83, etwa Cic. nat. deor. 2,6 recentiore memoria idem Tyndaridae Persem victum nuntiaverunt; 3,11—13; Tusc. 1,28; Tert. apol. 22,12 phantasmata Castorum.
II.2.2
Die Vergilzitate
123
genden Brüder gestaltet Minucius Felix mit Elementen dichterischer, insbesondere vergilischer Sprache: (a) Anhelus erscheint in der vorliegenden Verwendung seit Vergil (georg. 2,135 senibus [...] anhelis\ Aen. 12,790 certamina Martis anheli) überwiegend in der Dichtung.1 (b/c) Die Attribute spumans (Aen. 6,881 seu spumantis equi foderet calcaribus armos; 11,770 spumantemque agitabat equum\ 12,651 vectus equo spumante)2 und fumans (georg. 2,542 equum fumantia solvere colla — der Schlußvers des Buches; Aen. 12,338 talis equos alacer in media inter proelia Turnus / fumantis sudore quatit)3 gehören seit Vergil zur dichterischen Topik bei der Beschreibung erhitzter Pferde. Zur stilistischen Ausgestaltung der bekannten und, wie der Text angibt, plastisch festgehaltenen Szene setzt Minucius Felix bewußt einen color Vergilianus oder poeticus ein. 7,4ab Frequentius etiam quam volebamus deorum praesentiam contempta auspicia contestata sunt sie Allia nomen infaustum, sie Claudi et luni non proelium in Poenos, sed ferale naufragium est, et ut Trasimenus Romanorum sanguine et maior esset et decolor, sprevit auguria Flaminius, et ut Parthos signa repetamus, dirarum inprecationes Crassus et meruit et inrisit. Unter den Beispielen aus der römischen Geschichte, mit denen Caecilius die fatalen Folgen einer Mißachtung von Auspizien verdeutlicht, sind zwei als Vergilreferenzen gestaltet: (a) In der Formulierung Allia nomen infaustum wird die Anspielung auf die Allianiederlage zitiert, die Vergil im siebten Aeneisbuch bei der Erwähnung der Sabiner im Katalog der Gegner macht, Aen. 7,717 quosque secans infaustum interluit Allia nomen.4 Minucius Felix permutiert die bei ihm in Kontaktstellung und ohne morphosyntaktische Veränderung wiedergege1 2
Cf ThLL II s.v. anhelus: dichterisch seit Lukrez (67,59sg.), aber kausativ (67,61), im vorliegenden Gebrauch ab Vergil (67,75—68,28). Spumare über den Speichel (OLD s.v. spumo 2a, Belege ab Vergil) und, wie hier wohl (Aen. 6,881 spumantis [...] armos, über den Schweiß OLD s.v. spumo 2b Macer poet. 8 von einer Schlange terga exspirant spumantia virus; vom Pferd auch Ov. met. 14,363 equi [...] spumantia terga reliquit Zum zunächst poetischen Charakter des Wortes FOUCHER 249.
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Cf. ThLL V,l s.v. fumo 1539,73—75 ude animantibus eorumque partibus": Verg. georg. 2,542; Aen. 12,338; Sil. 16,383; Min. Fei. 7,3; verbunden mit anhelus übrigens Stat. Theb. 5,87 (85—88) Sol operum medius summo librabat Olympo / lucentes, ceu staret, equos; quater axe sereno / intonuit, quater antra dei fumantis anhelos / exeruere apices, [...]. Nach ThLL VILl s.v. infaustus 1355,64—66 und FOUCHER 193 ist infaustus von Vergil geprägt und wird mit nomen nur Aen. 7,717; Tac. ann. 16,12,2 duo iam Torquati ob scelera interfecti infaustum nomen lunium fecissent und Min. Fei. 7,4 gebraucht; der Zusammenhang mit der Allianiederlage macht das Zitat bei Minucius Felix eindeutig. Die "slight irregularity of the apposition" (FORDYCE ad l. 191) an der Vergilstelle exponiert das Zitatsegment überdies im Prätext.
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II.2
Minucius Felix
benen vergilischen Elemente dergestalt, daß aus dem Hexameterschluß eine kretisch-trochäische Klausel1 entsteht.2 (b) Die Folge der Nachlässigkeit des Crassus den Vorzeichen gegenüber3, nämlich ut Parthos signa repetamus* wird in Anlehnung an die Anspielung auf die Rückgewinnung der Feldzeichen formuliert, die Vergil in die Schilderung des zurückprojizierten Brauches vom Öffnen und Schließen des Janustempels einbaut, Aen. 7,606 (603—606): /.../ cum prima movent in proelia Martern, sive Getis inferre manu lacrimabile bellum Hyrcanisve Arabisve parantf seu tendere ad Indos Auroramque sequi Parthosque reposcere signa. Minucius Felix übernimmt, neben den entscheidenden Stichworten Parthos und signa, in einer bemerkenswerten Konstruktion den doppelten Akkusativ des vergilischen Prätextes, wobei er aber reposcere zu repetere variiert.5 Er permutiert die Elemente, paßt sie morphosyntaktisch an und stellt auf diese Weise eine kretisch-trochäische Klausel (signa räpätämüs) her. Trotz dieser formalen Adaptationen und Abwandlungen bleibt der Bezug auf den locus classicus für die Rückgewinnung der signa durch diesen außergewöhnlichen Inhalt und die auffällige Konstruktion eindeutig.6 INGREMEAU (16) merkt mit Recht an, daß das exemplum, das im Prätext für die Befolgung religiöser Traditionen steht, genau in den Folgekontext (römische virtus religiosa, cf. 6,2) paßt. In beiden Fällen sucht Minucius Felix authentische, Vertrautheit mit den vergilischen loci classici erweisende Formulierungen für zentrale Ereignisse aus der römischen Geschichte, auf die Vergil in der Aeneis vorausblickt. Im1 2
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Diese Form der Klausel (nöm&n infaüstüm) ist die häufigste bei Minucius Felix, c/. K. MÜLLER, Rhythmische Bemerkungen zu Minucius Felix, MH 49 (1992) 57—73, hier 64. INGREMEAU (15) weist darauf hin, daß Aen. 7,583s?. die negativen Folgen eines contra
fata unternommenen Krieges erwähnt werden. Bezugspunkte sind Aen. 7,6459?. und 96sqq. C/. Cic. div. 1,29 und PEASE ad L 137sq. Das auffallige Präsens hat man verschieden zu erklären versucht; gegen einen Bezug auf zeitgenössische Ereignisse mit Recht BEAUJEU Introduction LI; unter den zahlreichen von PELLEGRINO ad i 85 genannten Erklärungen (besserer Rhythmus, d.h. katalektischer Dikretikus, auch BEAUJEU ad L &4sq.) überzeugt am meisten die aricerca di vivacitä rappresentativa" in Verbindung mit der "liberta, non ignota a M., nell'uso della consecutio temporum". Hier erscheint nach KS I 301 erstmals repetere mit doppeltem Akkusativ. Die kühne Konstruktion dürfte zusätzlich Aufmerksamkeit auf das Vergilzitat und dessen variatio lenken. Auch der proleptische ut-Satz und das Präsens könnten in dieser Weise als Markierung fungieren. Zur Besonderheit der Vergilstelle M. WISSEMANN, Die Parther in der augusteischen Dichtung, Frankfurt am Main et al. 1982. Die sprachliche Form anderer klassischer Formulierungen desselben Sachverhaltes weicht signifikant ab, etwa: Hör. carm. 4,15,6—8 signa nostro restituxt lovi / derepta Parthorum superbis / postibus; epist. 1,18,56 sub duce, qui templis Parthorum signa refigit; R. gest. div. Aug. 5,29 Parthos trium exercitum Romanorum spolia et signa reddere mihi supplicesque amicitiam populi Romani petere coegi.
II.2.2
Die Vergilzitate
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merhin bedenkenswert ist INGREMEAUS (15) Beobachtung, daß zweimal bei Vergil (georg. 2,167—169; Aen. 6,8245?.) Camillus, der Rächer der AUiaNiederlage, in unmittelbarem Zusammenhang mit der im vorausgehenden Paragraphen (7,3) erwähnten Deciorum devotio angeführt wird. Vergil könnte also vielleicht auch die Auswahl der Beispiele angeregt haben. 7.5 Intende templia ac delubris deorum, quibus Romana civitas et prvtegitur et ornatur: Magis sunt augusta nnminibus incolis praesentibus inquilinis quam cultu insignibus et muneribus opulenta. Die Schilderung der Heiligtümer, auf deren stetige Auschmückung und Verehrung Caecilius verweist, lehnt sich an Vergils Beschreibung des Junotempels in Karthago an, Aen. 1,4465g. (446—449): Hie templum Iunoni ingens Sidonia Dido condebat, donis opulentum et numine divae, aerea cui gradibus surgebant limina nexaeque aere trabes, foribus cardo stridebat aenis. Neben den Stichwörtern templum und numen übernimmt Minucius Felix insbesondere die auffällige Verwendung von opulentus mit dem Ablativ1, das vergilische donis variiert er zu muneribus. Auch die mit magis /.../ quam gegliederte Gegenüberstellung von göttlicher Präsenz einerseits und menschlichem Schmuck andererseits als Zierde des Tempels könnte von Vergils bemerkenswerter, beinahe zeugmatischcr Syndese donis opulentum et numine divae angeregt sein. Wiederum gestaltet Minucius Felix einen Hinweis auf römische Tradition mit einer vergilischen Formulierung. 7.6 Inde adeo pleni et mixti deo vates futura praecerpunt, dant cautelam periculis, morbis medellam, spem adflictis, opem miseris, solacium calamitatibus, laboribus levamentum. Unmittelbar im Anschluß geht Caecilius auf Wesen und Nutzen der Mantik ein. Wenn dabei von pleni et mixti deo vates die Rede ist, ergeben sich zwei Berührungen zu Vergil: Erstens findet sich bei ihm (Aen. 7,661) die Wendung mixta deo mulier, allerdings in anderem Zusammenhang, nämlich im Blick auf die von Mars geschwängerte Rhea.2 Die zweite Parallele bezieht sich nicht auf den direkt überlieferten Vergiltext, sondern auf Traditionsgut: Beim Älteren Seneca (suas. 3,5—7) sind Ausführungen über die große Beliebtheit einer vergilischen Formulierung plena deo bei den Rhetoren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts überliefert. Diese Junktur fehlt im erhaltenen Werk des Vergil. Doch schon im ersten nachchristlichen Jahrhundert sieht man darin 1
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ThLL IX/2 s.v. opulentus 839,33—37 für diesen Gebrauch vor Min. Fei. 7,5 nur Aen. 1.447. Trotz der morphologischen Übereinstimmung unterscheiden sich beide Stellen semantisch sehr stark, nach ThLL VIII s.v. misceo 1095 liegt Min. Fei. 7,6 der einzige Beleg für mtscere mit Ablativ (!) in der Bedeutung kominem divinitate mixta replere vor.
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II.2
Minucius Felix
ein Vergilfragment, das vermutlich einer Charakterisierung der Sibylle in einer älteren Version der Aeneis entstammt.1 Damit steht plena deo in einer Reihe poetischer Schilderungen von verzückten (SvBeoi) vates.2 Vor diesem Hintergrund werden einige Berührungen mit pleni et mixti deo vates futura praecerpunt bei Minucius Felix erkennbar, die über plenus deo hinausgehen: Das Stichwort vates liegt zumindest sinngemäß nicht fern, gehört vielleicht sogar in den Kontext (c/. Ov. fast. 6,53854. vates /.../ plena dei). So betrachtet könnten dann auch die Aussage [Sibylla, cuij Delius inspirat vates aperitque futura (Aen. 6,12) und die Anrede sanctissima vates, / praescia venturi (Aen. 6,65sg.) als Vorlage für vates futura praecerpunt gelten. Da außerdem die Inbesitznahme der Prophetin durch den Gott, wie NORDEN zeigt, die erotischen Implikationen einer conceptio und einer vates deo gravida aufweist,3 ergäbe sich auch eine pointierte Erklärung für den vermeintlich unpassenden Anklang von mixta deo mulier in mixti deo. 9,2 ita eorum vana et demens superstitio sceleribus gloriatur: Siehe oben (51) zu Tert. apol. 24,7. 9,5 Is infans a tirunculo farris superficie quasi ad innoxios ictus provocato caecis occultisque vulneribus occiditur. Unter den Christengreueln erwähnt Caecilius die unwissentliche Tötung eines in Mehl verborgenen Säuglings durch einen Neophyten.4 Das für die unbemerkt zugefügte Verwundung gebrauchte caecum vulnus findet sich in erotischem Sinn für verzehrenden Liebesschmerz seit Lukrez (4,1120), im vorliegenden Sinn für eine tödliche Verletzung seit Vergil, Aen. 10,732 caecum dare cuspide vulnus. Bei Vergil geht es um die Scheu des Mezentius, den Orodes, hinterrücks zu töten. Auch Ovids Schilderung vom Tod einer Niobide, met. 6,293 duplicataque vtänere caeco est, hat eine ähnliche Sinnrichtung. Bei Minucius Felix hingegen bleibt dem Tötenden sein Tun verborgen, vergleichbar wiederum der ovidischen Darstellung vom Tod des Pelias von der 1
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Dazu grundsätzlich NORDEN Aeneis VI 144—146 und AUSTIN ad Aen. 6,50s?. (60, mit weiterer Literatur). — Jedenfalls dürfte Minucius Felix die Worte als Vergilfragment kennen. So etwa Ov. fast. 6,5385?. Lucan. 5,1865?. nicht unmittelbar man tisch Hör. carm. 3,25,2; Val. Fl. 2,441. Was sicherlich nicht hierher gehört (gegen COURCELLE Vtrgtle et Vimmanence 42 Anm. 34), ist die Vorstellung von der göttlichen Erfüllung des Alls, Verg. ecl. 3,60 lavis omnia pleno, obwohl auch OLD s.v. plenus lc die Stellen zusammenordnet. NORDEN Aeneis VI 1455?. sowohl für die vergilische Darstellung (77 Phoebi nandum patiens; 80 domare, premere) wie auch für weitere Zeugnisse, dagegen aber, wenngleich nicht zwingend, BÖMER ad Ov. fast. 6,538 (376) mit Verweis auf den männlichen vates Hör. carm. 3,25,1s?., auf die überwiegende Vorstellung vom deus in pectore, auf die 'Trennung' von pleni und mixti Min. Fei. 7,6 — die freilich eben auch als Zusammenstellung erscheinen könnte — und auf die sanctitas der vates. Zur Sache F.J. DÖLGER, Sacramentum infanticidii. Die Schlachtung eines Kindes und der Genuß seines Fleisches und Blutes als vermeintlicher Einweihungsakt im ältesten Christetum, Antike und Christentum 4 (1934) 188—228.
II.2.2
Die Vergilzitate
127
Hand seiner ihn zu verjüngen glaubenden Töchter, die sich freilich bewußt abwenden, met. 7,342 caecaque dant saevis aversae vulnera dextris. Das Verbindende all dieser Belege ist aber die Konnotation des Hinschlachtens eines wehrlosen Opfers.1 Diese ist von Minucius Felix zur Ausgestaltung des gräßlichen Vorwurfes sicher ebenso gesucht wie der color poeticus der hier erstmals in Prosa belegten Junktur, die durch die synonyme Erweiterung mit occultisque eine leichte raffinierende Verfremdung erfahrt. 12,1 Nee saltem de praesentibus capitis ezperimentum, quam vos inritae pollicitationis cassa vota deeipiant; quid post mortem inpendeat, miseri, dum adhuc vivitis, aestimate. Wenn Caecilius die eschatologischen Hoffnungen der Christen auf einen Gott, der ihnen auch in der Mühsal des jetzigen Lebens nicht helfe, als inritae pollicitationis cassa vota abtut, so ist in diesem Ausdruck die eindeutig vergilische Formel cassa vota erstmals aufgegriffen, mit der im zwölften Aeneisbuch die Rettung des Turnus im Zweikampf mit Aeneas geschildert wird, dem es auf das Stoßgebet seines Gegners hin nicht gelingt, seine Lanze aus dem Stamm eines dem Faun geweihten Baumes zu ziehen, Aen. 12,780 opemque dei non cassa in vota voeavit2 Bemerkenswert ist, daß Minucius Felix die Negation wegläßt und den Ausdruck bei gleichem Inhalt — (nicht) vergebliche Hoffnungen eines bedrängten Menschen auf göttliche Hilfe — somit in genau entgegengesetztem Sinn verwendet, was dem Leser bei einem so deutlichen und im Prätext exponierten Zitat nicht entgehen dürfte. 12,6 Non floribus caput nectitis, non corpus odoribus honestatis; reservatio unguenta funeribusf Coronas etiam sepulcris denegatis, pallidi trepidi, misericordia digni} sed nostrorum deorum. Die Bekränzung des Hauptes mit Blumen, die abzulehnen Caecilius den Christen vorhält, könnte in Anlehnung an die Ankündigung der Preise für die Sieger bei den Leichenspielen des Anchises im fünften Aeneisbuch, Aen. 5,309 [sc. tres primij flavaque caput nectentur olivay formuliert sein. Zwar werden gerade nicht die vielleicht augenfälligsten poetischen Elemente des vergilischen Ausdruckes, die Junktur flava oliva (dazu Gell. 2,26,12) und die Konstruktion mit dem Akkusativ, übernommen, doch findet sich auch das demgegenüber prosaischere caput nectere so selten,3 daß eine Anregung durch 1
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Unter den Belegen für die Junktur caecum vulnus (c/. ThLL III s.v. caecus 45,54—58) unterscheidet KISSEL ad Pers. 4,44 (555) zu Recht zwischen der Verwendung "für eine nicht erkennbare, weil im Inneren verborgene Wunde der Liebe oder anderer Leidenschaften" (Lucr. 4.1120; Ov. epist. 4,20; Lucan. 5J37sq.; c/. Verg. Aen. 4,ls
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II.2 Minucius Felix
Vergil an dieser Stelle denkbar und als sprachliche Illustration der Lieblichkeit eines Blumenkranzes in prosifizierter Form erklärbar wäre. 16,3 Ut qui rectam viam nescit, ubi, ut fit, in plures una diffinditur, quia viam nescit haeret anxius nee singulas audet eligere nee universas probare, sie, cui non est veri stabile iudicium, prout infida suspicio spargitur, ita eins dubia opinio dissipatur. Im Kapitel 16 beginnt die Entgegnung des Octavius, der zunächst die Situation seines Vorredners als die eines seinen Weg Suchenden charakterisiert. In diesem Zusammenhang verwendet Minucius Felix das Bild vom Scheideweg, der den Wanderer unschlüssig innehalten läßt. In der Formulierung für die Gabelung, in plures una [sc. via] diffinditur, wird seit der Ausgabe des tschechischen Humanisten Sigismund GELEN (1546)1 mit der Konjektur diffinditur statt des im codex Parisinus überlieferten diffunditur gelesen,2 wozu als Parallele die Worte der Sibylle am Scheideweg zwischen Elysium und Tartarus in der vergilischen xaxißaat? herangezogen werden, Aen. 6,540 (53^—543): *nox ruit, Aenea; nos flendo dudmus horas. hie locus est, partis ubi se via findit in ambas: dextera quae Ditis magni sub moenia tendit, hac iter Elysium nobis; at laeva malorum exercet poenas et ad impia Tartara mittit' Die Verwendung von (dif)findere für einen Scheideweg ist eindeutig vergilisch3, auch wenn Minucius Felix, vielleicht auch zum Zweck der Prosifikation, das verbum compositum statt des verbum simplex und ein mediales Passiv statt der reflexiven Konstruktion verwendet. Die Änderung von ambas in plures könnte sich daraus ergeben, daß es Minucius Felix bei seiner Verwendung des sehr geläufigen Bildes hier weniger auf die Entscheidung zwischen dem einen oder dem anderen Weg ankommt wie in der traditionellen moralischen Zwei-Wege-Lehre, etwa in der Variante von Herkules am Scheideweg,4 sondern auf die Ratlosigkeit des Wanderers, eine namentlich in der griechischen Prosa häufige Metapher6. Doch sicherlich geht es hier um mehr als um einen metaphorischen Ausdruck der Unentschlossenheit. Denn die Referenz auf den vergilischen Prätext, der Aeneas am Scheideweg 1 2 3
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S. GELENIUS, Arnobii disputationum adversus gentes libri VIII, Basel 15461; 15602. Alle modernen Ausgaben und Kommentare übernehmen die Konjektur. Nach ThLL VI,1 s.v. findo 769,63—80 wird findere von einem Weg nur Verg. Aen. 6,540 gebraucht, und nach ThLL V s.v. diffindo 1103,36—42 diffindere in derselben Bedeutung nur Min. Fei. 16,3. Cf. B. ROCHETTE, HeYacles a la croisee des chemins. Un töicoc dans la litte>ature grecolatine, LEC 66 (1998) 105—113. So etwa Plat. leg. 7J99C xaOdxip iv tptofcp -rcvötitvoc xal \ii\ ofö&pa xaxuft&c 65öv. Zum sprichwörtlichen Charakter Zenob. 3,78 iv Tpiöft
tljxl: inl xöv &5V)Xfa>v Kpayjidtwv. 'Eiui6f| ö iv tpiö&f) Ttvötitvoc oux ol&t xolgi xP^0'™1 6&$* I*1 der Dichtung etwa Theogn. 1,911—914 DlEHL; OV. fast. 5,1—6; cf. Cic. div. 1,123.
H.2.2
Die Vergilzitate
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zwischen Elysium und Tartarus zeigt — also nicht in einer Entscheidungssituation, da ja die Sibylle führt —, eröffnet den Blick auf eine tiefere Ebene: Caecilius ist eben nicht nur ratlos, wohin er gehen soll, vielmehr steht er in seiner Konfrontation mit dem christlichen Glauben, nun doch wieder ganz im Sinne der Zwei-Wege-Lehre, vor einer Grundsatzentscheidung, für den Weg des Lebens, der öcpex^, zum Elysium, oder für den Weg des Todes, der f|6ovT|, zum Tartarus. In diesem Sinne nämlich greift schon das frühe Christentum nach jüdischen Vorbildern die Zwei-Wege-Lehre und die Sage von Herkules am Scheideweg auf, entweder um in der Apologetik die Radikalität der Glaubensentscheidung des Christen zu erklären1, oder als Schema in der innerchristlichen Paränese2. In der die Ratlosigkeit des Caecilius illustrierenden Metapher liegt also durch die Anspielung auf Aeneas zwischen Elysium und Tartarus ein Bild für die existentielle und eschatologische Dimension des Scheidewegs, an dem der Heide steht. Einen Beleg für diese weitreichende Interpretation liefern zwei Stellen in der christlichen Latinität der Folgezeit, nämlich bei Commodian und bei Laktanz, an denen ebenfalls die Szene von Aeneas am Scheideweg auf eine grundsätzliche Glaubens- und Lebensentscheidung übertragen wird. In seinem sogenannten carmen apologeticum3 ermahnt Commodian diejenigen, die mit dem Judentum sympathisieren und sich so dem Heidentum enthoben glauben, daß auch ihnen die Entscheidung für oder gegen Christus abverlangt werde, apol. 699—702: Sunt tibi pmepositas duas trias: elige, quam vis, nee enim te findes, ut possis ire per ambas; sed tarnen ex ipsis opportunam quaerere debes; nee cadas in fauces latronum, cautior esto. Hier spaltet sich zwar nicht der Weg, vielmehr wird dem Juden oder Proselyten vor Augen geführt, daß er sich nicht teilen kann. Doch der Einfluß des vergilischen se via findit in ambas (Aen. 6,540) ist unverkennbar. Ausdrücklich zieht Laktanz im Zusammenhang einer breit ausgeführten Darstellung der Zwei-Wege-Lehre als Motiv der Moralphilosophie die vergilische Scheidewegszene heran, inst. 6,3,6—8: (6) Omnis ergo haec de duabus viis disputatio ad frugalitatem ac luxuriam spectat. Dicunt enim humanae vitae cursum Y litterae similemt quod unus quisque hominum cum primae adidescentiae Urnen adtingerit et in eum locum venerit, partis ubi se via findit in ambas, haereat nutabundus ac nesciat in quam se partem potius inclinet; (7) si ducem nactus Juerit qui dirigat ad meliora titubantem, hoc est si 1 2 3
So etwa, ani Beispiel der Herkulesepisode, Justin. 2 apol. 11,1—8; c/. ROCHETTE 110— 113. Dazu G. SCHÖLLGEN in der Einleitung (hier 27—41) seiner Didache-Ausgabe in der Fontes Christiani-Reihe (Freiburg 1991). Zur Problematik des Titels und zum Werk insgesamt E. HECK, HLL 4 (1997) §498.2.
130
II.2
Minucius Felix
aut philosophiam didicerit aut eloquentiam aut aliquid honestae artis quo evadat ad bonam frugem, quod fieri sine labore maximo non potest, honestam et copiosam vitam disputant peracturum; (8) si vero doctorem frugalitatis non invenerit, in sinistram viam quae melioris speciem mentiatur incidere, id est desidiae inertiae luxuriae se tradere, quae suama quidem videntur ad tempus vera bona ignoranti, post autem amissa omni dignitate ac re familiari in omnibus miseriis ignominiaque victurum.
Kurz darauf (6,4,1—5) nämlich greift er nochmals, nun markiert und ausführlich (zitiert Aen. 6,542 sq.), die Szene von Aeneas am Scheideweg auf und weitet sie aus im Hinblick auf eine eschatoiogische Dimension der moralischen Grundentscheidung. Diese beiden Stellen zeigen zum einen, daß eine Übertragung der Szene von Aeneas am Scheideweg auf die Grundentscheidung, vor die das Christentum stellt, offenbar nicht allzu fern liegt und daher auch schon für Minucius Felix denkbar wäre. Zum anderen sprechen einige sprachliche Gemeinsamkeiten dafür, daß Laktanz neben dem Vergilvers Aen. 6,540 auch die Stelle Min. Fei. 16,3 vor Augen hat: Min. Fei. 16,3 Lact. inst. 6,3,6 /.../ übt, ut fit, in eum locum venerit, partis ubi in plures una diffinditur, se via findit in ambas, quin viam nescit haeret haereat nutabundus ac nesciat anxius nee singulas audet eligere in quam se partem potius inclinet nee universas probare /.../. /.../. Daran läßt sich die Vermutung knüpfen, daß Laktanz die subtile Anspielung auf die Aeneisszene bei Minucius Felix erkannt und ausgeführt habe.1 18,6 Generi et soceri bella toto orbe diffusa sunt, et tarn magni imperii duos fortuna non cepit. Um den Monotheismus der Christen zu veranschaulichen, verweist Octavius auf die Analogie des Staatswesens, das unter mehreren Machthabern niemals Bestand habe. Als Beispiel führt er das Duumvirat des Caesar und Pompeius an, dessen Zerfall den Bürgerkrieg auslöst. Der Hinweis ist jedoch in die subtile Anspielung generi et soceri bella gekleidet. Damit greift Minucius Felix Auch für Commodian ist eine Kenntnis des Minucius Felix anzunehmen — dazu P.L. Di aleune fonti deü'opera poetica di Commodiano e di Commodiano come scrittore, Didaskaleion 2 (1913) 363—422, v.a. 364—383 —, bei der Verarbeitung des Vergilverses Aen, 6,540 aber läßt sich der Einfluß des Apologeten nicht belegen. Höchstens könnten die ruhelose Ratlosigkeit des Proselyten bei Commodian (apol. 694—696 nescit ubi primum oecurrat inscius ü/c, / ac idolis seruitf Herum tricesima quaerit; / nunc azima sequitur, qui castum sederat ante.) und das Zögern am Scheideweg bei Minucius Felix (16,3), das sich ja auch auf die existentielle Ratlosigkeit des NochNicht-Bekehrten bezieht, auf einen Zusammenhang hindeuten. CICERI,
11.2.2 Die Vergilzitate
131
ein vornehmlich in der Dichtung nachweisbares Motiv auf:1 Eine dichterische Periphrase von Caesar und Pompeius nur über ihr Verhältnis als Schwiegervater und Schwiegersohn findet sich bereits bei Catull2. Unter das Vorzeichen dieser Verschwägerung stellt Vergil den Vorausblick auf den Bürgerkrieg zwischen beiden in der Heldenschau des Anchises im sechsten Aeneisbuch, Aen. 6,830*/. (829—831): /.../ quantas acies stragemque ciebunt, aggeribus socer Alpinis atque arce Monoeci descendens, gener adversus instructus Eois. Dann verweist Lukan in seinem bellum civile immer wieder auf das Verwandtschaftverhältnis der beiden Kontrahenten,3 Der Krieg zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn wird in der Dichtung zur Periphrase des Bürgerkrieges zwischen Caesar und Pompeius.4 In erster Linie aber hat Minucius Felix Lukan vor Augen, genauer gesagt dessen Darstellung vom Tod der Julia als Anlaß zur Entzweiung zwischen Caesar und Pompeius (1,109—118). Eindeutig nimmt Minucius Felix auf die Verse 109—111 Bezug: Dividitur ferro regnum, populique potentis, quae marey quae terms, quae totum possidet orbem, non cepit fortuna duos. Der gnomische Halbvers l i l a wird, durch Permutation zum katalektischen Dikretikus prosifiziert, wörtlich zitiert, die Macht und Ausdehnung des Reiches spiegelt sich sowohl in tarn magni imperii als auch im Hinweis auf die weltweite Ausdehung des Krieges wieder. Allerdings findet sich der zugrundeliegende Ausdruck (aliquid duos non capit) häufiger und schon vor Lukan.5 Der Verweis auf die Auseinandersetzung zwischen gener und socer folgt wenige Verse später (1,118) in einem Vergleich: Julia starb zu früh, um Frieden stiften zu können auf jene Weise, ut generös soceris mediae iunxere Sabinae. Vor allem Lukans sentenziöse Wertung des Bürgerkrieges ist es, die Minucius Felix für seine apologetische Argumentation verwerten kann. Vergil spielt hier wohl nur indirekt eine Rolle: Auf ihn geht die an den Anfang des exemplum gestellte Periphrase des Bürgerkrieges zurück. Vielleicht klingt ganz 1 2
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ThLL VI,2 s.v. gener 1770,49—55 bietet die Belege für das Begriffspaar socer und gener bezogen auf Caesar und Pompeius. Catull. 29,24 socer generque perdidistis omnia, Schlußvers einer Invektive gegen Mamurra, einen Günstling des Caesar und des Pompeius, FOROYCE ad L 164: 'The relationship between the rivals clearly was a byword and becomes a cliche" in later literature"; markiert (!) zitiert wird der Vers Verg. catal. 6,6. C/. 1,290 socerum depellere regno decretum genero est; 4,802 quid prodita iura senatus / et gener atque socer hello concurrere iussi? (dazu Mart. 9,70,3 cum gener atque socer diris concurreret armis); 9,1035—1043; 10,416—418; zur Betonung dieses Verwandtschaftsverhältnisses bei Lukan HJ. TSCHIEDEL, Lucan und die Tränen Caesars, München 1985, 13; ThLL Vl,2 1770 bemerkt: "inde Pompeius passim gener vocatur". C/. Anth. 462,11 Hie generum, socerum ille petit. Cf. Sen. contr. 2,6,2; Sen. dial. 2,2,2; epist. 20,13; Thy. 444; luv. 10,148.\6Ssq.\ Flor, epit. 2,13,14.
132
II.2
Minucius Felix
im Hintergrund sogar auch bei Minucius Felix noch die düstere Prophezeiung aus Vergils Heldenschau als locus classicus für den Krieg zwischen gener und socer mit an. Der zitierte Dichter ist hier aber Lukan. 19,1*9. In seiner monotheistischen Argumentation beruft sich Octavius auf das Zeugnis von vulgus (18,11), poetae (19,15g.) und philosophi (19,3—20,1). Die Bezugnahme auf die Dichter kulminiert in zwei Vergilzitaten (19,2). Für die Vergilrezeption bei Minucius Felix hat der Abschnitt 19,1 sq. daher eine zentrale Bedeutung, die eine ausführliche Erörterung dieser beiden Paragraphen und die Berücksichtigung auch der übrigen Zitate notwendig macht. 19,1a Audio poetas quoque unum patrem divum atque hominum praedicantes, Audio poetas quoque korrespondiert mit 18,11 audio vulgus und leitet über zur zweiten Instanz, auf deren monotheistisches Zeugnis Bezug genommen wird. Das Stichwort poetae erscheint hier erstmals in der Octaviusrede. In den Ausführungen des Caecilius werden die poetae zwar zweimal erwähnt, aber einmal (7,5) in einer praeteritio und einmal (11,9) ausdrücklich ablehnend. Die positive argumentative Verwendung der Dichtung bleibt im Dialog also dem christlichen Redner vorbehalten. Hinter patrem divum atque hominum steht die seit Homer belegte epische Formel rcaity &v5p&v xe 6ea>v xe.1 Dieser dichterische Ausdruck für die besondere Machtstellung des Göttervaters2 wird sowohl in der paganen3 als auch in der christlichen4 griechischen Prosa öfter als theologische Äußerung zitiert. Ennius übernimmt die Formel in die lateinische Dichtung im Wortlaut patrem divomque hominumque (fr. 581 V. = 592 SKUTSCH). 5 Überliefert ist dieses Fragment in Ciceros Dialog de natura deorum, wo es der Stoiker Baibus zweimal anführt, nämlich zu Beginn seines Beweisganges über die Existenz der Götter (2,4) und in der Beschreibung der Eigenschaften Jupiters (2,64). 1 2
3
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5
II. 1,544 etc. So schon bei Homer, c/. KIRK ad II. 1,544 (110): "Tather of the men and gods' is more than just a 'polar' expression [...], and marks bis pre-eminence over everything divine and human." Etwa Aristot. Pol. 1,12 zur Erläuterung der Herrschaft des Vaters über die Kinder; Diod. Sic. 1,12,2; Plut. Moral. 1000 F in Verbindung mit Plat. Tim. 28 C icotrrctrc xal xaxfip xou&c xoö K&VXOC; Ps. Plut. Vit. Hom. II 114: Homer weiß, wie die besten Philosophen, schon von Zeus als Vater der Götter und Menschen; lamb. VP 39. Justin, apol. 1,22,1 zur Erläuterung der Gottessohnschaft Christi (dazu GLOCKMANN 114—116); Athenag. Suppl. 21,2 zur Einführung des homerischen Zeus, dessen unwürdige Darstellung gegenübergestellt wird; Clem. Alex. Protr. 32,4 6 icaxfy xa6' 6|iäc fev&päv xt Btäv xe; Strom. 6,151,5; Ps. Justin. Cohort. 2(2 C). Die beiden anderen Varianten der Formel bei Ennius, divum pater atque hominum rex (fr. 175 V. = 203 SKUTSCH bei Macr. sat. 6,1,10) — so auch bei Vergil, Aen. 1,65; 2,648; 10,2; 10,743 (c/. 1,254 hominum sator atque deorum und SKUTSCH 730), zitiert Quint. inst. 8,6,29 als Beispiel einer Antonomasie — und divumque hominumque pater rex (fr. 580 V. = 591 SKUTSCH bei Varro ling. 5,65), weichen durch den Zusatz rex sowohl vom homerischen Original als auch vom Text bei Minucius Felix ab und scheiden hier aus.
11.2.2
Die Vergilzitate
133
Hiervon geht sicherlich eine entscheidende Anregung für Minucius Felix aus, dieses Dichterwort als Zeugnis heranzuziehen. Doch anders als Cicero, der das Zitat ausdrücklich Ennius zuschreibt, sucht Minucius Felix eher die seit Homer übliche epische Formel. Ziel ist die Systemreferenz auf das Epos.1 Außerdem beseitigt Minucius Felix den von Cicero beibehaltenen Hexameterschluß, indem er -que /.../ -que durch atque ersetzt. Daß der Apologet zwar die prosodische Interferenz vermeidet, die diatypische in der poetischen Form divum aber beläßt, zeigt, wie sehr er sich gerade in rhythmischer Hinsicht um Einheitlichkeit bemüht. Bemerkenswert ist der Zusatz von unum. Dahinter läßt sich zunächst der Versuch einer oberflächlichen monotheistischen Umdeutung des Dichterzitates im Sinne des 18,5 formulierten Untersuchungszieles utrum unius imperio an plurimorum caeleste regnum gubernetur vermuten,2 die dann aber in einem eklatanten Widerspruch zum unübersehbar polytheistischen patrem divum stünde. Genauer muß man daher die Ergänzung wohl damit erklären, daß Minucius Felix die übergeordnete Stellung des epischen Göttervaters an der Spitze einer Hierarchie als Analogon zum christlichen Monotheismus hervorheben, aber nicht beides gleichsetzen möchte. Zur Verdeutlichung dient wieder der Blick auf Ciceros de natura deorum: In ähnlicher Weise verweist dort der Stoiker Baibus zur Untermauerung der Ausgangsthese esse aliquod numen praestantissimae mentis quo haec regantur (2,4) auf die Vorstellung eines höchsten Gottes Jupiter und zitiert dazu das Enniusfragment patrem divumque hominumque. Aus dem 'Vater der Götter und Menschen' zieht also die stoische Argumentation einen Beleg für die Existenz einer leitenden Instanz überhaupt. Die christliche Deutung des Minucius Felix gewinnt aus dieser Aussage darüber hinaus, verdeutlicht durch das unum, den monarchischen und den personalen Charakter dieses höchsten Wesens. Durch die Wortwahl praedicare, hier in der emphatischen, Unmittelbarkeit suggerierenden AcP-Konstruktion, erhalten die Dichterworte das Gewicht einer philosophischen oder wissenschaftlichen Lehrmeinung, auf deren Autorität sich die Christen berufen können.3 Diese Anknüpfung wird noch Die in der Forschung öfter aufgeworfene Frage, ob Minucius Felix sich auf Homer (etwa 79, aber Anm. 2 uThere may also be a recollection of Ennius' translation of the Homeric phrase.") oder auf Ennius (so VAHLEN ad fr. 581 u[h]inc, non aliunde, Minucius Felix Octav. 19,1", PELLEGRINO und BEAUJEU ad /.) beziehen wolle, geht letztlich am Kern der Sache vorbei: Minucius Felix setzt beim Leser das Wissen um den Übersetzer und um die Vorlage voraus, die er aus Gründen der Einheitlichkeit nicht griechisch zitieren will (auch Cicero fertigt sich etwa für die griechischen Tragiker stets eigene Übersetzungen an, etwa Eur. fr. 941 N2 zitiert nat. deor. 2,65). Vornehmlich sucht er aber ein bekanntes Beispiel dichterischer Theologie, das in einem monotheistischen Sinne gelesen werden kann. Unwahrscheinlich ist ein direkter vergilischer Einfluß (dazu vorige Anm.), wie ihn COURCELLE (Lecteurs 136 Anm. 735; immerhin räumt er ein: "Minucius parait se rendre compte que Virgile doit cette formule ä Ennius/') vermutet. So etwa WIESEN 79: "emphasizing Homer's supposed monotheism by his own additiou". Zur Verwendung von praedtcare für die Lehre von Philosophen, vor allem in der nachklassischen Prosa, ThLL X,2 s.v. 1. praedico 554,15—29, für die christliche Verkündigung, ab Tertullian, 554,51 sqq. WIESEN
134
11.2 Minucius Felix
verstärkt durch die Korrespondenz mit praedicare 19,2 für die, wie es ausdrücklich heißt, übereinstimmende Lehre der Christen. 10,1b /.../ et talem esse mortalium mentem, qualem parens omnium diem duxerit In diesen Worten paraphrasiert Minucius Felix eine bekannte Homerstelle, Od. 18,136*?.: Toios Y&p vöo? ioxlv iicix6ovto)v fevdpotacov, olov ta' fyuxp &fnat 7iaxf|p ötvSpöov xe 8eöv xe. Dieser poetische Ausdruck eines fatalistischen Pessimismus1 wird schon in der frühgriechischen Dichtung aufgegriffen und in der späteren griechischen Prosa häufig zitiert2. Die Rezeption der Homerverse durch die Stoiker belegt Augustinus, civ. 5,8: Uli quoque versus Homerici huic sententiae suffragantur, quos Cicero [fat. fr. 3) in Latinum vertu: Tales sunt hominum mentesf quali pater ipse Iuppiter auctiferas lustramt lumine terms. Nee in hac quaestione auetoritatem haberet poetica sententia; sed quoniam Stoicos dicit vim fati asserentes istos ex Homero versiLS usurpare, non de illius poetae, sed de istorum philosophorum opinione tractaturt cum per istos versus, quos disputationi adhibent quam de fato habent, quid sentiant esse fatum apertissime declaraturt quoniam Iovem appellantt quem summum deum putantt a quo connexionem dieunt pendere fatorum. Erst in dieser von Cicero referierten stoischen Interpretation, die nicht mehr das Ausgeliefertsein des Menschen, sondern umgekehrt seine Leitung durch das göttliche Schicksal sieht, wird das Homerzitat für Minucius Felix brauchbar. Auch bei seinen Lesern muß er ein solches Verständnis voraussetzen können. Ein naheliegender Bezugspunkt wäre daher die bei Augustinus überlieferte Ciceropassage. Für Minucius Felix kann sie hier aber nicht alleinige Grundlage sein, da seine Prosaparaphrase dem Homertext wesentlich näher kommt als Ciceros Nachdichtung. So kann zum einen diem duxerit nicht aus Cicero erschlossen sein, sondern muß auf in1fyuxpifTl ai zurückgehen.3 Zum 1 2
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Cf. HEU BECK ad l. III 56: "Man's mind, his thoughts and feelings, are subjeet to as much as change as the succession of days brings: life is unpredictable, a wheel of fortune." So schon Archil. fr. 131 WEST totocfrvOpuicoioiOufiöc, rXaüxi AinTtvtü> udi, / ylvrcai 6vrrcoi<, 6JIO(T)V ZU* i?' V^Pnv &TT)- Parmenides DK B 16; zitiert Plut. Moral. 104; Ps. Plut. Vit. Hom. (B) 155; als Standardzitat Theon Prog. 5,219. Die auffallige Junktur diem ducere {cf. ThLL V s.v. dueo 2159Jsq.) scheint darauf zurückzugehen, daß der Übersetzer die Tmesis ignoriert und wörtlich fyiap &rnoi wiedergibt. Die von PELLEGFUNO (ad i 146) genannte Parallele Verg. Aen. 2,802 [Lucifer] ducebatque diem weicht semantisch ab (c/. ThLL V s.v. dueo 2164,685?. 'aliquid ducit aliquid de tempore in tempus').
II.2.2 Die Vergilzitate
135
anderen erscheint naity) ivÖpcov xe 8eu>v xe bei Cicero nur als pater /.../ /uppiter, bei Minucius Felix als parens omnium. Nun wäre es denkbar, daß Minucius Felix eine andere, originalgetreuere lateinische Übersetzung benutzt,1 wahrscheinlicher aber ist, daß er von Cicero zum Rückgriff auf das bekannte Zitat in seinem homerischen Wortlaut angeregt wird und selbst übersetzt.2 Dabei gibt errcocxf|p&v5pa>v xe 8ea>v xe mit parens omnium wieder. Durch diesen ansonsten (18,7; 19,5) für den christlichen Schöpfergott gebrauchten Ausdruck hebt er den übereinstimmenden Zug im Gottesbild hervor und vermeidet zugleich die Wiederholung von pater divum atque hominum. Von hier aus stellt sich freilich die Frage, warum Minucius Felix zunächst einzeln die Formel icotxf|p &v5pa>v xe 8eo>v xe wiedergibt und sie dann ersetzt, statt nur einmal Homer zu zitieren, nämlich die vollständigen Odysseeverse. Wenn man nicht annehmen möchte, Minucius Felix wolle artifiziell die Anzahl der Zitate erhöhen, dann muß man davon ausgehen, daß es bei den beiden Zitaten um zwei unterschiedliche Gedanken geht: Während das erste Zitat das monarchische Element in der Göttervorstellung des Epos als Analogon zum christlichen Monotheismus herausstellt, belegt das zweite, daß von diesem einen übergeordneten Gott das Schicksal des Menschen gelenkt wird. In einem ersten Schritt argumentiert Minucius Felix also für die Existenz eines übergeordneten Gottes, in einem zweiten dafür, daß dessen Providentia die Welt lenkt.3 Die beiden verwendeten Zitate sind bei Cicero bereits in einem entsprechenden theologischen Sinn von den Stoikern vereinnahmt. Die stoische Lesart der Dichterworte öffnet Minucius Felix auf ein christliches Verständnis hin, indem er durch unum den Aspekt des einen personalen und durch parens omnium den Aspekt des für seine Schöpfung sorgenden Gottes hervorhebt. Nach diesen Belegen aus der Dichtung im allgemeinen, wendet 1 2 3
Hier wäre dann wiederum zu fragen, ob sie einer poetischen imitatio oder einer philosophischen Rezeption der Odysseeverse entstamme. Die Wiedergabe ist außerdem den Ansprüchen des Textes gemäß rhythmisiert (mortäliüm mentem kretisch-trochäische Klausel). WIESEN zieht in seiner Interpretation der Stelle diesen Zweischritt der Argumentation nicht in Betracht. Dadurch kommt er in bezug auf das Odysseezitat zu dem etwas widersprüchlichen Ergebnis, daß "only one element in the Homeric verses really applies to the apologist's argument at this point, the words parens omnium, and we must observe that this is not a translation but a mono the ist ic rewording of natfjp ätv&päv xc Gräv it." (79) Das heißt, daß genau die Worte, auf die es Minucius Felix ankomme, im Prätext gar nicht stehen. Wozu dann aber das Zitat? — WIESEN fährt fort (80): uIt is the phrase parens omnium with its implication of the divine origins of the universe that links the Homeric passage to the citations and the arguments that follow, for in the sequel more emphasis is laid upon God's role as Creator and source of everything than upon God as moral governor of the universe." Doch spielt die Providentia sehr wohl eine entscheidende Rolle in der Gedankenführung: Caecilius leugnet sie ausdrücklich (5,10—13), Octavius beweist sie zunächst allgemein (17,3—18,4), schließlich zeigt die zusammenfassende Überleitung 20,2, worauf es dem Apologeten in der Argumentation des Dichter- und Philosophenkapitels 19 ankommt: Quod si Providentia mundus regitur et unius dei nutu gubernatur, non nos debet antiquitas inperitorum fabellis suis delectat vel capto ad errorem mutui rapere consensus, cum philosophorum suorum sentenüis refellatur, quibus et rationis et vetustatis adstitit auctoritas.
136
II.2 Minucius Felix
sich Minucius Felix, der Ausrichtung auf ein römischer Publikum entsprechend, Vergil zu. 19,2a Quid? Mantuanus Maro nonne1 apertius proocimius verius "principio" ait "caelum ac terras" et cetera mundi membra u spiritus intus alit et infusa mens agitat, inde hominum pecudumque genus" et quicquid aliud animalium? Schon die Einleitung wird dem Gewicht des römischen Nationaldichters gerecht: Die doppelte rhetorische Frage quid? nonne /.../ ? verwendet Minucius Felix regelmäßig, wenn sich einer der Unterredner auf die Autorität oder das Beispiel einer berühmten Persönlichkeit beruft.2 Die Bezeichnung Vergib als Mantuanus Maro fallt durch einen gewissen color poeticus auf: Das hier redundant in der Art eines poetischen Götter- oder Heroenepitheton gebrauchte Mantuanusfindetsich bis dahin kaum. Auch sprechen die Prosaiker gewöhnlich von Vergilius, Maro hingegen zieht die Dichtung vor.3 Das Komparativtrikolon apertius proximius verius hebt Vergils Zeugnis gegenüber den vorher zitierten poetae hervor: So wie der Philosophenkatalog (19,3—15) in Plato kulminiert (19,14 Piatoni apertior de deo et rebus ipsis et nominibus oratio est),4 so ragt Vergil gegenüber den anonym bleibenden übrigen Dichtern heraus.5 Die Überlegenheit liegt in der größeren Deutlichkeit (apertius)6 und in der weitergehenden Annäherung an die Wahrheit (proximius verius)7. Das Verb des Satzes folgt erst innerhalb des Zitates. Damit legt Minucius Fe1 2 3
4 5
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So KYTZLER, BEAUJEU und WALTZING; andere Ausgaben, namentlich PELLEGRINO, BOENIG und SCHÖNE interpungieren: Quid Mantuanus Maro? Nonne /.../ ? 13,3 Quid? Simonidis melici nonne /.../?, 19,8 Quid? Democritus /.../ nonne /.../ 9% 26,3 Quid? Regulus nonne /.../ ?, 26,12 Quid? Plato /.../ nonne [.../? Der Befund aus FORCELLINI Onomasticon, PH1 5.3, BTL-2 und CLCLT-5 ergibt etwa folgendes Bild: Mantuanus als alleinige Bezeichnung ist spät und selten, etwa Stat. silv. 4,7,27; Apul. apol. 10 quanto modestius tandem Mantuanus poeta; Veget. mil. 1,5. Was die Unterscheidung zwischen Maro und Vergilius angeht, so verwenden Petron, Seneca, der Ältere und der Jüngere Plinius, Quintilian, Gellius (12,1,20 noster Maro, an ca. 100 anderen Stellen aber Vergilius) und Apuleius ausschließlich Vergilius. Beide Namen benutzt Columella, ebenso Augustinus und Hieronymus, wenn auch mit deutlichem Übergewicht auf Vergilius, während Juvenal, Martial, Statins (bei ihm auch Adjektivbildungen, silv. 2,7,74; 4,4,54) und Terentianus Maurus ganz eindeutig Maro vorziehen. Die Bezeichnung Maro scheint also einen color poeticus zu haben, den Mantuanus (zumal durch die Alliteration) noch unterstreicht. Keine Resonanz gefunden hat der von A. SOUTER in der Rezension der Ausgabe von J. MARTIN, Gnomon 7 (1931) 57, gemachte Vorschlag, Maro als Glosse zu tilgen. CJ. BECKER Octavius 14. Der Komparativ ist hier im eigentlichen Sinn zu verstehen, zu dessen freierem, aber stets absichtsvollen Gebrauch P. FAIDER, L'emploi insolite du comparatif dans Minucius Felix, MB 10 (1906) 287—292. So schon klassisch im Sinn von tox&<, oaf&c, düucide bei verba dicendi und verba sentiendü etwa Cic. Rose. 43 planius atque apertius dicam, cf. ThLL II s.v. aperio 224%65 sqq. In diesem Sinn verwendet Minucius Felix prope auch 32,4 non tantum sub Mo agimus,
II.2.2
Die Vergilzitate
137
lix den Schwerpunkt auf die Aussage des Dichters, die er wie eine oratio recta als textnahe, fast wörtliche Wiedergabe und mit einem eingeschobenen ait gestaltet, so daß Vergil beinahe als Dialogteilnehmer hinzutritt.1 Einleitend wird Vergil in feierlichem, fast poetischem Ton als eine Autorität lebendig, deren Aussagen der Wahrheit des christlichen Glaubens in einer deutlicheren Weise und in einem höheren Maß nahekommen als die der anderen poetae. Dann wird der Anfang der eschatologischen Offenbarungsrede des Anchises (Aen. 6,724—751) zitiert. Auf die Frage des Aeneas nach der Möglichkeit einer Wiedergeburt der am Lethestrom befindlichen Seelen entwickelt Anchises eine Lehre, die von der caelestis origo der animae ausgeht und sich bis zu ihrer Reinkarnation erstreckt. Der philosophische Hintergrund der Ausführungen ist in der "Sphäre der durch Pythagoreismus und Piatonismus beeinflußten Stoa" (NORDEN) ZU suchen.2 Daraus formt Vergil eklektisch sein philosophisch-theologisches Credo3, wobei die Anchisesrede über die Wiedergeburt, wie Antonie WLOSOK gezeigt hat, eine didaktische Schlüsselfunktion erfüllt und ein mystagogisches Verständnis auch der mythologischen Unterwelt im Sinn einer kosmologisch und eschatologisch begründeten moralischen Unterweisung eröffnet.4 Was Minucius Felix daraus sed et cum illo, ut prope dixerim, vivimus. Proximior statt propior schon Sen. epist. 108,16 modum servem et quidem abstinentiae proximiorem, außerdem Veg. mil. 1,20, cf. KH 571; LHS I 499. Zu verius cf. 36,2 ac de fato satxs vel, si pauca pro tempore, disputaturi alias et verius et plenius. Das Trikolon besteht nicht, wie sonst oft bei Minucius Felix, aus synonymen Ausdrücken. KYTZLEK betont in seiner Übersetzung ("noch deutlicher, noch treffender und wahrer'*) die Zusammengehörigkeit von zweitem und drittem Kolon, BEAUJEU ("en termes plus directs, plus approches, plus vrais") die relative Bedeutung von proximius in Bezug auf eine christliche Wahrheit. Dem nicht ganz luzide angeordneten Artikel zu aio im ThLL 1 läßt sich entnehmen, daß ait für Schriftstellerzitate oft mit dem accusativus cum tnfinitivo (cf. ThLL I 1458) konstruiert und nur manchmal vor(cf. ThLL I 14555?.), selten nach (cf. ThLL I 1456sq., z.B. Cic. Brut. 71 nach einem Enniuszitat, Fronto epist. 4,8,1 nach einem Euripideszitat, Char. gramm. 1,125,10 nach einem Fliniuszitat) und erst vom 4. Jahrhundert an (sehr häufig z.B. für Bibelzitate bei Hieronymus) in ein wörtliches Zitat gestellt wird. Die Verwendung von ait innerhalb einer oratio recta ist in der Prosa geläufig (cf. KS II 532s?.), vor allem aber bei Vergil und seit ihm in der Dichtung sehr oft belegt. Das heißt, noch zur Zeit des Minucius Felix verweist ein eingereihtes ait eher auf eine oratio recta als auf ein wörtliches Zitat und verleiht somit der vergegenwärtigenden Wirkung desselben zusätzliche Emphase. Auch der Apologet selbst verwendet ait ansonsten vor (3,1) oder in (14,1) der oratio recta eines Dialogteilnehmers. Die syntaktische Struktur ist hier insofern auffällig, als das eingestellte ait als Prädikat von seinem vorausgehenden Restsatz getrennt ist und nicht, wie sonst oft, alleine eine syntaktische Einheit bildet. NORDEN Aeneis VI 17, dort 16—48 ausführlich zur Quellenfrage, cf. Susanna MORTON BRAUND, Virgil and the Cosmos, in: MARTINDALE 204—221, hier 210. Cf. AUSTIN ad Aen. 6,724—751 (221): aHere, in this speech of such visionary beauty and earnest solemnity, it is as if the poet were 'thinking aloud\ giving expression to his inmost beliefs." Antonie WLOSOK, Et poeticae figmentum et phüosophiae veritatem. Bemerkungen zum 6. Aeneisbuch, insbesondere zur Funktion der Rede des Anchises (724ff.), in: dies., Res humanae 384—391, erstmals LF 106 (1983) 13—19, weist in Auseinandersetzung mit der Position, die Anchisesrede über die Seelenwanderung fungiere nur als Motivierung der Römerschau, nach, daß zum einen udem Autor der philosophische Inhalt dieser
138
II.2 Minucius Felix
zitiert, sind die ersten sechs Verse, in denen die stoische Lehre von der Weltseele (spiritus, mens) entwickelt wird,1 Aen. 6,724—729 (das bei Minucius Felix wörtlich Zitierte ist fettgedruckt, das Paraphrasierte unterstrichen und das ersatzlos Weggelassene eingeklammert):
Principio caelum ac terms camposque liquentis lucentemque globum lunae Tüaniaque astra spiritus intus alit, [totamque] infusa [per artus] mens agitat [molem] et [magno se corpore miscet.J inde hominum pecudumque genus vitaeque volantum et quae marmoreo fert monstra sub aequore pontus.
Paraphrase: et cetera mundi membra
et quicquid aliud animalium
Minucius Felix, der als erster auf diese später vielzitierte Kernstelle vergilischer Theologie und Kosmologie zurückgreift,2 gibt den Vergiltext etwas verkürzt in Prosa wieder.3 Durch einen summarischen Ausdruck paraphrasiert werden das dritte und die weiteren Glieder in der Aufzählung der Weltteile und in der Aufzählung der Lebewesen. Weggelassen werden das Objekt des zweiten Kolons (totam /.../ molem), das Präpositionaladverb zu infusa (per artus) und das ganze dritte Kolon (magno se corpore miscet), entsprechend rückt das et vor. Manche der Veränderungen am Zitatsegment lassen sich als prosodische
1
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Anchisesrede nicht unwichtig war" und daß zum anderen "Vergil dem Leser mehrfach Signale gegeben hat, die ihn auf die Möglichkeit aufmerksam machen, auch die mythologische Unterweltsbeschreibung kosmisch auszulegen, und das heißt: sie allegorisch im Sinne der damals gängigen philosophischen und religiösen Kosmologie zu verstehen" (385). Zur stoischen Weltseelenlehre allgemein M. POHLENZ, Die Stoa, Göttingen I 19927, II 19906, I 64—93; HR. ScHLETTE, Die Weltseele, Frankfurt am Main 1993, 35—91, zu den Versen Aen. 6,726*?. als Schlüsseltext für die Weltseelen lehre im Mittelalter 129. Vor allem die Verse 726s?. (spiritus intus alit, totamque infusa per artus / mens agitat molem et magno se corpore miscet) weisen ein deutliches stoisches Gepräge auf, vor allem durch das Schlüsselwort spiritus (c/. etwa Cic. nat. deor. 2,19 haec ita fieri omnibus inter se concinentibus mundi partibus profecto non possent, nisi ea uno divino et continuato spiritu continerentur. Serv. ad 726 'spiritus' divinus scilicet. et unum est sive mentem dicat, sive animumt sive spiritum.) und die Verwendung von alere (c/. Cic. nat. deor. 2,41 als Chrysipp-Zitat: atqui hie noster ignis, quem usus vitae requirit, confector est et consumptor omnium idemque quocumque invasit euneta disturbat ac dissipat; contra ille corporeus vitalis et salutaris omnia conservat alit äuget sustinet sensuque adficit.), dazu POHLENZ II 141; AUSTIN ad L 222; F. TRJSOOLIO, spiro / spiritus', EV4 (1988) 1001. COURCELLE Lecteurs 472 und RIBBECK ad l. geben keine früheren, aber zahlreiche spätere Zitate der Stelle an. Siehe unten (159*49.) zu 32,8. Daß es sich um eine Zusammenfassung, nicht um eine ungenaue Wiedergabe handelt, wie in älterer Literatur (auch noch BEAUJEU ad i (108]) öfter gesagt, betont mit Recht auch INGREMEAU (17).
II.2.2
Die Vergilzitate
139
und diatypische Prosifikation erklären: Alle Versenden sind von den Eingriffen betroffen, das Zitatsegment im Folgetext weist Klauselrhythmus auf.1 In der Aufzählung der Weltteile und der Lebewesen fallen gerade die poetisch gestalteten Elemente camposque liquentis / lucentemque globum lunae Titaniaque astra und vitaeque volantum / et quae marmoreo fert monstra sub aequore pontus weg. Minucius Felix rafft somit die Darstellung und paßt sie den stilistischen Anforderungen der Prosa an. Bei den Auslassungen hingegen sind vor allem inhaltliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Durch den Wegfall des Objekts totam /.../ molem zu mens agitat ist die Aussage jetzt auf das vorausgehende caelum ac terms et cetera mundi membra zu beziehen. Das Wirken der mens verlagert sich von der bloßen Materie weg auf die in einem Funktionszusammenhang stehenden Teile der Welt. Da per artus wegbleibt, ist die mens nicht mehr in die einzelnen Glieder ausgegossen, also statisch immanent, vielmehr wird nun allgemein ausgesagt, daß die mens eingegeben, also irgendwoher kommend, in der Welt wirkt. Die deutlichste Formulierung der stoischen Lehre von der Verschmelzung des göttlichen icveöfia mit der Welt, magno se corpore miscet, fällt weg. So kommt überdies infusa mens agitat neben inde hominum pecudumque genus et quicquid aliud animalium zu stehen, was einen neuen Bezug und Sinn ergibt, nämlich daß die Entstehung des Lebens vom Walten der in die Welt eingegebenen mens ausgeht und nicht, wie im Prätext, aus der Immanenz des GöttÜchen folgt. Minucius Felix paßt den Vergiltext also durch geschickte Änderungen an die christliche Lehre von der göttlichen Schöpfung an. Er läßt stehen, was die Bedeutung von spiritus und mens als Entstehungsgrund und Erhaltungsprinzip der Welt und der Lebewesen betont, streicht weg, was eindeutig auf die Immanenz des Göttlichen in der Welt und auf die Verschmelzung von spiritus und mens mit der Materie hinausläuft. Mit anderen Worten, in der Version des Minucius Felix erscheinen Subjekt und Objekt der Schöpfung eindeutig voneinander getrennt, im Mittelpunkt steht das Wirken des nun transzendental verstehbaren Göttlichen (spiritus und mens), das in seiner Schöpfung wirkt und die Welt und das Leben hervorbringt. Bemerkenswert ist, daß diese theologische Umdeutung des Zitatsegmentes ausschließlich auf Weglassungen beruht, also auf der, etwa im Vergleich zu Addition oder Substitution, im geringsten Maße manipulativen Form des Texteingriffs. Minucius Felix zitiert genau so viel aus Vergil, daß er nicht mehr im Sinne der pantheistischen Weltseelenlehre gelesen werden muß,2 sondern im Sinne des christlichen Schöpfungsglaubens gelesen werden kann. Die These, daß es Minucius Felix um eine Affinität des Vergiltextes zur jüdisch-christlichen Protologie Kretisch-trochäische Klauseln infüsä mens ägität und aliud änimäliüm. Lact. inst. 7,3,5 kritisiert ausdrücklich die immanente Gottesvorstellung der Verse Aen. 6,726a.727 (7,3,4 miscuerunt eum (sc. DeumJ mundo id est operi suo)\ in diesem Sinn auch Aug. conf. 7,1,1 cogitare cogerer per spatia locorum sive infusum mundo sive etiam extra mundum per infinita diffusum; cf. WIESEN 81: uThe pantheistic concept of God immanent in matter is contrary to Christian teaching".
140
II.2
Minucius Felix
gehe, hat schon WIESEN formuliert:1 Minucius Felix sehe eine Ähnlichkeit der zitierten Verse der Anchisesrede zur Schöpfungserzählung am Beginn der Genesis, vor allem in principio (wie Gen 1,1 LXX iv ipxfii Vet. Lat. in principio) und in spiritus. Aus dieser Übereinstimmung könne er zwar kein apologetisches Argument gewinnen, aber einem gebildeten christlichen Leser wolle er zu erkennen geben, "that biblical truth is reflected in the pagan poet" (82).2 Vor allem dem Hinweis auf die biblisch-theologischen Assoziationen des Begriffes spiritxis ist noch ein wenig nachzugehen. Wenngleich nämlich die von WIESEN angesprochene uresemblance to the opening passage of Genesis" (81) durchaus den Anstoß für die Rezeption der Vergilverse gegeben haben kann, so ist die christliche Umdeutung der Vorstellung vom göttlichen Spiritus und von der mens infusa doch wohl vor einem weiteren Hintergrund zu sehen: Was den Spiritus angeht, so erscheint in der jüdisch-christlichen Schöpfungslehre der Geist Gottes (lTH, Tcveüjxot, spiritus) als dessen Leben schaffende und erhaltende Wirkmacht.3 Dementsprechend können auch die 1
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Freilich ohne auf die inhaltliche Adaptation einzugehen; überhaupt beschränkt sich die Forschung darauf, die Tatsache der teilweise paraphrasierenden Wiedergabe en passant zu erwähnen, so etwa WIESEN 80: "Here we have, partly quoted, partly paraphrased, the beginning of Anchises' great cosmological speech [...].", COURCELLE Lecteurs 472 Anm. 182: uOn notera que la citation d'Aen., VI, 724-9 est volontairement inexacte, abr£gee, depouillee de couleur po6tique du fait des inversions des mots." — lediglich für et ist eine Permutation zu konstatieren! BUCHHEIT Vergtl als Zeuge 254: "teils wörtliche, teils frisierte Zitate". WIESEN 80—85: Im Grunde genommen komme zwar in der Vergilpassage ein mit dem Christentum unvereinbarer Pantheismus zum Ausdruck, aber gegen diesen eigentlichen Sinn entdecke Minucius Felix eine "resemblance to the opening passage of Genesis" (81), die ihn zum Aufgreifen der Verse anrege: Während principio bei Vergil mit 4to begin\ *in the first place' zu übersetzen sei, bedeute es in der Version des Minucius Felix 'in the beginning* wie der Anfang der Genesis. Daß Minucius Felix eine Nachwirkung von biblischen Gedanken bei Vergil für möglich erachte, sei aus 34,5 (sc. philosophi] de divinis praedicationibus prophetarum umbram interpolatae veritatis imitati sint zu folgern, die auch die poetae einbeziehen könne. Die Vermutung, daß Minucius Felix die Aussagen der lateinischen Bibel und des Vergil zum Stichwort spiritus zusammenbringe, werde dadurch nahegelegt, daß er auch 19,1 die Lehre des Thaies über aqua und Spiritus als göttlich eingegeben bezeichne (esto altior et subtimior aquae et spiritus ratio, quam ut ab homine potuerit inveniri, a deo traditum.), was man mit deren Ähnlichkeit zu Gen 1,2 LXX TCVCÜIML Otoü iictflptxo indvu> xoü G&axoc, Vet. Lat. spiritus Dei super aquas ferebatur erklären müsse. Minucius Felix "must intend to suggest that biblical truth is reflected in the pagan poets" (82). Auf diese Übereinstimmung könne er nicht expressis verbis hinweisen, da er sich an gebildete Römer richte, für die das Alte Testament keinerlei Autorität habe. uFor Minucius1 purpose, it is sufficient to indicate tacitly to his more learned and more Christian readers that Virgil reflects biblical truth." (83) Auch von späteren Christen werde der Anfang der Anchisesrede im Zusammenhang mit der Schöpfungslehre zitiert, nämlich Lact. inst. 1,5,1 \sq.\ Ambros. spir. 2,5,36; Proba cento 56—59. Dazu grundsätzlich W.H. SCHMIDT, Geist / Heiliger Geist / Geistesgaben', TRE 12 (1984) 172, beispielsweise: Gen 6,3 LXX xal tlntv xüpioc ö Otöf 06 \it\ xaxauAlvn tö icvcufid u.ou iv xoi< avOpunotc xouxoic tl{ xöv aläva 6ia xö tlvai aüxobc o&pxac, loovxai 54 al fyUpai aüxäv ixaxöv tlxooi ITT|. PS 32,6 LXX t $ X6yu> xoü xuplou ol oöpavol ioxtpd>0rioav xal x<J> icvcu|iaxi xoü oxö|taxoc aüxoü naoa i\ 6uva|iic a6xa>v. Ps 103,30 LXX i^aicooxtXcic tö
II.2.2 Die Vergilzitate
141
Apologeten immer wieder davon sprechen, daß Gott die Welt erschaffen hat und am Leben erhält, indem er sie mit seinem Geist beseelt.1 Hinter der mens infusa könnte Minucius die Leitung Gottes sehen; so erklärt jedenfalls ein spätantiker Glossator (Gloss. IV 446,6): infusa mens: promdentia.2 Daß Gottes Providentia die Schöpfung erfüllt, ist ebenfalls eine geläufige Aussage der Patristik.3 Minucius Felix greift hier im Grunde auf stoische Theologumena über die Immanenz Gottes als spiritus und mens infusa zurück, wie es das frühe Christentum öfter zu tun pflegt, vor allem in der Auseinsaidersetzung mit den gnostischen, also transzendentalistischen,4 Häresien der Zeit.5 Vor diesem Gesamthintergrund ist es zu sehen, wenn Minucius Felix die vergilische Ausgestaltung der stoischen Weltseelenlehre aufgreift. Dabei grenzt er sich jedoch ab von der stoischen Vorstellung der vollkommenen Immanenz des Göttlichen in der Welt.6 Durch die Auslassungen hat Minucius Felix den Vergiltext dergestalt adaptiert, daß nicht mehr von einem Aufgehen des göttlichen spiritus in der Materie die Rede ist, sondern von dessen schöpferischem und erhaltendem Walten an und in der Welt, was konform geht mit den Aussagen der Bibel und der zeitgenössischen Theologie über Schöpfung und Vorsehung.7 Daß es Minucius Felix auf die stoischen Schlüsselbegriffe mens und spiritus ankommt, wird nochmals daraus ersicht-
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icvtü(j.& oou, xotl xxioGrjoovxai, xai &vaxamtic xö npöoa>icov xfjc ffic. Ijob 33,4 LXX itveö|ia Otiov xö Tcoifjodv tu, icvot) 6i icavxoxpdxopoc V| 6i6daxouod (it. Das Neue Testament (cf. J. KREMER, EWNT 3 s.v. *v»üp.a 282—291) knüpft daran unter anderem in der Lehre vom lebensspendenden Geist Christi an, der als neuer Adam am Schöpfergeist Anteil hat, so beipielsweise 2 Kor 3,6 xö 51 nvtüjia C<*x>tiotti, 1 Kor 15,45 oCxo>c xal -ri-rpaircou: lyivtio 6 Tcpätoc &v9pamoc *A5&|x ilc 4>UX^IV C&oav, b loxaxoc 'A6&|A ilc nviüjjia Cuoicoiouv. cf. Joh 6,63 xöftviü(j.&ioxiv xö (coonoioüv. Joh 4,24 findet sich zugespitzt die Gleichsetzung itvtü|ia 6 8tdc. So beipielsweise Tert. apol. 48,7: Dubitabitur, credo, de dei viribus, qui tantum corpus hoc mundi de eo, quod non fuerat, non minus quam de morte vacationis et inanitatis composuit, animatum spiritu omnium ammarum animatore, signatum et ipsum humanae resurrectionis exemplum in testimonium vobts. Dazu M. SPANNEUT, Le stoieisme des peres de Teglise, Paris 19572, 331—342. Zu dieser theologischen Begriffiichkeit ThLL VII,1 s.v. infundo 1508,31—35 lde spiritu divino'. Beispielsweise Athenag. suppl. 7,4 (Über die Unmöglichkeit der Existenz mehrerer Götter) El -f&p ö (iiv x6c\u>i ovaipixöc &icox»Xco8(ic o6pavoü xuxXoic &noxixXtiaxait 6 hl TOU x6o(iou noirrc^ic &va>tipa> xcöv yt^ovötcav iTcix(*>v otuxöv xfi xouxu>v lipovoIgt, xlc 6 xoü ixipou Ocou fi XCÜV Xomäjv xönoc; Dazu SPANNEUT 326—331. Cf. AP. Bos, 'Transzendenz und Immanenz1, RAC 17 (1996) 1041—1092, hier 1065^. Dazu grundlegend POHLENZ I 409s<j. Hinzu kommt die Aktualität der Lehre vom heilvoll wirkenden Schöpfergott in der theologischen Diskussion im späten 2. und frühen 3. Jahrhundert. In der Auseinandersetzung mit gnostischen Strömungen, insbesondere mit Markion, betont die Orthodoxie immer wieder, daß der eine christliche Gott die materielle Welt erschaffen hat und in ihr wirkt, cf. HKG(J) I 221—230; ALTANER / STUIBER 106sg. Generell sieht sich die Patristik zwischen den FYonten platonischer Transzendenz und stoischer Immanenz, dazu L. SCHEFFCZYK HDG II 2a (1963) 3Ssq. Hierin zeigt sich übrigens auch, daß Minucius Felix keineswegs mit christlicher Theologie nicht wirklich vertraut gewesen sei oder einer häretischen Richtung angehangen habe, wie immer wieder behauptet wird, zuletzt von CAPPELLETTI.
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II.2 Minucius Felix
lieh, daß er sie in der Überleitung zum folgenden Zitat mit ausdrücklicher Deixis (iste) aufgreift. Der Weg zur Inanspruchnahme vergilischer Autorität für die christliche Sache bei Minucius Felix führt über stoische Theologumena, die Vergil in der Tradition kosmologisch-philosophischer Lehrdichtung eklektisch aufgreift und die Minucius Felix durch geringfügige Auslassungen im Sinn christlicher Schöpfungslehre wiedergeben kann. 19,2b Idem alio loco mentem istam et spiritum deum nominat. Haec enim verba sunt: 'deum namque ire per omnes terrasque tractusque maris caelumque profundum,' 'unde homines et peeudes, unde imber et ignes.' Ein zweites Vergilzitat kündigt Minucius Felix mit dem ciceronischen idem alio loco1 an. Die Kernbegriffe der soeben paraphrasierten Verse, mens und spiritus, sollen darin als Bezeichnungen des einen, eben des christlichen Gottes eindeutig gemacht werden.2 Das folgende Zitat soll also nicht nur das vorausgehende erklären, sondern gegenüber diesem auch noch eine Steigerung an Deutlichkeit und Wahrheitsgehalt in der theologischen Aussage darstellen, die in der ausdrücklichen Verwendung des Stichwortes deus kulminiert. In den referierten Zeugnissen des poeta war bislang nur von pater divum atque hominum, parens omnium, Spiritus und mens die Rede. Das ausdrückliche deus führt nun zum Höhepunkt. Darin liegt eine Klimax der Gottesprädikationen: Während sich pater divum und parens omnium noch in menschlicher Metaphorik bewegen, deutet sich in den philosophischen Begriffen mens und spiritus bereits eine kosmologische und transzendentale Dimension an. Am Ende steht der einzig treffende Ausdruck deus (18,10 deif qui solus est, dei vocabulum totum est) — und er hat sich bei Vergil gefunden. Dementsprechend zitiert Minucius Felix, wie er eigens ankündigt (haec enim verba sunt), zum einzigen Mal im Dialog nun wörtlich. Zunächst führt er, zur Topf) xotii xptxov xpox<xiov mit dem gesuchten deus einsetzend, anderthalb Verse (220b.221) aus dem vierten Georgikabuch an. Vergil gibt dort, am Ende des Lobes der Bienen, die Ansicht wieder, die Bienen besäßen Anteil an der alldurchwaltenden mens divina, georg. 4,219—227: His quidam signis atque haec exempla secuti esse apibus partem divinae mentis et haustus aetherios dixere; deum namque ire per omnis terrasque tractusque maris caelumque profundum; hinc peeudes, armenta, viros, genus omne ferarum, quemque sibi tenuis nascentem arcessere vitas: 1 2
C\c. nat. deor. 1,36; 2,65; 2,91 zur Einleitung eines zweiten Zitates. Die Identifikation des Christengottes mit dem hinter anderen Gottesbezeichnungen, beim vulgus etwa rex, pater, dominus, lovis (18,10s?.). bei den philosophi etwa mens, mundus, animus (19,4.9.10), stehenden Grundwort deus ist das durchgängige Argumentationsprinzip bei vulgus, poetae und phüosophi.
11.2.2
Die Vergilzitate
143
scilicet huc reddi deinde ac resoluta referri omnia, nee morti esse locum, sed viva volare sideris in numerum atque alto succedere caelo. Auch hier liegt, wie am unmittelbar vorher zitierten Anfang der Anchisesrede, eine Weltseelenlehre zugrunde, wie sie im Anschluß an Pythagoras und Piaton auch die Stoiker vertreten.1 Der besondere Anteil der Bienen an der Weltseele — eine von Vergil nicht näher bestimmten quidam zugeschriebene Lehre — läßt sich zwar so nicht in der Stoa verorten,2 die zitierten anderthalb Verse aber sprechen nicht unmittelbar von den Bienen, sondern begründen deren besondere Eigenschaft allgemein aus einer anima muruft-Lehre. Minucius Felix zitiert also im Grunde ein Theologumenon der stoischen Weltseelenlehre. Doch auch dieser pantheistische Aussagegehalt des Zitatsegmentes verschwindet im Folgekontext. Was Minucius Felix nämlich herausschneidet, die Aussage vom Wandeln Gottes in der meristisch dargestellten Welt, paßt, aus seinem Präkontext isoliert und in den Folgekontext übertragen, nahtlos in die entfaltete Lehre von einem personalen Schöpfergott.3 Nun führt Minucius Felix das Georgikazitat nicht mit dem Vers 222 hinc peeudes, armenta, viros, genus omne ferarum weiter; vielmehr findet sich in der Überlieferung unde homines et peeudes, unde imber et ignes. Dieser um ein halbes Metron zu kurze Hexameter geht auf einen Vers aus der Zusammenfassung des Iopasliedes im ersten Aeneisbuch zurück, einen beim Bankett der Trojaner und Karthager vorgetragenen Gesang über die Weltentstehung, Aen. 1,743 (740b—747):4 Cithara crinitus Iopas personat aurata, doeuit quem maximus Atlas, hie canit errantem lunam solisque labores, unde hominum genus et peeudes, unde imber et ignes, Arcturum pluviasque Hyadas geminosque Triones, 1
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Cf. RICHTER ad L 361: aDenn sie [sc. die Biene] hat den höchsten Grad der iiiöcfo am voüc der Welt, d.i. am Göttlichen, welches alles durchdringt." Die beiden Stellen werden in der antiken (Serv. Aen. 6,703; Comment. Lucan. 5,95) und modernen Philologie eng nebeneinandergestellt, so etwa NORDEN Aenexs VI 17; COURCELLE Les pbres 31sq.\ AUSTIN ad Aen. 6,726 (222); MYNORS adgeorg. 4,219—227 (285). So ausdrücklich PoHLENZ II 141. Gerade das Verb ire betont die Souveränität des göttlichen Auftretens in der Schöpfung. Vielleicht steht, im Sinn von WIESEN, das eindrucksvolle Bild des im Paradies lustwandelnden Gottes (Gen 3,8 LXX xuplou toü OioC ntpiicaxouvxoc iv teprcapa6ilo<#>)im Hintergrund? Die Passage gehört zu den kosmologischen Kernstellen bei Vergil, die Verse 745sq. erscheinen bereits georg. 2,481 sq. im Zusammenhang mit der Idealvorstellung von Dichtung. Wie Vergil das naturphilosophische Element konzeptionell in den Vordergrund gerückt hat, zeigt eine Beobachtung von WLOSOK (Gemina doctrina 399): Das lopaslied entspricht dem Gesang des Demodokos in der Odyssee (8,266—366) über den Ehebruch der Aphrodite mit Ares, der schon früh im Sinn des Empedokles allegorisch auf das Wechselspiel von fiXla und vtixoe gedeutet wird. "Vergil hat, in Kenntnis dieser Homer-Allegorese, anstelle der allegorischen Geschichte offenbar unverhüllt das naturphilosophische Gedicht gesetzt."
144
II.2
Minucius Felix
quid tantum Oceano properent se tingere soles hiberni, vel quae tardis mora noctibus obstet; ingeminant plausu Tyrii, Troesque sequuntur. Die Unvollständigkeit des zitierten Verses und der abrupte Wechsel des Prätextes stellt eine Schwierigkeit dar, die die frühere Forschung durch Athetese des Aeneiszitates beseitigt oder durch dessen Vervollständigung gemildert hat, während die heutige meist am überlieferten Text festhält. Ganz kann das jedoch nicht befriedigen, da man sich eine bewußte oder versehentliche Verstümmelung des Hexameters durch den Autor schwerlich vorstellen kann und eher mit einer überlieferungsbedingten Verderbnis zu rechnen ist.1 1
Die Beibehaltung von homines findet sich in den meisten Ausgaben, so etwa bei (DEHLER, HALM, BOENIG, VALMAGGI, MARTIN, DOUGLAS SIMPSON, PELLEGRINO, BEAUJEU und KYTZLER. — Für eine Athetese hat sich zuletzt BECKER (Octavius 27 Anm. 15) mit den folgenden Argumenten ausgesprochen: (1) Der Vers ist unvollständig, eine Vervollständigung wäre eine sinnlose Wiederholung des oben gesagten inäe hominum pecudumque genus, (2) die Einleitung alio loco läßt unur ein Zitat, nicht einen Cento erwarten*1, (3) ein solcher hätte im Werk keine Parallele, (4) Laktanz (inst. 1,5,1159?.) zitiert dieselben Vergilverse wie Minucius Felix 19,2 außer jenem letzten, (5) in der antiken Vergilerklärung werden oft Aen. 6,724—729 und georg. 4,221 sq. nebeneinandergestellt (mit Verweis auf COURCELLE Les peres 37sq. Anm 5 = Lecteurs 472 Anm. 182, der Serv. Aen. 6,703 und Comment. Lucan. 5,95 nennt): "So spricht alles dafür, die unmetrischen Worte — als eine unglückliche Randnotiz eines Lesers — zu tilgen."1 Ebenso äußert sich SCHÖNE (186): "Dieser Vers, der in der Handschrift sich an die beiden Vergilverse angereiht findet, ist sicher späteres Einschiebsel." Auch E. BAEHRENS (1886) und W.A. BAEHRENS (1912) tilgen den Vers in ihren Ausgaben. — Dagegen ist freilich zu bedenken: (1) Gerade durch den Wechsel in das Iopas-Lied wird eine Wiederholung vermieden. (2) Auch 23,5s?. gebraucht Minucius Felix die Markierungen alibi und illic ungenau und vornehmlich dazu, einen Wechsel in der Quelle anzuzeigen (dazu PELLEGRINO und unten [151s^.] ad /.). (3) Da es sich um das einzige wörtliche Zitat handelt, besagt das Fehlen einer Parallele für den übergangslosen Wechsel des Prätextes wenig. (4) Der Vergleich von Minucius Felix und Laktanz ist insofern schwierig, als deren Zitiertechnik, wie schon HAGENDAHL (Methoäs passim) gezeigt hat, grundsätzlich verschieden ist: Minucius Felix greift zum Zweck sprachlicher und inhaltlicher Adaptation in die Texte ein, während Laktanz sie meist wörtlich und ausführlich wiedergibt. So wird Lact. inst. 1,5,11 auch magno se corpore miscet zitiert, Min. Fei. 19,1 aber, wie gezeigt, wohlweislich ausgelassen. (5) Auch das Iopas-Lied gehört zu den kosmologischen Kernstellen bei Vergil, es der Anchisesrede und der Passage über die |i46t€ic der Bienen am göttlichen voüc an die Seite zu stellen, ist durchaus konsequent, zumal so auch die Basis der Argumentation mit Vergil verbreitert wird. — Eine Ergänzung des überlieferten homines zum vergilischen hominum genus hat zuerst J. VAHLEN, Opuscula academica II, Leipzig 1908, 116 (erstmals: Index lectionum aestivarum Univ. Berolin. 1894, 11) vorgeschlagen: "Error enim librarii manifestus est: unde homi[n\im gejntu et pecudes" (diesem Vorschlag folgen beispielsweise die Ausgaben von VAN WAGENINGEN, 1923, und WALTZING, 19262), mit der Begründung "neque vero credibile vel interpolatorem, nedum Minucium ipsum, mutilum versum maluisse quam integrum apponere". Schon H. SAUPPE bezweifelt in der Rezension der Ausgabe von HALM, Wien 1867, GGA 129 (1867), 1992—2000, hier 1996, daß Minucius Felix den Text uso unmetrisch hingesetzt*1 habe, schlagt aber unde homines sunt et pecudes vor. Die Argumention für eine Vervollständigung laßt sich folgendermaßen ergänzen: Was Zitiertechnik und Stilistik angeht, so wäre erstens die absichtliche Kürzung von hominum genus zu homines überflüssig, da sie weder einen nennenswerten Raffungseffekt noch einen inhaltlichen Gewinn mit sich bringt. Zweitens beseitigt Minucius Felix bei allen untersuchten Zi-
II.2.2
Die Vergilzitate
145
Wenn also jedenfalls die Kombination des Georgika- und des Aeneiszitates für authentisch zu erachten ist, stellt sich die Frage, ob es sich um einen Zitierfehler oder um einen bewußt zusammengestellten Cento handelt. Gegen die häufig vertretene Annahme von einer Unachtsamkeit oder Verwechslung auf Seiten des Autors1 kann WIESEN 2 neben dem formalen Gesichtspunkt, daß ein Zitierfehler solcher Art unwahrscheinlich ist,3 und neben den Parallelen für eine theologische Argumentation anhand eines Cento4 vor edlem auf den inhaltlichen Gewinn verweisen, der mit dem Übergang zum Vers aus dem Iopas-Lied verbunden ist: Der Vers georg. 4,222 hinc pecudes armenta vires genus omne ferarum nämlich bringt deutlich den pantheistischen Aspekt taten — am augenfälligsten bei der Paraphrase der Anchisesrede: alle Versenden sind von den Eingriffen betroffen — stets die Hexameterschlüsse und stellt an allen Kolonausgängen einen Klauselrhythmus her. Überhaupt vermeidet er streng die heroische Klausel (MÜLLER Rhythmische Bemerkungen 63). Angesichts dessen erscheint es kaum denkbar, daß Minucius Felix selbst hier den Vers zwar vorne ohne Grund verstümmeln, gerade den metrisch auffälligen und deswegen stilistisch problematischen Schluß aber unverändert beibehalten sollte. Das Gesamtbild der Zitiertechnik des Minucius Felix läßt hier also einen vollständigen, aber keinen auf die überlieferte Weise verkürzten Vers erwarten. Hinzu kommt drittens, daß die ausdrückliche Ankündigung haec enim verba sunt in einer deutlichen Spannung zur tradierten Verstümmelung des Verses steht, die Minucius Felix dem Leser doch kaum, zumal grundlos, zumuten dürfte. Viertens bietet VAHLEN eine befriedigende Fehlergenese. Vielleicht könnte man in diesem Zusammenhang auch andere Stellen bedenken, an denen im Parisinus lat. 1661 ein genus ausgefallen zu sein scheint (Arnob. nat. 1,39; 2,21; 4,8; 5,26.33 mit MARCHESI ad /.), und die Möglichkeit einer mißverständlichen Abkürzung für genus (A. CAPPELLI, Lexicon abbreviaturarum, Milano 19906, 153, ans, freilich erst ab 15. Jahrhundert) in einer Vorlage erwägen, welche die von VAHLEN (für diese Stelle sicher richtig) skizzierte Fehlergenese forciert haben könnte. So etwa J. VAHLEN, Opuscula academica II, Leipzig 1908, 116 (erstmals: Index lectionum aestivarum Univ. Berolin. 1894, 11): "Quid hie interpolati? Erravit scriptor et ex versibus duobus qui eius menti haerebant similem sententiam habentibus non eum posuit quem debuit sed eius comparem [...]." WALTZING ad i 106: UM.F. a confondu les passages"; H.J. BAYLIS, Minucius Felix and his Place among the Early Fathers of the Latin Church, London 1928, 128; HAGENDAHL Methods 117; vorsichtiger BEAUJEU ad i 108: uMinucius se reTere de memoire ä trois textes de Virgile, avec de menues inexaetitudes." In diesem Sinn auch knapp COURCELLE Lecteurs 472 Anm. 182 = Les peres 37 Anm. 5; INGREMEAU ISsq.. WIESEN 85sq.: (1) Der gesamte Dialog ist sorgfältig ausgestaltet und weist keine Anzeichen flüchtiger oder nachlässiger Abfassung auf. (2) Der Autor mußte schon bei der Abfassung mit einem Leser rechnen, der jede Unachtsamkeit bemerkt, und sich daher besondere Mühe um deren Vermeidung geben. (3) Es ist kein wahrscheinlicher Zitierfehler, in ein ganz anderes Werk zu geraten. (4) Der Zusammenhang beider kombinierten Stellen ist recht verschieden, sie haben nur eine Gemeinsamkeit: uBoth passages touch vaguely upon cosmologyM (86). u WIESEN 88sq.: The use of centos to support theological argumenta was in vogue [...] during the late and early third Century." Als Argumente führt er an: (1) Tert. praescr. 38sq. (dazu auch oben [78] ad /.) vergleicht die Bibelstellensammlungen der Härektiker mit Vergil- und Homercentonen zur Unterhaltung (87sq.). (2) Die Gnoetiker argumentieren mit Homercentonen (Belege 89 Anm. 1). (3) Sowohl die pagane Antike in bezug auf Dichtertexte als auch die christliche Literatur in bezug auf Bibeltexte verwenden Zitate in freier Kombination und ohne Rücksicht auf den Kontext (89s<j.).
146
11.2
Minucius Felix
der Weltseelenlehre zum Ausdruck und reiht den Mensch unter die übrigen Glieder der göttlichen Natur ein. Die christliche Schöpfungslehre hingegen betont die Sonderstellung des Menschen.1 Dem wird der Vers Aen. 1,743 unde hominum genus et pecudes unde imber et ignes gerecht, da er eine vom Menschen beginnende, hierarchisch absteigende Anordnung aufweist und in den Stichworten imber et ignes dergestalt die Schöpfung in ihrer Gesamtheit miteinbezieht, daß deren Gottesbezug (unde) nicht mehr als pantheistische Beseelung, sondern als Erschaffung zu verstehen ist.2 Noch etwas weiter aber führt ein Blick auf das hintere Glied des Aeneisverses: Unde imber et ignes impliziert ja nicht nur den Bezug auf Gott als Schöpfer der Elemente Wasser und Feuer, sondern, durch die Bezeichnung mit deren konkreten Erscheinungsformen in imber und ignes, auch als Lenker der Naturgewalten Regen und Blitz3. Das unde verweist also nicht nur auf einen Demiurgen, sondern auf eine dauernd leitende und erhaltende Macht. Damit verliert, nicht nur für die unbelebte Welt, sondern auch für den Menschen und die übrigen Lebewesen im vorderen Verskolon, der hier ausgedrückte Schöpfungsgedanke jede Konnotation des einmaligen, abgeschlossenen Hervorgegangenseins und erweitert sich zur Perspektive einer creatio continua, also zur Zusammengehörigkeit von Schöpfung, Erhaltung und Leitung. Gott erscheint nicht nur als derjenige, der die Welt erschaffen hat, sondern zugleich auch als derjenige, der sie mit seiner Providentia lenkt. Das so zusammengestellte Vergilzitat enthält also im Grunde genommen die Widerlegung der von Caecilius (5,8—13) vorgetragenen atheistischen Position: Dem mechanistischen Weltbild (5,859.) steht hier der Schöpfergott entgegen, dem Zufall, der tempestates /.../ varias et incertas, quibus nullo ordine vel examine rerum omnium impetus volutatur und in incendiis interitum [...] insontium nocentiumque schickt (5,10), die Providentia, die nicht nur imber et ignes lenkt, sondern auch das menschliche Leben.4 1
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So etwa grundsätzlich in der altestamentlichen Erzählung von der Erschaffung des Menschen (Gen 1,265?.; 2,7). Speziell etwa Tert. anim. 19,2 gegen die stoische, auf Aristoteles zurückgehende Position, der Mensch habe mit allen anderen Lebewesen eine anima substantiaiis gemeinsam, deren besonderer intellectus sich erst in der Reifung bilde: [sc. animae] apud nos in homine privata res est — Vielleicht, so vermutet WIESEN 87 Anm. 2, wendet sich Minucius Felix auch gegen die Vorstellung von der Körperlichkeit der Seele. WIESEN 87: "Virgü's meaning is subtly but significantly altered. The poet may now be understood to be saying, not that animals as well as men receive a portion of the divine birth, but merely that God is the author of all nature. The important words are imber and ignes, for they broaden the meaning, changing the original, limited description of living creatures to a more inclusive description of the natural world. The new meaning achieved by the replacement of line 223 eliminates from Virgil a jarring disagreement with Scripture." In dieser Bedeutung dichterisch öfter vor allem der Plural ignes, etwa Aen. 4,167; zum Gedanken Hör. carm. 1,34,5s?. Diespiter / igni corusco nubila dividens. Auch hier läßt sich übrigens ein gewisses stoisches Element in der Dichterbenutzung konstatieren, insofern die — wenn auch mit spezifischer Ausrichtung auf einen Schöpfergott — geführten Beweisgänge deum esse (etwa in der Baibusrede Cic. nat. deor. 2,4— 12) und mundum Providentia gubernari (Cic. nat. deor. 2,73—153) zu den grundlegen-
II.2.2 Die Vergilzitate
147
19,2c Quid aliud et a nobis deus quam mens et ratio et spiritus praedicatur? Mit dieser rhetorischen Frage faßt der Redner Octavius zusammen, was seine Zuhörer aus den angeführten Beispielen entnehmen sollen: Die bei Vergil entfaltete Gottesvorstellung stimme im Grunde mit der christlichen überein. Diesen Grad der Konvergenz kann Minucius Felix freilich nur hier und nur deswegen suggerieren, weil er in den vorausgehenden Zitaten durch ausgewählte Anknüpfung an stoisch beeinflußte Theologumena bei Vergil, durch Kürzung und Zusammenstellung der Zitate einen im Sinne des christlichen Gottesbildes und der christlichen Lehre von Schöpfung und Vorsehung verstehbaren Vergil vorgeführt hat.1 Welch entscheidende Mittlerfunktion die Stoa, insbesondere deren anima mwndf-Lehre, dabei erfüllt, zeigt das Aufgreifen der Begriffe mens et ratio et spiritus in diesem Resümee der vergilischen Argumente.2 Wie schon im Überleitungssatz zwischen den beiden Vergilzitaten greift Minucius Felix diejenigen Begriffe auf, die er im paganen Denken als Chiffren für den eigentlichen Ausdruck deus vorfindet, der den christlichen Gott bezeichnet. Diese wiederholte Betonung ist zum einen theologisch motiviert, da die vorgeführte Annäherung der stoisch-vergilischen und der christlichen Gottesvorstellung darauf beruht, daß mens und spiritus nicht als umfassende Bestimmung des Wesens Gottes, sondern als mögliche Aussageformen für das Wirken Gottes in der Immanenz verstanden und auf den übergeordneten, für Transzendenz und Personalität offenen Begriff deus zurückgeführt werden. Zum anderen leiten die drei Ausdrücke mens et ratio et spiritus von den poetat zu den phüosophi über, da mens und spiritus bei beiden, ratio nur bei den phüosophi als Gottesbegriff vorkommt.3 Zwar wird allgemein eine trinitarische Deutung der Begriffstripel abgelehnt,4 doch führt sie immerhin vor Augen, daß nicht zuletzt die Aussagen der Bibel über fTPl, 1 2
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den Anknüpfungspunkten des christlichen an das stoische Denken gehören. In diesem Sinn auch knapp INC.REMEAU (19) mit Verweis auf das entsprechende 17,3—10 entworfene Gottesbild. In diese Richtung geht auch PELLEGRINO (ad i 147) mit seiner treffenden Zusammenfassung: "Virgilio si fa eco della teoria stoica, che presenta Dio come 1'anima, la mente immanente al mondo a cui communica la vita. Ottavio interpreta in senso cristiano tale dottrina, in quanto insegna, secondo lui, l'unita e la spiritualitä di Dio; ma e ben chiaro, da tutta le [sie] sua esposizione, ch'egli coneepisee Dio come trascendente e personale." Zum stoischen Charakter der Begriffe mens, ratio, spiritus etwa Sen. dial. 12,8,3s?. Id actum est, mihi crede, ab ülo, quisquis formator universi fuit, sive Ute deus est potens omnium, sive incorporalis ratio ingentium operum arttfex. sive divinus spiritus per omnia maxima ac minima aequali intentione diffusus, sive fatum et inmutabilis causarum inter se cohaerentium series — id, inquam, actum est ut in alienum arbitrium msi vüissima quaeque non caderent. Mens wird meistens anthropologisch verwendet, als Gottesbegriff kommt es 19,2 (Vergil) und 19,4.6.7.9.10 (phüosophi) vor; ratio als Gottesbegriff wird im Zusammenhang mit den Dichtern nicht erwähnt, aber im Philosophenkatalog 19,4.10; spiritus als Gottesprad ikation findet sich für Vergil (19,2) und Thaies (19,4). Mens: Vater; ratio: Xöfoc (dazu auch SPANNEUT 343); spriritus: Heiliger Geist, so, allerdings nur en passant und nicht näher ausgeführt, R. BEUTLER, Philosophie und Apologie bei Minucius Felix, Diss. Königsberg 1936, 45.80; dagegen vor allem PELLEGRINO (ad L 147) mit dem Hinweis auf den stoischen Charakter der Begriffe.
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II.2
Minucius Felix
7cveü|ia und Xö-fo^, unbenommen ihrer sich abzeichnenden Einbettung in eine lYinitätstheologie, wichtige Ansatzpunkte für eine punktuelle Annäherung an die vergilische oder allgemein die philosophische Rede von Gott darstellen. Die Wiederholung der Vokabel praedicare, die oben (19,1) für die Lehre der Dichter, hier für die der Christen gebraucht wird, betont auf lexikalischer Ebene die vorgeführte Annäherung beider Positionen. Daneben klingt vielleicht auch schon der spezifisch christliche Gebrauch von praedicare 'verkündigen' an1 und verleiht der Dichterargumentation eine abschließende Pointe: In bezug auf den Monotheismus entsprechen die christliche Verkündigung und die Lehre der Dichter einander. Freilich ist diese Pointe nur für einen Leser erkennbar, der mit der Sprache des Christentums schon vertraut ist; so gesehen könnte man diese Stelle als Indiz dafür heranziehen, daß Minucius Felix mit seiner Aussage, bestimmte christliche Grundwahrheiten seien bei den Dichtern vorgeprägt, auch gebildete Christen erreichen möchte. Sicherlich wissen die Gebildeten unter den Christen und unter ihren Sympathisanten diese Annäherungen vergilischer und christlicher Aussagen über Gott zu goutieren. Zusammenfassend ist also zu sagen, daß Minucius Felix die Zitate dergestalt auswählt, kürzt und in seinen Kontext einfügt, daß die ursprünglichen Aussagen polytheistischen, fatalistischen oder pantheistischen Inhaltes dem Leser konvergent mit der Lehre vom einen Gott und von seiner Providentia, die in der Welt wirkt, erscheinen müssen.2 Die Strategie des Apologeten zielt hier also darauf ab, das Gemeinsame, etwa die monotheistischen Züge, zu betonen und das Trennnende, etwa den Polytheismus und den Pantheismus, in den Hintergrund treten zu lassen.3 1
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ThLL X,2 s.v. 1. praedico führt 554—558 zahlreiche Belege auf für die Verwendung der Vokabel als spezifisch christlichen Terminus seit Tertullian. Im hier in Frage kommenden Sinne 'praedicare docendo, exponendo fidenV kommt das Wort sowohl mehrmals bei Tertullian (carn. 7; idol. 6; adv. Marc. 4,34; 5,20; adv. Prax. 13) als auch Min. Fei. 19,15 numquam publice nisi interrogati praedicamus vor. Da Minucius Felix nicht untheologischen Aussagen einen theologischen Sinn zuschreibt, sondern den Gehalt an sich theologischer Aussagen aus einem einseitigen und daher verfremdenden Blickwinkel wiedergibt, sollte man den problematischen Begriff der Allegorese besser vermeiden. Insbesondere wird die in der Stoa geübte Praxis, dichterische Mythologumena durch eine allegorische Interpretation von ihrer Anstößigkeit zu befreien und einer tieferen theologischen Deutung zu öffnen (so etwa ausführlich in der Baibusrede, Cic. nat. deor. 2,59—72), von Minucius Felix nicht übernommen, obwohl ansonsten, wie gleich noch auszuführen ist, stoisches Denken eine wichtige Mittlerfunktion bei der argumentativen Vereinnahmung der Dichtung innehat. — In diesem Punkt ist vor allem WIESEN ZU widersprechen, der von einer Vergilallegorese bei Minucius Felix ausgeht. Hierin und in der Annahme eines allwissenden Vergil scheint WIESEN die Verhältnisse des vierten und fünften Jahrhunderts in zu großem Maße schon für Minucius Felix anzunehmen. Eine solche 'Verhüllung der Gegensätze' arbeitet H. DÖRJUE, Die Andere Theologie. Wie stellten die frühchristlichen Theologen des 2.—4. Jahrhunderts ihren Lesern die "Griechische Weisheit' (=Piatonismus) dar?, ThPh 56 (1981) 1—46, v.a. 28—31, prinzipiell für den Umgang der Apologeten mit dem Piatonismus heraus. Daß darin ein Grund-
II.2.2
Die Vergiizitate
149
Eine wichtige Mittlerfunktion bei der argumentativen Vereinnahmung der Dichter nehmen stoische Gedanken ein: Aus Homer beziehungsweise aus Ennius zitiert Minucius Felix Stellen, auf die sich nach dem Zeugnis Ciceros die Stoiker beziehen, um damit die Existenz eines göttlichen Wesens und das Wirken der Providentia zu belegen.1 Im Falle Vergils wiederum wählt Minucius Felix Passagen aus, die von der stoischen Weltseelenlehre beeinflußt sind. Für den Rückgriff auf Vergil in philosophischem, näherhin stoischem Kontext ist außerdem Seneca ein Vorbild.2 Minucius Felix orientiert sich also in seiner Vergilbenutzung an denjenigen Vorgaben, die Cicero und Seneca für den Umgang mit der Dichtung im philosophischen, genauer gesagt: stoischen, Diskurs machen. Dahinter steht aber nicht nur das Prinzip der invitatio und das Bestreben, sich die Arbeit zu erleichtern, sondern auch apologetisches Gesamtkalkül: Minucius Felix will den konservativen Bildungsbürger erreichen. Deswegen beruft er sich auf Vergil, deswegen folgt er in der Art und Weise der Dichterbenutzung den Vorbildern aus der populären stoischen Philosophie.3 Doch stellt sich Minucius Felix mit seiner Vergilbenutzung nicht nur in eine pagane Tradition. Die Art und Weise, wie in einem der frühesten Texte apologetischen Charakters, in der Areopagrede, mit einem Dichterzitat argumentiert wird, ähnelt dem Vorgehen des Minucius Felix geradezu auffällig: In dieser idealen Missionsrede des Paulus in Athen, dem Zentrum paganer Bildung und Kultur, wird die verkündete Gegenwart durch ein Zitat aus Arats Phainomena (5a) verdeutlicht: xoö y&p xal yivo$ IG\L£\> 4 Wie später bei Minucius Felix wird auch hier eine poetische Einzeläußerung so aus ihrem stoisch pantheistischen Zusammenhang geschnitten und in den christlichen Kontext gestellt, daß nur noch das Gemeinsame, nicht mehr aber das Trennende zu sehen ist,5 indem eine durch die Kraft der dichterischen Sprache
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prinzip in der Argumentationsstrategie des Minucius Felix zu sehen ist, hebt zu Recht ALAND (11) hervor: "Es kommt nie zu einem Gespräch über kontroverse Punkte. Sie werden einfach ausgeklammert bzw. verhüllt, Gemeinsames oder von der christlichen Position aus gerade noch Anzuerkennendes dagegen um so stärker betont.n Die Zitate Min. Fei. 19,1 werden, wie gezeigt, schon Cic. nat. deor. 2,4 und fat. fr. 3 ausdrücklich in stoischem Sinne verwendet. Auch Seneca erschließt, wie Minucius Felix, durch Auswahl und neuen Kontext die Zitate erst in seinem Sinn, dazu grundsätzlich KRAUSS \sq.\ im einzelnen BATINSKI 87—164. Dazu grundlegend ALAND (v.a. 20—23): Minucius Felix richtet sich eben nicht an ein Fachpublikum — die Stoa ist ja wissenschaftlich schon überholt —, sondern lehnt sich aus Rücksicht auf seine konservative Zielgruppe an Argumentationsstrukturen an, die aus dem populärphilosophisch-stoischen Diskurs, etwa aus Ciceros de natura deorum, vertraut sind. Apg. 17,28 iv aui<J> fitp (ätitv xal xivo6u>t6a xai iouiv, a>c xat iivt< ta>v xa6' u|iäc noirpäv tlp^xaoiv xoü yap xai fivoc iojiiv. Zu dieser vieltraktierten Stelle, neben den Kommentaren, L. LEGRAND, Aratos est-il parmi les prophetes?, in: La vie de la Parole de l'Ancien au Nouveau Testament. M6langes P. GRELOT, Paris 1987, 241—258. Für das bekannte Trikolon iv aüt$ fap Cuptv xal xivou|it6a xal ia|iiv, eine vorlukanische Formel unbekannter Herkunft, gilt übrigens das nämliche, denn eigentlich sind "Leben, Bewegung und Sein des Menschen 'in Gott' pantheistisch gedacht als Immanenz des
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112 Minucius Felix
über das im engen Sinn Gemeinte hinausweisende Formulierung für die Hinordnung des Menschen auf den einen Gott aufgegriffen wird. 22,5 Quid? formae ipsae et Habitus norme arguunt ludibria et dedecora deorum vestrorum? Vulcanus claudus deus et debilis, Apollo tot aetatibus levis, Aesculapius bene barbatus, etsi semper adulescentis Apollinis filius, Neptunus glaucis oculisf Minerva caesiis, bubulis Iuno, pedibus Mercurius alatis, Pan ungulatis, Saturnus compeditis. In der Polemik des Octavius gegen die Darstellungsweisen der paganen Götter gebraucht Minucius Felix das in dieser Verwendung nur bei Vergil (Aen. 4,259 [sc. Cyllenius] alatis tetigit magalia plantis) und Ovid (fast. 5,666 alato qui pede carpis iter) belegte alatus.1 Allerdings fällt auf, daß sich die Attribute, die Minucius Felix in dieser Aufzählung den Göttern zuschreibt, auf die volkstümliche Ikonographie und Vorstellung beziehen. Davon macht auch alatus keine Ausnahme, da das Wort zum einen im Rahmen eines Epitheton für Merkur in der Dichtung nur an den beiden genannten Stellen belegt ist, sich der Sache nach aber auf ein übliches ikonographisches Attribut bezieht2 und da Minucius Felix zum anderen den übrigen color poeticus (Cyllenius, plantae) durch prosaische Wörter ersetzt (Mercurius, pedes — letzteres freilich bei Ovid). Minucius Felix scheint hier das vergilische Adjektiv weniger in der Absicht zu verwenden, damit auf die Darstellung Merkurs in der Dichtung anzuspielen, als vielmehr einen knappen, treffenden Ausdruck für die geflügelten Füße des Gottes in der volkstümlichen Vorstellung zu suchen. 22,7 Erigone suspensa de laequeo est, ut Virgo inter astra signata sit; Castores alternis moriuntur ut vivant; Aesculapius ut in deum surgat fulminatur; Hercules ut hominem exuat Oetaeis ignibus concrematur. In einer Aufzählung von Göttern, die dem Mythos nach ihre Unsterblichkeit erst durch den Tod erlangen, erwähnt Octavius auch die Dioskuren. Die Formulierung scheint von Vergib knapper Darstellung des Mythos, Aen. 6,121 fratrem Pollux alterna motte redimit, angeregt zu sein. Den Wortlaut dieses in der Dichtung oft imitierten locus classicus gibt Minucius Felix in verbalisierter Form (alternis moriuntur für alterna morte) und mit einem zu den übrigen Kola parallelen Finalsatz wieder.3 Minucius Felix liegt also
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Menschen in der alles durchwaltenden Gottheit" (R. PESCH, Die Apostelgeschichte 2. EKK V/2, Zürich 1986, 138s$.). Cf. ThLL I s.v. alatus 1482,26sg. Cf. G. SlEBERT, 'Hermes', LIMC 5,1 (1990) 383: "Les xtcpfevta xtftdXta servent des l'origine a la caracterisation iconographique du dieu [ • ] " Insbesondere alternus findet sich seit Vergil immer wieder in der Dichtung für die mit Castor geteilte Unsterblichkeit des Pollux, zusammengestellt ThLL I s.v. alternus 1754,70—73 (der Beleg Min. Fei. 22,7 wird als adverbiell gebrauchter Ablativ mit einem zu ergänzenden vicibus gesondert 1757,80 aufgeführt). Besonders auffallig ist die Nachwirkung des vergilischen locus classicus etwa Ov. fast. 5,719 dixit [sc. Pollux/ et alterna fratrem statione redemit (cf. BÖMER ad L 335); Macr. sat. 1,21,22 gemini autem,
II.2.2
Die Vergilzitate
151
offensichtlich daran, die auf Vergil zurückgehende klassische Formulierung zu verwenden, deren color poeticus durch die Verbalisierung jedoch stark verblaßt ist. 23,6 (5) Alibi Hercules stercora egerit et Apollo Admeto pecus pascit; Laomedonti vero muros Neptunus instituit, nee mercedem operis infelix structor aeeipit (6) Illic lovis fulmen cum Aeneae armis in ineude fabricatur, cum caelum etfulmina etfalgura longe antefuerint, quam luppiter in Creta nasceretury et flammas veri fulminis nee Cyclops potuerit imitari nee ipse luppiter non vereri. Im Rahmen seiner Kritik an den traditionellen religösen Vorstellungen des Heidentums wendet sich Octavius gegen die dichterische Mythologie (23,1— 8). Dazu bringt Minucius Felix zunächst Beispiele aus dem ausdrücklich genannten Homer (23,35g.), dann scheinbar aus einer zweiten (§5 alibi)1, schließlich aus einer dritten (§6 illic)2 Quelle. Die beiden letzten Beispiele (§7) fügt er ohne Markierung an3. Die exempla in den §§3—5 scheint Minucius Felix von Tertullian (apol. 14,2—4) zu übernehmen, der Mythos von der Schmiede im Ätna hingegen, in der neben Jupiters Blitzen auch die Waffen des Aeneas hergestellt würden, findet sich dort nicht. Der mit illic bezeichnete Referenzpunkt ist die Szene des achten Aeneisbuches, in der Vulkan seine Werkstatt im Aetna betritt, um die von Venus erbetenen Waffen für Aeneas anzufertigen, Aen. 8,424—428: ferrum exercebant vasto Cyclopes in antro, Brontesque Steropesque et nudus membra Pyragmon. his informatum manibus iam parte polita fulmen erat, toto genitor quae plurima caelo deicit in terras, pars imperfecta manebat.
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qu% alternis mortibus xrivere creduntur. Außerdem zitiert Hygin zweimal (fab. 80,5 und 251/2) bei Erwähnungen des Dioskurenstoffes das vergilische alterna morte redimere. Die Angabe bereitet Schwierigkeiten: Zunächst nämlich führt Octavius (§§2—4) Homer an, den ja Piaton trotz seines Ruhmes aus seinem Idealstaat verbannt wissen möchte, und zählt einige Episoden aus der Ilias auf, in denen der Dichter deos /.../ in hominum rebus et actionibus miseuit (§3; im einzelnen: das Eingreifen der Götter in den Kampf, die Verwundung der Venus nach II. 5,330—340, die Überwindung des Mars nach II. 5,385sg.; 858—861, die Befreiung des Jupiter durch Briareos nach II. 1,393—404, Jupiters Tränen über den Tod des Sarpedon nach II. 16,458—461 und die Benutzung des von Venus ausgeliehenen Gürtels durch Juno und Jupiter als Aphrodisiakum nach II. 14,214—351). Dann scheint alibi (§5) zu nicht homerischen Beispielen überzuleiten, tatsächlich fehlt Herkules1 Säuberung des Augeiasstalles bei Homer. Jedoch finden sich der daran syndetisch angeschlossene Mythos von Apoll als Rinderhirt und der im folgenden Satz erwähnte Mythos vom Betrug des Laomedon an Neptun wieder zusammen in der Ilias (21,443—457). Dazu PELLEGRINO ad L 174: usvista dello scrittore o semplicemente dimenticanza deWalibt?" Cf. PELLEGRINO ad l. 175: ucorrisponde ad alibi del §prec., per indicare un altro poeta o un altro luogo". Min. Fei.23,7 Quid loquar Mortis et Veneris adulterium deprehensum et in Ganymedem lovis stuprum caelo consecratum? Die Beispiele gehen wiederum auf Homer (Od. 8,266—366; II. 20,231—235) zurück.
152
11.2
Minucius Felix
Die Vorstellung jedoch, die Blitze würden für Jupiter im Ätna geschmiedet, erwähnt schon Cicero (div. 2,43 non enim te puto esse eum, qui lovi fulmen fabricatos esse Cyclopas in Aetna putes) als einen beinahe sprichwörtlichen Aberglauben im Zusammenhang mit der an sich ernstzunehmenden Frage nach der Herkunft dieses Naturphänomens. Auch die Weiterführung zu einer, im Sinne der Zeit, wissenschaftlichen Erklärung haben Cicero und Minucius Felix gemeinsam. Vielleicht geht von Cicero die Anregung zu dieser Vergilbenutzung aus. Dabei ist es lediglich der knappe Zusatz cum Aeneae armis, der den Leser, durch illic auf eine Dichterreferenz vorbereitet, zu der höchst kunstvoll ausgearbeiteten Aeneispassage1 führt. Auf diese Weise wird die Vulkanusschmiede in ihrer vergilischen Ausgestaltung, etwa mit den halbfertigen Auftragsarbeiten für andere Götter, als Illustration im Hintergrund evoziert. Das Vergilzitat schafft nicht nur, wie BECKER bemerkt, "römische Atmosphäre" unter all dem Homerischen, sondern lenkt den Blick auch auf eine Aeneispassage, in der eine traditionelle Vorstellung paganer Religiosität in kunstvoller Weise ausgemalt wird.2 23,11 (10) Is itaque Saturnus Creta profugus Italiam metu filii saevientis aceessemt, et Iani susceptus hospitio rüdes Mos homines et agrestes multa docuit ut Graeculus et politus: litteras inprimere, nummos signare, instrumenta conficere. (11) Itaque latebram suam, quod tuto latuisset, vocari maluit Latium, et urbem Saturniam idem de suo nomine et Ianiculum Ianus ad memoriam uterque posteritatis reliquerunt Im zweiten Teil des Kapitels 23 (23,9—24,1) greift Octavius den Aspekt der veritas (23,8) der Mythologie auf: Den Mythos von der Flucht des Saturn nach Italien, seiner Aufnahme und seiner Wirkung dort sucht er in einer euhemeristischen Argumentation zu widerlegen. Die Formulierung dieser Überlieferung lehnt sich deutlich an die Ausführungen des Euander im achten Aeneisbuch an, zunächst an Aen. 8,322*?. (319—323): primus ab aetherio venu Saturnus Olympo arma Iovis fugiens et regnis exsul ademptis. is genus indocile ac dispersum montibus altis composuit legesque deditf Latiumque vocari maluit, his quoniam latuisset tutus in oris. Mit nur geringen Veränderungen werden die Verse 322b.323 übernommen:3 Minucius Felix zieht den Kausalsatz vor, substituiert quoniam durch quod*, 1 2
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Cf. GRANSDEN ad Aen. 8,424—453 (140). Octavius 35 hingegen: "Sachlich ist das kaum eine Bereicherung, da in der Aeneis die Götter nicht herabgewürdigt oder vermenschlicht werden; aber Minucius will auch in solche Zusammenhänge römische Atmosphäre hereinbringen." Überhaupt geht diese Etymologie auf Vergil zurück, dazu unten (307) zu Arnob. nat. 4,24, wo sie ebenfalls, jedoch mit einer geringeren sprachlichen Referent ialitat, aufgenommen wird. Vielleicht um der semantischen Genauigkeit willen? C/. KS II 382sq. BECKER
153
II.2.2 Die Vergilzitate
tutus durch tuto und läßt, da ja keine unmittelbare Deixis mehr gegeben ist, his [...] in oris weg. Dessen semantische Funktion übernimmt das ergänzte, proleptisch zum Hauptsatz gestellte latebram suarru Die in Kontaktstellung und ohne morphosyntakische Adaptation, aber mit Permutation übernommenen Elemente vocari maluit Latium1 ergeben eine kretisch-trochäische Klausel2. Vor dem Hintergrund dieses deutlichen Zitates läßt sich auch die vorausgehende Schilderung von der Ankunft des Gottes in Latium und von seinem kulturbringenden Wirken als Prosaparaphrase des Vergiltextes sehen: Aen. 8,316s?.; 319—322a
Min. Fei. 23,10 Is itaque Saturnus
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Primus ab aetherio [...} Saturnus Olympo
Creta projugus Italiam metu filii saevientis
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accesserat.
319
arma Iovis fugiens et regnis exul ademptis venu
et Iani susceptus hospitio rüdes Mos homines et agrestes
321
multa docuit
321a
is genus indocile ac dispersum montibus altis composuit legesque dedit
ut Graecvlus politus: litteras imprimere, nummos signare, instrumenta conficere.
3\6sq.
quis neque mos neque cultus
erat, nee iungere tauros / aut componere opes norant aut parcere parto Was Minucius Felix hinzufügt, sind das hospitium des Janus, die Charakterisierung des Saturn als Graecvlus et politus, der nicht die Kunst des Ackerbaus, sondern höher entwickelte Kulturtechniken wie Schreiben, Münzprägung und Werkzeugherstellung bringt. In dieser Verschiebung bereitet der Apologet schon den Boden für die euhemeristische Argumentation: So nämlich erscheint Saturn ganz anthropomorph als Fremder, der in einem minder zivilisierten Land Asyl gefunden hat und der, ut Graecvlus et politus, aus dem Kulturgefälle Kapital schlagen kann. Aber nicht nur die Etymologie von Latium, sondern auch diejenige von Saturnia und laniculum übernimmt Minucius Felix aus den Erklärungen des Euander, Aen. 8,357sg.: hanc Ianus patert hanc Saturnus condidit arcem; laniculum huic, Uli fuerat Saturnia nomen. Das unnötige -que entfällt. Tütö (c/. MÜLLER Rhythmische Bemerkungen 63) latuiss&t und mälüit Ldtiüm.
154
II.2
Minucius Felix
Die anaphorische Verflechtung des Prätextes löst Minucius Felix in seiner schlichten Prosaparaphrase auf, bei ihm stehen die Stichwörter (Saturnia idem [sc. Saturnus] und Ianiculum Ianus) nebeneinander.1 Was diese Zitate illustrieren sollen, sagt Minucius Felix dann (23,12) ausdrücklich: homo igitur utique qui fugit, homo utique qui latuit, et pater hominis et natus ex homine. Der Apologet kehrt also im Rahmen dieser euhemeristischen Argumentation die ursprüngliche Intention der beiden bekannten Namensätiologien um: Sie belegen nicht mehr das bis in die Gegenwart wirkende göttliche Walten in der Landschaft um Rom, sondern den menschlichen Ursprung seiner Götter. 25,1 'At tarnen ista ipsa superstitio Romanis dedit auxit fundavit imperium, cum non tarn virtute quam religione et pietate pollerent.' Mit diesem fiktiven Einwand leitet Octavius in seiner Rede von der Kritik an der paganen Religion zur Widerlegung des von Caecilius vorgebrachten (6j2sq.) Argumentes über, die Größe Roms liege in seiner Frömmigkeit begründet. Die Worte des fictus interlocutor nehmen die Jupiterprophezeiung des ersten Aeneisbuches auf, 279 (276—279): Romulus excipiet gentem et Mavortia condet moenia Romanosque suo de nomine dicet his ego nee metas rerum nee tempora pono: imperium sine fine dedi. /.../ Minucius Felix übernimmt mit Romanis dedit /.../ imperium die entscheidenden Stichworte. Obwohl er sie pleonastisch mit auxit fundavit zu einem Trikolon erweitert, besteht doch ein deutlicher Bezug nicht nur im Ausdruck, sondern auch im religiös begründeten Verständnis von der Sendung Roms.2 Bemerkenswert ist die Änderung des Subjekts: Dadurch, daß nicht, wie bei Vergil, der Göttervater, sondern ista superstitio das imperium verleihen, ist der refutatio schon Tür und Tor geöffnet. Die Vergilreferenz verleiht also dem fiktiven Einwurf Gewicht und Authentizität, ist aber schon auf die Widerlegung hin ausgerichtet. Vielleicht wird Minucius Felix zu dieser Vergilbenutzung von Tertullian angeregt. Der nämlich zitiert dieselbe Vergilstelle in einer ähnlichen refutatio, wenn er unter Hinweis auf die Freveltaten der Römer argumentiert, die Götter verliehen also ihren Feinden ein imperium sine fine (apol. 25,16).3 1
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Durch den unmittelbarem Zusammenhang mit dem eindeutigen Zitat in der Etymologie von Latium steht die Vergilreferenz außer Frage, isoliert findet sich die Etymologie von Saturnia und Ianiculum Arnob. nat. 1,36a, dazu unten (276) ad i Der Ausdruck imperium dare (ThLL V s.v. do 1676,33—41) findet sich häufig für die Übertragung einer Vollmacht, meist aber in einem konkreten rechtlichen Sinn, ein Verwaltungsakt ist etwa Cic. Phil. 11,20; r. gest. div. Aug. 1; Curt. 3,3,1, bezeichnet, eine göttliche Herrschaftszuweisung Val. Fl. 6,475sg. omne ait [sc. Venus/ 'Imperium natorumque arma meorum / euneta dedi. Für die Geläufigkeit der Verse in der Spätantike sprechen die Zitate Aug. civ. 2,29; 5,12; serm. 105,7,10 etc. Dazu oben (54) zu Tert. apol. 25,16.
II.2.2
Die Vergilzitate
155
25,3 Mox alienas virgines iam desponsatas, iam destinatas et nonnullas de matrimonio muliereulas sine more rapuit xnolavit inlusit [sc. religiosa ctvitasj, et cum earum parentibus, id est cum soceris suis, bellum miscuit, propinquum sanguinem fudit. Unter den Untaten der vermeintlichen religiosa civitas nennt Octavius den Raub der Sabinerinnen. Die Formulierung für diese Episode lehnt sich an die entsprechende Passage der Schildbeschreibung im achten Aeneisbuch an, 635 (635—637): nee proeul hinc Romam et raptas sine more Sabinas consessu caveae, magnis Circensibus actis, addideraty [...}. Das Verb rapere erscheint bei Minucius Felix in finiter Form, das vergilische sine more bleibt unverändert1. Die bei Vergil ausdrücklich genannten Sabinerinnen periphrasiert Minucius Felix als alienae virgines. Damit gewinnt zum einen die Anspielung auf den historischen Sachverhalt an Subtilität, zum andern hebt alienus das Unrecht hervor. Doch ist zu fragen, ob der vergilische Einfluß soweit reicht. Minucius Felix scheint hier nämlich ein weiteres Vorbild zu haben, Tertullians Bezugnahme auf den Raub der Sabinerinnen in der Schrift ad nationes, 2,9,19: Romulus et fratrem interfecit et alienas virgines dolo rapuit2 Was Minucius Felix von Vergil übernimmt, ist die in raptas sine more angelegte negative moralische Wertung des Vorfalls, die der Apologet in seiner Darstellung in aller Deutlichkeit ausführt. Die formalen und intentionalen Vorgaben des Apologeten einerseits und der Schildbeschreibung andererseits sind auch kaum zu vereinbaren: Während Vergil, der eine bildnerische Darstellung beschreibt, einige Aufmerksamkeit dem Schauplatz des Raubes widmet, legt Minucius Felix den Schwerpunkt auf den Rechtsbruch: Daher nennt er die Geraubten ausdrücklich alienas virgines iam desponsatas, iam destinatas, fügt nonnullas de matrimonio muliereulas hinzu und erweitert das von Vergil übernommene rapere zum pleonastischen Trikolon rapuit violavit inlusit Auch den Fortgang des Geschehens, die sich anbahnende kriegerische Auseinandersetzung, beschreibt Vergil unter ikonographischen Gesichtspunkten als nächste Szene, während Minucius Felix das Frevelhafte des Krieges unter Verwandten hervorhebt, der bei Vergil keine Erwähnung findet3. Vergil liefert hier nicht nur eine klassische Formulierung für ein exemplum 1
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ThLL VIII s.v. 1. mos 1528,36—42 gibt für sine more nach Vergil Lact. mort. per». 39,4 und spätere an; zudem Sen. dial. 5/2,5; Sil. 10,31; Stat. Theb. 1,238; 11,524; Tac. hist. 1,38. Auch Ovid schreibt über die Sabinerinnen (ans 1,119) timuere viros sine more ruentes (aber varia lectio: sine lege). Die Junktur ist also nicht auf die Dichtung festgelegt, aber im Zusammenhang mit den Sabinerinnen sicher als Vergilzitat zu verstehen. Der Brudermord des Romulus ist auch bei Minucius Felix das vorhergehende Beispiel (25,2 ipse Romulus /.../ parrieidium fecit). — Daß Minucius Felix auch jene frühere, vermutlich unvollendete und nicht zur Veröffentlichung bestimmte Apologie kennt, ist nach BECKER (Tertullians Apologeticum 317) anzunehmen. Ausführlich dazu etwa Liv. 1,9—13.
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II.2
Minucius Felix
aus der römischen Geschichte, sondern auch den Ausgangspunkt, in gewisser Hinsicht sogar die auctoritas dafür, darin einen Schandfleck in der römischen Geschichte aufzuzeigen. 26,8 (7) Quamquam inter multa mendacia videri possit industriam casus imitatus, adgrediar tarnen fontem ipsum erroris et pravitatis, unde omnis caligo ista manamt, et altius eruere et aperire manifestius. (8) Spiritus sunt insincerit vagi, a caelesti vigore terrenis labibus et cupiditatibus degravati. isti igitur Spiritus, posteaquam simplicitatem substantiae suae onusti et inmersi vitiis perdiderunt, ad solacium calamitatis suae non desinunt perditi iam perdere et depravati errorem pravitatis infundere et alienati a deo inductis pravis religionibus a deo segregare. Auf den fiktiven Einwand, manchmal gebe es zutreffende Orakel, entwickelt Octavius zur Erklärung seine Dämonologie: Spiritus seien durch das Laster aus der himmlischen Reinheit gefallen und suchten nun die Menschen durch Blendwerk und Lügen zu verwirren.1 Den ursprünglichen Zustand der Dämonen, dessen sie durch terrenae labes et cupiditates verlustig gegangen sind, beschreibt Minucius Felix mit dem Ausdruck caelestis vigor. Das Vorbild für diese Darstellung könnten die stoisch geprägten Ausführungen der Anchisesrede über den reinen Urzustand der körperlosen Seelen sein,2 Aen. 6,730 (730—734): Igneus est ollis vigor et caelestis origo seminibus, quantum non noxia corpora tardant terrenique hebetant artus moribundaque membra. hinc metuunt cupiuntque, dolent gaudentque, neque auras dispiciunt clausae tenebris et carcere caeco. Zunächst einmal ist eine Übereinstimmung in der Wortwahl zu konstatieren: Wenn Minucius Felix von einem ursprünglichen Idealzustand als caelestis vigor spricht, könnte er darin vom vergilischen igneus /.../ vigor et caelestis origo beeinflußt sein.3 Weiteres ergibt sich aus einem Blick auf die gedankliche Struktur: Zwar geht es um unterschiedliche Dinge, bei Minucius Felix um Dämonen, bei Vergil um die Seelen. Was aber über diese ausgesagt wird, weist einige bemerkenswerte Parallelen auf: Zunächst befinden sich beide in einem reinen Urzustand, gekennzeichnet durch die unmittelbare Einwirkung des göttlichen vigor und durch eine Zuordnung zum Bereich des Himmlischen. Aus diesem Urzustand aber fallen sie durch den Kontakt mit Irdischem (terrena) heraus. Dieser Verlust der ursprünglichen Reinheit vollzieht sich zum 1
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Zur Dämonologie des Minucius Felix insgesamt R. BERGE, Exegetische Bemerkungen zur Dämonenauflassung des M. Minucius Felix, Diss. Freiburg 1929, hier G6sq.: Zwar stehe Minucius Felix auf dem Boden der jüdisch-apokalyptischen und christlichen Dämonologie, im einzelnen seien seine Quellen aber nicht zu ermitteln. Cf. NORDEN ad 6,730 (311); POHLENZ II 141. Zu dieser Vorstellung nennt BERGE 44$q. neben der Aeneisstelle, die in der sprachlichen Gestalt am nächsten kommt, außerdem Cic. nat. deor. 2,42; Ps. Qu int. decl. 443; Aug. civ. 10,17.
IL2.2
Die Vergilzitate
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einen durch die Annahme einer Körperlichkeit — für Vergils Seelen ist dieser Sachverhalt offenkundig, bei Minucius Felix ergibt er sich aus dem Gesamt seiner Äußerungen über die Dämonen1 — und zum anderen durch die Verwicklung in Begierden und Affekte. Beide sind in dieser Weltverhaftetheit unglücklich gefangen.2 Dabei handelt es sich zwar nur um eine gewisse gedankliche Analogie, es wäre aber doch vorstellbar, daß Minucius Felix seine Darstellung des Dämonenfalls insgesamt an diese Passage der Anchisesrede anlehnt, deren unmittelbar vorausgehende Verse (Aen. 6,724—729) er 19,2 zitiert. Im Rahmen seiner Ausführungen über die Dämonen beruft sich Minucius Felix ausdrücklich auf pagane Autoritäten (26,9.12; 27,1). Vielleicht sucht er also auch die Annäherung an ein Vorstellungsmodell vom Fall aus einem reinen Urzustand in eine schlechte Weltverhaftetheit und findet ein solches in Vergils klassischer Formulierung stoischer Seelenlehre.3 27,1 Isti igitur inpuri spiritus f daemones, ut ostensum (a) magis, a philosophis et a Piatone, sub statuis et imaginibus consecratis delitescunt et adflatu suo auctoritatem quasi praesentis numinis consequuntur, dum inspirantur interim vatibus, dum fanis inmorantur, dum nonnumquam extorum fibrös animant, avium volatus gubernant, sortes reguntf oracula efficiunt falsis pluribus involuta. (2) nam et falluntur et fallunt, ut et nescientes sinceram veritatem et, quam sciunt, in perditionem sui non confitentes. Zum verderblichen Wirken der Dämonen gehört nach den Ausführungen des Octavius auch die Verfälschung von Orakelsprüchen. Den dafür verwendeten Ausdruck involvere gebraucht Vergil für die Unklarheit der Sibyllensprüche, Aen. 6,100 (98—101): Talibus ex adyto dictis Cumaea Sibylla horrendas canit ambages antroque remugit, obscuris vera involvens: ea frena furenti concutit et stimulos sub pectore vertu Apollo. Zwar findet sich involvere häufiger zur Beschreibung einer Verdunklung von Wahrem. Im Zusammenhang mit der Mantik aber erscheint es erstmals in dieser vergilischen Formulierung, die außerdem im Queroius als bekannte sprichwörtliche Wendung zitiert wird.4 Minucius Felix scheint sich also an 1
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BERGE (9sq.) faßt die diesbezügliche Lehre des Minucius Felix folgendermaßen zusammen: "Sie [sc. die Dämonen] waren einst ganz rein, d.h. ohne Materie, sind jetzt aber unrein, weil sie nach ihrem Verkehr mit der Materie eine gewisse Körperlichkeit erhielten: 27,2 ut spiritus tenues und besonders 26,12 (Piaton lehrt vom Dämon) vult enim esse substantiam inter mortalem inmortalemque id est inter corpus et spiritum mediam eqs.: aus letzteren Worten ergibt sich, daß sp. und corpus sich eigentlich gegenüberstehen." Die Seelen bedürfen einer Reinigung, die Dämonen suchen die Menschen in ihre Verirrung mitzureißen. Bemerkenswert ist. daß Zeno von Verona (1/2,26) und Augustinus (civ. 14,3) sich im Zusammenhang mit der christlichen Seelenlehre mit diesen Versen auseinandersetzen. ThLL VII,2 s.v. involvo 265,6—36 bietet nur transitive vorvergilische Belege, ab Verg.
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II.2
Minucius Felix
die mantische Diktion anzulehnen, die Vergil klassisch vorgibt. Allerdings Uegt die Akzentuierung anders: bei Vergil auf der verwirrenden Unverständlich keit, bei Minucius Felix hingegen auf der böswillig irreführenden Verfälschung. Bemerkenswert ist, daß Minucius Felix das vergilische vera zwar nicht übernimmt (bei ihm heißt es orucula), aber in pluribus einen gewissen Anteil von Wahrem für die Orakel impliziert. Somit liegt die inhaltliche Verschiebung gegenüber Vergil vor allem in falsis statt obscuris. 30,1 nium iam velim convenire9 qui initiari nos dicit aut credit de caede infantis et sanguine. putas posse fieri, ut tam molle, tam parvtdum corpus fata vulnerum capiat? ut quisquam illum rudern sanguinem novelli et vixdum hominis caedat fundat exhauriat? nemo hoc potest credere nisi qui possit audere. Mit einer retorsio begegnet Octavius hier dem von Caecilius (9,5) angeführten Vorwurf, christliche Neophyten müßten einen Säugling schlachten. Die in diesem Zusammenhang gebrauchte Formulierung sanguinem /.../ caedat fundat exhauriat fällt auf: Das erste der Verben im asyndetischen Trikolon zum knb xotvoü gestellten Objekt ergibt ein semantisch kompliziertes Zeugma.1 Eine Konstruktion sanguinem caedere findet sich, syntaktisch gesehen, auch bei Vergil im elften Aeneisbuch, wenn er die Vorbereitungen des Menschenopfers für den toten Pallas schildert, Aen. 11,82 (81—84): Vinxerat et post terga manus, quos mitteret umbris inferias, caeso sparsurus sanguine flammas, indutosque iubet truncos hostilibus armis ipsos ferre duces inimicaque nomina figi. Servius kommentiert: 'caeso sanguine' pro 'caesorum \ ut supra [Verg. Aen. 10,520] 'captivoque rogi perfundat sanguine flammas9: nee enim sanguis caeditur. Das beweist, daß auch im antiken Verständnis des Vergiltextes hier, hinter der poetischen Verkürzung, die außergewöhnliche Junktur sanguinem caedere zu Bewußtsein kommt.2 Auch der Zusammenhang, ein blutiges Menschenopfer, stimmt bei Vergil und bei Minucius Felix überein.3 In dem Zeugma sanguinem /.../ caedat liegt also ein bewußter Rückgriff auf die entspre-
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Aen. 6,100 erscheint ein Dativobjekt (etwa Val. Max. 1.7,5 ne illud quidem involvendum silentio), häufig mit (dem vergilischen!) obscurus oder Ableitungen (nur im Kontext etwa Quint. inst. 8 prooem. 4; FVonto p. 132,10 v.d.H.; Lact. inst. 2,10,12; als Dativobjekt etwa Arnob. nat. 2,9.51). Ein Zusammenhang mit der Mantik liegt nur bei dem sicher vergiüsch beeinflußten Beleg Lucan. 1,638 flexa sie omina Tuscus / involvens multaque tegens ambage canebat und Min. Fei. 27,1 (dazu wohl Ps. Cypr. idol. 7 hi ergo Spiritus [...] falsa veris semper involvunt) vor. — Cf. Querol. p. 21,31 R. (= 37 JACQUEMARD-LE SAOS) Istud plane est quod saepe audivi, 'obscuris vera involvere'. Zur Sache und zur Terminologie LAUSBERG §§705—708. ThLL Hl s.v. caedo scheint die Stellen unberücksichtigt zu lassen, FORCELLIM S.V. caedo I 5c erwähnt die vergilische Formulierung, bietet aber keine Parallelen. Beim Vergleich anderer vergilischer Menschenopferschilderungen (Bestandsaufnahme H. LEHR, Religion und Kult in Vergib Aeneis, Dtss. Gießen 1934, 92—96) ergibt sich eine weitere Beobachtung: In dem von Servius zur Erklärung zitierten Vers Aen. 10,520
11.2.2
Die Vergilzitate
159
chende vergilische Diktion, durch den Minucius Felix den gräßlichen Sachverhalt zum einen wirkungsvoll ausdrückt und zum anderen unterschwellig in der paganen Welt verortet, worauf dann die retorsio insgesamt hinausläuft. 32,759. (7) 'Sed enim deus actum hominis ignorat et in caelo constitutum non potest aut omnes obire aut singulos nosse.' erras, o homo, et falleris; unde enim deus longe est, cum omnia caelestia terrenaque et quae extra istam orbis provinciam sunt deo cognita plena sint? ubique non tantum nobis proximus, sed infusus est (8) In solem adeo rursus intende: caelo adfixus, sed terris omnibus sparsus est; pariter praesens ubique interest et miscetur omnibusf misquam eius claritudo violatur. Im fiktiven Einwand wird ein Kritikpunkt des Caecilius wiederaufgenommen (10,5), der Glaube an einen transzendenten und zugleich immanent wirkenden Gott sei widersinnig. Demgegenüber betont Minucius Felix die Allwissenheit und Allgegenwart Gottes.1 Die zu diesem Zweck verwendeten stoischen Argumente und Formulierungen möchte CouRCELLE in seiner Einzeluntersuchung der Stelle auf Seneca und Vergil zurückführen:2 In eine Reihe von Senecazitaten zur Immanenz des Göttlichen, die wohl einer apologetisch ausgerichteten Testimoniensammlung entstamme,3 füge Minucius Felix zwei inhaltlich gut in den stoisch geprägten Kontext passende Vergilzitate ein.4 Erstens stehe nämlich hinter omnia /.../ deo /.../ plena eine Formulierung aus der Jupiteranrufung des Damoetas in der dritten Ekloge, ecl. 3,60s?.: 46 Iove principium Musae: Iovis omnia plena; ille colit terraSy Uli mea carmina curae.
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captivoque rogi perfundat sanguine flammas (über das Menschenopfer des Aeneas im ersten Zorn nach dem Tod des Pallas) findet sich nicht nur das zu caeso sanguine analoge captivo sanguine (c/. Aesch. Ag. 215 Ouotac napOevlou 6' atu.atoc Über das Opfer der Iphigenie), sondern auch das zu fundat bei Minucius Felix parallele perfundat (sanguine perfundere in der Dichtung seit Catull. 64,399). Aen. 2,116 heißt es über die Opferung der Iphigenie sanguine placastis ventos et virgine caesa, es stehen sich sanguine und virgine caesa mit et verbunden im Hyperbaton gegenüber. Die Ausdrücke sanguis, caedere und (per)fundere scheinen also in die vergilische Terminologie (dazu LEHR LC.) für Menschenopfer zu gehören. Um so eher dürfte der römische Leser in sanguinem /.../ caedat einen color Vergilianus wahrnehmen. Zum Aufeinandertreffen des platonischen Transzendenzgedankens mit dem stoischen Immanenzgedanken in der frühen Patristik grundsätzlich L. ScHEFFCZYK HDG II 2a (1963) 38s
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II.2
Minucius Felix
Diese auf Thaies (DK 11 A 22) und Arat (2) zurückgehende Formel werde in der Spätantike häufig zitiert1. Zweitens bezögen sich die Stichworte infusus, sol und miscetur auf die ersten Verse der Anchisesrede über die Wiedergeburt, Aen. 6,724—727: Prindpio caelum ac terms camposque liquentis lucentemque globum lunae Titaniaque astra Spiritus intus alit, totamque infusa per artus mens agitat molem et magno se corpore miscet. Zwar bestehe die Anleihe nur aus drei Elementen, doch zum einen würden ecl. 3,60 und Aen. 6,724—727 gewöhnlich zusammen zitiert, zum anderen fanden sich infusus und misceri häufig in Texten, die von Aen. 6,724—727 beeinflußt seien, schließlich kontaminiere auch Minucius Felix selbst ecl. 3,60 und Aen. 6,724—727.2 Allerdings kann der beeindruckende Materialreichtum dieser Untersuchung doch nicht über vereinzelte Unzulänglichkeiten der Beweisführung hinwegtäuschen.3 So erscheint zunächst das Postulat eines christlichen Senecaflorilegiums zur Immanenz gewiß nicht unproblematisch.4 Davon abgesehen erheben sich aber auch noch andere Fragen: 1
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Insbesondere nennt COURCELLE (Virgile et Vimmanence 37sq.) Apul. mund. 24; Symm. rel. 3,5; Macr. somn. 1,17,14; Aug. cons. evang. 1,23,31.35; civ. 4,9.10; 7,9; serm. 255,8; trin. 8,12; Ps. Damas. epigr. 103,1. COURCELLE Virgile et Vimmanence 38. Ein grundsätzlicher methodischer Konflikt besteht daxin, daß COURCELLE in erster Linie mit den Zitaten der Vergilstellen (teilweise weit) nach Minucius Felix argumentiert und die späteren Implikationen der Rezeption auf diesen zurückprojiziert, während in der vorliegenden Arbeit vor allem aus dem Vergleich von Prätext und Folgetext und von der Rezeption des Zitatsegmentes zwischen beiden ausgegangen wird. Mancher Widerspruch gegenüber COURCELLES Argumentation liegt darin begründet. Die von COURCELLE aus dem Vergleich beider Texte (der Senecatext ist ja nur als Zitat bei Laktanz überliefert) gefolgerten Indizien für seine Annahme sind nicht zwingend. Denn weder ist einsichtig, warum Laktanz nicht von Min. Fei. 32 angeregt sein soll, Seneca in extenso zu zitieren — COURCELLE erwähnt nur die Möglichkeit einer ausschließlichen Abhängigkeit ( Virgile et Vimmanence 36 "Lactance, qui cite textuellement Seneque, ne peut d£pendre de ce passage de Minucius") —, da ja auch hinter den ausgeführten Vergilzitaten inst. 1,5,1 \sq. das Vorbild Min. Fei. 19,2 steht, noch ist es leicht vorstellbar, daß es bereits um 200 eine auf die Bedürfnisse der christlichen Apologetik ausgerichtete Testimoniensammlung einer solchen Form und Verbreitung gegeben haben soll, daß sie noch hundert Jahre später für Laktanz zugänglich ist, ohne aber sonst irgendwelche nachweisbaren Spuren zu hinterlassen (wenigstens nennt COURCELLE keine). Im übrigen gehören die Gedanken, daß man dem Schöpfer der Welt keinen begrenzten Tempel zu erbauen brauche (Min. Fei. 32,1), daß es absurd sei, dem Geber aller Dinge etwas zurückschenken zu wollen (Min. Fei. 32,2), daß Gott nirgends fern sei (Min. Fei. 32,7) zum Grundbestand paganer Kultkritik und christlicher Apologetik und werden etwa schon vom Paulus der Areopagrede (Apg 17,24—27) als Grundkonsens mit paganem Denken angeführt. Ein christlicher Senecakenner oder -leser bedarf keines Florilegiums, um sich diese Konvergenzen zu vergegenwärtigen. Gegen COURCELLES Hypothese spricht sich auch Marion LAUSBERG, Untersuchungen zu Senecas Fragmenten, Berlin 1970, aus und vermutet stattdessen, daß Minucius Felix usich noch enger an einen entsprechenden verlorenen Passus aus den Exhortationes, der in der Umgebung der Fragmente 14 und 123 zu denken ist, anlehnen konnte" (89).
H.2.2
Die Vergilzitate
161
1. Co URCELLE sieht die erste Referenz in der Wendung omnia deo pleno. Abgesehen von der Änderung von Iovis zu deo1 und von der Erweiterung von omnia durch caelestia terrenaque et quae extra istam orbis provinciam sunt, die zwar nicht gegen eine Referenz sprechen, aber entmarkierend wirken, ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Text der Handschrift (und der neueren Ausgaben) omnia /.../ deo cognita plena lautet.2 Somit ist der Ausdruck omnia deo plena sowohl syntaktisch, da der Bezug von deo auf plena nurmehr zeugmatisch erfolgt,3 als auch semantisch, da sich der Aspekt der Allwissenheit vor die Allgegenwart schiebt, auseinandergerissen. 2. Die Aussage omnia deo plena hat nichts zwingend Vergilisches:4 (a) Im paganen Bereich sind deren ältere und auch in Rom wohlbekannte Bezugspunkte Thaies und Arat.5 In der vorliegenden Formulierung könnte also auf jeden der drei oder den Gedanken überhaupt6 Bezug genommen sein.7 (b) Die Aussage omnia deo plena kennt der Sache nach im Der Genitiv nach plenus wird nachklassisch durch den Ablativ verdrängt, cf. KS II 635. nach der Ausgabe von WALTZING (Leipzig 19262), der cognita atheApparat ad /.), CLARKE (zur Begründung 345 Anm. 545) und KYTZLER belassen cognita. Zum zeugmatischen Verständnis von deo primär als Dativ zu cognita und sekundär als Ablativ zu plena ausführlich PELLEGRINO ad l. 239. Diese Form des zeugma rectionis ist in der Regel auf die Dichtersprache beschränkt, so etwa Ov. Pont. 3,5,26 cum traherer dictis adnuerernque Luis, cf. LHS II 824. KVT2LER übersetzt "Gott bewußt, ja von ihm erfüllt", BEAUJEU "connus de Dieu, pleins de lui". COLEMAN spricht der Eklogenstelle überhaupt einen philosophischen Hintergrund ab (ad L 117): u(N]o stoic overtones need be seen here; the immanentism iß adequate\y motivated by Palaemon's preceeding eulogy of spring." Anders aber P. BOYANCE, Le sens cosmique der Virgile, REL 32 (1954) 220—249, hier 234; WLOSOK Vergil als Theologe 374: u[D]er alles durchdringende Jupiter klingt bereits in der 3. Ekloge (60) in einem Aratzitat an." Hinsichtlich einer möglichen philosophischen Rezeption spielt diese FVage jedoch keine Rolle. Thaies (DK I I A 22) wird in der griechischen Literatur häufig zitiert (etwa Aristot. anim. 411a; Ps. Aristot. mund. 6; Plotin. 6,9,4.7.9; Prophyr. Marceil. llsq.\ Procl. Tim. 1; cf. grundsätzlich W. THEILLER, Die Vorbereitung des Neuplatonismus, Berlin 1934), Cicero gibt ihn leg. 2,26 wieder: Thaies qui sapientissitnus in Septem fuit. 'homines existimare oportere omnia quae cernerent deorum esse plena \ — Arats entsprechender Vers wird in der griechischen Literatur häufig zitiert (beispielsweise Lucian. Prom. 14,197; Ael. Arist. Sarap. 30; Clem. Alex. Strom. 5,14,101), in Rom kennt man das Gesamtwerk durch die Übersetzungen des Cicero, des Germanicus und des Avienus (alle erwähnt Hier, in Tit. 1,707 [607a]sqq.)> deren Erstellung auch die Bedeutung unterstreicht, die man den Phainomena dort beimißt. Serv. ecl. 3,60 zitiert Arat. 2a. Zur Geläufigkeit des Gedankens omnia deo plena etwa Cic. div. 1,64 plenus aer sit inmortalium animorum. COURCELLE (Virgile et l'immanence 37sq.) fuhrt zwar Stellen an, die Verg. ecl. 3,60 als locus classicus für das Theologumenon omnia deo plena zitieren sollen. Doch ist zu bedenken, daß Apul. mund. 24 (Vetus opinio est atque cogitationes omnium homtnum penitus insedit, deum originis haberi auctorem deumque ipsum salutem esse et perseverantiam earum, quas effecerit, verum. Neque ulla res est tarn praestantibus viribus, quae eius viduata auxüio sui natura contenta sit. Hanc opinionem vates secuti profiteri aust suntt omnia Iove plena esse, cuius praesentiam non iam cogitatio sola, COURCELLE zitiert tiert. BEAUJEU (cf.
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II.2
Minucius Felix
Zusammenhang mit der Allwissenheit und Allgegenwart Gottes auch das frühe Christentum. So zitiert Cyprian in seiner Testimoniensammlung (testim. 3,56) unter dem Lemma deum nihil latere ex his quae geruntur eine Perikope aus dem Propheten Jeremia, 23,235g.: Ego Deus adproximans et non Dens de longinquo. si absconditus fuerit horno in abscondito, ergo ego non videbo eum? nonne caelum et terram ego tmpleo, dxcit Dominus?1 Auch in Aussagen über Schöpfertum und Transzendenz Gottes wird der Gedanke ausgesprochen, daß Gott das All erfüllt.2 3. Die Referenz auf den Anfang der Anchisesrede (Verg. Aen. 6,724—727) ist zum einen sprachlich wenig signifikant, da sie nur auf den in philosophisch-theologischer Rede nicht ungewöhnlichen Ausdrücken misceri und infusus beruht,3 zum anderen müssen zu den vorgebrachten Indizien folgende Einschränkungen gemacht werden: (a) Daß der Anfang
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sed oculi et aures et sensibilis substantia conprehendit.), auch wenn vates und love für eine Vergilreferenz sprechen, eine lectio Romana vorzuliegen scheint. Das Vorbild zitiert nämlich an entsprechender Stelle (Ps. Aristot. mund. 6) Thaies. Symm. rel. 3,5 heißt es allgemein omnia quidem deo plena sunt, was eher für die Geläufigkeit des Gedankens spricht; erst bei Macrobius (somn. 1,17,14) und Augustinus (cons. evang. 1,23,31.35; civ. 4,9.10; 7,9 — serm. 255,8; trin. 8,12; Ps. Damas. epigr. 103,1 meinen mit deo plenus sim. doch wohl Iv6to< und gehören nicht hierher), also anderthalb Jahrhunderte nach Minucius Felix, wird ausdrücklich ecl. 3,60 zitiert mit einer stoischen oder neuplatonischen theologi zugeschriebenen Deutung von Iovis als Allegorese für die anima mundi. Außerdem Cypr. domin. orat. 4; laps. 27 bis videbo eum, Augustinus zitiert cons. evang. 1,23,31 diese Stelle im Zusammenhang mit ecl. 3,60. Clem. Alex. Strom. 5,14,101 zusammen mit Thaies. So etwa Athenag. suppl. 8,6 (über die Unmöglichkeit der Existenz mehrerer Götter) cl 6i [Lt\ icotti lufrctftpovoti|iV)tt ioxl TÖHOC ftcpoc iv $ ioxiv, tlc o&toc 45 &pxffc xal |iövo< 6 icoi7rit)( toö xöo|u>o Ocöc. Aug. conf. 1,3,3 in einer Reflexion über Jer 23,24. Auf diese Stellen verweist schon PELLEGRJNO ad L 239. Mit der Gemeinsamkeit von Titania astra und sol sollte man wohl nicht argumentieren: Zum einen ist der Wortlaut verschieden, zum zweiten besteht kein syntaktischer Zusammenhang mit infusus oder miscere im Sinne einer Junktur, zum dritten wird die Sonne bei Minucius Felix in einem ganz anderen und prägnanten Kontext erwähnt. Im übrigen widerspricht sich COURCELLE hier insoweit, als er einerseits davon ausgeht, Minucius Felix habe Vergil in Seneca (epist. 41,1.5) eingeschoben, andererseits aber für diese Stelle behauptet. Vergib Titania astra rege die Verwendung des Sonnengleichnisses an, in dem aber die Sonne auf der Sachhälfte für Gott steht, während sie in der Anchisesrede vom Göttlichen beseelt wird. Beide Prätextstellen haben also nichts außer dem bloßen Semem 'Sonne' gemeinsam. — Immerhin könnte der Gebrauch von infusus und miscere von Vergil angeregt sein, der zumindest für deren bei Minucius Felix allerdings mittelbare Verbindung das nächstliegende Vorbild zu sein scheint. So finden sich Komposita zu miscere bei Cicero in theologisch-kosmologischem Zusammenhang (etwa nat. deor. 2,26 aquae etiam admixtum esse calorem primum ipse liquor aquae declamt et fusiof quae neque conglaciaret frigoribus neque nive pruinaque concresceret, nisi eadem se admixto calore iiquefacta et dilapsa diffunderet; 3,36 Quod si ignis ex sese ipse animal est nulla se alia admiscente natura, quoniam is, cum inest in corporibus nostris, efficit ut sentiamus, non potest ipse esse sine sensu.), zu infusus verweist ThLL VII,1 s.v. infundo 1508,31—35 'de spiritu divino' auf Varro fr. Serv. georg. 1,315
II.2.2
Die Vergib»täte
163
der Anchisesrede (Aen. 6,724—727) und Iovis omnia plena (ecl. 3,60) zusammen zitiert werden, trifft nur für zwei der angeführten Stellen zu, die außerdem deutlich jünger sind als Minucius Felix.1 (b) Daß die Stichworte infusus und miscere häufig in Texten stehen, die von der Anchisesrede beeinflußt sind, ist insofern eine wenig aussagekräftige Beobachtung, als sie in jener ja vorgegeben sind. Es wird im Grunde genommen also damit argumentiert, daß die Anchisesrede oft und unter Übernahme der den spezifischen Sinn tragenden Wörter infusus und miscere zitiert wird. Allerdings ist Minucius Felix selbst für die Rezeption der Anchisesrede der älteste Beleg,2 und bei seiner paraphrastischen
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Varro in libris divinarum dicit, deum esse Lactantem, qui se infundit segetibus et eas facit lactescere. Cic. nat. deor. 1,28 aut infixus aut infusus /.../ in mundo; Manil. 2,61 infusumque deum caelo terrisque fretoque und Min. Fei. 32,7, Vergil findet sich am Ende (1508,52) eigens 'cum nota diffundendi'. Zusammen erscheinen infundere und miscere samt Ableitungen sehr häufig technisch in Rezept angaben, etwa Vitruv. 2,5,1; Colum. 6,5,3; 6,6,30; Cels. 4,26,7; 5,17,2c; 6,19,1; Plin. nat. 28,175; Scribon. 8, ähnlich Lucan. 1.648 omnis an infusis miscebitur unda venenis; naturphilosophisch Apul. mund. 3 exin inferioris aeris qualitas turbidior infunditur, cui permixtus est glacialis rigor. Jedoch scheint die Verwendung von infusus und miscere für die Immanenz Gottes Vergil und Minucius Felix zu verbinden. Paneg. 11 (3) 14,2 Itaque illud quod de vestro cecinit poeta Romanus love: * Iovis omnia plena1, id scilicet animo contemplatus, quamquam ipse luppiter summum caeli vertu cem teneat supra nubila supraque ventos sedens in luce perpetua, numen tarnen eius ac 'mentem toto infusam* esse mundo, id nunc ego de utroque vestrum audeo praedicare: ubicumque suis, in unum palatium concesseritis, divtnitatem vestram ubique versarx omnes terras omniaque maria plena esse vestri. Auson. 419,5 nee iam miramur licentiam poetarum, qui omnia deo plena dixerunt steht weit entfernt von 419,40 et mens ita aurea quam de communi deo plus quam unus hausisti, das außerdem nicht als sichere Referenz auf Aen. 6,726s?. spiritus intus alit lotamque infusa per artus / mens agitat molem bezeichnet werden kann. Serv. ecl. 3,60 zitiert unter anderem Aen. 6,7265?.: 'ab love prineipium Musae' vel Musae meae ab love est prineipium: vel o musaer sumamus ab love prineipium. est autem Arati [lsq.],qui ait ix Aiöc &pxo>M*°0a, töv oiihinot' &v6pec ictyuv / Äpprytov 'Iovis omnia plena1 Lucanus [9,580] 'luppiter est quodeumque vides, quodeumque moveris', ipse alibi 'spiritus intus alit, totamque infusa per artus mens agitat molem'; ipse enim est spiritus, sine quo nihil movetur aut regitur. Macr. somn. 1,17,5 zitiert et magno se corpore miscet (Aen. 6,727), in anderem Zusammenhang und zwei Teubnerseiten später (1,7,14), wenn auch immer noch zum Kapitel Cic. rep. 6,17, ab love prineipium, Musae, Iovis omnia plena (ecl. 3,60). Allerdings wird, was freilich COURCELLE nicht erwähnt, Aen. 6,726 zitiert von Prob. Verg. ecl. 3,61. Diesen Befund zusammenzufassen mit: u[L]es deux passages Buc. 111,60 et Aen. VI,723/stc/—727 vont habituellernent de pair, tant chez les Panigyristes que chez les commentateurs." (COURCELLE Virgile et Vimmanence 38sq.), erscheint gewagt. Paneg. 12,26,1 (aus dem Jahr 313) vis mensque divina /.../ qua toto infusa mundo omnibus miscearis elementis et sine ullo extrinsecus accedente impulsu per te ipsa movearis geht sicher auf Verg. Aen. 6,724—727 zurück. Lact. inst. 1,5,11 (c/. epit. 3,4) ist jedoch über Min. Fei. 19,2 vermittelt (nostrorum primus Maro non lange afuit a veritate, cuius de summo deo quem spiritum ac mentem nominavit, haec enim verba sunt /.../, was COURCELLE Virgile et Vimmanence 39 Anm. 22 zitiert, gibt fast wörtlich Min. Fei. 19.2 Idem alio loco mentem istam et spiritum deum nominat. Haec enim verba sunt: /.../wieder); Aen. 6,7265?. zitiert Laktanz auch inst. 7,3,1; ira 11,5; cf. opif. 16,2 mens /.../ infusa [...] misceatur. Die Stellen Filiastr. 98,1 (inspiratio /.../ infusum); Aug. conf. 7,1,1 (infusum mundo) 7,1,2 (penetrare totam mundi molem) enthalten nur
164
II.2
Minucius Felix
Wiedergabe der Verse (19,2) läßt er gerade magno se corpore miscet weg. (c) Das Argument, daß Minucius Felix selbst die Anchisesrede und Iovis omnia plena (ecl. 3,60) 'kontaminiere', wird dem Text nicht gerecht: Auf pleni et mixti deo vates (7,6) wirkt kaum die Eklogenstelle ein,1 außerdem steht diese Aussage aus der Rede des CaeciUus mit einem Abstand von immerhin zehn Teubnerseiten getrennt vom Zitat der Anchisesrede (19,2) in den Ausführungen des Octavius. Minucius Felix steht hier also zwar unter dem Einfluß der theologisch-philosophischen Diktion Vergils, aber er intendiert offenbar keine Perzeption des Prätextes. In der Auseinandersetzung mit einem wohl in die mittelplatonische Sphäre gehörenden absolut transzendenten Gottesbild greift er vielmehr dort, wo er den christlichen Glaubenssatz von der Allgegenwart und Allwissenheit Gottes exemplifizieren will, zu einer Formulierung, die sich in einzelnen Termini an klassische Vorbilder anlehnt, ohne die Stelle aber zitieren zu wollen.2 35,1 sq. (1) Et tarnen admonentur homines doctissimorum libris et carminibus poetarum illius ignei fluminis et de Stygia pcUude saepius ambientis
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Einzelstichwörter ohne faßbaren Vergilbezug, erst Paulin. Nol. epist. 16,2 (Quis enim non videt mundum istum corporeum vi incorporea gubernari totamque molem infusa atque permixta universitatis corpori divini Spiritus mente, qua facta est, agitari ad vitam?) wird dieser Bezug deutlicher, Hier, in Eph. 2,4,6; in Is. 16,57 ausdrücklich. — Die Belege zeigen, daß die von Vergil in den Anfangsversen der Anchisesrede verwendete philosophisch-theologische Terminologie etwa vom Beginn des dritten Jahrhunderts an, insbesondere von Laktanz, häufig aufgegriffen wird, teils mit, teils ohne Vergilbezug (exemplarisch zu sehen am Begriff miscere, der für die Immanenz Gottes einmal bei Vergil und häufig ab Laktanz erscheint, c/. ThLL VIII s.v. misceo 1090,75—79; 1092,72*?.). Vielleicht ist Minucius Felix also zwar als Vorreiter oder, was Laktanz angeht, als Anreger zu sehen, zu seiner Zeit aber scheinen die Verse Aen. 6,724—727 noch nicht als locus classicus der Kosmologie zu gelten, dessen Perzeption man beim Leser nur auf zwei Stichworte hin, infusus und miscere, mit einiger Sicherheit voraussetzen könnte. Daraus ist zu folgern, daß Minucius Felix hier zwar von vergilischer Ausdrucksweise beeinflußt ist, aber nicht mit einem Zitat und mit Vergils auctoritas argumentieren möchte. Zum vergilischen Einfluß auf die Formulierung 7,6, wo es um die ekstatische Gottbesessenheit eines Propheten (plenus im Sinne von tvöto<) und nicht um das gotterfüllte AU geht, oben (125) ad l. Die Frage, welches Verhältnis zwischen dem vorausgehenden (19,2) Zitat von Aen. 6,724—727 und der Anspielung hier besteht, läßt sich nur andeutungsweise beantworten: Generell wirkt Frequenz markierend, d.h., ein bereits zitierter Prätext wird bei nochmaliger Bezugnahme wahrscheinlicher perzipiert, doch sind, wie gezeigt, die sprachliche Signifikanz und das argumentative Gewicht einer Referenz hier zu gering, um von einer rezipientenorientierten Intentionali tat beim Umgang mit dem Prätext auszugehen. Daher wäre es eher denkbar, daß Minucius Felix hier auf der Suche nach einer adäquaten Ausdrucks weise wiederum auf vergilische Diktion und insbesondere diejenigen Aeneisverse zurückgreift, deren theologische Aussagekraft er erkannt und sich — offenbar als erster — zunutze gemacht hat. Dieses subjektive Element entzieht sich freilich dem Zugriff des Interpreten.
II.2.2 Die Vergilzitate
165
ardoris, quae cruciatibus aeternis praeparata et daemonum indiciis et de oraculis prophetarum cognita tradiderunt. (2) Et ideo apud eos etiam ipse rex Iuppiter per torrentes ripas et atram voraginem iurat religiöse; destinatam enim sibi cum suis cultoribus poenam praescius perhorrescit. In seiner Verteidigung der christlichen Lehre von Auferstehung und Gericht beruft sich Octavius auf das Zeugnis der doctissimorum libri und der carmina poetarum, in denen bereits von einem Ort der Strafe im Jenseits die Rede sei. Trotz der Pluralformen doctissimi und poetae bezieht sich dieser Verweis nur auf zwei loci classici paganer Unterweltsschilderung, nämlich auf Piatons Phaidon und Vergils Aeneis. (1) Bezugspunkt ist zunächst (35,1) die Darstellung eines feurigen Unterweltsstromes. Piaton stellt ihn unter dem Namen Pyriphlegethon dar, Phaed. 113ab: Tpixo? hl 7C01041ÖS xouxo)v xocia [klaov ixßaXXei, xal lyyb$ xfj? £xßoXfj; elorciTTcet el$ xörcov yiiyoLvrcuplno\\ä> xatöfievov, xal XIJXVTJV rcotei |xelCa> xfj? itap' fjjitv OaXÄxxTj?, #ouaav öBaxo? xal 7cr|Xoö- £vxeu8ev hl X<*>pei xuxXcp BoXepö? xal ICTJXCO5TJ?, ic€pteXtxxö|uvo? hl xfj yfj &XXooi xe ät^ixvetxai xal rcap' So^axa xfj? *Ax&pooat&5oc Xljxvrjc ou ^u(J4Uiyvu(ievo( xcp 85axr 7cepteXtxfclc hl TCOXX&XIC 6ic6 -f*K djxßdXXet xaxcoxipa) xou Tapxdpou* ouxo<; 6' doxlv öv inovojA&Couotv IIopifXeY^ovxa, 06 xal ol ßuaxec öcicoo7cda|xaxa iva
In Prosa etwa Apul. met. 2,29; 6,13; FVonto A 219 (217,15 v.d.H); Gell. 2,6,14 im Zusammenhang mit einem Vergilzitat; Tert. anim. 50,3 Stygias paludes poeta [sc. Menander/ tradidit mortem diluentes — und doch stirbt Achill; dazu oben (70) ad L Über die Verwendung von Stygius in der frUhen christlichen Latinität zusammenfassend THOME (199): "Anders als Tartareus ist Stygius kein so rechtes Nachleben bei den christlichen Autoren beschieden. Bezeichnend ist also wieder einmal die Vorzugsstellung des zwar zum negativen determinierten, aber nicht so intensivierten und ausgeschöpften Adjektivs, eben Tartareus. Stygius dagegen ist überhaupt nur ganz vereinzelt belegt
166
II.2
Minucius Felix
'Axepoooi&c Xl|xv7) sehen. Das saepius bei Minucius Felix führt man öfter auf das vergilische novies Styx interfusa (georg. 4,479; Aen. 6,439, über die Abgeschlossenheit des Totenreichs)1 zurück,2 doch Uegt Piatons Formulierung 7iepieXix6el; && icoXX&xtc als Vorbild für saepius ambientis sprachlich näher, obwohl sich ambire auch in Vergils Darstellung des Phlegeton (Aen. 6,550 quae rapidus flammis ambit torrentibus amnis) findet. Auch der Gedanke, daß der Pyriphlegethon den jenseitigen Strafort (quae cruciatibus aeternis praeparata) umfließe, trifft gleichermaßen für Vergil, bei dem sich die Schilderung des Tartarus anschließt, wie für Piaton (Phaed. 114a) zu, der ausführt, daß diejenigen, die noch abbüßbare Verbrechen begangen hätten, xaxfe xöv Kcoxuxöv in den Tartarus geworfen würden, xoix; 5i tiaxpaXola? xal |ir|xpaXota( xaxät xöv nopi
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und mehr in bewußtem Rekurs auf den heidnischen poetischen Gebrauch oder im Zitat als 'Sachbegriff', für gewöhnlich in polemischem Zusammenhang, so z.B. Min. Fei. 35,1". Auch palus wird 'de aquis inferni' nach Vergil und vornehmlich in der Dichtung gebraucht, c/. ThLL X,l s.v. palus 2 179,15—28. NORDEN (Aeneis VI 26—28) sieht in novies den Einfluß einer auf Poseidonios zurückzuführenden kosmologischen Vorstellung von neun Sphärenkreisen, AUSTIN (ad /. 158) nur eine 'magische' Zahl. So etwa PELLEGRINO ad i 251; BEAUJEU ad L 153; CLARKE ad l. 356 Anm. 585. Zu Piatonbenutzung allgemein etwa J.P. WALTZING, Piaton, source directe de Minucius Felix, MB 8 (1904) 424—428; BEAUJEU Introduction XXXVsq.; zum Einfluß von Phaed. 89b—91c auf Min. Fei. 14,4—6 etwa VAN DER NAT 206—208; c/. HECK HLL 4 (1997) 5l6sq. So etwa in der Rede von der *ritwa toO nupöc Mt 5,22; 18,9; in der Patristik etwa Ignat. Antioch. Eph. 16,1; Mart. Polyc 2,3; lustin. apol. 1,12; Athenag. suppl. 31; Tert. paenit. 12; dazu umfassend H. VORGRIMLER, Geschichte der Hölle, München 19942, 15—22; 88—95. 35,3 ülic sapiens ignis membra urit et rcficit, carpit et nutrit. sicut ignes fulminum corpora tangunt nee absumunt, sicut ignes Aetnaei montis et Vesuvi montis et ardentium ubique terrarum flagrant nee erogantur, it poenate illud incendium non damnis ardentium pascitur, sed inexesa corporum laceratione nutritur.
II.2.2
Die Vergilzitate
167
bei Homer wird mehrfach betont, daß die Götter ihre Eide beim 66o>p Exuyö? leisten, was in der späteren Literatur durchweg übernommen wird.1 Auch in der Aeneis wird der Sachverhalt mehrfach erwähnt,2 zitiert ist hier die Formulierung eines vergilischen iteratum, Aen. 9,1045g. = 10,1135g.: Stygii per flumina fratris, per pice torrentis atraque voragine ripas. Die Schwurformeleinleitung per behält Minucius Felix bei, die komplexe vergilische Konstruktion aber mit den zwei adverbialen Ablativen löst er in einen zweigliedrigen parallelen Ausdruck auf, der aus dem Kern der vergilischen Formulierung (torrentes ripas) und einer vereinfachten Wiedergabe des poetisch in pice und voragine Ausgedrückten (atram voraginem)s besteht. Bei der sprachlichen und rhythmischen4 Prosifikation bleiben aber die Atmosphärenschilderungen der vergilischen Formel, die Dunkelheit5 und das reißende Wasser, erhalten und werden geradezu verdeutlicht. Daß das Vergilzitat sich auf die Styx und nicht auf den Pyriphlegethon bezieht, von dem eigentlich die Rede ist, stört offenbar nicht, da es Minucius Felix in erster Linie um die polemische Pointe zu gehen scheint, daß Jupiter in Kenntnis seines und seiner Verehrer Schicksal so schwöre. Demnach dürfte das Zitat der Schwurformel um dieser Spitze willen an die Darstellung des platonischvergilischen Feuerstromes angeschlossen sein, vielleicht angeregt durch Aen. 6,323sg. Stygiamque paludem, / di cuius iurare timent et /allere numen. Insgesamt ist der Gedankengang am Anfang des Kapitels 35, also der Pyriphlegethon als zutreffende Höllenvorstellung bei den paganen Philosophen und Dichtern, angeregt durch Tertuilian (apol. 47,11—13), der diese Übereinstimmung als Beispiel für die durch die Propheten vermittelte Erkenntnis der Wahrheit im Heidentum anführt. Minucius Felix hingegen kommt von der Sache selbst, also von den Vorstellungen von Auferstehung und Gericht her. Wie das Vorbild Tertuilian erklärt er die Walirheitserkenntnis der philosophi und poetae in diesem Bereich mit der Abhängigkeit von den Propheten;6 über diesen hinaus geht der Hinweis auf die Dämonen, deren Wirken bereits in den 1 2
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Cf. Hom. II. 2,755; 14,271—279, v.a. 271; 15,36—38 = Od. 5,184—186; h. Cer. 259; zur Ätiologie Hes. Th. 400; Apoll. Rhod. 2,291. Verg. Aen. 6,323$?.; 9,104s?. = 10,113$?.; 12,816 adimo Stygii caput implacabile fontis, später etwa Ov. fast. 5,250 et Stygiae numen testificabor aquae; Ov. met. 3,290$?. Stygii quoque conscia sunto / numina torrentis: timor et deus ille deorum est. Sil. 13,568—570; Stat. Theb. 8,30. Dabei geht das metaphorische pice für die Schwärze des reißenden Wassers — zu diesem Verständnis (gegen 'brennendes Pech1) und zum Widerspruch zwischen palus und torrens DINGEL ad Aen. 9,105 (76$?.) — in atram auf. Voräginem iürät (kretisch-trochäische Klausel). Zur Dunkelheit als typischem Stilisierungsprinzip des Unterweltlichen THOME 200— 203. Diesen Altersbeweis {cf. PlLHOFER 282) hat er schon 34,5 eingeführt: animadvertis philosophos eadem disputare quae dicimus, non quod nos simus eorum vestigia subsecuti, sed quod Uli de divinis praedicationibtis prophetarum umbram interpolatae veritatis interpolati sint. Nur an diesen beiden Stellen werden übrigens die prophetae erwähnt.
168
II.2
Minucius Felix
Kapiteln 26 und 27 dargestellt worden ist. Auch das Zitat der vergilischen Götterschwurformel und die daraus entwickelte Pointe setzt Minucius Felix hinzu. Für die Stellung des Apologeten zur Dichtung im allgemeinen und zu Vergil im besonderen ergeben sich drei Aspekte: Erstens erscheinen Dichtung und Philosophie gleichberechtigt nebeneinander. Zweitens wird beiden eine gewisse Übereinstimmung mit christlicher Wahrheit zugestanden, die nicht nur einleitend betont, sondern auch insofern strukturell hervorgehoben wird, als Caecilius ausdrücklich dichterische Aussagen über ein Weiterleben im Jenseits als figmenta male sanae opinionis et inepta solacia a poetis fallacibus in dulcedine carminis lusa (11,9) abgetan und damit quasi dem Christen überlassen hat. Drittens begründet Minucius Felix die Übereinstimmung der poetae und philoaophi mit der christlichen Lehre, die er im früheren Verlauf der Octaviusrede (19,lag.; 20,1) ohne Ursachenerklärung hervorhebt, nun mit den unterdessen eingeführten Argumenten von der Priorität der Propheten und vom Wirken der Dämonen, die also wohl auch für die oben ausgewiesenen Berührungen gelten und erst im weiter fortgeschrittenen Dialog zur Sprache kommen. 36,9 Itaque et nobis deus nee non potest subvenire nee despicit, cum sit et omnium rector et amator suorum, sed in adversis unumquemque explorat et examinat, ingenium singulorum periculis pensitat, usque ad extremam mortem voluntatem hominis sciscitatur, nihil sibi posse perire securus. itaque ut aurum ignibns, sie nos discriminibus arguimur. In der Entgegnung auf das Argument des Caecilius (12,3), der Gott der Christen müsse grausam oder machtlos sein, da er ihnen in Not und Gefahr nicht zur Hilfe komme, stellt Octavius die Bedrohung der Gläubigen als Prüfung dar. Die in diesem Zusammenhang gebrauchte Wendung extrema mors zur Bezeichnung des Augenblicks äußerster Todesbedrängnis erscheint erstmals bei Vergil (Aen. 2,447 extrema iam in morte parant defendere telis; 11,846 non tarnen indecorem tua te regina reliquit / extrema iam in morte), dann bei Statius (Theb. 3,70 pectora et extremam nihil horrescentia mortem), in Prosa zum ersten Mal bei Apuleius (met. 8,30 verberantes paene ad extremam confecevant mortem).1 Auch wenn der Beleg bei Apuleius auf eine Verbreitung der Junktur in der nachklassischen Prosa hinweist, sucht Minucius Felix hier offenbar den color Vergilianus und ein episches Pathos. 39 Cum Octavius perorasset, aliquamdiu nos ad silentium stupefacti intentos vultus tenebamus, et quod ad me estf magnitudine admirationis evanuit quod ea, quae facüius est sentire quam dicere, et argumentis et exemplis et lectionum auetoritatibus adornasset et quod malevolos isdem Ulis, quibus armantur, philosophorum telis retudisset, ostendisset etiam veritatem non tantummodo facilem sed et favorabilem. 1
Cf. ThLL V,2 s.v. exter (extremus) 2002,49—51, mit Verweis auf 'al.'
II.2.3
Auswertung
169
Die Reaktion der Dialogpartner schildert Minucius Felix in Anlehnung an die gespannte Zuhörererwartung vor der großen Erzählung des Aeneas zu Beginn des zweiten Aeneisbuches: conticuere omnes intentique ora tenebant. Das Schweigen, bei Vergil knapp ausgedrückt, periphrasiert Minucius Felix.1 In der Schilderung der Anspannung übernimmt er das charakteristische intentus1 und teuere. Die Änderung des Bezuges (intentos statt intenti) und die Substitution von ora durch vultus dienen wohl der Prosifikation, der hexametrische Rhythmus verschwindet durch die morphosyntaktische Adaptation des Verbs. Das Tempus behält Minucius Felix bei. Allerdings drückt das Imperfekt bei Vergil die schon vorhandene, bei Minucius Felix die noch andauernde Spannung der Zuhörer aus. Überhaupt ist die Umkehr der Situation gegenüber dem Prätext bemerkenswert — dort harrt man einer gewaltigen Erzählung, hier steht man bereits unter dem Eindruck einer bewegenden Rede — und sicherlich als Pointe von Minucius Felix intendiert. Daß die Teilnehmer im literarischen Dialog nach einem Beitrag schweigend verharren, gehört zur Gattungstopik.3 Um aber die besondere Wirkung der Octaviusrede herauszuheben, die ja auch das Umdenken des Caecilius motivieren soll, setzt Minucius Felix gezielt die Vergilreferenz.
2-3 2.3.1
Auswertung Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
Was zunächst Beachtung verdient, ist die Anzahl von etwa 40 erörterten Zitatsegmenten in einem so kurzen Werk.4 Ordnet man diese dann nach ihrem Umfang, so ragt natürlich die einzige wörtliche und namentlich angekündigte Referenz heraus (19,2). Hier paraphrasiert Minucius Felix zunächst sechs Vergilverse (Aen. 6,724—729) und führt dann einen kleinen Cento von anderthalb Versen aus den Georgika (4,220b.221) und einem aus der Aeneis (1,743) an. Einen zweiten größeren Block vergilischen Einflusses stellt die eng an den Wortlaut der Aeneis (8,322b.323) angelehnte, aber nicht als Referenz gekennzeichnete Etymologie von Latium als Versteck des Saturn (23,11) dar, der unmittelbar die aus demselben Aeneiskontext (8,35759.) übernommene Herleitung der Ortsnamen Saturnia und Ianiculum folgt. Auch im Zusammenhang mit den Ausführungen über einen feurigen Unterweltsfluß (35,2) übernimmt Minucius Felix in abgewandelter Formulierung eine anderthalb 1
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Eine Änderung ist hier auch nötig, da conticuisse bei Minucius Felix implizieren würde, daß Caecilius und Minucius Felix sich während der Rede des Octavius anderweitig unterhalten hätten. Im Zusammenhang mit der Verwendung von intentus an der Vergilstelle nennt ThLL VII, 1 s.v. intendo (intentus) 2118,40s?. vor allem Prosabelege für die Wachsamkeit von Soldaten. Der Beleg bei Minucius Felix ist zwar nicht erwähnt, aber auch kein weiterer bezogen auf Zuhörer. Die Semantik von intentus ist hier also außergewöhnlich. C/. Plat. Phaed. 84c; Protag. 328d; Varro rust. 1,49,1; Tac. dial. 24,1. Der Teubnertext von KYTZLEH umfaßt 37 Seiten.
170
II.2
Minucius Felix
Verse umfassende Formel aus der Aeneis (9,104b.l05 = 10,113b.114). Neben diesen drei größeren Blöcken finden sich vierzehnmal Junkturen aus wenigstens drei unveränderten1 oder nur leicht umgeformten2 vergilischen Elementen, deren semantische oder syntaktische Binnenstruktur bewahrt wird. Aus lediglich zwei Elementen bestehen sechs verbale3 und sieben nominale4 Junkturen. An manchen Stellen beruht die Vergilreferenz auf der Übernahme des gedanklichen Kontextes und einzelner Stichwörter unter Auflösung der syntaktischen Struktur. Meist handelt es sich um freie Nachahmungen der vergilischen Darstellungsweise für einen bestimmten Sachverhalt, so wenn das Anbranden des Meeres (3,3),5 die Verunreinigung durch Kontakt mit Irdischen, bei Vergil auf die Seelen, bei Minucius Felix auf die Dämonen bezogen (26,8), und die Gegenwart des Göttlichen in der Welt (32,7b.8)6 beschrieben werden.7 Schließlich ist auf Einzelwörter zu verweisen, die in drei Fällen die Semantik des Kontextes8, in drei anderen den Gebrauch9 mit Vergil gemeinsam haben. 1
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3,3b aequoris limine planta tingueremus zu Aen. 7,811 tingeret aequore plantas; 3,4 oram [...] litoris [...] legebamus zu georg. 2,44 lege litoris oram; 5,6 vndulgentes insano [...] labori zu Aen. 6,135 insano [...] indulgere labori; 7,4a Allia nomen infaustum zu infaustum Allia nomen; 25,3 sine more rapuit Aen. 8,635 raptas sine more. 5,10 cum tabe pestifera caeli tractus inficitur Aen. 3,137sq. cum tabida membris / corrupto caeli tractu [...] venu /.../ lues; 6,2 imperium /.../ ultra solis vias zu Aen. 6,696sg. imperium (...) extra /.../ solisque vias; 7,4b Parthos signa repetamus zu Aen. 7,606 Parthosque reposcere signa; 7,5 templis /.../; magis sunt augusia numinibus (...) quam /.../ muneribus opulenta zu Aen. 1,446s?. templum f...] donis opulentum et numine divae; 16,3 viam [...] ubi /.../ in plures una diffinditur zu Aen. 6,540 ubi se via findit in ambas; 22,7 Castores alternis moriuntur ut vivant zu Aen. 6,121 fratrem Pollux alterna morte redimit; 25,1 Romanis dedit /.../ imperium zu Aen 1,279 his [sc. Romanis} (...) imperium sine fine dedi; 37,7a omnia /.../ deo /.../ pleno zu ecl. 3,60 Iovis omnia pleno; 39 intentos vultus tenebamus zu Aen. 2,1 intentique ovo tenebant. 2,4 aura adspirans; 3,3d harenas (...) perfundens; 3,5 versis vestigiis; 12,6 caput nectitis; 30,1 sanguinem [...] caedat; hierher gehört wohl auch 3,3a positis flatibus zu Aen. 7,27s?. venti posuere / . . . / / resedit flatus. 3,6 summis fluctibus; 7,6 pleni et mixti deo aus pleno deo (cf. Sen. suas. 3,5) und Aen. 7,661 mixta deo; 9,2 vana (...) superstitio; 9,5 caecis (...) vulneribus; 12,1 cassa vota; 35,1 Stygia palude; 36,9 extremam mortem. So 3,3c die Stichwörter relabi und retrahere aus der Brand ungsschilderung Aen. 10,307; 3,3d werden neben der Junktur harenas perfundere auch die Gliederung mit nunc (...) nunc und das Stichwort resorbere aus einer vergilischen Schilderung des anspülenden Meeres (Aen. 11,625—627) übernommen. Hierzu gehören auch Stellen, an denen Minucius Felix über eine zweigliedrige Junktur hinaus zusätzliche Stichworte, meist abgewandelt und aus dem weiteren Kontext, übernimmt, so erscheinen etwa 7,6 Elemente aus der Sibyllenschilderung {pleno deo, vates, futura, praescius); 35,1 über den feurigen Unterweltsstrom saepe ambientis; 39 ad Silentium stupefacti entspricht Aen. 2,1 conticuere omnes. Hierher gehört aber auch die Anspielung auf die vergilische Ixfpaoic der Vulkanwerkstatt (23,6 zu Aen. 8,424*44.), die weniger auf den wörtlichen Entsprechungen (sncus, armat fulmen) als auf der Nennung des Aeneas (cum Aeneiae armis) beruht. 4,5 obice saxi zu georg. 4,442 obicibus petrarum; 22,5 pedibus Mercurius alatis zu Aen. 4,259 Cyllenius (...) alatis (...) plantis; 27,1 falsis pluribus involuta zu Aen. 6,100 obscuris vera involvens. 1,1 revocare; 1,2 implicare; 7,3 anhelus, spumans, fumans.
11.2.3
Auswertung
171
Bis hierher läßt sich festhalten, daß die komplex gebauten und umfangreicheren Zitatsegmente überwiegen. Die Referenz erfolgt also meist auf der Ebene der syntaktischen, semantischen oder pragmatischen Struktur, nicht auf der Ebene des Einzelwortes. Dementsprechend finden sich zwar manche Wendungen bestehend aus prosaischen Wörtern, die in iunctura bis dahin der Dichtung vorbehalten waren, bei Minucius Felix erstmals in Prosa,1 aber kein von Vergil geprägtes poetisches Einzelwort. Das deutet zum einen darauf hin, daß Minucius Felix im Sinne der Stileinheitlichkeit dichter sprach liehe Elemente vermeidet. Zum anderen ergibt sich aus dem primär strukturellen Charakter der Vergilreferenzen die Vermutung, daß Minucius Felix auch eine entsprechende strukturelle Rezeption intendiert, daß der Leser also nicht lumina auf der Ebene der Lexik, sondern abstrakte sprachliche und gedankliche Zusammenhänge wahrnehmen und goutieren soll. Mit der Tatsache, daß Vergil zwar an vielen Stellen rezipiert, aber nur einmal wörtlich wiedergegeben wird, geht die Notwendigkeit von Veränderungen an den Zitatsegmenten einher. Schon das einzige wörtliche Zitat (19,2b) erfährt, auch ohne daß in den Wortlaut eingegriffen würde, durch die Zusammenstellung eines Cento, durch die Wahl des Auschnittes und durch den Folgekontext, der eine lectio Christiana insinuiert, in seinem Aussagegehalt eine deutliche Verschiebung gegenüber den Prätexten. Bei den übrigen Zitaten betreffen die Veränderungen den Wortbestand des Zitatsegmentes selbst. Als durchgängiges Prinzip läßt sich dabei die rhythmische und lexikalischstilistische Prosifikation beobachten. Minucius Felix beseitigt bei der Wiedergabe der Zitatsegmente die Hexameterschlüsse, die er gegebenenfalls in Klauseln umformt, und vermeidet deutlich poetische Einzelwörter und Konstruktionen. Das zeigt sich bei der Prosaparaphrase der Anfangsverse der kosmologischen Anchisesrede:2 Alle Versenden sind von den Eingriffen betroffen und der dichterische ornatus fällt weg, was auch eine Raffung und Konzentration mit sich bringt. Dazu kommt eine inhaltliche Anpassung durch die Auslassung der Aussage magno se corpore miscet, die aufgrund ihrer pantheistischen und vor allem sexuellen Implikationen im Argumentationskontext stören würde. Bei der Etymologie von Latium, Saturnia und Ianiculum, einer Kombination zweier Vergilstellen,3 dienen Permutation, Auslassungen und Substitution sowohl der Prosifikation als auch der pragmatischen4 und der argumentativen Anpassung an den euhemeristischen Gedankengang des Folgetextes. In der Wiedergabe der vergilischen Götterschwurformel (35,2 zu Aen. 9,104sg. = 10,113sq.) beseitigt Minucius Felix den hexametrischen Rhythmus und den deutlichen color poeticus, indem er das Zitat in einen einfachen zweigliedrigen Ausdruck umwandelt. Beispielsweise 3,3bd; 3,4; 5,6; 7,4a; 9,5; 12,1; 25,3; 30,1. 19,2a zu Aen. 6,724-729. 23,11 zu Aen. 8,321—823 und 8,357sg. So etwa im Wegfall der Nahdeixis his [...] in ons.
172
II.2
Minucius Felix
Bei den zwei- und mehrgliedrigen Junkturen lassen sich drei Muster von Veränderungen am Zitatsegment unterscheiden: 1. Die Junktur wird in Kontaktstellung übernommen oder, meist durch nur geringfügige Auslassungen, gebracht und entweder sichtbar morphosyntaktisch adaptiert oder per mutiert.1 2. Die Junktur wird um einzelne Elemente ergänzt, und zwar entweder zur inhaltlichen Anpassung2 oder zur stilistischen Ausschmückung und Raffinierung durch leichte Verfremdung gegenüber dem Prätext, wobei sich vor allem die Hinzufügung eines zweiten, synonymen Adjektivs,3 die Bildung eines Verbtrikolons4 und die Synonymvariation5 erkennen lassen. 3. Die Junktur wird zum Zweck der Prosifikation oder der Raffinierung durch Verfremdung stark verändert, weist aber einen deutlichen szenischen oder inhaltlichen Bezug zum Prätext auf. Hierher gehören etwa die verkürzte und vereinfachte Pestschilderung (5,10), die Scheidewegszene (16,2) oder die Reaktion der Zuhörer (39).6 Bemerkenswert ist, daß an all diesen Stellen ein wörtliches Zitat des Prätextes inhaltlich, meist sogar syntaktisch durchaus möglich wäre. Offensichtlich geht es Minucius Felix also darum, den Referenzpunkt anzudeuten, nicht darum, die Referenz auszuführen.7 Diese Techniken der sprachlichen und inhaltlichen Anpassung lassen sich im Grunde nicht nur für die Vergilzitate, sondern auch für die Benutzung anderer Klassiker festhalten.8 1
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2,4 aura adapimns (morphosyntaktisch adaptiert und permutiert); 3,5 versis vestigiis; 3,6 summis fructibus (in ausgelassen); 7,4a Allia nomen infaustum (interluit ausgelassen); 12,1 cassa vota (in ausgelassen); 35,1 Stygia palude (-que ausgelassen); 36,9 extrema mors (iam in ausgelassen). 3,3b limine: vom Ritt zum Wandern am Ufer; 3,4 curvi molliter /.../ iter fabulis fallentibus: von der Reise zum Strandspaziergang; 30,1 novelli et vixdum hominis: vom Menschenopfer zum Säuglingsmord; 32,7a cognita: von der Immanenz zur Allwissenheit und Allgegenwart Gottes. 5,6 insano atque inepto labori; 9,2 vana et demens superstitio; 9,5 caecis occtätisque vulneribus. Vielleicht wäre hierzu auch die breite Epexegese von omnia mit caelestia terrenaque et quae extra istam orbis provinciam zu zählen, die das auch um cognita ergänzte omnia /.../ deo [...] pleno (32,7a) sperrt. Cf. oben 120 Anm. 4. 25,1 dedit auxit fundavit; 25,3 rapuit violavit inlusit; 30,1 caedat fundat exhauriat 7,4b repetere statt reposcere; 7,5 munera statt dona. Außerdem die Ausdehnung des imperium (6,2); die Bekränzung des Hauptes (12,6) und die Dioskuren (22,7). Für vergilisch gebrauchte Einzelausdrücke (etwa 1,1; 1,2; 4,5; 7,3) und szenische Anlehnungen unter Übernahme von Einzelstichworten (7,6; 23,8; 26,8; 27,1; 35,1; 32,7b.8) lassen sich keine einzelnen Veränderungen mehr beschreiben. Das zeigen vor allem BECKERS (Octavius 11) Untersuchungen zu den sprachlichen Adaptationen der Cicerozitate im Abschnitt über Thaies (19,4): Es "weichen die beiden Fassungen in der Tat nur stilistisch voneinander ab", Minucius Felix füge zwei chiastische Figuren hinzu, uzwei Verba sind geändert (quaerere in disputare, fingere in formare, letzteres mit Tempuswechsel)", de talibus rebus sei verdeutlicht durch caele-
11.2.3
Auswertung
173
Zwar wirken auch diejenigen Veränderungen am Zitatsegment, die primär der Prosifikation dienen, entmarkierend, da sie prosodische und diatypische Interferenzen beseitigen. In einigen Fällen scheint Minucius Felix aber darauf zu achten, daß das Zitat trotz der Verfremdungen noch erkennbar bleibt. Oft fügt er zu einem Element des Zitatsegmentes ein Synonym hinzu oder ersetzt es durch ein solches, wodurch trotz der Abweichung im Wortlaut die semantische Kontinuität gewährleistet wird.1 Außerdem bekommt an den Stellen, wo das Zitatsegment entweder in Kontaktstellung wiedergegeben2 oder um ein Stichwort ergänzt, das einen gedanklichen Bezug zum Prätext herstellt,3 oder dergestalt permutiert wird, daß ein solches Stichwort am Anfang steht4, die an sich entmarkierende Veränderung des Zitatsegmentes zugleich eine markierende Wirkung. Für einige Zitate läßt sich eine Markierung durch Position festmachen: In der einleitenden Szenerie am Meer (1,1—4,5) ist ein Dichterbezug zur Ausgestaltung des Proömiums und angesichts der dichterischen Thematik der Meeresschilderung zu erwarten, hinzu kommt die auffällige Dichte der Reminiszenzen5. Ähnliches könnte man von den exempla für die Bedeutung von Vorzeichen in der römischen Geschichte (7,3—6), für die Etymologie von Latium (23,11) und die historischen exempla (25,1.3) annehmen: Dort liegen durch die Thematik die Vergilreferenzen nahe und fallen durch ihre Häufung eher auf. Daneben könnte auch die große Anzahl von Zitaten aus dem sechsten Aeneisbuch6 deren Perzeption erleichtern, so wie auch umgekehrt vergilische Iterata — dreimal werden solche zitiert7 — leichter als Referenzen wahrgenommen werden dürften. Einen ausdrücklichen Hinweis auf die Vergilrezeption gibt Minucius Felix im Kapitel 19,2, wo er Vergil namentlich nennt, das wörtliche Zitat eigens einleitet (haec enim verba sunt) und den Leser zum intendierten Verständnis des Dichtertextes führt. Für den feurigen Unterweltsfluß bezieht sich Minucius Felix auf das Zeugnis der libri doctissimorum und der carmina poetarum (35,1), womit, wie der Fortgang zeigt, Piaton und Vergil gemeint sind. Mit illic (23,6) verweist Minucius Felix als Referenzpunkt für die Vorstellung von der Vulkanschmiede im Ätna auf einen Dichter. Daß an Vergil zu denken
1 2 3 4 5 6 7
stibtiSi uauch die Wortstellung differiert und die Aussage ist neu gegliedert.n — Diese von BECKER festgestellten sprachlichen Mittel (Synonymaustausch, Wechsel von Tempus bzw. Konstruktion, Verdeutlichung bzw. Erweiterung) sind ja auch in bezug auf Vergil zu konstatieren. Was die inhaltliche Adaptation angeht, faßt BECKER (Octavius 19) zusammen: 'Das Philosophenkapitel zeigt, daß sich die Änderungen nicht auf Details und nicht auf Formales beschränken. Minucius gibt dem ganzen Gedankengang eine neue Richtung und gliedert ihn von seiner eigenen Zielsetzung aus neu." So etwa 5,6;7,6; 9,2; 9,5; 22,5; 25,1; 39. 2,4; 3,3ab; 3,5; 3,6; 7,3; 7,4ab; 12,1; 12,6; 22,7; 23,11; 25,3; 35,1; 36,9. 5,10 pestifera; 22,5 Mercurius; 22,7 Castores; 23,6 Aeneae; 23,11 latebram; 25,3 alienas virgines (Sabinae wäre wohl zu deutlich gewesen); 27,1 oracula. 6,2 impenum; 7,4a Allia; 7,4b Parthos; 7,5 templis; 16,3 viam. Vor allem in der Passage 3,3—6. 5,6; 6,2; 16,3; 18,6 (?); 19,2a; 22,7; 26,8; 27,1; 32,7b.8; 35,1. 1,2: Aen. 1,660b = 7,355b; 35,2: Aen. 9,104b.l05 = 10,113b.ll4; 36,9: Aen. 2,447a = 11,846a.
174
II.2
Minucius Felix
ist, klärt die Erwähnung der Aeneae arma. Zumindest mittelbar markierend wirkt auch das in die Scheidewegsszene (16,3) eingeschobene ut fit, insofern es den typischen Charakter und somit auch den mögUchen metaphorischen Gehalt der Situation zu Bewußtsein bringt. Insgesamt gesehen ist der vergilische Einfluß bei Minucius Felix durch ein Nebeneinander von Präsenz und Latenz gekennzeichnet: Vergil wird zwar häufig zitiert, jedoch meist in einer Form, die nur für den gebildeten Vergilkenner wahrnehmbar ist. Auf diesen stimmt Minucius Felix seine Reminiszenzen ab und hält sie in einem Bereich der Deutlichkeit, der die Gegenwart des Klassikers an keiner Stelle vermissen und an keiner Stelle aufdringlich wirken läßt. Diesen Ton von Subtilität und selbstverständlicher Vertrautheit in den Vergilzitaten schafft Minucius Felix durch strenge Prosifikation und durch einen souveränen Umgang mit dem Instrumentarium der Markierung. Der Berührungspunkt mit Vergil liegt kaum je im augenfällig Sprachlichen — poetische Lexik wird durchweg vermieden —, sondern in der Struktur, also im Anzitieren des locus classicus, in der variierenden Reprise einer Junktur, in der geistreichen Anspielung auf eine vergilische Ausdrucksweise, in der gedanklichen Parallele und im Zusammenspiel der Kontexte, das an manchen Stellen eine zusätzliche Dimension des Folgetextes oder des Prätextes eröffnet. Doch warum bleibt Minucius Felix so konsequent auf der Ebene des NichtWörtlichen? Eine formale Erklärung liegt in der von HAGENDAHL herausgearbeiteten Unterscheidung zwischen einer wörtlichen und einer paraphrasierenden Zitiertechnik in der nachklassischen Kunstprosa: Der Octavius ist geprägt von einer strengen Beachtung der stilistischen und metrischen Gesetze forensischer Rhetorik. Und ganz im Gegensatz zu Laktanz, dem typischen Vertreter1 einer ausgiebigen wörtlichen Zitationstechnik, unterwirft sich Minucius Felix streng den Zitationsregeln für die Rede, die es verbieten, Verse in einem Prosakontext zu belassen. Er weicht also in diesem Punkt vom Vorbild der Ciceronianischen Dialoge ab, in denen ja die wörtliche Zitiertechnik überwiegt.2 — Daraus erklärt HAGENDAHL das auffällige Bemühen des Autors um einen ausgestalteten Prosarhythmus bei dem von Vergil übernommenen Gut. Hierzu gehören auch alle weiteren, die Syntax, Semantik und Lexik betreffenden Bemühungen der Prosifikation, die zu konstatieren sind: Sie entspringen alle der konsequenten Bemühung um Stileinheitlichkeit. 1 2
Methods 121: UI have taken Minucius Felix and Lactantius as typical representatives of opposite tendencies." u HAGENDAHL Methods 123*4.: In spite of all his Ciceronianism I think we have to credit him with another strong influence. Minucius was, as Lactantius and Hieronymus teil us, a famous lawyer in Rome. In fact, his dialogue is composed of two long pleas and certainly to a large extent reflects the Stile he used in the courts of law. Now, according to the literary theory, the inserting of verses into prose was generally considered as a fault, because it introduced heterogeneous elements and was contrary to the paramount rule of style. Literal quotations being disallowed, paraphrase became the prevailing expedient." HAGENDAHL
II.2.3 Auswertung
175
Zu diesem formalen Gesichtspunkt tritt ein zweiter, inhaltlicher Aspekt, der sich aus der Intentionalität und Zielgruppe des Werkes herleiten läßt: Der Octavius richtet sich an gebildete Leser aus der römischen Oberschicht, die mit Vergil vertraut sind. Das heißt, es genügt für den Apologeten, eine Junktur in ihrem Grundbestand wiederzugeben oder eine Episode anzudeuten, um vom Leser auch über den Folgetext hinaus bis in die Konnotationen des Präkontextes verstanden zu werden. Das nützt Minucius Felix aus, und er erreicht auf diese Weise zum einen natürlich — neben der eben schon erörterten formalen Einheitlichkeit — eine inhaltliche Straffung des rhetorischen und argumentativen Duktus. Denn anders als bei einem ausführlichen, antiquarischen Zitationsstil erfolgt die Berufung auf Vergil nebenbei, also ohne Einleitung und Ausführung eines dichterisch gestalteten wörtlichen Zitates, das eben nicht nur den Stil-, sondern auch den Gedankenfluß stören würde. Als zweiter Gesichtspunkt kommt dazu, daß ein eingeflochtenes, kaum erkennbares Zitat dem Leser das Vergnügen der Wiedererkennung von Bekanntem bereitet und ihm schmeichelnd die eigene Bildung vor Augen führt, während ein unnötig stark markiertes Zitat aufdringlich pleonastisch wirkt.1 Damit nimmt der Autor zwar in Kauf, daß nicht alle Referenzen von allen Lesern wahrgenommen werden, doch kann er zum einen, wie gesagt, die gründUche Kenntnis Vergils voraussetzen, zum anderen liegt im Grundtenor der subtil vergilisch geprägten Diktion ein größeres protreptisches Gewicht als in der einzelnen Reminiszenz. Denn drittens erwirbt sich Minucius Felix durch diese Subtilität der Referenzen einen entscheidenden Vorteil nicht nur, wie gezeigt, in stilistischer, sondern auch in literatursoziologischer Hinsicht: Beim Adressatenkreis handelt es sich um die gebildete Oberschicht, die nach Barbara ALAND dadurch charakterisiert ist, daß sie sich sozial nach unten abgrenzt, daß darin der Aufstieg durch Anpassung möglich ist, daß sie allein das private Schulwesen nutzt, da grammatische, rhetorische und literarische Bildung Angehörigen unterer Schichten keinen Vorteil bringen, und dort besonders mit der systemstützenden traditionellen Religiosität in Kontakt kommen.2 Indem Minucius Felix nun Reminiszenzen aus dem Schulautor Vergil ein1
Zu den Funktionen unmarkierter Intertextualität HELBIG 155—161. Im einzelnen unterscheidet HELBIG zwischen unmarkierten Zitaten, die (trotzdem) allen, die einem Teil des Publikums und die keinem Rezipienten erkennbar sind. Über den zweiten Fall führt er aus (158): "Indem sich ein Autor an ein literarisch vorgebildetes Publikum wendet, gilt es, diesem Publikum den ennui einer pleonastischen In forma tions vergäbe zu ersparen, bzw. ihm ein zusätzliches ästhetisches Stimulans durch gezielte Verrätseiung der Textoberfläche zu verschaffen/* — Genau das tut hier auch Minucius Felix. Eine solche Art von indirekten Zitaten findet HAGENDAHL (Latin Fathcrs300) auch bei Hieronymus. Sie bringen durch die Vielfalt der Assoziation und das Wiedererkennen ein wichtiges Element der Lebendigkeit in den Text (301): aThe hidden quotations contribute not a little to a richer colouring of the exposition, they call up a variety of associations and give the connaisseur the pleasure of recognition. They are still more expressive when they are inserted unexpectedly after a sentence in order to complete the writer's own Statement and bring it into relief."
2
ALAND 16—18.
176
II.2
Minucius Felix
flicht,1 rekurriert er auf den sozialdisktinktiven Bildungsfundus. Und indem er zugleich den für das religiöse und historische Selbstbewußtsein grundlegenden Nationaldichter zitiert, trifft er einen Ton, der beide, den christlichen Autor beziehungsweise Redner und den heidnischen Leser als Angehörige einer Bildungselite ausweist und verbindet. Dadurch entsteht eine Atmosphäre des entre nous. Außerdem erleichtert die vertraute Sprache dem Leser den Zugang zu den Inhalten.2 In diesem Zusammenhang ist die Subtilität der Anspielungen und die mit Strukturen vergilischer Diktion durchsetzte Sprache von besonderer Bedeutung: Gerade das unterschwellige Sichverstehen in Andeutungen und das Zitat, das der Leser zwar erkennt, das aber nicht aufdringlich wirkt und das demjenigen, der es wahrnimmt, die schmeichelnde Freude bereitet, die eigene klassische Bildung unter Beweis stellen zu können, eignet sich dazu, eine vertraute und exklusive Atmosphäre für den Rezipienten als Angehörigen der gebildeten Oberschicht zu schaffen. Darin kann die grundsätzliche Reserviertheit gegenüber christlichem Gedankengut überwunden werden, da dieses zumindest via Sprache schon diskutabel und somit letztlich akzeptabel geworden ist. Es kommt Minucius Felix nicht allein darauf an, dem Leser vergilische Sentenzen als Argumente für das Christentum vorzuführen, sondern überhaupt auf eine gebildete und urbane, das heißt den Leser ansprechende Diktion, zu der eben die Reminiszenzen einer gründlichen Bildung anhand der Klassiker, darunter Cicero und Vergil, gehören. 2.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Eine wichtige Beobachtung ermöglicht schon ein erster Blick auf die Stellenangaben der erörterten Zitate: In manchen Passagen des Dialoges nämlich sind zahlreiche und deutliche Parallelen anzutreffen, in anderen wiederum kaum eine. Daraus ergeben sich zwei Schlußfolgerungen: Erstens verteilt Minucius Felix die Zitate offensichtlich nicht in einem stilistischen Automatismus der rhetorischen Dichter- imitatio gleichmäßig und unterschiedslos über das Werk, sondern setzt sie gezielt ein. Demnach sind zweitens Dichte und Art der Zitate im Zusammenhang mit dem jeweUigen Argumentationskontext zu sehen. Gerade in den Einleitungskapiteln (1—4) bemüht sich Minucius Felix um eine besonders ansprechende Gestaltung und greift daher recht häufig auf klassische Vorbilder zurück: Der erste Satz ist nach Cicero und Vergil gestaltet, 3 in den ersten Kapiteln finden sich einzelne dichterische Ausdrücke. Vergilische Elemente prägen vor allem die kunstvolle Ausgestaltung der Szenerie am Meer (3,3—6; 4,5). Die Topik der poetischen Schilderung der stürmischen See wird hier in das idyllische Bild des sachte an einem flachen 1 2 3
Zur Bedeutung der Zitate von Autoren aus dem schulischen Kanon ALAND 18 Anm. 45. Grundsätzlich zum esoterischen Charakter unmarkierter Intertextualiät HELBIG 88— 91. Siehe oben (114) zu Min. Fei. 1.1.2.
II.2.3
Auswertung
177
Sandstrand auslaufenden Wassers umgewandelt. Die dadurch intertextuell betonte Ambivalenz des Meeres könnte in der Dramaturgie der Dialogeinleitung vielleicht bewußt eingesetzt sein, um den unter den Gesprächspartnern seit dem Gruß an die Serapisstatue (2,4) und der darauf bezogenen Bemerkung des Octavius (3,1) sich aufbauenden Konflikt vorzubereiten. In erster Linie jedoch liefert die Meeresschilderung den von der Gattung geforderten locus amoenus als Schauplatz des Dialogs. Hinzu kommt die werbende Funktion eines color Vergilianus in den ersten Kapiteln. Denn gerade die Einleitung stellt einen besonders kritischen Punkt im apologetischen Schrifttum dar, da hier die grundlegende Andersartigkeit und Divergenz von paganem und christlichem Denken sowie der soziale Hiat zwischen dem Autor, der als Christ zu einer asozialen Randgruppe gehört, und dem gesellschaftlich etablierten Leser überwunden werden muß.1 Hierzu verwendet Minucius Felix gezielt das Mittel der an den Klassikern orientierten Sprache2 und beweist zunächst, daß die Schrift in Gelehrsamkeit und Stilistik den Ansprüchen der Leser genügt. Dazu kommt gewiß die Absicht einer captatio benevolentiae und Einstimmung: Hat sich die Schrift am Beginn einmal als niveauvoll und gleichsam geistig ebenbürtig erwiesen, wird der Leser auch Ungewohntes oder Kritisches eher akzeptieren. Wenn der Apologet schon am Anfang den Leser davon überzeugt, anspruchsvolle Literatur vor sich zu haben, wird jener auch später das jeder geistigen Auseinandersetzung mit dem Christentum hinderliche Vorurteil der Unbildung und Primitivität dieser Religion und ihrer Anhänger eher ablegen und, bevor die Rede darauf kommt (5,4; 16,5$g.), vielleicht schon überwunden haben. Die Austragung des Konfliktes im Dialog beginnt mit der Rede des Heiden Caecilius, der zunächst (5,1—7,6) seine religiöse Anschauung vorträgt, dann (8,1—12,6) zur Kritik am Christentum übergeht und schließlich (13,1—4) zu dem Ergebnis kommt, man müsse sich vor solch definitiven Aussagen hüten, wie sie das Christentum treffe. Im ersten Teil der Rede findet sich in der Darstellung des Agnostizismus (5,6) und der vom Zufall bestimmten Welt (5,10) jeweils eine deutliche Vergilreminiszenz. Dadurch wird es dem gebildeten Leser erleichtert, sich mit der Figur des Caecilius zu identifizieren, der sich als sozial ebenbürtig und als kluger Vertreter der antichristlichen Position zu erweisen scheint. Vielleicht aber könnte man im Hinblick auf jene Konversion am Ende des Dialoges in den Zitaten gesuchte Inkongru1 2
Dazu grundlegend Rizzi Ideologia 3—21; Amicitia 248. Dazu Rizzi Ideologia 154: "L'intarsio testuale e il procedere per citazioni, palesi — o velate — allusioni. contaminatio di fatti e motivi tra loro originäriamente distinti, caratteristici del proemio öe\V Octawus, vanno dunque interpretati come strumenti volti alla costruzione di una unitä artUrtica ispirata da precisi modeili del genere dialogico; non perö mezzi fini a se stessi, ma altresl ricercando e riconoscendo nel loro uso anzitutto la preoccupazione di permettere al lettore non cristiano l'accesso al testo — che viene ad essere cosi percepito come appartenente ad una tradizione letteraria nota ed apprezzata — e di communicargli contenuti specifici, che si riveleranno caratterizzanti per lo scopo di Minucio."
178
II.2
Minucius Felix
enzen der von Caecilius vorgetragenen Argumentation erkennen. In beiden Fällen nämlich sagt der Präkontext eigentlich das Gegenteil des Gedankens im Folgetext aus: Aeneas muß in die Unterwelt hinabsteigen und handelt nicht aus Selbstüberschätzung (5,6), das fatum und nicht der Zufall zwingt die TYojaner durch den Ausbruch einer Pestepidemie zur Weiterfahrt (5,10). Aus der Unsicherheit der Erkenntnis und der Kontingenz der Welt folgert Caecilius, man müsse strikt an der Überlieferung festhalten. Die Argumente, dafi in diesem Traditionalismus Roms Größe begründet liege (6,2) und daß die Geschichte immer wieder die Bedeutung der Vorzeichen und der Mantik erwiesen habe (7,3—6), werden durch Vergilzitate unterstrichen, was bei den exempla der Allia- und Partherniederlage (7,4ab) besonders deutlich wird.1 In diesem thematischen Bereich der römischen Geschichte und Religion liegt ein Vergilbezug inhaltlich nahe, und indem Minucius Felix diese Lesererwartung erfüllt und diese Zentralthemen römischen Selbstbewußtseins darstellt comme il faut, legt er wieder Ehre ein als gebildeter und daher glaubwürdiger Autor. Vor allem aber soll eine solche Argumentation den Adressaten, den Angehörigen der konservativen, gebildeten Oberschicht, authentisch erscheinen und die Identifikation mit der Figur des Caecilius erleichtern.2 Diese Identifikation mit dem Dialogteilnehmer macht den Leser dann zugänglicher für dessen späteres Umdenken.3 In der Benutzung paganen Bildungsgutes an dieser Stelle ist zugleich der Vorstellung die Spitze genommen, die christliche Ablehnung des Staatskultes entspringe einer atheistischen Haltung, also dem Rückfall in Unzivilisiertheit und Primitivität4. In seiner Vergilbenutzung orientiert sich Minucius Felix hier also zum einen an seiner Zielgruppe und zeigt zum anderen, daß die Christen wohl vertraut sind mit dem, was Wenn letztere übrigens aus der Rückschau vom Sieg über die Parther her geschildert wird, liegt darin nicht nur ein Kunstgriff, um die vergilische Reminiszenz unterzubringen, sondern ebenso ein Rekurs auf römischen Nationalstolz in vergilischer Formulierung wie bei der Darstellung der Größe des imperium (6,2). Die Adressatenausrichtung der Caeciliusrede — des ersten Auftritts eines heidnischen Unterredners in der christlichen Literatur — benennt ALAND (22) als Grund für die Anlehnung an die Ausführungen des Cotta in Ciceros de natura deorum: uDie Rede des Heiden muß in erster Linie lebenswahr sein, d.h., die angesprochene Leserschicht muß sich darin wiederfinden können, selbst wenn sie mit dem einen oder anderen Argument im einzelnen nicht übereinstimmen." Hier muß berücksichtigt werden, daß der Sinneswandel des Caecilius am Ende des Werkes gewiß nicht als echte Bekehrung zum christlichen Glauben, sondern als Öffnung für dessen Inhalte zu verstehen ist, daß damit also gattungstypisch nur der Erfolg des protreptischen Dialoges markiert wird, wie C. SCHÄUBLIN, Konversionen in antiken Dialogen?, in: ders. (Hg.), Catalepton. FS B. WYSS, Basel 1985, 116—131, herausarbeitet. So ist daher nicht an einen Bekehrungsakt, sondern nur an die Revision bestimmter Ansichten zu denken. Deswegen spielen in diesem Prozeß die rationale Argumentation und die rhetorische Überzeugungskunst, nicht die subjektive Stringenz und historische Wirklichkeitsnähe der vorgeführten heidnischen Position die entscheidende Rolle. Die Figur des Caecilius ist also weniger als individuelle Persönlichkeit gezeichnet, sondern so, daß der Leser für sich selbst allenthalben Anknüpfungs- und Identifikationspunkte findet, möglichst bis hin zum eigenen Sinneswandel gegenüber dem Christentum. Dazu NESTLE 65—71.
II.2.3
Auswertung
179
sie ablehnen. Der zweite Teil der Caeciliusrede (8,1—12,6) hingegen enthält deutlich weniger Vergilreminiszenzen. Der VergilrückgriflF beschränkt sich auf schlagwortartige Wendungen, die keinen inhaltlichen Bezug zum Vergiltext herstellen, teilweise der Semantik des Präkontextes sogar widersprechen: So sind 9,2 vana [...] superstitio und 12,1 cassa vota im Prätext gerade negiert, 12,1 caecis /.../ vulneribus und 12,6 caput nectitis weichen im Gebrauch ab. Denn, so muß man daraus folgern, zwischen der heftigen Polemik und den vulgären Vorurteilen, die in diesem Abschnitt zur Sprache kommen, kann Vergil, können feinere römische Bildung und Kultur, kann am Klassiker geschulte stilistische Finesse kaum einen Platz finden. Erst der Christ bezieht sich wieder auf den römischen Nationaldichter: Gleich in der Einleitung seiner Rede (16,3) spielt Octavius auf die Scheidewegsszene der vergilischen xax&ßaoi? an und liefert damit eine metaphorische Deutung der Situation des Heiden am bimum seines Lebens. Im Rekurs auf Aeneas am Scheideweg zwischen Elysium und Tartarus eröffnet sich hier eine zusätzliche, ins Eschaton ausgreifende Dimension des Folgetextes. Vielleicht kann man diese Reminiszenz komplementär verstehen zur Warnung des Caecilius vor dem Versuch, zu Gottes- und Welterkenntnis zu gelangen (5,6), die sich ja an die Worte der Sibylle über die Schwierigkeit des Unterweltsganges (Aen. 6,135 insano iuvat indulgere labori) anlehnt. In diesem Fall stünde hier auf einer intertextuellen Ebene der Weigerung des Heiden, sich auf die Mühen und Unsicherheiten der Frage nach Gott einzulassen, die Einsicht gegenüber, daß ihm die Konfrontation mit dem Christentum eine Entscheidung abnötigt.1 Im ersten Hauptteil seiner Rede (17,3—20,1) beruft sich Octavius auf die natürliche Gotteserkenntnis, mit deren Hilfe man zu den christlichen Glaubenseinsichten gelangen kann, daß Providentia mundus regitur und unius dei nutu gubematur (20,2). In diesem Kontext kommt den poetae und insbesondere Vergil ein eigener Platz in der Gliederung der Argumentation zu: Zunächst (17,3—18,4) wird aus der Betrachtung der Weltordnung, aus dem Kreislauf der Natur, aus der Funktionalität des menschlichen Körpers und aus der Einteilung der Erde auf die Providentia geschlossen, dann (18,5—18,7) aus dem Zusammenleben der Menschen, das ohne eine monarchische Ordnung in Zwietracht versinkt, auf das imperium unius als Grundprinzip. Abgeschlossen (18,8sq.) werden diese Folgerungen aus den irdischen Verhältnissen durch einen Hinweise auf die Größe Gottes, Für eine solche Interpretation spricht jedenfalls die strukturelle Entsprechung der beiden Vergilreminiszenzen 5,6 und 16,3: Beide stellen die ersten Vergilrückgriffe der jeweiligen Reden dar, beide sind zwar nicht unübersehbar, aber für den Vergilkenner deutlich, beide beziehen sich auf eine Szene aus der xotidßaoic des Aeneas. Außerdem greift die Argumentation hier ja ausdrücklich die agnostischen Positionen vom Anfang der Caeciliusrede auf. Träfe diese Beobachtung zu, so läge hier in nuce eine allegorische Deutung des descensus ad inferos des Aeneas auf den Bekehrungsprozeß zugrunde, und zwar einerseits in bezug auf die Mühen und Anstrengungen bei der Frage nach Gott, die der Mensch auf sich nehmen muß wie Aeneas den insanus Labor des Weges in die Unterwelt, andererseits in bezug auf die individuell-eschatologische Dimension der Entscheidungssituation desjenigen, der mit dem Christentum in Kontakt kommt.
180
II.2
Minucius Felix
die menschUches Begreifen übersteigt. Es folgt die Argumentation aus dem consensus (18,10—20,1). In Anlehnung an die bereits von TertuUian als apologetisches Gliederungschema herangezogene theologia tripartita1 wird auf das Zeugnis von vulgus (18,1059-), poetae (19,15?.) und philosophi (19,3— 15) eingegangen. Dabei vertreten die Dichter freilich weniger eine spezifisch mythologische Theologie, als daß sie vom volkstümlichen zum philosophischen Gottesbegriff überleiten. Zunächst nämlich (19,1) wird mit zwei auf Homer zurückgehenden, später häufig aufgegriffenen Zitaten die monarchische Ordnung des volkstümlichen und epischen Götterhimmels (unum patrem divum atque hominum) und die Lenkung der menschlichen Geschicks durch den höchsten Gott (talem esse mortalium mentem, qualem parens omnium diem duxerit) angeführt. Während dies allgemein den poetae zugewiesen wird und kaum über die Alltagsweisheit hinausgeht, vollzieht sich mit der folgenden (19,2) namentlichen Einführung Vergib der Übergang zu einer Dichterpersönlichkeit und in die Sphäre der philosophischen Reflexion des Gottesbegriffs. Denn was an Vergilischem zitiert wird, sind poetische Formulierungen einer orphisch-pythagoreisch, platonisch und vor allem stoisch inspirierten Weltseelenlehre, die durch die Wahl der wiedergegebenen Textausschnitte, durch Kürzungen und beigegebene Deutungen, vor allem die betonte Gleichsetzung von mens, Spiritus und dexis, im Sinne eines christlichen Monotheismus und der christlichen Lehre von Gottes Erschaffung und vorsehender Erhaltung der Welt verstehbar wird. Im Grunde gehört Vergil also schon in den folgenden Katalog der Philosophen (19,3—15), deren Aussagen ebenfalls dadurch einem christlichen Zugang eröffnet werden, daß zentrale Begriffe, vor allem mens, ratio, animus, als Ausdrücke für den erschaffenden und in der Schöpfung waltenden detts erklärt werden. Die Art und Weise, wie Minucius Felix die Dichter und insbesondere Vergil in seine Argumentation einbezieht, zeigt stoische Einflüsse. Sowohl in den Gottesbeweisen wie im consensus-Argument greift Minucius Felix hier auf Vorgaben der Stoa zurück, wie überhaupt das frühe Christentum in diesen Bereichen öfter Anknüpfungspunkte findet.2 Die Stoa liefert sowohl das Vorbild für die Argumentation mit den poetae, vor allem aber mit Vergil, als auch insofern die inhaltUchen Voraussetzungen, als Minucius Felix einerseits auf stoisch rezipierte (19,1), andererseits auf stoisch beeinflußte (19,2) Äußerungen der Dichtung zurückgreift. Hinzu kommt eine weitere Funktion, die die Vergilzitate in der protreptischen Ausrichtung des Werkes erfüllen: Wenn hier Tert. nat. 2,1,10 Triplici enim genere deorum censum distinxit (sc. Varro]: unum esse physicum, quod philosophi retractantt aliud mythicum, quod inter poetas volutatur, tertium gentile, quod populi sibi quique adoptaverunt. Zur Mittlerfunktion stoischer Dichterbenutzung oben 149 und allgemein unten 186 Anm. 1. Gerade im Gottesbeweis e consensu gentium kann die christliche Apologetik auf stoische Argumentationsmuster zurückgreifen, dazu H.-J. HÖRN, 'Gottesbeweis', RAC 11 (1981) 967—969; G. VERBEKE, Les stofciens devant les croyances religieuses: L'argument du consensus, in: Valeure dans le stoicisme. Textes rassembles en hommage a M. SPANNEUT par M. SOETARD, Lille 1993, 9—29.
II.2.3 Auswertung
181
nämlich Übereinstimmungen von heidnischer Dichtung und Philosophie mit den grundlegenden Daten des Christentums erwiesen werden, so liegt darin natürlich auch eine Widerlegung des zu Beginn beider Reden (5,4 und 16,5) behandelten Vorwurfs ungebildeter Anmaßung (5,4). Da dieser Einwand angesichts seiner Zielgruppe für Minucius Felix von besonderer Bedeutung ist, wird diesem Vorurteil doppelt begegnet: Zunächst in einer direkten Argumentation (16,55?.), Armut und Ungebildetheit könnten der Wahrheitsfindung unter Umständen sogar förderlich sein, dann aber nochmals im Kapitel 19, indem nämlich gezeigt wird, daß jene Lehre, verrufen als Verirrung von ungebildeten Proletariern, in ihren Grundlagen dem entspricht, was die größten heidnischen Denker sagen. Allein aus solcher Argumentation selbst erwächst dem Apologeten die vielleicht griffigste Widerlegung: Das Christentum kann sehr wohl gewandt mit Formen und Inhalten heidnischer Bildung umgehen, ja sie sich gar zu eigen machen. Wenn dann Octavius in einem zweiten Hauptteil seiner Rede (20,1—38,4) zunächst (20,2—27,8) die heidnische Religiosität kritisiert, finden sich vereinzelte vergilische Formulierungen über pagane Götter, über Merkur (22,5) und die Dioksuren (22,7) eingestreut, die der Darstellung Authentizität verleihen. Deutlicher wird die Auseinandersetzung mit der paganen Dichtung im allgemeinen und mit Vergil im besonderen im Kapitel 23, wo sich der Christ unter dem Gesichtspunkt der pädagogischen Wirkung und der historischen veritas der mythischen Überlieferung, die euhemeristisch gedeutet wird, auseinandersetzt. Zunächst (23,1—8) wendet sich Minucius Felix gegen die dichterische Mythologie, die vor allem in der Schullektüre begegne, und hebt die Schädlichkeit ihrer anstößigen Göttergeschichten hervor. Dabei beruft sich der Apologet auf Piaton und dessen Ablehnung Homers. Unter die vornehmlich aus Ilias und Odyssee stammenden Beispiele unwürdiger Mythen setzt Minucius Felix dann (23,6) den nur mit illic markierten Hinweis auf die Schmiede im Ätna, wo für Jupiter die Blitze verfertigt würden — eine schon von Cicero angeprochene abergläubische Vorstellung, hier aber durch einen Zusatz über die Waffen des Aeneas auf Vergil bezogen. Nach dieser Mythenkritik unter pädagogischen Gesichtspunkten wendet sich Minucius Felix der historischen veritas (23,8) der Mythologie zu: Wiederum unter Berufung auf pagane Autoren (23,9) zieht er aus den fast wörtlich wiedergegebenen vergilischen Etymologien von Latium als Versteck des Saturn, Saturnia und Ianiculum (23,11) den Schluß: homo igitur utique qui fugit, homo utique qui latuit, et pater hominis et natus ex homine. Es folgen weitere euhemeristische Argumente (23,1259.). In diesen beiden Schritten der Mythenkritik, dem pädagogischen und dem historisch-euhemeristischen, spielt Vergil eine tragende, aber stumme Rolle: Einerseits nämlich erhält durch die Vergilreferenzen die Argumentation ihre spezifische Ausrichtung auf den römischen Leser, andererseits aber wird Vergil weder erwähnt noch steht er im Mittelpunkt der Argumentation. Dann finden sich wieder vergilische Reminiszenzen, wenn ein fictus interlocutor auf die Frömmigkeit als Ursache der Größe Roms hinweist (25,1)
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II.2
Minucius Felix
und wenn in der Widerlegung der Raub der Sabinerinnen unter den Freveltaten in der römischen Geschichte (25,3) angeführt wird. Dem entsprechen in der Caeciliusrede die Vergilzitate bei der Einführung des Gedankens, daß von der römischen Gottesverehrung die Ausbreitung des imperium abhänge (6,2), und bei der Aufzählung historischer exempla für zutreffende Auspizien im Kapitel 7. Mit seiner vergilisch ausgestalteten Romkritik greift Octavius hier also die Argumentation des Caecilius mit der römischen Tradition auf.1 Im weiteren Verlauf der Octaviusrede (Kapitel 26—38), in der christliche Positionen gegen pagane Kritik verteidigt und dargelegt werden, sind an drei Stellen Vergilzitate zur Formulierung christlicher Lehre herangezogen: Im Zusammenhang der Dämonologie (Kapitel 26—28) wird der Fall der Spiritus, die durch den Kontakt mit dem Irdischen zu bösen Dämonen werden, erklärt unter Verwendung der vergilischen Ausführungen über die Verunreinigung der animae bei der Inkarnation (26,8). Dem Einwand, Gott nehme das Geschehen auf der Welt und das Handeln der Menschen gar nicht wahr, wird Gottes Allgegenwart und Allwissenheit entgegengehalten und mit Hilfe vergilischer Theologumena formuliert (32,7sq.). Schließlich beruft sich der Christ für die Darlegung der christlichen Höllenvorstellung ausdrücklich auf Piatons und Vergib Zeugnis von einem feurigen Unterweltsstrom (35,1 sq.), wodurch auch Caecilius' Vorwurf implizit widerlegt wird, dem christlichen Auferstehungsglauben liege das naive Mißverständnis bestimmter Mythen zugrunde (ll,8sg.). 2 Vergilische Formulierungen dienen an diesen drei Stellen also dazu, dem paganen Leser christliche Lehren zu vermitteln. Vergilische Inhalte jedoch werden nur an der letzten der drei genannten Stellen aufgegriffen, an den ersten beiden Stellen macht sich der Apologet eher die Möglichkeiten vergilischer Sprach- und Denkstrukturen zunutze, um christliches Gedankengut dem Leser in angemessener Form nahezubringen. Dazu kommen in dem betreffenden Abschnitt noch einige Zitate geringeren argumentativen Gewichts, die nichtsdestoweniger absichtsvoll gesetzt sind: Im Rahmen der dämonologischen Ausführungen (Kapitel 26—28) orientiert sich eine Formulierung für die falschen Orakel an der vergilischen Sibyllenschilderung (27,1), also an einem locus classicus zum Thema Mantik. Die vergilische Junktur in der retorsio des auf die Dämonen zurückgeführten Vorwurfs von den Thyestischen Mahlzeiten (30,1 sanguinem caedere) entspricht strukturell derjenigen bei der erstmaligen Erwähnung dieses Greuelmärchens in der Caeciliusrede (9,5 caecum vulnus). Wenn schließlich in der Erklärung für die Leidensbereitschaft das vergilische extvema mors anklingt (38,9), so ist die Assoziation mit dem im Epos verherrlichten Opfermut der Heroen gesucht. In der gesamten Octaviusrede sind die Vergilreminiszenzen, im Vergleich Auf diese angesichts der durchgängigen Ausrichtung auf die staatstragende 'politische Klasse* bemerkenswerte "uneingeschränkt ablehnende Haltung gegenüber Rom und seiner Weltherrschaft" weist E. HECK, Minucius Felix und der römische Staat, VChr 38 (1985) 154—164, hier 158, hin. So schon BECKER Octavius 53.
II.2.3
Auswertung
183
zu den Einleitungskapiteln, offensichtlich etwas weniger häufig, dafür aber sorgfältig plaziert: Während bis zum Beginn der Christenrede der color Vergilianus überwiegt, sind für die Kapitel 16 bis 38 zum einen eher Zitate, Paraphrasen und mancherorts recht hintergründige Anspielungen1 charakteristisch, oft gekennzeichnet von dem Bestreben, die Nähe theologischer Aussagen bei Vergil zur christlichen Lehre besonders herauszustellen, wobei stoisches Gedankengut oft den Brückenschlag erleichtert.2 Zum anderen wird auf Vergil auch als Quelle verwiesen, wenn es um exempla aus Geschichte und Mythologie geht.3 Auffallend ist ferner die Korrespondenz mancher Vergilzitate in der Caecilius- und in der Octaviusrede: Bei der Beantwortung eines Vorwurfe, der zunächst unter Verwendung eines vergilischen Ausdruckes formuliert war, erscheint wiederum eine Reminiszenz.4 Der Agon der beiden Unterredner vollzieht sich also auch auf der Ebene der Vergilbenutzung. Sorgfältig ist auch die letzte Vergilreminiszenz in den Kontext gesetzt (39): Nach der Rede des Octavius schildert Minucius Felix das Verhalten der Zuhörer in vergilischer Formulierung, die in der Aeneis für die Spannung der in Karthago Versammelten vor Aeneas' großer Rede steht. Indem der Apologet freilich die Wendung an das Ende der Octaviusrede stellt, verleiht er der Nachwirkung der Christenworte ein besonderes Gewicht und lenkt den Blick des Lesers auf den Sinneswandel des Caecilius.
2.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Betrachtet man die Vergilstellen, die Minucius Felix zitiert, werden einige Schwerpunkte erkennbar: Aus den Eklogen und den Georgika entnimmt er wenig, die meisten Reminiszenzen stammen aus der Aeneis. Hier wiederum zieht er das sechste Buch vor, vieles kommt aus dem siebten, ersten und achten, einiges aus dem zehnten, elften und zwölften Buch. Im Mittelpunkt stehen diejenigen Bücher, die die römische Herrschaft begründen, und diejenigen, die die Ankunft in Latium schildern. Die Aeneis kommt also in erster Linie als das Nationalepos in den Blick, freilich mit deutlichem Schwerpunkte bei der theologisch-philosophischen Diktion. Näherhin lassen sich folgende thematische Schwerpunkte bei den Zitaten ausmachen:5 1. Typisch epische Motive, nämlich Darstellungen des stürmischen Meeres und eines Kampfgeschehens, werden in den Dialog übertragen im Zu1 2 3 4 5
Cf. 16,3; 25,3; 28,6; 32Jsq.\ 35,lsg. Besonders 19,2; 32,7sq.; 35,1 sq. Besonders 22,7; 23,6.11; 25,3.10; 27,1. Besonders 6,2 und 25,1; 7,4 und 25,3; 9,5 und 30,1. Bei den vergilisch verwendeten Einzelausdrücken revocare (1,1) und implicare (1,2) ist eine thematische Zuordnung nicht möglich.
184
11.2
Minucius Felix
sammenhang mit dem Strandspaziergang und zur emphatischen Ausgestaltung verwendet.1 2. Sachverhalte aus der römischen Religion und der römischen Geschichte werden in ihrer vergilischen Formulierung wiedergegeben. Hierher gehören historische und mythologische Episoden wie die Allianiederlage (7,4a) oder das Wirken von Saturn in Latium (23,11),2 grundlegende Äußerungen über die gottgewollte Größe Roms (6,2; 25,1) und religiöse Terminologie wie die vielzitierte vana superstitio (9,2)3. 3. Insbesondere finden sich zahlreiche Berührungen mit Themenkreisen aus dem sechsten Aeneisbuch, nämlich zur Darstellung der Sibylle (7,6; 27,1), zur Unterweitschilderung (5,6; 16,3; 35,lsg.) und zu den Einleitungsversen der kosmologischen Anchisesrede (19,2; 26,8; 32,7sg.),4 zu denen dann inhaltlich vergleichbare Zitate aus anderen Vergilpassagen kommen. Minucius Felix zitiert die Aeneis also einerseits, um den rechten, den klassischen Ton römischen Nationalbewußtseins in Geschichte und Religion zu treffen. Andererseits stellt sie auch den Ausgangspunkt für eine weitergehende inhaltliche Auseinandersetzung dar: Neben dem Rekurs auf die Unterweltsschilderung zieht Minucius Felix vor allem Kernstellen vergilischer Kosmologie und Theologie heran als Vorbild in der Formulierung und als argumentativen Anknüpfungspunkt. Hierin liegt zum einen ein Kalkül mit dem konservativen und gebildeten Leser aus der Oberschicht, für dessen historisches und soziokulturelles Bewußtsein gerade die häufiger zitierten Aeneisbücher grundlegend sind. Zum anderen scheint Minucius Felix aber den Anfang der kosmologischen Anchisesrede (Aen. 6,724599.), den er offenbar als erster rezipiert, auch persönlich zu schätzen. 2.3.4
Vergil bei Minucius Felix: Funktion und Bewertung
Zwar zitiert Minucius Felix eine Reihe weiterer Dichter neben Vergil5 und kombiniert Reminiszenzen unterschiedlicher Provenienz6, doch ist Vergil für 1 2
3 4 5 6
Meer: 2,4; 3t3abcd; 3,4; 3,6; c/. 3,5; 4,5; Kampf: 9,5; 36,9. Eine epische Atmosphärenschilderung wird auch für die Darstellung der Zuhörerreaktion (39) herangezogen. Außerdem die Pest auf Kreta 5,10; der Dioskurenritt 7,3; die Partherniederlage 7,4b; die Bürgerkriege 18,6; die Vulkansschmiede und der Raub der Sabinerinnen 25,3; im weiteren Sinne die Darstellung des Merkur (22,5) und der Dioskuren (22 J). Außerdem über den Kult: 7,5; 12,6; 30,1. Auf die Anchisesrede beziehen sich auch die Zitate 6,2 und 18,6 (?). Dazu oben 108sqq. 3,3 episch-breit anmutende Schilderung des anbrandenden Meeres; 5,6 Warnung vor der Selbstüberschätzung (Verg. Aen. 6,135 insano iuvat indulgere labori; Hör. carm. 1,22,11 terminum curia vogor expeditis); 37,9 Warnung vor den Gefahren, die dem Mächtigen drohen (Laber. mim. frg. 126 necesse est multos timeat quem multi timent; Sen. Herc.
II.2.3 Auswertung
185
Minucius Felix weit mehr als nur ein Dichter unter vielen: Er wird nicht nur häufiger, sondern auch mit einem engeren inhaltlichen Bezug1, überdies als einziger wörtlich zitiert. Kennzeichnend ist dabei das Nebeneinander der Präsenz und der Latenz der Vergilzitate im Octavius. Die Referenz auf den Prätext beruht meist auf sprachlichen oder gedanklichen Strukturen, nicht auf poetischer Lexik. Damit kommt Minucius Felix zum einen der Forderung nach Stileinheitlichkeit in der Kunstprosa nach, zum anderen erzeugt er durch die Subtilität der Vergilbezüge einen geistreich-urbanen Ton, der gerade den gebildeten Leser aus der Oberschicht einspricht, dessen historisches, soziokulturelles und religiöses Selbstverständnis durch das Werk des römischen Nationaldichters maßgeblich geprägt wird. Zu dieser Leserausrichtung gehört ebenso, daß die meisten Zitate aus der Aeneis stammen und unter diesen wiederum die für das Nationalepos charakteristischen Passagen und Themen eine besondere Rolle spielen. Das gilt insbesondere für das sechste Aeneisbuch, das auch für theologische Inhalte herangezogen wird, und darin wiederum vor allem für die offenbar von Minucius Felix erstmals rezipierte kosmologische Anchisesrede (72Asqq.). Bewußt und absichtsvoll geht Minucius Felix auch bei der Ausnutzung der argumentativen Funktion der Zitate in der Gedankenführung des Dialoges vor. Bemerkenswert ist hier zunächst die protreptische Verwendung zur captatio in den Einleitungskapiteln, zur Erleichterung der Identifikation des Lesers mit dem Vertreter der paganen Position und zur Erreichung von Authentizität. Vielleicht setzt Minucius Felix auch manche Finessen ein, etwa die Doppeldeutigkeit mancher Zitate in der Heidenrede,2 die Verklammerung von Caecilius- und Octaviusrede durch Reminiszenzen an den strukturell entsprechenden Stellen3 oder schließlich die tiefgründige Deutung der Entscheidungssituation des Heiden durch die Parallele zu Aeneas am Scheideweg zwischen Elysium und Tartarus (16,3). Entscheidend aber ist, daß Minucius Felix auch ausdrücklich mit Vergil argumentiert: Zum einen beruft er sich auf die natürliche Gotteserkenntnis des Dichters (19,2), dessen Zeugnis er gegenüber dem der anderen hervorhebt und das er durch Paraphrase, Auslassungen, Auswahl und Textzusammenstellung in einer Form präsentiert, die im Sinne christlicher Gottes- und Schöpfungslehre lesbar ist. Zum anderen wird Vergil neben Piaton als paga-
1
2 3
O. 6Ö7sq. cum tot populis stipatus eas / in tot popults vix una fides\ zur Formulierung auch Verg. Aen. 1,497; 4.136 magna stipante caterva). Außerdem gehört hierher 19,1 sq. Zählt man einfach, wie es etwa G.W. CLARKE, The Literary Setting of the Octainus of Minucius Felix, JRH 3 (1965) 195—211. hier 205, tut, die Belege im Similienapparat bei WALTZING, SO scheint Vergil mit 34 Parallelen nicht wesentlich öfter aufzutauchen als etwa Ovid (25), Terenz (21), Juvenal (11) usw.; doch zeigt eine Überprüfung der Stellenangaben rasch, daß es sich meist um nur ganz allgemeine Inhaltsparallelen oder vergleichbare grammatische Phänomene und nur selten um wirkliche Reminiszenzen handelt, wohingegen sich das vergilische Material erstaunlich oft, wie oben gesehen, in eine engere Beziehung zum Text der Apologie setzen läßt. Dazu oben 178. Daß die Caeciliusrede generell auf Widerlegbarkeit hin angelegt ist, weist ALAND (22sq.) nach. Dazu oben 179 Anm. 1.
186
II.2 Minucius Felix
ner Beleg für die Vorstellung von einem feurigen Ort der Strafe im Jenseits (35,1 sq.) ins Feld geführt. An diesen beiden Stellen steht der poeta Vergil neben den philosophi und wird, was seine Theologie und Kosmologie angeht, als ein Philosoph behandelt. Damit folgt Minucius Felix dem Muster der paganen, vor allem der stoischen Philosophie für die Verwertung von Dichterzitaten im philosophischen Diskurs.1 Auch die Kritik an den anstößigen Dichtermythen bleibt im Rahmen dessen, was das antike Denken vorgibt, und betrifft Vergil nur marginal (23,6). Da nun aber Vergil nach dem Muster philosophischer Dichterbenutzung und als Philosoph rezipiert wird, ist bemerkenswert, daß Minucius Felix den letzten und beispielsweise in der Stoa üblichen Schritt2 zur Allegorese nicht tut. Zwar bietet er die Vergilbelege so dar, daß die Berührungspunkte in der Vorstellung von einem in der Welt waltenden Schöpfergott oder von einem Höllenfeuer greifbar werden und die theologischen Divergenzen, etwa zwischen Monotheismus und Pantheismus, in den Hintergrund treten, aber er macht Vergil nicht zum heimlichen Christen. Er läßt weg, was den Übergang von Vergil zum Christentum erschwert, und hebt hervor, was ihn erleichtert, sucht also gezielt den Punkt der äußersten Annäherung.3 Die Stellung der Vergilzitate in der apologetischen Konzeption des Minucius Felix tritt noch deutlicher im Vergleich mit Tertuilians Apologeticum hervor, das Minucius Felix ja einerseits als Vorlage verwendet und von dem er sich andererseits bewußt absetzt:4 Von den acht besprochenen Zitaten im Apologeticum finden sich nur zwei im Octavius wieder: Zum einen läßt Minucius Felix den Heiden Caecilius die geläufige Formel vana superstitio, die Bereits die griechischen Apologeten folgen nicht nur der Form nach der allgemeinen, aus der paganen Literatur übernommenen Gewohnheit, mit Dichterzitaten zu argumentieren, sondern, wie sich an einzelnen Stellen zeigen läßt, wenigstens teilweise exakt stoischen Vorgaben (zur Übernahme stoischer Argumentationsmuster allgemein siehe oben 180 Anm. 2) bei der thematischen Auswahl und argumentativen Verwendung der Zitate (siehe auch oben 19 Anm. 3). Zwei treffende Beispiele gibt ZEEGERS-VANDER VORST: Zum einen legt sie dar, daß Athenagoras, Klemens von Alexandrien und der Verfasser der pseudo-justinischen cohoriatio ad Graccos (neuerdings Markellos von Ankyra zugeschrieben, c/. C R VEITEN, LACL [2002] 411) Homer im Zusammenhang mit der Kritik an dessen anthropomorphem Gottesbild nach Chrysipps Schrift tupl Oräv zitieren und benutzen (75—79); zum anderen zeigt sie, daß Athenagoras leg. 5,1 ein zunächst von Stoikern antiepikureisch, dann umgekehrt verwendetes Euripides-Zitat (fr. 941 NA UCK) aufgreift. — Was Übrigens den paganen Bereich angeht, so bietet ein gutes Beispiel dafür, wie geläufig die Verwendung von Dichterzitaten in der stoisch geprägten (Populär-)Philosophie der ersten nachchristlichen Jahrhunderte ist, Dion von Prusas 36. Rede, der BopuoGtvixöc, in dem die Homer und Phokylides als Vertreter einer heroischen und einer kontemplativen Lebensweise gegenübergestellt (§10s<j(j.) und Dichter (§33599.) als (freilich der Interpretation) bedürftige Zeugen kosmologischer Wahrheiten benannt, c/. D.A. Russell, Dio Chrysostom, Orations VII, XII, XXXVI, Cambrigde 1992, 228—231. So etwa in der Baibusrede Cic. nat. deor. 2,59—72. In diesem Sinn auch BENDER 147. Als Charakteristikum des Minucius Felix im Vergleich mit Tertullian nennt BECKER (Octavius S9sq.) die Vergilzitate.
II.2.3
Auswertung
187
Tertullian in bezug auf die ägyptische Religion gebraucht (apol. 24,7), auf das Christentum beziehen (9,2). Zum anderen spielt im Octavius ein fictus interlocutor (25,1) auf das berühmte impejium sine fine dedi (Aen. 1,279) an, das auch Tertullian (apol. 25,16) in der Auseinandersetzung mit dem römischen Herrschaftsanspruch zitiert. Außerdem zieht Minucius Felix (20,6) die Gestalt der Dido in der bei Tertullian (apol. 50,5par.) vertretenen nichtvergilischen Version als Beispiel der pudicitia heran. Jedoch verschweigt er ihren Namen und Karthago und nennt sie in einer euhemeristischen Argumentation als einen wegen seiner Tugend vergöttlichten Menschen. Die beiden umfangreichsten Zitate im Apologeticum, dasjenige über die Fama (apol. 7,8) und dasjenige über Juno als Schutzgöttin von Karthago (apol. 25,8), übernimmt Minucius Felix nicht, obwohl er die Argumente beibehält, in deren Rahmen Tertullian sie anführt: Im Fall der fama betont Minucius Felix vor allem das Wirken der Dämonen (28,6), Juno zählt er neben anderen Göttern auf, denen bestimmte, nun von den Römern eroberte Orte nahestehen, und nennt sie unter deutlicher Zurücksetzung des Bezuges auf Karthago nunc Argiva, nunc Samiaf nunc Poena (25,9). Darin deutet sich an, in welchen Punkten Minucius Felix sich von der Zitierweise seines apologetischen Vorgängers absetzt: Im Gegensatz zu Tertullian vermeidet er das plakative wörtliche Zitat und, wie der Fall der Dido und der Juno zeigen, das afrikanische Lokalkolorit. Die meisten Vergilzitate setzt aber Minucius Felix selbst hinzu. Sieht man von den Zitaten in der Rahmenerzählung und im Zwischengespräch ab, die im Apologeticum keine Entsprechung haben können, ergeben sich folgende Punkte, an denen Minucius Felix über Tertullian hinaus auf Vergil zurückgreift: Zum einen setzt Minucius Felix vor allem in Beispielreihen einschlägige Vergilzitate, die den Aussagen Authentizität verleihen.1 Bemerkenswert sind darunter vor allem diejenigen Fälle, in denen Minucius Felix sich zwar an Tertullian anlehnt, aber das Zitat ausdrücklich hinzufügt, so beispielsweise bei der Mythenkritik (23,6), die Tertullian ohne den Verweis auf die Waffen des Aeneas ausführt (apol. 14), beim Mythos von Saturn in Latium, wo Minucius Felix (23,11) gegenüber Tertullian (apol. 10) die vergilische Etymologie hinzusetzt, oder auch beim Raub der Sabinerinnen, den Minucius Felix (25,3) nach Tertullians Vorbild (nat. 2,9,19) verwendet, aber in die einschlägige vergilische Formulierung kleidet. Im Zusammenhang mit der Vorstellung von einem jenseitigen Ort der Strafe, in dem sich Tertullian (apol. 23,13) auf den consensus Piatonis et poetarum beruft, lenkt Minucius Felix (35,lsg.), obwohl er nur allgemein von den carmina poetarum spricht, die Bezugnahme durch ein Zitat auf Vergil. Noch deutlicher ist die Berufung auf die Autorität Vergils natürlich, wenn Minucius Felix ihn als Zeugen eines christlich gedeuteten Monotheismus präsentiert (19,2): Diese Stelle hat nicht nur bei Tertullian kein Gegenstück, sie widerspricht sogar ausdrücklich seiner Konzeption, zwar in der natürlichen Theologie auf die anima naturaliter 1
So beispielsweise 7,3abc; 7,4ab; 7,5.6; 12,1; 22,7.
188
II.2
Minucius Felix
christiana (apol. 17,6) zu rekurrieren, die Zusammenstellung von Dichterund Philosophenbelegen aber grundsätzlich abzulehnen (test. anim. 1,1). Die wesentlichen Unterschiede in der Vergilrezeption bei Tertullian und Minucius Felix lassen sich also auf die Verschiedenheit der apologetischen Konzeption zurückfuhren: Anders als Tertullian sucht Minucius Felix die Anknüpfung, indem er einerseits mit sorgfaltig eingefügten Vergilzitaten den Erwartungen einer gebildeten Oberschicht zu entsprechen sucht und andererseits Vergil auf die Seite der Christen zieht, sowohl im geschickten, teils hintersinnigen Umgang mit dem Klassiker als auch in der Inanspruchnahme seiner Autorität für christliche Positionen.1 An diesem Punkt erhebt sich die Frage, wie tief dieses Bestreben um Annäherung gegründet ist: Geht es Minucius Felix programmatisch um den Brückenschlag zwischen christlichem Denken und Vergil als dem Exponenten paganer Bildung und Literatur oder benutzt er pragmatisch den Klassiker ganz berechnend als Lockmittel für seinen Adressatenkreis aus der gebildeten Oberschicht? — Die letztere These hat jüngst BUCHHEIT mit aller Vehemenz vertreten.2 Und wirklich hat die bisherige Interpretation gezeigt, daß die Zitate im einzelnen und in ihrer Gesamtheit, in ihrer Verteilung, Auswahl und Form ganz auf die protreptische Intention des Gesamtwerkes ausgerichtet sind. Tatsächlich tritt gegen Ende der Octaviusrede die Betonung der Übereinstimmungen zwischen paganen Vorstellungen und christlicher Lehre zurück zugunsten einer Profilierung des Christentums. Vor allem am Schluß seiner Rede distanziert sich Octavius deutlich von der Philosophie, deren Konvergenzen mit dem Christentum anfangs nachdrücklich hervorgehoben wurden,3 und betont, daß die veritas divinitatis erst nostri temporis aetate maturuit (38,7)4. Damit wird aber keineswegs die im ersten Teil der Rede herausgeBemerkenswert ist, daß Minucius Felix in seinen Veränderungen gegenüber Tertullian letztlich nur viel weiter in diejenige Richtung geht, die sich schon bei der Überarbeitung der Schrift ad nationes zum Apologeticum andeutet (dazu oben 95): Grelles, Plakatives und Polemisches fällt weg, statt dessen kommen einzelne Wendungen hinzu, die im Kleinen den passenden, authentischen Ton treffen. Auch die beiden Zitate, die Minucius Felix von Tertullian übernimmt, setzt dieser erst im Apologeticum hinzu. BUCHHEIT Vergil als Zeuge 255: "Minucius nutzt die natürliche Gotteserkenntnis wie andere Väter in missionarisch-protreptischer Absicht", daher müsse er Zitate bringen, um udie Heiden auf vertrauter Basis zu verlocken". Da liege eben der allseits bekannte Vergil am nächsten. Eindeutig wird zunächst das menschliche Erkenntnisstreben bejaht, da es letztlich zur Frage nach Gott führe, 17,1: Nee recuso, quod Caecilius aäserere inter praeeipua coniSU8 est, hominem nosse se et circumspicere debere, quid sit, unde sit, quare sit: utrum elementis concretus an concinnatus atomis an potius a deo /actus, formatus, animatus. Am Ende des Philosophenkataloges (20,1) wird gar als Ergebnis festgehalten, ut quivis arbitretur aut nunc Chnstxanos phüosophos esse aut phüosophos fuisse iam tunc Christianos. Diese Äußerung hält V. BUCHHEIT, Die Wahrheit im Heilsplan Gottes bei Minucius Felix (Oct. 38,7), VChr 39 (1985) 105—109 für eine Kernaussage des Octavius: Die göttliche Offenbarung sei unbedingte Voraussetzung dafür, daß das menschliche Wahrheitsstreben zur Erkenntnis der veritas Christiana gelange.
II.2.3 Auswertung
189
arbeitete Konvergenz zwischen paganen und christlichen Positionen wieder rückgängig gemacht, weder in bezug auf die Philosophie1 noch in bezug auf Vergil. Denn auch was den Dichter angeht, macht Minucius Felix keineswegs, wie BüCHHElT annimmt, wieder rückgängig, was er an Übereinstimmungen herausgearbeitet hat.2 Vielmehr handelt es sich dabei um einen zwangsläufigen Fortschritt in der Argumentation, der den Übereinstimmungen mit paganen Anschauungen erst ihren rechten Platz zuweist: Die Heranführung an den christlichen Glauben muß sowohl dem Gemeinsamen als auch dem signifikant Anderen gerecht werden. Mit anderen Worten, da das Christentum zwar von einer natürlichen Gotteserkenntnis ausgeht und den Glaubensakt daher nicht als sacrificium intellectus ansieht, zugleich aber eine Offenbarungsreligion ist und eine Bekehrung auf das Wirken der göttlichen Gnade, nicht auf menschliche Einsicht zurückführt, ist die intellektuelle Hinführung notwendig, aber nicht hinreichend. In dieser intellektuellen Hinführung spielt Vergil seine vom Apologeten wohl bedachte und auf den Adressatenkreis abgestimmte Rolle, die nicht nur von einer bewußten christlichen Erschließung Vergils geprägt ist, sondern auch deren Weiterführung den Weg weist.3 Hier nämlich ist ein zweiter Aspekt des Umgangs mit Vergil im Octavius zu berücksichtigen: Von der Vergilbenutzung des Minucius Felix geht eine deutliche Signalwirkung für die gebildeten Christen aus. Der Octavius demonstriert, daß man und wie man Übereinstimmungen zwischen christlichem Glauben und vergilischen Theologumena argumentativ verwerten und Vergilzitate stilistisch und rhetorisch für die christliche Sache verwenden kann. 1 2
3
Cf. S. FREUND, Philosophorum supercilia contemnimus. Zur Bewertung der Philosophie im 'Octavius' des Minucius Felix, Gymnasium 107 (2000) 425—434. Die von BUCHHEIT ( Vergil als Zeuge 256sq.) für eine Abkehr von Vergil im weiteren Verlauf der Octaviusrede vorgetragenen Argumente sind überaus bedenkenswert, da sie wesentliche Fragen aufwerten, aber in der vorgetragenen Bewertung nicht überzeugend: Die Mythenkritik (Kapitel 23) bleibt im Rahmen des in der Antike Üblichen und trifft Vergil, zumal den 19,2 zitierten kosmologischen Dichter, nicht ernsthaft. Sie behält auch insofern nicht das letzte Wort, als sich Minucius Felix in der Eschatologie 35,ls<j. nochmals auf Vergils carmina bezieht. Der Altersbeweis 34,5 scheint durch seinen Kontext relativiert zu werden, dazu der Literaturverweis in der vorigen Anmerkung. Daß Minucius Felix im Kapitel 14 die Rhetorik als Sophisterei ablehne, müßte hier erstens nicht unbedingt von Bedeutung sein und ist zweitens hypothetisch, dazu oben 104 Anm. 3. Die Interpretation schließlich, daß 38,7 umit einem Paukenschlag die Grenze, die der Wahrheitsfindung der Heiden gesetzt war" (257), markiert werde, scheint die Entwicklung in der Octaviusrede nicht genug zu berücksichtigen: Der Christ will vom Gemeinsamen zum Besonderen führen. Dabei muß er natürlich irgendwann über die propädeutische Aufzählung von Übereinstimmungen in einzelnen Lehrfragen hinauskommen und zu den specifica christiana vordringen, die ohnehin im Dialog nur eine geringe Rolle spielen. Dazu gehört der Glaube an eine geoffenbarte Wahrheit, die freilich die natürliche Gotteserkenntnis, etwa bei Vergil, nicht entwertet oder nachträglich zur rhetorisch-protreptischen Staffage werden läßt, sondern diese, sie transzendierend, umfaßt. Man kann also durchaus gegen BUCHHEIT ( Vergil als Zeuge, passim) und mit HECK (Vestrum est 110) den Octavius als 'Markstein' auf dem Weg zu einer christlichen 'Aneignung' Vergils bezeichnen.
190
II.2
Minucius Felix
Zwar wendet sich die Schrift formal an ein heidnisches Publikum, doch zielt christliche Mission unter den gegebenen Umständen sicher nicht auf entschiedene Christengegner ab, sondern eher auf einen Kreis von gebildeten Sympathisanten oder wenigstens Aufgeschlossenen, die mit bereits Bekehrten in Verbindung stehen. Genau diese Situation liegt ja auch dem Dialog selbst zugrunde: Der Heide CaecUius pflegt mit seinen christlichen Standesgenossen freundschaftlichen Umgang im Wissen um deren Glauben. Wären solche Verhältnisse gänzlich irreal, könnten sie nicht als Grundlage des Werkes dienen.1 Hinzu kommt, daß unter den Verhältnissen des antiken Buchmarktes der Octavius am ehesten unter Lesern Verbreitung finden kann, die ihn als Interessierte von Bekannten, die mit dem Christentum in Berührung stehen, ausgehändigt bekommen.2 In jedem Fall ist davon auszugehen, daß auch gebildete Christen als Leser des Octavius intendiert sind und daß gerade diese den Umgang mit Literatur und Bildung, insbesondere mit dem vertrauten Schulautor Vergil, mit großer Aufmerksamkeit verfolgen. Ihnen präsentiert Minucius Felix im Werk als ganzen ein Modell und in der Figur des Octavius ein Vorbild, wie man christlichen Glauben und pagane Bildung vereinen kann. Das ist zwar nicht die primäre Intention der Apologie, aber daß Minucius Felix auch in diese Richtung wirkt und wirken will, wie es VAN DER NAT in bezug auf die Rhetorik zeigt,3 läßt sich nicht von der Hand weisen. Die 1
2
3
Eine Schwierigkeit besteht natürlich darin, daß sich Caecilius im Lauf seiner Rede als durchaus militanter Christengegner erweist, doch scheinen hier dramaturgische Notwendigkeit (in diesem Fall, alle Vorwürfe gegen das Christentum zu erwähnen) und realer Sitz im Leben zusammenzuwirken. Selbst wenn es sich um eine literarisch konstruierte Situation handelt, wie W. SPEYER, Octavius, der Dialog des Minucius Felix: Fiktion oder historische Wirklichkeit?, JbAC 7 (1967) 45—51, aufgrund der Realien annimmt, muß die Gesprächssituation als solche doch ein tlxöc für sich haben. Zu den allgemeinen Grundlagen dieser Problematik R.J. STARR, The Circulation of Literary Texts in the Roman World, CQ 37 (1987) 213—223; zur christlichen Apologetik des 2. und 3. Jahrhunderts H.Y. GAMBLE, Books and Readers in the Early Church, New Haven / London 1995, 133: uIt has to be supposed that Christians produced the copies and insinuated them among non-Christian readers." — Oder sollte der Octavius als kryptochristliches Werk in dem Sinn angelegt sein, daß der Leser zunächst gar nicht weiß und erst, wenn er bereits in den Bann des Streitgesprächs geschlagen ist, merkt, daß es sich um eine christliche Werbeschrift handelt? Aber wie könnte ein solches Werk unbemerkt über Handel und Bibliotheken in öffentliche Verbreitung, wenn diese doch das Erstellen von Abschriften voraussetzt, und somit in die Hand eines ahnungslosen Lesers gelangen? — Im übrigen sind auch nur christliche Rezipienten des Octavius belegt, dazu HECK HLL 4 (1997) SlSaq. Die Passage 14,4—6 sei, im Gegensatz zum Kontext, der sich auf die Dialogsituation beziehe, auf gebildete christliche Leser ausgerichtet, die angesichts der Manipulationsmöglichkeiten durch die Rede dennoch keine gänzliche Mißtrauenshaltung zulassen dürften: igitur nobis provtdendum est, ne odio identidem sermonum omnium laboremus ita, ut in exsecrutionem et odium hominum plerique simpliciores efferantur. (14,6) — dazu VAN DER NAT (209): "Nobis hat in diesem Zusammenhang eher eine verallgemeinernde Bedeutung. Das Pronomen steht im Gegensatz zu simpliciores; er meint also 'uns, die Gebildeten* und denkt dabei zweifellos zuallererst an gebildete Christen wie er selbst einer war." Insgesamt führe Minucius Felix im Dialog mögliche christliche Positionen gegenüber der Rhetorik vor — eine moderne und differenzierende aus dem Munde des Minucius Felix und eine moderne und uneingeschränkt positive in der Redeweise
II.2.3 Auswertung
191
Vergilbenutzung des Minucius Felix trägt in diesem Sinne zur intellektuellen Selbstvergewisserung des gebildeten Konvertiten bei. Ihm wird demonstriert, daß er seine Erziehung und seine literarischen Vorlieben nicht nur behalten, sondern zum Vorteil des neuen Glaubens einsetzen kann. Betrachtet man also die Vergilzitate im Octavius — ebenso wie die anderen Klassikerzitate — als Brückenschlag nicht nur vom Heidentum zum Christentum, sondern auch vom Christentum zur paganen Bildung, wird man durchaus von einer historischen Bedeutung des Werkes als Muster für christliche Vergilbenutzung und Ausgangspunkt für die christliche Aneignung Vergils sprechen können. In eben diese Richtung verweist auch die abschließende Würdigung der Octaviusrede durch Minucius Felix, 39: Magnitudine admirationis evanui, quod ea, quae facilius est sentire quam dicere, et argumentis et exemplis et lectionum auctoritatibus adornasset et quod malevolos isdem Ulis, quibus armantur, philosophorum telis retudisseU ostendisset etiam veritatem non tantummodo facilem sed et favorabilem. Der Christ Minucius Felix bekundet seine Bewunderung für den Christen Octavius, der den gemeinsamen Glauben mit den Mitteln paganer Bildung und paganen Denkens verteidigt und zugänglich gemacht hat. Im Rahmen dieses Ansatzes hat auch Vergil seinen Platz und die Rolle, die veritas des Christentums den Gebildeten facilis et favorabilis erscheinen zu lassen.
des Octavius, dessen Ablehnung der eloquentia (16,6) nichts als ein "unvermeidliches apologetisches Motiv" (203) sei.
3
Novatian
3.1
Zur Forschungslage
Der Presbyter Novatian ist der erste Vertreter der christlichen Latinität in Rom.1 Wohl aufgrund seiner besonderen Bildung und theologischen Fähigkeiten nimmt er während der Sedisvakanz nach dem Tod des Bischofs Fabian (20.1.250) eine hervorragende Stellung in der römischen Gemeinde ein und fUhrt nicht zuletzt den Briefwechsel mit der von Cyprian geleiteten Gemeinde von Karthago. Nach der Wahl des Cornelius im Frühjahr 251 wird Novatian zum Gegenbischof einer rigoristisch ausgerichteten Sonderkirche. Er fallt möglicherweise der Valerianischen Verfolgung (258) zum Opfer. Aus dem umfangreichen Werk sind lediglich ein dogmatischer Traktat de trinitate, drei Briefe an die karthagische Gemeinde, verfaßt im Namen der römischen, und drei Brieftraktate an Novatians schismatische Gemeinde erhalten. Im Werk des Novatian spielt die Auseinandersetzung mit der paganen Kultur und Bildung kaum eine Rolle: Poetae erwähnt Novatian nicht. Die Kritik an den paganen Schauspielen im Brieftraktat de spectaculis zielt auf die Begleitumstände und die Inhalte der Aufführungen seiner Zeit ab, nicht auf die dramatische Literatur.2 In der Forschung hebt man diesbezüglich einerseits die innerkirchliche Ausrichtung von Novatians Schrifttum, andererseits seine literarische Bildung hervor,3 die sich sowohl in seinem kunstvollen Stil4 als auch in der Benutzung paganer Autoren niederschlägt. Genannt werden vor allem Cicero, Varro, Seneca, Plinius der Jüngere und Apuleius,5 unter den Dichtern Ovid6 und Vergil, zu dem insbesondere HARNACK (1895) zahlreiche Reminiszenzen ausweist7. In bezug auf den Umgang mit Vergil stellt 1
2 3
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5 6
7
Grundsätzlich zu Novatian J.S. ALEXANDER, 'Novatian / Novatianer\ TRE 24 (1994) 678—682, und H. GÜLZOW HLL 4 (1997) §476, mit der Forschungsliteratur; HJ. VOGT, 'Novatian', LACL (2002) 522—524. Dazu oben 33 Anm. 2 und 108 Anm. 1. ELLSPERMANN (1949) und KRAUSE (1958) erwähnen Novatian nur am Rande, HAGENDAHL Von Tertullian (1982) beklagt vor allem den Verlust der größten Teile des Werkes, denn "Novatian ist ein geschickter und kultivierter Autor, der in vieler Hinsicht Interesse verdient" (31). Dazu etwa H. KOCH, La lingua e lo stile di Novaziano, Religio 13 (1937) 278—294; P. SCHEIDWEILER, Novatianstudien, Hermes 85 (1957) 58—87. Dazu GÜLZOW HLL 4 (1997) §476 Lit. 10 mit detaillierten Literaturangaben. Einzelne Parallelen gibt R. GANSZYNIEC, Novatianea, Eos 32 (1929) 43; 82; 90; 120; 142; 245; 254; 314; 346; 388; 534, v.a. 254.314, an. HARNACK will die stark vergilisch beeinflußte Schrift de laude martyrii Novatian zuweisen und zählt daher 39—42 als Kriterium der Verfasserschaft eine ganze Reihe vermeintlicher Vergilzitate im unstrittigen Werk des Autors auf, die jedoch meistens einer näheren Überprüfung nicht standhalten (siehe unten 373sqq.). Einiges bieten außerdem die Standardwerke von BÜRNER (26—36), der aber eine Reihe heute nicht mehr Novatian zugeschriebener Werke einbezieht, und COURCELLE (Lecteurs 119.411.414), einzelnes die Kommentare von H. WEYER, NovatianUS, De IVinitate. Über den dreifaltigen Gott, Text und Übersetzung mit Einleitung und Kommentar, Düsseldorf 1962, und V. Loi,
II.3.2
Die Vergilzitate
193
BÜRNER (1902) fest, daß Novatian ukein servilis Imitator Vergili?1 sei, sondern vergilische Versatzstücke frei einarbeite. WEYER (1962) folgert aus der Vergilkenntnis auf Novatians Schulbildung,2 und HECK (1990) konstatiert lediglich 'unbedeutende Spuren der Vergilbenutzung'3. Im folgenden wird also einerseits nach dem stilistischen Einfluß Vergils auf Novatian zu fragen sein, andererseits aber auch danach, welche Grundlinien bei der Benutzung des Klassikers erkennbar werden.
3.2 de
Die Vergilzitate trinitate
Die etwa 240 entstandene Schrift de trinitate ist die erste Dogmatik in lateinischer Sprache.4 Dementsprechend gliedert sich das Werk in einen Teil über den einen Gott, den Vater und Schöpfer (Kapitel 1—8), einen entsprechend den dogmatischen Auseinandersetzungen der Zeit ausfuhrlichen Teil über Christus, den Sohn des Schöpfergottes, den wahren Menschen und wahren, vom Vater verschiedenen Gott (Kapitel 9—28), einen knapp gehaltenen Teil über den Heiligen Geist (Kapitel 29) und einen Teil über die Einheit Gottes (Kapitel 30—31). trin. 1,2 (CC IV 11,8sq.)b Nam et in solidamento caeli luciferos solis ortus excitavit, lunae candentem globum ad solacium noctis mensurnis incrementis orbis implevit, astrorum etiam radios variis fulgoribus micantis Iuris accendit et haec omnia legitimis meatibus circumire totum mundi ambitum voluit, humano generi dies, mensesf annos, Signa, tempora utilitatesque factum. Der ersten göttlichen Person, dem Schöpfergott, nähert sich Novatian mit einer Darstellung der Schönheit seines Werkes an. Ausgehend von der Erschaffung von Himmel, Erde und Meer (1,1), wendet er sich deren Ausgestaltung Novatianus, De trinitate. Introduzione, testo critico, traduzione e commento. Torino 1975; P. MATTEI, Novatien, De trinitate 31. Texte et traduction. Commentaire philologiqueet doctrinal, in: MAT 20 (1996) 159—257; C. GRANADO, Novaciano, La Trinidad. Introducciön, traducciön, comentarios e indices, Madrid 1996, zu de trinitate und von G. LANDGRAF / C. WEYMAN, Novatians epistula de cibis ludaicis, ALLG 11 (1900) 221—249. BÜRNER 31. WEYER Einleitung
bsq.: u[D]ie zahlreichen Reminiszenzen aus dem Schulbuch der Zeit, Vergils Aeneis, bezeugen eine lateinische Schulbildung.*1 HECK Vestrum est lllsq.: "Die Spuren der Vergilbenutzung bei Cyprian und Novatian [...] sind unbedeutend und gehen nicht über das hinaus, was jeder Römer, der lesen und schreiben konnte, an vergilischen Versatzstücken sozusagen einatmete und verfügbar hatte." Datierung nach WEYER Einleitung \isq.\ allgemein zum Forschungsstand H. GÜLZOW HLL4 (1997) §476.1. Text nach G.F. DIERCKS, Novatiani opera, Turnhout 1972 (CC IV).
194
II.3
Novatian
zu (1,2—4) und beginnt mit den Gestirnen des Himmels (1,2), Sonne, Mond und Sterne. Die dabei für den Mond verwendete Bezeichnung lunae globus — sie erscheint nochmals spect. 9,1 in ähnlichem Kontext1 — ist erstmals, in kosmologischem Zusammenhang, bei Lukrez belegt2 und findet sich dann im zweiten Vers der großen kosmologischen Offenbarungsrede des Anchises, Aen. 6,725 (724—727): Principio caelum ac terms camposque liquentis lucentemque globum lunae Titaniaque astra spiritus intus alit, totamque infusa per artus mens agitat molem et magno se corpore miscet. Bemerkenswert ist die strukturelle Entsprechung des Kontextes, denn vorher ist jeweils von der Entstehung von terra, mare und caelum die Rede, danach von der Entstehung vegetativen Lebens.3 In ganz ähnlichem Zusammenhang verwendet jedoch schon Apuleius die Formulierung, mund. 21: Terramque et mare et caelum solis orbe et lunae globo ceterisque orientium et conditoi^um siderum facibus ornavit. Bemerkenswert ist, daß Apuleius mit lunae globus oeXfjvri (Ps. Arist. mund. 396b) übersetzt, daß er dieser Wendung also eine besondere stilistische Wirkung im Lateinischen beimißt. Nun ist, wie DANIELOU, gezeigt hat, davon auszugehen, daß Novatians Betrachtung der wohlgeordneten Schöpfung die Ausführungen aus der Schrift de mundo zugrunde liegen.4 Novatian übernimmt also nach dem Vorbild des Apuleius ein terminologisches Element poetischer Kosmologie. Die Vergilparallele ist demnach weniger als gezielte Bezugnahme, die auch den Leser auf die Anchisesrede verweisen solle, sondern eher als Beleg für die Verwendung poetischer Sprache im philosophisch-theologischen Diskurs der Nachklassik zu sehen.5 Doch spricht manches für den Rückgriff über Apuleius hinaus auf Vergil: Zum einen entspricht candentem syntaktisch und semantisch genau dem vergilischen lucentem, hat aber keine Entsprechung bei Apuleius. Das spricht für eine Synonymsubstitution auf der Basis des vergilischen Prätextes. Zum anderen folgt bei Novatian wie bei Vergil das Stichwort astra, Apuleius hingegen hat sidera. Schließlich finden sich bei Novatian sowohl hier (trin. 1,7, dazu gleich) als auch beim weiteren Beleg der Junktur globus lunae (spect. 9,1, dazu unten 204sqq.) Vergilreminiszenzen im Kontext. Vielleicht ist also Novatian durch die in seiner Vorlage Apuleius gegebeDazu unten 204. Cf. ThLL VI,2 s.v. globus 2051,65—82; 2053,81—2054,4; Lucr. 5,69 fundarit terram caelum mare sidera sotem / lunaique globum cf. 5,722. Das gilt für die Belege Lucr. 5,69s?.; Verg. Aen. 6,726—729; Apul. mund. 21; Novatian. trin. 1,3.5. Dazu J. DANIELOU, Novatien et le De mundo d'Apulee, in: W. DEN BOER et cd. (edd.), Romanitas et Christianitas. Studia LH. WASZINK, Amsterdam / London 1973, 71—80, hier 71—74. Ähnlich auch der Beleg von globus lunae Chalc. comm. 72; außerdem Ambr. hex. 1,3,10; Claud. 7,164; Aug. civ. 10,11; Max. Taur. 30,39.48; Prud. Cath. 9,13.
II.3.2 Die Vergilzitate
195
nen Stichworte caelum, terra und globus lunae an die Vergilstelle erinnert worden. trin. 1,7 (CC IV 11,25) Quibus non contentus, ne forte fremitus et cursus aquarum cum dispendio possessoris humani alienum occuparet elementum, fines litoribus inclusit, quo cum fremens fluctus et ex alto sinu spumans unda venisset, rursum in se rediret nee terminos concessos excederet servans iura praescripta, ut divinas leges tanto magis homo custodirett quanto Mas etiam elementa servassent Nach Himmel (1,2) und Erde (1,3—5) kommt Novatian auf das Wasser in der Schöpfungsordnung (1,659.) z u sprechen: Gott habe dem tosenden Meer Grenzen gesetzt. Die in diesem Zusammenhang verwendete Formulierung spumans unda erscheint zweimal bei Vergil, nämlich bei der Abfahrt der TYojaner von den Strophaden, den Inseln der Harpyien, Aen. 3,268 fugimus spumantibus undis, und vorher schon beim Abgang des Proteus nach seiner Enthüllung der Bugonie, georg. 4,5285g.: Haec Proteus, et se iactu dedit aequor in altum, quaque deditt spumantem undam sub vertice torsit. Hier wäre auch das Adjektiv altum vorgegeben, wenngleich die geschilderte Bewegung bei Vergil auf die hohe See hin, bei Novatian von dort her verläuft. Doch muß die seit Catull in der Dichtung häufig belegte Wendung als Gemeingut poetischer Sprache gelten.1 Es geht Novatian also primär um den color poeticus für die Darstellung der Naturgewalt des Meeres, wenngleich die Georgikastelle als besonders naheliegendes Vorbild gelten darf. epistula ad
Cyprianum
Im 30. Brief des cyprianischen Briefkorpus wenden sich, so das Präskript, die presbyteri et diaconi Romae consistentes an Cyprian, den Bischof von Karthago. In deren Namen jedoch verfaßt Novatian im September oder Oktober 250 eigenständig das Schreiben.2 Der Inhalt des Briefes ist im Rahmen der laufenden Korrespondenz zwischen den Gemeinden in Rom und Karthago zu sehen:3 Zum einen werden die Wogen nach einer harschen Kritik der Römer an Cyprians Flucht während der Verfolgung geglättet, zum anderen wird, wie von Cyprian erbeten, zur Frage der lapsi — also zum Umgang mit den während der Verfolgung Abgefallenen — Stellung genommen. 1
2 3
Catull. 64,155; 68a,3; Lucan. 9,117; Manil. 1,709; Sil. 6,163. 12,621; c/. Verg. Aen. 6,174; 10,212; Ov. met. 1,750; Lucan. 1,371; 3,190; 3,572s?. Sil. 2,591; 4,524. Das Verb spumare erscheint nach FÜRCELLINI und OLD s.v. seit Enn. scen. 119, und zwar hauptsächlich in der poetischen Sprache. Das bezeugt Cypriaii epist 55,5. dazu H. GÜLZOW, Cyprian und Novatian, Tübingen 1975, 90sq.. zur Datierung 7—19. Dazu im einzelnen GÜLZOW Cyprian und Novatian 136—139.
196
II.3
Novatian
Cypr. epist. 30,2,1 (CC IV 200,7) Quid enim magis aut in pace tarn aptum aut in bellis persecutionis tarn necessarium quam debitam severitatem divini vigoris tenere? Quam qui remiserit instabili rerum cursu erret semper necesse est et huc atque üluc variis et incertis negotiorum tempestatibus dissipetur et quasi extorto de manibus consiliorum gubernaculo navem ecclesiasticae salutis inlidat in scopulos, ut adpareat non aliter saluti ecclesiasticae consuli posse9 nisi si qui et contra ipsam faciunt quasi quidam adversi fluctus repellantur et disciplinae ipsius semper custodita ratio quasi salutare aliquod gubernaculum in tempestate servetur. Von der einleitenden captatio benevolentiae über die Qualitäten des Cyprian führt Novatian mit dem Hinweis, daß in Zeiten der Bedrohung der Kirche eine konsequente Führung notwendig sei, auf die Gefallenenfrage hin. Die Situation der Kirche in der Zeit der Verfolgung erläutert er anhand eines Vergleichs: Wie ein Schiff im Sturm1, wird derjenige die Kirche auf die verderbenbringenden Klippen lenken, dem das Ruder der severitas divini vigoris entgleitet. Die Formulierung navem [...] inlidat in scopulos könnte unter vergilischem Einfluß stehen: Den Ausdruck scopulis ülidere verwendet Vergil in einer Schilderung der Meeresbrandung, durch die der verliebte Leander nachts zu Hero schwimmt, georg. 3,261 (25&—262):2 /.../ nempe abruptis turbata procellis nocte natat caeca serus freta, quem super ingens porta tonat caelif et scopulis inlisa reclamant aequora; [...]. Die Wendung erscheint daraufhin häufiger in der Dichtung,3 aber auch in den pseudo-quintilianischen Deklamationen (6,23 [corpus] inlisum scopulis). Außerdem geht der Gebrauch von illidere für das Scheitern eines Schiffes auf Vergil (Aen. 1,112 inliditque vadis [sc. Eurus proras]; 5,206 inlisaque prora pependit) zurück, findet sich aber in der nachklassischen Prosa öfter.4 Es stammt aber nicht nur der Wortgebrauch von Vergil, auch der Kontext stimmt überein: Bei Vergil wie bei Novatian ist vom Anbranden gegen Klippen und vom Zerschellen eines Schiffes die Rede. Bemerkenswerterweise übernimmt Cyprian einige Monate später, im FYühjahr 251, in seiner Schrift de lapsis die Metapher von der Kirche als Schiff,5 1
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Tempestas verweist hier keineswegs, wie HARNACK (41) meint, durch die Bedeutung 'Kriegssturm' auf Aen. 7,223 quanta per Idaeos saevis effusa Mycenis / tempestas ierit campos, das Wort wird schon in klassischer Prosa übertragen im Sinne von ua violent disturbance in personal, social, political, etc., circumstances, storm" (OLD s.v. tempesias 4 mit Cicero-Belegen) gebraucht. Cf. Aen. 7,589sq. /.../ scopuü nequiquam et spumea circum / saxa fremunt laterique inlisa refunditur alga. So etwa Sen. Phaedra 109337. inlisum caput / scopulis; Sil. 10,322 inlisit scopulis /.../ Eurus; 14,143 per scopulos inlisa [undaj. Cf. ThLL VII, 1 s.v. ülido 377,25—50; etwa Liv. 22,20,2; Curt. 8,13,27 petrae; Curt. 9,4,14; Amm. 22,16,9. Zum Gebrauch der Schiffemetapher in der frühen Kirche Clem. Alex. paed. 3,59,2; E. 2 SAUSER, Schiff', Lexikon für Theologie und Kirche 9 (1964 ) 400*9.
11.3.2 Die Vergilzitate
197
das in der Gefahr schwebt, an den Klippen zu scheitern, in ähnlichem Zusammenhang: Mit einer Reihe von Bildern verdeutlicht Cyprian die Gefahr, die der Kirche bei einer Wiederaufnahme der lapsi ohne vorherige Bußleistung drohe, laps. 16:1 Hoc sunt eiusmodi lapsis quod grando frugibus, quod turbidum sxdus arboribus, quod armentis pestilens vastitas, quod navigiis saeva tempestas. Solacium spei adimunt, a radice subvertunt, sermone morbido ad letale contagium serpunt, navem scopulis ne in portum perveniat inlidunt. Non concedit pacem facilitas ista sed tollit, nee communicationem tribuit sed inpedit ad salutem.
Zwar geht es Novatian um die starke Führung in der schon bestehenden Gefahr, Cyprian um deren Vermeidung, aber der chronologische, thematische und sprachliche Zusammenhang ist unverkennbar: Der Adressat greift ein Bild aus dem Brief des Novatian auf.2 Interessant zu bemerken ist dabei, daß Cyprian statt des bei Novatian vorgegebenen illidere in scopuios das näher an der vergilischen Formulierung liegende illidere scopulis verwendet. Darin könnte ein schwaches Indiz dafür liegen, daß Cyprian den color Vergilianus erkannt habe und ihn sogar noch ein wenig stärker prononcieren wolle. Nichtsdestoweniger geht der vergilische Einfluß an beiden Stellen nicht über eine poetische Nuancierung der Darstellung hinaus, die der Paränese ein gewisses Pathos bringen soll. Cypr. epist. 30,7,2 (CC IV 205,19) Deus enim ut est indulgens, ita est praeeeptorum suorum exaetor et quidem diligens, et sicut ad convivia vocat, sie habitum nuptiarum non habentem manibus et pedibus extra sanetorum coetum foras iaetat. Paravit caelumt sed paravit et Tartarum, paravit refrigeria, sed paravit etiam aeterna supplicia, paravit inaccessibilem lucemf sed paravit etiam perpetuae noctis vastam aeternamque caliginem. Im vorletzten Kapitel des Briefes erinnert Novatian in bezug auf die lapsi an die Perikope qui me negaverit coram hominibus, negabo et ego eum 1 2
CC III 230,27^. Eine allegorische Entfaltung dieser Metaphorik bietet die zu den wohl ins zweite nachchristliche Jahrhundert zu datierenden (c/. D. POWELL, 'Clemens von Rom', TRE 8 [1981] 119) Pseudo-Klernentinen gehörige epistula Clementis ad lacobum, Überliefert in der Übersetzung durch Rufinus (Rufin. epist. Clem. 14,1—6): Christus steuert das Schiff der Kirche, das Gott dem Vater als Reeder gehört. Der Klerus entspricht den verschiedenen Rängen der Besatzung, die gläubige Gemeinde den Passagieren. Häretiker, falsche Propheten, und Heuchler werden mit ungünstigen Winden, Unwettern. Piraten und anderen Bedrohungen gleichgesetzt, schließlich (14,5) heißt es: tarn vero rnpidus vertex et tartarea charybdis et saxis inlisa naufragia ac mortiferae submersiones, quid aliud aestimanda sunt quam peccata? — Die Parallele, wenn auch aus der judenchristlichen Heterodoxie, zeigt, daß Novatian und Cyprian eine ältere Metaphorik in einer vergilisch ausgestalteten Form übernehmen. Später heißt es dann etwa bei Pomerius (1,16): /sc. ecclesiaj scandalorum cautibus illiditur. In diesen Zusammenhang gehört wohl auch die varia lectio Vulg. Sirach 33,2 sapiens /.../ non inlidetur quasi in procella navis statt inludetur (LXX hat nur d>c iv xaiaiyl&i nXoiov).
II.3
198
Novation
coram patre meo et coram angelis eins (Mt 10,33; Lk 12,9) und stellt, ausgehend vom biblischen Gleichnis vom nicht festlich gekleideten Hochzeitsgast (c/. Mt 22,13), die Orte von Lohn und Strafe gegenüber.1 Obwohl Novar tians Argumentation gänzlich auf dem Neuen Testament beruht, kommt es zu terminologischen und motivischen Berührungen mit Vergils klassischer Unterweltsschilderung in der Rede vom Tartarus, der hier erstmals im innerchristlichen Kontext vorkommt,2 von den dortigen supplicia3 und von der an jenem Ort herrschenden andauerenden Dunkelheit (nox)4 Die Stelle kann wohl als ein Indiz dafür gelten, daß pagane Unterweltsvorstellungen in ihrer bei Vergil erfahrenen Ausprägung in das christliche Bild der Hölle einfließen. de cibis Iudaicia In dem Sendschreiben de cibis ludaicis tritt Novatian von judenchristlicher Seite laut gewordenen Forderungen nach der Einhaltung der alttestamentlichen Speisegebote entgegen: Nach einer Einleitung (Kapitel 1) ordnet No1
Die Gegenüberstellung ist in einem Dreischritt angelegt: Benennung/Situierung: Charakterisierung: Licht:
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Lohn caelum refrigeria inacessibilis lux
Strafe Tartarus supplicia perpetuae noctis vasta aeterna caligo
Zur Gegenüberstellung refrigeria — supplicia cf. Tert. apol. 49,2; anim. 33,11; 58,1 (über das Beispiel vom reichen Mann und vom armen Lazarus, Lk 16,19—31, c/. G. FlLORAMO, DPAC 2 [1984] 1776); nicht wie Cypr. mortal. 15 (Ad refrigerium iusti vocanturf ad supplicium rapiuntur iniusti: datur velocius tutela fidentibus, perfidis poena.), dazu E. DASSMANN, 'Jenseits', RAC 17 (1996) 358, der Zwischenzustand. Vorher nur Tert. apol. 11,11, ausdrücklich als pagan gekennzeichnet. Natürlich sind Vorstellung und Begriff des Tartarus vorvergilisch, die Aeneis liefert aber die klassische Ausprägung; Auflistung und Auswertung der Belege bei THOME 190—194. Im griechischen Sprachraum allerdings ist öfter und früher in christlichem oder jüdischapokalyptischem Zusammenhang vom Tdptapoc die Rede, cf. BAUER / ALAND S.V. So vor allem Aen. 6,740 (739—743): ergo exercentur poenis veterumque malorum / supplicia expendunt: aliae panduntur inanes / suspensae ad ventos, aliis sub gurgite vasto / mfectum eluitur scelus aut exuritur igni: / quisque suos patimur manis. Zur Metapher nox für die Dunkelheit der Unterwelt Aen. 4,26 pallentes umbras Erebo noctemque profundem; THOME 20\sq. Zu caligo THOME 202sq.; ThLL III s.v. 158,41— 159,69: für das Dunkel der Unterwelt ab Trag. ine. 75; Aen. 6,267 in der Dichtung, dann bei den Christen: Itala 2 Petr. 2,4; Vulg. 2 Petr. 2,17 etc. — Eine konkrete Referenz ist allerdings in caligo noctis (HARNACK, 42, und BÜRNER, 29, denken an Lucr. 4,456 /.../ et in noctis caligme caeca / cernere censemus solem lumenque diurnum) nicht zu sehen: Die Wendung bürgert sich vom zweiten nachchristlichen Jahrhundert an auch in der Prosa ein und findet sich vor allem bei den Christen sehr häufig, so etwa Ps. Quint. decl. 10,8 perpetuae noctis caligo; 15,10; Apul. met. 2,32; 3,18; Cypr. laps. 1; Ambr. obit. Valent. 64; Vulg. prov. 7,9; Chromat, serm. 411. 87; Arnob. Iun. in psalm. 91 1. 20; Quodv. 4 I. 10; Prud. psych. 482; c. Syram. 1,412; Greg. M. moral. 4,10; 4,24; 17,9; 23,20). Auch das von HARNACK (42) als vergilisch reklamierte vastus findet sich allenthalben in klassischer Prosa (cf. OLD s.v. 2). Zu Junktur nox perpetua Plaut. Rud. 370; Catull. 5,6; Sen. epist. 82,16; nat. 5.15,4; Curt. 9,4,18; Apul. met. 4,35; Ps. Quint. decl. 1,6.14 etc.
II.3.2
Die Vergilzitate
199
vatian die Speisegebote in ihren heilsgeschichtlichen Zusammenhang ein, innerhalb dessen sie für die Juden tatsächlich heilsam waren (Kapitel 2—4). Mit Christus aber sei die Zeit des Gesetzes zu Ende, somit träten auch die Speisegebote außer Kraft (Kapitel 5); nichtsdestoweniger seien Unmäßigkeit (Kapitel 6) und der Genuß von Götzenopferfleisch (Kapitel 7) zu meiden. cib. lud. 2,6 (CC IV 91,29) Nam panis usum postea contulit culpa, condicionem conscientiae ipso situ corporis adprobante. Nam et innoccntia decerpturos alimenta ex arboribus adhuc sibi bene conscios homines ad superna subrexity et commissum delictum ad conquirenda frumenta homines terrae soloque deiecit. (7) Postea etiam usus carnis accessio divina gratia humanis necessitatibus conpetentia ciborum genera obportunis temporibus porrigente. In seiner Heilsgeschichte der menschlichen Ernährungsgewohnheiten stellt Novatian die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies als Einschnitt dar: Vorher habe sich der Mensch seine Nahrung in aufrechter Haltung von Bäumen gepflückt, nun aber müsse er sich zum Ackerbau hinunterbeugen, denn delictum [...] homines terrae soloque deiecit Der Sache nach steht dahinter natürlich das Alte Testament1. In vorliegender Formulierung aber finden sich einige vergilische Elemente: Den Dativ nach deicere setzt Vergil Aen. 10,319 /sc. Gyan] deiecit leto — nach II. 1,3 *Ai5t wpota^ev —, auch verwendet er häufiger die Richtungsdative terrae2 und solo3. Jedoch ist in der unklassischen Prosa eine hyperurbanistische Expansion des Richtungsdativs zu beobachten und vereinzelt auch bei deicere belegt.4 Novatian sucht hier also durchaus den color Vergilianus, um seine Anspielung auf den Sündenfall auszugestalten, dahinter steht aber die nachklassische Tendenz zur expressiven Formulierung mit Hilfe poetischer Sprachelemente. cib. lud. 3,3 (CC IV 94,115g.) Denique et decem sermones Uli in tabulis niiiil novum docent, sed quod oblitteratum Juerat admonentf ut iustitia in Ulis ignium more quasi adflatu quodam legis sopita recalesceret. 1
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Cf. Vet. Lat. gen. 3,19 (Cypr. testim. 3,58; patient. 11) /n sudore vultus tut edes panem tuum, donec revertaris in termm, de qua et sumptus es: quoniam terra es et in terram ibis. georg. 2,290 defigitur; Aen. 11,87 proiectus Aen. 1,482 fixos\ 6,469 fixos; 8,75 exis; 11,485 sterne (480 [sc. Lavinia] oculos deiecta decoros); 11.532 effundit; 12,380 effundit. Grundsätzlich zum Dativ der Richtung in der nachklassischen Prosa LHS II \00sq. und KS I 320, vor allem: Liv. 7,3T5 [sc. lex] fixa fuit dextro tateri aedis; Verg. Aen. 12,464 aversos stemcret morti; 10,555 caput orantis /...^ deturbat terrae. LÖFSTEDT (Syntactica 1 189—193) erklärt ihn als hyperurbanistische Übernahme aus der ihrerseits auf griechische Vorbilder rekurrierenden Dichtersprache, M. LEUMANN, Die lateinische Dichtersprache, MH 4 (1947) 116—139, hier 128, hingegen sieht eine Weiterentwicklung lateinischer Modelle wie caelo manus tendere. Zu deicere mit dem Dativ der Richtung bell. Hisp. 24,3 planicie deicere (G. PASCUCCI, Bellum Hispaniense. Introduzione, testo critico e commento, Firenze 1965, ad l. 284: Hyperurbantsmus); ThLL V s.v. deicio 394,39—41 nennt nur Verg. Aen. 10,319 und Greg. Tur. FVanc. 9,41, die Pseudo-CaesarStelle ist im ThLL falsch eingeordnet (397,78), die Novatianstelle fehlt.
200
II.3
Novatian
Das mosaische Gesetz mit seinen Speisegeboten müsse, so Novatian weiter, in seiner heilsgeschichtlichen Funktion gesehen werden, das Volk Israel auf den rechten Weg zurückzuführen. Anhand eines Vergleichs mit dem Feuermachen erläutert Novatian dieses Wiederanfachen der erloschenen iustitia. Der dabei gebrauchte Wortlaut nähert sich der vergiÜschen Formel cinerem et sopitos susdtat ignis (Aen. 5,743; 8,410)l an, vor allem durch den seltenen Gebrauch von sopitus für ein Feuer.2 Vergil schildert, einem epischen Topos folgend, das Entzünden eines Feuers durch Wiederanfachen.3 Ovid gebraucht das Motiv bereits, wie dann Novatian, metaphorisch, allerdings von der Liebesglut.4 Im Rahmen des ausdrücklich markierten Vergleichs (ignium more quasi) erhalten sopitus, das an sich neben iustitia wenig auffällig wäre,5 und damit der ganze Kontext einen color Vergilianus. Novatian hebt also durch sein subtiles Spiel mit einer geläufigen Metaphorik und einer vergiÜschen Formel das tertium comparationis und somit seine Bewertung des alttestamentlichen Gesetzes hervor. In der theologischen Argumentation fließen exegetische Elemente und vergilische Topik zusammen. cib. lud. 6,3 (CC IV 100,11) Ceterum nihil ita intemperantiam cohercuit quam evangelium nee ita constrietas quisquam gylae leges dedit quam Christus, qui beatos legitur pronuntiasse, sed egenos, et felices esurientes atque sitientes, miseros divites, quibus ad imperium ventris et gylae servientibus voluptatum nunquam posset mater deficere nee desinere servitus posset, argumentum felicitatis putantes coneupiscere quantum possint, nisi quod et sie minus possint quam coneupiseunt Im sechsten Kapitel ermahnt Novatian die Gemeinde, sich trotz der Ungültigkeit der Speisegebote nicht der Völlerei hinzugeben, vor der Christus selbst warne. Was Novatian dann als ipsissima verba (legitur pronuntiasse) wieder1 2 3
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Cf. Aen. 8,542 et primum Hercuteis sopitos ignibus aras / excitat. FORCELLINI und OLD s.v. sopitus nennen im Zusammenhang mit Feuer nur die Vergilbelege. Von Homer an finden sich zwei Ausprägungen des Topos vom Feuermachen in der Dichtung: das Entfachen eines Feuers im Rahmen der freundlichen und ehrerbietigen Aufnahme eines Gastes (Od. 10,358s?.; 15,322; Callim. fr. 242 PFEIFFER; fr. 243 PFEIFFER; Eratosth. fr. 24 POWELL) und das hier einschlagige Wiederanfachen des unter der Asche verborgenen Feuers, erstmals erzählt vom gestrandeten Odysseus (Od. 5,488— 491), dann etwa Theoer. 11,51. In der lateinischen Literatur Ov. met. 8,640—647; Moret. 8—12. Ov. ars 2,439—444 Ut levis absumptis paulatim viribus ignis / ipse tatet, summo canet in igne cinis, / sed tarnen extinetas admoto sulpure flammas / invenit, et lumen, quod fuit ante, redit: / sie, übt pigra situ securaque pectora torpent, / acribus est sttmulis eliciendus amor. Ov. ars 3,597 sq. Quamtibet extinetos miuria susdtat ignes: / en, ego (confiteor!) non nisi laesus amo. — Hier erscheint zwar auch das Stichwort iniuria, doch facht diese an, statt, wie bei Novatian, gelöscht zu haben. Überhaupt dürfte die Liebesmetaphorik der ars amatoria als Vorbild für Novatian ausscheiden. Allerdings zeigt der Sprachgebrauch bei Ovid, wie bekannt zum einen das Motiv und wie gängig zum anderen Vergib Formulierung ist. — Die Metaphorik von der Glut, die unter der Asche noch glimmt, lebt ja auch in den modernen Sprachen fort. So heißt es etwa Cic. Cael. 17 sopita virtus.
11.3.2
Die Vergilzitate
201
gibt, sind eigene Reflexionen über Motive aus der Bergpredigt1. In diesem Zusammenhang führt er aus, daß den der Völlerei Ergebenen voluptatum numquam posset mater deficere. Zur Erklärung dieser auffälligen Formulierung verweisen LANDGRAF / WEYMAN in ihrem Kommentar auf Vergil,2 und zwar auf Aeneas' Anrufung der Venus mit der Bitte, die herbeigeflogenen Tauben möchten ihm den Weg zum Goldenen Zweig weisen, Aen. 6,196sg.: '/.../ tuque, o, dubiis ne defice rebus, diva parens.'[...] Zwar ist weder die Metapher mater voluptatum3 noch der Gebrauch von deficere für Personen4 auffallig, aber dafür, daß Aeneas' Bitte um den Beistand seiner Mutter Venus im Hintergrund steht, spricht erstens, daß eine Mutter als Subjekt zu einem verneinten deficere ansonsten nicht belegt ist,5 und zweitens, daß der assoziative Übergang von der Venus zur mater voluptatum, zumal angesichts allegorischer Deutungsansätze oder des Lukrezproömiums, gut erklärbar wäre. Sicherlich will sich Novatian nicht auf die Aeneis beziehen. Es scheint aber die Bitte des Aeneas in die Formulierung seiner Überlegungen einzufließen.
de spectaculis In dem Sendschreiben de spectaculis ermahnt Novatian seine Gemeinde eindringlich, paganen Schauspielen unbedingt fern zu bleiben: Zwar beriefen sich einige darauf, daß die Schrift den Besuch von spectacula nicht ausdrücklich untersage. Severitas und ratio aber verböten den Besuch von Spielen. Vielmehr solle sich der Christ an der Schönheit der Schöpfung und der verheißenen Vollendung ergötzen. spect. 2,1 (CC IV 168,25g.) Non pudet, inquam, non pudet fideles homines et Christiani sibi nominis auctoritatem vindicantes superstitiones vanas gentüium cum spectaculis mixtas de scripturis caelestibus vindicare et divinam auctoritatem idolatriae conferre. Siehe oben (51) zu Tert. apol. 24,7. Mt 5.3a |iaxdpioi ol icia>xoi xcj> nvt6p.au, 5,6a u,otxdpot ol imv&vttc xotl 6t+cövx^ t^v &IXOUOOÜVT)V.
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LANDGRAF / WEYMAN 247: "Der metaphorische Gebrauch von mater ist hier sehr kühn und auffallend wegen der Verbindung mit deficere (in dem gewöhnlichen Rahmen der Metapher bewegt sich de spect. p. 6,5 idolatriam sustulit iudorum omnium matrem): dachte N. an Aen. 6,196f.?" Cf. ThLL VIII s.v. mater 447,3—27: Mutter metaphorisch in sittlichen Zusammenhängen etwa Cic. leg. 1,47 voluptas, malorum [...] mater omnium; ac. 1,39; Tert. bapt. 17,2 schismatum mater, Arnob. nat. 1,57 die antiquitas als mater errorum. Cf. ThLL V s.v. deficio 335,47—61: ab Cicero rep. fr. 8 sibi (...] decus. Cf. ThLL V s.v. deficio 336,56 zur Vergilstelle ohne Parallelen.
202
II.3
Novatian
spect. 5,1 (CC IV 172,4) Plura prosequi quid est necesse vel sacrificiorum in ludis genera monstruosa describere? Inter quae nonnumquam et homo fit hostia latrocinio sacerdotis, dum cruor etiam de iugulo calidus exceptus spumanti patera, dum adhuc fervet, et quasi sitienti idolo in faciem iactatus crudeliter propinaturf et inter voluptates spectantium quorundam mors erogaturt ut per cruentum spectaculum saemre discaturf quasi parum sit homini privata sua rabies} nisi illam et publice discat. Unter den Gräßlichkeiten der spectacula nennt Novatian die Tötung von Menschen, deren Blut, wie beim Opfer, aufgefangen wird. Von einer spumans patera ist auch in der Aeneis die Rede, wenn Dido beim Festmahl für die TYojaner nach der Libation und dem ersten Schluck den Becher an den Karthagerfürsten Bitias weiterreicht, Aen. 1,739: /.../ ille impiger hausit spumantem pateram et pleno se proluit auro. Die Zusammenhänge sind also verschieden: Bei Novatian geht es um das Auffangen des schäumenden Opferblutes, bei Vergil um den Trunk schäumenden Weines. Was beide Stellen aber verbindet, ist die singulare Metonymie spumans patera1, die Novatian durch die poetische Flexion des Adjektivs noch heraushebt.2 Auch das bei Novatian geschilderte Auffangen des Blutes in der patera, ein Teil des Opferritus,3 wird von Vergil beschrieben.4 So heißt es beispielsweise über die Opfer bei der Bestattungsfeier für Polydorus, wo in spumantia cymbia eine vergleichbare Metonymie liegt, Aen. 3,664?.: inferimus tepido spumantia cymbia lade sanguinis et sacri pateras /.../. Ähnlich das Opfer für die Unterweltsgötter vor der xax&ßaoi?, Aen. 6,248: supponunt alii cultros tepidumque cruorem succipiunt pateris. Novatian sucht hier also offenbar ganz bewußt den color Vergilianus, um damit seine Menschenopferschilderung auszugestalten: Der Sache nach lehnt sich Novatian in seiner Darstellung an die Unterweltsopfer der Aeneis an. Im Totenopfer für Polydorus ist die Metonymie spumantia cymbia vorgegeben, im Opfer vor der xai&ßotoic der tepidus (bei Novatian: calidus) cruor. Die 1 2
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Keine weiteren Belege bietet ThLL X,l s.v. patera. C/. NEUE / WAGENER II 111. Die Dichter wechseln nach den Erfordernissen der Metrik zwischen -£ (z.B. Verg. Aen. 2,209; 12,651 etc.) und -i (z.B. Germ. Arat. 212; Ciris 475; Luc an. 9,927 etc.; dazu allgemein KH 351 Anm. 7), erster Beleg könnte Aen. 9,456 sein, wo eine varia lectio (statt pleno spumantis sangutne rivos) lautet plenos spumantt sangutne rivos (c/. HAROIE ad L 156). In der Prosa hingegen wird regelmäßig -e verwendet (Sen. controv. 7,1,10; Suet. Claud. 30,1 etc.), allerdings ist das Partizip dort weit seltener (vor allem medizinisch Cels. 2,4,9; 2,7,16; etc.). So etwa auch Cic. div. 1,46; Brut. 43; Sali. Catil. 22,1; Val. Max. 5,6 ext. 2; Val. Fl. 8,818; Stat. Theb. 4,464. Zur patera bei Vergil L. BERINGER, Die Kultwörter bei Vergil, Diss. Erlangen 1932, 95» allgemein W. HILGERS, Lateinische Gef&Bnamen, Düsseldorf 1969, 242—245.
II.3.2
Die Vergilzitate
203
Junktur spumans patera setzt Novatian vermutlich des Fachausdruckes patera wegen ein. Zur Hervorhebung des poetischen Charakters dient die Form spumanti. Vergil wird als der locus classicus für pagane Opferriten zitiert. Wahrscheinlich will Novatian eher das Schauerliche der Situation hervorheben und den authentischen Ton paganer Religiosität treffen, als gezielt auf den Dichter verweisen. spect. 7,2 (CC IV 175,6) Clangores tubae bellicos alter imitatur raucos, alter lugubres sonos spiritu tibias inflante moderatur, alter cum choris et cum hominis canora voce contendens spiritu suo quem de visceribus suis in superiora corporis nitens hauserat tibiarum foramina modulansf [effuso et] nunc intus recluso ac represso, nunc certis foraminibvs emisso atque in aerem profuso, item in articulos sonum frangens, loqui digitis elaborat, ingratus artifici qui linguam dedit Die Lächerlichkeit musikalischer Darbietungen demonstriert Novatian durch ausführliche Beschreibungen der Spielweise auf einzelnen Instrumenten. Bei der tuba greift er auf vergilische Sprache zurück: Der Ausdruck clangor tubarum erscheint erstmals und öfter bei Vergil, nämlich für den Schlachtenlärm, der sich im nächtlichen TVoja erhebt (Aen. 2,313 exoritur clamorque virum clangorque tubarum), für die himmlischen Zeichen, mit denen Venus den Aeneas zum Aufbruch von Euander mahnt (Aen. 8,526 Tyrrhenusque tubae mugire per aethera clangor) und bei der Bestattung der gefallenen TYojaner (Aen. 11,192 it caelo clamorque virum clangorque tubarum). In späterer Prosa bürgert sich die Formulierung jedoch ein.1 Vor allem steht Vergils Beschreibung vom Ausschwärmen der Bienen, das mit einem Kriegszug unter Menschen verglichen wird, im Hintergrund, georg. 4Jlsq.: Martius ille aeris rauci canor increpatf et vox auditur fractos sonitus imitata tubarum. Für einen Vergilbezug bei Novatian sprechen, neben der Gemeinsamkeit von drei Worten, auch der dichterische Charakter des Gebrauchs von raucus2 und die auffällige Verwendung von imitari, das sich an beiden Steilen auf die realistische, aber nicht authentische Hervorbringung kriegerischen Trompetenklanges bezieht.3 Vielleicht stellt das Motiv vom anthropomorphen Verhalten der Bienen den Ausgangspunkt für die Vergilbenutzung dar, zu dem Novatian die bei Vergil als düster-pathetische Schilderung der Atmosphäre verwendete Junktur clangor tubarum hinzufügt. Novatian sucht den Effekt 1
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Cf. ThLL III s.v. clangor 1262,68—84, FOUCHER 181sg., bezogen auf die tuba sim. ab Vergil in der nach klassischen Epik, ab Ende 2. Jhdt. vereinzelt in Prosa (Apul. mund. 30; Ps. Quint. decl. 9,6), häufig bei Amm. (14,1,1 etc.) und in der Vulgata (num. 10,7 etc.). OLD s.v. raucus 3 vom Instrumentenklang, nur dichterische Belege, ab Ennius ann. 520 carmen tuba sola peregit et [.../ raucum sonus aere cucurrit. Cf. ThLL VII, 1 s.v. imitor 434,22—42 zur schauspielerischen Nachahmung, für Töne etwa Cic. rep. 6,18 quod homines ncrvis imitati atque cantibus. Zum vergilischen Motiv Varro rust. 3,16,9 duces conficiunt quaedam ad vocem ut imitatione tubae.
204
II.3
Novatian
der Travestie, den die Georgikastelle durch die Übertragung auf den Bienenschwarm schon anzudeuten scheint: Das heroische, beinahe unheimliche Pathos des clangor tubarum kontrastiert mit der ins Lächerliche gezogenen Szenerie, das imitari wird zum verzweifelt komischen Versuch der Nachahmung. Dem vergeblichen Streben des Musikers nach einem heroischen Klang entspricht also der vergiUsche Ton im ironischen Spott, der das ineptum der Schauspiele auf stilistischer Ebene offenbart.1 spect. 9,1.2ab (CC IV 177sq.) Habet Christianus spectacula meliora, si veUt, habet veras et profuturas voluptates, si se recollegerit Et ut omittam illa quae nondum contemplari potest, habet istam mundi pulchritudinem quam videat atque miretur: solis ortum aspiciat, rursus occasum mutuis vicibus dies noctesque revocantem, globum lunae temporum cursus incrementis suis detrimentisque signantem, astrorum micantes choros et assidue de summa mobilitate fulgentes, (2) anni totius per vices membra divisa et dies ipsos cum noctibus per horarum spatia digestos et terrae molem libratam cum montibus et profusa flumina cum suis fontibus, extensa maria cum suis fluctibus atque littoribus, interim constantem pariter summa conspiratione nexibusque concordiae extensum aerem medium tenuitate sua cuncta vegetantem, nunc imbres contractis nubibus profundentem, nunc serenitatem refecta raritate revocantem, et in omnibus istis incolas proprios, in aere avem, in aquis piscem, in terra hominem. In den letzten beiden Kapiteln kommt Novatian auf die meliora spectacula zu sprechen, an deren Betrachtung sich der Christ ergötzen kann: die von Gott geschaffene und geordnete Welt (spect. 9) und seine in der Heiligen Schrift festgehaltenen Heilstaten (spect. 10). Die kontemplativ ausgerichtete Darstellung der göttlichen Schöpfung enthält, wie das auch in bezug auf die Funktion ähnliche Einleitungskapitel zu de trinitate, einige von Vergil geprägte oder verwendete Elemente kosmologischer Dichtersprache.2 Neben allgemeineren Entsprechungen bei der Darstellung der Himmelsphänomene, die im Wechsel von Tag und Nacht3, in der regelmäßigen Zu- und Abnahme des Mondes4 und im Wandel der Sternbilder5 der Welt Ordnung verleihen, und der festgelegten Lebensräume, zum Beispiel des Wassers6, läßt sich ein 1 2
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Siehe unten (377) zu Cypr. (= Novatiani) epist. 30,6,3. Darauf hat schon HARNACK (39) verwiesen, ohne aber einer genaueren Untersuchung vorzugreifen: uDie folgende Schilderung ist z. Th. ein Cento Vergilianus; ich verzichte darauf, die einzelnen Parallelen zu markiren". So öfter in den Georgika, etwa georg. 1,247—258; 3,341—343; 3,400—403. Aber auch bei der gattungsüblichen Einteilung in Tag und Nacht in der Aeneis, so etwa Aen. 10,215sg. 10,257. So etwa in den Georgika bei der Erläuterung der guten und schlechten Tage des Monats, 1,276—286; 276 ipsa dies alio alios dedit online luna, oder zu Beginn des lopas-Liedes in der Aeneis, 1,742 hie canit errantem lunam solisque Labores. Zusammen mit Sonne und Mond etwa zu Beginn des Entwurfs der IdeallandschaJt dichterischen Schaffens, georg. 2,275—278. Etwa Aen. 1,221—224 Et iam finis erat, cum Iuppiter aethere summo / despiciens mare
II.3.2 Die Vergilzitate
205
deutlich faßbarer Vergilbezug vor allem für die folgenden Formulierungen vermuten: (1) Für die Junktur globus lunae gilt das oben (193) zu deren weiterer Belegstelle bei Novatian, trin. 1,2, Gesagte. Die Wiederholung spricht für ein bewußt gesetztes lumen. Bemerkenswert ist, daß sich hier (signantem) wie dort (candentem) in der Hinzufügung eines attributiven Partizips ein Reflex der vergilischen Syntax lucentemque globum lunae (Aen. 6,725) erkennen läßt. (2a) Zu dem Ausdruck anni totius per vices membra divisa et dies ipsos cum noctibus per horarum spatia digestos finden sich lexikalische und semantische Entsprechungen an einer Stelle im ersten Georgikabuch, georg. 1,2085?.: Libra die somnique pares ubi fecerit horas et medium lud atque umbris iam dividit orbem. Für eine Referenz fehlen aber Anhaltspunkte, denn auch das gemeinsame Vorkommen der drei — bzw. vier, wenn man trotz Abweichung in Formalkategorie und Semantik libratam ('ausgewogen') mit libra ('Sternbild Waage') zusammenbringt — Begriffe besagt wenig, da es durch den Gegenstand nahegelegt wird.1 (2b) Der Ausdruck aerem medium tenuitate sua cuncta vegetantemf /.../ imbres cx>ntractis nubibus profundentem scheint von einer Passage der vergilischen Bugonie beeinflußt zu sein, georg. 4,31 \sq. (308—313): interea teneris tepefactus in ossibus umor aestuat, et visenda modis animalia miris, trunca pedum primo, mox et stridentia pennis, miscentur, tenuemque magis magis aera carpunt, donec ut aestivis effuaua nubibus imber erupere, aut ut nervo pulsante sagittae, piima leves ineunt si quando proelia Parthi. Tenuitas wird häufig als Eigenschaft der Luft erwähnt2. Auch daß sich Regen aus den Wolken ergießt, ist ein naheliegender Gedanke, in dieser Formulierung aber selten belegt3. Vor allem aber das Zusammentreffen der Motive spricht für einen Vergilbezug. Novatian nominalisiert also den tenuis
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veiivolum terrasque iacentis / litoraque et iatos populos, sie vertice caeli / constitit et Libyae defixit Lumina regnis. georg. 3,541—543 iam maria immensi prolem et genus omne natantum / litore in extremo ceu naufraga corpora fluetus / proluit; insolitae fugiunt in flumina phocae. Die Verwendung der einzelnen Wörter ist unauffällig (cf. ThLL V s.v. divido 1602,72— 1603,34), den lexikalischen Parallelen fehlt eine Entsprechung in der Syntax, die Pragmatik divergiert insofern, als Vergil die Tag- und Nachtgleiche beschreibt, während es Novatian um das Faktum der natürlichen Zeiteinteilung geht. Zur Sache natürÜch Gen 1,14—18. Cf. ThLL I s.v. aer 1050,18—68; OLD s.v. tenuis 6a, Cf. ThLL VII,1 s.v. 1. imber zur Junktur mit fundere {cf. 424,44 — aber nur das verbum simplex erwähnt — und zur Juxtaposition mit nubes, 424,56). PHI 5.3 und CLCLT-5 bieten zwar eine Reihe von Belegen (etwa Lucan. 3,70; Apul. mund. 10; dann erst Ambrosius und Augustinus), nirgends aber liegt eine so enge Juxtaposition vor wie bei Vergil und Novatian. Eine feste Wendung scheint also nicht zugrunde zu liegen, die Gemeinsamkeit von Vergil und Novatian ist vielmehr außergewöhnlich.
206
II.3
Novation
aer, wendet den Ausdruck für den Regenguß ins Passiv, verändert dabei das Präfix zu effundere und ergänzt contractis1. Die vergilische Szene vom Ausschwärmen der Bienen, das mit einem hervorbrechenden Regenschauer verglichen wird, dient Novatian als Vorlage für die Stilisierung seiner Darstellung der Schöpfungsordnung. Insgesamt gesehen läßt sich ein color Vergüianus zwar in der ganzen Passage erahnen, aber nur an wenigen Stellen sprachlich eindeutig fassen. Novatian sucht einen sublimen Ton der Naturschilderung, der sich mit dem stilistischen Vorbild Vergil berührt. Das Lob der Schöpfungsordnung steht in der Motivik eher auf dem Boden biblischer Vorgaben.2 de bono
pudicitiae
In dem Brief de bono pudicitiae mahnt Novatian seine Gemeinde nachdrücklich zur Keuschheit: Der Anfang ist verloren. Zunächst betont Novatian seine Autorität als Bischof, mit der er nun für die Keuschheit und gegen das Laster auftrete (Kapitel 1—4). Dann stellt Novatian die einschlägigen Regelungen im Alten und Neuen Testament sowie in der Gesetzgebung der Menschen dar (Kapitel 5—7). Lobend führt er die biblischen Beispiele von Josef und Susanna vor Augen (Kapitel 8—10). Entscheidend sei der Sieg über die voluptas (Kapitel 11). Abschließend mahnt Novatian zu wohlverstandener Körperpflege (Kapitel 12) und nochmals zu züchtigem Verhalten (Kapitel 13sq.). pudic. 10,1 (CC IV 122,75g.) Non Mos emollire potuit invita generosi sanguinis memoria, quae in quibusdam licentiam lasciviae ministrat, non decor corporis et apte positorum figura membrorumf quae suggerit plerumque, ut quasi flos quidam properantis velociter transiturus aetati£ porrectae voluptatis occasione pascaturf non anni primi virentis et melioris aetatisf cum rudis adhuc sanguis aestuans naturae flammas accendit et in medullis caeca versat incendia ad remedium suum etiam per periculum pudoris itura, non ulla latebrarum et sine ullo consciot ut a quibusdam putaturf occasio, quae maxima vis est admittendi scelerisf dum liberationis occurrit impunitas, non imposita necessitas de auctoritate iubentium et in temeritate participum atque sociorumt quo genere franguntur etiam recta saepe consüia, non praemia ipsay quibus adquiescunt saepe et boni} non accusationesf non minae, non poena, non mortes. Zu den nubxbus contractu vielleicht auch georg. 1,323s«?. et foedam glomevant tempestatem imbribtis atris / collectae ex alto nubes; mit arduus aether ? Entsprechende Motive wären beispielsweise die pulchritudo der Schöpfung (Vulg. PsG 49,11; PsH 26,4; Sir. 43,1; 43,20), die sinnvolle Einteilung von Tag und Nacht (Vulg. gen. 1,14), die Erwähnung der Fische (Vulg. gen. 1,26); PsH 8,9;) oder die Betrachtung der Himmelskörper (Vulg. dt. 4,19; 17,3; 4reg 23,5; PsG 148,2—4). Die Formulierung flos /.../ aetatis, von HARNACK (41) als Anklang an Aen. 7,162 primaevo flore iuventus namhaft gemacht, ist schon in der klassischen Prosa häufig belegt (ThLL VI,1 s.v. flos 934,62—73).
II.3.2 Die Vergilzitate
207
Die in den vorhergehenden Kapiteln dargestellte pudicitia des Josef in Ägypten (Kapitel 8) und der Susanna (Kapitel 9) sucht Novatian nochmals ins rechte Licht zu rücken, indem er die überwundenen Schwierigkeiten und Versuchungen heraushebt. Für die Darstellung der jugendlichen Leidenschaft entlehnt Novatian ein Bild aus der Liebesdichtung: Die in der medulla wütende flamma ist seit Catull (100,7 cum vesana meas torreret flamma medullas) belegt. Vergil beschreibt damit dann Didos verzehrende Liebe, Aen. 4,66: /.../ est mollis flamma medullas interea et tacitum vivit sub pectore vulnus. Die poetisch häufig gebrauchte Metapher findet sich in der Prosa vor Novatian nur bei Apuleius.1 Damit verbindet Novatian die oxymoronhafte Junktur caeca /.../ incendia für die im Inneren lodernden Liebesgluten. Diese Formulierung läßt sich zurückführen auf den caecus ignis, mit dem Vergil gleich zu Beginn des vierten Aeneisbuches den Seelenzustand der Dido beschreibt, Aen. 4,2: At regina gravi iamdudum saucia cura volnus alit venis et caeco carpitur igni. Das zugrunde liegende Bild geht offenbar auf Vergil selbst zurück, wird aber häufig rezipiert.2 Novatian greift also nicht nur zur Darstellung brennenden Verlangens auf die Sprache der erotischen Dichtung in vergilischer Prägung zurück, sondern führt vielleicht sogar in den für Vergilkenner durchaus erkennbaren Referenzen auf das Didobuch der Aeneis zwischen den Zeilen, gewissermaßen intertextuell, die unglückliche Königin von Karthago als exemplurn für die verhängnisvollen Konsequenzen vor Augen, die eine nicht beherrschte Liebesglut haben kann.3 pudic. 13,2 (CC IV 126,6) Sub praetexto quippe naturae, quae homines semptr urget ad affectus, quibus ruinae collapsi generis resarciuntur, blandimento voluptatis fallens non ducit [sc. caro] ad continuandam legitimae coniunctionis sobolem, sed iactat in crimen. Als Gefahrdung der pudicitia nennt Novatian den Fortpflanzungstrieb. Für dessen Periphrase lehnt er sich an Vergils Darstellung der Regenerationskräfte eines Bienenvolkes nach einem Schädlingsbefall an, georg. 4,249 (248— 250): 1
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Cf. ThLL VIII s.v. medulla 601,32—44 in der Dichtung außer den genannten Belegen etwa Ov. am. 3,10,27; Sen. Ag. 132; Med. 819; Lucan. 5,811; Petron. 121 v. 105 etc., in der Prosa Apul. met. 10,3 (/5(1 enim tui oculi per meos oculos ad intima delapsi praecordia meis medullis acerrimum commovent incendium.) und hier. Zwar erscheint die Formulierung caecus ignis häufiger (cf. ThLL III s.v. caecus 45,52— 54; ThLL III s.v. caecus 46,24—26), als Bild für das Liebesverlangen jedoch ist die Formulierung rein vergilisch, wörtlich zitiert Quodv. prom. 1,27; cf. PEASE ad Aen. 4,2 (86). Wie eindrücklich Novatian die sprachliche Ausgestaltung der Paränese gelungen ist, zeigt übrigens deren die Vergilreferenzen einschließende Ausschreibung Ps. Orig. tract. 5,7.
quo magis exhaustae fuerint, hoc acrius omnes incumbent generis lapsi sarcire ruinös complebuntque foros et floribus horrea texent. Eine Gegenüberstellunge zeigt die Veränderungen, die Novatian vornimmt, vor allem aber den engen Zusammenhang der Formulierungen: georg. 4,249 pudic. 13,2
generis ruinae
lapsi collapsi
sarcire generis
ruinös resarciuntur
Er verändert die Reihenfolge, wodurch er die Schlußstellung des finit gewordenen Verbums und eine ditrochäische Klausel erreicht, und ersetzt die Simplicia durch Komposita. Er paßt das Zitat also syntaktisch und stilistisch1 dem Kontext an, behält aber die Juxtaposition der Elemente, ihre syntaktische Binnenstruktur und vor allem den Aussagegehalt des Zitatsegmentes bei, so daß die Referenz erkennbar bleibt. Novatian überträgt das bei Vergil über die Bienen Gesagte unmittelbar auf den Menschen zum Zweck einer zwar etwas prüde anmutenden, aber gewiß nicht geistlosen Umschreibung eines ihm anstößigen Sachverhaltes, des menschlichen Fortpflanzungstriebes. Während es bei Vergil um die Erneuerung eines dezimierten Bestandes geht, stellt bei Novatian, der von weiterer Vermehrung spricht, collapsum genus einen gewissen Anstoß dar, durch den das Animalische der Arterhaltung in ihrem Ankämpfen gegen den Tod betont, aber auch das Textfremde markierend hervorgehoben wird.
3.3 3.3.1
Auswertung Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
Die vorausgehende Bestandsaufnahme hat für dreizehn Stellen im Werk des Novatian Berührungen mit Vergil ergeben. Der Einfluß des Dichters ist also angesichts eines Umfanges von etwa 130 Seiten zwar nicht auffallend groß, aber doch, zumal wenn man die rein innerchristliche Ausrichtung des Erhaltenen berücksichtigt, merklich. Nirgends jedoch wird Vergil genannt oder unverändert wiedergegeben. Die Übereinstimmungen betreffen meist nur wenige Wörter: Das umfangreichste Zitat (pudic. 13,2) besteht in einer Prädikation von vier teilweise veränderten Elementen, deren syntaktische Binnenstruktur beibehalten wird. Ein weiteres Zitat (spect. 9,2b) besteht aus fünf teilweise veränderten Einzelelementen, deren syntaktischer Zusammenhang aufgelöst 1
Als Erklärung der Permutation liegt die Adaptation in Prosa nahe, ebenso bei der Ersetzung von tapst durch das semantisch genauere collapsi. Bei sarcire hingegen erscheint die Substitution weniger naheliegend, so sagt Novatian an anderer Stelle (Cypr. epist. 30,4,1) disciplinae evangelicae ruinös non facile sarcirent, außerdem kommt resarcü re bei den älteren Christiani Latini (CLCLT-5) seltener vor als das Simplex. Ist es Novatians Hauptabsicht, sich von der Vorlage zu entfernen?
11.3.3 Auswertung
209
ist. Unmittelbar voraus geht ein Zitat (spect. 9,2a) aus drei Einzelelementen. Sechsmal werden zweigliedrige nominale Junkturen zitiert, viermal unter Zusatz weiterer vergilischer Einzelemente.1 Zwei Zitate beinhalten zweigliedrige verbale Junkturen.2 An drei Stellen gibt Novatian vergilische Junkturen nicht mehr als Syntagmen wieder, sondern nur noch in ihrem ungefähren semantischen Bezug.3 Zweimal werden lediglich charakteristische Einzelelemente vergilischer Diktion zusammengestellt.4 Spezifisch vergilische Lexik nimmt Novatian jedoch nirgends auf. Die Zitate beruhen auf Gemeinsamkeiten in der Struktur, und zwar eher noch der semantischen als der syntaktischen. Kein Zitat wird, wie erwähnt, unverändert wiedergegeben: Bei der vier Elemente umfassenden Prädikation ruinae collapsi generis resarciuntur (pudic. 13,2) nimmt Novatian eine Permutation, eine morphosyntaktische Adaptation des gesamten Ausdruckes und eine Substitution der verba simplida durch entsprechende verba composita vor, womit er auf Prosifikation, aber wohl auch auf Verfremdung abzielt. Die zweigliedrigen Junkturen werden in allen Fällen morphosyntaktisch adaptiert und meistens permutiert. An den begleitenden vergilischen Elementen ist oft eine Synonymsubstitution zu beobachten, die der Verfremdung zu dienen scheint.5 Als Veränderung kann auch die Übernahme einzelner Adjektive aus der Kontextumgebung der zweigliedrigen Junktur in einem neuen Bezug gelten.6 Häufig werden mehrere Elemente unter Eingriff in die syntaktische Binnenstruktur, aber bei gleichbleibendem semantischen Bezug übernommen, so etwa, wenn effusus nubibus imber (georg. 4,312) durch Änderung der Diathese und des Numerus, Hinzufügung von contractu und Wechsel der Vorsilbe zu imbres contractis nubibus profunduntur (spect. 9,2b) wird.7 Manchmal geht der syntaktische Bezug gänzlich verloren oder hat gar nicht bestanden, es existiert nur ein ungefährer semantischer Zusammenhang.8 1
2 3
4 6 6 7
8
Verändert wird der Zusatz trin. 1,2 (candentemstatt lucentemque zu globum lunae); aus dem unmittelbaren Kontext wird trin. 1,7 das Adjektiv altus übernommen; von anderen Vergilstellen stammen die umfangreicheren Zusätze spect. 5,1 (spumanti patera + Aen. 3,66s?.); 7,2 (clangor tubae + georg. AJlsq.); ohne weiteren Zusatz bleiben spect. 2,1; 9,1. Cypr. epist. 30,2,1 inlidat in scopulos mit vergilischer Semantik des Verbs; spect. 5,1 sonittis imxtata tubarum, in Verbindung mit clangor tubae. So fließen pudic. 10,1 die Liebesmetaphorik von Aen. 4,2 und 4,66 zusammen; cib. lud. 3,3 liegt das vergilische sopitos suscitat ignes (Aen. 5,743; 8,410) zugrunde; hinter cib. lud. 6,3 voluptatum [...] mater deficere ist Aen. 6,196s?. ne defi.ce [...] / diva parens zu vermuten. So cib. lud. 2.6 und, in bezug auf die UnterweltsVorstellungen, Cypr. epist. 30,7,2. So trin. 1,2 candentem statt lucentem; spect. 5,1 cruor statt sanguis; pudic. 10,1 incendia statt ignis; spect. 2,9b profundere statt eßundere. So trin. 1,7 altus; spect. 7,2 raucus. Hierher gehört auch der erste Teil des Zitates spect. 9,2b (tenuem (...] aerem zu aerem medium tenuitate), außerdem Cypr. epist. 30,2,1 (scopulis zu in scopulos); cib. lud. 3,3; spect. 7,2. So etwa Cypr. epist. 30,7,2; spect. 9,2a; cib. lud. 2,6; 6,3; pudic. 10,1.
210
II.3
Novation
In vielen der letztgenannten Fälle ist die Kontamination von verschiedenen vergilischen Versatzstücken ein charakteristisches Merkmal von Novatians Zitiertechnik: So stellt er beispielsweise die Wendung clangor tubarum1 und aeris rauci canor increpat et / vox auditur fractos sonitus imitata tubarum (georg. 4,7159.) zusammen zu clangores tubae bellicos alter imitatur raucos (spect. 7,2) oder spumans patera (Aen. 1,739) und spumantia cymbia lacte / sanguinis et sacri pateras (Aen. 3,66) zu cruor etiam de iugulo calidus exceptus spumanti patera (spect. 5,1).2 Die Kombination mehrerer nicht direkt verflochtener Reminiszenzen zu einem Zitatennest ist nur einmal zu beobachten (spect. 9,1.2ab). Bewußt eingesetzte Strategien der Markierung lassen sich nirgends nachweisen,3 vielmehr sind manche Veränderungen an den Zitatsegmenten als Verfremdungen zu werten 4 . Novatian zitiert also in erster Linie produktionsorientiert. Ein wichtiges Mittel dabei ist die Kontamination sinnverwandter Stellen. Tragendes Element der meisten Zitate ist die semantische Struktur. Syntax oder Lexik eines Einzelwortes werden hingegen kaum übernommen. 3.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Die diskutierten Zitate verteilen sich auf alle Sparten des Werkes: Der dogmatische Traktat de trinitate enthält zwei, ebensoviele einer der drei Briefe an die karthagische Gemeinde und wenigstens so viele jeder Brieftraktat 5 . Es ist also keine Abnahme der vergilischen Präsenz zu beobachten, vielmehr häufen sich die Zitate sogar in den Brieftraktaten der schismatischen Periode: Auf diese entfallen über die Hälfte der Zitate, obwohl sie weniger als ein Drittel des Werkes ausmachen.6 Eine Erklärung dürfte darin liegen, daß in den Brieftraktaten ein größeres rhetorisches und allgemein paränetisches Element liegt als in der dogmatischen Darstellung de trinitate und der Korrespondenz zwischen den Gemeinden. Innerhalb der Brieftraktate wiederum finden sich die meisten Zitate in der Schrift de spectaculis: Drei davon stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der darin geführten Auseinandersetzung mit der paganen Kultur, 7 dasjenige über die Schönheit der Schöpfung wird nach der Vorgabe aus de trinita1 2 3
4 5 6
7
Cf. Aen. 2,313; 8,520; 11,192. Ähnlich pudic. 10,1; Cypr. epist. 30,2,1; cib. lud. 2,6. Markierung durch Position findet sich nur im Zitatennest spect. 9,1.2ab; Markierung durch Frequenz im Prätext wäre nur für cib. lud. 3,3, vielleicht spect. 7,2 in Erwägung zu ziehen, Frequenz im Folgetext besteht nur trin. 1,2; spect. 9,1. In keinem dieser Fälle aber scheint Novatian mit diesen Formen der Markierung zu arbeiten. Höchstens die poetische Form spumanti patera (spect. 5,1) könnte, in Verbindung mit der Metonymie, bewußt eine diatypische Interferenz provozieren. So vor allem pudic. 13,2; wohl auch spect. 9,2b. Genauer gesagt finden sich cib. lud. drei, spect. vier und pudic. zwei Zitate. Das heißt, Novatian entwöhnt sich weder seiner paganen Bildung, noch distanziert er sich als Bischof einer rigor ist ischen Sonderkirche von Vergil. So spect. 2,1 (vana superstitio); 5,1 (Opferszene); 7,2 (tufa-Spiel).
II.3.3 Auswertung
211
te wieder aufgegriffen1. Im Werk de cibis Iudaicis veranschaulicht Novatian dreimal theologisch-exegetische Aussagen mit vergilischen Formulierungen.2 Ebenfalls ein Ergebnis seiner Exegese drückt Novatian in der Schrift de bono pudicitiae mit Vergil aus; 3 außerdem beschreibt er den Fortpflanzungstrieb mit Worten des Dichters (pudic. 13,2). Im Brief an Cyprian greift Novatian auf vergilische Diktion für die Metapher von der Kirche als Schiff4 und für die Unterwelt5 zurück. Die Vergilzitate sind also meistens unmittelbar in den theologischen Diskurs eingeflochten und dienen oft der Formulierung exegetischer Ergebnisse, der Wiedergabe von Paganem dienen nur ausnahmsweise in der Schrift de spectaculis (2,1; 5,1; 7,2).
3.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Bei der Rückführung der Zitate lassen sich trotz deren geringer Zahl doch deutliche Schwerpunkte im Werk des Vergil erkennen: Die Eklogen werden offenbar nicht herangezogen, wohl aber die Georgika, und zwar, neben dem ersten 6 und dem dritten 7 , vor allem das vierte Buch, das mit vier Zitaten vertreten ist, von denen drei einen direkten Bezug zu den Bienen aufweisen8. Die Aeneiszitate sind vor allem deren erster Hälfte zuzuordnen, darin wiederum überwiegen, wie auch bei den anderen untersuchten tendenziell zu beobachten, das vierte 9 und sechste10 Buch. 11 Als Besonderheit ist also Novatians anscheinende Vorliebe für die Georgika und vielleicht darin wiederum für das vierte Buch und die Bienen festzuhalten. Dieser Eindruck bestätigt sich noch, wenn man, soweit dies eben möglich ist, ungefähre inhaltliche Schwerpunkte in den jeweils genutzten Prätexten herauszuarbeiten versucht: 1 2
3 4 5 6 7 8
9 10 11
So entspricht spect. 9,1.2ab in Funktion und Inhalt weithin trin. 1,2.7. So cib. lud. 2,6 (Ackerbau als heilsgeschichtliche Depravation); 3,3 (Gesetz soll die Glut der Gerechtigkeit unter der Asche neu entfachen); 6,3 (Gefahren der Triebhaftigkeit nach Motiven der Bergpredigt). So pudic. 10,1 (Größe der Versuchung durch jugendliche Liebesglut, der Josef und Susanna widerstanden). Cypr. epist. 30,2.1 — bei Vergil wird die Metapher von der Meeresbrandung allerdings für die unbändige Macht des Liebes Verlangens gebraucht. Cypr. epist. 30,7,2 — hier ist Vergil allerdings nur locus classicus der populären Vorstellungen, auf die Novatian rekurriert. Daraus spect. 9,2a (georg. l,208s<j.). Daraus Cypr. epist. 30,2,1 (georg. 3,261). Auf die Bienen bezogen spect. 7,2 (georg. 4,71s?.); 9,2b (georg. 4,31 lsq.)\ pudic. 13,2 (georg. 4,249); in den Rahmen der A r ist aeus-Erzählung gehört trin. 1,7 (georg. 4,528s?.). So pudic. 10,1 (Aen. 4,2.66); Cypr epist. 30,7,2 (Aen. 4,26). So trin. 1,2 und spect. 9,1 (Aen. 6,725); Cypr. epist. 30,7,2 (Tartarus; Aen 6,740); cib. lud. 6,3 (Aen. 6,196sq.). Den übrigen Büchern ist nur Einzelnes oder mehrfach Vorkommendes zuzuordnen.
212
II.3
Novatian
1. Im Prätext vieler Zitate geht es um Naturschilderungen, teilweise allgemeiner Art 1 , teilweise speziell auf die Bienen2, einmal auf das Feuermachen3 bezogen. 2. Einen zweiten Schwerpunkt bilden Affektschilderungen: Zweimal übernimmt Novatian poetische Darstellungen des Liebesverlangens,4 einmal zieht er eine Vergilstelle gegen ihren Kontext in diesem Sinne heran, 6 einmal überträgt er ein vergilisches Szenario der Liebesglut in einen anderen Zusammenhang6. 3. Als Repräsentant paganer Vorstellungen wird Vergil in bezug auf den Kult im Werk de spectaculis zitiert. 7 Vorstellungen und Diktion der vergilischen Unterwelt werden in der innerchristlichen Korrespondenz übernommen8. Betrachtet man die Zitate nach ihrer formalen Stellung im Prätext, so finden sich auffallend viele Gleichnisse und Metaphern, die Novatian teils direkt verwendet,9 teils überträgt, 10 teils rückgängig macht 11 und teils erst schafft12. Novatian übernimmt von Vergil also vor allem, inhaltlich betrachtet, Schilderungen von Natur und Affekten, bevorzugten rhetorischen Übungsthemen, formal betrachtet Metaphern. Dazu paßt, daß auch die Untersuchung der Zitatsegmente einen Schwerpunkt des Gemeinsamen im Bereich der Semantik ergeben hat: Novatian sucht bei Vergil in erster Linie das Bildhafte der dichterischen Sprache über Natur und Gefühlswelt. 3.3.4
Vergil bei Novatian: Funktion und Bewertung
Insgesamt betrachtet läßt die Präsenz des Dichters darauf schließen, daß Novatian Vergil kennt, an ihm anscheinend besonders seine bildhafte Spra1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
11
12
So trin 1,2 und spect. 9,1; Cypr. epist. 30,2,1 (im Rahmen eines Vergleichs); spect. 9,2a. So spect. 7,2; 9,2b; pudic. 13,2. So cib. lud. 3,3. So pudic. 10,2; 13,2. So legt cib. lud. 6,3 die Venusanrede ne defice rebus / diva parens (Aen. 6,196s?.) zugrunde. So Cypr. epist. 30,2,1: die Gefährdung der Kirche. So spect. 2,1; 5,1. So Cypr. epist. 30,7,2. So die Liebesmetaphorik pudic. 10,1. So überträgt Novatian etwa Cypr. epist. 30,2,1 die Überwindung der Brandung durch einen verliebten Jüngling auf die Gefährdung der Kirche. Auch die Heranziehung eschatologischer Diktion Vergils Cypr. epist. 30,7,1 könnte man so verstehen. So liegt spect. 9,2b das Bild vom Niederschlag für das Ausschwärmen eines Bienenvolkes zugrunde, wird von Novatian aber unmittelbar verwendet. Der Vergleich des Bienensumme ns mit einer Schlachttrompete wird von Novatian spect. 7,2 auf das tufa-Spiel zurückgeführt, jedoch in einer im Kontext ironisierenden Emphase. In dieselbe Richtung der Emphase durch die bildhafte Dichtersprache weist wohl auch die spumans patera (spect. 5,1). So gebraucht erst Novatian cib. lud. 3,3 die Glut unter der Asche metaphorisch.
II.3.3
Auswertung
213
che schätzt und eine Vorliebe für das vierte Buch der Georgika hegt. Nirgends aber tritt Vergil in den Vordergrund. Seine Präsenz beschränkt sich auf sprachliche Versatzstücke, meist auf semantische Strukturen und Elemente von Metaphern, oft aus verschieden Stellen kontaminiert. Drei Funktionen der Vergilzitate bei Novatian lassen sich herausarbeiten: 1. Theologische, oft exegetisch gewonnene Ansichten werden mit Hilfe vergilischer Sprachelemente bildhaft ausgestaltet.1 2. In poetischem Ton werden Schönheit und Ordnung der Schöpfung gepriesen, namentlich im ersten Kapitel der Schrift de trinitate und im neunten Kapitel des Brieftraktates de spectaculis.2 3. Vergilische Ausdrücke über Kult und Opfer dienen, teils in ironischer Überzeichnung, der Auseinandersetzung mit der paganen Kultur in der Schrift de spectaculis.3 Novatian geht es zum einen um das commovere im theologischen Diskurs, so vor allem in bildhaften Ausdrücken über Natur und Affekte, zum anderen will er den authentischen, ins Ironische gesteigerten Ton in der Auseinandersetzung mit der paganen Umwelt treffen. Rückschlüsse auf die Wertschätzung, die Novatian Vergil entgegenbringt, läßt nur die Tatsache der Verwendung Vergils zu, die sich auch auf den rein innerkirchlichen Diskurs erstreckt. Dabei ist die Vergilrezeption des Novatian durchweg produktionsorientiert: Nirgends setzt er voraus, daß ein vergilischer Prätext als solcher perzipiert wird. Öfter aber rekurriert Novatian mit Vergilzitaten auf einen weiter zu fassenden, kulturellen Prätext. So verlangt beispielsweise die ironische Überzeichnung des htfra-Spiels (spect. 7,2), daß der Leser den heroisch-pathetischen Ton wahrnimmt.4 Auch soll der Leser, wenn Novatian die Versuchung durch jugendliche Liebesglut schildert (pudic. 10,1), den Rückgriff auf das Register der erotischen Dichtersprache wahrnehmen. Insbesondere aber der Rekurs auf pagane, anscheinend nicht zuletzt vergilisch geprägte Vorstellungen von der Unterwelt, unmittelbar übertragen auf christliche Jenseitsvorstellungen (Cypr. epist. 30,7,2)5, könnte andeuten, daß 1 2 3 4 5
Mit direktem Bezug zur Exegese cib. lud. 2,6; 3,3; 6,3; pudic. 10,1; ekklesiologisch Cypr. epist. 30,2.1; eschatologisch Cypr. epist. 30,7,2; moralisch pudic. 13,2. So insbesondere trin. 1,2.7; spect. 9,1.2ab. So spect. 2,1; 5,1; 7,2. Ähnlich rekurriert die Opferschilderung (spect. 5,1) auf eine poetisch gefärbte Kultsprache. Hier ist ein Forschungsdesiderat zu konstatieren: Vergilische Vorstellungen als Einflußfaktor auf die frühen Christiani Latini finden in den übergreifenden Darstellungen zu deren Konzeption von Eschatologie im allgemeinen und Hölle im besonderen keine Erwähnung, so etwa B. DALEY, HDG IV 7a [1986], 110—119; A.E. BERNSTEIN, The Formation of Hell. Death and Retribution in the Ancient and Early Christian Worlds, Ithaca / London 1993, 267—333; VoRGRJMLER 91—94; DASSMANN 356—358;
214
II.3
Novatian
Vergil nicht nur, rein produktionsästhetisch, von einem rhetorisch geschulten Autor als Fundgrube für bildhafte Ausdrücke ausgebeutet wird, sondern auch bei der Inkulturation des Christentums in die römische Geisteswelt eine Rolle spielt.
J.N. BREMMER, The Rise and Fall of Afterlife, London / New York 2002,56—70. Einzelne punktuelle Gemeinsamkeiten zwischen Vergil und der frühen christlichen Latinität benennt AM AT in ihrer motivgeschichtlichen Arbeit über spätantike Jenseitsvorstellungen (119; 137; 147; 153), doch bezieht sich nichts davon auf das Bild der Hölle. Den Einfluß vergilischer Gedanken auf die christliche Hölle in seinen Anfängen zu untersuchen ist also, soweit ich sehe, ein Desiderat. Die in vorliegender Arbeit untersuchten Zitaten aus dem sechsten Aeneisbuch (thematisch einschlägige zusammengestellt unten 353) könnten dafür ein erster Ansatzpunkt sein.
4
Cyprian
4.1
Zur Forschungslage
Caecilius Cyprianus ist der erste Bischof und Heilige unter den christlichen Autoren lateinischer Sprache.1 Aus wohlhabender Familie in Nordafrika stammend, erhält er die in seinen Kreisen übliche rhetorische Ausbildung und wendet sich dann dem Christentum zu; seit 248 oder 249 Bischof von Karthago, erleidet er am 14. September 258 das Martyrium während der Valerianischen Verfolgung.2 Cyprians literarische Hinterlassenschaft besteht vornehmÜch aus epistulae, Korrespondenzen zu FVagen der Seelsorge aus der Zeit seines Episkopates, und aus libelli, Traktaten zu pastoralen Einzelfragen, die ihrerseits im Briefstil gehalten sind. Dazu kommen die apologetischen Schriften ad Donatum und ad Demetrianum, sowie die thematischen Bibelstellensammlungen ad Fortunatum (de exhortatione martyrii) und testimonia. Cyprians Verhältnis zur paganen Kultur ist von Desinteresse und Distanz geprägt.3 Er scheint sich nicht nur so auf die innerkirchlichen Belange und seine pastoralen Aufgaben als Bischof in schwerer Zeit zu konzentrieren, daß für die Auseinandersetzung mit der Umwelt kein Raum bleibt,4 sondern darauf nicht einmal Wert zu legen: Nirgends zitiert oder nennt er ausdrücklich pagane Autoren.5 Philosophie und Rhetorik erteilt er eine Absage.6 Natürlich schreibt Cyprian nicht gänzlich unbeeinflußt von paganen Autoren, so hat die Forschung7 Spuren von Cicero, Sallust, Seneca, Plinius, Quintilian, Apuleius, 1
Eine Gesamtdarstellung und eine Übersicht über die Forschungsliteratur bieten H. Antonie WLOSOK, PL. SCHMIDT, HLL 4 (1997) §478; C. MARKSCHIES, Cyprianus [2]\ DNP 3 (1997) 253—255; A. HOFFMANN, Cyprian', LACL (2002) 169—174. Cf Hier. vir. ill. 67. Allgemein über Cyprians Verhältnis zur paganen Kultur HAGENDAHL Von Tertullian 29—31, hier 29sq.\ ELLSPERMANN b2sq.\ KRAUSE 109—115. Allgemeine Überlegungen zu Kontinuität und Wandel paganer Verhaltensmuster bei Cyprian bietet H. MONTGOMERY, Saint Cyprian's Secular Heritage, in: Studies in Ancient History and Numismatics presented to R. THOMSEN, Aarhus 1988t 214—223. Cf HAGENDAHL Von Tertullian 122 Anm. \22sq.; CLARKE Introduction I \7sq. ad Donat. 2 — dazu V. BUCHHEIT. Non agnitione sed gratia (Cypr. Don. 2), Hermes 115 (1987) 318—334; patient. 3; epist. 55,16; epist. 60,3; cf ELLSPERMANN 43—51. Zu den Zitaten aus paganen Prosaikern, unter denen vor allem Seneca herausragt, etwa: HART EL im Apparat seiner CSEL- Ausgabe; U. MORJCCA, Di alcune probabili fonti d'un opuscolo di S. Cipriano, Athenaeum 5 (1917) 124—158, v.a. 146—154; H. KOCH, Cyprianische Untersuchungen, Bonn 1926, 286—333; L. CASTIGLIONI, Cyprianea, RIL 66 (1933) 1071 — 1085, v.a. 1081 — 1083; H. KOCH, Novaziano e Plinio il Giovane, Religio 11 (1935) 321—335, v.a. 327—331; HAGENDAHL (1958) Latin Fathers 77; BUCHHEIT (1979) Cyprian. passim; Non agnitione (1987), passim; Non homini (1989), passim; C. TIBILETTI, Un tema stoico in Seneca e S. Agostino, Augustinianum 22 (1982) 585— 593; M. SZARMACH, Die Anspielungen auf die heidnische Literatur in Cyprians de bono patientiae, in: Worte, Bilder, Töne. Studien zur Antike und Antikerezeption, FS B. KYTZLER, hg. v. R. FABER / B. SEIDENSTICKER, WUrzburg 1996, 197—200. GÜLZOW,
2 3
4
5 6 7
216
II.4 Cypria
Plutarch und Lukian, von Ennius1, Lukrez2, Catull3, Horaz4, Ovid5, Senec tragicus und einzelnen anderen Dichtern der Silbernen Latinität entdeckt was allerdings bei einem ausgebildeten Rhetor auch nicht anders zu erwa ten ist — zumal einem, dem WATSON in seiner stilistischen Untersuchun attestiert: "Cyprian's diction is at least as füll of poetical elements as tht of any post-Augustan writer"7. Für das Verhältnis zu Vergil gilt dasselbe: Zwar hat man an vielen Stelle Reminiszenzen namhaft gemacht,8 aber zugleich deren Verborgenheit hervo 1
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8
J.H. WASZINK, Eine Ennius-Reminiszenz bei Cyprian?, Mnemosyne s.III 1 (1933/& 232sq.\ c/. unten (245) zu patient. 4. Die Versuche von C. PASCAL, Lucrezio e Cipriano, RFIC 31 (1903) 555—557, und I DALPANE, Lucrezio e Cipriano, RSA 10 (1905/6) 425*?., einen weitgehenden Einfluß d Lukrez auf Cyprian nachzuweisen, beurteilt HAGENDAHL {Latin Fathers 78) zu Recl sehr kritisch. N.I. HERESCU, De Catulle ä saint Cyprien. Evolution d'un concept de la divinite, O pheus 6 (1959) 119—134, bietet hingegen religionsgeschichtliche Überlegungen zu lap 17 solus Dominus misereri potest und Catull. 76,17 o di, si vestrumst misereri. L. BAYARD, Le latin de saint Cyprien, Paris 1902, XXsq. BAYARD Latin XXsq.\ C. PASCAL, Sopra alcuni passi delle Metamorfosi ovidiane imita dai primi scrittori christiani, RFIC 37 (1909) 1—6, hier 4sq. E.W. WATSON, The Language and Style of St. Cyprian, in. Studia biblia et ecclesiastU IV, Oxford 1896, 189—324, hier 203*?.: Sicherheit gebe es zwar nur für einige Vergi zitate, vielleicht werde aber auch Seneca tragicus aufgenommen, so etwa: Demetr. st terra situ pulveris squaleat zu Phaedr. 471 orbis iacebit squalido turpis situ, das epist. 76,2 squalent membra (...) situ et sorde deformia "which suggests a dislocatc hexameter" (204); Demetr. 24 cremabit addictos [...] vivacibus ftammis vorax poena 2 Med. 826 et vivacis fulgura flammae / de cognato Phaethante tuli; epist. 10,2 rup conpage "though in a different sense" (204) Oed. 580; Herc.O. 1135; 1128; ad Donat. obductas fores zu Herc.O. 1548 solaque obductis foribus deorum / templa. — MORICC nennt außerdem ad Donat. 1 ac ne loqui nostrum arbiter pro/anus impediat zu Sei Phaedr. 601 en locus ab omni Über arbitrio vacat; ad Donat. 4 lumen infundit zu Sei Phaedr. 154 rebus lumen infundens suum; ad Donat. 8 lovem [...] nunc in pluma oloris albescere nunc aureo imbre defluere zu Aetna 90 luppiter ut Danaos pretxosx fluxerit imber, Octavia 203—208; ad Donat. 12 non cibus securo somnusve contingit 1 Sen. Thy. 449—451 o quantum bonum est / obstare nullt, capere securas dapes huTi iacentemf 458 somnosque non defendit excubitor meos. 204. Zusätzlich zu den zuweisbaren Reminiszenzen nennt er "two more instances < apparently hexameter lines, from unknown poets, cited indirectly" (/.c): Demetr. novella ac vegeta iuventa poliere aus einem vegeta pollere iuventa; epist. 55,28 carina praevalidis et electis roboribus intexe aus einem roboribus validis intexe carinam un u one iambic senarius with its two last words disposed" (204) epist. 4,2 nemo diu tut\ est periculo proximus (Hier könnte allerdings auch ein von Cyprian geprägtes Diktui vorliegen, als solches zitiert es jedenfalls Hier, epist. 30,14 nemo, ut beatus Cyprianx aitf satis tutus periculo proximus.). Weitere Beispiele für dichterische Sprachelement fuhrt er 204*?. auf. Nachweise der Vergilzitate bei Cyprian bieten neben BÜRNER 18—26, COURCELLE Le teurs, passim, und den Kommentaren zu den einzelnen Werken (je dort genannt) m besondere: C. WEYMAN, Über die dem Cyprianus beigelegten Schriften De spectacul und De bono pudidtiae, Historisches Jahrbuch 13 (1892) 737—748, hier 741; E.V WATSON (1896), 203; BAYARD Latin XXIsq.; MORIOCA 146—154 (zu ad Donat.); Mari T. BALL, Nature and the Vöcabulary of Nature in the Works of Saint Cyprian, Dia Washington 1946, 54.56.118.122.131.175; J. FONTAINE Aspects 169 mit Anm. 42 un 170 mit Anm. 44 (zu ad Donat.); V. BUCHHEIT, Cyprian — Seneca und die laudi
217
II.4.1 Zur Forschungslage
gehoben. BÜRNER (1902) erklärt diese mit Cyprians Absicht, die Übernahme unkenntlich zu machen (19). Nach BAYARD (1902) erinnere sich Cyprian manchmal an die Klassiker, die er in seiner rhetorischen Ausbildung kennengelernt habe, und kleide eine Passage poetisch aus.1 Einen neuen Gesichtspunkt bringt 1968 FONTAINE in einer Interpretation zum Kapitel 4 der Schrift ad Donatum: Die Übernahme einer vergilischen Wendung müsse nicht bloß artifizielles Gestaltungsmittel der Kunstprosa sein, vielmehr sei die Dichtersprache ein adäquates Medium zur Vermittlung religiöser Erfahrungen: "[L]a langue poetique est appropriee k l'expression des räalites religieuses, du fait meme que poesie et religion proposent toutes deux une connaissance analogique et symbolique de toute realite."2 GALLICET (1986) sieht dieses Motiv für den Rückgriff auf vergilische Sprache hinter Cyprians gesamter Vergilrezeption: Mit vergilischen Formulierungen wolle Cyprian nicht nur seine Prosa veredeln. "Vielmehr ist bei ihm ein spontaner Gebrauch vergilischer Ausdrücke festzustellen in gewissen Passagen, in denen die Gemütsbewegung über seine religiöse Erfahrung ihn dazu führt."3 In einer Untersuchung über den Einfluß der laudes agricolarum am Ende des zweiten Georgikabuches auf Cyprians Schrift ad Donatum kommt BüCHHEIT (1979) zu dem Ergebnis, daß Cyprian zwar verschiedentlich Gedanken und Formulierungen übernehme, sie aber dergestalt "im Sinne einer mutatio in melius einer ganz neuen Tendenz unterstellt"4, daß Elemente aus der vergilischen Antithese von Stadt und Land beim Christen "die Wertlosigkeit der vita tcrrena ac corruptibilis insgesamt vor Augen führen und das Trachten nach der vita caelestis, stabilis ac incorruptibilis als alleiniges Ziel anpreisen"5 sollen. In seiner Gesamtbewertung der Vergilrezeption bei Cyprian sieht HECK (1990) nur Unbedeutendes, das nicht über übliche Spuren einer rhetorischen Ausbildung hinausgehe.6 In der folgenden Betrachtung der einzelnen Zitate wird also die eine Leitfrage lauten müssen, ob Vergilisches lediglich ab und zu in rhetorischer Routine zum Zweck des literarischen Dekors eingestreut wird oder ob sich bestimmte Grundlinien einer absichtsvollen oder systematischen Benutzung erkennen agricolarum Vergils, RhM 122 (1979) 348—359 (zu ad Donat.); Maria Grazia MARA, 'Cipriano' EV 1 (1984), 790sq. (Zusammenstellung); A.V. NAZZARO, La IV Bucolica di Virgilio nell'antichita cristiana, in: A.A.V.V., Omaggio sannita a Virgilio, S. Giorgio del Sannio 1983, 49—72, hier 51. BAYARD Latin XX: Im Rahinen seiner rhetorischen Ausbildung habe Cyprian, wie üblich, sich eine sehr gründliche Kenntnis der Klassiker, und unter den Dichtern vor allem Vergils, erworben. Als Beispiel führt er ad Donat. 12 mit einer Vergil- (gemma bibat)% einigen Horaz- und Prosaikerreminiszenzen an. Cf. p. XXI. FONTAINE Aspects 169. Vergil 198. In diese Richtung weist auch MARA 590: "C[ipriano], come altri scrittori cristiani, si abituava cosi a rivestire di forme classiche le sue idee religiöse." BUCHHEIT Cyprian 358. BUCHHEIT Cyprian 359.
HECK Vestrum est lllsq.
(cf. oben 193 Anm. 3).
218
II.4
Cypriai
lassen. Als Bischof repräsentiert Cyprian in seinem pastoralen Schrifttum di< Latinität der Kirche, als Märtyrer und erster Heiliger unter den lateinische] Kirchenvätern prägt er durch die breite Rezeption, die sein Werk findet, di< christliche Latinität. 1 Daher ist in seinem Fall auch auf die Rolle der Vergil rezeption im Rahmen einer innerhalb der Kirche gebrauchten und nicht au Außenwirkung abzielenden Sprache zu achten.
4.2 4.2.1
Die Vergilzitate Briefe
epistvla 37 Den 37. Brief richtet Cyprian während der Decischen Verfolgung an die ii Rom eingekerkerten Bekenner.2 epist. 37,2,2 (CC III B 179,38) Per vicissitudines mensium transmeavi hibernum, sed vos inclusi tempora hiemis persecutionis hieme pensatis. Während draußen der Winter vorbeigegangen sei, erlitten sie einen Win ter der Verfolgung, der Frühling habe ihnen die Blumen des Märtyrertum eingebracht, nun bringe der Sommer die Ernte an Ruhm. Die Formulieruni transmeavit hibernum scheint vom vergilischen ternaque transierint Rutvli hiberna subactis (Aen 1,266) beeinflußt zu sein. Jedenfalls deuten darau der auffällige temporale Gebrauch von transmeare? und das als variatio zi hiems verwendete hibernum als Subjekt4 dazu hin.6 In seiner Bemühung un eine pathossteigernde Ausgestaltung dieser geistlichen Betrachtung des Jah reslaufs hat sich Cyprian offenbar von Vergil inspirieren lassen.6 1 2
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6
Cf. REICHENKRON \04sq; SCHMIDT HLL 4 (1997) §478 D.E. Kommentar von G.W. CLARKE, The Letters of St. Cyprian, I&II New York / Ram sey 1984 (Ancient Christian Writers 43&44); III New York / Mahwah 1986 (Ancien Christian Writers 46); IV New York / Mahwah 1989 (Ancient Christian Writers 47); zi Datierung und Einordnung BAYARD Correspondance I p. XXII; GÜLZOW Cyprian UTH Novatian 108sq., und den». HLL 4 (1997) §478.1. OLD und FORCELUNI s.v. transmeo belegen den temporalen Gebrauch nicht. An sich ist der Gebrauch von hibernum bei Cyprian nicht mehr ungewöhnlich, aber zun einen gehört der Ersatz von hiems durch hibernum zunächst in die Dichtersprache — hi berna Aen. 1,266 spielt allerdings mit der militärischen Konnotation ('Winterlager') — zum anderen findet sich eine Junktur mit transire bzw. transmeare offenbar außerhall der beiden Stellen nicht belegt, cf. ThLL VI,3 s.v. hibernus 2689,4—14.37—56. Eine Erklärung für das Wirken dieser Vergilstelle stellt übrigens auch der auffällig* Binnenreim terna [...] hiberna dar, cf. AUSTIN od l. 103. — Eine gedankliche Verbinduni könnte im Ausharren und Warten der IVojaner wie der Eingekerkerten und in de Hoffnung auf das erlösende Ziel liegen. Vielleicht liegt darin die Anregung zum Rekun auf diese Stelle. Zur Darstellung der Jahreszeiten bei Cyprian allgemein und dieser Stelle im besondere! auch BALL 175—177.
II.4.2
4.2.2 ad
Die Vergilzitate
219
Apologetische Schriften Donatum
Die an den ansonsten nicht bekannten FVeund Donatus gerichtete Schrift verfaßt Cyprian wohl kurz nach seiner Taufe im Jahre 246.l Im Rahmen eines in kunstvoll ausgestalteter Umgebung situierten Monologes berichtet der Autor von seiner als gnadenhafte Abwendung von der Heillosigkeit und dem trügerischen Glanz der Welt verstandenen Taufe. Im Mittelpunkt des Werkes steht also zwar die Auseinandersetzung mit der paganen Umwelt, aber weniger im apologetischen Sinne etwa des als Vorbild zugrunde liegenden Minucius Felix, sondern in Form einer spirituellen Unterweisung für (Noch-) Nicht-Christen. ad Donat. l a (CC III A 3,13) Ac ne eloquium nostrum arbiter pvofanus impediat aut clamor intemperans familiae strepentis obtundat, petamus hanc sedem: dant secessum vicina secretat ubi dum erratici palmitum lapsus nexibus pendulis per harundines baiulas repunt, viteam porticum frondea tecta fecerunt. Als Ort für das Gespräch schlägt Cyprian zu Beginn eine ruhig gelegene Weinlaube vor, die er ausführlich beschreibt. Wenn er dabei von frondea tecta spricht, die man aufsuchen (petere) wolle, greift er eine dichterische Formulierung2 auf, mit der Vergil den idealen Ort für einen Bienenschwarm zum Bau seines Nestes beschreibt, georg. 4,61 sq. (58—64): hinc ubi iam emissum caveis ad sidera caeli nare per aestatem liquidam suspexeris agmen obscuramque trahi vento mirabere nubem, contemplator: aquas dulcis et frondea semper tecta petunt. huc tu iussos asperge sapores, trita melisphylla et cerinthae ignobile gramen, tinnitusque cie et Matris quate cymbala circum. Der Gattungstopik des Dialoges gemäß hat schon Minucius Felix sein Glaubensgespräch in einer kunstvoll ausgestalteten Umgebung angesiedelt. Dem folgt Cyprian hier, wie vor allem die übereinstimmende Datierung in die Zeit der Weinleseferien verdeutlicht.3 Doch während Minucius Felix harmo1 2
3
Datierung der Werke nach HLL 4 (1997) 543s?. Gesamtdarstellung und Literatur bei WLOSOK HLL 4 (1997) §478.7. Fnmdeus ist eine von Vergil gebildete dichterische Variante zu frondosus (c/. Serv. Aen. 1,191; kaum in Prosa, vor Cyprian nur Plin. nat. 16,11), zur Junktur frondea tecta (georg. 4,61) nennt ThLL VI,1 s.v. frondeus 1346,8—14: Cypr. ad Donat. 1,4,61; Mar. Victor, aleth. 3,279; Cypr. Gall. exod. 334; Merob. carm. 3,4; Coripp. loh. 2,9 — c/. Aug. serm. ed. MAI 72,2 frondeas porticus viridesque paretes [sc. paradisi]. Cypr. ad Donat. 1 reddendi tempestivum prorsus hoc tempus est, quo indulgente vindemia solutus animus in quietem sollemnes ac statas anni fatigantis indutias sortiatur und Min. Fei. 1,3 sane et ad vindemiam feriae iudiciariam curam relaxaverant.
220
II.4 Cypria
nische Bewegung sucht (der Strandspaziergang 1,4; die gleichmäßige Brar düng des Meeres 3,3; das Spiel der Kinder 3,55?.), bleibt Cyprian bei de statischen Kontemplation des konventionellen locus amoenus und wählt da homerische Weinlaubdach1. Die vergilische Formulierung dient sicherlich zt erst der sprachlichen Ausgestaltung. Bemerkenswert ist die gedankliche G< meinsamkeit zwischen der erfolgreichen, ertragreichen Ansiedlung des Bit nenschwarms und dem erhofften Gelingen des geistlichen Gespräches — dai in ist natürlich keine tiefsinnige Metaphorik zu sehen, eher aus produkti onsästhetischer Sicht ein vielleicht unbewußter assoziativer Ansatzpunkt fii die Wahl dieser Vergilworte. Augustin (doctr. 4,14) zitiert die Cyprianstell (von petamus bis fecerunt), allerdings um sich kritisch mit deren stilistische Überfrachtung auseinanderzusetzen.2 ad Donat. l b (CC III A 3,175g.) Bene hie studio, in aures daraus, et dw in arbores et in vites videmus, oblectante prospectu oculos amoenamus, an mam simul et auditus instruit et pascit obtutus: quamquam tibi sola nun gratia, sola cum sermonis est, comtemptis voluptariae visionis inlecebris i me oculos tuos fixus es, qua ore, qua mente totus auditor es et hoc amoi quo diligis. Auch im folgenden Satz zeigt sich die Tendenz zur poetischen Stilisierun des Einleitungskapitels. Die Formulierung in me oculos tuos fixus es hat ihr nächsten Parallelen in der vergilischen (Aen. 11,507 Turnus ad haec oculo horrenda in virgine fixus) bzw. nachvergilischen Dichtersprache.3 ad Donat. 2 (CC III A 3,225?.) Ceterum quäle vel quantum est, quod in pec tus tuum veniat ex nobis, exilis ingenii angusta medioeritas tenues admodui fruges parit, nullis ad copiam fecundi caespitis culminibus ingravesci adgrediar tarnen facultate, qua valeo: nam et materia dicendi facit mecum. Am Anfang des im Mittelpunkt des Werkes stehenden Monologes findet sie in höchst manieristischer Formulierung (etwa: 'meine Mittelmäßigkeit kan nur ganz zarte Triebe hervorbringen und läßt nicht ein einziges Hähnchen z einem üppigen Rasen sprießen, trotzdem [...]') der topische4 Ausdruck de Demut. Der mehrfach5 in Erwägung gezogene Einfluß von ecl. 1,68 pauperis t tuguri congestum caespite eulmen läßt sich nicht ganz von der Hand weisen 1 2 3
4 5
In der Ixfpaoic der Kalypsogrotte, Od. 5,684?. i\ 6' afaoü tstdvuoto xtpi ontlouc yXafupoi / fyuplc Vjßttuoa, xtSViXti 54 orafoXfjoi. Dazu MÜLLER Vergilzitate 175. ThLL VI,1 s.v. figo 718,59—61 nennt ab ersten Prosabeleg Aug. c. Petil. 2,90,199; K I 290 zum Akkusativgebrauch. Dazu allgemein CURTIUS 93—95; speziell zum Bild des unfruchtbaren Feldes Cic. Tu« 2,13. So etwa WATSON 203, BÜRNER 21, BALL 55*?.: tf[T]he rhetorician, however humble a a Christian neophyte, could not withstand the Iure of the alliterative possibilities ii nullis ad copiam caespitis culminibus mgravescit, given a Vergilian echo [...] to begii with.n MARA 590.
II.4.2 Die Vergilzitate
221
Denn obwohl sich eine sprachliche Übereinstimmung nur in der seltenen1 Juxtaposition der Vokabeln caespes und culmen fassen läßt, deren Semantik2 und Syntax sich zudem unterscheidet, wird eine subtile Verbindung deutlich, wenn man den Kontext der Vergilstelle mit berücksichtigt, die wehmütige Klage des von seinem Land vertriebenen Meliboeus, der zweifelt, ob er jemals zu seiner Scholle wird zurückkehren können, ecl. 1,67—69: en umquam patrios longo post tempore finis pauperis et tuguri congestum caespite culmen, post aliquot, mea regna, videns mirabor aristas? Zweierlei Gemeinsamkeiten mit der Cyprianstelle lassen sich festhalten: Zum einen nämlich drückt in beiden Fällen der Sprecher mit den Vokabeln caespes und culmen die ärmliche Bescheidenheit dessen aus, was ihm gehört. So betrachtet konvergiert die Pragmatik beider Stellen.3 Zum anderen spricht Vergil im folgenden Vers, wenn auch mit anderen Worten (aliquot /.../ aristas), genau das an, worum es auch bei Cyprian geht, das spärliche Wachstum einiger Hähnchen. Dazu kommt außerdem die Beobachtung, daß Cyprian gerade bei Bildern aus dem bäuerlichen Leben gerne auf vergilische Diktion zurückgreift. Diese, insgesamt allerdings doch recht vagen, Indizien könnten vielleicht darauf hindeuten, daß Cyprian in seine manierierte Bescheidenheitstopik auch noch eine kunstvolle Anspielung auf Vergils Eklogen eingebaut habe, die sich erst dem gebildeten Vergilkenner erschließt. ad Donat. 3 (CC III A 4,46—49) Et qui pretiosa veste conspicuus in auro atque in purpurn fulsit, ad plebeium se et simplicem cultum quando deponit? Fascibtis ille oblectatus et honoribus esse privatus et inglorius esse non potest. Hie stipatus clientium cuneisf frequentiore comitatu officiosi agminis honestatus, poenam putat esser cum solus est. Im Rückblick auf seine eigenen Ansichten vor seiner Bekehrung schildert Cyprian die Einstellung des der Welt und ihren Lockungen Macht und Reichtum Verhafteten, dem die Werte des christlichen Lebens, da er die Neugeburt im Bad der Taufe noch nicht erfahren hat, unverständlich bleiben. In dieser Kontrastierung eines der Welt verhafteten Lebens mit dem eines in der Taufe Wiedergeborenen, macht BUCHHEIT einige Anklänge an Vergils laudes agricolarum am Ende des zweiten Georgikabuches namhaft, sowohl allgemein inhaltliche als auch wörtliche, wenn auch nur in einzelnen Schlüsselbegriffen. Im einzelnen nennt BUCHHEIT folgende Vergilstellen:4 1
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PHI 5.3 belegt die Wörter zusammen nur an der Vergilstelle und im ServiusKommentar zur Stelle. Bei Vergil geht es um eine einfache, grasbedeckte Behausung (c/. ThLL III s.v. caespes 111,6—8), an der Cyprianstelle hingegen ist mit culmen wohl ein Halm oder eine Ähre gemeint (c/. ThLL IV. s.v. culmen 1292,82—1293,7). Bescheidenheit als Tenor findet sich ebenso auf Seiten des Tityrus am Ende der ersten Ekloge, der das Wenige, was er hat, mit Meliboeus teilen will. Bei Cyprian soll auch der andere, Donatus, teilhaben. BUCHHEIT Cyprian 351.
222
II.4
Cyprian
georg. 2,4645?.
inlusasque auro vestis Ephyreiaque aera, alba neque Assyrio fucatur lana veneno georg. 2,49559. illum non populi fasces, non purpura regum flexit georg. 2,486 flumina amem süvasque ingloriua [...] georg. 2,508—510 hie stupet attonitus rostris, hunc plausus hiantem per euneos geminatus enim plebisque patrum corripuit.
Diese Gedanken nehme Cyprian, so BUCHHEIT, von Kapitel 10 an wiedei auf. Die Anregung zu diesem Rückgriff auf Vergil sei von Minucius Felix (37,959. ) 1 ausgegangen, dem Cyprian hier und auch in den Kapiteln 11 und 13 folge. Zwar betont BUCHHEIT ausdrücklich, daß die Divergenz im Wortlaut sich aus der "Tendenz Cyprians zur Umsetzung und Umschmelzung"2 erkläre und vor allem die inhaltliche Übereinstimmung sowie die Wiederaufnahme des Bezuges in den Kapiteln 10sqq. zähle3, doch ergibt eine nähere Betrachtung der angeführten Einzelbezüge keine eindeutigen Hinweise auf eine Vergilbenutzung: Ein goldverziertes Gewand gehört in die allgemein übliche Topik bei der Darstellung luxuriöser Lebensverhältnisse.4 Bei Cyprian steht pur* pura gedanklich und syntaktisch deutlich getrennt von fasces, außerdem ist es, anders als bei Vergil, nicht metonymisch gebraucht.5 Hinzu kommt, daf sich die von Cyprian verwendete Formulierung auro et purpura fulgere in 1
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BEAUJEU {Introduction LXIX; ad i 158) sieht in seinem Kommentar Minucius Felix als Vorbild der Cyprianstelle, CLARKE (ad L 368 Anm. 632) verweist dagegen auf die topische Motivik von der Autarkie des stoischen Weisen, c/. POHLENZ I 261 sqq.\ P, WILPERT, 4Autarkie1, RAC 1 (1950) 1039—1050. BUCHHEIT Cyprian 351. Dabei geht er (c/. Cyprian, 348) von FONTAINES Konzept einei Konversion consciente du style" in der Schrift ad Dona tum (c/. Aspects 149—179) aus, d.h. von einer "Einschmelzung paganer Allusionen in diese im Kern neue, christliche Prosa" (BUCHHEIT Cyprian 348). BUCHHEIT Cyprian 351: "Maßgeblich ist, daß der Passus sowohl inhaltlich als auch im einzelnen mit dieser einen Partie Vergils konvergiert, daß Cyprian dieselbe Stelle ab lOff. mit ähnlicher Tendenz wieder aufgreift, und daß der Autor über einen Bezug aul den Octavius hinaus die Ursprungsstelle assoziiert." So auffällig oft in der nachklassischen Prosa, etwa VaJ. Max. 1,1,18 veste aurea nudatus\ Curt. 3,3 vestem auro distinetam habebant; 3,13 vestes /.../ auro et purpura insignes\ 4,1 vestis purpura auroque distineta; 9,7; Suet. Nero 25,1; Fronto p.225 1.13; p.226 1.7 v.d.H.; Apul. met. 2,8; 2,9, 2,19; 10,20 stragula veste auro ac murice Tyrio depieta; 11,16; Hist. Aug. Aur. 17,4; Alex. 4,2; und in der Dichtung, etwa Lucr. 5,1427; Verg. Aen. 3,483; 8,659; 11,72; Hör. carm. 4,9,14; Ov. epist. 13,32; ars 3,131; met. 3,556; 8,448; Val. Fl. 3,340; Stat. Theb. 6,208; Sil 4,155; 16,436. Vergil umschreibt mit fasces die Konsuln-, mit purpura die Königswürde (c/. MYNORS ad i 169). Etwas anders verhalt es sich an den übrigen Belegstellen des Begriffspaares (c/. ThLL VI,1 s.v. fascis 304,57—305,82), wo auf die Ausstattung von Repasentanten des römischen Staates mit Purpurgewand und einer bestimmten Anzahl von Liktoren als Abzeichen ihrer Amtsgewalt angespielt wird: Ov. fast. 1,81 iamque novi praeeunt fasces, nova purpura fulget (c/. BÖMER ad L 16); laus Pis. 70 cum tua bis senos numeraret purpura fasces (c/. A. SEEL, Laus Pisonis, Diss. Erlangen 1969, ad l. 67sq.)\ Lucan. 2,19;
11.4.2
Die Vergilzitate
223
der Prosa häufiger findet.1 Auch inglorius erscheint schon in klassischer Prosa2, die Verwendung von cuneus ist an beiden Stellen wohl unterschiedlich zu erklären, bei Vergil nämlich ist an eine Situation im Theater gedacht3, der Gebrauch bei Cyprian geht auf die militärische Fachsprache zurück4. Berücksichtigt man schließlich, daß die von BUCHHEIT angeführten Vergilstellen sich auf eine längere Passage verteilen und daß der ganze Kontext, also der Gegensatz von Macht und Reichtum einerseits und einfachem Leben andererseits, einen topischen Charakter hat,5 wird man für die Cyprianstelle nur vor dem Hintergrund der deutlicheren Referenzen in den Kapiteln 10—12 und auch da nur einen mittelbaren vergilischen Einfluß annehmen können. Eine Referenz an dieser Stelle aber, die demnach erst ex post, also aus der Perzeption der Vergilzitate in den Kapiteln 10—12, nachträglich eine gewisse Deutlichkeit erhielte, sollte man nicht annehmen. Als Intention der Vergilbenutzung in Kapitel 3 benennt BUCHHEIT an anderer Stelle6 die Betonung der Radikalität der Konversion in der Taufe: An sich widerspreche solch eine Wandlung des Menschen der allgemeinen Erfahrung, für die Vergil als Gewährsmann herangezogen wird. Dadurch verdeutliche Cyprian das grundlegend Neue der christlichen Lehre von der Wiedergeburt aus dem Geist in der Taufe. Der pagane Dichter fungiere also letztlich als Kontrastfolie zur schärferen Konturierung der specifica christiana.7 Vergil jedoch tritt im Kapitel 3 kaum deutlich genug zwischen den loci
1
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6 7
Sen. dial. 94,10; epist. 94,60; Sil. 14,112; cf. 11,96; Apul. met. 11,8 Nee Ule deerut, qui magistratum faseibus purpuraque luderet, [...]. So etwa Liv. 34,3,9 ut auro et purpura fulgamus\ 35,40,7 auro pupuraque Julgens\ Curt. 3,10,9; Flor. 1,24 (Elefanten); ohne auro Cic. Catil. 2,3 Hos quos Video volitare in fovo, quos stare ad curiam, quos etiam in senatum venire, qui nitent unguentis, qui fulgent purpura, mallem secum suos müites eduxisset. Quint. inst. 11,1,31; auch Cyprian selbst, ad Donat. 11 qui amictu clarxore conspieuus fulgere sibi videtur in purpura. Cf. ThLL VII,1 s.v. inglorius, bei Cicero etwa leg. 1,32; Tusc. 3,57; 1555,53 zu georg. 2,486 (mit Serv. ad /.: als philosophischer terminus technicus); 1555,71 zu Cyprian (selbes Rubrum; einziger Cyprian-Beleg, vorher aber christlich Tert. adv. Marc. 3,17). Cf. ThLL IV s.v. cuneus 1406,29. Cf. ThLL IV s.v. cuneus 1405,83—1406,25 zunächst militärisch (Maria Grazia Mosel SASSI, II sermo castrensis, Bologna 1983, 27.123), ab Decl. in Catil. 14; Symm. or. 4,7, dann auch häufig bei den Christen für eine große Menschenmenge. Vielleicht hat schon Cyprian diese Verwendung des aus dem sermo castrensis Übernommenen Begriffs gekannt? Als Motiv in der paganen Gesellschaftskritik, dazu MORICCA 141, mit Verweis auf Sen. Herc.f. 164—168; Phaedr. 4S6sqq.\ Thy. 4465^.; Hör. sat. 1,1, v.a. 70—80; epist. 1,2,52; 2,1,97; Lucil. 243—246 MARX; außerdem Hier, epist. 53, und als rhetorischer Topos von den Vorzügen ländlicher Einfachheit, dazu R. VISCHER, Das einfache Leben, Göttingen 1965, 155, mit Verweis auf Cic. S.Rosc. 75. BUCHHEIT Non homini 211. Die Konstrastierung sieht BUCHHEIT, Non homini, passim, als Cyprians Grundprinzip bei der Benützung und Zitierung paganer Literatur an: Letztlich gehe es immer um die Betonung des signifikant Anderen der christlichen Lehre vor dem Hintergrund eines im Ansatz vielleicht ähnlichen paganen Denkens. Das belegt BUCHHEIT zwar in erster Linie für Seneca, doch auch in bezug auf die Vergilbenutzung betont er die unüberwindliche Divergenz der Inhalte, die Cyprian herausstelle, so Non agnitione 334.
224
II.4
Cyprian
communes paganer Gesellschaftskritik hervor, als daß seine Autorität hiei ins Gewicht fallen könnte. ad Donat. 4ab (CC III A 5,61) Haec egomet saepe mecum. nam et ipse quam plurimis vitae prioris erroribus tenebar, quibus exui me posse non crederem: sie vitiis adhaerentibus obseeundans eram, desperatione meliorum malis meis velut iam propriis ac vemaculis et favebam. sed postquam undae genetalis auxilio superioris aevi labe detersa in expiatum pectus ac purum desuper se lumen infudit, postquam caelitus spiritu hausto in novum me hominem nativitas seeunda reparavit, mirum in modum protinus confirmart se dubia, patere clausa, lucere tenebrosa, facultatem dare quod prius difficile videbatur, geri posse quod inpossibile putabatur, ut esset agnoscere terrenum fuisse, quod prius carnaliter natum delictis obnoxium viveret, Dei esse coepisse, quod iam Spiritus sanetus animaret Cyprian beschreibt rückblickend, wie er seine eigene Taufe erfahren hat. Vorstellung und sprachlicher Ausdruck stehen in der Tradition der frühchristlichen Taufvorstellung als 9
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Cf. Clem. Alex. paed. 1,28,2 und die Allegorese des Mannaregens aus Ex \6,4sqq. bei Philo fuga 126 u.ö.; dazu Antonie WLOSOK, Laktanz und die philosophische Gnosis, Heidelberg i960, 93 sqq., 166 u.ö. FONTAINE Aspects 169: uLa description analogique du sacramentum baptismal n'est pas le recit des rites materiels du sacrement; eile n'est pas non plus une reverie subjeetive sur les etats d'ame de l'inittä. Mais en laissant se superposer et confluer des images ätementaires (eau, souillure, lumiere), eile joue sur le symbolisme des etementä utilises dans la liturgie, en cherchant a y puiser des suggestions de PexpeYience spirituelle qui soient intelligibles a un non-baptise\" Die Rede von Wasser, Erde bzw. Schmutz und Licht sei gleichermaßen mit ihren jüdisch-christlichen und ihren paganen Implikationen zu verstehen: So sei das Wasser (unda genetalis) einerseits lebensspendend im jüdisch-christlichen Sinn, andererseits aber mit einem aus der paganen Religosität entlehnten Fruchtbarkeitsbegriff versehen; und die Reinigung in der Taufe sei zwar im engsten Sinne christlich, werde dann aber in ihrer Wirkung mit den heidnisch-religiösen Ausdrücken expiatus und punis beschrieben. FONTAINE LC "Enfln, Tinfusion de la lumiere* est un echo du christiamsme indirect illuminatio, traduisant le terme grec ftmotiöc; mais l'image de Tinfusion spirituelle utilise une aeeeption metaphorique et religieuse du verbe infundere qui remonte a la poesie theologique de Virgile." Aspects 169 Anm. 42.
II.4.2
Die Vergilzitate
225
gegen die Viehseuche) und Aen. 9,461 iam sole infuso, iam rebus luce retectis (Tagesanbruch), vor allem aber auf 6,726 spiritus intus alitf totamque infusa per arius / mens agitat molem (kosmologische Anchisesrede).1 Nächstliegendes Vorbild aber unter den von FONTAINE angeführten Stellen ist, durch die Verbindung mit desuper2, Aen. 4,122 (120—122), wo Juno das Unwetter ankündigt, das Aeneas und Dido in die Höhle führen soll: his ego nigrantem commixta grandine nimbum, dum trepidant alae saltusque indagine dngunt} desuper infundam et tonitru caelum omne ciebo. Die Junktur mit lumen jedoch deutet auch auf den Einfluß von Seneca hin, Phaedr. 154 quid ille rebus lumen infundens suumf / matris parensP Cyprian nimmt also nicht gezielt auf Vergil Bezug, sondern zeigt sich in seiner Diktion — desuper4 und infundere5 gebraucht er, auch in diesem Sinne, häufiger — von dessen und von Senecas Dichtersprache6 angeregt. Auch für die Beschreibung seiner nativitas secunda, so FONTAINE weiter, verwende Cyprian in caelitus hausto spiritu einen vergilischen Ausdruck, so vor allem Aen. 10,899 (898*?.): /.../ contra Tyrrhenus, ut auras suspiciens hausit caelum mentemque recepit Durch die Verbindung mit caelitus scheint ein gewisser color Vergilianus7 auf, obwohl sich die Wendung spiritum haurire bei Velleius Paterculus (2,22,4 exitiali hausto spiritu) und bei Seneca tragicus (Oed. 877 qua luce primum Spiritus haust) findet.8 Vielleicht besteht in haurii-e zugleich eine Anspielung auf den zeitgenössischen Taufritus.9 1
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Cf. den abweichenden Gebrauch georg. 1,385 certatim iargos umeris infundere rares; Aen. 4,250 nix umeros infusa tegiU tum flumina mento; 5,552 ipse omnem longo decedere circo / infusum populum et campos iubet esse patentis; 5,684 nee vires heroum infusaque flumina prosunt; 8,406 optatos dedit amplexus placidumque petivit / coniugis infusus gremio per membra soporem. Cf. ThLL VII,1 s.v. infundo 1509.13; vor allem ThLL V s.v. desuper 789,38 nennen Verg. Aen. 4,122, dazu Gell. 2,30,4 (vom Wind); Cypr. ad Donat. 4; Ps. Apul. herb, 1 1.63 ist textkritisch fraglich. Hierzu stellt auch ThLL VII, 1 s.v. infundo 1506,42 den Cyprian-Beleg. Zum spezifisch christlichen Sinne a deo ThLL V s.v. desuper 789,28; zum Gebrauch bei Cyprian testim. 2,1 cum super ventos validas Jaceret desuper nubes; 3,80 = domin. or. 26 nullam haberes potestatem adversus me, nisi data esset tibi desuper ( = Joh 19,11); mortal. 25 teeta desuper tremerent; Demetr. 7 st rara desuper pluvia descendat f...] ecce verbera desuper. Cypr. ad Donat. 14 ita se spiritus caelestis infundit; testim. 3,6 = Fort. 9 dilectio Dei infusa est cordibus nostris; unit. 3 alias nescientibus tenebras rursus infundit; unit. 10 pectoribus et cordibus singulorum mortale virus infundit; laps. 25. Die wiederum ist natürlich ihrerseits von Vergil beeinflußt, dazu etwa J. DINGEL, Seneca und die Dichtung, Heidelberg 1974. Cf. georg. 2,340 cum primae lucem peeudes hausere. Cf. ThLL s.v. haurio 2570,23—48; Verbindungen wie haurire aerem sim. für 'atmen' häufiger in der nachklassischen Prosa. FONTAINE Aspects 170 Anm. 44: "U se pourrait d'ailleurs que ce virgilianisme recouvrit
226
II.4 Cypriar
PONTAINES entscheidende Beobachtung läßt sich also folgendermaßen zusammenfassen: Cyprian verwendet Elemente vergilischer Sprache, um Einsichten über das christUche Glaubensmysterium zu formulieren. Dabei sucht er, wie schon die Divergenz des Zusammenhangs zwischen dem vergilischet und dem cyprianischen Text zeigt, keine inhaltliche Anknüpfung. Trotzdem sind die Zitate mehr als rhetorische Schmuckmittel, der Christ macht sich vielmehr die besonderen Möglichkeiten poetischer Welterfassung und Versprachlichung zu eigen und erkennt darin gewissermaßen via facti deren Eigenheit und Wert an.1
ad Donat. lOab (CCIIIA 9,200sq.) Incisae sint licet leges duodecim tabulv et publico aere praefixo iura proscripta sint: inter leges ipsas delinquitur inter iura peccatur, innocentia nee illic, ubi defenditur, reservatur. Saevii invicem discordantium rabies et inter togas pace rupta forum litibus mugii insanum. Für die Darstellung des verfallenen Rechtswesens, das Streit auslöst statt Frieden zu stiften, greift Cyprian nicht nur Kritikpunkte auf, die sich ir entsprechendem Kontext schon bei Seneca finden2, sondern auch Elemente vergilischer Sprache: Die Wendung pacem rumpere erscheint ab Aen. 12,202 in der Dichtung.3 Ab georg. 2,502 — also von den laudes agricolarum an, wie BüCHHElT betont4 — ist die Formulierung forum insanum belegt, in Prosa ab Tacitus.5 ad Donat. 11 (CC III A 10,235) Quippe illum vides, qui amictu clariort conspieuus sibi videtur in purpura: quibus hoc sordibus emit, ut fulgeat, quoi adrogantium fastus prius pertulit, quas superbos fores matutinus salutator obsedit, quot tumentium contumeliosa vestigia stipatus in clientiun euneos ante praecessit, ut ipsum etiam salutatum comes postmodum pompa pvaecederet, obnoxia non homini sed potestati! Neque enim coli moribut meruit ille sed faseibus.
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avec une precision extreme une [s\cf\ rite baptismal contemporain, s'il est vrai qu'ii faule voir dans le texte de Tert. apol. 39,9 qui unum sptritum biberunt sanetitatis bien plus qu'une simple alluston ä 1 Cor. 12,13 (Vulg): omnes in uno spiritu potati sumus. un rite d'absorption d'eau, [...]." Anders BUCHHEIT Cyprian 349 Anm. 11: Bei dem Zitat desuper se lumen tnfundxt handle es sich, in bezug auf Aen. 4,122 desuper infundam um eine "bewußte Kontrastierung zu der Androhung der Juno", in bezug auf Aen. 6,726 infusa per artus / mens um eine "Umdeutung". Das Zitat aus der paganen Literatur diene also auch hier vornehmlich ab Kontrastfolie. Sen. dial. 4,8,2 tnter istos quos togatos vides nulla pax est; 2,9,2. Dazu KOCH Cyprianische Untersuchungen 293 und BuCHHEJT Cyprian 352 Anm. 19. Cf. ThLL X,l s.v. pax 877,19s?. Aen. 12,202; Sen. Herc.f. 416; Sil 1,11 o/.
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BUCHHEIT Cyprian 352.
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Cf. ThLL VII,1 s.v. insanus 1834,57—60: georg. 2,502; Prop. 4,1,134 tum tibi paucc suo de carmine dietat Apollo / et vetat insano verba tonare foro. Tac. dial. 13,5; Cypr. ad Donat. 10; Comm. apol. 587.
II.4.2
Die Vergilzitate
227
Seine Entlarvung der vermeintlichen Güter der Welt, die tatsächlich nur Unfrieden und Leid bringen, beginnt Cyprian mit der Ehre. Dabei nehme er, so BüCHHElT, wiederum, wie schon in Kapitel 3, nicht nur das vergilische Begriffspaar fasces und purpurn aus den laudes agricolarum im zweiten Georgikabuch auf, sondern auch Formulierungen aus deren einleitenden Versen, georg. 2,461*9. (458—462):1 0 fortunatos nimium, sua si bona norintf agricolas! quibus ipsa procul discordibus armis fundit humo facilem victum iustissima tellus. si non ingentem foribua domus alta superbis mane salutantum totis vomit aedibus undam. Da Cyprian hier fasces und purpurn als Symbole staatlicher Macht verwendet, kommt die Stelle dem von BUCHHEIT reklamierten vergilischen Vorbild georg. 2,495 non populi fasces, non purpurn regum näher als Kapitel 3, doch ist angesichts der Geläufigkeit der Metonymie eine gewisse Zurückhaltung geboten.2 Die dem Ausdruck fores superbae zugrunde liegende Metonymie findet sich zwar häufiger, doch der Wortlaut und der Kontext machen den Bezug auf die Vergilstelle eindeutig, die als locus classicus sowohl in der Formulierung als auch in der Kritik am negotium des städtischen Klientenwesens öfter rezipiert wird.3 Im Zusammenhang mit dieser deutlichen Referenz läßt sich auch der cyprianische matutinus salutator auf die vergilische mane salutantum unda zurückführen.4 Cyprian 352s?.; c/. BAYARD Latin XXL Einzeldiskussion siehe oben (221 sqq.) zu ad Donat. 3. Vor allem sollte man bedenken, daß gerade das gegenüber den anderen Belegen Spezifische von georg. 2,495, die Gegenüberstellung von Konsuln- (Jasces) und Königswürde (purpurn), hier nicht übernommen ist. Häufig findet sich in der Dichtung superbae fores oder postes dort, wo von der Ausschmückung einer Tür zum Zeichen besonderer Macht oder Ehre die Rede ist, etwa Lucr. 4,1178 (postisque superbos); Aen. 2,504 (postes /.../ superbi); 8,196 (foribusque /.../ superbis); SJ2\sq. (superbis / postibus); Hör. carm. 4,15,7sg. superbis / postibus); Manil. 4,180 (postes ornare superbos). Beeinflußt von Verg. georg. 2,461 SQ. sind, wie die Entsprechungen im Kontext zeigen, Hör. epod. 2,7sq. forumque vitat et superba ctvium / potentiorum limina — die von BUCHHEIT Cyprian 353 Anm. 2, vorausgesetzte Priorität der Georgika ist zwar nicht unumstritten, zur Problematik etwa T. OKSALA, Beatus ille — O fortunatos. Wie verhalten sich Horazens zweite Epode und Vergils Georgica zueinander?, Arctos 13 (1979) 97—109, aber für die Rezeption durch Cyprian ohne Belang; Sen. Herc.f. 164sq. ille superbos aditus regum / durasque fores expers somni / colit; epist. 68,10 (c/. BUCHHEIT Cyprian 353 Anm. 22) Otium tibi commendo, m quo maiora agas et pulchrtora quam quae reliquisti: pulsare superbos potentiorum fores, digerere in iitteram senes orbos, plurimum in foro posse invidiosa potentia ac brevis est et, si verum aestimesf sordida. An die Formulierung lehnt sich Stat. Theb. 2,223 foribus cum inmissa superbis / unda fremit vulgi an. ThLL VI.l s.v. fores 1059,73 georg. 2,461; 1060,35 Stat. Theb. 2,223; 1063,8 Aen. 8,196; 1064,59 Paula Hier, epist. 46,12,2 interdum ad superbos fores pergimus et [...] postes ingredimur auratos. Die Formulierung divergiert jedoch, auch der geschilderte Vorgang als solcher ist alltäglich, etwa Cic. Cat. 1,10; fam. 9,20,3; Varro rust. 2,5,1; Manil. 5,66; Stat. silv. 4,9,48; Mart. 1,108,5; 2,18,3; 3,36,3; 6,88,1; 10,10,2; Suet. Otho 6,2. BUCHHEIT
228
II.4 Cypriai
ad Donat. 12 (CC III A 11,256) Sed et quos divites opinaris continuante, scUtibus saltus et de confinio pauperibus exclusis infinita ac sine terminis ru ra latius porrigentes, quibus argenti et auri maximum pondus et pecuniarun ingentium vel exstructi aggeres vel defossae strues, hos etiam inter divitia, suas trepidos cogitationis incertae soUicitudo discruciat, ne praedo vastetf n< percussor infestet, ne inimica cuiusque locupletioris invidia calumniosis liti bus inquietet Non cibus securo somnusve contingit, suspirat ille in convivio bibat licet gemma, et cum epulis marcidum corpus thoros mollior alto sinx condidit, vigilat in pluma nee intellegit miser, speciosa sibi esse supplicia auro se alligatum teneri et possideri magis quam possidere divitias, adqu< — o detestabilis caecitas mentium et cupiditatis insanae profunda caligo! cum exonerare se possit et levare ponderibus, pergit poenalibus cumulis per tinaciter adhaerere. Das folgende Kapitel widmet Cyprian der Kritik an Reichtum und Luxus die keine Grundlage eines rechten Lebens darstellen, sondern in quälend« Habsucht führen. Auch hier sieht BUCHHEIT Vergils Lob des Landleben: nachwirken.1 So gehe nämlich das ängstliche Vergraben der Schätze (et aur maximum pondus et peeuniarum ingentium vel exstructi aggeres vel defosscu strues), das Trinken aus dem edelsteinverzierten Becher (bibat licet gemma und das Ruhen auf weichem Lager (mollior alto sinu condidit) auf einen Ab schnitt der das zweite Georgikabuch abschließenden Gegenüberstellung voi ruhelosem Stadt- und gottgefälligem Landleben (georg. 2,495—540) zurück georg. 2,505—507: hie petit exddiis urbem miserosque penatis, ut gemma bibat et Sarrano dormiat ostro; condit opes alius defossoque ineubat auro. Allerdings findet sich die poetische Metonymie gemma bibere im gleicher Zusammenhang — und wohl auch abhängig —, nämlich als Klischeebild dej abgelehnten überflüssigen Luxus, bei Properz2. Was doch für Vergil als Re ferenzpunkt spricht, ist, neben der Bekanntheit des Klassikers, zum einei die größere spachliche Nähe, da Cyprian, wie Vergil, instrumental gemmi und nicht, wie Properz, präpositional e gemma hat, und zum anderen da: bei Vergil und Cyprian vorhandene Motiv vom weichen Lager.3 Bemerkens werterweise verwenden von Cyprian an christliche Autoren die Formulierung gemma bibere häufiger zur Bezeichnung eines schrankenlosen Luxus.4 Wa: das Vergraben des Besitzes angeht, so wird man wohl eher BAYARD 5 unc 1
BUCHHEIT Cyprian 353.
2
Prop. 3,5,4 nee bibit e gemma divite nostra suis. Seneca als mögliches Vorbild neben Vergil zieht BALL (41) in Betracht, wohl vor den Hintergrund von Stellen wie dial. 1,3,13 qutbus gemma ministratur, benef. 7,9,3 Vi deo murrea pocula; parum scilicet luxuria magno fuerit, nisit quod vomant, capaeibu, gemmis inter se projrinaverint. epist. 110,12 st contempseris aureos lectos et gemmean supellectilem. Cf. ThLL VI,2 s.v. gemma 1756,61—72. Latin XXlsq.
3
4 5
II.4.2 Die Vergilzitate
229
MORICCA (152) als BUCHHEIT folgen und hinter quibus argenti et auri maximum pondus et pecuniarum ingentium vel exstructi aggeres vel defossae strues den Einfluß von Hör. sat. 1,1,41—44 sehen: quid iuvat inmensum te argenti pondus et auri furtim defossa timidum deponere terra? quod, si conminuaSj vilem redigatur ad assem? at ni id fit, quid habet pulcri constructus acervus? Natürlich ist nicht ausgeschlossen, daß Vergils defossoque /.../ auro Cyprian erst an die Horazstelle hat denken lassen, doch scheinen insgesamt weniger zielgenaue Einzeltextreferenzen als vielmehr die Tendenz vorzuliegen, sich an Standardformulierungen und Topoi dichterisch-populärphilosophischer Kritik am übermäßigen Reichtum zu orientieren, so daß man annehmen muß, vom Autor sei nicht die Rückführung auf eine bestimmte Stelle, sondern die Perzeption des an den Klassikern orientierten Grundtenors intendiert.1 Zumindest für die Verwendung der Formulierung gemma bibere läßt sich aber nachweisen, daß sich diese von paganen Autoren, nicht zuletzt von Vergil, entlehnte Diktion einen festen Platz in der christlichen Paränese gegen schädlichen Reichtum und Luxus erobert. ad Donat. 13sg. Höchstens eine lose gedankliche Verbindung zu Vergils laudes agricolarum läßt sich mit BUCHHEIT für das Motiv der trügerischen Sicherheit des Mächtigen (ad Donat. 13) und der Ruhe des einfachen Lebens (ad Donat. 14) feststellen.2 Insgesamt scheint BUCHHEIT die Bedeutung Vergils im gesuchten Zusammenspiel der Prätexte und loci communes in den Kapiteln 3 und 10—14 ein wenig zu hoch einzuschätzen. Sehr allgemein bleibt die Übereinstimmung in der Darstellung des Neides (ad Donat. 3 ne inimica cuiusque locupletioris invidia calumniosts litibus inquietet (...] pergit magis fortunis angentibus incubare zu georg. 2,499 neque ille / aut doluit miserans inopem aut invidit habenti), auf die BUCHHEIT Cyprian 353 Anm. 26, am Rande verweist. BUCHHEIT (Cyprian 353 Anm. 29) nennt zu ad Donat. 13 An tu vel Mos putas tutos, Mos saltim inter honorum infulas et opes largas stabili firmitate securos, quos regalis aulae splendore fulgentes armorum excubantium tutela cxrcumstat? maior Ulis quam ceteris metus est. Tarn ille timere cogitur quam timetur. georg. 2,4595?. quibus ipsa procul discordibus armis / fundit humo facilem victum iustissima tellus. und zu ad Donat. 14 Una igitur placida et fida tranquMitas, una solida et firma securitas, si quis ab his inquietantis saeculi turbinibus extractus salutaris portus statione fundetur: ad caelum oculos tollit a terris et ad domini munus admissus ac deo suo mente iam proximust quicquid apud ceteros in rebus humanis sublime ac magnum videtur, intra suam iacere conscientiam gloriatur. Nihil adpetere iam, nihil desiderare de saeculo potestt qui saeculo maior est. Quam stabilis, quam inconcussa tutela est, quam perennibus bonis caeleste praesidium, inplicantis mundi laqueis solvi, in lucem immortalitatis aeternae de terrena faece purgari. Viderit, quae in nos prius infestantis inimici pernicies insidiosa grassata sit. Plus amare conpellimur, quod futuri sumus, dum et scire conceditur et damnare, quod eramus. Nee ad hoc pretiis aut ambitu aut manu opus est, ut hominis summa vel dignitas vel potestas elaborata mole pariatur: et gratuitum de deo munus et facile est. georg. 2,467 at secura gutes et nescia /allere vita.
230
II.4
Cypriar
ad Donath 14 (CC III A 12,298) Ut sponte sol radiat, dies luminat, foru rigat, imber inrorat, ita se Spiritus caelestis infundit. Seine Argumentation, daß die Gnade von Gott geschenkt, nicht vom Menschen erarbeitet wird, verdeutlicht Cyprian anhand eines Naturbildes. Das darin verwendete Verb inrorare ist erstmals bei Vergil (georg. 1,280; 3,304). nach ihm häufig in der Dichtung, aber auch bei Fachschriftstellern (ab Cels. 5,26,8; Colum. 9,14,10) und späteren Christen belegt.1 Die auffallende intransitive Konstruktion, die hier erstmals seit Vergil (georg. 3,304, dort aber nicht mit dem Regen, sondern Aquarius als Subjekt) erscheint,2 und die Naturschilderung als Kontext lassen annehmen, daß Cyprian bewußt eine etwas gesuchte Formulierung wählt und daß der dem Wort in dieser Verwendung anhaftende color Vergüianus und kaum die den Belegen nach eher begrenzte Verwendung in der Fachliteratur ausschlaggebend war. Vielleicht hat diese Cyprianstelle die spätere Verwendung des Wortes bei den Christiani Latim teilweise angeregt.3 ad
Demetrianum
Vermutlich im Jahre 252 verfaßt Cyprian sein zweites apologetisches Werk, eine öffentliche Erwiderung an den antichristlichen Polemiker Demetrianus.4 Im Mittelpunkt steht einerseits die retorsio des Vorwurfe, die Vernachlässigung der hergebrachten Götter durch die Christen sei die Ursache für die Übel und Katastrophen der Zeit, zum anderen eine Protreptik zum Christentum. Nach einer den Anlaß der Schrift erklärenden Einleitung (Kapitel Isq.) widerlegt Cyprian zunächst (Kapitel 3—11), daß die Schuld am Niedergang der Welt bei den Christen liege, mit dem Hinweis auf einen natürlichen Alterungsprozeß der Welt hin auf das Eschaton, der sich gemäß den biblischen Ankündigungen vollziehe und den die heidnische Mißachtung des Christengottes noch beschleunige. Dann (Kapitel 12—16) wendet sich Cyprian gegen den Umgang der Heiden mit den Christen und gegen ihre Verehrung machtloser Götter. Dagegen stellt er die Macht des Christengottes (Kapitel 17—22), von dem für die Heiden Unheil, für die Christen Heil komme. Am Ende (Kapitel 23—26) fordert Cyprian dazu auf, vertrauensvoll das göttliche Heilsangebot anzunehmen. Auffälligerweise beruft sich Cyprian auch in diesem so eindeutig nach außen gerichteten Werk nirgends ausdrücklich auf pagane Autoritäten, sondern zitiert nur die Bibel. Darauf reagiert Laktanz mit einem Tadel (inst. 5,4,4 Qua materia non est usus ut debuit: non enim scripturae testimoniisf 1 2 3
4
Cf. ThLL VI1,2 s.v. 441,73. C/. ThLL VII,2 442,62—73. Für den Regen gebraucht vor allem Hieronymus das Wort, nicht zuletzt peak. sec. Hebr. 71,6 [sc. der von Gott erhoffte Friedenskönig] descendet ut pluvia super vellus ut stillae inrorantes terrom. Zur Forschungslage Antonie WLOSOK, HLL 4 (1997) §478.8.
II.4.2 Die Vergilzitate
231
quam ille [sc. DemetrianusJ utique vanam fictam commenticiam putabat, sed argumentis et ratione fuerat refellendus.) und die neuere Forschung mit einer Diskussion über den Adressatenkreis der Schrift und die Absichten, die Cyprian mit dieser Beschränkung verfolge.1 Demetr. 3 (CC III 36,47; A8sq.) Non hieme nutriendis seminibus tanta imbrium copia est, non frugibus aestate torrendis solita flagrantia est nee sie verna de temperie sua laeta sunt nee adeo arboreis fetibus autumna feeunda est. Um zu untermauern, daß nicht die Christen die Schuld an den gegenwärtigen Unglücksfällen und Mißernten trügen, sondern die ganze Welt einem natürlichen Alterungsprozeß unterliege, verweist Cyprian auf die immer ungünstiger werdenden Wachstumsbedingungen in den einzelnen Jahreszeiten. Aus dieser Thematik ergeben sich sprachliche Berührungen mit der georgischen Dichtung Vergils, doch etwas mehr als Überschneidungen im Vokabular (/aetus, feeundus, fruges torrere)2 läßt sich nur in der auch anderswo in ihrem Kontext ausdrücklich zitierten3 vergilisch-poetischen Wendung arborei fetus (georg. 1,55)4 fassen. Cyprian zeigt sich bei der Formulierung seines AntiBauernkalenders also zumindest mittelbar von vergilischer Diktion beeinflußt. Vielleicht steht aber auch die ganze Szenerie der Georgika, die Pflege 1
2
3 4
Zusammenfassung HLL 4 (1997) 557sq. — Meist erklärt man die Argumentation aus der Bibel mit einer Ausrichtung auf ein heidnisches und christliches Publikum (HLL 4 [1997] 557: "Adressierung an Christen"; in diesem Sinn SCHANZ / Hosius III 347; AL1 TANER / STUIBER 174). Nur von *glaubensschwachen Christen spricht VON ALBRECHT (Literatur II 1243). M. BEVENOT, Cyprian', TRE 8 (1981), 251, schon mit etwas anderer Gewichtung: "mehr zur Ermutigung der Christen als zur Gewinnung der Heiden". HECK (Mf| 6to|iax*iv 154sq.) spricht sich gegen eine innerchristliche Ausrichtung aus und vermutet, "daß Cyprian die Affinität zwischen römischem und altestamentlichem Religionsverständnis ausgenutzt und demgemäß den Rückgriff nur auf die Bibel für ausreichend, zulässig oder gar geboten gehalten hat" (155). Etwa georg. 1,67—69 at si non fuent tellus feeunda, sub ipsum / Arcturum tenui sat erit suspendere sulco: / illic. officiant laetis ne frugibus herbae / hie, sterilem exiguus ne deserat umor harenam. Die Formulierung fruges torrere findet sich zwar, worauf GALLICET ad l. (165) hinweist, zweimal bei Vergil (georg. 1,267 nunc torrete igni fruges, nunc Jrangite saxo\ 1,298 et medio tostas aestu terit area fruges), doch ist torrere der einschlägige termtnus techmeus (cf. OLD s.v. torreo lb, etwa Plin. nat. 18,61 e diverso far, milium, pantcum purgari nisi tosta non possunt.). Mit GALLICET (/.c.) einen poetischen Ton in den substantivierten Adjektiven verna und autumna zu sehen, ist sicher nicht zwingend, vielleicht sollte man eher von einer Tendenz zum gekünstelt-periphrastischen Ausdruck sprechen: Vernum [sc. tempusj erscheint häufig in der alltäglichen Prosa (schon beim Älteren Cato, dann regelmäßig im Vulgärlatein), autumnus kommt überhaupt kaum vor (cf. LHS II 155 a)) — Vergil jedenfalls verwendet keines von beiden. Der ebenfalls bei GALLICET (ic.) zu findende Hinweis auf die Überlieferungsvariante sata laeta statt sua laeta und die Parallele georg. 1,325 (324— 326) /.../ ruft arduus aether / et pluvia ingenti sata laeta boumque labores / diluit hilft nur zur Erklärung der Verschreibung. Quint. inst. 9,3,38 zitiert georg. l,54sg.; Sen. epist. 87.20 zitiert georg. 1,53—58. Georg. 1,54—56 hie segetes* illtc veniunt felicius uvae, / arborei fetus alibi atque iniussa vireseunt / gramina. Die Junktur erscheint nach ThLL I s.v. arboreus 428,70—72 bei Vergil, Ovid, Columella, hier und Ammianus.
232
II.4 Cyprian
fruchtbarer Gärten, als Kontrastfolie hinter der nun von Cyprian angesprochenen Unfruchtbarkeit. Demetr. 5 nee relictis vanis superstitionibus Siehe oben (51) zu Tert. apol. 24,7.
religio vera cognoscitur.
Demetr. 20a (CC III A 47,392) Viget aput nos spei robur et firmitas fi* dei et inter ipsas saeculi labentis ruinös ereeta mens est et immobilis virtus et numquam non laeta patientia et de Deo suo semper anima secura, sicui per prophetam Spiritus sanetus loquitur et hortatur spei ac fidei nostrae firmitatem caelesti voce corroborans. 'ficus', inquit [Hab 3,17 sq.], 'non adferei fructum et non erunt nascentia in vineis. mentietur opus olivae et campt non praestabunt eibum. deficient a pabulo oves et non erunt in praesepibui boves. ego autem in Domino exultabo, gaudebo in Deo salutari meo.' Dei hominem et eultorem Dei subnixum spei veritate et fidei stabilitate fundatum negat mundi huius et saeculi infestinationibus commoveri. Vinea licet fallai et olea deeipiat et herbis siccitate morientibus aestuans campus arescat, quid hoc ad christianos, quid ad Dei servos quos paradisus invitat, quos giutia omnis et copia regni caelestis exspeetat? Die Christen ficht, so erklärt Cyprian, der überall sichtbare Niedergang der Welt nicht an. Durch den Propheten habe der Heilige Geist ja die Unfruchtbarkeit angekündigt und zum freudigen Durchhalten im Glauben aufgefordert. Diese Aussage wird zunächst durch ein Zitat belegt, das dann erklärend zusammengefaßt wird. Schließlich spitzt Cyprian die Aussage in einer provokativen Frage zu: Möge auch alles unfruchtbar werden und vertrocknen, was gehe das die Christen an? Bei der Schilderung der Trockenheit folgt Cyprian einer Passage aus den Georgika, in der Vergil den Nutzen künstlicher Bewässerung rühmt, georg. 1,107 (104—109): quid dicam, iacto qui semine comminus arva insequitur cumulosque ruit male pinguis harenae, deinde satis fluvium inducit rivosque sequentis, et, cum exustus ager morientibus aestuat herbis, ecce supercilio clivosi tramitis undam elicit? /.../ Cyprian variiert also das vergilische exustus ager /.../ aestuat zu aestuans campus arescat, d.h., er substituiert ager durch das synonyme campus und aestuat durch arescat, behält aber das Lexem aestuare morphosyntaktisch variiert als Substitut für exustus bei und fügt das erklärende siccitate hinzu. Das auffällige1 herbis /.../ morientibus bleibt, zwar in umgekehrter Reihenfolge, aber wiederum im Hyperbaton, erhalten. Indem Cyprian die bei Vergil 1
Cf. ThLL VIII s.v. moriar 1494,26s?.: Junktur herba und moriri ecl. 7,57 Aret ager, vitio moriens sitit aeris herba; georg. 1,107, dazu Cypr. Demetr.20; aber auch Ps. Quint. decl. 12,7.
II.4.2
Die Vergilzitate
233
statische Prädikation (exustus [...] aestuat — attributives Partizip Perfekt Passiv, Verb mit durativer Aktionsart) in eine dynamisch-ingressive (aestuans f...] arescat — attributives Partizip Präsens Aktiv, Verb mit ingressiver Aktionsart) verwandelt, paßt er sie seinem gedanklichen Kontext an: Während nämlich Vergil die Dürre als konkreten und situativen Ausgangszustand beschreibt, dem dann mit einer Bewässerungsmaßnahme abzuhelfen ist, interpretiert der Christ sie als Zeichen für einen unumkehrbaren, weil auf das Eschaton hinführenden, Entwicklungsprozeß des ganzen Kosmos. Die vergilische Wendung über die Trockenheit fügt Cyprian in die dreigliedrige konzessive Protasis des rhetorischen Fragesatzes ein. Auffälligerweise nehmen die ersten beiden Kola dieses Nebensatzes Elemente aus dem Lagehinweis des vorher zitierten Habakukwortes auf, die Unfruchtbarkeit der Weinstöcke (vinea /.../ fallat zu non erunt nascentia in vineis) und der Ölbäume1, während das dritte, vergilisch formulierte Glied, keine genaue Entsprechung beim Propheten hat — es tritt für das allgemeinere campi non praestabunt cibum ein. Diese bemerkenswerte Ersetzung eines zu erwartenden biblischen durch einen vergilischen Gedanken liegt sicher in der rhetorischen Wirkung des vergilischen Szenarios todbringender Dürre begründet, die sich übrigens auch der Verfasser einer unter Quintilians Namen überlieferten Muster-Verteidigungsrede zur Rechtfertigung eines Aktes von Kannibalismus aus Hunger zunutze macht.2 Die Verse haben also ihren Platz im Repertoire des Schulrhetoren. Einen zusätzlichen Aspekt eröffnet die Personifikation moricnies herbae; Servius erklärt sie: secundum Pythagoricos, qui dicunt omne quod crescit animam habere. Das sprachliche Spiel mit dem Gedanken an eine beseelte Natur führt zurück zu Cyprians vor allem im Kapitel 4 ausgeführten Argument von einem Alterungsprozeß der Welt. Demetr. 20b (CC III A 47,402) Et tarnen pro arcendis hostibus et imbribus impetrandis et vel auferendis vel temperandis adversis rogamus semper et preces fundimua et pro pace ac salute vestra propitiantes et placantes Deum diebus atque noctibus iugiter atque instanter oramus. Obwohl die Christen im Glauben über die Katastrophen der zugrunde gehenden Welt hinwegschauen können, beten sie, so versichert Cyprian, um Schonung. Die Formulierung preces fundere erscheint als Ausdruck der Kultsprache erstmals bei Vergil3, an zwei Stellen der Aeneis zur Einleitung von Gebeten, deren Erhörung den Fortgang der Dinge entscheidend bestimmt. Dabei handelt es sich zum einen um das Stoßgebet des Cloanthus, das ihm den Sieg im Schiffsrennen beschert, Aen. 5,234: Et fors aequatis cepissent praemia rostris, 1 2
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Cyprian: olea decipiat — Habakuk: mentietur opus otivae. Ps. Quint. decl. 12,7 Nos per arentes effusi campos morientium herbarum omnes radices vellimus, eo quidem fortius, ut, st fieri possit, in venenum incidamus subeuntes insolitis cibis. Hör. epod. 17,53, der erste Beleg nach ThLL VI,1 s.v. fundo 1566,79—81, hat den Sinn 'verschwenden1.
ni palmas ponto tendens utrasque Cloanthus fudissetque preces divosque in vota vocasset und zum anderen um das Gebet des Aeneas in der Sibyllenhöhle, Aen. 6,55: /.../ gelidus Teucris per dum cucurrit ossa tremoTy funditque preces rex pectore ab imo. Zunächst bleibt die Wendung auf die Dichtersprache beschränkt, von Tacitus und Apuleius an findet sie sich vereinzelt in der Prosa, in der späteren christlichen Literatur wird sie häufiger verwendet.1 Cyprian übernimmt also, wie es scheint, als erster Christ diese auf Vergil zurückgehende Formulierung der paganen Kultsprache und bezieht sie auf das Gebet der Christen.2 Damit schafft er eine sprachliche Verbindung zwischen paganer und christlicher Frömmigkeit, die dem Ziel der Argumentation, der Widerlegung des Vorwurfe, die Gottlosigkeit der Christen habe die gegenwärtigen Katastrophen heraufbeschworen, zugute kommen soll. Der Hinweis auf das Gebet dei Christen erhält durch die bewußte Anlehnung an vergilisch-pagane Gebetssprache einen subtilen Nachdruck. Bemerkenswert ist, daß die Formel von hier an Eingang in die christliche Latinität findet und sich bis Abaelard und Rupert von Deutz weiterverfolgen läßt.3 Demetr. 23 (CC III 49,450$?.) Respicite itaque dum tempus est ad verum ei aeternam salutem, et quia iam mundi finis in proximo est ad Deum mentes vestras Dei timore convertite. Nee vos delectet in saeculo inter iustos et mite* inpotens ista et vana dominatio, quando et in agro inter eultas et feriiles segetes loliutn et avena dominetur, nee dicatis mala aeeidere, quia di\ vestri a nobis non colantur, sed sciatis esse hanc iram Dei, hanc (Dei) esse censuram ut qui benefieiis non intellegitur vel plagis intellegatur. 1
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Siehe unten (316) zu Arnob. nat. 5,21. ThLL VI,1 s.v. fundo 1566,81 nennt Tac. ann. 14,30 als ersten Prosabeleg; zudem pagan fusis preeibus Apul. met. 11,3; Serv. Aen. 4,9; christlich etwa Zeno 1,1,21; Vulg. Lev. 16,10 (aber LXX sie xt)v &icoico|iicV)v — die Rede ist vom Sündenbock); 2 Chron. 16,19; 7,1 (jeweils für LXX icpootuxtoftai, dafür ansonsten meist arare, etwa Gen 20,7.17; Ri 13,8; 1 Sam 1,10.27; 1 Kön 8,33; Esra 6,10; Jer 29,7). Die Art der Verwendung legt bei Cyprian innerhalb des syntaktischen Trikolons die Vorstellungen einer gradatio gegenüber rogamus nahe. Die größte Intensität wäre dann iugiter atque instanter oramus zuzuschreiben. Grundsätzlich wäre natürlich mit der Möglichkeit zu rechnen, daß Christen (ebenso wie Isisanhänger, c/. Apul. met. 11,3 und WLOSOK Laktanz und die philosophische Gnosis 186 Anm. 15; 187 Anm. 17; HECK Mt)fcofiaxtiv50 Anm. 29) üblicherweise preces fundere gebrauchen. Dagegen spricht aber wohl, daß ein Vergilkenner und geschulter Redner wie Cyprian kaum in einem apologetischen, d.h. auf Wirkung nach außen konzipierten, Text eine so exponierte vergilische Wendung unbedacht verwenden würde. — Zum Weiterleben der Formel im Kirchenlatein siehe etwa: Paschasius Radbertus, Expositio in lamentationes Hieremiae (CC 2 I. 1647) nee tarnen pro his ad eum preces fundere cessat. Id., Expositio in Matheo (CC 4 1. 545): Aiioquin sine Deo apud Deum preces fundere aerem verbis impiere possumus profecto effectum operis nequaquam obtinebü mus. Petrus Abaelardus, Theologia 'Scholarium' (CC 1 1. 584) quascumque ei preces fundü Rupert us Tuitiensis, De saneta trinitate et operibus eius (CC 28 In Jsaiam II p. 1536, 1. 1174) pressoque sub pedibus eius ore humilem precem fundant.
II.4.2 Die Vergilzitate
235
Cyprian ruft unter Hinweis auf das nahe Eschaton zur Bekehrung auf und warnt die Heiden davor, sich weiterhin an ihrer maßlosen und nichtigen Herrschaft1 über die Christen zu ergötzen. Dieser seien die Christen unterworfen, wie der Weizen vom Unkraut überwuchert werde. Dabei lehnt sich Cyprian deutlich an die Worte an, mit denen Vergil die Bedrohung der heranreifenden Feldfrucht durch wucherndes Unkraut schildert, georg 1,152—154: /.../; intereunt segetea, subit aspera silva lappaeque tribolique, interque nitentia culta infelix lolium et steriles dominantur avenae. Cyprian übernimmt also in seinem quando-S&tz nicht nur lexikalische Elemente, sondern auch die Syntax (Verb, Subjekte, Präpositionaladverbiale) des Vergilsatzes, besonders markant scheint freilich die bei Vergil wiederholte Junktur von lolium und avenae zu sein.2 Die vorgenommenen Veränderungen dienen der Adaptation der dichterischen Vorlage an stilistische Erfordernisse der Kunstprosa: Das bei Vergil in der Präpositionalkonstruktion substantivierte cultus zieht er als Attribut zum hier eingefügten, im weiteren vergilischen Kontext aber präsenten segetes. Lolium und avena verlieren ihre Epitheta und stehen im Numerus angeglichen nebeneinander, das Verb tritt an den Schluß des Kolons, so daß sich eine katalektisch-dikretische Klausel ergibt. Den color Vergilianus verwendet Cyprian, um die Unterdrückung der fruchtbringenden Christen durch die Heiden zu verdeutlichen. Berücksichtigt man aber den Kontext bei Vergil, in dem er von der Notwendigkeit spricht, das wuchernde Unkraut aus dem Acker zu reißen3, eröffnet sich in der Vergilreferenz die Perspektive auf das Ende der heidnischen Unterdrückung der Christen.4 Nicht vergessen werden darf allerdings ein zweiter Prätext, das neutestamentliche Gleichnis vom Unkraut im Weizen (Mt 13,24—30). Hier findet Cyprian die Anregung für sein Bild.5 Auch läßt sich der unvermittelte Übergang auf die Ebene der Uneigentlichkeit ('weil ja auch im Ackerbau')6 noch am ehesten mit dem Rückgriff auf Bekanntes erklären. Außerdem er1 2 3
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Zu diesem Verständnis von inpotens ista et vana dominatio GALLICET ad L 265sq. Verg. ecl. 5,37 infelix lolium et steriles nascuntur avenae. Weitere Belege für die Junktur unten (291) im Material zu Arnob. nat 2,59. Verg. georg. 1,155—159 quod nisi et adsiduis herbam insectabere rastris / et sonitu terrebis avis et ruris opaci / falce premes umbras votisque vocaveris imbrem, / heu magnum alterius frustra spectabis acervum / concussaque famem in silvis solabere queren. Übrigens steht das Unkraut bei Vergil im Zusammenhang mit dem labor improbus (georg. 1.1455?.); von daher könnte das Unkraut der Heiden auch unter dem Blickwinkel der Herausforderung zur tätigen Bewährung für die Saat des Christentums gesehen werden. Zur Aussage des neutestamentlichen Bildes bei Cyprian BALL 54sq.: u[T]he powerful but unjust are likely the cockle and tares which tower above the cultivated and fertile grain, destined in due time to be bound up and burned by the harvesters." Ansonsten pflegt Cyprian, mehrere Bilder aneinanderzureihen und ihnen die Erklärung beizugeben, beispielsweise laps. 16; mortal. 12. Auffällig ist hier überdies die Stellung in einem Kausalsatz, der gemeinhin auf einen feststehenden Grund hinweist, cf. KS II 383, zum Modusgebrauch KS II 384 Anm. 3 und BAYARO Latin 226.
236
II.4 Cyprian
schließt sich vor dem Hintergrund des neutestamentlichen Gleichnisses, das ja auf die Eschatologie, bildlich auf die TVennung von Unkraut und Weizen bei der Ernte, abzielt, ein vertieftes Verständnis des Bildes bei Cyprian. Auch ihm geht es letztlich um die endzeitliche Dringlichkeit, mit der die Heiden sich bekehren und von der Unterdrückung der Christen ablassen sollen. Das heißt also: Das Bild ist sowohl von Vergil als auch vom neutestamentlichen Text her verständlich, gänzlich aber erschließt es sich nur dem Leser, der mit beiden Prätexten vertraut ist. 1 Er nämlich kann sowohl die Metaphorik vom Unkraut im Weizen in ihrer Tragweite erfassen als auch die Aneignung vergilischer Sprache goutieren. Cyprian schafft hier eine Synthese von christlicher Botschaft und vergilischer Diktion. Wohl auf ihn ist es zurückzuführen, wenn in der späteren christlichen Latinität immer wieder, teils mit direktem, teils mit indirektem Bezug auf das neutestamentliche Gleichnis, nicht oder nicht nur, gemäß dem griechischen Text von einem Unkraut im Weizen (£i(&via, zizania), sondern vergilisch von lolium und avenc die Rede ist.2 4.2.3
Biblische Testimonien, pastorale und ekklesiologische Schriften
de habitu
virginum
In dieser wohl noch vor Beginn der Decischen Verfolgung entstandenen Schrift wendet sich Cyprian, bereits als Bischof, an die Jungfrauen in seiner Gemeinde, die sich Gott geweiht haben. 3 Ausgehend von einer allgemeinen Ermahnung zur diciplina und theologischen Erwägungen über den Stand dei Jungfräulichkeit, gibt er Beispiele und Anweisungen für das diesem Stande angemessene Auftreten. 1
2
3
Dem tut die Tatsache, daß die Schrift formal an einen Heiden gerichtet ist, keinen Abbruch. Cyprian argumentiert ja im ganzen Werk aus der Bibel. So etwa Arnob. nat. 2,59 quid Spinae, quid sentes, quid avenae, quid lolium, quid herbarum aut fruticum aut adolentia naribus aut tristia in odoribus semina? (dazu unten 291); Aug. in psalm. 64,16 (CC 1. 5) etenim zizania ea proprie dicuntur, quae nascuntur in simüitudine frumentorum, sicuti est lolium, sicuti est avena, et cetera talia quae primam herbam prorsus similem habent. Hier, in Ioel. 2 (CC 1. 425) ceterum iuxtc tropologiam, omnis anima terra est domint, in qua seminat pater familias sementem suam, quae cum pro tritico zizania fecerit, id est, avenas et lolium; et offenderit dominum suum, et postea egerit paenitentiam, plangensque dixerit in Aggaeum 1 (CC 1. 31) in quo laboratur, et in sudore faciei comeditur panis; et terra generat nobis tribulos et spinas, et cum sementem acceperit tritici, lolio magis avenisque fecunda est epist. 54,1; 130,56 etc. — Natürlich läßt sich für den Einzelfall kaum je der vermittelnde Einfluß der Cyprianstelle sicher beweisen, wahrscheinlich machen ihn zumindest aber die Häufigkeit der Belege und die Tatsache, daß im nämlichen Zusammenhang öfter von triticum die Rede ist, was dem biblischen oixo* (4Weizen\ c/. EWNT 3 s.v. oito^ 57Ssq.) entspricht, bei Vergil aber nicht vorkommt. Gesamtdarstellung und Hinweise zur Forschungsliteratur bei H. GÜLZOW HLL 4 (1997) §478.10. Kommentar von Angela E. KEENAN, Thasci Caecili Cypriani de habitu virginum. A commentary, with an Introduction and Translation, Diss. Washington 1932
II.4.2 Die Vergilzitate
237
hab. virg. 1 (HARTEL I 187) Disciplina custos spei, retinaculum fidei, dux itineris salutaris, fomes ac nutrimentum bonae indolis, magistra virtutis facit in Christo manere semper ac iugiter Deo vivere. Das tautologische fomes ac nutrimentum im ersten Satz des Werkes könnte beeinflußt sein von Aen. 1,176 (174—176): ac primum silici scintillam excudit Achates succepitque ignem foliis atque arida circum nutrimenta dedit rapuitque in fomite flammam. Dafür jedenfalls sprechen die Seltenheit1 und die semantische Besonderheit der Junktur fomes ac nutrimentum, die den Gedanken an das Entfachen eines Feuers voraussetzt2, was auf den vergilischen Zusammenhang hinweist. Allerdings stehen bei Vergil die Substantive weder in einem übertragenen Kontext noch syntaktisch parallel. Die Stelle kann also höchstens mittelbar dazu angeregt haben, das schon klassisch translate gebrauchte nutrimentum und das erst in der nachklassischen und christlichen Latinität entsprechend verwendete fomes? als verstärkende Synonymenhäufung nebeneinanderzustellen. de lapsis In der wohl auf der FVühjahrssynode 251, also nach dem Ende der Decischen Verfolgung, vorgetragenen Schrift de lapsis erörtert Cyprian die Frage, wie mit denjenigen Christen umzugehen sei, die unter dem Druck der Verfolgung abgefallen und dem Opferbefehl nachgekommen waren, und unter welchen Bedingungen ihre Wiederaufnahme in die Kirche erfolgen könne.4 laps. 4 (CC III 222,655?.) Hos martyrum caelestes Coronas, has confessorum glorias spiritales, has stantium fratrum maximas eximiasque virtutes maestitia una contristat: quod avulsam nostwrum viscerum partem violentus inimicus populationis suae strage deiecit. Quid hoc loco faciam, dilectissimi fratres, fluctuans vario mentis aestu quid aut quomodo dicam? lacrimis magis quam verbis opus est ad exprimendum dolorem quo corporis nostri plaga deflenda est, quo populi aliquando numerosi multiplex lamentanda iactura est 1 2
3
Nach ThLL VI,1 s.v. fomes sonst nur Hier, in Is. 30,30 nutrimentum et fomes ignis est Nach OLD s.v. 1 und dem Material im ThLL-Archiv s.v. findet sich nutrimentum erst ab Vergil für Brennstoffe, vorher nur translate Cic. orat. 42. — Cf BALL 122. ThLL Vl,l s.v. fomes nennt etwa Gell. 15,2.3 fomitem esse quendam [sc. ebrietatem] ingenii virtutisque; Apul. flor. 15 tot tamque multiiugis fomitibus disciplinarum toto orbe haustis; Tert. pall. 4 ex isto fomite aestuantem /.../ regem; Cypr. hab. virg. 18 libidinum fomes accenditur, laps. 14 peccandi fomitem subministrat etc. Zum vergilischen Gebrauch von fomes hier auch AUSTIN ad l. (76sq.), zur Verwendung bei Cyprian KEENAN ad /., 7\sq.
4
Einen umfangreichen Similienapparat bietet die Ausgabe von J. MARTIN, Bonn 1930 (Florilegium Patristicum XX). Gesamtdarstellung und neuere Forschungsliteratur bei GÜLZOW HLL 4 (1997) §478.11.
238
II.4 Cyprian
Nachdem er in den ersten drei Kapiteln das Ende der Verfolgung gefeiert und die standhaft GebÜebenen gerühmt hat, wendet sich Cyprian nun vorsichtig und rhetorisch verbrämt seinem Thema zu, den lapsi. Sein betontes Zögern kleidet er in ein Bild (fluctuans vario mentis aestu), das sich an drei Stellen der Aeneis vorgegeben findet, Aen. 4,532 für Didos nächtliche Qualen: /.../ ingeminant curae rursusque resuvgens saevit amor magnoque irarum fluctuat aestu Aen. 8,19 für Aeneas' Besorgnis angesichts der sich zusammenziehenden feindlichen Truppen quae Laomedontius heros cuncta videns magno curarum fluctuat aestu und Aen. 12,486 für Aeneas' Ratlosigkeit auf der vergeblichen Suche nach dem eben entrückten Turnus: heu, quid agat? vario nequiquam fluctuat aestu, diversaeque vocant animum in contraria curae. Zweifellos bezieht Cyprian sich auf diese Vergilstellen, worin ihm dann Hieronymus und Augustinus folgen.1 Mit den ersten beiden Belegen hat Cyprian das die Art der bildlich ausgedrückten inneren Erregung erläuternde Genitivattribut zu aestu gemeinsam, am nächsten aber folgt er der Stelle aus dem zwölften Aeneisbuch, wie nicht nur das Adjektiv varius, sondern auch die vorausgehende mit quid eingeleitete deliberative Frage zeigt. laps. 8 (CC III 225,161) Nonne quando ad Capitolium sponte ventum est, quando ultro ad obsequium diri facinoris accessum est, labavit gressus, caligavit aspectus, tremuerunt viscera, bracchia conciderunt? Non sensus obstipuit, lingua haesit, sermo defecit? Cyprian stellt die rhetorische Frage, wie die abgefallenen Christen sich nur freiwillig zum Opfer begeben konnten, und malt ein Szenario somatischer Widerstände. Der Gebrauch von haerere für das Versagen der Sprache bei tiefer Erschütterung gehört in die Dichtersprache.2 Ob Cyprian hier ein bestimmtes Vorbild wie Terenz Eun. 977 lingua haeret metu oder die viermal bei Vergil (Aen. 2,774; 3,48; 4,280; 12,868) vorkommende Wendung voxfaucibus haesit vor Augen hat, muß offenbleiben. Jedenfalls greift er zur rhetorischen Ausgestaltung auf poetische Topik zurück — das Versagen der Sinne und der Stimme gehört seit Sappho in die dichterische Pathographie.3 laps. 16 (CC III 230,27*4.) navem scopulis ne in portum perveniat irüidunt: Siehe oben (196sqr.) zu Novatian. Cypr. epist. 30,2,1 1
2 3
Nach ThLL VI,1 s.v. fluctuo 943.17—24.69—75 findet sich eine Formulierung aestu fluctuare im vorliegenden Gebrauch nur bei Vergil, Cyprian und im Anschluß an diese bei Hieronymus und Augustinus. Cf. ThLL VI,3 s.v. haereo 2497,56—60. Cf. Sappho fr. 31t9-12 VOIGT.
11.4.2
Die Vergilzitate
239
laps. 22 (CC III 233,4405?.) Quid de eo boni sentias, quem timorem fuisse aput eum, quam fidem credas, quem corrigere nee metus potuit, quem persecutio ipsa non reformavit? Atta et ereeta cervix nee quia cecidit inflexa est, tumens animus et superbus nee quia victus est fractus est Zwar ist die Formulierung cervix /.../ inflexa vor Aen. 3,631 cervicem inflexam posuit nicht und auch danach kaum belegt1, aber allzu deutlich wird der color Vergilianus in diesem zweifellos gesuchten Ausdruck wohl nicht, da inflectere für Körperteile2 und die hier im Bild gegenübergestellte cervix ereeta3 in der späteren Prosa üblich sind. Obwohl es nämlich Cyprians Kritik am unbußfertigen Trotz mancher lapsi eine wirkungsvolle Nuance verliehe, wenn hier Vergils Bild vom trunken hingestreckten Menschenfresser Polyphem in seiner maßlosen Überheblichkeit anklänge4, liegt der Schwerpunkt seiner Aussage doch zweifellos bei dem Gegensatz von erhobenem und gesenktem Haupt. de unitate
ecclesiae
In der wohl gleichzeitig mit de lapsis entstandenen Schrift, seinem, zumindest in bezug auf die Nachwirkung, vielleicht bedeutendsten Werk, befaßt sich Cyprian mit einem Grundproblein seiner Zeit und seines Amtes, der Einheit der Kirche angesichts der Bedrohungen durch Schismen und Häresien.5 Zunächst stellt Cyprian die von Christus gestiftete Kirche als den einen Ort göttlichen Heilshandelns dar (Kapitel 1—9), dann wendet er sich gegen ein häretisches Christentum außerhalb der Kirche (Kapitel 10—22), am Ende ruft er alle angesichts der nahen Parusie in die Kirche zurück (Kapitel 23—27). unit. eccl. 9 (CC III 256,236) Nemo existimet bonos de ecclesia posse discedere: triticum non rapit ventus, nee arborem solida radice fundatam procella subvertit; inanes paleae tempestate iaetantur, invalidae arbores turbinis ineursione vertuntur. Im Rahmen seiner Ausführungen über die Heilsnotwendigkeit der Kirche (Kapitel 7—9) erläutert Cyprian das klärende Wirken des Geistes: Während die Bösen nie wirklich in der Kirche Halt finden, können die Guten nicht aus ihr gerissen werden. Das verdeutlicht er anhand der Bilder vom Weizen und vom fest verwurzelten Baum, denen er antithetisch die Spreu 1 2 3 4
5
Cf. ThLL VII, 1 s.v. mflecto 1458,19—45: Aen. 3,631; Ciris 449; Schol. Ter. Bemb. Haut. 372; Physiogn. 55 p. 77,1; bildlich Sen. Thy. 930; Cypr. laps. 22. So etwa Mela 2,64; Piin. nat. 11,87; Quint. inst. 11,3,142 dxgxtxs leviter inflexis; Hil. trin. 6,7. Cf. ThLL V,2 s.v. erigo 778,50—54, etwa Quint. decl. 301 p. 190,7; Firm. math. 5,3,54; Amm. 11,14,26 In dessen Beschreibung 619s
240
11.4 Cyprian
und die kraftlosen Bäume gegenüberstellt. Das Verwehen der Spreu kleidet er in vergilische Wörter, georg. 3,134 (132—134): saepe etiam cursu quatiunt et sole fatigant [sc. armenta], cum graviter tunsis gemit area frugibus, et cum surgentem ad Zephyrum paleae iactantur inanea. Dabei stellt Cyprian die Reihenfolge um, so daß der Hexameterschluß verschwindet und das Verb am Ende des Kolons steht, und fügt das erklärende tempestate ein. Weniger deutlich nimmt er auch mortal. 12c inanes paleae flatu portante rapiuntur auf denselben Vergilvers Bezug (mortal. 12c, dazu unten (242sq.). Auch an jener Stelle verwendet Cyprian neben dem biblischen Bild der TVennung von Spreu und Weizen das des standfesten oder kraftlosen Baumes im Sturm. Der Kontext ist ähnlich, hier wie dort geht es um die TVennung der Guten und Gerechten, die der Prüfung standhalten können, von den Bösen, denen die Festigkeit im Glauben fehlt. Cyprian greift also zur Verdeutlichung desselben Gedankens auf dasselbe Repertoire an Bildern und auf dasselbe Mittel der Ausgestaltung mit einer vergilischen Formulierung zurück. unit. eccl. 18 (CC III 263,456) Sic et Ozias rex, cum turibulum ferens et contra legem Dei sacrificium sibi violenter adsumens, resistente sibi Azaria sacerdote, obtemperare nollet et cederef divina indignatione confusus et leprae varietate in fronte maculatus est, ea parte corporis notatus, offenso Domino, ubi signanturf qui Dominum promerentur; et filii Aaron qui inposuerunt altari ignem alienum quem non praeceperat Dominus, in conspectu statim Domini vindicantis extincti sunt Das von Cyprian hier für einen gottwidrigen Opfervorgang verwendete altari imponere scheint unter vergilischem Einfluß zu stehen: Die Formulierung aris imponere findet sich von Aen. 1,49 ([sc. quisnamj supplex aris imponet honorem?) an in hexametrischer Dichtung zur Beschreibung eines Opfers.1 Christlicher Diktion hingegen gehört der Ausdruck altare an.2 Ein Element vergilischer Kultsprache erscheint hier also in christlichen Kontext aufgenommen. Ob Cyprian damit die Distanzierung vom geschilderten Opfer sucht, muß fraglich bleiben. unit. eccl. 27 (CC III 267,607) Excitemus nos quantum possumus, dilectissimi fratres, et somno inertiae veteris abrupto ad observanda et gerenda Domini praecepta vigilemus. Angesichts der baldigen Wiederkunft Christi fordert Cyprian zur Wachsamkeit und zur Rückkehr in die Gemeinschaft der Kirche auf. Die dabei benutzte Formulierung somnum abrumpere ist von Vergil (georg. 3,530 nee 1 2
ThLL VII, 1 s.v. impono 652,74—79 mit Beispielen aus Vergil, Ovid und späterer Epik. Cf. ThLL II s.v. altaria 1727,64: für jüdisch-christliche Altäre eher altare (der Singular erst seit Petron. 135, dann oft bei den Christen für ihre Altäre, z.B. Tert. orat. 11; 28, weitere 1728,29*9?.) &ls ara (z.B. Tert. spect. 10: heidnisch).
II.4.2 Die Vergilzitate
241
somnos abrumpit cura salubris) an in der Dichtung und hier neben einer ähnlichen Formulierung epist. 11,5,1 (Excutiamus itaque et abrumpamus somni vincula et instanter ac vigilanter oremus.) erstmals in Prosa belegt.1 Cyprian schmückt in beiden Fällen einen emphatischen Hortativ mit einer gesuchten Wendung vergilischen Ursprunges aus, deren Aussage er allerdings ins Gegenteil verkehrt: Vergil spricht vom gesunden Schlaf des Gerechten, bei Cyprian steht, nach dem Vorbild neutestamentlichen Denkens, die Naherwartung der Parusie im Hintergrund, die Wachen verlangt. So ermahnt etwa Paulus die römische Gemeinde, es sei &pa ^5TJ ujxd? U; öicvou £"fep0fjvou (Rom 13,11), auch in den synoptischen Evangelien findet sich häufig die Aufforderung zum Wachen im Hinblick auf die Endzeit.2 Die cyprianische Au&sageform des neutestamentlichen Motivs übernimmt auch der Verfasser des pseudo-cyprianischen Hirtenbriefes ad Novatianum bei seiner Nachahmung der Cyprianstelle.3 Wiederum synthetisiert Cyprian also vergilische Sprache und biblisches Denken in formbildender Weise. de
mortalitate
Anlaß zur Abfassung der Schrift de mortalitate ist eine wohl im Jahr 252 in Nordafrika wütende Pestepidemie, in deren Folge sich Christen durch die praesentis mortalitatis copia (Kapitel 1) verunsichern lassen.4 Im ersten Teil seines "Katechismus des christlichen Sterbens" 5 (Kapitel 1—13) führt Cyprian allgemein aus, daß es für den Gläubigen ein Gutes sei, von den Anfechtungen der Welt erlöst zu werden, und daß der Christ das Leid als Prüfung geduldig annehmen müsse. Diese Überlegungen wendet er dann im zweiten Teil (Kapitel 14—26) auf die derzeitige Seuche an. mortal. 8 (CC III A 21,123) Sic cum fetu sterili terra ieiuna est, neminem fames separat: sie cum inruptione hostili civitas aliqua possessa est, omnes simul capitivitas vastat, et quando imbrem nubila aerena suspendunt, omnibus siccitas una est, et cum navem saxa confringunt, navigantibus naufragium sine exceptione commune est, et oculorum dolor et impetus febrium et omnium valitudo membrorurn cum ceteris communis est in nobis, quamdiu portatur in saeculo caro ista communis. Anhand einer Reihe von Beispielen verdeutlicht Cyprian, daß Christen und Nichtchristen die Leiden des irdischen Lebens gleichermaßen zu ertragen ha1 2 3
4 5
Cf. ThLL I s.v. abrumpo 141,3—9. Cf. Mk 13,33—37; Mt 24,42; 25,13—30; Lk 12,39—46. Ps. Cypr. ad Novat. 16,1 Excitemus itaque nos quantum possumus, fratres dilectissimi, et abrupto inertiae et securitatis somno ad observanda Domini prueeepta vigilemus. Zum Verhältnis zu Cyprian KOCH Cyprianische Untersuchungen 403sqq., zur Schrift allgemein J. DOIC.NON HLL 4 (1997) §480.2. Hinweise zur Forschungsliteratur bei GÜLZOW HLL 4 (1997) §478.13. So charakterisiert K. STROBEL, Das Imperium Romanum in '3. Jahrhundert1. Modell einer historischen Krise?, Stuttgart 1993, 167—170, die Schrift; c/. J.H.D. SCOURFIELD, The de mortalitate of Cyprian: Consolation and Context, VChr 50 (1996) 12—61.
242
II.4 Cyprian
ben. So müßten auch alle die Dürre ertragen, wenn nubila serena es nicht zum Regnen kommen ließen. Mary T. BALL (118) macht auf den oxymoronhaften Charakter dieser Formulierung aufmerksam und nennt als mögliches Vorbild die nubes serenae aus Vergils Ausführungen über Wetterzeichen, die sich bei der Beobachtung der Sonne erkennen lassen, georg. 1,461 sq.: denique, quid Vesper serus vehat, unde Serenoa ventus agat nubes, quid cogitet umidus Auster, sol tibi signa dabit. Schon die antike Gelehrsamkeit empfindet das Oxymoron als erklärungsbedürftig.1 Da außerdem die Begriffe nubilum (bzw. nubes) und serenum dort, wo sie zusammen auftreten, ansonsten meist komplementär und gerne in übertragenem Sinn gebraucht werden,2 und da in beiden Fällen, wie es scheint, hinter dem vordergründigen Oxymoron dasselbe steht, nämlich eine bestimmte Art von Wolken, die für schönes, niederschlagsfreies Wetter char rakteristisch sind,3 spricht vieles dafür, daß Cyprian hier in leichter variatio, die vielleicht durch den Gegensatz nubilum — serenum das vordergründige Oxymoron noch deutlicher herausstellt, auf das von Vergil so pointiert geschilderte Wetterzeichen zurückgreift, worauf er bei der ansonsten ähnlichen Beschreibung der Dürre Demetr. 2 quodque imbres et pluvias serena longa suspendant nobis imputari verzichtet. Während Cyprian dort die gegen die Christen erhobenen Vorwürfe zusammenfaßt, sucht er hier wohl in dem vergilischen Oxymoron einen rhetorischen Glanzpunkt in der Aufzählung der exempla zu setzen. mortal. 12abc (CC III A 23,1993$.; 20lsq.\ 202sq.) Arbor quae alta radice fundata est ventis incumbentibus non movetur et navis quae forti conpage soltdata est pulsatur fluctibus nee foraturt et quando area fruges terit, ventos grana fortia et robusta contemnunt, inanes paleae flatu portante rapiuntur. Um die Erfahrung von Leid und Tod als Erprobung des Glaubens einsichtig zu machen, verwendet Cyprian hier einige Vergleiche mit der Lebenswelt des Bauern und des Seemannes. Die Formulierung ventis incumbentibus hat, sowohl durch den poetischen Gebrauch von ineumbere4 als auch insbesondere durch die hier erstmals in Prosa belegte vergilische Junktur5 — aus dem 1 2
3 4
5
Non. p. 175,9 unde serenas ventus agat nubes: hoc est siccas. So etwa Sen. 107,8 Natura autem hoc quod vides regnum mutationibus temperat: nubilo serena succedunt [...]. nat. 1,1,15; 1,3,14; Plin. nat. 2,127. Für den Gebrauch translate etwa Val. Max. 4,2 pr. (über die Macht des Wortes) nam si placidum mare ex aspero caelumque ex nubilo serenum hüari aspectu sentitur, Sen. epist. 93,5 (in einem Nachruf auf einen Philosophen) Aliquando sereno usus est. aliquando, ut solet, validi sideris fulgorper nubila emieuit. FORCELLINI, OLD, PHI 5.3 und (s.w. nubesf nubila, serenus) weisen keine vergleichbaren Stellen aus. C/. MYNORS ad georg. 1,461, 91. Cf. ThLL VII, 1 s.v. ineumbo 1075,9—16: erster Beleg für den absoluten Gebrauch Lucr. 5,346, dann für Wind Verg. georg. 3,196s?., Aen. 12,367 (cf. Sen. nat. 7,5,1). Mit venti neben Aen. 12,367 nur Sil. 12,656 belegt.
11.4.2 Die Vergilzitate
243
Vergleich Aen. 12,367 venti incubuere1 — einen deutlichen color Vergilianus. Das gleiche gilt für die Wendung area fruges terit, die sich fast wörtlich bei Vergil findet, georg. 1,298: at rubicunda Ceres medio succiditur aestu et medio tostas aestu terit area fruges. Durch die Permutation verwischt Cyprian den Hexameterschluß und erreicht eine Rhythmisierung aus Choriambus und Kretikus, der Vergilbezug bleibt aber durch die Beibehaltung der Kontaktstellung und des dichterischen Subjektes area augenfällig (c/. Demetr. 3). 2 Das Vorkommen der Stichworte area und fruges läßt ein vergilisches Vorbild auch für inanes paleae vermuten, georg. 3,134 (132—134): saepe etiam cursu quatiunt et sole fatigant, cum graviter tunsis gemit area frugibus, et cum surgentem ad Zephyrum paleae iactantur inanes. Diese Stelle zitiert Cyprian auch unit. 9: Nemo existimet bonos de ecclesia posse discedere: triticum non rapit ventus, nee arborem solida radice fundatam procella subvertit; inanes paleae tempestate iactantur, invalidae arbores turbinis ineursione vertuntur.3 Die Metaphorik von der Ausscheidung der wertlosen Spreu ist dem Christentum schon aus der biblischen Überlieferung vertraut und wird häufig gebraucht4, durch die Junktur mit inane£ verleiht Cyprian ihrer Formulierung 1
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Aen. 12,367 (365—367) ac velut Edoni Boreae cum Spiritus alto / insonat Aegaeo sequiturque ad litora fluetus, / qua venti incubuere, fugam dant nubila caeto. Das Wüten des Turnus in den Reihen der IVojaner wird mit einem Sturm verglichen. Zwar ist terere der gebräuchliche terminus technicus für das Dreschen (c/. OLD s.v. tero 2) und kommt daher öfter im Zusammenhang mit dem Dreschplatz area vor (etwa Cato agr. 129 aream, ubi frumentum teratur, sie facito; Varro rust. 1,13,5; Liv. 42,64,3; Sen. nat. 1,2,3; Plin. nat. 15,33; c/. Non. 50,2 subrigere, quo verbo rustici utunturt cum tritae fruges ad ventilandum in arets eriguntur, Hil. in psalm. 131,11 locus templi locus areae fuit, ubi fruges congestae, ubi tritae [...] separandae sunt; cf. ThLL II s.v. area), aber zum einen gehört die Konstruktion area terit in den Bereich der dichterischen Sprache (georg. 1,298; Hör. sat. 1,1,45 milia frumenti tua triverit area centum; Tib. 1,5,22 area dum messes sole calente teret; Mart. 9,90,11; Sil 13,671s?. und dazu SPALTENSTEIN II 262: "Terere est le terme habituel [...], mais area terit, dont Sil. doit s'inspirer, ne se trouve qu'en poesie, sans doute a cause de la transposition [...]."), zum anderen ist die Verbindung mit fruges rein vergilisch. Gegen den von WATSON (203) vorgeschlagenen Bezug auf Tib. 1,5,22 auch BALL 131. Cf. BALL 131.
Vet. Lat. lob. 21,18 erunt sicut paleae a vento; Ier. 23,28 (Cypr. epist. 63,18) quid est paleis ad triticum?; Dan. 2,35 (Cypr. testim. 2,17) aeramentum et argentum at aurum facta sunt minuta quasi palea aut pulvis in area; Matth. 3,12 = Luc. 3,17 congregabit triticum in horreo suo, paleas autem conburet; aufgenommen etwa Tert. fuga 1,4 pala üla /.../ discernens frumentum martyrum et paleas negatorum; praescr. 3 I. 24 advolent paleae levis fidei adflatu temptationum; Cypr. epist. 66,8 solae possint paleae de ecclesia separari Cypr. epist. 59,7 quos videmus non frumenti stabilitate solidari, sed tamquam paleas dissipantis invmici spiritu ventilari; luvenc. 1,345; Ambr. lob 2,5,18; Aug. doctr. Christ. 3,37,55. ThLL X,l s.v. palea, 114,31—48 (Wertloses); 115,20—53 (Menschen) bietet keine wei-
244
II.4
Cyprian
hier aber einen color Vergüianus, den die vorausgehenden Zitate hinreichend deutlich erscheinen lassen. Auch hier fällt wieder auf, was schon bei der vergilischen Färbung des neutestamentlichen Gleichnisses vom Unkraut im Weizen (Demetr. 23) zu beobachten war: Die Technik der Aneinanderreihung gleichnishafter exempla folgt der theologischen Redeweise der Evangelien. So ähnelt Cyprians Bild vom fest verwurzelten Baum, den der Wind nicht ausreißt, dem Gleichnis von dem aus Fels gebauten Haus, dem die Fluten nichts anhaben können (Mt 7,24—27 par). Weit augenfälliger noch ist der Rückgriff auf das Gleichnis von der Trennung von Spreu und Weizen (Mt 3,12; Lk 3,17). Eher aus der allgemein paganen als aus der biblischen Bilderwelt hingegen scheint Cyprians Hinweis auf das festgefügte Schiff entnommen, der ohne color Vergilianus bleibt.1 Gerade bei den beiden Gleichnissen also, deren Sachhälften nach dem Vorbild des Neuen Testamentes aus der Natur und dem bäuerlichen Lebensbereich stammen, kleidet Cyprian die Darstellung der Bilderwelt in vergilische Sprache. Daraus läßt sich nicht nur ein weiteres Indiz für Cyprians Vorliebe für den Georgiker Vergil gewinnen. Cyprian schafft auch in seiner Pastoralen Redeweise eine Synthese aus Inhalten und Techniken biblischer Verkündigung einerseits und deren vergilisch inspirierter Versprachlichung andererseits. Wie subtil diese beiden Stränge ineinander verflochten sind, zeigt sich darin, daß zum einen das der neutestamentlichen Welt durchaus verwandte Bild vom festgewurzelten Baum dann nachhaltiger wirkt, wenn man den vergilischen Präkontext einer Schlachtenschilderung mitbedenkt, und daß zum anderen die so deutlich vergilisch geschilderte Trennung von Spreu und Weizen eine eschatologische Tiefendimension gewinnt, wenn der Zusammenhang des Johannes dem Täufer zugeschriebenen Bildes vom kommenden Messias mit der Worfschaufel in der Hand präsent ist. mortal. 19 (CC III A 27,316) Denique ut manifestius divinae providentiae indicia clarescerent quod Dominus praescius futurorum suis consulat ad veram2 salutem, cum quidam de collegis et consacerdotibus nostris infirmitate defessus et de adpropinquante morte sollicitus commeatum sibi precaretur, adstitit deprecanti et iam paene morienti iuvenis honore et maiestate venerabilis, statu celsus et clarus aspectu et quem adsistentem sibi vix possit humanus aspectus oculis carnalibus intuerit nisi quod talem videre iam poterat de saeculo recessurus. Das von Vergil an (Aen. 6,66 tuque, o sanctissima vates, / praescia venturi\ 12,452) belegte praescius erscheint ab Tacitus in Prosa3, vor Cyprian wird es, 1
2 3
teren Belege. Hierzu paßt übrigens gut BALLS (HO) Beobachtung, daß Cyprian anscheinend nirgends, obwohl das ja durchaus naheläge, in klassisch poetischen Gegenständen wie Meeres- und Seesturmschilderungen auf Vergil zurückgreift; laps. 16 steht eher die Metaphorik des Steuermannes im Mittelpunkt. Das verum in SIMONETTIS CC-Text ist anscheinend bloßer Druckfehler. Cf. ThLL X,2 s.v. praescius S21 A2sq.
II.4.2
Die Vergilzitate
245
insbesondere im christlichen Schrifttum, als Gottesprädikat gebraucht, von Tertullian an auch in der vorliegenden Verbindung praescius futurorum1. Cyprian verwendet hier also eine vorgegebene christliche Formulierung vergilischen Ursprunges. Zwar läßt sich kaum entscheiden, ob ihm hier Aeneas' Anrede an die Sibylle präsent ist, bemerkenswert aber ist der Einfluß der theologischen Sprache Vergils auf die Rede von Gott bei Cyprian. Siehe oben zu Tert. adv. Marc. 2,5,1 (66) und Min. Fei. 35,2 (164). de bono
patientiae
Cyprian selbst überliefert (epist. 73,26), daß es sich bei dem Werk de bono patientiae um eine im Frühjahr 256 für den Amtsbruder Jubaianus niedergeschriebene Predigt handelt.2 Nach einer einleitenden captatio benevolentiae über die Geduld des Zuhörens (Kapitel 1) und einer polemischen Auseinandersetzung mit dem falschen patientia-Begriff der philosophi (Kapitel 2sq.), führt Cyprian zunächst die vorbildliche Geduld Gottes (Kapitel 4), Christi (Kapitel 5—8), der Erzväter, Propheten und Märtyrer (Kapitel 9sq.) vor Augen und fordert dann (Kapitel 11—18) auf, die Unbilden des irdischen Lebens geduldig zu ertragen. Nach einer Warnung vor der Ungeduld (Kapitel I9sq.) verweist er schließlich (Kapitel 21—24) auf den kommenden Tag der Auferstehung und des Gerichts, dessen die Christen in Geduld harren sollten.3 patient. 4 (CC III A 119,57; 58) Videmus inseparabili aequalitate patientiae nocentibxLS et innoxiis, religiosis et impiis, gratias agentibus et ingratis Dei nutu tempora obsequi, elementa famulari, spirare ventos, fontes fluere, grandescere copias messium, fructus mitescere vinearum, exuberare pomis arbusta, nemora frondescere, prata florere. Cyprian beschreibt die beneficia, die Gott geduldig trotz aller Idolatrie den Menschen unterschiedslos gewährt. Die Aufzählung dieser göttlichen Wohltaten ist in einem poetischen Ton gehalten: Spirare ist ab Vergil für das Wehen des Windes belegt, wird aber in der nachklassischen Prosa üblich.4 1
2 3
4
CJ. ThLL X,2 822,21—62, für heidnische Götter etwa Ps. Apul. Ascl. 26 statuas futurorum praescias (wohl 4. Jahrhundert, also jünger als die christlichen Belege); Min. Fei. 35,2 luppiter /.../ poenam praescius perhorrescit; für den christlichen Gott: Tert. adv. Marc. 2,5 deus bonus et praescius futurorum (ebenso Cypr. mortal. 19; Ps. Cypr. mont. 3 futurorum; Ps. Mar. Victorin. phys. 9; Carm. de resurr. 86; Lact. inst. 2,9,11; 4,26,40; Potam. tract. 1 1. 53) 5,7 creatorem et praescium iam\ Vet. Lat. Dan. 13,42 qui praescius es omnxum (LXX ö il5o>c \h ndvta itpiv ytviaio^ auxa>v). Gesamtdarstellung und Hinweise zur Forschungsliteratur bei GÜLZOW HLL 4 (1997) §478.16. Keine Hinweise auf Vergilzitate enthält der Kommentar von Sr. M .G.E. CONWAY, Thasci Caecili Cypriani de bono patientiae. A Translation with an Introduction and a Commentary, Diss. Washington 1957, und J. M OL AG ER. (wie zu ad Donatum). Aen. 4,562 /.../ nee Zephyros audis spirare seeundos?, cf. OLD s.v. spiro 5, in Prosa etwa Curt. 7,4,27; Sen. dial. 6,17,2; Plin. nat. 2,128; 8,138; 21,165; Gell. 2,22,2; Ps. Quint. decl. 12,4; Apul. met. 11.25 etc.
246
II.4
Cyprian
Das vergilische pomis exubevet annus (georg. 2,516) für eine reiche Ernte scheint nicht nur Plinius (paneg. 29,3 omnis usibus nostris annus exuberet?), sondern auch Cjrprian (exuberare pomis arbusta) anzuregen, den dann wiederum Laktanz aufnimmt.1 Aber auch Ennius — oder Cicero, der ihn Tusc. 1,69 ohne Namensnennung zitiert — könnte Cyprian hier beeinflußt haben. 2 WASZINK verweist auf Enn. scaen. 151: caelum mitescere, arbores frondescere, vites laetificae pampinis pubescere, rami bacarum ttbertate incurvescere, segetes largiri fruges, florere omnia, fontes scatere, herbis prata convestirier. Jedoch, exuberare pomis geht aliein auf Vergil zurück, im Kontext (georg. 2,520 arbuta silvae)3 findet sich auch eine mögliche Anregung für die Stichworte arbusta und nemora. Zweck dieser Anleihen bei der poetischen Diktion ist es jedenfalls, die Schilderung der Schöpfungsgaben, die Gott dem Menschen unverdient gewähl besonders auszugestalten. Der color poeticus tritt also neben den bereits von Mary T. BALL 4 herausgearbeiteten kunstvollen Aufbau der Passage — Cyprian sucht der dargestellten Schöpfungsordnung expressiv Ausdruck zu verleihen.5 patient. 18 (CC III A 128,3455?.) Accedit vulnerum vastitas et tabescentes ac fluentes artus vermium quoque edax poena consumit. Als Beispiel für die Geduld im Ertragen von Schicksalsschlägen verweist Cyprian auf die Gestalt des Ijob. Wenn der Autor bei der Ausgestaltung der körperlichen Leiden6 des Geplagten von tabescentes ac fluentes artus spricht, könnte die mehrmals in vergilischen Greuelszenen vorkommende Wendung fluens tabo7 zugrunde liegen, besonders nahe kommt Aen. 3,6265?. (über Polyp hem): 1
2
Lact, ira 13,7 Ventorum spiritu attrahuntur nubes, ut sata imbribus inrigentur, ut vites fetibus, arbusta pomis exuberent. et haec per orbem viribus exhibentur, ne desit aliquando quo vita hominum sustineatur. Laktanz hat also die ganze Cyprian-Passage vor Augen, zur Sache Cic. nat. 2,101: Exin mari finitumus aer die et nocte distinguitur, isque tum fusus et extenuatus sublime ferturf tum autem concretus in nubes cogitur umoremque coUigens terram äuget imbribus, tum effluens huc et illuc ventos effieit. idem annuas frigorum et calorum Jacit varietates, idemque et volatus alitum sustinet et spiritu ductus alit et sustentat animantes. — CJ. ThLL V\2 s.v. exubero 2096,40—47; CONWAY ad i 119. WASZINK Ennius-Reminiszenz-, MACH.
bekräftigend, doch ohne neue Argumente dazu SZAR-
3
CJ. georg. 2,522 mitis [...] vindemia.
4
82; c/. CONWAY ad i
5
Darstellungen der Schöpfungsordnung regen öfter zur Verwendung eines besonderen, auch auf poetische Elemente rekurrierenden, ornatus an, so etwa Novatian. trin. 1,2 (dazu oben 193). CJ. Ijob 2,7 LXX *E(f)X0tv 6t 6 6idßoXoc &nö toü xopiou xal Iwaiotv xöv Ia>ß IXxu xovr)p$ &icö no&äv !<•>( xtfaXfjc. Aen. 3,626; 8,487; 9,472.
6
7
lUsq.
II.4.2
Die Vergilzitate
247
/.../ atro cum membra fluentia tabo manderet et tepidi tremerent sub dentibus artus. Zwar läßt sich im vorliegenden Gebrauch von tabescere1,fluere*oder des vorwiegend poetischen artus? kein Vergilzitat festmachen, das der Leser wahrnehmen sollte, wohl aber ein Rückgriff auf vergilisch geprägte dichterische Sprachelemente zur rhetorischen Ausgestaltung4 der Krankheit des Ijob liegt auf der Hand.5 de zelo et livore Seine Warnung vor der Untugend des Neides verfaßt Cyprian wohl im Jahre 256 oder 257, jedenfalls nach de bono patientiae.6 Nach einleitenden Hinweisen auf die vom Neid ausgehende Gefahr (Kapitel 1—3) wendet sich Cyprian zuerst (4—9) einer historischen Phänomenologie und dem Wesen des Neides zu, dann (Kapitel 10—18) fordert er dazu auf, ihn gemäß der Schrift durch christliche Bescheidung zu überwinden. zeL 8 (CC III A 79,141) Hinc vultus minax, torvus aspectus, pallor in jade, in labiis tremor, Stridor in dentibus, verba rabida, effrenata convicia, manus ad caedis violentiam prompta, etiamsi a gladio interim vacua, odio tarnen furiatae mentis armata. 1
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3 4 5
6
Cf. OLD s.v. tabesco 3 "to decompose", etwa Lucr. 3,581; Ov. met. 15,363; Plin. nat. 31,95. — BÜRNER (22) verweist außerdem auf Aen. 1,173 et sale tabentis artus in litore ponunU wo von der Landung der erschöpften Trojaner nach dem Seesturm berichtet wird. Tabere meint hier zwar nicht die Verwesung der Glieder, sondern drückt aus, daß u the TYojans were soaked and befouled with the salt-crust" (AUSTIN ad l. 75). Doch trotz dieser semantischen Divergenz könnte natürlich der Wortlaut bei der cyprianischen Formulierung miteingewirkt haben. Nach ThLL VI, 1 s.v. fluo kann fluere für die Verwesung des Glieder von zwei Richtungen her kommend gebraucht werden: 1. (971,344g.) vom Entströmen der Verwesungsflüssigkeit (tabum bzw. tabes), so an den genannten Vergilstellen und Lucan. 2,166 cum iam tabe fluunt confusaque tempore multo amisere notas, /.../.; Petron. 124 vers. 275; Prud. perist. 2,153 usw. 2. (972,19—34) vom sich (Auf)lösen der Glieder, vom Verlust ihrer Spannkraft, so Lucr. 4,919 (im Schlaf) dissolvuntur [...] membra fluuntque, dann i.S.v. tabescere Sedul. carm. pasch. 4,177 membra fluebant; cf. Sen. contr. exe. 6,6 fluens corpus; Stat. Theb. 12,455 fluisse cadaver, Lucr. 6,1204 hominis totae vires corpusque fiuebaU dazu Liv. 10,28,4; 34,47,5; 7,33,17; Hil. Macc. 69; Sen. Herc. O. 520 (519—521) ille, iam quaerens diem, / tabem fluentis vulneris dextra excipit / traditque nobis ungulae insertam suae (gehört doch wohl eher unter 1.); 1229 nee ossa durant ipsa, sed compagibus / discussa ruptis mole conlapsa fluunt. Die Prosa bevorzugt in der Regel membrum* cf. ThLL II s.v. artus (subst.) 711,81—84. Eine vergleichbare Technik scheint etwa vorzuliegen Val. Max. 6,9ext. 6 putres eius artus et tabido cruore manantia membra\ Ps. Quint. decl. 15,4 fluens tabe corpus. Das daneben von BÜRNER (24) als Vergilrezeption vorgestellte xacula emissa (Aen. 9,52 iaculum attorquens emittit) ist ein ganz gebräuchlicher Ausdruck, cf. ThLL V,2 s.v. emitto 505,16—59 (für Wurfgeschosse); ThLL VII,1 s.v. iaculum, 75,l6sq. für die Junktur Sal. lug. 57,6; 101,4; Aen. 9,52; Liv. 26,4,7; 34,37,6. Gesamtdarstellung und Hinweise zur Forschungsliteratur bei GÜLZOW HLL 4 (1997) §478.17.
248
II.4
Cyprian
Die von Cyprian in seiner Pathologie des Neides gebrauchte Formulierung furiata mens findet sich erstmals bei Vergil als Ausdruck für verzweifeltes Zornesrasen1, dann vereinzelt in der nachklassischen Dichtung, schließlich ab Cyprian häufiger in der (christlichen) Prosa.2 Cyprian übernimmt in seine Affektbeschreibung also Vergils eindringliche Formulierung des Zornes und bringt sie in die christliche Latinität ein. Dabei dürfte freilich auch die Produktivität der Adverbialbildung aus mente mit Adjektiv im volkssprachlichen Latein3 als Vorstufe des romanischen Morphems -mente forcierend gewirkt haben. ad Fortunatum
(de exhortatione
martyrii)
In der wohl schon während der Valerianischen Verfolgung, also im Jahr 257, verfaßten Testimoniensammlung ad Fortunatum trägt Cyprian Bibelstellen zusammen, die die Christen in ihrer gegenwärtigen Not stärken sollen.4 Fort. 8 (CC III 197,34) Quod exemplum perseverandi et permanendi designatur in Exodo, ubi Moyses ad superandum Amalech qui figuram portabat diaboli in signo et sacramento crucis adlevabat supinas manus, nee vincere adversarium potuit, nisi postquam stabilis et in signo manibus iugiter manibus perseveravit Als Beispiel für entschlossenes Durchhalten und Festigkeit im Glauben verweist Cyprian auf das Gebet des Mose während des Kampfes Israels gegen die Amalekiter (Ex 17,11 sq.). Bei der Beschreibung des Gebetsgestus setzt Cyprian gegenüber dem Bibeltext (Ex 17,11 VT [...] 0*"T, LXX ircfipev [...] xi? Xeipac, Vet. Lat. [Cypr. test. 2,21=Fort. 8] levabat manus) das Wort supinas hinzu. Zwar ist Erheben der Hände bei Römern wie Christen üblicher Gebetsgestus.5 Dessen Beschreibung aber mit der ausdrücklichen Hinzufügung von supinas ist von Horaz (carm. 3,23,1 caelo supinas si tuleris manus) und Vergil an belegt, Aen. 4,205 multa Iovem manibus supplex orasse supinis und vor allem 3,176sg.: corripio e stratis corpus tendoque supinas ad caelum cum voce manus et munera libo intemerata focis. Obwohl die Wendung danach vereinzelt auch in der Prosa für das Gebet 1 2 3 4 5
Aen. 2,407 über den verliebten Coroebus, der sich, des Elends seiner Kassandra ansichtig geworden, in den aussichtslosen Kampf stürzt. Cf. ThLL VI,1 s.v. 1. furio, zur Wendung furiata mens 1619,12—18 mit Cyprian als erstem Prosbeleg. Dazu etwa LHS II 170; VÄÄNÄNEN §201. Gesamtdarstellung und Hinweise zur Forschungsliteratur bei GÜLZOW HLL 4 (1997) §478.18. Dazu C. SITTL, Die Gebärden der Griechen und Römer, Leipzig 1890, 174; E. v. SEVERUS, 'Gebet I\ RAC 8 (1972) 1134—1258, hier 1231a?.
II.4.3
Auswertung
249
belegt ist,1 scheint sie in diesem Zusammenhang doch eher der Dichtersprache anzugehören2. Dafür, daß der Vergilbeleg aus dem dritten Aeneisbuch als locus classicus gelten kann, spricht, daß er von Prophyrio zur Erklärung der Horazverses zitiert wird. Angesichts dessen kann man den Zusatz von supinas als bewußte sprachliche Ausgestaltung bei der Wiedergabe des Bibeltextes betrachten, die sicher poetisch und wahrscheinlich vergilisch beeinflußt ist.
4.3 4.3.1
Auswertung Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
Zwar zitiert Cyprian, wie schon einleitend festgestellt, Vergil nirgends wörtlich, aber an fünf Stellen seines Werkes3 gibt er ein vergilisches Textstück von wenigstens drei Elementen mit nur leichten Veränderungen wieder. Außerdem übernimmt Cyprian, gemäß der obigen Bestandsaufnahme, dreimal vergilische Formulierungen mit Elementen ihres Kontextes4. Achtmal haben sich andere auf Vergil zurückgehende Wendungen bei Cyprian erstmals in Prosa belegt gefunden5, vier weitere waren schon bei anderen Prosaikern rezipiert6. An weiteren fünfzehn Stellen hat sich ein vergilischer Einfluß auf einen Ausdruck oder einen Gedanken als wahrscheinlich oder immerhin denkbar erwiesen.7 An allen Vergilzitaten nimmt Cyprian also Veränderungen vor. Beim deutlichsten und umfangreichsten Zitat, Demetr. 23, ist die Veränderung des Zitatsegmentes gegenüber dem Prätext als leichte Verkürzung8 und als Prosifikation in bezug auf das Sprachregister vermittels Substitution poetischer Sprachelemente9 und in bezug auf die Prosodie vermittels Permutation zu erklären. Ebenfalls eine Prosifikation ist für das Zitat Demetr. 20a festzustellen, und zwar in Form einer prosodisch motivierten Permutation und der Addition eines erklärenden Elementes (siccitate). Die Variationen an den weiteren, nur indirekt übernommenen Prätextelementen jedoch lassen sich so nicht begründen, sie scheinen vielmehr der Verfremdung um ihrer selbst willen zu dienen. Auch die Veränderungen an den Zitaten laps. 4 (Permutation, Substitution), unit. eccl. 9 (Einfügung des erklärenden tempestate, 1
2 3 4 5 6 7 8 9
Das PH1 5.3-Corpus bietet nur Liv. 26,9,8 supinas manus ad caelum ac deos tendentes, die übrigen Prosa-Belege für supinae manus (Liv. 3,50,5; Petron. 17,9; 114,5; Curt. 6,6,34; Sen. dial. 5,20,2; benef. 1,15,3; c/. Suet. Vit. 7,3) beschreiben eine an Menschen gerichtete Demutsgeste. Etwa Ov. met. 8,681; Stat. silv. 4,l,15s<j. Cypr. laps. 4; unit. eccl. 9; Demetr. 20a; 23; mortal. 12b. Cypr. ad Donat. 11.12; mortal. 12c. Cypr. ad Donat. lab; 10a; unit. eccl. 27; mortal. 12a; patient. 4; zel. 8. Cypr. ad Donat. 10b; Demetr. 3; 5; 20b. Cypr. ad Donat. 2; 3; 4ab; 14; hab. virg. 1; epist. 37,2,2; laps. 8; 16; 22; unit. eccl. 18; Demetr. 3; mortal. 8; 19; patient. 18; Fort. 8. Drei Verse mit 19 Worten werden in einem Nebensatz von 11 Worten wiedergegeben. Beispielsweise fertiles segetes statt nitentia culta.
250
II.4
Cyprian
Permutation) und mortal. 12b (Permutation) scheinen weiter zu gehen, als für eine Prosifikation nötig wäre. Über die bloßen Bedürfhisse einer syntaktischen, diatypischen oder prosodischen Anpassung hinaus, um die er sich überall bemüht, will Cyprian also offenbar verfremden, ohne daß aber der vergilische Einfluß verdeckt würde. In diesen Rahmen sind wohl auch diejenigen Stellen einzuordnen, an denen Cyprian zwar auf eine bestimmte Vergilstelle Bezug nimmt, aber nur eine Einzelformulierung wörtlich wiedergibt, während er weitere Präkontextelemente und -strukturen dergestalt verändert reproduziert, daß sie nur durch den Folgekontext als Referenzen erkennbar werden, so etwa ad Donat. 11, wo erst neben den vergilischen superbae fores der matutinus salutator &\s Zitat aus dem folgenden Vers deutlich wird.1 Im weiteren Sinne gehören hierher auch Zitatennester, an denen Cyprian mehrere Prätextstellen aus den Georgika2 oder mehrere Prätexte von Vergil, das heißt aus Aeneis und Georgika,3 oder anderen Dichtern4 einfließen läßt. Diese beiden Phänomene, das Anzitieren eines Kontextes und die Zitatennester, könnte man als Techniken der Markierung durch Position ansehen, da ja die Perzeptionswahrscheinlichkeit für die einzelnen Zitatsegmente bzw. ihre Elemente durch die Nachbarschaft zu weiteren Referenzen wächst. Auch für andere Zitate könnte eine Art Markierung durch Position vermutet werden, vor allem für diejenigen, die an rhetorisch exponierten Stellen wie Einleitungen (ad Donat. lab; 2; hab. virg. 1) stehen. Abgesehen von solch subtilen und indirekten Erscheinungsformen aber, vermeidet Cyprian nicht nur die Markierung der Zitate, er beseitigt sie sogar dort, wo sie durch diatypische oder prosodische Interferenzen entstünde, durch sorgsame Prosifikation. Di« Perzeption auch der deutlicheren Zitate setzt also eine gründliche Kenntnis des Vergiltextes voraus. Das gilt erst recht für die Übernahme vergilischer Einzelformulierungen. In der Regel läßt Cyprian dabei deren syntaktische Binnenstruktur unverändert. So finden sich vor allem Verbindungen von Verb mit Objekt oder seltener Subjekt, die im Folgetext eher in einer infiniten als in einer finiten Form auftreten,6 und von Substantiv mit Attribut6. An manchen Stellen aber beseitigt Cyprian auch die Struktur des Prätextes und übernimmt daraus nur 1
2 3 4 5
6
Ebenso ad Donat. la petamus /.../. (.../frondea tecta aus georg. 4,61 sq. frondea semper / tecta petunt; ad Donat. 12 btbat licet gemma (...) corpus mollior alto sinu condidit aus georg. 2,506 ut gemma bibat et Sarrano dormiat ostro; mortal. 12c inanes paleae flatu portante rapiuntur aus georg. 3,134 surgentem ad Zephyrum paleae iactantur inanes. Cypr. ad Donat. 3 (?); mortal. 12bc; Demetr. 3. Cypr. ad Donat. 4ab; lOab; mortal. 12abc. Cypr. ad Donat. 4 Seneca; ad Donat. 12 Horaz; Demetr. 3 Ennius. ad Donat. 10a pace rupta; lape. 16 scopulis [...] inlidunt; unit. eccl. 18 imposuerunt altart; 27 somno [...] abrupto; Demetr. 20b preces fundimus; mortal. 12a ventis incumbentibus; patient. 4 exuberare pomis; cf. ad Donat. lb in me oculos tuos fixus; 4a desuper infundam; 12 btbat [...] gemma. ad Donat. la frondea tecta; 10b forum insanum; 11 superbas fores; Demetr. 3 arborei fetus; 5 vanis superstitionibus; mortal. 8 nubila serena; 12c inanes paleae; cf. die attributiven Partizipien laps. 22 cervix inflexa; zel. 8 furiatae mentis.
II.4.3 Auswertung
251
den Gedankengang und Stichwörter, die Referenz basiert also auf gemeinsamen Lexem- oder Sememfolgen, so etwa ad Donat. 4b caelitus spiritu hausto aus Aen. 10,899 hausit caelum oder patient. 18 tabescentes ac fluentes artus aus Aen. 3,6265g. membra fluentia tabo /f...] artus.1 Der Referenzcharakter bleibt dabei in der Regel deswegen erkennbar, weil Cyprian die von Vergil übernommenen Elemente dort, wo er sie nicht in Kontaktstellung beläßt oder bringt, in der Reihenfolge des Prätextes, also ohne Permutation, wiedergibt.2 4.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Betrachtet man die Verteilung und Funktion der oben besprochenen Zitate im Gesamtwerk des Cyprian, so fällt auf, daß sich vier Fünftel der Zitate in nur drei Schriften finden, die, das Briefkorpus nicht mitgerechnet, nur ein Siebtel des Gesamtwerkes3 ausmachen, nämlich in ad Donatum, ad Demetrianum und de mortalitate; bezieht man noch de lapsis und de catholicae ecclesiae unitate mit ein, verteilen sich neun Zehntel der Zitate auf ein Drittel des Werkes, wiederum ohne das Briefkorpus.4 Weder die Tatsache, daß im größeren Teil der pastoralen Schriften und vor allem im Briefkorpus offenbar kein nennenswerter vergiiischer Einfluß vorliegt, noch die Tatsache, daß sich die mit Abstand meisten Vergilzitate in dem nach außen gerichteten Werk ad Donatum konzentrieren, kann man unerwartet oder auffällig nennen: Die Zitate in ad Donatum, Cyprians erstem Werk,5 stehen vor allem zur literarischen Ausgestaltung der Einleitungskapitel (ad Donat. lab; 2) und in gesellschaftskritischen Passagen, die an einigen Stellen auf Vergils Lob des einfachen Landlebens am Ende des zweiten Georgikabuches zurückgreifen (ad Donat. 3; 10; 11; 12); dazu kommt noch die mit Elementen vergiiischer Diktion formulierte Konversionserfahrung (ad Donat. 4). Das entspricht durchaus der an klassischen Formidealen ausgerichteten Gesamtgestalt der Schrift. Ein 1 2 3 4
5
Ebenso ad Donat. 2; 3; hab. virg. 1; epist. 37,2,2; c/. mortal. 19 pmescius mit Genitiv und ad Donat 14 intransitives inrorare. Ausnahmen sind etwa ad Donat. 12 und mortal. 12c, wo allerdings ein Verständnis aus dem Folgekontext ausreichend gewährleistet ist. Berechnet nach dem Seitenumfang in der Ausgabe von HART EL. Legt man die in der Bestandsaufnahme erfaßten Zitate zugrunde, ergibt sich folgende Verteilung (in Klammern der Seitenumfang in der Ausgabe von HARTEL): ad Donat. 10 (14); mortal. 5 (18); Demetr. 5 (20); laps. 4 (28); unit. eccl. 3 (25); patient. 2 (19); zel. 1 (14); Fort. 1 (31); epist. 37,2,2: 1. Es besteht also kein nennenswerter Unterschied zwischen relativer und absoluter Häufigkeit in den einzelnen Werken. — Angesichts der geringen absoluten Zahlen sind solche Rechenexempel natürlich nur cum grano salis zu verstehen. Aber immerhin eine Grundtendenz läßt sich auf diese Weise erkennen und vor allem veranschaulichen. Das scheint aber kein ausschlaggebender Faktor für die Vergilrezeption zu sein, etwa der Art, daß hier Cyprian noch stärker unter dem Einfluß seiner Rhetorenausbildung gestanden habe. Denn gerade die deutlicheren Zitate finden sich in den Werken aus der Zeit des Episkopates. Im übrigen wechseln sich Werke mit deutlicherem und solche ohne faßbaren vergilischen Einfluß ab. Die Vergilrezeption scheint sich also nicht aus der Chronologie, sondern aus dem Charakter der einzelnen Schriften zu erklären.
252
II.4
Cyprian
etwas anderes Bild bietet die der Auseinandersetzung mit der paganen Umwelt gewidmete Schrift ad Demetrianum: VergiÜsche Einflüsse finden sich vor allem zur Beschreibung natürlicher (Demetr. 3; 20a; 23) oder religiöser (Demetr. 5; 20b) Sachverhalte. Sie konzentrieren sich also nicht etwa, wie noch in ad Donatum, an Brennpunkten der Konfrontation mit dem Heidentum, wie das Proömium und ein gesellschaftskritischer Abschnitt sie darstellen, sondern dienen als Mittel der Darstellung bestimmter Aspekte der Wirklichkeit. Durchaus bemerkenswert jedoch ist, daß in drei pastoralen, also rein innerkirchlich ausgerichteten, Schriften de mortalitate, de lapsis und de catholicae ecclesiae unitate Vergil weit stärker nachzuwirken scheint als in den übrigen. Was die beiden letztgenannten Werke angeht, könnte eine Erklärung darin liegen, daß es sich hierbei nicht um Hirtenbriefe oder Predigten eines Bischofs zu alltäglichen Fragen der Kirchenzucht und Pastoral in seinem Verantwortungsbereich handelt, sondern um Positionspapiere zur Vorlage auf einer Synode,1 was eine rhetorische Ausgestaltung mit klassischen Reminiszenzen sehr wohl motivieren könnte. Die Vergilzitate in der Schrift de mortalitate hingegen finden sich vor allem in einer Reihe gleichnishafter Beispiele (Kapitel 12), die Cyprian schon unit. 9 in ähnlicher Form verwendet hat. Das weist darauf hin, daß offenbar bestimmte Zusammenhänge Cyprian zu Rückgriffen auf Vergil anregen. Tatsächlich haben die meisten Stellen, für die sich Reminiszenzen namhaft machen lassen, einen gleichnishaften, einen deskriptiven, einen appellativen oder einen anderweitig rhetorisch exponierten Charakter. Das wird nach einem Blick auf die thematischen Schwerpunkte der Vergilrezeption bei Cyprian noch auszuführen sein. 4.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Cyprian zeigt eine besondere Vorliebe für die Georgika, und hier wiederum für das erste Buch, also dasjenige über Ackerbau und Wetterzeichen, und für das Lob des Landlebens am Ende des zweiten.2 Was Cyprian hieraus — und aus den Eklogen — zitiert, führt in den Bereich des Landlebens, meist unmittelbar, teilweise durch eine Kontrastierung mit der Stadt. Die Zitate aus der Aeneis hingegen stellen keinen so engen thematischen Bezug zwischen Prätext und Folgetext her, vielmehr werden meist herausgelöste Einzelwendungen übernommen, die oft mit ihrem Kontext oder mit dem Inhalt des Gesamtwerkes keinen tieferen Zusammenhang mehr haben, etwa desuper infundere (ad Donat. 4a aus Aen. 4,122), pacem rumpere (ad Donat. 10a aus Aen. 12,202), preces fundere (Demetr. 20b aus Aen. 5,234; 6,35) oder furiata mens (zel. 8 aus Aen. 2,407).3 Während also Cyprians Umgang mit 1 2 3
Cf. Cypr. epist. 54,4. Darauf haben schon BALL (133) und vor allem BUCHHEIT (Cyprian, passtm) hingewiesen. Zwar läßt sich an manchen Stellen auch eine kontextuelle Bezugnahme vermuten, etwa hab. virg. 1 durch die Pragmatik Teuermachen* auf Aen. 1476, laps. 4 auf die Situation
II.4.3
Auswertung
253
der Aeneis kaum über den rhetorischen Standard hinausgeht, scheint er für Georgisches bei Vergil, genauer gesagt für Schilderungen der Natur und des Landlebens,1 eine gewisse Vorliebe zu hegen. 4.3.4
Vergil bei Cyprian: Funktion und Bewertung
Nimmt man nun diese Beobachtungen zu formalen, funktionalen und thematischen Kennzeichen der Vergiizitate bei Cyprian zusammen, ergeben sich folgende vier Grundcharakteristika, von denen zumindest eines auf jedes Zitat zutrifft: 1. Das Zitat steht in der Sachhälfte eines Gleichnisses oder eines metaphorischen Ausdruckes und verleiht ihr eine besondere Prägnanz oder Authentizität. Meist handelt es sich dabei um Bilder, die mit der Natur oder mit deren Kultivierung zu tun haben, also dem bäuerlichen Lebensbereich entnommen sind. Hierher gehören sowohl die mit deutlichen Zitaten versehenen Bilder von der Trennung von Spreu und Weizen (unit. eccl. 9; mortal. 12) oder vom Unkraut im Weizen (Demetr. 23), als auch mit Elementen vergilischer Sprache durchsetzte metaphorische Ausdrücke wie nullis ad copiam fecundi caespitis culminibus ingravescit (ad Donat. 2), fomes ac nutrimentum bonae indolis (hab. virg. 1), transmeavit hibernum (epist. 37,2,2), fluctuans vario mentis aestu (laps. 4), navem scopulis ne in portum perveniat inlidunt (laps. 16), alta et erecta cervix nee quia cecidit inflexa est (laps. 22) und somno inertiae veteris abrupto (unit. eccl. 27). 2. Das Zitat steht in einer Aufzählung, die der Beschreibung eines Zustandes dient. Oft handelt es sich um eine Art aüva6poiafx6? von Symptomen, der eine Situation illustrieren soll. Hierher gehören zum einen die kritische Schilderung einzelner Aspekte eines weltverhafteten Lebens in der Schrift ad Donatum (ad Donat. 3; lOab; 11; 12), zum anderen die Beschreibung körperlicher oder geistiger Symptome, etwa des Versagens der Stimme (laps. 8), der Leiden des Ijob (patient. 18), oder die Pathographie des Neides (zel. 8), zum dritten die Beschreibungen von Zuständen der Natur, vor allem ihrer Unfruchtbarkeit (Demetr. 3; 20a; mortal. 8) oder Fruchtbarkeit (patient. 4). Auch die Gleichnisse aus der des ratlosen Aeneas auf dem Schlachtfeld Aen. 12,486 oder patient. 18 auf Polyphem Aen. 3,262s(j. Doch außer einer allgemeinen Präferenz für Wendungen aus dem Bereich der Religion läßt sich kein Bezug auf Grundthemen der Aeneis, etwa Nationalrömisches oder Spezißka der römischen Religion, feststellen, anders als bei Minucius Felix oder Arnobius. Thematisch lassen sich hierzu auch die Aeiieisreferenzen hab. virg. 1 — Feuer machen ist ja, wie in der Erörterung der Stelle angedeutet, seit Homer ein Topos in der Beschreibung des einfachen (Land-)Lebens —, ad Donat. 10a und mortal. 12a zählen, die durch ihre Verbindung mit Georgikazitaten inhaltlich umakzentuiert werden.
254
IL4 Cyprian bäuerlichen Lebenswelt (unit. eccl. 9; mortal. 12abc; c/. ad Donat. 14) bestehen teilweise in aufzählenden Beschreibungen.
3. Das Zitat, meist eine Einzelformulierung, steht an einer Stelle mit rhetorischer Gelenkfunktion oder von appellativer Emphase, an der Cyprian sich von einem geschliffenen Ausdruck besondere Wirkung zu erwarten scheint. Hierher gehören die Anklänge in der Einleitung1 von ad Donatum, in der Rahmenschilderung (ad Donat. lab) wie auch insbesondere im Bescheidenheitstopos (ad Donat. 2), und im ersten Satz von de habitu virginum. In de lapsis (Kapitel 4) leitet Cyprian in rhetorischem Zögern vom Rückblick auf die ruhmreich überstandene Verfolgung mit einem Vergilzitat auf das eigentliche Thema der Schrift über. Andere Reminiszenzen unterstreichen einen Aufruf zur Wachsamkeit (unit. eccl. 27) oder zur Bekehrung (Demetr. 23). Schließlich gehört auch die vergilisch beeinflußte Einleitung einer geistlichen Betrachtung der Jahreszeiten im Ermutigungsschreiben (epist. 37,2,2) an die in Rom eingekerkerten confessores hierher. 4. Das Zitat, wiederum eine Einzelformulierung, ist ein auf Vergil zurückgehender Ausdruck für religiöse Handlungen oder Empfindungen. Hierher gehören in erster Linie Wendungen wie altari imponere (unit. eccl. 18), vana superstitio (Demetr. 5), preces fundere (Demetr. 20b), das Gottesprädikat praescius futurorum (mortal. 19) oder vielleicht die supinae manus (Fort. 8). Allerdings fällt hier oft die ausdrückliche Rückführung auf Vergil sehr schwer, da die Formulierungen, selbst wenn sie erstmals bei Vergil erscheinen, zur Zeit Cyprians bereits zum Standardvokabular des Diskurses in theologischen Fragen zu gehören scheinen. Doch mag die Rezeptionsorientierung der Vergilbenutzung auch im einzelnen nicht zu belegen sein, die Faktizität allein ist schon bemerkenswert.2 Hinzu kommt noch eine weitere Besonderheit einiger Vergilreminiszenzen. Cyprian zitiert nämlich öfter Vergil an Stellen, an denen er biblische Inhalte wiedergibt oder Bibeltexte paraphrasiert. So gibt er das neutestamenliche Gleichnis von der TVennung von Spreu und Weizen (Mt 3,12; Lk 3,17) zweimal mit vergilischen Worten wieder (unit eccl. 9 inanes paleae tempestate iactantur und mortal. 12abc); ebenso verfahrt er Demetr. 23 mit dem Gleichnis vom Unkraut im Weizen (Mt 13,24—30), wobei aus den neutestamentlichen ti(dvia das vergilische lolium et avena (georg. 1,154) wird. Cyprian weicht also bewußt vom Wortlaut der Bibel ab, um den Sachverhalt mit einer vergilischen Formulierung auszudrücken, so auch an zwei anderen Stellen: Demetr. 20a macht Cyprian bei der Paraphrase einer wörtlich zitierten Perikope Die besondere Aufgabe des Proömiums einer apologetischen Schrift, auch noch Vorurteile des Lesers zu überwinden, hat jüngst Rizzi Ideologie passim, herausgearbeitet. In denselben thematischen Rahmen könnte die vergilisch beeinflußte Schilderung der eigenen Konversionserfahrung (ad Donat. 4ab) gehören.
II.4.3
Auswertung
255
(Hab 3,17sq.) aus der im Bibeltext vorgegebenen Unfruchtbarkeit der Felder eine vergilisch formulierte (georg. 1,107) Dürre. Fort. 8 schildert er das Gebet des Mose während des Kampfes mit den Amalekitern (Ex 17,1159.) in Ergänzung des Bibeltextes mit dem wahrscheinlich vergilisch inspirierten Ausdruck adlevabat supinas manus. Freiere Wiedergaben biblischer Texte unter Verwendung vergilischer Wendungen finden sich außerdem unit eccl. 18, wo Cyprian das unrechtmäßige Opfer der Aaronsöhne Nadab und Abihu (Lev 10,1 sq.) mit dem vergilischen altari imponere ausdrückt, und unit eccl. 27, wo er die neutestamentliche Aufforderung zum Wachen (Rom 13,11; Mk 13,33—37parr) nach Vergil (georg. 3,530) mit somno inertiae veteris abrupto ausspricht. Berücksichtigt man außerdem die bereits erwähnten auf Vergil zurückgehenden Wendungen der Kultsprache vana superstitio (Demetr. 5), preces fundere (Demetr. 20b) und praescius futurorum (mortal. 19), die Cyprian ja im christlichen Sinne verwendet, und die Darstellung seiner Konversionserfahrung (ad Donat. 4ab), so zeigt sich: Cyprian macht auch an Stellen, an denen er Christliches im engsten Sinne ausdrückt, Anleihen bei Vergil. Für einige dieser Stellen läßt sich eine Nachwirkung in der christlichen Latinität nachweisen,1 so daß, ausgehend von Cyprians Vergilrezeption, ein vergilischer Einfluß auf das christliche Latein als ganzes wenigstens in einzelnen Punkten faßbar wird. Insgesamt betrachtet kommt der Vergilrezeption bei Cyprian zwar kaum mehr als eine marginale Bedeutung zu: Vergil wird nirgends genannt, nirgends wörtlich oder gar als Autorität zitiert, sein Einfluß spielt, vor allem bezogen auf den Umfang des Gesamtwerkes, keine besondere Rolle. Andererseits aber ergeben diejenigen Stellen, an denen sich eine Vergilrezeption tatsächlich fassen läßt, ein charakteristisches Bild: Zum einen nämlich läßt Cyprian eine Vorliebe für vergilische Schilderungen der Natur und des Landlebens erkennen, zum anderen findet er öfter bei Vergil Formulierungen, die ihm für dezidiert christliche Inhalte geeignet erscheinen. Er erkennt also via facti die Leistung vergilischer Dichtung an, Wirklichkeit sprachlich zu erfassen, und bedient sich ihrer seinerseits zur Versprachlichung christlicher, in vielen Fällen biblischer Inhalte. Dabei scheint nicht nur die Gewohnheit des ausgebildeten Rhetors mehr oder weniger zwangsläufig Wirkung zu zeigen, vielmehr kommt offenbar auch der Bischof in seiner pastoralen Praxis und in seinem Streben, die christliche Verkündigung in Worte zu fassen, die seiner lateinisch sprechenden Gemeinde angemessen sind, mancherorts auf Vergil zurück und gibt seiner Vorliebe für dessen georgische Schilderungen nach. In diesem Rahmen kommt dem vergilischen Einfluß bei Cyprian eine gewisse Bedeutung als Quelle eines christlichen Lateins zu.
ad Donat. 12; laps. 4; unit. eccl. 27; Demetr. 5; 20b; 23; mortal. 19; zel. 8. Zur Rezeption dieser Stellen in der christlichen Literatur siehe jeweils ihre Einzeldiskussion oben.
5
Arnobius
5.1
Zur Forschungslage
Unter den Autoren derfrühenchristlichen Latinität ist Arnobius zwar keiner der bedeutendsten, aber sicherlich einer der bemerkenswertesten. Vor allem seine religionsgeschichtliche und theologische Einordnung bietet noch immer, wie die jüngst erschienenen umfangreichen Monographien von MORA (1994) und SIMMONS (1995) zeigen, Anlaß zur Diskussion.1 Hieronymus stellt ihn als Lehrer der Rhetorik in Sicca Veneria in Africa Proconsularis (vir. ill. 79) vor, zu dessen Schülern Laktanz gehöre (vir. ill. 80). 2 Erst in späteren Jahren wendet Arnobius sich dem Christentum zu; nach Hieronymus habe er dem Bischof von Sicca, der an der Aufrichtigkeit der Bekehrung des bisherigen Christengegners zweifelte, eine Schrift adversus pristinam religionem übergeben.3 Die sieben Bücher adversus nationes4, begonnen frühestens Ende 302 und fertiggestellt spätestens in der ersten Hälfte des Jahres 305,5 sind Arnobius' einziges erhaltenes Werk. Es handelt sich dabei um eine materialreiche, phasenweise nicht ganz stringente und ausgesprochen polemische Apologie, deren Grundprinzip die refutatio durch retorsio darstellt6. SlMMONS rückt neuerdings die religionsgeschichtlichen Rahmenbedingungen in den Blickpunkt und sieht das Werk als polemische Stellungnahme in der Auseinandersetzung einerseits mit den intellektuellen Gegnern des Christentums, vor allem Porphyrius und Sossianus Hierokles, die zugleich die propagandistische Munition für die Christenverfolgung des Diokletian liefern7, andererseits mit konkurrierenden Kulten in Nordafrika, namentlich dem Saturnkult8, so 1
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8
F. MORA, Arnobio e i culti di mistero. Analisi storico-religiosa del V libro de\V Adversus NationeSy Roma 1994; M.B. SIMMONS, Arnobius of Sicca. Religious Conflict and ComPetition in the Age of Diocletian, Oxford 1995; beide mit ausgiebigen Bibliographien und eingehender Erörterung der Forschungslage. Neuere Gesamtdarstellungen mit bibliographischen Hinweisen bieten außerdem H. LE BONNIEC in der Introduction (7— 113) seiner Bude-Ausgabe des ersten Buches (Arnobe, Contre les gentils. Livre I, texte ätabli, traduit et commentl par H. LE BONNIEC, Paris 1982), Antonie WLOSOK HLL 5 (1989) §569, und B. AM ATA in der umfangreichen Einleitung seiner Übersetzung Arnobio, Difesa della vera religione, Roma 2000, 5—78; kürzer: F. MORA, 'Arnobius [1]\ DNP 2 (1997) 21 sq.; R. JAKOBI, 4Arnobius\ LACL (2002) 62—64. Eine umfassende Auseinandersetzung mit den spärlichen Angaben des Hieronymus bietet jetzt SIMMONS 94—130. Die Lebensdaten lassen sich nur erschließen. Cf. Hier, chron. 327 p.Chr. mit Y.-M. DUVAL, Sur la biographie et les manuscrits d'Arnobe de Sicca: les informations de J6röme, leurs sens et leurs sources possibles, Latomus 45 (1986) 68—93; cf. SIMMONS 130. Ausgabe von C. MARCHESI, Turin 19532, zum ersten Buch LE BONNIEC, Paris 1982. Datierung nach SIMMONS 93; cf. WLOSOK HLL 5 (1989) 366sq. So LE BONNIEC Introduction 30: uTout le traitl est une immense r&orsion." Dazu SIMMONS kurz 22—32, doch auch in seiner Untersuchung der theologischen Positionen des Arnobius findet er immer wieder die Auseinandersetzung mit den antichristlichen Argumenten des Porphyrius (v.a. 216—318). SIMMONS 184—215.
II.5.1
Zur Forschungslage
257
daß das Werk weniger als klassische Apologie1 als vielmehr als persönliche Abrechnung mit teilweise einst vom Autor selbst vertretenen antichristlichen Positionen zu verstehen sei. Im ersten Buch greift Arnobius den Vorwurf auf, die impietas der Christen bringe den Zorn der alten Götter über die Menschheit, und widerlegt ihn in drei Schritten: Zum ersten sei keine Zunahme der Übel in der Welt, also keine Strafe der Götter, zu erkennen, zum zweiten sei Zorn an sich den Göttern fremd, und zum dritten stelle der Glaube an den einen Gott und an Christus keine impietas dar. Im zweiten Buch verläßt Arnobius diese apologetische Argumentationslinie, um eine philosophische Digression über die Seelenlehre einzuschalten. In deren Mittelpunkt steht die Lehre von der media qualitas der Seele, die ihr ewiges Heil erst in der Erkenntnis Gottes finde und nicht etwa, wie Piaton lehre, an sich unsterblich sei. Auch gehe die Seele nicht auf einen Schöpfungsakt des höchsten Gottes, sondern nur auf einen Demiurgen zurück. Daher sei die Existenz des Menschen von mannigfachen Übeln und der Unfähigkeit zur Erkenntnis geprägt. Die übrigen fünf Bücher sind der Auseinandersetzung mit paganer Religion und Religiosität gewidmet. Im dritten und vierten Buch trägt Arnobius unwürdige und anstößige Geschichten aus der Mythologie zusammen, um den gegen die Christen gerichteten Vorwurf der Blasphemie auf die Heiden zu lenken. Im fünften Buch beschäftigt er sich zu demselben Zweck mit den Mysterienkulten, in den letzten beiden Büchern mit dem Kult, und zwar im sechsten Buch mit Tempeln und Götterbildern, im siebten Buch mit Opfern und anderen Riten. Während Hieronymus für das vierte Jahrhundert die Lektüre des Arnobius nicht nur bezeugt2, sondern empfiehlt3, erklärt das decvetum Gelasianum die Schriften des Arnobius für heterodox4, so daß erst wieder die Spätrenaissance den hohen Quellenwert des Varro christianus schätzen lernt5. Damit sind die entscheidenden Probleme auch der modernen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Autor angedeutet, nämlich zum einen die Frage nach den Quellen und die Bewertung des reichhaltigen Materials zu Mythologie und Religionsgeschichte, das Arnobius bietet,6 zum anderen 1
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22: aThe Adv. nat. should not be classified as a 'Christian Apology' in the traditional meaning; and for those who still ins ist that Arnobius should be called a 'Christian Apologist', all would undoubtedly agree that he is much more successfull in his attack upon paganism than in his defense1 of Christianity." Hier, epist. 58,10,2 (kritisch); 60,10,9. Hier, epist. 62,2,1; in Is. üb. 8 pr. Decret. Gelas. p. 56 1. 320 ed. v. DOBSCHÜTZ TU 38,4. C/. P. KRAFFT, Beiträge zur Wirkungsgeschichte des älteren Arnobius, Wiesbaden 1966, hier 14 sq. Gemeinhin geht man davon aus, daß Arnobius Piaton, Cicero und Varro sowie Tertullian, Minucius Felix, Cyprian und Klemens von Alexandrien benutzt; zur Diskussion im einzelnen A. SITTE, Mythologische Quellen des Arnobius, Diss. masch. Wien 1970; LE BONNIEC Introduction (1982) 34—60; WLOSOK HLL 5 (1989) 372sg.; Jacqueline CHAMPEAUX, Arnobe lecteur de Varron, REAug 40 (1994) 327—357; MORA Arnobio e t cuitt dt mistero (1994) 11—115 (Arnobius und Klemens). SIMMONS
258
11.5
Arnobius
die theologische Einordnung des Autors.1 Eben diese Problembereiche haben auch die Erörterung der Stellung des Arnobius zur paganen Kultur dergestalt geprägt, daß vor allem die Benutzung paganer Quellen und die Einflüsse der Philosophie, namentlich des Epikureismus und des Lukrez, erwogen worden sind.2 Einen anderen Aspekt von Arnobius' Stellung zur paganen Kultur betrifft die Diskussion der polemischen Grundtendenz des Werkes, die NORDEN zu seiner vielzitierten Aburteilung des 'infamsten Pamphletes, welches das Altertum uns überliefert hat"3, veranlaßte, die aber in der neueren Forschung differenzierter als gezielte Auseinandersetzung mit den Gegnern des Christentums in der Zeit der Verfolgung beurteilt wird.4 Eine Gesamtbewertung der Äußerungen über die pagane Kultur bietet ELLSPERMANN (1949), der dabei ein ambivalentes Verhältnis herausstellt: Einerseits erkenne Arnobius den Wert der kulturellen Errungenschaften und Güter an, namentlich bewundere er Cicero, Varro, Plato und Aristoteles. Andererseits aber verurteile er Dichtung und Theater aufgrund ihrer amoralischen und blasphemischen Mythologie und die Rhetorik aufgrund ihrer Fähigkeit zur Irreführung.5 Ein wichtiges Moment ist Arnobius' kompromißlose Ablehnung der heidnischen Göttermythen. Daraus ergibt sich zum einen, wie AM ATA (1988) zeigt, ein sehr distanziertes Verhältnis zur paganen Bildung insgesamt.6 Zum anderen wird davon die Einstellung zur Dichtung im besonderen beeinflußt,7 wie SWIFT (1965) anhand eines Vergleichs mit Laktanz aufzeigt: Während Laktanz die pagane 1
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Cf. C. BURGER, Die theologischen Positionen des älteren Arnobius, Diss. Heidelberg 1970; LE BONNIEC Introduction (1982) 60—85; B. AMATA, Problemi di antropologia arnobiana, Roma 1984; R LAURENT!, Spunti di teologia arnobiana, Orpheus ns 6 (1985) 270—303; P.F. BEATRICE, Un oracle antichr&ien chez Amöbe, in: Y. DE ANDIA et al. (e
II.5.1
Zur Forschungslage
259
Literatur differenziert betrachte und nach Anknüpfungspunkten suche, stelle Arnobius die refutatio alles Heidnischen in den Mittelpunkt (448). Dabei erörtere Arnobius die dichterische Mythologie unter vier Blickwinkeln: zum ersten und vor allem als Tatsachenberichte über die Götter, an denen er das Widersinnige und das Blasphemische der Mythologie hervorhebe (441), zum zweiten als dichterische Fiktion, was aber, so Arnobius, an deren Anstößigkeit nichts ändere.1 Zum dritten erscheine die Dichtung als Objekt allegorischer Deutungen, die Arnobius jedoch als unzulässige und willkürliche Entfernung vom einzig gültigen Literalsinn ansehe,2 und viertens, wenn auch nur am Rande, als Quelle euhemeristischer Argumente3. SlMMONS (1995) führt die scharfe Kritik an der dichterischen Mythologie und die kategorische Ablehnung deren allegorischer Deutung darauf zurück, daß Porphyrius diese beiden Punkte in seiner antichristlichen Polemik zur Sprache bringt.4 Charakteristisch für Arnobius ist also das Nebeneinander von scharfer, zielgerichteter Polemik einerseits und umfangreichem Rückgriff auf pagane Autoren andererseits.5 So erwähnt er eine ganze Reihe griechischer und lateinischer Autoren6, beruft sich öfter ohne Namensnennung auf pagane Autoritäten7. Insbesondere Piaton, Cicero und Varro benutzt er eingehend und hebt ausdrücklich ihre Autorität hervor, ohne ihnen jedoch kritische Bemerkungen zu ersparen8. Auf die bislang wenig beachtete Benutzung von Seneca weist MASTANDREA (1988) hin.9 Was nun die Dichter angeht, die Arnobius zitiert, so muß man für die meisten Griechen eine indirekte Benutzung annehmen.10 Unter den Lateinern 1 2 3 4 5 6
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9 10
Arnob. nat. 4,1.32.34; 5,1; SWIFT 442. Arnob. nat. 5,33—45; SWIFT 4A3sq. Arnob. nat. 4.29; 5,39. SlMMONS passim, v.a. 243—263. So etwa zusammenfassend HAGENDAHL Von Tertullian 33.37 Über die Erwähnungen und namentlichen Zitate gibt der index scriptorum qui ab Arnobio citantur in der Ausgabe von MAKCHESI (4\3sq.) Auskunft; umfassend zu den Quellen des Arnobius LE BONNIEC Introduction 34—60; zu den direkten Zitaten auch KRAUSE 176—178. Zusammenstellung der anonymen Verweise bei LE BONNIEC Introduction 35 Anm. 1. Zu Plato etwa Arnob. nat. 1,8 Plato Ule sublimis apex phüosophorum et columen; kritisch etwa Arnob. nat. 2,13; Weiteres bei LE BONNIEC Introduction 41—46; zu Cicero etwa Arnob. nat. 3,6 et ante omnes Tuliius Romani disertissimus generis nullam veritus tmpietatis invtdiam ingenue constanter et libere quid super tali opinatione sentiret pietate cum maiore demonstravit. Weiteres LE BONNIEC Introduction 46—48; ders., L'exploitation apolog&ique par Arnobe du de natura deorum de Cice>on, in: R. CHEVALLIER (&!.), Presence de Ciceron, Paris 1984, 89—101; zu Varro etwa Arnob. nat. 5,8 Varro Ule Romanus multiformibus eminens disciplinis et in vetustatis indagatione rimator. Weiteres LE BONNIEC Introduction 48sq.\ CHAMPEAUX passim. P. MASTANDREA, Lettori cristiani di Seneca ßlosofo, Brescia 1988, 9—50. Arnob. nat. 3,37 werden Myrtilus und Hesiod als Gewährsleute für die Zahl von sieben bzw. neun Musen erwähnt; das Pindarzitat Arnob. nat. 4,24 kann auf Clem. Alex, protr. 2,30,1 oder Tert. nat. 2,14; apol. 14,5 zurückgehen; die Verweise auf Homer, Epicharm, Sophokles und Panyassis im folgenden Kapitel (Arnob. nat. 4,25) hat schon die Vorlage Clem. Alex, protr. 2,36*?.; zum Verweis auf Sophokles Arnob. nat. 4,35 siehe unten (311); ansonsten erwähnt Arnobius nat. 5,18 Boutas, einen Freigelassenen des
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II.5
Arnobius
hingegen scheint er den zweimal erwähnten Lucilius selbst zu kennen1, einmal spricht er von einem ansonsten unbekannten Stück Marsyas des Pomponius2, die beiden Nennungen des Ennius könnten von Cicero angeregt sein3. Zwar auch nur an einer Stelle namentlich zitiert,4 aber dem Arnobius ohne jeden Zweifel wohl vertraut und von ungleich größerer Bedeutung für sein Werk ist Lukrez. Zwar geht man seit der für die Lukrezrezeption des Arnobius grundlegenden Studie von HAGENDAHL (1958) nicht mehr davon aus, daß der Apologet vor seiner Konversion dem Epikureismus angehangen habe, aber der sprachlich-stilistische und gedankliche Einfluß des Dichters, dessen Positionen Arnobius teils kritisiert, teils für seine Argumentation übernimmt, ist nicht zu übersehen.5 HAGENDAHL verzeichnet zunächst lukrezische Wörter6 und Formulierungen7 bei Arnobius, dann inhaltliche Übernahmen: So gestalte Arnobius die Lobrede auf Christus (1,38), der den Menschen die Erkenntnis über die Vorgänge der Natur und über die Allmacht Gottes bringt, zwar nach dem lukrezischen Lob des Epikur im Proömium des fünften Buches, wende sich damit aber letztlich kritisch gegen den von Lukrez erhobenen Anspruch, mit Hilfe materialistischer Naturphilosophie zur Welterkenntnis zu gelangen — diese nämlich komme nur von Christus.8 Wichtige Impul-
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Jüngeren Cato, der griechische afcia römischen Inhalts verfaßt, nat. 5,19.21 einzelne Werke bzw. nat. 5,21 einen auctor Tarentinus, quem antiquitas canit dicens *taurus draconem genuit et taurum draco \ Cf. LE BONNIEC Introduction 36—39. Arnob. nat. 2,6 Unde quaeso est vobis tantum sapientiae traditum [...]? [...] quia Fornicem Lucilianum et Marsyam Pomponi obsignatum memoria continetis /.../? (dazu jetzt A. PERRUCCIO, II 'Fornix' di Lucilio, Ocrisia e la nascita di Servio Tullio: note arnobiane, Maia 52 [2000] 285—294); 5,18 tunc sancta ecferventia numina vim vomuisse Lucilii ac regem Servium natum esse Romanum. Arnob. nat. 2,6; siehe vorige Anm. Arnob. nat. 4,29 wird Ennius als Übersetzer des Euhemerus erwähnt wie Cic. nat. deor. 1,119. Arnob. nat. 3,16 Nam quid in homine pulcrum estt quid, quaeso, admirabile vei decorum, nisi quod et clunno cum pecore nescio quis auctor voluit esse commune? wie Cic. nat. deor. 1,97 Ipsa vero quam nihil ad rem pertinet, quae vos delectat maxime, similitudo. quid canis nonne similis lupo (atque, ut Ennius, *simia quam similis turpissuma bestia nobis'); at mores in utroque dispares. Arnob. nat. 3,10 Havet animus atque ardet, in chalcidicis Ulis magnis atque in palatiis caeli deos deasque conspicere intectis corporibus atque nudis, ab Iaccho Cererem, Musa ut praedicat Lucretia, mammosam /.../. zu Lucr. 4,1168 at nimia et mammosa Ceres est ipsa ab Iaccho, / simula Silena ac Saturast, labeosa philema. HAGENDAHL (Latin Fathers 12—47; zusammengefaßt und in einigen Punkten weitergeführt Von Tertuilian 35—37) bietet sowohl eine kritische Würdigung der älteren Literatur, namentlich der seit E. KLÜSSMANN, Arnobius und Lukrez, oder ein durchgang vom epikuräismus zum Christentum, Philologus 26 (1867) 362—366, öfter vertretenen These vom bekehrten Epikureer Arnobius, als auch Verweise auf ältere Zusammenstellungen von Similien. — Grundsätzlich im Sinne eines stilistischen Einflusses und einer eklektizistischen Verwendung des Lukrez bei Arnobius auch LE BONNIEC Introduction 5lsq.; B. AMATA Problemi 61—68. Latin Fathers Usq. Latin Fathers 15sq. Zu den Entsprechungen zwischen nat. 1,38 und Lucr. 5,1 sqq. im einzelnen Latin Fathers 18—23, hier 19: T h e two eulogies harmonize not so much in their details and in their phraseology — being a skilled rhetor Arnobius is accomplished in the art of varying
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Zur Forschungslage
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se von Lukrez hingegen empfange Arnobius vor allem in der pessimistischen Seelenlehre des zweiten Buches, aber auch in der Polytheismuskritik des dritten Buches, in der Anthropomorphismuskritik des vierten Buches und in der Opferkultkritik des siebten Buches.1 Drei heterodoxe Ansichten des Arnobius — die Welt ist nicht um des Menschen willen erschaffen, die Seele ist sterblich, Gott kann nicht zürnen — verwiesen auf epikureisches Denken.2 Daneben ist auch öfter auf den Einfluß des Ovid hingewiesen worden: So greift Arnobius, wie HAGENDAHL (1937) zeigt, in seiner Kritik an der Habsucht und ihren verderblichen Folgen (nat. 2,40.43) Ovids Darstellung des Eisernen Zeitalters (met. 1,127—150) bis in einzelne Formulierungen auf.3 RAPISARDA (1946) geht von einem nennenswerten, aber schwer faßbaren sprachlichen Einfluß des Ovid aus und nennt Parallelen zu den Fasti und den Metamorphosen4, die deren Benutzung als Quelle nahelegen, was neuerhis expressions — as in their general tone and line of thought." — HAGENDAHLS oben skizzierte Interpretation ist das Ergebnis einer Diskussion, die sich an dem scheinbaren Widerspruch von 1,38, wo Christus selbst als Lehrer der Naturphilosophie auftritt, und von 2,61, wo er die Beschäftigung mit solchen Fragen verbietet, entzündet hat: HAGENDAHL (Latin Fathers 29) erklärt den Widerspruch zunächst als "proof of the author's acknowlegded haste, carelessness and imperfect knowledge of the new religion", der Apologet entnehme Lukrez einfach Formulierungen und Gedanken, die ihm gerade nützlich erschienen (Latin Fathers 31). Gegen diese Erklärung und die Interpretation von HAGENDAHL wendet sich in aller Schärfe W. SCHMID, Christus als Naturphilosoph bei Arnobius, in: Ders., Ausgewählte philologische Schriften, hg. v. H. ERBSE / J. KÜPPERS, Berlin/New York 1984, 562—583 (erstmals in: Erkenntnis und Verantwortung. FS T. LITT, Düsseldorf 1960, 264—284), hier 569a?.: "Man darf nicht glauben, in den lukrezischen Floskeln die Sache selbst zu haben; was Christus an naturphilosophischen Lehren zugeschrieben wird, ist zwar in zahlreichen Punkten kunstreich mit zweifellos beabsichtigten Anklängen an die ensprechenden lukrezischen 6ö-fu.ata formuliert, hat aber in seiner Substanz in Wahrheit wenig mit Lukrez zu tun." Vielmehr sei die Lehrrede Christi im Kapitel 1,38 als Offenbarung christlich-hermetischer Heilswahrheiten zu verstehen. Daher ergebe sich auch kein Widerspruch zur Verurteilung selbständigen menschlichen Erkenntnisstrebens im Kapitel 2,61. Daß diese Interpretation freilich — ähnlich wie die These von J.D. MADDEN, Jesus as Epicurus. Arnobius of Sicca's Borrowings frorn Lucretius, CCC 2 (1981) 215—222, dem Kapitel 1,38 liege gnostisches Gedankengut in der äußeren Form einer retractatio von Lukrez zugrunde — in der FVage nach dem Verhältnis des Apologeten zu Lukrez nicht weiterführt, merkt HAGENDAHL (Von Tertullian 36) später (1983) an. Die Bezugnahme auf die materialistische Naturphilosophie und auf das Werk des Lukrez im Kapitel 1,38 sei als Spitze des Agnostikers Arnobius zu verstehen und widerspreche dem im Kapitel 2,61 Gesagten nicht, denn die gemeinsame Aussage sei (36): "Christus hat uns über die Welt hinlänglich unterrichtet und erlaubt uns nicht, weiter danach zu forschen." Latin Fathers 31— 45. HAGENDAHL Latin Fathers 45—47; Von Tertullian 36sq. H. HAGENDAHL, En Ovidiusreminiscens hos Arnobius, Eranos 35 (1937) 36—40. E. RAPISARDA, Arnobio, Catania 1946, 253 mit Anm. 2: fast. 2,558 zu nat. 2,67 — H. LE BONNIEC, Le temoignage d'Amöbe sur deux rites archaiques du manage romain, REL 54 (1976) 110—129, hier 116—129, hingegen führt Arnobius' Ausführungen über die hasta caelibaris auf Verrius Flaccus zurück —; fast. 6,299 zu nat. 3,32 (Etymologie der Vesta); fast. 1,171 zu nat. 3,29 (Janus); fast. 259—350 zu nat. 5,1; met. 15,553 zu nat. 2,69; met. 2,627 zu 1,2 (iusta); met. 6,110 zu nat. 4,26 (Antiope); nat. 1,4 klinge die ovidische Schilderung von Sintflut und Weltenbrand nach.
262
II.5
Arnobius
dings CHAMPEAUX (1994) in bezug auf Etymologien von Götternamen in den Fasti konkretisiert.1 Die bislang eingehendste und materialreichste Untersuchung bietet LE BONNIEC (1982):2 Er stellt zahlreiche erstmals bei Ovid belegte, von Arnobius aufgegriffene Adjektive3, Substantive4 und spezielle Ausdrucksformen5 zusammen und weist auf inhaltliche Parallelen hin, etwa das Mitleid mit dem Opferstier6, verschiedene Liebesabenteuer von Göttern,7 und vor allem den Bericht von der Einführung des Asklepiuskultes in Rom8. 1
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CHAMPEAUX 352; über die inhaltlichen Differenzen zwischen Arnob. nat. 5,25s?. und Ov. met.5,446—461; fast. 4,504—560 Anne-Marie TUPET, Une anecdote 61eusiniennne chez Ovide et chez Amöbe, in: R. CHEVALLIER (&!.)* Pr&ence d'Ovide, Paris 1982, 153—163. H. LE BONNIEC, £chos ovidiens dans V adversus nationes d'Arnobe, in: R. CHEVALIER (6d.), Pr&ence d'Ovide, Paris 1982, 139—151; dort (140 Anm. 4) auch eine kritische Sichtung der von RAPISARDA angegebenen Parallelen. Agitabilem Ov. met. 1,75 und Arnob. nat. 7,50 (aber auch Ps. Apul. Ascl. 31; Ser. Samm. 254, c/. ThLL I 1328 s.v.); dubitabüis Ov. met. 1,223; 13,21 und Arnob. nat. 1,49; 2,17; 3,4 (nach ThLL V 2074 s.v. weitere Belege erst nach Arnobius); prodigiosus Ov. am. 3,6,17; met. 9,727 und Arnob. nat. 5,10; 6,2; vitabilis Ov. Pont. 4,14,31; Arnob. nat. 5,13. Medicamen met. 2,122 und 19 weitere Belege zu Arnob. nat. 1,41; 1,48; 1,65 zweimal (nach ThLL VIII 529—531 s.v. jedoch kein spezifisch ovidischer Charakter, etwa Cic. Pis. 13; Colum. 6,4,2; Plin. nat. 8,127; Tert. pall. 6 etc.); moderamen Ov. met. 2,48 und sechs weitere Belege zu Arnob. 1,2; 5,1 (ThLL VII s.v. 1203,37sq. ulegitur inde ab Ov., [...] in sermone pedestri ab Apul."); molimen zwar erstmals Lucr. 4,902, aber sechs Belege bei Ovid (met. 6,473 etc.) zu Arnob. nat. 6,13 (ThLL VIII s.v. 1356,56— 58 "legitur apud poetas inde a Lucr., Hör., Ov., Val. Fl., apud scriptores post unum locum Livi [2,56,4] saepius inde a s. III in."); für fundamen (Arnob. nat. 3,1; 6,7) und libamen (Arnob. nat. 1,43; 3,24; 7,20) zwar jeweils ein Beleg bei Vergil (georg. 4,161 bzw. Aen. 6,246), aber vier (met. 5,361; 14,808; 15,433; fast. 4,835) bzw. zwei (epist. 4,27; fast. 3,733) Belege bei Ovid (c/. ThLL VII,2 s.v. libamen 1257,28—30 ttlegitur in poesi a Verg. [...], in Prosa apud Paul. Fest, et inde ab Apul.*1; ThLL VI,1 s.v. fundamen 1549,515?. "legitur apud Verg., Ov., Manil. -a et -e, tum invenitur denuo ab Arnobio."). Zum dichterischen bzw. nicht dichterischen Charakter der Substantive auf -men FOUCHER 175—180. Siehe unten zu tutamen Arnob. nat. 1,28a al. (273) und fundamen 3,1 (296). Adhinnire für das erotische Werben Arnob. nat. 4,14; 5,22 wie Ov. ars 1,280 (und rem. 634), aber auch schon Plaut. Cist. 308 und dann Apul. met. 6,28, dann häufiger bei den Christen (c/. ThLL I s.v. 651,3—8); siderae sedes Arnob. nat. 6,17 wie ars 2,39, aber auch Verg. Aen. 10,2s?.; die Unterscheidung zwischen einer plebs unter den Göttern und dei nobiles bei Arnobius (nat. 1,32 plebeia /.../ numina; 3,3 plebeia multitudo; 3,4 plebs numinum) wie Ov. met. 1,171—173 (c/. Ibis 81); palatia caeli Arnob. nat. 3,10; 3,44 wie Ov. met. 1,176; Semeleia suboles Arnob. nat. 5,44 nach proles Semeleia Ov. met. 3,520; 5,329; 9,641; Ovids Vergilreferenz met. 2,71 sideraque alta trahit celerique volumine torquet zu Aen. 9,93 torquet qui sidera mundi als Anregung für Arnob. nat. 5,23 torquentem ülum sidera (dazu unten 316 ad /.). Arnob. nat. 7,9 (Prosopopoiie des Opferstieres); 7,4, bei Ovid neben anderen Stellen (angeführt von LE BONNIEC Üchos ovidiens 143) vor allem eine Passage der PythagorasRede (met. 15,127—137). LE BONNIEC Echos ovidiens 144—146, allerdings nur mit minimalen wörtlichen Übereinstimmungen. Arnob. nat. 7,44—47, wofür LE BONNIEC (Üchos ovidiens 146—148) Ov. met. 15,624— 744 als eine von mehreren Quellen sieht, deren Benutzung er an zahlreichen inhaltlichen und sprachlichen Parallelen aufzeigt.
II.5.1
Zur Forschungslage
263
Eine systematische Studie des zweifellos vorhandenen ovidischen Einflusses bei Arnobius steht allerdings, wie LE BONNIEC selbst anmerkt, noch aus.1 Als Belege für den Einfluß des Horaz führt RAPISARDA (1946) einige sprachliche Parallelen an,2 außerdem vermerkt er für einzelne Stellen Referenzen auf Catull, Lucan und Juvenal.3 Was den vergilischen Einfluß im Werk des Arnobius angeht, so hat man zahlreiche Similien zusammentragen.4 Die Äußerungen über die Vergilrezeption bei Arnobius stehen jedoch in der Regel entweder, so vor allem in der älteren Literatur, unter dem Vorzeichen der Quellenfrage,5 oder beschränken &chos ovidiens 151 — Dabei bedürfte jedoch auch das zusammengetragene Material einer nochmaligen Durchsicht, weniger wegen einiger kleiner Ungenauigkeiten (leider auch bei den Stellenangaben), vielmehr, da der color Ovidianus bei manchen der angeführten Wörter angezweifelt werden kann, was LE BONNIEC aber auch selbst berücksichtigt. RAPISARDA Arnobio 2A2sq. — leider vor allem bloße Stellenangaben. Hinzuzunehmen wäre jedenfalls Arnob. nat. 4,16 ex pateris aureis inferia vina defundi nach Hör. carm 4,5,34 mero defuso pateris (c/. ThLL X.l s.v. patera 693,58). Keine Horazzitate kennt K. SIMEÖEK, Horatius u spisovatelü starokfestanskych, LF 62 (1935) 516—519.524, hier 518. RAPISARDA Arnobio 236 (Catull); 254 Anm. 1 (Lucan) und 2 (Juvenal). — LE BONNIEC allerdings erwähnt Catull, Horaz, Lucan oder Juvenal als Vorbilder des Arnobius im Kapitel uLes sources" seiner Introduction ebensowenig wie HAGENDAHL Latin Fathers. Listen bieten vor allem P. SPINDLER, De Arnobii genere dicendi, Diss. Straßburg 1901, 11—14, BÜRNER 36—38, RAPISARDA Arnobio 165; 236; 248 Anm. 2 — Dabei handelt es sich allerdings um eine kommentierte Liste von Stellenangaben, was aufgrund der Länge der Arnobiuskapitel und der Tatsache, daß RAPISARDA offenbar auch sehr vage Parallelen verzeichnet, in manchen Fällen nicht genügt; schwer nachvollziehbar die folgenden Angaben: Aen. 4,38 zu nat. 2,70; Aen. 4,699 zu nat. 2,16 (der Gebrauch von damnare mit dem Ablativ für die Sanktion? dazu aber KS I 466s?.: u[W]ohl findet sich nachklassisch morte damnare, wie überhaupt hier der Abi. der Strafe sich in verschiedenen neuen Wendungen findet."); Aen. 4,50 zu nat. 2,39 (poscere mit doppeltem Akkusativ nach der Lesung auxilia poscerent eosl dazu aber KS I 299sq.)\ Aen. 4,539 zu nat. 3,1 (der Gebrauch von stare? dazu aber OLD s.v. sto 18); Aen. 6,852 zu nat. 4,35; Aen. 8,102 zu nat. 1,41 (Erwähnung von Opfern für Herkules?); georg. 1,107 zu nat. 1,2 (Erwähnung von Unfruchtbarkeit?); georg. 1,9 zu nat. 5,51 [sie/); georg. 1,214 zu nat. 1,91 [sie/]; georg. 1,150 zu nat. 2,59 (Erwähnung des Getreideanbaus?); ecl. 6,54 zu nat. "V,l,3" (der Vergilvers wird nat. 5,23 zitiert, ein Druckfehler?) — die übrigen Stellen sind unten erörtert. Daher wird man allerdings wohl auch die von RAPISARDA (I.e.) gemachten Beobachtungen zu Häufigkeit und Verteilung mit äußerster Zurückhaltung betrachten müssen. — Weiterhin führen Vergilzitate auf: LE BONNIEC (1982) in der Einleitung seiner Ausgabe (53). CURTI, Paola SANTORELLI, Parodia virgiliana in Arnobio, Maia 41 (1989) 241—250. Einzelne Hinweise finden sich daneben auch bei HAGENDAHL Latin Fathers 40 Anm. 3; COURCELLE Lecteurs, passim. Ausgiebig sind schließlich auch die Kommentare von G.E. MCCRACKEN, Arnobius of Sicca, The Case against the Pagans. Adversus nationes, Newly Translated and Annotated, Westminster / Maryland 1949 (Ancient Christian Writers 7), und von LE BONNIEC zum ersten Buch. Weniger bieten J.M.P.B. VAN DER PUTTEN, Arnobii adversus nationes 3,1—19, uitgegeven met inleiding en commentaar, Diss. Leiden 1970; Gabriele GIERLICH, Arnobius von Sicca. Ein Kommentar zu den ersten beiden Büchern seines Werkes adversus nationes, Diss. masch. Mainz 1985, sowie die Ausgaben von A. REIFFERSCHEID, Arnobii adversus nationes libri VII, Wien 1875 (CSEL 4). und MARCHESI. So etwa O. JIRANI, Mythologicke prameny Arnobiova spisu Adversus Nationes, LF 35 (1908) 1—11; 83—97; 163—188; 323—339; 403—423; SITTE passim.
264
II.5
Arnobius
sich auf den allgemeinen Hinweis, daß eine solche zwar trotz des Fehlens direkter Zitate vorliege, vor allem bei der persiflierenden Darstellung der Götter und zur stilistischen Ausschmückung, aber insgesamt, so noch HECK (1990), "nicht auffallend" sei.1 An eine differenziertere Untersuchung macht sich erst Paola SANTORELLI (1989), die beabsichtigt, vermittels einer Analyse der loci communes "un griglia ermeneutica in grado di portare alla luce il maggior numero possibile di dati" (241) zu erstellen. Für Arnobius charakteristisch seien solche Zitate, bei denen ein komischer Effekt in bezug auf pagane Gottheiten entweder durch den Folgekontext oder durch das Zitatsegment selbst hervorgerufen werde (243). Neben einer "citazione passiva, automatica" (/.c), wozu vor allem die Verwendung der traditionellen Götterepitheta gehöre, sei auf einer höheren Stufe der Intertextualität für Arnobius die usmitizzazione di Virgilio" (/.c.) charakteristisch, d.h. die Prosifikation durch Inversion und Substitution und die Färbung mit einem ucolorito ironico se non addirritura sprezzante" (I.e.). Aus der Interpretation einer Reihe von Zitaten2 ergebe sich, daß sich die Vergilbenützung des Arnobius am treffendsten als 'Parodie' bezeichnen lasse (249). Diese 'Parodie' trete bei Arnobius auf in Form einer (Entmythisierung', d.h. einer Emanzipation vom Einfluß des Autors, und in Form einer 'Entheiligung', indem der Text durch Umkehrung, Verdrehung, Absenkung des Stilniveaus oder Entstellung eines bekannten Motivs der Lächerlichkeit preisgegeben werde.3 Während in der Forschung bislang Vergil als eine Quelle des Arnobius unter vielen gegolten hat, aus der er lediglich einzelne Pointen über die heidnischen Götter4 und etwas ornatusP schöpft, stünde nach dieser jüngsten Deutung die Vergilrezeption des Arnobius unter den Vorzeichen gezielter Kritik, ja Herabsetzung des Dichters. Vor diesem Hintergrund wird bei der anschließenden Diskussion der einzelnen Vergilzitate insbesondere zu erörtern sein, ob Vergil erstens Ziel oder Mittel der Polemik ist, das heißt, ob er bewußt 'entheiligt' und 'entmythisiert' oder argumentativ funktionalisiert wird, und welche Rolle er zweitens als Quelle spielt.
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HECK Vestrum est (1990) 117 mit Anm. 76: "Er zitiert Vergil nicht ausdrücklich, streut aber vergilische Wendungen insbesondere in seine Götterkritik — zu Iuppiter und luno — ein". In diesem Sinn auch LE BONNIEC Introduction (1982) 52sq.\ MCCRACKEN (1949) I 37; KRAUSE (1958) 177; HAGENDAHL Latin Fathers (1958) 40; HAGENDAHL Von
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Tertullian (1983) 38; GALLICET Vergil (1986) 198. Arnob. nat. 4,21; 2,24; 3,21; 7,22; 3,30; 1,36; 3,9; 1,17; 3,10; 4,24; 4,26; 7,19; 4,1; 5,31; 5,23; 4,35 (vornehmlich kulturell bedingtem Einfluß weist sie 6,5; 6,16; 6,23; 7,17; 7,20; 7,26; 7,33; 1,2 zu). Cf. SANTORELLI 249, mit Berufung auf GENETTES Ausführungen zur Parodie (32—39). So etwa HAGENDAHL Von Tertullian 38; HECK Vestrum est 117 Anm. 76. So etwa LE BONNIEC £cho$ ovidiens 139: "Arnobe d&igne nomm£ment ses auetores, Piaton, Varron, Cic&on, lorsque ceux-ci peuvent lui fournir des arguments; aux po&tes il demande surtout Yornatus orationis dont s'embellit sa prose d'art, afin de säduire le lecteur."
II.5.2 Die Vergilzitate
5.2
265
Die Vergilzitate
l,2abc (MARCHESI 2,24sg.; 3,6.12)* Numquid ipse (a) siderum sol princeps, cuius omnia luce vestiuntur atque animantur calore, exarsit intepuit atque in contrarius habitus moderaminis soliti temperamenta corrupit? numquid luna desivit redintegrare se ipsam atque in veteres formas novellarum semper restitutione traducere? numquid frigora, numquid calores, numquid tepores medii inaequalium temporum confusionibus occiderunt? numquid longos habere dies bruma et revocare (b) tardissimas luces nox coepit aestatis? numquid suas animas expiraverunt venti emortuisque flaminibus neque caelum coactatur in nubila nee madidari ex imbribus arva succedunt? commendata semina tellus recusat aeeipere aut frondescere arbores nolunt? sapor frugibus esculentis et vitis liquoribus mutatus est? olearum ex baculis (c) cruor taeter exprimitur nee lumini subministratur extineto? Zu Beginn seiner Argumentation zeigt Arnobius im Kapitel 2 anhand zahlreicher Beispiele aus der Natur, daß sich der Weltenlauf, postquam esse nomen in terris Christianae religionis oeeepit, nicht verändert habe, (a) Der in diesem Zusammenhang verwendete Ausdruck luce vestiri findet sich in ähnlicher Form in Vergils £x
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Da in den Gesamtausgaben die Kapitel oft umfangreich und nicht weiter unterteilt sind, werden hier für die Zitatsegmente zusätzlich Seite und Zeile in der Ausgabe von MARCHESI (ab jetzt: M.) angegeben. Cf. NORDEN ad i 297; AUSTIN ad l. 204. mit weiteren Belegen vor allem aus Ciceros Aratea; letztlich gehe der Sprachgebrauch wohl auf die Tragödie zurück; cf. OLD s.v. vestio 2d. Auch die Sprache der Psalmen kennt eine solche Metaphorik: Vulg. Ps. (H) 103,2 amictus luce quasi vestimento Ps. (LXX) 103,2 amictus lumine sicut vestimento.
266
II.5
Arnobius
einen color poeticus in der Ausgestaltung dieses exemplum aus der Natur.1 (b) Nach HAGENDAHL 2 geht numquid frigora, numquid calores, numquid tepores medii inaequcUium temporum confusionihus occiderunt? zurttck auf Lucr. 2,5175g. omnis enim color ac frigus mediique tepores interutrasque iacent explentes ordine summam. Auch die Beschreibung des Phänomens der länger und kürzer werdenden Nächte findet sich der Sache nach bei Lukrez3, sprachlich steht sie aber der vergilischen Version näher, die sich in der Beschreibung des idealen Dichtertums am Ende des zweiten Georgikabuches findet, 482: [sc. Musae monstrent,] quid tantum Oceano properent se tingere soles hiberniy vel quae tardis mono noctibus obstet. Die Verse georg. 2,481 sq. wiederholen sich dann im kosmologischen Iopaslied des ersten Aeneisbuches, 745 sq. (742—747): [sc. hie canitj quid tantum Oceano properent se tingere soles hiberniy vel quae tardis mora noctibus obstet; ingeminant plausu Tyrii, Troesque sequuntur. Gemeinsam sind Arnobius und Vergil zwar nur die Stichworte tardus und nox, zwei Gründe deuten aber auf eine Abhängigkeit hin: die ausladend poetische Ausdrucksweise bei Arnobius und die Auffälligkeit der Vergilstelle aufgrund ihrer Wiederholung und aufgrund des schwierigen Verständnisses. So erklärt nämlich Servius (georg. 2,479) 'tardis9 tarde venientibus, aestivis aeeipiendum: unde et 'veV dixisse videtur, ne bis unum tempus significaret.4 Die modernen Kommentare hingegen beziehen, wohl etwas näherliegend, gegen Servius auch den zweiten Satzteil auf die Winternächte, die nicht weichen wollen.5 Arnobius könnte also unter dem Einfluß der Vergilstelle in dem von der antiken Erklärung nahegelegten Verständnis stehen.6 1
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Ebenso Apul. mund. 3 Exvn injerioris aeris qualitas turbidior infunditur, cui permixtus est glacialis rigor; sed superioris vicinia claritatis et propinqui caloris adflatu nitescit ac sinceriore interdum luce vestitur. Latin Fathers 31. Lucr. 5,699sg. Propterea noctes hiberno tempore longae / cessant, dum veniat radiatum insigne diei. In der ganzen Passage 680—704 geht es um die unterschiedliche Länge von Tag und Nacht, c/. BAILEY ad L III 1430—1434. Entsprechend Serv. Aen. 1,746 'vel quae tardis mora noctibus obstet1 id est aestivis, tarde venientibus; 'vel' enim disiunetiva est coniunetio, nee patitur bis eandem rem dici: ergo hoc dicit, quae causa est longorum dierum. sed et hie ratio hemisphaerii est. 'tardis' non longis. So etwa LADEWIG ad Aen. 1,746; AUSTIN ad Aen. 1,746 (225); WILLIAMS ad Aen. 1,746 (214); PAGE ad georg. 2,482 (283sa.); THOMAS ad georg. 2,482 (251); nur MYNORS ad georg. 2,481 (167) neigt eher der Erklärung des Servius zu. Arnobius: 4Hat etwa der Winter lange Tage bekommen und die Nacht sich vom sehr ausgedehnten Tageslicht des Sommers genommen?' — Vergil nach Servius: 'Er singt darüber [...], warum die Sonne im Winter jeden Tag rasch im Meer versinkt und was die spät kommenden Nächte [sc. im Sommer] aufhält.'
11.5.2
Die Vergilzitate
267
(c) In bezug auf den Olivenanbau fragt Arnobius, ob man etwa nur noch cruor taeter gewonnen habe, seit es das Christentum gebe, und daraufhin die Lichter ausgegangen seien. Diese Junktur findet sich auch im zehnten Aeneisbuch. Dort wird der Angriff des Mezentius auf Acron mit dem Wüten eines hungrigen Löwen verglichen, der gierig ein Tier zerfleischt und dann, Aen. 10J27sq.: [...]; lavit improba taeter / ora cruor Zwar sind die beiden Worte für sich genommen unauffällig1, die Junktur aber ist ansonsten nur noch bei Silius Italicus (5,67) belegt2. Hinter der übertragenen Verwendung bei Arnobius dürfte also die durch den eindrucksvollen Vergleich, durch den unvollständigen Vers und durch die Seltenheit von taeter bei Vergil3 einprägsame Formulierung stehen. In den Einleitungskapiteln eines apologetischen Werkes ist eine besondere Ausgestaltung mit Elementen dichterischer Sprache nichts Ungewöhnliches.4 Außerdem legt die, im weitesten Sinne, kosmologische Thematik, um die es im zweiten Kapitel geht, den Rückgriff auf poetische Beschreibungen von Naturphänomenen nahe. Ein ähnliches Vorgehen war oben schon für Novatian zu beobachten.5 Daß schließlich Arnobius hier die Kontinuität des Weltenlaufs und des Lebens nachdrücklich betont, läßt die sprachliche Kontinuität, die in der Anknüpfung an die dem Leser vertraute lukrezische und vor allem vergilische Diktion zutage tritt, als gesuchtes Mittel indirekter Argumentation erscheinen.6 l , l l a b (M. 12,1) Ex anno aestas tollenda est atque aliis legibus alia rursus ordinanda natura? Veratrurn venenum est hominibus: numquid ob hanc causam non debuit nasci? Ovilibus insidiatur lupus: numquid in culpa natura estf quod lanitiis extulit inportunissimam beluam? Morsu animam serpens tollit: maledicas primordiis rerum, quod tarn saeva prodigia genituris spiruntibus addiderunt. Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit dem Vorwurf, die Gottlosigkeit der Christen habe die gegenwärtigen Katastrophen und Hungersnöte herbeigeführt, kommt Arnobius in den Kapiteln 7 bis 12 allgemein auf das Übel in der Welt zu sprechen. Im Grunde genommen sei es eine unzulässig subjektive Betrachtung der Weltordnung insgesamt, so argumentiert er, bestimmte 1
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Cruor ist regelmäßiger Ausdruck für vergossenes Blut (so Caper gramm. VII 99,20), taeter bezeichnet eigentlich aufgrund seiner fauligen Konsistenz Ekelerregendes, so ist beispielsweise Cato agr. 157,13 und Plin. nat. 27,80 von einem ulcus taetrum die Rede, cf. OLD s.v. taeter. ThLL IV s.v. cruor 1245,40 nennt unter den tuncturae für cruor taeter nur Sil. 5,67, also nicht die Vergilstelle. Nur hier und Aen. 3,228, über den fauligen Gestank der Harpyien. Dazu paßt der von HAGENDAHL (Latin Fathers 30sq.) konstatierte auffällige Einfluß des Lukrez in den ersten drei Kapiteln. Dazu oben (195; 204). — Die ersten beiden diskutierten Vergilreminiszenzen bei Arnobius sind kosmologischen Passagen bei Vergil entnommen. SANTOKELLI (250) hingegen nennt das Kapitel 2 "gratuitamente virgiliano".
268
II.5
Arnobius
Phänomene, die das Wohlergehen des Menschen beeinträchtigten, als mala anzusehen.1 Das verdeutlicht Arnobius zunächst am Beispiel des zwar für den Menschen unerquickÜchen, aber naturgemäßen Wechsels von Wärme und Kälte, dann am Beispiel der schädlichen Pflanzen und Tiere, die in die Topik der exempla für die Übel der Welt gehören2. Im einzelnen nennt Arnobius die giftige Nieswurz, den reißenden Wolf und die Giftschlangen. Die ersten beiden dieser drei exempla tragen einen deutlichen color poeticus: Die Formulierung veratrum venenum est hominibus geht zurück auf Lucr. 4,640 praeterea nobis veratrum est acre venenum? Den vor dem Schafstall lauernden Wolf hingegen beschreibt Arnobius in Anlehnung an einen epischen Vergleich aus der Aeneis, in dem Vergil das Zornesrasen des Turnus vor den Mauern des trojanischen Lagers illustriert, Aen. 9,59 (51—61): ac veluti pleno lupus insidiatus ovili cum fremit ad caulas ventos perpessus et imbris nocte super media; /.../. Das Bild vom Raubtier am Schafsgatter wird zwar häufiger in der Dichtung aufgegriffen,4 aber der Ausdruck ovilibus lupus insidiatur verweist trotz der Änderung von ovili in ovilibus? und der morphosyntaktischen Adaptation von insidiari eindeutig auf die Aeneisstelle.6 Auch lanitia, von Arnobius öfter verwendet7, ist vergilisch (georg. 3,384). Das dritte exemplum hingegen läßt sich nicht unmittelbar auf eine poetische Vorlage zurückführen. Die knappe Darstellung morsu animam serpens tollit ist eher prosaisch8, jedoch verweist die Wendung primordia rerum auf Lukrez9, der überhaupt das Beispiel der 1
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Arnob. nat. 11,1 Tu audeas dicere: hoc et illud est in mundo malum, cuius explicare, dissolvere neque originem valeas neque causam et, quia tuas impediat deliciarum forsitan et libidinum voluptates, perniciosum esse atque asperum dicas? Cf. LE BONNIEC ad l. 228, mit Verweis auf Lucr. 5,218—220 und Cic. ac. 2,120. Seit Lukrez findet sich veratrum als Beispiel einer Giftpflanze, sonst aber nicht in der Verbindung mit venenum, cf. OLD s.v. veratrum; HAGENDAHL, Latin Fathers 37. Cf. ThLL IX,2 s.v. ovilis (ovile) 1190, 17-45; Wolf: Ov. trist. 1,6,10; 4,1,79; Stat. Theb. 1,46; Löwe: Aen. 9,339; Sil. 2,683; Adler: Hör. carm. 4,4,9; Bär: Hör. epod. 16,51; Val. Fl. 2,73; sprichwörtlich (credere / tradere ovile lupo): Ov. ars 2,364; 3,8; in der christlichen Polemik gegen Häretiker: Ambr. in Lucam 7,49 (CSEL XXXII,4 p. 301,24) Aug. c. Peiag. 1,1,2 (CSEL LX p. 424,7). Eine Proeifikation (cf ThLL IX,2 s.v. ovilis (ovile): Singular und Plural gehören gleichermaßen der Prosa an) oder eine Raffinierung durch Verfremdung sind unwahrscheinlich. Vielleicht geht es Arnobius um die Betonung des Allgemeinen, während dem vergilischen Bild ja eine konkrete Einzelszene zugrunde liegt? Cf ThLL VII,1 s.v. insidior 1895,68sg.: ' erstmals Vergil, dazu Arnob. 1,11, nur an diesen beiden Stellen vom Wolf, unbegründet erscheint daher GIERLICHS (31) Skepsis gegen die Annahme eines Vergilzitates; cf McCRACKEN ad L I 275 Anm. 63. 1,21, siehe dazu unten 271; 5,25; 7,16. Cf Solin. 27,32: Haemorrhois [eine Schlangenart, die durch übermäßigen Blutverlust tötet] morsu sanguinem elicit et dissolutis venarum commerciis quicquid animae est evocat per cruorem. ThLL II s.v. anima bietet sonst keinen Beleg für antmam tollere, zu animam auferre 71,5sg. Primordia rerum sehr häufig bei Lukrez, v.a. in der Lehre von den Atomen im ersten und zweiten Buch, 1,55. 210. 268. 483. 485. 501. 570. 592. 712 etc., 38 Belege insgesamt.
II.5.2
Die Vergilzitate
269
Giftschlange angeregt haben könnte. Die beiden Verse vor dem oben zitierten veratrum est acte venenum (4,640) lauten nämlich, 4,6385?.: est itaque ut serpens, hominis quae tacta salivis disperit ac sese mandendo conficit ipsa. Der Kontext hat zwar insofern eine etwas andere Ausrichtung, als es um die entgegengesetzte Wirkung bestimmter Substanzen auf unterschiedliche Lebewesen geht, könnte den Lukrezkenner Arnobius aber durchaus beeinflußt haben. In diesem Falle stünde ein vergilisch beeinflußtes Glied zwischen zwei lukrezischen. Allerdings käme für das dritte exemplum auch die vergilische Schilderung vom Ende des Goldenen Zeitalters als Vorbild in Betracht, wo zum einen das Motiv vom Wolf, zum anderen das Verb addere für die Ausstattung der Schlangen mit Gift vorgegeben wären, georg. 1,129s?.:1 Ille [sc. Iuppiter] malum virus serpentibus addidit atris praedarique lupos iussit pontumque moveri, Die Motivik ist freilich so geläufig, daß eine gezielte Einzeltextreferenz kaum ausgemacht werden kann oder soll:2 Die Abwesenheit von giftigen Schlangen und die Friedfertigkeit der Raubtiere gehört zur Topik des Goldenen Zeitalters in der Darstellung des Vergil an der zitierten Georgikastelle sowie zur Vision vom Friedensreich in der Vierten Ekloge (21—25). Horaz hebt in seiner Auswanderungsutopie der 16. Epode vor allem das Motiv von der Freundschaft der Tiere heraus (30—33), erwähnt aber das Fehlen des Raubtiers vor dem Schafspferch und der Giftschlange (51sg.). Dabei handelt es sich zwar um grundlegende religionsgeschichtliche Vorstellungen, wie sie etwa auch das Alte Testament kennt,3 aber die sprachliche Gestaltung der Topik bei Arnobius zeigt, daß er einerseits an Lukrezens Darstellung von der Unvollkommenheit der Welt und andererseits an die Darstellung des Goldenen Zeitalters beziehungsweise eines utopischen Friedensreiches bei den Augusteern, namentlich bei Vergil, denkt. Arnobius übernimmt daraus die drei Elemente, Giftpflanzen, Raubtier, Giftschlangen und wendet sie zu einem Gegenbild der aetas aurea, zu einem Szenario der Bedrohung des Menschen durch die Natur. Die Reminiszenzen aus Lukrez und Vergil stellt er, teilweise entgegen ihrem Kontext, in den Zusammenhang einer umfassenderen 1
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Zu vergleichen wäre wegen des Stichwortes morsu etwa auch die Laokoon-Szene, Aen. 2,212—219: /.../ Uli agmine certo / Laocoonta petunt; et primum parva duorum / corpora natorum serpens ampiexus uterque / implicat et miseros morsu depascitur artus; / post ipsum auxilio subeuntem ac tela ferentem / corripiunt spirisque ligant ingentibus; et tarn / bis medium amplexi, bis collo squamea circum / terga dati superant capite et cervicibus altis. Dort geht es aber gerade nicht um eine Giftschlange. Cf. W. STROH, Horaz und Vergil in ihren prophetischen Gedichten, Gymnasium 100 (1993) 289—322, zu dieser Topik in der Augusteischen Dichtung. Hierher gehört vor allem die Vision vom messianischen FViedensreich Jes 11,6—8; dazu E. NORDEN, Die Geburt des Kindes, Stuttgart 19694, 51—58. Laktanz bringt dann die pagane und die jüdisch-christliche Motivik vermittels der Oracula Sibyllina zusammen, inst. 7,24; cf. 5,9,10s
270
II.5
Arnobius
Systemreferenz auf den poetischen Topos des Goldenen Zeitalters. Nur hierin, nicht in einzelnen Dichterreferenzen, läßt sich eine latentionalität mit einiger Sicherheit annehmen. Dieser Rekurs auf allgemein Anerkanntes in Inhalt und Form dient der rhetorischen Untermauerung der kühnen Ausgangsthese, es sei ungerechtfertigt, von mala in der Weltordnung zu reden. Zugleich stellt Arnobius eine geläufige pagane Heilsutopie grundsätzlich in Frage, was mit seinem theologischen Ansatz konform geht, Heil nur von Gott kommend und durch Christus vermittelt anzusehen.1 l,17ab (M. 16,95g.) Quod levitatis in homine, quod terreno in animante culpabile est, praestans illa natura et in perpetuae virtutis firmitate consistens scire adseveratur a vobis: et quid ergo sequitur necessario, nisi ut ex eorum luminibus scintillae emicent flammeae, aestuet anhelum pectus, spuma iactetur ex ore et ex verbis ardentibus labrorum siccitas inalbescat? In den Kapiteln 17—24 entwickelt Arnobius ein weiteres Argument gegen den Vorwurf der Heiden, die Gottlosigkeit der Christen rufe den Zorn der Götter hervor: Man dürfe Göttern grundsätzlich keinen Zorn unterstellen.2 Um diese seines Erachtens anthropomorphe und daher unangemessene Vorstellung ad absurdum zu führen, gestaltet Arnobius eine Pathographie des Zornes, der sich in flammenden Augen, keuchendem Atem, Schaum am Mund, erregten Worten und blassen, trockenen Lippen äußere. Was die flammenden Augen betrifft, scheint Arnobius beeinflußt von Vergils Schilderung des zornigen Turnus vor der Schlacht, Aen. 12,101 sq.: his agitur juriis, totoque ardentis ab ore scintillae absistuntf oculis micat acribus ignisf Arnobius faßt den bei Vergil zweigliedrigen Ausdruck zusammen, wobei er mit flammeae die Wörter ardentis und ignis aufnimmt und die poetischhyperbolischen Elemente (totoque /.../ ab ore; absistunt) wegfallen läßt, oculis durch ex luminibus substituiert, micare zu emicare? variiert und, allerdings mit veränderter Semantik ('Gesicht' zu 'Mund') und anderem Bezug, ex ore (aus ab ore) übernimmt. Er hält sich aber wohl dabei so eng an die Vorlage, daß die Prosaparaphrase der Vergilszene als solche erkennbar bleibt. Arnobius folgt also dezidiert der vergilischen Fassung des öfter gebrauchten dichterischen Bildes der vor Zorn Funken sprühenden Augen.4 Auch die Junktur pectus anhelum geht auf Vergil zurück, und zwar auf 1 2
3
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Dazu umfassend SIMMONS 264—303. Zur theologischen Problematik dieser Aussage etwa E.F. MICKA, The Problem of Divine Anger in Arnobius and Lactantius, Diss. Washington 1943; BÜRGER 74—77; SIMMONS 243—263. Allerdings ist bei Arnobius nur emtcare, nicht aber micare belegt. Auf eine Prosifikation deutet hin, daß zwar beide Verbformen ursprünglich der Dichtersprache angehören, emicare aber schon früh in der Prosa und häufig im vorliegenden Sinn belegt ist, c/. ThLL V,2 s.v. emico 483,48*?.; 485,3; VIII s.v. 1. mico 929,17. So etwa Plaut. Men. 830 ut oculi scintülant, vide\ Lucr. 3,289 ex oculis micat acribus
II.5.2
Die Vergilzitate
271
die Schilderung der von Apoll besessenen Sibylle, Aen. 6,48: sed pectus anhelum, / et rabie fera corda tument. Aufgenommen wird die Wendung im Hercules Oetaeus (1414) für den Schmerz der Alkmene und von Statius für einen Todeskampf (Theb. 2,6725?.), als Junktur bei Tertullian (pall. 4,6, siehe oben 61), hier erstmals in Kontaktstellung in Prosa.1 Arnobius geht es offensichtlich in beiden Fällen um den bildhaften und emphatischen Ausdruck.2 Daß man an den zornigen Turnus oder an die ekstatische Sibylle denken soll, ist nicht sicher, aber angesichts der Bekanntheit der Szenen wahrscheinlich: Bei dem Rekurs auf die Darstellung des Turnus wäre demnach dessen Schicksal in der Aeneis als Hintergrund zu denken; für die Belege der Junktur pectus anhelum zeigt sich, daß es nicht nur um keuchenden Atem, sondern um ein körperliches Zeichen dafür geht, daß die betreffende Person gar nicht mehr Herr ihrer selbst ist. Die Elemente poetischer Pathographie3 dienen also in erster Linie der rhetorischen Ausgestaltung der Argumentation, mit der Arnobius die Ansicht bekämpft, Götter empfänden Zorn. Die Polemik gegen die paganen Götter selbst steht dabei nicht im Mittelpunkt.4 1,21 (M. 18,6) Lanitia curent [sc. dii] vestra numerosis fetibus multiplicari, sterilitatem infaustam nostris pecuariis inferant. Als ein weiteres Argument gegen den heidnischen Vorwurf, der Christen Gottlosigkeit rufe den Zorn der Götter hervor, führt Arnobius an, daß die heidnischen Götter, wenn dem tatsächlich so wäre, ihren Zorn ja nicht gegen alle, sondern gezielt gegen die Christen richten müßten. So sollten etwa die Tiere der Heiden mit besonderer Fruchtbarkeit gesegnet, die der Christen hingegen unfruchtbar sein. Die als Beispiel herangezogenen Schafe bezeichnet Arnobius mit dem sonst nur in der Bedeutung 'Wolle'5 belegten Wort lanitium. Diese, so LE BONNIEC 6 , "metonymie hardie, qui semble originale" , scheint von einer Stelle in Vergils Georgika angeregt zu sein: Dort heißt
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ardor. In anderem Zusammenhang findet sich eine ähnliche Metaphorik Quint. inst. 8,5,29 (über sententiae in der Rede) lumina Uta nonflammae sed scintillis inter fumum emicantibus similia dixeris. Cf. ThLL II s.v. anhetus 68,145g. für pectus, für andere Körperteile bei den Dichtern ab dem 1. Jahrhundert n. Chr.; Min. Fei. 7.3 (dazu oben 122), cf. ThLL II s.v. 67,82. Cf. GIERLICH 45 zur Gestaltung des Zornes insgesamt, mit Verweis auf IL 1,104; Lucr. 3,288s
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Gegen SANTORELLI 246.
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Zur Bedeutung lanitium gleich lana etwa Serv. georg. 3,384; Aen. 2,140. Ad i 244.
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Arnobius
es nämlich zu Beginn des Abschnittes über Wolle, Milch und Hunde, georg. 3,384: Si tibi lanitium curae, primum aspera silva / lappaeque tribolique absint [...]. Zwar meint Vergil die Wolle, aber die folgenden Anweisungen betreffen den Umgang mit dem Schaf selbst, so daß sich die Metonymie wenigstens im Hintergrund abzeichnet. Denkbar ist, daß Arnobius das zumindest für Vergil ungewöhnliche, wohl fachsprachliche Wort1 als Metonymie auffaßt und dann selbst, als vermeintlichen color Vergilianus, verwendet. Ein Indiz für diese Annahme ist, daß Columella (7,3,959.) die Georgikastelle in einem Zusammenhang zitiert, in dem es um die Gesundheit und rechte Pflege der Schafe geht und in dem der Gedanke an den Wollertrag erst mit dem Georgikazitat ins Spiel kommt, dann aber weitergeführt wird. Für einen Einfluß dieses Verses auf die Arnobiusstelle spricht außerdem die Ähnlichkeit der Kontexte si tibi lanitium curae und lanitia curent.2 Ein weiteres Indiz für diese Annahme ergibt sich daraus, daß Arnobius diese Metonymie auch an zwei anderen Stellen anwendet, die die bewußte Verwendung eines dichterischen Sprachelementes nahelegen, nämlich nat. 1,11 in Zusammenhang mit einem Vergilzitat (dazu oben 267) und in mythologischem Kontext nat. 5,25 boum iugator Triptolemus, capellarum Dysaules custos, Eubuleus porcorum, gregis lanitii Eumolpus, während ovis nur zweimal erscheint, nat. 7,12 über Opfertiere und nat. 7,18 in einer Aufzählung verschiedener Tierarten; in seiner Grundbedeutung gebraucht er lanitium hingegen nat. 7,16 ex saetis, ex agnorum lanitiis gaXlinarumque de plumis. Jedenfalls liegt eine von Vergil inspirierte Spracheigentümlichkeit des Arnobius vor. 1,25 (M. 21,1) Deum principemf rerum cunctarum quaecumque sunt dominum, summitatem omnium summorum obtinentem, adorare, obsequio venerabili invocare, in rebus fessis totis ut ita dixerim sensibus amplexari amare suspicere execrabilis religio est infausta, impietatis et sacrilegii plenaf caerimonias antiquitus institutas novitatis suae superstitione contaminans? l,28ab (M. 23,8) Quid dicitis o sacri, quid divini interpretes iuris? Meliorisne sunt causae, qui Grundulios adorant Lares, Aios Locutios, Limentinos, quam sumus nos omnesy qui deum colimus rerum patrem atque ab eo deposcimus (a) rebus fessis languentibusque (b) tutamina? 3,24 (M. 183,1) Hoc est enim proprium dci potentis ac veri, inexorata beneficia praebere fessis atque invalidis rebus et multiformi semper asperitate vallatis. (1,25; 1,28a; 3,24) Mit rebus fessis bezeichnet Arnobius an diesen drei Stellen 1
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Cf. MYNORS ad georg. 3,384 (238): "a rare word, the colour of which (perhape technical) is düficult to catch"; ThLL VII,2 s.v. lanitium nennt außer Arnobius Verg. georg. 3,384; und Plin. nat. (6,54 vom Baum) 8,189; 8,198 Syriae cubitales ovium caudae plurimumque in ea parte lanicii. 11,115; DifT. Suet. p. 313,21; Tert. pall. 3,5; Ab Hieronymus adv. Iovin 2,5 sachlich von der Wolle im eigentlichen Sinne. ThLL VII,2 s.v. lanitium 934,71 für eine Abhängigkeit.
II.5.2
Die Vergilzitate
273
die ausweglose Situation, in der die Christen in ihrer im Gegensatz zu den Heiden wahren Frömmigkeit ihren Gott anrufen (nat. 1,25; 1,28) beziehungsweise in der sich der Christengott gegenüber den heidnischen Göttern durch sein helfendes Eingreifen hervortut. Erstmals belegt ist die Wendung in ähnlichem Zusammenhang an zwei Stellen bei Vergil: zuerst für die verzweifelte Orakelanfrage des Anchises, nachdem der Ansiedlungsversuch auf Kreta an einer Seuche gescheitert ist, Aen. 3,145 (143—146): Rursus ad oraclum Ortygiae Phoebumque remenso hortatur pater ire mari veniamque precari, quam fessis finem rebus ferat, unde laborum temptare auxilium iubeat, quo vertere cursus. Der zweite Beleg findet sich im Zusammenhang mit Latinus' Aufruf zur Zustimmung beim Friedensschluß mit den Trojanern am Ende seiner Entgegnung auf den abschlägigen Bescheid, den Venulus von Diomedes über bracht hat, Aen. 11,335: consulite in medium et rebus succurrite fessis. Die Wendung wird in der Dichtung aufgenommen und vom älteren PUnius an in der Prosa verwendet, allerdings eher für menschliche Hilfeleistung in verzweifelter Notlage.1 Arnobius überträgt also eigenständig — weitere christliche Belege der Junktur fehlen — eine geläufige vergilische Formel auf das christliche Gottesverständnis. Er sucht wohl einen festen und in paganen Ohren vertraut klingenden Ausdruck. Dabei ist die Rede von Gott, der rebus fessis rettend und helfend eingreift ein grundlegendes Theologumenon im Denken des Arnobius, der immer wieder die Unfähigkeit des Menschen betont, sich selbst zu erlösen.2 (1,28b) Dreimal (1,28b; 2,17; 2,40)3 verwendet Arnobius das seltene und dichtersprachliche tutamen, das vor ihm nur bei CatuU (64,324), in einem Palliatafragment (com. pall. ine. 52), in einer Versinschrift; (CIL IX 4796,15) und bei Vergil (Aen. 5,262 [sc. lorica] viro decus et tutamen in armis) vorkommt.4 Zwar wäre der Vergilbeleg der nächstliegende Bezugspunkt,5 doch Cf. ThLL VI,1 s.v. fessus 612,6—11 für Sachen belegt in der Dichtung ab Lucr. 5,308 (simulacra), mit res ab Vergil in der Dichtung, in Prosa Plin. nat. 2,18 Vespasianus Augustus rebus fessis subveniens; Tac. ann. 15,50 qui fessis rebus suecurreret; Plin. paneg. 8,3 unicum auxilium fessis rebus adsumpsit. Paneg. 12[2],3,5; Treb. trig. tyr. 9,1; Arnob. nat. 1,25.28; 3,24; dann Iuvenc. 4,297; Auson. 429,3. Zu diesem 'Pessimismus' des Arnobius etwa AMATA Problemi 105—136; SIMMONS erklärt die Emphase des helfend eingreifenden Gottes (140; \43sq.) auch mit der Konkurrenz zum nordafrikanischen Saturnuskult (193—204). 2,17 (M. 88,11) Nonne alia cernimus opportunissimis sedibus nidulorum sibi construere manswnes, alia se saxis et rupibus tegere et communire suspensis, excavare alia telluris sola et in fossüibus foveis tutamina sxbimet et cubilia praeparare? 2,40 (M. 112,24) Idcirco animas misit, ut cum animantia cetera sponte natis alerentur et nulla satione prolatis neque domorum aut vestium tutamina sibi aut velamenta conquirerent, miserabilis istis necessitas adderetur, [...)? Cf. OLD, FORCELLINI s.v., PH1 5.3 außerdem Serv. Aen. 2,33; CLCLT-5 weist freilich eine Reihe von Belegen bei Ambrosius und Späteren aus. In diesem Sinne LE BONNIEC ad i 262; GIERLICH ad i 65.
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II.5
Arnobius
zieht Arnobius öfter die poetischen Formen auf -men den gewöhnlicheren Bildungen auf -mentum vor,1 so daß man auch hier eher mit einer archaisierenden oder poetisierenden Stiltendenz als mit einer Vergilreferenz zu rechnen hat. 1,28c (M. 23,2259.) In civitatibus maximis atque in potentioribus populis sacra publice fiunt scortis meritoriis quondam atque in volgarem libidinem prosütutis: nullus tumor indignationis in diis est. Das gegen die Christen vorgebrachte Argument, sie erweckten den Zorn der alten Götter, gibt Arnobius hier zurück: Die Gottesverehrung der Christen sei weit weniger anstößig als die der Heiden, die eigentlich, etwa durch die Praxis der Kultprostitution, einen tumor indignationis in diis erregen müßten. Mit tumor beschreibt auch Vergil in der Prophezeiung des Flußgottes Tiber den Zorn der Götter, Aen. 8,40 (36—41): O säte gente deumt Troianam ex hostibus urbem qui revehis nobis aeternaque Pergama servasf exspectate solo Laurenti arvisque Latinis, hie tibi certa domusy certi (ne absiste) penates. neu belli terrere minis; tumor omnis et irae concessere deum. Ansonsten wird tumor zwar öfter als Symptom oder Metonymie menschlichen, nicht aber göttlichen Zornes, in Prosa außerdem überwiegend mit animus verwendet;2 allerdings spricht auch Minucius Felix (14,1) vom indignationis tumor, bezogen jedoch auf den während seiner Rede verrauchten Zorn des Heiden Caecilius3. Auffällig an der Vergilstelle ist aber nicht nur ihre Exponiertheit als Prophezeiung, sondern vor allem ihre, wohl mit der Unvollständigkeit des Verses 41 zusammenhängende, inhaltliche Schwierigkeit: Denn daß die Verheißung vom Ende des Götterzornes dem weiteren Handlungsverlauf widerspricht, da der Zorn der Juno und seine verhängnisvollen Auswirkungen in den folgenden Büchern eher noch dem Höhepunkt zustreben, hat die Kommentatoren seit der Antike in Erklärungsnot gebracht.4 1
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Das etwa Liv. 21,6140; Apul. met. 1,8 belegte tutamentum verwendet Arnobius nicht, weitere Beispiele wären 1,41; 1,48; 1,65 zweimal medicamen; 1,2; 5,1 moderamen; 6,13 molimen; 1,43; 3,24; 7,20 libamen; 3,1; 6,7 fundamen. Siehe oben 262 Anm. 4. Cf. OLD s.v. tumor 3a u (fig) Inflamed State of mind (usu. caused by anger), excitement, passion"; FORCELLNI s.v.; etwa: Cic. Tusc. 3,26; 3,76 omnia in consolationem unam conieeimus; erat enim in tumare animus. 4,36 (bis Cicero nach CLCLT-5 übertragen nur mit animus und nur in den Tuskulanen); Sen. Thy. 519 ponatur omnis ira et ex animo tumor erasus abeat; Sil. 2,626 Erinnys [...] atros ore insibüat tumores; Lact, ira 18,7 animi. LE BONNIEC ad i 266 sieht hierin das mögliche Vorbild der Formulierung des Arnobius. So schon Serv. Aen. 8,40: Sed aliqua hemistichia in Vergilio tarn sunt sensu mmtnuto, quam verbis, ut ecce hoc toco: namque non possumus intellegere quievisse omnem tumorem et iram deorum, cum et adhuc inimica sit Iuno, et ad Troianorum perniciem addantur alia numina, ut furia, ut luturna: unde mvre quidam conciusit hunc versum.
II.5.2
Die Vergilzitate
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Demnach griffe Arnobius hier also auf eine im antiken Bildungsbetrieb besonders traktierte und damit herausgehobene Vergilstelle zurück. Überdies ist die Problematik des Zornes der Götter eine Kernfrage in der theologischen Argumentation des Arnobius.1 Daß Arnobius den Zorn, den er für unvereinbar mit der göttlichen Natur erachtet, den heidnischen Göttern zuschreibt, paßt zu seiner durchgehenden Argumentationslinie, die anthropopathischen Züge der Götter hervorzuheben.2 Hier wird zwar vordergründig formal das Fehlen des Götterzornes konstatiert, aber aus dem paganen Vorwurf, die Christen erweckten den Götterzorn,3 ist diese hier poetischemphatisch dargestellte Emotion für die heidnischen Götter grundsätzlich vorgegeben. Vielleicht könnte hier eine aus der Schwierigkeit der Vergilstelle, also aus der falschen Verheißung vom Ende des Götterzornes, resultierende Nuance der Unberechenbarkeit und Irrationalität des göttlichen tumor gesucht sein, um das anthropopathische Bild der heidnischen Götter subtil auszugestalten. 1,34 (M. 28,235g.) Sed frustra, inquit [ein fictus interlocutor], nos /also et calumnioso incessitis et adpetitis crimine, tamquam eamus infitias esse deum maiorem, cum a nobis Iuppiter nominetur et optimus habeatur et maximus cumque Uli augustissimas sedes et Capitolia constituerimus immania. In den Kapiteln 25 bis 35 legt Arnobius den Glauben der Christen an den deus princeps dar. In diesem Zusammenhang widerlegt er den Einwand, auch die Heiden kennten diesen Gott unter dem Namen Jupiter, verehrten ihn und errichteten ihm Capitolia immania. Die Verwendung von immanis für einen Sakralbau nach der vergilischen Junktur immania templa erscheint hier erstmals in Prosa.4 Als Vorbild beachtenswert ist vor allem die Aufzählung der frommen Werke des Numiderkönigs Iarbas vor dessen Klage an Jupiter, Aen. 4,199 (198—202): Hie Hammone satus mpta Garamantide nympha templa Iovi centum latis immania regnis, centum aras posuit vigilemque sacraverat ignemf exeubias divum aeternas, peeudumque cruore pingue solum et variis florentia limina sertis. Vielleicht könnten das nordafrikanische Lokalkolorit5 und die Vergeblichkeit
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dicens kconcessere deum profugis nova rnoenia Teucris\ Weitere antike Erklärungsversuche stellt GEORGII (ad i Mbsq.) zusammen. Cf. FORDYCE ad l. 208: u[T]his assurance is not born out of the rest of the poem; the heavenly anger that pursues the Trojans is Juno's and her hostility conti nues unabated." GRANSDEN ad l. Msq. Cf. 1,17—24, dazu vor allem MICKA 39—77. Dazu SIMMONS 247—252, vor allem 251. Etwa 1,17 Et tarnen, o magni eultores atque antistites numinum, cur irasci populis Christianis augustissimos Mos adseveratis deos? Cf. ThLL V1U s.v. immanis 440,76—78: Aen. 4,199; 6,19; Ov. met. 12,260 ararn; Sen. Thy. 646 tectum; Arnob. nat. 1,34. AUSTIN ad Aen. 4,199 (75) über immanis: ttThe word is one of VirgiPs favourites"; LE BONNIEC ad i 288. Capitolium kann "similar places in other towns" (OLD s.v. Capitolium c) bezeichnen,
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II.5
Arnobius
des frommen Bemühens — Iarbas klagt, von Dido zugunsten des Aeneas verschmäht, einige Verse weiter (2175g.) in einem Gebet an Jupiter: nos munera templis / quippe tuis ferimus famamque fovemus inanem — darauf hindeuten, daß Arnobius beim Leser eine Verbindung der Situation des fictus interlocutor und des Numiderkönigs evozieren wolle. Einen Anknüpfungspunkt hat Arnobius jedenfalls in der negativen Konnotation, die schon bei Vergil in immania liegt: Die Sakralbauten sind in ihrer Riesigkeit zugleich unangemessen, übertrieben, abstoßend. Eindeutig jedenfalls ist die Verwendung eines color Vergüianus für die authentische Wiedergabe des offiziellen (Optimus Maximus, Capitolium) Jupiterkultes. 1,36a—f (M. 30,857.; 11; 30,24/31,1; 155?.; 16; 31,9) Si vobis iucundum est, amici, edissertate, quinam sint hi dii, qui a nobis Christum coli suam credant ad iniuriam pertinere: (a) Ianus Ianiculi conditor et civitatis Saturniae Saturnus auctor; Fenta Fatua, Fauni uxor, Bona Dea quae dicitur sed in vini melior et laudabilior potu; (b) Indigetes Uli qui flumen repunt et in alveis Numici cum ranis et pisculis degunt; Aesculapius et Liber pater, Coronide ille natus et ex genitalibus matris alter fulmine praecipitatus; (c) Mercurius utero fusus Maine et, quod est divinius, candidae; (d) arquitenentes Diana et Apollo, drcumlati per fugas matris atque in insulis vix tuti; Dioneia Venus proles, viri materfamilias Troici atque intestini decoris publicatrix; in Trinacriae finibus Ceres nata atque in floribus legendis occupata Proserpina; Thebanus aut Tyrius Hercules, hie in finibus sepultus Hispaniae, flammis alter concrematus Oetaeis; Tyndaridae Castores, equos unus domitare consuetus, alter pugülator bonus et (e) crudo inexuperabüis caestu; Tisianes et Bocchores Mauri et ovorum progenies dii Syri; Apis Peloponensi proditus et in Aegypto Serapis nuneupatus; Aethiopicis solibus Isis furva maerens perditum filium et membratim coniugem lancinatum; praeterimus et transgredimur Opis suboles regias, quas in libris auetores vestri quae fuerint et quales vobis ediscentibus prodiderunt: hine ergo [sc. deij Christum coli et a nobis aeeipi et existimari pro numine (f) vulneratis aeeipiunt auribus, et obliti paulo ante sortis fuerint et condicionis cuiusf id quod sibi concessum est inpertiri alteri nolunt? In den Kapiteln 36 bis 65 wendet sich Arnobius der Person Jesu Christi zu. Denn den Christen, so ein fictus interlocutor zu Beginn des Kapitels 36, sei es vorzuwerfen, daß sie einen hominem natum et, quod personis infame est et vilibuSj crucis supplicio interemptum als Gott verehrten. Dem hält Arnobius eine lange Reihe anthropomorpher Göttergestalten entgegen, um dann zu fragen, ob es nicht nur deren Neid sei, der solche menschliche Eigenschaft anderen nicht auch zugestehen wolle. An sechs Stellen gestaltet Arnobius die Aufzählung der Götter mit vergilischen Formulierungen aus: (a) Die Vorstellung von Janus und Saturnus als Gründer und Namensgeber auch der Plural weist eher von Rom weg.
IL5.2 Die Vergilzitate
277
für Ianiculum und Saturnia geht zurück auf die vergilische Etymologie der Ortsnamen, Aen. 8,357 sq.: Hanc Ianus pater, haue Saturnus condidit arcem; Ianiculum huic, Uli fuerat Saturnia nomen. Der Sachverhalt findet sich zwar häufiger, doch die knappe Formulierung und die enge Verbindung beider Etymologien verweisen deutlich auf die bekannte Rede des Euander.1 Ergänzend ist jedoch zu bemerken, daß Tertullian (nat. 2,12,29 und vor allem apol. 10,7) im Rahmen einer euhemeristischen Argumentation auf die Etymologie von Saturnia (civitas, quam depalaverat (sc. Saturnus], Saturnia usque nunc est) verweist, Minucius Felix, wohl auch unter vergilischem Einfluß, in entsprechendem Kontext sogar auf diejenige von Saturnia und Ianiculum (23,11 urbem Saturniam idem (sc. SaturnusJ de suo nomine et Ianiculum Ianus ad memoriam uterque posteritatis reliquerunt). Arnobius' Vergilbenützung könnte also über Minucius Felix vermittelt sein.2 Zwar entwickelt Arnobius hier keine ausführliche euhemeristische Argumentation,3 doch verstärkt der Gedanke das anthropomorphe Element, das die ganze Götteraufzählung hervorheben will. Cf. LE BONNIEC ad l. '292sq.\ GIERLICH ad l. 87. Der Sache nach findet sich die Etymologie für Saturnia allein (d.h. ohne Ianiculum) bei Varro ling. 5,42 hunc antea montem Saturnium appellatum prodiderunt et ab eo late Saturniam terram, ut etiam Ennius appellat. Dion. Hai. ant. 1,34,5; Fest. 222; Tert. nat. 2,12,29; apol. 10; Ps. Aur Vict. orig. 3,1; cf. MALTBY S.V. Saturnia. Die Etymologie zu Ianiculum hat Arnobius selbst auch 3,29, daneben Ps. Aur. Vict. orig. 2,4; Ps. Cypr. idol. 2; Serv. Aen. 8,319.357; Mart. Cap. 6,642; abweichend Paul. Fest. 104; cf. MALTBY S.V. Ianiculum. Ovid bringt beide Etymologien im ersten Buch der fasti, aber mit einigen Versen Abstand (237 und 246, cf. BÖMER ad l. 3lsq.). Nebeneinander stellt sie Solin. 2,5 (zitiert Isid. orig. 15,1,50): Nam quis ignorat vel dieta vcl condita a Iano Ianiculum, a Saturno Latium atque Saturniam [.../? Macr. Sat. 1,7,19—23 beruft sich für Janus zwar über Hygin auf Protrarchus Trallianus, zitiert dann aber Verg. Aen. 8,358. Interessant ist die Variante bei Augustinus, civ. 7,4: Saturnus [sc. lanumj fugientem benignus excepit; cum hospite partitus est regnum. ut etiam civitates singulas conderent, iste Ianiculum, Ule Saturniam. Sollte diese sprachlich dem Arnobiustext ähnliche (civitas, condere) Version, für die Augustinus keine Quelle angibt, auf Varro zurückgehen (cf R. GALL, 'Ianiculum', RE IX, 1 [1914] 691), käme dieser als Vorlage für Arnobius neben Vergil in Betracht, der nichtsdestoweniger näherliegt. Zu berücksichtigen ist aber die von Solinus (2,5) ausdrücklich betonte Bekanntheit der Etymologien. Gegen einen älteren Ansatz, der Ps. Aur. Vict. orig. als Vorlage des ganzen Kapitels 36 annimmt, SITTE 130S. Auf ein bemerkenswertes Indiz für die Mittlerschaft des Minucius Felix in bezug auf die Etymologie von Ianiculum weist MCCRACKEN (I 362 Anm. 153) im Zusammenhang mit deren zweiter Erwähnung bei Arnobius hin, der 3,29 Janus den laniculi oppidi conditorem nennt. Das sachlich nicht treffende oppidum könne Arnobius weder aus dem vergilischen arx (Aen. 8.357) noch aus Realität bzw. Autopsie haben, vielleicht aber beziehe er das urbem bei Minucius Felix (23,11 urbem Saturniam idem Saturnus de suo nomine et Ianiculum Ianus ad memoriam uterque posteritatis reliquerunt) irrtümlich auf Saturnia und Ianiculum. — Allerdings läßt auch schon das vergilische arcem condere an eine Art von Siedlung denken, so daß der von MCCRACKEN monierte Widerspruch, Arnobius spreche vom Hügel Ianiculum als einem oppidum, so betrachtet weit weniger ins Gewicht fällt. An sich ist ihm diese Argumentationsweise sehr wohl vertraut, cf. SCHIPPERS 70—72.
278
II.5
Arnobius
(b) Mit indigetes Uli qui flumen repunt et in alveis Numici cum ranis et pisculis degunt spielt Arnobius an auf die Vergöttlichung des Aeneas als indiges, die gemäß dem Mythos durch das Bad im Numicus zustande kommt.1 Die Apotheose des Aeneas als indiges deutet Vergii in den Worten des Jupiter an Juno an, Aen. 12,794s?.: Indigetem Aenean scis ipsa et scire fateris deberi caelo fatisque ad sidera tolli. Auf diese Stelle und ihren Kommentar möchte MCCRACKEN die Anspielung des Arnobius beziehen.2 Während Vergii selbst nur das Faktum der Apotheose vorgibt, finden sich bei anderen Autoren weitere, auch von Arnobius erwähnte Einzelheiten. So wird Aeneas Tibull. 2,5,43s?. angesprochen: Illic sanctus eris, cum te veneranda Numici unda deum caelo miserit indigetem. Ovid schildert in den Metamorphosen (14,581—618) ausführlich die Vergöttlichung des Aeneas durch das Bad im Numicus, met. 14,597—608: perque leves auras iunctis invecta columbis litus adit Laurens, ubi tectus harundine serpit in freta flumineis vicina Numidus undis. hunc iubet Aeneaet quaecumque obnoxia morti, abluere et tacito deferre sub aequora cursu; corniger exsequitur Veneris mandata suisque, quicquid in Aenea fuerat mortale, repurgat et respersit aquis; pars optima restitit Uli. lustratum genetrix divino corpus odore unxit et ambrosia cum dulci nectare mixta contigit os fecitque deum, quem turba Quirini nuncupat Indigetem temploque arisque recepit. Cf. LE BONNIEC ad l. 294: uMalgr6 le pluriel, il s'agit ici du seul En£e divinis£, comme le prouve la präcision topographique in alveis Numici" MCCRACKEN ad L I 284 Anm. 153. Der von MCCRACKEN angeführte Servius erklärt zu
Aen. 12,794: Et indigetes dii duplici ratione dicuntur: vel secundum Lucretium, quod nullius rei egeant, qui ait 'ipse suis pollens opibus nihil indiga curae': vel quod nos deorum indigeamus, unde quidam omnes deos indigetes appellari volunL alii patrios deos indigetes dici debere tradunt, alii ab invocatione indigetes dictos volunt, quod 'indigeto' est precor et invoco: vel certe indigetes sunt dii ex hominibus facti, et dicti indigetes quasi in diis agentes. sane de Aenea fabula talis est: cum Turno occiso et accepta Lavinia, condita civitate in Numicum fluvium, ut alii volunt, sacrificans, ut alii, Mezentium, ut alii, Messapum fugiens, cecidisset, nee eins esset cadaver inventum, Ascanius, filius eius, victo Mezentio cum ceteris TYoianis credens et iaeütans inter numina reeeptum, sive patrem volens consecrare, templum ei constituit, quod indigetis appellari iussit — Man wird MCCRACKENS Worte ("The allusion is to a passage of the Aeneid 12.794f. and Servius1 commentary ad loc.n) wohl so verstehen müssen, daß sich Arnobius hier auf die Vergilstelle und deren gängige Erläuterung beziehe, wobei Servius freilich eine bei Vergii nicht vertretene Version bietet. — Siehe auch oben (SOsqq.) zu Tert. nat. 2,9,18.
II.5.2
Die Vergilzitate
279
Für die Ovidstelle als Vorbild spricht vor allem das anschaulich geschilderte Bad im Fluß — auch in der sprachlichen Gestaltung flumen repunt zu serpit /.../ flumineis /.../ undis —, auf das Arnobius in seiner Polemik ausdrücklich Bezug nimmt. Angesichts des deutlichen color Vergilianus im Kontext könnte man zwar auch in dem Wort indigetes eine Vergilreferenz vermuten, wie MCCRACKEN vorschlägt. Da sich aber einige inhaltlich näherliegende Vorlagen aufweisen lassen und da vor allem die von Arnobius ausgeführten Dinge Gemeingut sind, bleibt der vergilische Einfluß fraglich.1 (c) Deutlicher hingegen greift Arnobius bei der Darstellung des Merkur, dessen Geburt auf dem Berg Kyllene er hervorhebt, auf Vergil zurück, wiederum, wie schon für die Etymologie, auf das achte Aeneisbuch, I38sq.: Vobis Mercurixis pater est, quem Candida Maia Cyllenae gelido conceptum vertice fudit; Der ironische Zusatz Maiae et, quod est divinius, candidae macht deutlich, daß sich Arnobius ausdrücklich auf eine vorgegebene Stelle bezieht, und wird erst verständlich, wenn Candida als epitheton ornans an der entsprechenden Vergilstelle präsent ist.2 Arnobius schiebt das vergilische Epitheton nach und versieht es mit einem ironischen Kommentar (quod est divinius). Dadurch baut er einen Kontrast auf zwischen der auf ihre vegetativen Vollzüge zurückgeworfenen Menschlichkeit, hervorgehoben noch durch das hinzugefügte utero, und der hehren Göttlichkeit des Epitheton, das sich in diesem Kontext in beinahe zynischer Weise selbst widerlegt.3 Die vergilische Schilderung der Geburt kommt seiner Intention entgegen, die Anthropomorphie des Gottes 1
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Bemerkenswerterweise zitiert MCCRACKEN auch die oben angeführten Tibull- und Ovidpassagen, daneben eine Bemerkung des Livius (1,2,5s?.) über die Verehrung des Aeneas als Iovis Indxges am Ufer des Numicus und die Entrückung der Anna durch den Flußgott Numicus Ov. fast. 3,647, die nach BÖMER (ad /., 189) unter dem Einfluß der Apotheose des Aeneas steht. Cf. LE BONNIEC ad L 295; GIERLICH ad /. 89. Servius (Aen. 8,138) erklärt das Epitheton folgendermaßen: splendidior enim est Maia inter pliadas, quae est una de Atlantidibus, hoc est pliadibus. non ergo 'Candida' pulchra, ut 'Candida Dido'[5,571]. Vielleicht greift Vergil mit Candida aber auch al5olT) (h.Merc. 5) auf. Ausgesprochen kühn interpretiert SANTORELLI (245) das Spiel mit dem Adjektiv candtdus "Maia Candida, uel senso virgiliano di 4sfolgorante di bellezza', qui invece col valore di pura, immacolata generö Mercurio. Arnobio sottolinea con forza, con un inciso destinato a polarizzare l'intenzione, la prerogativa squisitamente divina del fatto: una vergine che partorisce! — irride lo scrittore — evocando chiaramente l'unica vera vergine di nome e di fatto, la madre di Cristo." — Höchst problematisch ist dieses Verständnis aus drei Gründen: (1) Der mythologischen Überlieferung zufolge wird Merkur bzw. Hermes von Jupiter bzw. Zeus gezeugt — so etwa schon der Homerische Hymnus auf Hermes 3$q. öv xixt Maia / [...] Aiö{ iv ^IXÖTTTU (it-feiaa und Apollod. 3,10,2 Maia uiv oöv Vj nptoßoxdxr) All ooviXÖoüaa iv avxpcp TTK KUXX^VTK 'Eftifjv xlxxti.). (2) Die Assoziation einer Parthenogenese müßte sich folglich allein aus der Semantik von Candida ergeben. Dafür bietet der ThLL III s.v. candtdus aber nicht den geringsten Anhaltspunkt, vielmehr zeigt er (241,36—46), daß Arnobius sich hier dem in der Dichtung üblichen Sprachgebrauch von candtdus für Gottheiten im Sinne von splendens caelesti nitore anschließt. (3) Abgesehen davon, daß im übrigen Werk vieles auf eine noch nicht allzu große Vertrautheit des Verfassers mit dem Christentum hindeutet, wäre eine so überaus
280
II.5
Amobius
zu betonen, vielleicht wegen des vereinzelt pejorativ gebrauchten, jedenfalls das Vegetative betonenden fundere1, das er 3,32 caduceator üle Cyllenius in algido fusus monte wieder aufnimmt. Das ironische Spiel mit dem Klassikerzitat Candida Maia verleiht der Aufzählung außerdem einen Glanzpunkt. (d) Das Epitheton arquitenens, das Arnobius für Diana und Apoll verwendet (4,22 nur für Apoll), tragen die beiden Götter nach dem griechischen io£cxp<5po<;2 in der lateinischen Dichtersprache seit Naevius, bei Vergil es sich Aen. 3,75 als Metonymie für Apoll.3 Arnobius bezieht sich also auf das System der poetischen Sprache, wohl einerseits um einer klassischen, andererseits um einer, wenn auch nur im weiteren Sinne, anthropomorphen Formulierung willen. Die nächstliegenden Bezugstexte für Arnobius sind wohl die Vergilstelle oder Ovid (met. 1,441; 2,265). (e) Die Junktur crudo [...] caestu erscheint vor Arnobius nur bei Vergil4, in der Aufzählung der Disziplinen der Leichenspiele für Anchises (Aen. 5,69 seu crudo fidit pugnam committere caestu) und in der Ankündigung der Spiele an dem von Vergil im Proömium des dritten Georgikabuches imaginierten Augustustempel, die die Olympischen und Nemeischen übertreffen sollen (georg. 3,20 cuncta mihi Alpheum linquens lucosque Molorchi / cursibus et crudo decernet Graecia caestu.). Daß Arnobius darin einen Ausdruck für die Brutalität des Faustkampfes (crudus ist nach Serv. Aen. 5,69 zu verstehen als crudelis oder durus)5 sieht, zeigt 7,33 (M. 385,18):
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2 3
subtile mariologische bzw. christologische Anspielung (von (evocando chiaramente' kann schon Überhaupt nicht die Rede sein!) in diesem auf die refutatio paganer Positionen angelegten Werk nicht nur ganz außergewöhnlich, sondern vor allem für den ansonsten angesprochenen Leser sicherlich nicht erkennbar, also sinnlos. — Die Fehldeutung von SANTORELLI geht wohl von dem schwierigen et (Maiae et, quod est divinius, candidae) aus, das nicht steigernd ('una vergine che partorisce!'), sondern explikativ aufzufassen ist, dementsprechend übersetzen auch LE BONNIEC: "Mercure, sorti du ventre de Maia — de Maia la brillante, ce qui fait plus divin*1 und AMATA: "Mercurio, uscito dal ventre di Maia, e, cosa ancor piü prodigiosa, da una Maia Candida?". Cf. ThLL VI,1 s.v. 2. fundo 1567,53 - 1568,19: Im Sinne von (largiter) procrtare, parere, gignere meist von Feldfrüchten, die die Erde hervorbringt, pejorativ aber Cic. Pis. frg. 5 (materj te beluam [...], nan haminem fudit. Im eigentlichen Sinn Verg. ecl. 4,20.23; 9,41; georg. 1,13; 2,460; dann Aen. 8,139 (Serv. ad l. celeritatem parientis ostendit), davon abhängig (1567,68) Arnob. nat. 1,36; 2,16; 3,32; Aen. 12,207; danach wieder v.a. für Feldfrüchte, aber luv. 5,142 Mycale pariat licet et pueros tres in gremium patris fundat semel; Tert. adv. Val. 8 Sermo et Vita decuriam Aeonum simui fundunt; Paul. sent. 4,9,2 non /.../ ter pepensse, sed semel partum fundisse videtur, Anth. 198,62 me /.../ fudit Thetis [...) sub auras; Arnob. nat. 2,16; 5,12.21; weiter ab Iuvencus, bei späteren Christen offenbar ohne negative Konnotation, so für die Geburt Christi Pelag. carm. min. 32,2. Für Artemis II. 21,483, für Apoll h.Ap. 13,126, cf. LSJ s.v. Cf. ThLL II s.v. arcitenens, arquitenens 468,46—58: seit Naevius für Apoll, Arnob. nat. 1,36 für Diana und Apoll; 4,22 für Apoll, Diana folgt unmittelbar, metonymisch für Apoll seit Accius dann Verg. Aen. 3,75 etc.; für Diana seit Naevius; in Prosa nur Quint. inst. 8,6,33 als Beispiel für ein poetisches Kompositum. Cf. LE BONNIEC ad l. 295; GIERLICH ad l. 89.
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Cf. ThLL IV s.v. crudus 1235,8—10. Anders Serv. auct. ad l. ex corio duro; die antike Vergilerklärung setzt sich also mit der
II.5.2
Die Vergilzitate
281
Iam vero si viderint in femineas mollitudines enervantes se viros, vociferari hos frustra, sine causa alios cursitare, amicitiarum fide salva contundere se alios et crudis mutilare de caestibus, certare hos spiritu, buccas vento distendere volis immanibus concrepare: manus ad caelum tollunt, rebus admirabilius moti prosiliunt, exclamant, in gratiam cum hominibus redeunt. Während es Arnobius dort aber nur um einen geschliffenen Ausdruck der verabscheuungswürdigen Gewalt in kultischen Wettkämpfen geht, tritt hier vielleicht noch ein Moment der Epostravestie hinzu: Das dichterisch gestaltete epitheton ornans des Pollux1 (pugillator bonus et crudo inexuperabilis caestu) mit seinem auffälligen color Vergilianus* kontrastiert mit dem brutalen, eines Heros unwürdigen Inhalt.3 Evoziert wird das Bild eines Gewaltmenschen und Berufsboxers, wie ihn etwa die Bronzestatue eines pugil im Thermenmuseum in Rom darstellt.4 (f) Der Ausdruck aures vulnerare, mit dem Arnobius den Anstoß umschreibt, den die heidnischen Götter an der Menschennatur Christi nehmen, findet sich auch am Ende von Euanders Abschiedsworten an Pallas, Aen. 8,5825g. (578—583): Sin aliquem infandum casum, Fortuna, minaris, nunc o liceat crudelem abrumpere vitam, dum curae ambiguae, dum spes incerta futuri, dum te, care puer, mea sola et stra voluptas, complexu teneo, gravior neu nuntius auris vulnereL' Mit dieser seltenen, gesuchten Metapher5 läßt Arnobius in subtiler Ironie die fingierte Erregung der paganen Gottheiten artifiziell und kapriziös erscheinen — vielleicht noch um so deutlicher im Kontrast zur tiefen Menschlichkeit in den Worten Euanders. Junktur auseinander. Vor allem in der nachklassischen Dichtung wird der caestus häufig als Attribut des Pollux oder im Zusammenhang mit ihm erwähnt, c/. ThLL III s.v. caestus 115,14—19 (4speciatim de Polluce1). etwa Ov. met. 8,301; Sen. Med. 89; Stat. silv. 5,3,140 etc. (c/. Manil. 5,163; Val. Fl. 4 passim (c/. M. KORN, Valerius Flaccus, Argonautica 4,1—343. Ein Kommentar, Hildesheim et al. 1989, ad 4%\\2sq. [94]); Stat. Theb. 10,500; Claud. 1,238). Das Wort caestus kommt bei Vergil und bei Arnobius (für den locus desperatus 1,50 [M. 45,23] bietet REIFFERSCHEID allerdings caestibus statt casibus) nur an den genannten Stellen, d.h. nur im Ablativ und nur in Junktur mit crudus vor. Doch scheint auch bei Vergil die negative Konnotation im Gesamtausdruck vorzuherrschen und das einleitende bonus durch das Folgende beinahe ins Gegenteil verkehrt zu werden. Ein Werk des Apollonios, 2. Viertel des 1. Jhdt.s v.Chr., Museo Nazionale Romano delle Terme Inv.-Nr. 1055. ThLL II s.v. auris 1511,75-77 belegt die Metapher Aen. 8,582; Avien. ora 677 und Sil. 6,80; zudem Lact. inst. 7,1,14. Cf. MCCRACKEN ad l. I 287 Anm. 171; GIERLICH ad l. 93.
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115 Arnobius
In der ganzen Passage versucht Arnobius durch die gehäufte Verwendung poetischer Epitheta, namentlich solcher, die sich auf bestimmte Tätigkeiten oder Eigenschaften der Götter beziehen, eine Nuance des Anthropomorphen und Unangemessenen paganer Gottesvorstellungen durchscheinen zu lassen. Diese im Grunde parodistische Verwendung dichterischer Gottesbezeichnungen dient dabei aber der Stärkung der ihnen gegenübergestellten christlichen Position: Solche Götter sollten Anstoß an unserer Religion nehmen? 1,49 Aesculapium [...] datorem [...] sanitatis: Siehe unten (302) zu 3,33. 1,54 (M. 50,5) At numquid dicemus illius temporis homines usque adeo fuisse vanos mendaces stolidos brutos, ut quae numquam viderant vidisse se fingerent et quae facta omnino non erant falsis proderent testimoniis aut puerili adsertione firmarent, cumque possent vobiscum et unanimiter vivere et inoffensas ducere coniunctiones, gratuita susciperent odia et execrabili haberentur in nomine? Am Ende des ersten Buches stellt Arnobius Lehre und Wunder Christi dar. In diesem Zusammenhang betont er die Zuverlässigkeit der Zeugen für die Auferstehung Christi. Die dabei in Juxtaposition verwendeten Worte vanos mendaces erscheinen syndetisch schon bei Vergil, wenn Sinon zu Beginn seiner Lügengeschichte seine Glaubwürdigkeit betont, Aen. 2,80: hoc primum; nee, si miserum Fortuna Sinonem finxit, vanum etiam mendacemque improba finget. Grundsätzlich finden sich vanus und mendax und ihre Ableitungen öfter nebeneinander,1 doch könnte die seltene Juxtaposition der Adjektive bei Arnobius von Vergil angeregt sein2. Dafür spricht auch das Stichwort fingere im Kontext.3 Allerdings weist das unmittelbar folgende Begriffspaar stolidos brutos weg von Vergil. Im übrigen kann ja auch eine Parallelisierung der Auferstehungszeugen und des Sinon nicht in der Intention des Apologeten liegen. Ihm geht es hier nur um einen griffigen Ausdruck. 2,8 (M. 74,12) Liberorum suseeptatis prolem non incolumem credentes fore et per gradus aetatis venturam senectutis ad metas? Im zweiten Buch stellt Arnobius das Christentum anderen Lehren über das Seelenheil des Menschen gegenüber. In einem ersten Argumentationsgang (Kapitel 4—12) untermauert er die Ebenbürtigkeit des christlichen Glaubens und rechtfertigt die credulitas als Grundhaltung der Christen, denn, 1
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Cf. Liv. 24,30,6; Ov. am. 3,11,21; Sen. dial. 5,8,4; Plin. nat. 28,112; Servius versucht eine semantische Unterscheidung zwischen vanus und mendax, Aen. 2,80: et vanus est qui etiam sine utititate mentitur, mendax qui tantum ad deeipiendum. ThLL VIII s.v. mendax 702,83—703,42 bietet keinen weiteren Beleg für die Junktur in diesem Sinne; LE BONNIEC ad i 360 uR£miniscence de Virgile". Sollte auch das auffällige Polyptoton quae (...) viderant vidisse se fingerent bei Arnobius strukturell angeregt sein von st /.../ finxit, (...) finget?
II.5.2
Die Vergilzitate
283
so sein Argument im Kapitel 8,1 alle Menschen müßten bei ihren alltäglichen Verrichtungen vertrauen, im Geschäftsleben, auf Reisen, im Landbau, in der Ehe. Als Beispiel führt er auch die Kinder an, die man in der Hoffnung erzeuge, sie erreichten die senectus. Die dabei verwendete Junktur per gradus aetatis venire ad metas senectutis hat eine Parallele im Schlußsatz der Rede des Jupiter, mit der er Herkules wissen läßt, daß er zwar Pallas im bevorstehenden Kampf nicht helfen könne, daß aber wie eines jeden auch Turnus' Tage gezählt seien, Aen. 10,472: /.../ etiam sua Turnum / fata vocant metasque dati pervenit ad aevi.' Die bei Arnobius zugrunde liegende Vorstellung von der Abfolge der Lebensalterstufen und ihre Formulierung mit meta findet sich zwar häufiger, doch kommt die prägnante und exponierte Vergilstelle verglichen mit den anderen Belegen sprachlich so nahe, daß ein Einfluß anzunehmen ist.2 Die Veränderungen, die Arnobius am Zitatsegment vornimmt,3 lassen sich gut aus den unterschiedlichen Sinnrichtungen der Kontexte erklären, da es bei Vergil punktuell um das Lebensende, bei Arnobius linear um die Altersstufen, insbesondere die letzte zu durchlaufende, geht. Der Schatten, den das unabwendbare Schicksal des Turnus auf den Lebensweg des Kindes wirft, dessen Unberechenbarkeit der hoffenden Zuversicht der Eltern gegenübergestellt wird, könnte Assoziationspunkt für die Auswahl der Junktur sein. 2,14abc (M. 81,20; 82Jsq.; 82,8) Audetis ridere nos, cum gehennas dicimus et inextinguibiles quosdam ignes, in quos animas deici ab earum hostibus inimicisque cognovimus? Quid Plato idem vester in eo volumine, quod de animae immortalitate conposuit, non Acherontem, non Stygem, non Cocytum fluvios et Pyriphlegethontem nominat, in quibus animas adseverat (a) volvi mergi exuri? Et homo prudentiae non pravae et examinisque iudiciique perpensi rem inenodabilem suscipit, ut cum animas dicat immortales perpetuas et ex corporali soliditate privatas, puniri eas dicat tarnen et doloris adficiat sensu. Quis autem hominum non videt quod sit immortale, quod simplex, nulluni posse dolorem admittere, quod autem sentiat dolorem, immortalitatem non habere posse? Nee tarnen eius auetoritas plurimum e i/e1
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nat. 2,8 Et quoniam ridere nostram fidem consuestts atque ipsam credulitatem facetiis loculartbus lancinare, dicite, o festivi et meraco sapientiae tineti et saturi potu, estne operis in vita negotiosum aliquod atque actosum genus, quod non fide praeeunte suseipiant sumant atque adgrediantur actores? Cf. ThLL VIII s.v. meta 865,39—52 "de vitae exitiT Varro Men. 544 aevitatis extimam attigit metam, quam dereliquit iuventas (Val. Max. 8,7 ext. 10 aetatis); Verg. Aen. 10,471; Ov. trist. 1,9,1 vitae /.../ tangere metam — kein Beleg angeführt mit venire ad metam. Neben der inorphosyiitaktischen Adaptation ist vor allem die inhaltliche Anpassung bemerkenswert: Das zielgerichtete pervenire substituiert Arnobius durch das eine gewisse Kontinuität implizierende venire. Das Genitivattribut zu ad metas lautet nicht mehr aevi sondern senectutis, da so, wie auch insbesondere durch den Zusatz per gradus aetatis, der Durchgang durch die Alterstufen ausgedrückt wird. Entsprechend fällt auch dati weg, da es nicht mehr um ein individuelles und bestimmtes Schicksal, sondern um den allgemeinen und unberechenbaren Lebenslauf geht.
284
II.5
Arnobius
ritate declinat. Quamvis enim vir lenis et benivolae voluntatis inhumanum esse crediderit capitali animas sententia condemnaref non est tarnen absone suspicatus iaci eas in flumina (b) torrentia flammarum globis et (c) caenosis voraginibus taetra. In den Kapiteln 13 bis 34 vergleicht Arnobius christliche und platonische Seelenlehre. Hier geht er auf das Fortleben der Seelen im Jenseits ein und verweist, ohne die Stelle ausdrücklich zu nennen, auf eine Passage aus Piatons Phaidon (112e—114c), um sich kritisch mit der Unsterblichkeit der Seele auseinanderzusetzen.1 (a) Das TWkolon volvi mergi exuri, mit dem Arnobius das bei Piaton geschilderte Schicksal der Seelen im Bereich der Unterweltsflüsse zusammenfaßt, besteht aus Verben, die Vergil in seiner Unterweltsschau des sechsten Buches im gleichen Kontext, also ebenfalls für das Leiden der animae in der Unterwelt, verwendet: volvi Aen. 6,748 hos [sc. animas] omnis, ubi mille rotam voluere per annos — allerdings die Seelen als aktiv Handelnde. Der Ausdruck mergere findet sich für die Beerdigung der Kinder Aen. 6,429 (426—430): Continuo auditae voces vagitus et ingens infantumque animae flentes, in limine primo quos dulcis vitae exsortis et ab ubere raptos abstulit atra dies et funere merait acerbo; hos iuxta /also damnati crimine mortis. und Aen. 6,6145g. ne quaere doceri / quam poenam, aut quae forma viros fortunave mersit; das Wort exuri schließlich Aen. 6,742 (740—742): /.../ Aliae [sc. animae] panduntur inanes suspensae ad ventos9 aliis sub gurgite vasto infectum eluitur scelus aut exuritur igni. Dabei kann es sich freilich nur um Indizien eines möglichen Nachklanges handeln: Die Vergilstellen sind deutlich voneinander getrennt und weichen zum Teil signifikant von der Semantik im Folgetext ab. Immerhin wird tatsächlich mit allen drei Verben, die Arnobius im Trikolon präsentiert, bei Vergil das Schicksal von Seelen in der Unterwelt beschrieben, und zwar in auffallendem Gebrauch. (b) Auch in den Worten iaci eas [sc. animas] in flumina torrentia flammarum globis, mit denen Arnobius eine aus christlicher Sicht zu bejahende Lehre des Piaton wiedergibt, zeigen sich Spuren aus Vergils Darstellung des Phlegethon im sechsten Aeneisbuch, Aen. 6,550 (548—551): Respicit Aeneas subito et sub rupe sinistra moenia lata videt triplici circumdata muro, 1
Die dabei von Arnobius als christlich vertretene Lehre von der media quaiitas der Seele, die an sich sterblich sei und erst durch die Erkenntnis Gottes unsterblich werde, gehört zu den vieldiskutierten heterodoxen Sondermeinungen des Autors, spielt aber im Zusammenhang mit dem vergilischen Einfluß keine Rolle; dazu etwa BURGER 93sq.; LE BONNIEC Introduction 76sqq.\ AM ATA Problemt, pasaim; GIERLICH 219; SIMMONS \A2sqq.
II.5.2
Die Vergilzitate
285
quae rapidus flammis ambit torrentibus amnis, Tartareus Phlegethon, torquetque sonantia saxa. Die Formulierung globis flammarum entstammt Vergils Schilderung des Ätna in den Georgika, georg. 1,473 (471—473): /.../• quotiens Cyclopum effervere in agros vidimus undantem ruptis fornacibus Aetnam, flammarumque globos liquefactaque volvere saxa! Nochmals aufgegriffen wird sie im dritten Aeneisbuch, Aen. 3,574 (571—574): /.../ sed horrificis iuxta tonat Aetna ruinis, interdumque atram prorumpit ad aethera nubem turbine fumantem piceo et candente favilla, attollitque globos flammarum et sidera lambit. Darin scheint das Vorbild des Arnobius zu liegen.1 Insbesondere die Aeneisstelle wird oft imitiert und zitiert.2 Anstoß für die Verflechtung der Phlegethon- und der Ätnaschilderung könnte die sachliche, atmosphärische und sprachliche Ähnlichkeit des Bildes sein, das der feurige Unterweltsstrom und der lavaspeiende Vulkan abgeben.3 (c) Auch die Terminologie für den Acheronsumpf als Ort der Strafe (caenosae voragines, nat. 2,30 als caenosi gurgites4 und volvatur in caeno5) kommt Vergil näher als Piatons prosaischem xaxit xf|v Xl(ivr)v xf|v 'Ax&poooi&5a (Phaid. 114b). So heißt es in der Jx
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ThLL VI/2 s.v. 2057,43-^19 belegt die Junktur ab Vergil, in der spätlateinischen Literatur aber sehr häufig (Verg. georg. 1,473; Aen. 3,574; Sil. 5,514 torquet Vulcanus anhelos cum fervore globos flammarum; Sol. 5,9; Cypr. Gall. los. 249; Arnob. nat. 2,14; Iuvenc. 1,341; Pacian. paraen. 11 p. 125; Amm. 23,1,3 etc.). Gell. 17,10,8—19 zitiert Aen. 3,570—577 und erklärt die Stelle als vmitatio von Pind. Pyth. \2\sqq. Imitattones derselben Aeneispassage sind etwa Sen. Phoen. 313—317; Plin. nat. 2,234; Sil. 5,512—514. Auf die Georgikastelle hingegen könnte sich vielleicht beziehen Zeno tract 1,11,1 tnter taetros undantis incendii globos triumphantes. Sprachlich faßbar an den Motiven des Getöses und des Herumwälzens von saxa, etwa Aen. 6,551 torquetque sonantia saxa; georg. 1,473 liquefactaque volvere saxa; Aen. 3,571 sqq. tonat /.../ saxa [...] exaestuat nat. 2,30 Et quis erit tarn brutus et rerum consequentias nesciens, qui animis incorruptibilibus credat aut tenebras Tartareas posse aliquid nocere aut igneos fluvios aut caenoais gurgitibus paludes aut rotarum volubilium circumactus? nat. 2,30 Quid enim continuum non est et ab legibus dissolutionis amotum est, licet omnibus ambiatur flammis torrentium fluminum, volvatur in caeno [non]t saxorum tmminentium casibus et immanium montium operiatur ruinis, inlibatum necesse est permaneat et intactum neque ullum sensum mortiferae passionis adsumere.
286
II.5
Amobius
gehören die Begriffe caenum, gurges und vorago von Vergii an zur auch bei den späteren Christiani Latini immer wieder aufgegriffenen Terminologie der Unterweltsbeschreibung.l Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, daß Arnobius, auch wenn er sie bei seinen Ausführungen über das Schicksal der Seele nach dem Tod ausdrücklich Piaton zuschreibt, die vergilische Unterweltsschilderung präsent hat und ihre Formulierungen allenthalben einfließen läßt. Das unterstreicht zum einen die klassische Geltung der vergilischen Unterweltsschilderung, vor allem der Ausführungen über das Schicksal der Seele nach dem Tod, deren Bilderwelt und Begrifflichkeit sich kein römischer Autor entziehen kann.2 Zum anderen aber scheint Arnobius, worauf DoiGNON hingewiesen hat, auch vergilische Inhalte zu nutzen, insbesondere platonisch geprägte3 Gedanken über die Reinigung der Seele in der Rede des Anchises.4 Arnobius nimmt also ursprünglich platonisches Gut in Vergils Bearbeitung und Formulierung für die christliche Eschatologie in Anspruch. Daß er dabei nicht nur an Piaton, sondern auch an den nur intertextueil präsenten Vergii als klassischen Vermittler jenes Denkens anknüpft, steht für den römischen Leser sicher außer Zweifel. Im Grunde genommen läßt sich hier dieselbe Praxis der Anknüpfung an philosophische Lehren in dichterischer Formulierung wie schon bei Minucius Felix5 und später bei Laktanz6 beobachten. Cf. COURCELLE Lecteurs 478 Anm. 2206is. ThLL III s.v. caenum 97,77—83 'de inferorum paludibus': Verg. Aen. 6,296; Arnob. nat. 2,30 torrentium fluminum volvatur in caeno; Lact. inst. 7,7,13 luere poenas (...) in caeni voraginibus horrendis; luvenc. 4,67 baratri mergetur (...) caeno; Zacch. 1,38 p. 1108A flagrantis caeni volvatur incendiis; cf. Ov. Pont. 4,3,37; Ib. 443; Sen. epist. 94,58; Plin. nat. 8,158; Tac. Germ. 12; ann. 1,65. ThLL III s.v. caenosus 97,2—27: seit Colum. 7,10,6 (Schweinepfuhl), luv. 3,266 nee sperat caenosi gurgitis alnum (gemeint ist der Charonsnachen, davon abhängig laut ThLL 97,6 Arnob. nat. 2,30); Apul. met. 7,18; 9,14 (Bild für schmutzigen animus); Arnob nat. 2,14; Sc hol. pers. ed. KURZ 3,34; Turrib. epist. 1; Cypr. epist. 55,26 ad cloacam et caenosam voraginem vulgi. ThLL VI,2 s.v. gurges 2360,29s?., cf. Aen. 6,741 aliis [sc. umbris] sub gurgite vasto (...) eluitur scelus, dazu Lact. inst. 7,7,13 luere poenas (...) in caeni voraginibus horrendis; Arnob. nat. 4,16 itane tu audes maiestatem tibi met nominis usurpare, si verum, ex caeno et ex gurgitibus prodita coagulataque limosis? OLD s.v. vorago etwa Ov. Ibis 441 in medii mergare voragine caeni. Allgemein zur Rezeption der Begrifflichkeit in der christlichen Latinität: Lact. inst. 7,7,13 caeni voraginibus; Ambr. interpr. 4,10,36 in quodam caeno et (...) voragine; Rufin. in Ps. 5,6 in voraginem caeni; Aug. trin. 12,9,14,17 caenoso gurgite. Das zeigt THOME (182—205) für eine ganze Reihe von Einzel begriffen aus der vergilischen Unterweltsschilderung. Dazu oben (136*9?.) z u Min. F e I 19>2J. DoiGNON, Le placitum eschatologique attribu£ aux Stokiens par Lactance, RPh 51 (1977) 43—55, hier 51: uCe ne sont pas seulement des d&ails descriptifs qu'Arnobe a pu glaner dans le sixieme chant de VÜnetde; il semble aussi avoir en tete les idees du discours d'Anchise sur la puriheation des ames [...]." Zum Monotheimus Min. Fei. 19,15?., zur Eschatologie Min. Fei. 35,15?., dazu oben (\32sqq.; \64sqq.). Lact. inst. 7,20, dazu DOIGNON Le placitum eschatologique blsq.: "Lactance se livre ä une sorte de retraetatio d'un theme eschatologique esquiss£ chez Arnobe deja a l'aide de traits virgiliens et va meme plus loin que son >maitre< (cf. Hier. titr. ill. 80) dans
II.5.2
Die Vergiizitate
287
2.16 (M. 84,21) Femininis generibus masculinisque distincta [sc. animantia] sunt: in totidem et nos searus nostro sumus ab auctore formati. Edunt per uteros fetus et corporalibus conciliis procreant: et nos corporum coniugationibus nascimur et ex alveis fundimur atque emittimur matrum. In Auseinandersetzung mit den Ansichten nicht näher bestimmbarer viri novi (2,15) verdeutlicht Arnobius die Weltverwobenheit des Menschen anhand der Vergleichbarkeit des irdischen Lebens von Mensch und Tier, die sich auf den ganzen vegetativen Ablauf, also auch auf die Fortpflanzung erstrecke. Die dabei verwendete Formulierung fetus edere erscheint in Vergils Darstellung der Fortpflanzung als vegetativem Vorgang, dessen er die Bienen enthoben sieht, georg. 4,199 (197—199): Illum adeo placuisse apibus mirabere morem, quod neque concubitu indulgent nee corpora segnes in Venerem solvunt aut fetus nixibus edunt; Zwar findet sich die Junktur von Vergil an öfter für Tiere, vor allem in fachsprachlichem Kontext,1 doch die Wertung der geschlechtlichen Fortpflanzung stimmt reziprok überein: Bei Arnobius belegt sie die Weltverhaftetheit des Menschen, bei Vergil manifestiert ihr Fehlen die erhabene Stellung der Bienen. Arnobius griffe demnach zum Erweis, daß der Mensch von sich aus keinen Anteil am Göttlichen und an der Unsterblichkeit hat, auf Vergils gegengleiche Ausführungen über die |id8e£i{ der Bienen am göttlichen voö^ zurück. Dann wäre das inhaltlich redundante per uteros bei Arnobius Ersatz für das vergilische nixibus zwischen den permutierten Elementen edunt /.../ fetus. Der Verweis auf die Zeugung bei Arnobius (corporalibus conciliis procreant, mit dem lukrezischen concilium für coneubitus*) entspräche chiastisch nachgestellt dem vergilischen corpora segnes / in Venerem solvunt. 2.17 et in fossilibus foveis tutamina oben (273) zu 1,28b.
sibimet et cubilia praeparare: Siehe
2,24 (M. 95,259.) & non stipes ut aliquis aut Marpesia ut dictum est rupes stabit elinguis et mutus, hoc ipsum ignorans et nesciens, secum potius an cum altero conloquarist cum altero sermocineris an secum, oratio sit ista quam promis an sonitus vocis nihil rerum significans sed inani continuatione pertractus? 1
2
la voie des emprunts aux Enfers de VEneide." Cf. ThLL V,2 s.v. edo 82—84: edere ein verbum proprium für die Hervorbringung von Nachkommenschaft, für Menschen (82,58—83,26), zunächst poetisch, dann häufig (Tert. idol. 9 Christo edito; Arnob. nat. 4,22), mit fetus nur Vitr. 2,9,1; für Tiere ab Cic. nat. deor. 2,129, mit fetus (84,51s(/.) ab Verg. georg. 4,199, dann Liv. 28,27,16; Colum. 8,11,8 etc. Für die Arnobiusstelle ergänzt ThLL V,2 83,12 dei als Subjekt und ordnet den Beleg dementsprechend unter a homines ein, richtig wäre aber, animalia zu ergänzen. Lucr. 1,183.484.517.772.1082; 2,110.120.563.564.920; 3,805, c/. GIERLICH ad L 225.
288
II.5
Arnobius
Im Rahmen seiner Versuche, Piatons Unsterblichkeitsbeweis aus der &v&|xvr)oi< zu widerlegen, greift Arnobius hier im fiktiven Dialog mit Piaton auf eine in den vorausgehenden Kapiteln (20—23) in einer Art Höhlengleichnis entworfene Figur zurück, die ohne Umwelteinflüsse aufgewachsen sei. Diese werde nämlich, anders als der Knabe im Menon, keinerlei Fragen zur Mathematik beanworten und nicht einmal zur Kommunikation fähig sein. Zur Verdeutlichung des Schweigens greift Arnobius auf den Vergleich mit einer Marpesia rupes zurück, mit dem in ganz ähnlicher Form Vergil Didos eisiges Schweigen beim Wiedersehen mit Aeneas in der Unterwelt veranschaulicht, Aen. 6,471 (469—471): lila solo fixos ocvlos auersa tenebat nee magis ineepto vultum sermone movetur quam si dura silex aut stet Marpesia cautes. Der Vergilbezug ist nicht nur durch das seltene Adjektiv Marpesius (zu einem Berg auf der Marmorinsel Paros),1 sondern auch durch die eingefügte Markierung ut dictum est eindeutig, die auf eine häufigere sententia zu verweisen scheint, obwohl der Vers hier erstmals als Zitat belegt ist. 2 Neben der Permutation und der Addition der Markierung ersetzt Arnobius cautes durch rupes. Da aber cautes wenigstens fachsprachlich und spät gut in Prosa belegt ist,3 strebt er damit wohl nicht nur eine Prosifikation,4 sondern eine Raffinierung durch Verfremdung eines eindeutigen und markierten Zitates an. Auch der Ersatz des vergilischen dura silex durch stipes, das auf der 1
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3
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Zur Erklärung der Vergilstelle AUSTIN ad /. 167: "Parian marble had a luminous quality of surface [...]. Dido's ghost glimmere in the darkness." Cf. FORCELLINI Onomasticon s.v. Marpessus: Verg. Aen. 6,471 ("hinc Arnob.") nach dem Berg auf Paros und eine nach einem Ort in der Troas Marpesia genannte Sibylle (Tib. 2,5,67; Lact. inst. 1,6,12 nach Varro). Petron zitiert 132,11 zwar die beiden vorausgehenden Verse Aen. 6,4695?., ersetzt Vers 471 aber durch quam lentae salices lassove papavera colio, einen Cento aus ecl. 5,16 lenta salix quantum pallenti cedit olivae und Aen. 9,436b lassove papavera collo. Laktanz greift mort. 30,5 haeret manifestarius homieida et mutus stupet, quasi dura silex aut stet Marpesia cautes den Vers auf, Macrobius zitiert ihn Sat. 4,1,1 wörtlich. Cf. COURCELLE Lecteurs 439 Anm. 80. ThLL III s.v. cautes 711s?. bietet auch eine Reihe von Prosabelegen, cf. aber FOUCHER 173. Arnobius zieht zwar rupes vor (2,17; 2,66; 3,27; 4,3), benutzt aber auch cautes, nat. 5,13 ubi enim cautes et saxa pariunt dura, ibi poma necesse est suriant Dazu SANTORELLI (244 Anm. 16): "La presenza di saxa dura, nesso virgiliano tratto da Georg. III 229s., conferma che cautes aveva per Arnobio un accentuato colorito poetico e virgiliano e che quindi consapevole e voluta era la sostituzione con rupes.1' Allerdings sollte man aus der Junktur saxa dura keinen color Vergilianus schließen: Die Härte des Steines ist sprichwörtlich (saxo durius, so Sen. controv. 1,3,11; cf. Ov. ars 1,475; met. 14,758; Sen. nat. 4b,3,4; Herc. O. 1272; Mart. 9,45,5s?.); daß vor allem die Dichtung ausdrücklich von saxa dura (so etwa Ov. met. 11,212; 13,540; fast. 6,742; Pont. 2,2,34; Ibis 543; aber Vulg. dtn. 32,13 de saxo durissimo) spricht, während in der Prosa die Tatsache, daß Stein eben hart ist, natürlich vorausgesetzt werden kann, ohne formuliert werden zu müssen (so etwa Vitruv. 2,5,1 sq. über unterschiedliche Härtegrade; Serv. Aen. 10,303), illustriert vielleicht ein Charakteristikum dichterischer Wirklichkeitserfassung, aber nicht die Arnobiusstelle. So schon BÜRNER 37: uAuch hier ersetzt Arn. das dichterische 'cautes1 durch 4rupis\ "
II.5.2
Die Vergilzitate
289
Sachhälfte eine gegenüber Vergil neue Inkonzinnität der Metaphorik (Holz— Stein statt Stein—Stein) aufbaut, läßt sich so verstehen. Hinzu kommt die Wirkung der affektgeladenen Didoszene, die das Zitat, trotz der Verfremdungen unübersehbar, evoziert. Allerdings divergieren beide Szenen in einem entscheidenden Punkt: Bei Vergils Dido ist es der fehlende Wille zu Kommunikation,1 bei Arnobius die fehlende Fähigkeit dazu. Durch diese Divergenz erscheint seine Referenz als Emphase. Und Arnobius verstärkt sie noch dadurch, daß er nach den beiden unmißverständlichen Vergleichen das tertium comparationis ausführt: elinguis et mutus. Arnobius geht es an diesem entscheidenden Punkt seiner Auseinandersetzung mit Piaton ganz offensichtlich um eine starke rhetorische Wirkung des Schweigens seiner fiktiven Figur, in dem ja die intendierte Widerlegung der &v&jAV7)ois-Lehre liegt.2 Der Rückgriff auf Vergils stumme Dido in der Unterwelt assoziiert Arnobius' Fiktion eines ohne Möglichkeit zur Kommunikation aufgewachsenen Menschen mit der Vorstellung eines nur physischen Lebens bei geistig-seelischem Totsein. 2,30 caenosis gurgitibus /.../ volvatur in caeno: Siehe oben (283) zu 2,14b. 2,32 ab hiatibus mortis et faucibus: Siehe unten (290) zu 2,53. 2,36 (M. 107,22) Sed immortales perhibentur dii esse. Non ergo natura, sed voluntate dei patris ac munere. Quo igitur pacto immortalitatis largitus est donum dis (die) certa prolatis, et animas hoc pacto dignabitur immortalitate donare, quamvis eas mors saeva posse videatur extinguere et ad nihüum redactas inremeabili abolitione delere. In den Kapiteln 35 bis 53 wendet sich Arnobius weiteren Aspekten seiner Lehre von der media qualitas der Seele zu, zu Beginn des Kapitels 36 wiederholt er deren Grundgedanken: Die Seele sei an sich sterblich und müßte der inremeabüis abolitio anheimfallen, würde ihr die Unsterblichkeit nicht von Gott geschenkt. Das seltene inrejneabilis ist von Vergil an belegt, der es einmal im Zusammenhang mit dem Labyrinth auf Kreta (Aen. 5,591 inremeabüis error) und einmal für den Unterweltsfluß (Aen. 6,424 ripam / inremeabüis undae) verwendet. Arnobius gebraucht das Wort erstmals in Prosa, allerdings übertragen auf einen unumkehrbaren Zustand, während ansonsten an einen Ort gedacht ist.3 Ganz offensichtlich geht es Arnobius um den gesuchten Ausdruck; die Berührungen mit dem vergUischen Kontext ergeben sich wohl eher aus der Semantik des Wortes, als daß sie intendiert wären. Ausführlich dazu O. SEEL, Vergil und die Schuld des Helden, in: ders., Verschlüsselte Gegenwart, Stuttgart 1972, 95—110. Im Sinne einer komischen Wirkung durch die Kontrastierung von Prätext und Folgetext SANTORELLI 244.
Cf. ThLL VII,2 398,23—46 s.v. irremeabtlis, v.a. 27sq.\ auch in der Dichtung eher nachklassisch und selten.
290
II. 5
2,40 aut vestium tutamina (273) zu 1,28b.
Arnobius
sibi aut velamenta conquirerent: Siehe oben
2,53 (M. 127,10) Ubi vobis nocemus vel quam vobis facimus aut inrogamus iniuriam, si omnipotentem confidimus deum habiturum esse rationem nostri, cum abire a corporibus coeperimus et ab Orci faucibus quemadmodum dicitur vindicari? Im Kapitel 53 faßt Arnobius seine Seelenlehre abschließend zusammen und formuliert am Ende die christliche Hoffnung, Gott werde die Seele ab Orci faucibus erretten. Durch quemadmodum dicitur weist Arnobius ausdrücklich auf eine feststehende Wendung hin. Bezugspunkt ist Vergils Beschreibung des Hadesreiches, Aen. 6,273 (2735g.): Vestibulum ante ipsum primisque in faucibus Luctus et ultrices posuere cubilia Curue,
Orci
Von Lukrez an findet sich die Metapher von den fauces der Unterwelt, die Formulierung fauces Orci prägt Vergil. Gellius und Macrobius zitieren die Vergilstelle, Apuleius verwendet mediis Orci faucibus in der Art einer festen Wendung.1 Offenbar greift Arnobius bewußt eine auf Vergil zurückgehende, allgemein geläufige — so ist wohl seine (auch deutlich distanzierende) Markierung quemadmodum dicitur zu verstehen — Ausdrucksweise auf. Diese Metaphorik vom Höllenschlund, die im Neuen Testament nicht vorkommt,2 sondern auf populäre pagane Vorstellungen in vergilischer Formulierung rekurriert, läßt sich von hier aus gesehen noch an zwei weiteren Stellen bei Arnobius beobachten, nämlich 2,32 (non esse animas longe ab hiatibus mortis et faucibus constitutas.) und im Schlußsatz des zweiten Buches, 2,78 (Committamus nos deof [...] ne /.../ inimicae mortis reperiamur in faucibus.). 2,58 (M. 133,17) Quid sit luna? quid Stellas? cur una specie aut illa non maneat, aut per omne mundi corpus frustüla haec ignea convenerit atque oportuerit figi? cur alia ex his parva, ampliora et maiora sint aliaf obtunsi haec luminiSj acutioris illa et fulgidae claritatis? In den Kapiteln 54 bis 62 greift Arnobius nochmals die Frage nach den Übeln in der Welt auf und argumentiert mit der Unfähigkeit des Menschen, die Cf ThLL VI,1 s.v. faux 397,59—68: Lucr. 3,10115?. Cerbcrus et Furiae tarn vero et lucis egestas, / Tartarus horriferos eructans faucibus aestus! 397,81—398,3 über den Eingang zur Unterwelt im eigentlichen Sinn: Verg. Aen. 6,273, zitiert Gell. 16,5,12 und Macr. Sat. 6,8,14; Val. Fl. (vers. spur.) 1,784 primis stant faucibus Orcv, Apul. met. 7,7 Tota denique /actione militarium vexülationum indagatu confecta atque concisa ipse me furatus aegre solus mediis Orci faucibus ad hunc evasi modum. Arnob. nat. 2,53. Das Neue Testament spricht vom Abgrund, &ßuoooc, der das Totenreich (JI&TK mit seinen als pars pro toto zu verstehenden KUXOU) und den Strafort (yitwa) umfaßt, dazu O. BÖCHER, EWNT I Ssq. s.v. fcßuoooc.
II.5.2
Die Vergilzitate
291
Grundzusammenhänge der Welt zu verstehen, so auch die Funktion der Himmelskörper. Die Verwendung von obtunsus für das Licht von luna und stellae hat eine Parallele bei Vergil, georg. l,395*g. (395—397): Nam neque tum stellis acies obtunsa videtur, nee fratris radiis obnoxia surgere Luna, tenuia nee lanae per caelum vellera ferri. Zwar ist obtunsus in der Prosa gut und zusammen mit lumen einmal fachsprachlich belegt1, aber der inhaltliche Zusammenhang mit den Stichwörtern stellae und luna sowie die Tatsache, daß Gellius (6,17,8, mit astris statt stellis) die Vergilstelle ausdrücklich als versus notissimi bezeichnet und zitiert, legt die Vermutung nahe, daß Arnobius obtunsus hier unter vergilischem Einfluß wählt. 2,59 (M. 135,4) Quid in mundo faciunt bubones immussili buteones? /.../ quid Spinae, quid sentes, quid avenae, quid lolium, quid herbarum aut fruticum aut adolentia naribus aut tristia in odoribus semina? Um zu verdeutlichen, daß es dem Menschen unmöglich sei, das Theodizeeproblem zu lösen, zählt er im Kapitel 59 eine Reihe von in den Augen des Menschen sinnlosen, ja schädlichen Tieren und Pflanzen auf, für deren Existenz der menschliche Verstand keinen Grund erkennen könne. Neben allgemeinen Phänomenen aus der Pflanzenwelt, auf die er sich bezieht (spinae, sentes, übelriechende Pflanzen), nennt er zwei Pflanzenarten beim Namen, avenae und lolium. Der Taube Hafer und der Lolch erscheinen als schädliches Unkraut im Weizenanbau zweimal bei Vergil (ecl. 5,37 infelix lolium et steriles nascuntur avenae; georg. 1,154 infelix lolium et steriles dominantur avenae), kommen aber häufiger, wohl ab Plautus, zusammen sprichwörtlich als Schädlinge vor.2 Während bei Cyprian (Demetr. 23 quando et in agro inter eultas et fertiles segetes lolium et avena dominetur, dazu oben 234) die Referenz auf Vergil und auf das neutestamentliche Gleichnis vom Unkraut im Weizen (Mt 13,24—30) faßbar ist, bleibt Arnobius so knapp, daß ein bestimmter Bezugspunkt nicht zu erkennen ist.3 Im Vordergrund steht jedenfalls die Funktion der Unkräuter als exempla.4 ThLL IX,2 s.v. obtundo 300,64—73; Sen. nat. 1,3,13 alius est enim color ex igneo lumine, alius ex obtunso et leniore, später Rufin. Clement. 9,14; Ambr. hex. 4,9,34. Cf. ThLL VIl,2 \6\3sq. s.v. lolium (in Verbindung mit ThLL II 1308sg. s.v. avena): 1613 J9sq. "saepe iuxta avena; dub. an proverbialiter Plaut." z.B. Ennius frg. var. 31; Ov. fast. 1.6915?.; Calp. ecl. 4,116; Ulp. dig. 9,2,27,14 st lolium aut avenam in segetem alienam inieceris; Prud. ham. 216 etc. Der Plural avenae muß nicht auf Vergil verweisen, so nämlich nach ThLL II s.v. avena 1308,81—1309,11 auch Verg. georg. 1,226; Dirae 15; Mela 3,56; Plin. nat 4,95 (cf. Sol. 19,6); Calp. ecl. 4,116; Arnob. nat. 2,59; Serv. georg. 1,77. Skeptisch äußert sich auch GIERLICH ad l. 322: "Doch verweist er [sc. RAPISAROA Arnobio 249] auf einen Vers der Georgica (1,150), der überhaupt nichts mit dem hier Gesagten zu tun hat. Eine Vergilnachahmung ließe sich allenfalls in bezug auf Georg. 1,154 annehmen [...]. Da die Ähnlichkeit zwischen Vergil und Arnob aber nur auf der
292
II.5
Arnobius
2,67 (M. 145,7) Si paratis bella, Signum monstvatis ex arce? Das zweite Buch beschließt Arnobius mit Ausführungen über das Erlösungswerk Christi (Kapitel 63—78), vor allem über die FVage, warum es dazu erst so spät, in historischer Zeit, gekommen sei. Anhand mittlerweile außer Gebrauch gekommener alter Sitten erläutert Arnobius hier das, auch in der Religion geltende, Grundprinzip der historischen Fortentwicklung. Eines der in Form einer rhetorischen Frage vorgebrachten exempla bezieht sich auf einen alten Brauch, bei Kriegsbeginn ein Signum aufzupflanzen, wie es der vergilische Turnus zu Beginn des achten Aeneisbuches bei Ausbruch der Feindseligkeiten tut, Vers 1 (1—6): Ut belli Signum Laurenti Turnus ab arce extulit et muco strepuerunt cornua cantu, utque actis concussit equos utque impulit arma, extemplo turbati animi, simul omne tumultu coniurat trepido Latium saevitque iuventus effera.
Für Vergil als Quelle und Bezugspunkt des Arnobius spricht nicht nur die Übereinstimmung im geschilderten Sachverhalt und in den entscheidenden Stichwörtern (bellum, Signum, ab / ex arce), sondern vor allem die Tatsar che, daß es sich bei diesem rituellen Zeichen für den Kriegszustand um ein archaisierendes Konstrukt Vergils handelt, das der Dichter aus historischen Überlieferungen und Kriegsbräuchen seiner Zeit entworfen und in die Urzeit projiziert hat.1 Arnobius bezieht sich auf eine Praxis, die dem Leser in dieser Form nur aus der Aeneis vertraut ist,2 und verwendet sie als Beispiel in seiner Argumentation, wobei das vergilische extulit zu monstvatis vereinfacht
1
2
Verwendung der Substantive avena und lolium beruht, halte ich auch in diesem Fall den Vergleich für etwas zu weit hergeholt." In diesem Sinne etwa FOROYCE ad L 205; PARATORE ad L 223; PAGE ad l 203. Ansonsten nämlich spricht nur Livius (für das zweite vorchristliche Jahrhundert, also ebenfalls im Rückblick) von einem vexillum in arce positum zur Einberufung der Zenturiatskomitien (in einer Rede im Zusammenhang mit dem senatus consultum de Bacchanalibus, 39,15,11 Maiores vestri ne vos quidem, nisi cum aut vexillo in arce posito comitiorum causa exercitus eductus esset, aut plebi concilium tribuni edixissent, aut aliquis ex magistratibus ad contionem vocasset, forte temere coire voluerunt; et ubicumque multitudo esset, ibi et legitimum rectorem multitudinis censebant esse debere.), Caesar und Plutarch von einem zu Beginn der Kampfhandlungen vor dem Feldherrnzelt aufgepflanzten vexillum, erklären diesen Brauch aber eigens (Caes. Gall. 2,20,1 Caesari omnia uno tempore erant agenda: vexillum proponendum, quod erat insignef cum ad arma concurri oporteret, Signum tuba dandum, ab opere revocandi milites, qui paulo longius aggeris petendi causa processerant, arcessendi, acies instruenda, milites cohortandi, Signum dandum. Plut. Fab. 15 xö v xöxxivoc fricip Tfjc otpatT)fixfK OXTIVTJC 6iaitivö|uvoc.)- Servius (ad /.) erklärt ausführlich die Mobilmachung vermittels verschiedenfarbiger vexilla. Zu den traditionellen Ritualen der Kriegserklärung durch die Fetialen WISSOWA Religion und Kult 550—554. Zwar könnte man annehmen, daß noch weitere, uns verlorene Quellen über diesen Brauch berichtet hätten, doch setzt die Argumentation des Arnobius unbedingt eine Praxis voraus, die der Leser als eine in alten Zeiten geübte, mittlerweile aber außer Gebrauch gekommene kennt. Aligemeine Vertrautheit kann Arnobius aber fast nur
II.5.2
Die Vergilzitate
293
wird. Vergil wird also als Quelle zur Vorgeschichte Roms herangezogen und vorausgesetzt. Der Leser muß die zum Verständnis des Folgetextes notwendige Information aus dem Anfangsvers des achten Aeneisbuches schöpfen, vielleicht einschließlich eines von zeitgenössischer Vergilerklärung zur Stelle mitgegebenen Hinweises auf einen alten Brauch. 2,70ab (M. 147,20; 148,4) Nam si verum est ex Saturno atque eius uxore Iovem suis cum fratribus procreatum, ante nuptias et partus Opis nusquam fuerat Iuppiter, Iuppiter tarn supremus quam Stygius, nusquam sali dominus, nusquam Iuno, quinimmo aliv£ nullus genitoribus duobus exceptis caeli habitabat in sedibus, sed ex eorum concubitu concepti et nati sunt et spiritum hausere vitalem. /.../ Rursus vero si Liber Venus Diana Mereurius Apollo Hercules Musae Tyndaridae Castores ignipotensque Vulcanus Iove patre sunt proditi et genitore Saturnio procreati, ante quam Memoria, quam Alcumena Maia Iuno Latona Leda Dione, tum et Semela Diespitri factae sunt compressionibus fetae, nusquam et hi gentium nee in aliqua parte rerum fuere naturae, sed ex conventu lovis inseminati et nati sunt et aliquem sensum sui habere coeperunt Auch die heidnischen Götter, so die Argumentation in Kapitel 70, träten im geschichtlichen Rahmen, das heißt nacheinander in genealogischer Folge hervor. Für die Generation des Jupiter erwähnt Arnobius neben dem Göttervater (Iuppiter supremus) Pluto als Iuppiter Stygius, eine Bezeichnung, die er auch anderer Stelle verwendet, nat. 3,31: Nullus deus est omnino Neptunus, atque ita tollitur et removetur e medio Stygii frater lovis Olmypiique germanus. Dieser Ausdruck mag von Vergils Iuppiter Stygius (Aen. 4,63s)1 beeinflußt sein, doch könnte ein inschriftlicher Beleg aus dem zweiten oder ersten Jahrhundert vor Christus (CIL I 1920 sacra Stygio lovi) auch auf einen, etwa im Totenkult, üblichen Ausdruck verweisen.2 Das Adjektiv ignipotens, das Arnobius dem in der Reihe der Jupitersöhne aufgeführten Vulkan beigibt, ist hier erstmals seit Vergil (Aen. 12,90 ignipotens deus) in Prosa belegt.3 Wenn auffälligerweise unter den genannten Göttern nur Vulkan ein poetisches Epitheton bei sich hat, so dient das der Hervorhebung des Schlußgliedes, vielleicht aber auch der Ironisierung der wenig heroischen Gestalt.4
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für Vergil, keinesfalls aber für eine bestimmte antiquarische Quelle voraussetzen, nicht einmal für Varro. Aen. 4,638 sacra lovi Stygio, quae rite ineepta parnvi, / perficert est animus finemque imponere curis / Dardaniique Togum capitis permittere flammae. Zum Gebrauch des Adjektivs Stygius THOME 194—200, hier vor allem 197.199 Anm. 483; zur Vorstellung von einem 'anderen* bzw. 'unterirdischen* Zeus R. MUTH, Einführung in die griechische und römische Religion, Darmstadt 19982, 122; WEST ad Hes. op. 465 (276). Cf. ThLL VII, 1 s.v. ignipotens 288,36—44: seit Vergil, adjektivisch nur Aen. 12,90 und, abhängig davon, Arnob. nat. 2,70 (37sq.). JIRANI (415; mit gewisser Zurückhaltung SITTE \43sq.) weist darauf hin, daß die auf-
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II.5
Amobius
2,71 (M. 150,2sq.) Quis Picum, Fauni patrem atque avum Latini [sc. genuitj? Satumus, ut vos idem vestris scriptis atque auctoribus traditis. Ergo si haec ita sunt, sequitur ut Picus et luppiter germanitatis sibi sociati sunt iure, utpote uno ex sangue unoque ex semine procreati. Consentaneum est ita esse quod dicitur. Ab love et Pico quot sunt generis usque ad Latinum gradus? Trini ut indicat series. Vultis Faunus, Latinus et Picus annis vixerint vicenis atque centenisf Ultra enim negatur posse hominis vita produci. Aestimatio iusta et liquida est Trecenti ergo sunt pleni et sexaginta post hos anni? Res ita est, ut indicat supputatio. Cuius socer Latinus fuit? Aeneae. (Aeneas) genitor cuius? (Ascanii) Albani oppidi conditoris. Quot apud Albam regnatum est annis? Quadringentis et prope bis denis. Aetatis urbs Roma cuius esse in annalibus indicatur? Annos ducit quinquaginta et mille aut non multum ab his minus. Ergo ab love, qui frater est Pici quique pater est minorum et reliquorum deorum, anni ad haec tempora prope milia duo sunt aut pleni, ut largiamur aetati. Auch die heidnische Religion habe erst entstehen müssen, sei also einmal neu gewesen wie jetzt das Christentum. In diesem Zusammenhang verweist Amobius auf die genealogische Abfolge Saturn, Picus, Faunus, Latinus. Mit dieser Reihe leitet auch Vergil seine Exposition der Zustände in Latium ein, Aen. 7,45b—49: Rex arva Latinus et urbes iam senior longa placidas in pace regebat. hunc Fauno et nympha genitum Laurente Marica accipimus; Fauno Picus pater, isque parentem te, Saturne, refert, tu sanguinis ultimus auctor. Diese Genealogie scheint auf Vergil selbst zurückzugehen1, vor allem in bezug auf Latinus, den eine ältere Tradition als Sohn der Kirke kennt,2 sowie auf Picus3, und wird von späteren Autoren übernommen4. Zwar ist diese Versi-
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gezählten Götter (bis auf Liber und Semele) in den auch Arnob. nat. 4,14 rezipierten Kapiteln Cic. nat. 3,53—60 erwähnt werden, die somit als Quelle in Frage kommen. Lage tatsächlich die Cicero-Passage zugrunde, die Vulkan keine Attribute beigibt, käme in der Verwendung des poetischen Epitheton Amobius1 stilistischer Gestaltungswille besonders zum Ausdruck. So etwa FORDYCE ad i 67; für Naevius als Vorbild Vergils W. SCHUR, 'Latinus 1\ RE 12.1 (1924) 932sq. SCHUR (RE 12,1 [1924] 92Ssq. 932sq.) zu den drei Varianten für die Herkunft des Latinus: auf: 1. Sohn des Odysseus und der Kirke, 2. Sohn der Kirke und des Telemachos, 3. (wie Verg. Aen. 7,47) Sohn des urlatinischen Faunus und einer Nymphe. Schon Ennius bezeichnet die Einwohner von Latium sofort als Latiner (fr. 22 V.), ähnlich vielleicht auch schon Naevius. Cf. G. ROHDE, 'Picus', RE 20,1 (1941) 1214 mit den zahlreichen weiteren Belegen dieses genealogischen Zusammenhangs (etwa lustin. 43,1,6; Lact. inst. 1,22,9); abweichende Varianten: 1. Picus heißt auch Sohn des Sterces oder Stercutius (Aug. civ. 18.15; Serv. Aen. 10,76); Stercutus (Isid. orig. 17,1,3) oder Sterculinus (Tert. nat. 2,9), was auf die Gleichsetzung von Sterces mit Satumus zurückgeht, auf die Augustin, Isidor und Macr. Sat. 1,7,25 hinweisen; 2. Donat. Aen. 7,14,21 Georg.: Sohn des Faunus; 3. Dion. Hai. ant. 1,31 und Appian. reg. 1: Sohn des Ares. So läßt sich in den folgenden Fällen die Benutzung eben dieser Version erkennen: lust.
II.5.2 Die Vergilzitate
295
on zur Zeit des Arnobius schon verbreitetes Gemeingut geworden, jedenfalls zitiert Arnobius sie ausdrücklich als solches (ut vos idem vestris scriptis atque auctoribus traditis), doch kennt der Gebildete sicher die Vergilstelle als Ausgangspunkt und locus classicus. Ein weiteres Anzeichen für die — entgegen den von SITTE erhobenen Einwänden1 — kaum zweifelhafte Präsenz des Dichters an dieser Stelle sind außerdem die Hinweise auf Latinus als Schwiegervater des Aeneas, was an den zweiten Teil der Aeneis denken läßt, und auf Jupiter als Bruder des Picus (sequitur ut Picus et luppiter germanitatis sibi sociati sint iure), was sich, wie GIERLICH bemerkt,2 auch an anderer Stelle (Aen. 7,48sg.) bei Vergil findet. Arnobius legt also, da er sich ja ausdrücklich (ut vos fertis) auf anerkannte mythologische Aussagen berufen will, die sicherlich seiner Leserschaft vertraute Genealogie der Aeneis zugrunde, ohne sich freilich ausdrücklich auf Vergil zu beziehen.
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43,1,53(7. (c/. O. SEEL, Die justinischen Handschriftenklassen und ihr Verhältnis zu Orosius, SIFC 11 [1934] 255—288; 12 [1935] 5—40); Lact. inst. 1,22,9; epit. 17,lsg.; Aug. civ. 18,15; Isid. orig. 12,7,47. Ausdrücklich gegen Vergil als Vorlage wendet sich SITTE (75—77) mit drei Argumenten: (1) Für die Genealogie des Janus 3,29 (Ianum, quem ferunt Caelo atque Hecata procreatum [...] patrem Fonti, Vulturni generum, Iuturnae maritum) liege dem Arnobius eine (nicht erhaltene) christliche Apologie, die ihrerseits Labeo benutze (c/. 48.54), zugrunde; aus dieser Quelle schöpfe Arnobius, wie das Vorkommen der Genealogie des Saturn zeige, auch hier. (2) "(D]ie angeführte Vergilstelle [stimmt] nur wenig mit Arnobius übereiii[...]" (76). (3) Man dürfe "für Arnobius, wie das Gesamtkonzept seines Werkes zeigt, nicht die Benutzung unzähliger Quellen annehmen" (76), vielmehr müsse man sich uauf einige beschränken [...], die Arnobius auf seine Weise ausgeschöpft und kontaminiert hat." (76sq.) — Diese Argumente sind letztlich nicht stichhaltig: (ad 1) Abgesehen davon, daß eine Argumentation mit einer nicht uur verlorenen, sondern in ihrer Existenz überhaupt nur postulierten Quelle immer hypothetisch bleiben muß, überzeugt der kühne Analogieschluß nicht, mit dem SITTE seine Erkenntnisse über 2,29 auf 2,71 überträgt: Das Vorkommen einer Genealogie an zwei Stellen bedeutet keineswegs, daß beide Stellen auf dieselbe Quelle zurückgehen müssen. Vielmehr handelt es sich bei der Genealogie um ein grundlegendes, anthropologisches Gliederungsschema, dessen auch mehrmalige Verwendung keine so spezifischen Rückschlüsse erlaubt, (ad 2) Tatsächlich gibt es keine sprachlichen Parallelen zwischen Arnobius und Vergil im Sinne eines wörtlichen Zitates. Doch ist. wie oben gezeigt, nach dem erhaltenen Quellenbefund die sachliche Übereinstimmung so auffallend, daß ein Zusammenhang vermutet werden muß, zumal angesichts der Existenz genealogischer Varianten, die SITTE gar nicht erst berücksichtigt, (ad 3) Damit setzt SITTE im Grunde voraus, daß Arnobius erstens eine nur ungefähre Kenntnis der Aeneis habe, daß er zweitens, um sie zu Rate zu ziehen, erst nachschlagen müsse, ob sich wohl etwas zum behandelten Thema Gehöriges finde, und daß er drittens dies hier unterlasse, da er eben nicht 'unzählige Quellen' benutzen könne oder wolle. Solche Annahmen widersprechen aber nicht nur den hier gesammelten Beobachtungen über die Vergilbenützung des Arnobius — übrigens spricht SITTE selbst an anderer Stelle (146) davon, daß man "die Kenntnis Vergils und Ovids doch einigermaßen noch annehmen" könne —, sondern letztlich allem, was über die Rolle der Aeneis in der Bildung im allgemeinen und in der rhetorischen Ausbildung im besonderen als gesichert gilt. Vergil ist also nicht, wie SITTE es hier tut, als Quelle im historiographischen Sinne anzusehen, wenngleich er natürlich als solche verwendet werden kann, sondern als apriorisch präsenter Prätext. Ad i 350.
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II.5
Arnobius
2,78 inimicae mortis reperiamur in faucibus: Siehe oben (290) zu 2,53. 3,1 (M. 159,12) Suis illa [sc. religio Christiana] viribus et veritatis propriae fundaminibus nititur nee spoliatur vi sua, etiamsi nullum habeat vindicem, immo si linguae omnes contra faciant contmque nitantur et ad fidem illius abrogandam consensionis unitae animositate conspirent. und 6,7 (M. 314,21) Quis est, inquam, qui non sciat ex fundaminum sedibus caput hominis evolutum non ante plurimum temporis aut solum sine partibus ceteris — hoc enim quidam ferunt — aut cum membris omnibus humationis officia sortitum? Arnobius übernimmt das seit Vergil (georg. 4,161) dichtersprachlich übliche fundamen in die Prosa.1 Da er fundamen zweimal im Plural, fundamentum einmal im Singular (1,31) verwendet, läßt sich dieser Wortgebrauch nicht nur mit einer Tendenz zu einer gesucht poetischen Diktion, sondern vielleicht auch mit prosodischen und rhythmischen Erwägungen erklären.2 3,9a (M. 166,11) Quid ergo? dicemus deos proereare, deos nasci, et ideirco his additas genitalium membrorum partes, ut sufficere prolem possent, et nova quaque suboriente fetura quiequid prior aetas abstulisset reeidiva substitutio subrogaret? Im Rahmen der retorsio des gegen die Christen erhobenen Vorwurfes der impietas greift Arnobius im ersten Teil des dritten Buches (Kapitel 6—28) die Anthropomorphie des heidnischen Gottesbildes, zunächst (Kapitel 6— 11) die Vorstellung von geschlechtlichen Göttern auf. Hier fragt Arnobius polemisch nach dem Sinn der genitalia membra der heidnischen Götter. Die Formulierung prolem sufficere verwendet Vergil in seinen Anweisungen für die Rinderzucht, georg. 3,64sq.: /.../; mitte in Venerem pecuaria primus, atque aliam ex alia generando suffice prolem. Auch heißt es georg. 4,202 sufficiunt von der Fortpflanzung der Bienen. Apuleius (Socr. 4 p. 127) nimmt die Wendung in einer Beschreibung der condicio humana auf. Wahrscheinlich wählt Arnobius hier eine vergilisch inspirierte Formulierung3 — in diesem Zusammenhang ist auch die Häufung des Präfixes sub- zu beachten4 —, vielleicht will er auch in subtiler Polemik die heid1
Cf ThLL VI,1 s.v. fundamen 1549,515g. LE BONNIEC ßchos oviäiens \4\sq. verweist angesichts der zahlreicheren Belege bei Ovid auf diesen als Quelle, siehe oben 262 Anm. 4.
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So VAN DER PUTTEN ad i 29.
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Keine weiteren Belege im PHI 5.3-Corpus sowie nach OLD und FORCELLINI S.V. sufficio, cf VAN DER PUTTEN ad i 84. SPINDLER (5.12) verweist auf Lukrez (etwa 3,704 disperit atque aliam naturam sufficit ex $e) als Vorbild für die Verwendung von sufficere im Sinne von suppeditare.
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Cf. VAN DER PUTTEN ad i
84.
II.5.2
Die Vergilzitate
297
nischen Götter vermittels der Anspielung auf die Georgika mit animalischer Existenzform in Verbindung bringen.1 3,9b (M. 166,165^.) Ergo si haec ita sunt, si dii procreant superi et si per {terre)nas leges experiuntur se sexus, suntque imrnortales nee frigoribus fiunt senectutis effeti, sequitur ut debeant pleno, esse diis omnia neque innumeros caelos eorum capere multitudinem posse, siquidem et ipsi perpetuo generant et per suboles subolum multiplicata semper innumerabilitas ampliatur: [•■■]
Unmittelbar im Anschluß führt Arnobius die Argumentation in Richtung eines schon in der paganen Literatur geläufigen2 und dann von den christlichen Apologeten für die Kritik an heidnischen Gottesvorstellungen übernommenen3 Gedankens weiter: Wo sollten all die unsterblichen und doch sich unablässig vermehrenden Götter nur Platz haben? Die Wendung plena esse diis omnia jedoch geht auf eine pantheistische Formel zurück: erstmals belegt bei Thaies (DK A 22 ndvxa 7iXTJpT| 8eöv, zitiert etwa Cic. leg. 2,26), dann in stoisches Denken übernommen, so etwa in Arats Phainomena (1—4). Daran lehnt sich wiederum Vergils (ecl. 3,60) ab love principium Musae: lovis omnia plena an, wie schon die antike Vergilerklärung erkennt4. In dieser TVadition sucht Minucius Felix (32,7, dazu oben lb9sqq.) die christliche Vorstellung von der Gegenwart Gottes zu veranschaulichen. Auch spätere Belege bezeugen die Bekanntheit der Formel, etwa bei Synimachus (rel. 3,5 omnia quidem plena sunt), bei Macrobius als Zitat des Vergilverses (somn. 1,17,14) und bei Augustinus (cons. evang. 1,23,31). Vergil scheint also als Vermittler der von Arat formulierten stoischen Gedanken eine gewisse Rolle zu spielen. Arnobius bringt ein oft, nicht zuletzt bei Vergil, zitiertes stoisch-pantheistisches Theologumenon, an das Minucius Felix positiv anknüpft, als mit einem Topos der apologetischen Götterkritik zusammen und erreicht so eine polemische Spitze. Das hat eine Parallele Laktanz, inst. 1,16,6: Nascuntur ergo et cotidie quidem dii novi: nee enim vineuntur ab hominibus feeunditate. igitur deorum innumerabilium plena sunt omnia, nullo scilicet moriente. In diesem Sinne auch SANTORELLI (245): u[L]'ardita ripresa quindi porta le divinitä sullo stesso piano di un ottuso armento che puö dare il meglio di se solo riproducendosi inst int ivamente." Cic. nat. 1,50 (c/. PEASE ad i I 326sg.); Plin. nat. 2.16. — In der Formulierung innumeros caelos sieht VAN DER PUTTEN (ad /., 87) eine Anspielung auf die epikureische Lehre von einer unendlichen Anzahl von Welten. Zuerst und ausführlich bei Theophilos (2,3; mit Zitat aus den oracula Sibyllma fr. 2 GEFFCKEN), daraus übernommen (so BEAUJEU ad /., 126) von Minucius Felix (24t4 ceterum st dii creare possent, intenre non possent, plures totis hominibus deos haberemus, ut iam eos nee caelum contineret nee aer caperet nee terra gustaret. Cf. PELLEGRJNO ad /.), später von Laktanz (inst. 1,16,6—10) und in der oratio ad sanetum coetum (4 El 6' iSdvaxoi ol ftwuticvoi, yiwamai 61 &ti, nXrimxupeiv ivdfxri 16 fivoc. npooOV|XT)c &' iicifivotiivTK, tic &v oupavöc, noia hl yf\ xoooutov ou.f)voc lmyiyv6\Livov 6räv ixupTptv;). Serv. ad /.; Macr. somn. 1.17,14; anders teilweise die modernen Kommentatoren, etwa COLEMAN ad l.
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II.5
Arnobius
3,13 (M. 171,2159.) Quodsi ea quae prompta sunt, consentaneum est et illa portari quae sub costis earumque sub cratibus cutes contegunt atque omentorum membranulae, gurguliones ventriculos lienes pulmones vesiculas iecora, intestinorum volubilium tractus et per omnia viscera commeantes purpurei sanguinis venas cum arteriis spiritalibus coniugatas. In den Kapiteln 12 bis 17 wendet sich Arnobius gegen anthropomorphe Vorstellungen von der äußeren Gestalt der Götter. Diese Analogie müsse sich dann ja, so argumentiert Arnobius hier, auch auf die Anatomie der Götter in ihrem Inneren erstrecken. Der dabei verwendete Parallelismus sub costis earumque sub cratibus kommt dem vergilischen (Aen. 12,508) transadigit costas et cratis pectoris ensem nahe. Das bildliche crates neben costae findet sich von dem häufig zitierten Vers an bei Ovid und einmal bei Apuleius, aber nicht parallel: met. 4,12 difissaque crate costarum.1 Der Parallelismus des Ausdrucks macht es wahrscheinlich, daß Arnobius bewußt auf die vergilische Formel zurückgreift, die seiner Darstellung nicht nur einen color poeticus verleiht, sondern assoziativ auch die Vorstellung von der Verwundbarkeit der Götter hervorruft. 3,21 (M. 179,6) Vestis indigent [sc. die heidnischen Götter] tegmine: ut virgo Tritonia curiosius stamen neat et qualitate pro temporis aut trilices tunicas aut de serico (cur)et imponere. In den Kapiteln 20 bis 28 des dritten Buches setzt sich Arnobius mit den Aktivitäten der heidnischen Götter auseinander, die entweder selbst in menschlicher Weise tätig oder als dii tutelatores für die merkwürdigsten Lebensbereiche zuständig seien. Die Bezeichnung virgo Tritonia, mit der er in einer Aufzählung die mit Wollarbeiten beschäftigte Athene/Minerva benennt, hat ihre Entsprechung in einer Gebetsanrufung bei Vergil, Aen. 11,483: 'Armipotens, praeses belli, Tritonia virgo, frange manu telum Phrygii praedonis /.../.' Die Ausdrucksweise findet sich häufiger in der nachvergilischen Dichtersprache, und zwar regelmäßig am Versschluß.2 Die Inversion bei Arnobius soll, wie schon BÜRNER (37) zu Recht annimmt,3 den auffälligen Hexameterschluß beseitigen. Durch die epische Bezeichnung der Göttin verdeutlicht Arnobius in ironischer Weise die Diskrepanz zwischen der machtvollen, kriegerischen 1
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Cf ThLL IV s.v. cratis 1112,32-51: ab Verg. Aen. 12,508 (spät öfter zitiert) in diesem Sinn, in Prosa Apul. met. 4,12, zudem Arnob. nat. 3,13 und Prud. perist. 11,57; cf Tert. resurr. 42 Gigantum cadavera /.../, quorum crates adhuc vivunt; Lact. opif. 5,5 ut Mius solidae cratis [sc. costarum] amplexu possent esse munita; cratis und costae als fester Ausdruck übertragen Iord. Get. 75. Cf. Sil. 9,479; 13,57; Stat. Theb. 2,684; silv. 1,1,37; Val. Fl. 7,442; dazu OLD s.v. TYitonius: Verg. Aen. 5,704 Tritonia Pallas; Val. Fl. 7,442 ubi nunc Tritonia virgo?; Stat. Theb. 2,684; als Substantiv: Verg. Aen. 2,171 ea Signa dedit Tritonia; Ov. met. 5,250 comitem Tritonia fratri se dedit; fast. 6,665; Stat. Theb. 10,895; Ach. 1,486. Cf MCCRACKEN ad l. I 357 Anm. SANTORELLI 244.
So auch
101.
II.5.2
Die Vergilzitate
299
Gottheit und ihrer banal menschlichen Handarbeit. In seiner Kritik an der paganen Opferpraxis nimmt Arnobius die Rede von der virgo Tritonia nochmals auf, 7,22 (M. 368,13): Nam $i, quia virgo Tritonia est, idcirco ei convenit virgines hostias immolari, [...] ergo et musicis Apollo, quod musicus, [...}. Wiederum steht sie in einer Aufzählung von Göttern mit ihren Attributen beziehungsweise Tätigkeitsfeldern, diesmal jedoch benötigt Arnobius zur Vorbereitung der Pointe die Analogie von virgo und virgines hostias. 3,29 (M. 187,195g.) Atque ita ex ordine tolletur et iste [sc. Saturnus] caelestium, quem Caelo esse editum patre, magnorum esse procreatorem deorum, vitisatorem falciferum vetustas edidit prisca et minorem transmisit aetatem. In den Kapiteln 29 bis 44 zeigt Arnobius die Widersprüche und Bedenken der Christen gegenüber der paganen Lehre von den Göttern auf. Er beginnt zunächst (Kapitel 29—36) mit einzelnen Götter, ausgehend von Ianus und Saturn. Für diesen verweist Arnobius auf den Widerspruch zwischen der Allegorese Kpövo? zu XP^S einerseits, die auf einen gänzlich ungeigneten Gottesbegriff hindeute (3,29 quis est tarn demens, qui tempus esse dicat deum (...}?), und andererseits auf das Verständnis als Göttervater und Gott des Weinbaues, wie ihn die vetustas prisca kenne. Die dabei verwandten Epitheta vitisator und falcifer lassen an einen Abschnitt aus der vergilischen fcx^paoi? des Palastes des Latinus denken, Aen. 7,179 (177—182): Quin etiam veter*um effigies ex ordine avorum antiqua e cedrof Italusque paterque Sabinus vitisator curvam servans sub imagine falcem, Saturnusque senex Ianique bifrontis imago vestibulo astabant, aliique ab origine reges Martiaque ob patriam pugnando vulnera passi. Für den Vers 179 läge zwar ein Bezug auf Saturn gedanklich näher, der Text läßt aber nur eine Referenz auf Sabinus zu.1 Möglicherweise hat also Arnobius, vielleicht eher aufgrund eines abweichenden Textverständnisses2 als aufgrund eines Merkfehlers, aus dieser Vergiisteile die Bezeichnung vitisator und den Hinweis auf die falx übernommen:3 Das seltene vitisator nämlich erscheint zwar schon bei Accius, aber dort für Dionysos (trag. 241 o Dionyse vitisator). Unter den erhaltenen Belegen weist nur der Vergilvers einen wenigstens mittelbaren Zusammenhang mit Saturn auf.4 Das dichterische So ad /. PAGE 162, FORDYCE 99, PARATORE (158sg.
Siehe unten 342 Anm. 1. So auch schon COURCELLE Lecteurs 532 Anm. 54bis. OLD s.v. vitisator nennt neben der Accius- und der Vergiisteile nur CIL VIII 20249, eine Inschrift aus Ain—Kebira in Nordafrika, ebendaher stammt ein weiterer Beleg, CIL VIII 8391,7 = CE 1623,7, in beiden Fällen läßt sich kein Bezug mehr erkennen; manche Handschriften lesen außerdem Ov. fast. 7,726 vitisator statt des wohl richtigen vilis anus — allerdings wäre es dort, wie auch Anth. 751,1 Lenaee vitisator Bromie Semeleie
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II.5
Arnobius
falcifer findet sich zwar erst seit Ovid als Epitheton für Saturn, vor allem in der Verbindung falcifer senex1, doch ist das Winzermesser, die /oix, übliches Attribut des Saturn, auf das Arnobius auch an anderer Stelle (6,2 Saturnus cum obunca falce custos ruris) Bezug nimmt.2 Arnobius versteht demnach Saturnusque senex als polysyndetischen Anschluß an die vorausgehenden Epitheta, die er auf Saturn bezieht, vielleicht unter dem Einfluß der seit Ovid (fast. 5,627) in der Dichtung gebräuchlichen Metonymie falcifer senex, die eine Verbindung der Verse 179 und 180 insinuiert. Daß jedenfalls Arnobius genau diese Szene mit der Beschreibung der althergebrachten Götterbilder im Palast des Latinus vor Augen hat, zeigt das ebenfalls übernommene ex ordine? Er sucht offenbar eine klassische Ausdrucksform für die Tradition (vetustas edidit prisca) von Saturn als Gott des Weinbaues und glaubt, sie bei Vergil zu finden. 3,30 (M. 188,859.) Iam vero Iunonem opinatio nonne consimilis deorum tollit e censu? Nam si aer illa est, quemadmodum vos ludere ac dictitare consuestis Graeci nominis praeposteritate repetita, nulla soror et coniunx omnipotentis repperietur Iovis, nulla Fluvionia, nulla Pomana, nulla Ossipagina, nulla Februtis Populonia Cinxia Caprotina, atque ita repperietur inanissima esse istius nominis fictio opinionis vacuae celebritate vulgata. Die paganen Aussagen über Juno sucht Arnobius ad absurdum zu führen, indem er die Allegorese von "Hpa zu if|p 4 einerseits und andererseits mythologische, ihr Verhältnis zu Jupiter als dessen Schwester und Gattin, und kultische Aspekte gegenüberstellt. Die dabei verwendete Formel soror et coniunx erscheint bei Vergil gegen Ende des Monologes der Juno zu Beginn des ersten Aeneisbuches, Aen. 1,465?.: ast egof quae divum incedo regina Iovisque et soror et coniunx, una cum gente tot annos bella gero. Allerdings handelt es sich dabei um Epitheta, die seit Homer häufig in der Dichtung vorkommen.5 Cicero greift sie in einem ähnlichen Kontext wie Ar-
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Bacche, auf Bacchus/Dionysos zu beziehen, nicht auf Saturn. Cf. Lucr. 2,1168sq. tristis item vetulae vitis sator atque (vietae) / temporis incusat nomen saeclumque fatigat. Zum Hintergrund der Bezeichnung für Sabinus etwa Servius ad 179: vitisator: non inventor vitis, sed qui vitis genus demonstravit Itaiis populis. Cf. ThLL VI,1 s.v. falcifer 175,56-65: seit Lucr. 3,642 currus, als Epitheton für Saturn ab Ov. Ib. 216; erster Prosabeleg Arnob. nat. 3,29. So etwa bei Vergil selbst georg 2,405—407 tarn tum acer curas venientem extendit in annum / rusticus, et curvo Saturni dente relictam / persequitur vüem attondens fingitque putando. Cf. MYNORS ad l. 153 Sollte das ex ordine überdies darauf hindeuten, daß Arnobius die Szene als eine mit Saturn beginnende Aufzählung alter Götter erinnerlich ist? — Dann wäre Vergil hier wiederum als Quelle für Antiquarisches benutzt — und zwar mit einem Fehler, der zeigt, daß Arnobius aus der Erinnerung zitiert. Zu diesem stoischen Theologumenon MCCRACKEN ad i 363 Anm. 169; POHLENZ I 43. II. 16,432 "HpTiv 6i npooüin* xaoi-rvVrcnv &Xox<Sv ti, cf. 18,356; h. Hom 12,3; Hör. carm. 3,3,64; Ov. met. 3,265*?. etc.
II.5.2
Die Vergilzitate
301
nobius auf, nat. 2,66 aar Iunonis nomine consecratur, quae est soror et coniunx lovis, quod ei et similitudo est aetheris.1 Diese Passage wäre als Vorbild für Arnobius ebenfalls in Betracht zu ziehen: In diese Richtung weisen die gemeinsamen Stichworte nomen und similitudo / consimilis sowie der unmittelbare gedankliche Zusammenhang zwischen der Göttin des Äthers und der Gattin Jupiters. Anders als Tertullian, der die Formel apol. 25,8 (dazu oben 52) zusammen mit anderen Versen aus der Junorede zitiert und damit den Vergilbezug eindeutig macht, greift Arnobius offenbar eher ein Theologumenon der poetischen Theologie als eine Vergilstelle auf. Es geht Arnobius um den traditionellen Ausdruck, der Kontext legt weder eine Anspielung auf die besondere Machtfülle, wie bei Tertullian, noch auf das inzestuöse Verhältnis zu Jupiter nahe.2 3.31 (M. 188,21/189,1) Quodsi accipit res fidem, nulla est ergo Metis filia, nulla Victoria est, nulla lovis enata de cerebro inventrix oleae, nulla magisteriis artium et disciplinarum varietatibus erudita. Wie für Juno im vorausgehenden Kapitel, so stellt Arnobius hier für Minerva abstrahierende und etymologische Deutungen als Luna, als aetherius Vertex oder als memoria den mythologischen Bestimmungen der Göttin gegenüber. Die in diesem Zusammenhang verwendete Bezeichnung inventrix olivae für Minerva erscheint erstmals in der Götterepiklese des Georgikaproömiums, georg. 1,185g.: adsis, o Tegeaee, favens, oleaeque Minerva / inventrix. Arnobius nimmt hier also, wie der Verfasser der pseudo-quintilianischen Deklamationen (13,19), auf ein bekanntes Epitheton und Attribut der Göttin Bezug,3 indirekt wohl auch auf den Wettkampf zwischen Poseidon und Athene, dem nach dem bekannten Mythos der Olivenbaum seine Entstehung verdankt.4 3.32 (M. 189,16) Mercurius etiam quasi quidam Medicurrius dictus estt et quod inter loquentes duo media currat et reciprocetur oratio, nominis huius concinnata est qualitas. Ergo si haec ita sunt, non est dei Mercurius nomen sed sermonis reciprocantis et vocis, atque ita hoc pacto aboletur et extinguitur caduceator ille Cyllenius in algido fusus monte, verborum excogitator et nominum, nundinarum mercium commerciorumque mutator. 1 2
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Cf. PEASE ad i II 717 mit Verweis auf Arnob. nat. 3,30 und Aug. civ. 4,10. Mit anderer Akzentuierung interpretiert SANTORELLI (245) die Arnobiusstelle: u Anche qui la situazione e i valori di Virgilio sono essattamente capovolti e l'onnipotenza di Giove e citata solo per essere negata." — Das geht am Wesentlichen vorbei, denn Arnobius geht es ja höchstens in zweiter Linie um eine Polemik gegen Jupiter oder Juno; primär will er die Widerspruch!ichkeit paganer theologischer Ansichten und Aussagen offenlegen. Außerdem liegt keine dezidierte Vergilreferenz vor, da das Motiv bekannt und die sprachliche Ausgestaltung unauffällig sind. Cf. ThLL VII,2 s.v. inventrix 158,42—46. auch Aug. civ. 18,12. W. FRENTZ, Mythologisches in Vergils Georgica, Meisenhaim am Glan 1967, 32. Callim. fr. 194,66—77 PFEIFFER, Apollod. 3,14,1; Plin. nat. 16,240; Serv. Aen. 8,128; georg. 1,12.
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II. 5
Arnobius
Wie für andere Götter, so erörtert Arnobius auch für Merkur dessen allegorische Deutung. Dieser Interpretation als sermo reciprocans et vox stellt er die traditionelle Ansicht des Gottes gegenüber. Letztere gestaltet er mit vergilischer Diktion aus: Wie schon im ersten Buch (1,36c, dazu oben 276), greift Arnobius auf die Verse Aen. 8,138sg. zurück: Vobis Mercurius pater est, quem Candida Mala Cyllenae gelido conceptum vertice fudit. Dabei wird aus dem dichterischen gelido [...] vertice das inhaltsgleiche in algido /.../ monte, der Name des Berges steckt im Herkunftsattribut. Die Vergilstelle wird wie im Kapitel 1,36 als locus classicus für die Geburt des Merkur zitiert, wobei oben der Nachdruck auf der Mutter (Merkur als Sohn der Maia), hier auf dem Ort (Cyllenius) liegt. Wie schon oben verdichtet Arnobius auch hier die geläufigen dichterischen und mythologischen Attribute in parodistischer Übertreibung. 3,33 (M. 190,22sg.) Quid, eum Liberum Apollinem Solem unum esse contenditis numen vocabulis amplificatum tribus, nonne sententiis vestris deorum imminuitur census et opinio praedicata dilabitur? Nam si verum est, solem eundem Liberum esse eundemque Apollinem, sequitur ut in rerum natura neque Apollo sit aliquis neque Liber, atque ita per vos ipsos aboletur, eraditur Semeleius, Pythius, alter faeculentae hilaritatis dator, Sminthiorum alter pemicies murum. Für Bacchus und Apoll verweist Arnobius auf den Widerspruch zwischen beider Interpretation als sol und den traditionellen Verständnisweisen der Götter. Die dabei für Bacchus verwendete Bezeichnung als hilaritatis dator erscheint in ähnlicher Form bei Vergil in Didos Götteranrufung zu Beginn des Gastmahls für die TYojaner, Aen. 1,734: adsit laetitiae Bacchus dator et bona Iuno. Das Wort dator erscheint schon bei Plautus für menschliche Schenkende, als Gottesbezeichnung mit einem Genitivattribut erst von Vergil an, wird aber in dieser Form ab Tertuilian gerne in der christlichen Literar tur verwendet,1 dreimal auch von Arnobius.2 Ein vergilischer Einfluß auf die Benennung des Bacchus als hilaritatis dator erscheint denkbar, doch bleibt 1
2
Cf. ThLL V s.v. dator AI sq. als Gottesprädikat mit Genitivattribut Aen. 1,734, davon abhängig ( 4 1 , 4 0 J ? . ) Carm. epigr. 1504 C 44 laetitiae dator Lyaeus (dazu R.P. HOOGMA, Der Einfluß Vergib auf die Carmina latina epigraphica, Amsterdam 1959, 236) und Arnob. nat. 3,33 feculantae hilaritatis dator (i.e. LiberJ; — für den christlichen Gott sehr häufig ab Tert. test. anim. 2. 1,49 Et quoniam benefida salutis datae aliorum numinum comparatis et Christi, quot milia vultis a nobis debilium vobis ostendit quot tabificis adfectos morbis niälam omnino rettulisse medicinam, cum per omnia supplices irent templa, cum deorum ante ora prostrati limina ipsa converrerent osculis, cum Aesculapium ipsum datorem ut praedicant sanitatis, quoad Ulis superfuit \rita, et precibus /atigarent et invitarent miserrimis votisf 2,65 Si enim patrem creditis Liberum dare posse vindemiam, medicinam non posset si Cererem fruges, si Aesculapium sanitatemf si Neptunum aliud, aliud posse lunonem, Fortunam Mercurium Volcanum rerum esse singulos certarum ac singularum dolores: et hoc necesse a nobis est ut debeatis accipere, ab nullo animas posse vim
II.5.2
Die Vergilzitate
303
aufgrund der Geläufigkeit solchen Typs der Gottesprädikation und angesichts dessen, daß eine derartige Bezeichnung für Bacchus naheliegt,1 die Referentialität gering. 4,1 (M. 203,15?.) Interrogare vos libet ipsosque ante omnia Romanos, dominos rerum ac principes, utrumne existimetis Pietatem Concordiam Salutem Honorem Virtutem Felicitatem ceteraque huiusmodi nomina quibus aras videmus a vobis cum magnificis exaedificatas delubris vim habere divinam caelique in regionibus degere an ita ut adsolet dicis causa, ex eo quod optamus et volumus bona ista nobis contingere, superorum retuleritis in censum. Zu Beginn des vierten Buches, dessen erster Abschnitt (Kapitel 1—12) den speziell römischen Göttern gewidmet ist, spricht Arnobius seine Leser an als Romanos, dominos rerum ac principes. Damit greift er den ersten Teil eines öfter zitierten Verses2 aus der Verheißung des Jupiter im ersten Aeneisbuch auf, 282 (279—282): Imperium sine fine dedi. Quin aspera Iuno, quae mare nunc terrasque metu caelumque fatigat, consilia in melius referet mecumque fovebit Romanos, rerum dominos gentemque togatam. Arnobius behält den Kasus bei, vertauscht aber die Reihenfolge zu dominos rerum, wohl zum Zweck der pointierenden Verfremdung. Durch die uniiberhörbare Anspielung auf den bekannten Vergilvers appelliert Arnobius an das in diesen Worten in einzigartiger Dichte gefaßte Selbstbewußtsein seiner römischen Leser, um einen ironischen Kontrast zwischen dem souveränen Herrschaftsanspruch einerseits und der als kleinlich gezeichneten römischen Religiosität andererseits aufzubauen.3 Die hier offenkundige Diskrepanz zwischen dem Anspruch der Jupiterprophetie und der Wirklichkeit beschädigt die Autorität der Prophetie und des Propheten, ja soll sie beschädigen. 4,18 (M. 222,3) Sed ex diverso nescio quis: unde, inquit, scimus, an explorata et cognita theologi scriptitarint an ut visum est atque sedit libidinosa extulerint fictione? Nachdem Arnobius in den Kapiteln 13 bis 17 die Widerspüchlichkeit der mythischen Theologie anhand des mehrfachen Vorkommens verschiedener
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3
accipere nisi ab eo quem rex summus hutc muneri officioque praefecit. 7,44 Aesculapius /.../ salutis dator — siehe unten (332) zu 7,44; dator anders 7,12; 6,3 datoribus diis dare. Seit Hom. II. 13,325 und Hes. op. 614 wird formelhaft Dionysos in engen Zusammenhang mit dem Geschenk des Weines gebracht. Suet. Aug. 40,5 (als Zitat aus dem Mund des Augustus); Mart. 14,124; c/. Auson. carm. 19,54 (über Rom) rerum dominam Latiique parentem; Oros. hist. 5,1,7; ThLL V,l s.v. dominus 1922,34—36. Im Sinne einer ironischen Wirkung durch die 'Verzerrung' bei IVansformation in den Folgekontext auch SANTORELLI (247).
304
II.5
Arnobius
Götter in unterschiedlichen genealogischen Überlieferungen aufgezeigt hatte, kommt er hier, um sich im folgenden den unwürdigen Göttergeschichten in der Mythologie zuzuwenden, auf die vermeintlich sicheren Erkenntnisse der theologi zurück. Einen fictus interlocutor läßt er aus den dargetanen Widersprüchen insinuieren, bei den Lehren der mythischen Theologie handle es sich um Früchte der Phantasie. In diesem Zusammenhang verwendet Arnobius, parallel zu visum est, den Ausdruck sedit für die aus den vorausgehenden Ausführungen gewonnene Einsicht. Dieser Sprachgebrauch von sedere für das Feststehen eines Urteils oder einer Meinung findet sich fünfmal in der Aeneis.1 Zwar kommt diese Verwendung von sedere in der nachvergilischen Prosa vor (etwa Sen. epist. 46,3 nunc parum mihi sedet iudicium; Flor. epit. 1,21,4 Cum de hello sederet, de belli fine tractatum est)2, doch läßt zum einen die Häufigkeit bei Vergil und zum anderen die Tatsache, daß Arnobius an anderer Stelle (5,34 fixa atque immota sententia, dazu unten 320) einen der Vergilbelege (Aen. 4,15 Si mihi non animo fixum immotumque sederet) mit einer ebenfalls die Entschiedenheit einer Meinung betonenden Formulierung aufzugreifen scheint, auf einen vergilischen Einfluß bei dieser Ausdrucksweise schließen. 4,21 (M. 225,95g.) Sed in ceteris forsitan minus huius eluceat turpidinis foeditas. Ergone ille rector poli, pater deorum et hominum, supercilii nutu totum motans et tremefaciens caelum, ex viro concretus et femina est? Seinen Gang durch die Anstößigkeiten, die der Mythos Jupiter zuschreibt, beginnt Arnobius mit der ironischen Frage, ob denn wenigstens der Göttervater ein weniger schlechtes Bild abgebe: Schreibe man etwa auch ihm eine menschliche Zeugung und Geburt zu? Zur Charakterisierung und zur polemischen Kontrastierung stellt Arnobius im ersten Teil der rhetorischen FVage Jupiter mit drei aus der Dichtung übernommenen Formulierungen vor, die der Größe und Macht des Göttervaters besonderen Ausdruck verleihen: Das Gottesprädikat rector poli findet sich im Hercules Oetaeus (1275 stimme pro rector poli).3 Die Bezeichnung des Jupiter als pater deorum et hominum entspricht der epischen Tradition seit Homer (II. 1,544 etc. icorcfy ivSpcov xe Oecov xe), aufgenommen etwa von Ennius und Vergil.4 Mit supercili nutu totum motans et tremefaciens caelum nimmt Arnobius 1
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Aen. 2,660 et sedet hoc animo perituraeque addere Troiae; 4,15; 5,418 idque pio sedet Aeneae; 7,611 übt ceria sedet patribus sententia pugnae; 11,551 haec sententia sedit Cf. OLD s.v. seäeo Hab; MCCRACKEN ad l. II 553 Anm. 127.
Rector findet sich häufiger, auch in Prosa, als Gottesbezeichnung, die Junktur rector poli jedoch ist selten, OLD s.v. rector 4b; FORCELLINI s.v. rector bieten keine weiteren Belege. An anderer Stelle (4,35), im Zusammenhang mit der unwürdigen Darstellung des Jupiter im Theater, spricht Arnobius von ille /.../ maximus ipse regnator poli Enn. ann. fr. 155 V. = 110 SKUTSCH patrem divumque hominumque; Verg. Aen. 1,65; 10,2 divum pater atque hominum rex; siehe oben (132sqq.) zu Min. Fei. 19,1 audio poetas quoque unum patrem divum atque hominum praedicantes.
II.5.2
Die Vergilzitate
305
ein iteratum der Aeneis auf, adnuit et totum nutu tremefecit Olympum, das Vergil an zwei für den Fortgang der Handlung und für Jupiters Einflußnahme zentralen Stellen verwendet, nämlich 9,106, nach Jupiters positiver Reaktion auf die Bitte der Großen Mutter, er möge verhindern, daß Turnus die Schiffe der Trojaner verbrenne, und seiner Ankündigung, sie in Nereiden zu verwandeln, und 10,115, wo Jupiter autoritativ die Götterversammlung mit der Entscheidung beendet, das Fatum solle die Schlacht zwischen Rutulern und Trojanern entscheiden. Vergil seinerseits gibt darin, wie auch schon Catull, 64,204—206: adnuit invicto caelestum numine rector; quo motu tellus atque horrida contremuerunt aequora concussitque micantia sidera mundus. verkürzt eine Szene der Ilias wieder1, in der Zeus nach einigem Zögern Thetis' Bitte nachzukommen verspricht, um Achills Rache willen die Trojaner zu unterstützen, II. 1,528—530: 'H xal xuav£floiv in' d^ppuot veüoe Kpovlcov ijißpöaiai 6' &pa x<*ixai i^eppcüoavxo ivaxxo? xpaxö? ätrc' äcOav&iour [li^av 61 £X£Xi$ev vOXu[i7cov. Arnobius wählt die Worte also mit Bedacht: Schon bei Homer hebt die Szene Jupiters Größe besonders hervor2, bei Vergil findet sich der Vers zweimal an Höhepunkten der Machtentfaltung des Jupiter. Den vergilischen Wortlaut übernimmt Arnobius mit einigen Veränderungen, die freilich der Erkennbarkeit des Zitates keinen Abbruch tun: Er stellt zum einen motans syndetisch neben tremefaciens, was vielleicht der rhetorischen Steigerung und der inhaltlich redundanten Aufblähung der knappen Vergilworte dienen und die Reihe der von Vergil übernommenen Worte durchbrechen soll. Weit interessanter ist die Ergänzung von nutu durch das Genitivattribut superdlii. Den Hinweis auf die Augenbrauen des Göttervaters nämlich scheint Arnobius aus den oben zitierten, ihrerseits Vergil zugrunde liegenden Homerversen zu entnehmen!, wo es ja (II. 1,528) heißt xuav^oiv in' ö^puai veüae Kpovlcov. Die Homerverse könnte Arnobius natürlich aus eigener Lektüre präsent haben; wahrscheinlicher ist eine Vermittlung durch sein Vorbild Klemens von Alexandrien, der im selben Zusammenhang, nämlich zu Beginn seiner Ausführungen über anstößige Jupitermythen, jene Passage zitiert, protr. 2,33,1 sq.: Kai oou, a> "Opripe, xeöaunaxa i i rtoifyuxia: [Hom. II. 1,528—530). Eqxvöv &vaitX&iTeic, "OiiTpe, xöv Aia xal veup.a 7cepid7cxeic auxcp xtxtjxruiivov. 'AXX' &v iiuoei^TK ixövov, &v6pü)ite, xöv xeoxöv, i£eXiYXexai x°tl 6 Zeü( xal i] x6\ir\ xaxaioxuvexai. Vermutlich gibt Klemens nicht nur den Anstoß für die Ergänzung der Augenbraue, sondern auch für das Vergilzitat überhaupt, das Arnobius hier 1 2
Zu Vergils Umgang mit der Vorlage DINGEL ad 9,106 (77); HARRISON ad 10,115 (91). KlRK ad /. 108: "Homer's grandest style, aided by the use of splendid an sonorous words and phrases".
306
11.5
Arnobius
als die lateinische Entsprechung der Homerverse zitiert. Die Wiedergabe des vergilischen tremefedt in einem Partizip Präsens hat insofern eine gewisse Pointe, als Vergil den Göttervater ja zweimal in demselben Gestus vorstellt, so daß der Eindruck von einem habituellen tremefacere des vergilischen Jupiter entstehen könnte. Die Ersetzung von Olympum durch caelum scheint weniger der Prosifikation zu dienen, als vielmehr der inhaltlichen Anpassung an den Kontext: Bei Vergil setzt sich Jupiters Autorität unter den olympischen Göttern durch, bei Arnobius hingegen geht es eher um die den ganzen Kosmos umfassende Macht des höchsten Gottes.1 Die Veränderungen führen aber nicht zu einer Entmarkierung — etwa bleibt die diatypische Interferenz in tremefacere bestehen2 —, so daß das Zitat zwar adaptiert und pointiert verfremdet, aber sicher erkennbar wiedergegeben ist. Die drei aus der Dichtung übernommenen Jupiterprädikationen sind angeordnet nach dem Gesetz der wachsenden Glieder, zum einen was die Länge, zum anderen was die stilistische Emphase, zum dritten was die Referentialität angeht: Während in rector poli doch wohl nur eine Nuance poetischer Diktion zutage tritt, verweist pater deorum et hominum deutlich auf die epische Tradition, bei nutu totum /.../ tremefaciens caelum dürfte die Wiederaufnahme des vergilischen iteratum unübersehbar sein. Zweck dieser kunstvollen Klimax dichterischer Aussagen über Jupiters Machtfülle ist es, einen möglichst schroffen Gegensatz zu bilden sowohl zu dem sich unmittelbar anschließenden ex viro concretus et femina als auch zu den folgenden unwürdigen Mythen.3 Die Beobachtung, daß wahrscheinlich das Vergilzitat, überhaupt das ganze Zitatennest, von Arnobius1 Vorlage Klemens angeregt ist, ermöglicht einige weiterführende Gedanken: Arnobius scheint in der Auswahl der Zitate von 1
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3
Dagegen lediglich im Sinne einer Prosifikation BÜRNER 36: "Interessant ist, daß Arnobius anstelle des poetischen Olympum das mehr der Prosa zugehörige caelum setzt.M U SANTORELLI 243: I1 virgiliano Olympum [...] diventa un piü consueto e dimesso cae1 lum ". Auch nat. 4,35 bei der Bezeichnung rector poli, so SANTORELLI (243 Anm. 15) weiter, gehe Arnobius vom vergilischen regnator Olympi (Aen. 2,779; 7,558; 10,437) aus und ersetze wiederum den Olympus. — Allerdings geht rector poli nat. 4,35, wie ad l. zu zeigen sein wird, eher auf die nach vergil ische Dichtersprache als auf Vergil selber zurück. Als Belege bewußter Vemeidung des Wortes Olympus aus stilistischen Erwägungen sollte man die Stellen nicht zusammenbringen. Das Wort gehört ansonsten der Dichtersprache an, c/. FORCELLINI und OLD s.v. tremefacio, etwa Cic. cons. fr. 2,25; Verg. Aen. 2,228; 2,629; 6,803; 10,115; Prop. 2,9,34; Ov. epist. 9,81; Petr. 122, vers. 135; Stat. Theb. 2,569; 6,715; 12,651. Das Zitat von Aen. 9,106; 10,115 ist also gerade nicht, wie BÜRNER (36) zu Unrecht glaubt, "sicher gerichtet gegen Vergil": Arnobius polemisiert hier gegen die mythologische Theologie und ihre inakzeptablen Aussagen über die Götter. Dabei dienen die Dichterzitate als Kontrastfolie. Der vergilische Jupiter ist freilich an dem Punkt der Argumentation, für den das Vergilzitat herangezogen wird, gerade der akzeptable und konsensfahige, insofern Vergil die Größe des Gottes betont. Die polemische Auseinandersetzung richtet sich gegen die folgenden Mythologumena. Allerdings läßt sich daraus insgesamt, wiederum gegen BÜRNER, auch kein unmittelbarer Rückschluß auf das Verhältnis zu Vergil ziehen, da er nur die von Arnobius als wirkungsvollste erachtete Formulierung liefert.
11.5.2
Die Vergilzitate
307
seinen apologetischen Vorlagen beeinflußt zu werden. Andererseits zeigt die geschickte lectio Romana des bei Klemens vorgegebenen Homerzitates das Raffinement des Apologeten im Umgang mit seinen Quellen. Wenn Arnobius hier außerdem treffsicher den Homerversen ihre vergilische imitatio zuordnet, zeugt das nicht nur von seiner gründlichen Kenntnis beider Klassiker, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit auch von einer Vertrautheit mit der zeitgenössischen Vergilerklärung, die sicherlich solche Hinweise gegeben hat — jedenfalls bietet Servius zu beiden Vergilversen die homerische Parallele1 —, und mit der Arnobius als Lehrer der Rhetorik wohl alltäglich zu tun hatte. 4,24 (M. 229,21 sq.) Numquid a nobis dicitur, ut ciconias, ut palumbes ex ovis esse progenitos quosdam deos? numquid ex pelagi spuma et ex Caeli genitalibus amputatis Cythereiae Veneris concretum coaluisse candorem? numquid parricidii causa vinctum esse Saturnum et ablui diebus statis, vinculorum ponderibus et levari? numquid beneficio Curetum ab interitu servatum /ovem? numquid expulisse regno patrem et alieni iuris imperium violentia et fraude tenuisse? numquid pulsum a nobis senem Italorum delituisse in finibus, et quod tutus fuisset a filio, nomen Latio inposuisse pm munere^ Im Rahmen einer polemischen retorsio hält Arnobius dem Leser nun, nach den Geschichten erotischen Inhaltes in den vorausgehenden Kapiteln (19— 23), die Verbrechen vor, die die Götter gemäß dem Mythos aneinander begangen hätten. Nach dem Hinweis auf die Flucht des Saturn vor Jupiter nach Latium erwähnt Arnobius die auf diese Episode bezogene Etymologie von Latium aus latere. Diese Erklärung trägt auch der vergilische Euander seinem Gast Aeneas vor, Aen. 8,321—323:3 Is [sc. Saturnus] genus indocile ac dispersum montibus altis composuit legesque dedit, Latiumque vocari maluit, his quoniam latuisset tutus in oris. Für den Namen Latium kennt die Antike verschiedene Erklärungen. Die auf das Versteck des Saturn aufbauende jedoch ist erstmals bei Vergil belegt4 und wird von den späteren Autoren am häufigsten aufgenommen, zunächst 1 2
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Serv. Aen. 9,105 *totum nutu tremefecit Olympum' Homericum est |iiyav 81 iXiXi(tv "OXufiiiov. Aen. 10,115 'totum nutu tremefecit Olympum* hoc Homeri est. Zu der Formulierung vinculorum ponderibus et levari zitiert SPINDLER (13) Aen. 2,1465g. Ipse viro primus manicas atque arta levari / vincla iubet Priamus dictisque itafatur amicis. Doch gebraucht Arnobius eine Variante des geläufigen aliquem vinculis levare (cf. ThLL VI1.2 s.v. 1. levo 1230,71—74), während bei Vergil die Konstruktion vincula levare (cf. ThLL VIL2 s.v. I. levo 1228,76sg., so Tib. 3,11,14 [bildlich]; Liv. 9,9,7 [bildlich]; cf. Sen. dial. 6,20,2 [sc. mors/ catenas levat) vorliegt, so daß man nicht von einem Zusammenhang beider Stellen in dieser Hinsicht ausgehen kann. Zu dieser Parallele auch SANTORELLI 246. Zu den Etymologien bei Vergil grundsätzlich etwa J. O'HARA, Vergil and the Alexandrian Tradition of Etymological Wordplay, University of Michigan 1996; GJ.M. BARTELINK, Etymologisering bij Vergilius, Amsterdam 1965.
308
II.5
Arnobius
von Ovid, vor allem aber von den Christen.1 So zitiert Minucius Felix, wie oben ausgeführt, die vergilische Version fast wörtlich in seiner Kritik an den unwürdigen Göttergeschichten der Mythologie, 23,11: Itaque latebram suamf quod tuto latuisset, vocari maluit Latium, et urbem Saturniam idem de suo nomine et Ianiculum Ianus ad memoriam uterque posteritatis reliquerunt Diese Übernahme könnte Arnobius angeregt haben;2 sein Umgang mit dem Vergiltext ist aber eigenständig: Er zieht den Kausalsatz vor, der die für ihn entscheidende Anstößigkeit der Flucht des Vaters vor dem Sohn enthält, die für Vergil nur den in latuisset tutus vorsichtig angedeuteten Hintergrund darstellt — dementsprechend ersetzt Arnobius auch quoniam durch quodP. In dieselbe Richtung weist die Änderung von his [...] latuisset tutus in oris zu tutus fuisset a filio: Bei Vergil geht es in unmittelbarer Deixis um die als Versteck dienende Örtlichkeit, bei Arnobius um das Verhalten des ausdrücklich erwähnten Sohnes und das schändliche Schicksal des Vaters, für welche die Etymologie lediglich das allgemein anerkannte Indiz liefert. Die Ersetzung des apodiktisch knappen Latiumque vocari / maluit durch das etwas umständliche und anthropomorph ausgedrückte nomen Lotio inposuisse pro munere rückt die Hilflosigkeit des Saturn deutlicher ins Blickfeld. Auch wenn sich Arnobius damit also zum einen im Wortbestand von Vergil entfernt, dürften dem Leser der Prätext und die von Arnobius im Zitatsegment absichtsvoll vorgenommenen Änderungen aufgrund der Prägnanz und Eigenständigkeit der etymologischen Erklärung bewußt sein. Daß Arnobius von einer dem Leser bekannten Version ausgeht, zeigt das nach dem anaphorischen numquid am Satzbeginn zu ergänzende a nobis dicitur. Vergil wird demnach als allgemein zugängliche Quelle zitiert. 4,26 (M. 232,14.17) Numquid senex Saturnus iamdudum obsitus canis atque annorum vetustate iam frigidus nostris carminibus indicatur ab uxore in adulterio comprehensus induisse formam feri et sub pecoris specie hinnitibus evolavisse iactatis? Unter den Liebschaften der Götter mit sterblichen FVauen zählt Arnobius auch die in der paganen Dichtung, wie er ausdrücklich sagt, erwähnte des 1
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Neben der bei Vergil gegebenen finden sich die folgenden Erklärungen: 1. Saufeius, der wohl der Nep. Att. 12,3 erwähnte Zeitgenosse des Atticus ist (c/. SCHANZ / Hosius I 491), fr. Serv. Aen. 1,6, 2. Varro fr. Serv. Aen. 8,322, 3. Varro ling. 5,32 qua regnumfuit Latini universus ager dictus Latinus; cj. Serv. Aen. 8,322, 4. Prise, gramm. 3,515,19 Latium [.../ vel a latendo vel a latitudine est nominatum. Cf. MALTBY S.V. Latium; MCCRACKEN ad l. II 555 Anm. 160.161. Ovid greift fast. 1,238 dieta quoque est Latium terra latente deo die vergilische Erklärung, nach BÖMER ad l. (31) zu dessen Zeit eitstanden, auf, die sich überhaupt gegen die anderen durchzusetzen scheint. Dasselbe gilt für Ps. Cypr. idol. 2; Lact. inst. 1,13,9; Aug. cons. evang. 1,23,34; Isid. orig. 14,4,18; 15,1,50. Während quoniam auf einen festehenden, bekannten Hintergrund verweist, bezeichnet quod den unmittelbar ausschlaggebenden Grund, dazu KS II 3S2sq. Allerdings ersetzt auch schon Minucius Felix 23,11 quoniam durch quod, vielleicht läßt sich Arnobius davon anregen.
11.5.2
309
Die Vergilzitate
Saturn mit Philyra auf. Um diese vor seiner Gattin zu verheimlichen, muß der Gott sich in ein Pferd verwandeln. Aus der Verbindung geht dann der Kentaur Chiron hervor.1 Schon der Ausdruck obsitus canis für das fortgeschrittene Alter des Gottes zeigt den Kolor vergilischer (c/. Aen. 7,790 über die Verwandlung der Io iam saetis obsita; 8,307 rex obsitus aevo) beziehungsweise dichterischer (c/. Stat. Theb. 7,474 über lokaste sordentibus obsita canis) Diktion.2 Vor allem aber liegt Vergil als Quelle für die mythologische Episode nahe. Er nennt nämlich im dritten Georgikabuch unter den Musterexemplaren mythischer Hengste — die anderen sind allerdings echte Pferde3 — auch den aus der Verwandlung des Saturn entstehenden, georg. 3,92—94: talis et ipse iubam cervice effundit equina coniugis adventu pernix Saturnus, et altum Pelion hinnitu fugiens implevit acuto. Zwar ist beiden Versionen auf wörtlicher Ebene nur Saturnus und hinnitus gemeinsam, doch zeigt ein näherer Vergleich eine weitgehende inhaltliche Übereinstimmung:
Arnob. nat. 4,26:
Verg. georg. 3,92—94:
Saturnus /.../ nostris carminibus indicatur ab uxore in adulterio comprehensus induisse formam feri et sub pecoris specie hinnitibus evolavisse iactatis?
93 Saturnus 93 coniugis adventu pernix 92 iubam cervice effundit equina 94 Pelion hinnitu fugiens implevit acuto.
Arnobius bietet also eine Prosawiedergabe der Vergilpassage, über die er der Sache nach nicht hinausgeht — insbesondere bleibt beide Male der Name der Geliebten, Philyra, und der eifersüchtigen Gattin, Ops, unerwähnt 4 —, in der er aber sprachlich das Verbrecherische, so der Rechtsterminus adulteri«m, und das Tierhafte, so ferum und pecus, deutlicher hervorhebt. Das ganze exemplum könnte Arnobius also aus Vergil gewonnen haben, der ja selbst eine gewisse Spitze gegen Saturn vorzugeben scheint, indem er ihn, neben wirklichen Pferden, als Hengst vorführt5. Jedenfalls ist Vergil der nächstliegende 1 2
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Ausführlich erzählt Apollonios Rhodios die Episode (2,1231—1241); knapp Apollodor 1,2,4: iyivtxo 51 xai Kpövou xal «frtXupac Xttpaw öifirfic Ktvtaupoc und Hyg. fab. 138,1. Nach ThLL IXt2 s.v. 2. obsero \9\sq. (ad l. 191,83s?.) findet sich die Konstruktion obsitus aliqua re zwar häufiger, aber meist im engeren Sinne fUr die Bedeckung mit Schmutzigem oder für das Säen, für das Alter auch in dem Wortspiel Ter. Eun. 236 pannis annisque obsitum. Nämlich Cyllarus, das Pferd des Pollux, sowie die Gespanne des Mars und des Achill, Verg. georg. 3,89—91. Zur Vergilsteile bieten erst die antiken Kommentatoren (Serv., Philarg. ad l.) die Namen. THOMAS (ad l. 56) erklärt diesen fließenden Übergang vom Tier zum Menschen mit Vergils upervasive Suggestion in this book that the two share an identical fate", so
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II.5
Arnobius
Referenzpunkt für das bei Arnobius Wiedergegebene. Vor diesem Hintergrund kann auch die für sich genommen zwar explizite, aber unspezifische Markierung1 nostris carminibus indicatur [...]? insoweit als Hinweis auf die Vergilstelle gelten, als sie den Leser auf die Spur einer Benutzung paganer Dichtung bringt, die letztlich zu Vergil führt, wenngleich die Argumentation auch ohne Kenntnis des vergilischen Prätextes verständlich bleibt. Die Georgika dienen hier in erster Linie als Quelle für ein exemplum.2 Wenn Arnobius hier Saturnus mit subtil eingesetzten Vergilanklängen als lüsternen Greis vorführt, der noch einmal zum Tier wird, dann geht es ihm wiederum nicht in erster Linie um eine Polemik gegen einen heidnischen Gott, 3 sondern, im Rahmen der retorsio ('In paganen carmina, nicht in christlichen findet sich eine solche Blasphemie!9), um eine Kritik an den unhaltbaren heidnischen Ansichten und Aussagen über die Götter. 4,27 (M. 234,5^.) Sed soli amant apud vos mares et femineo sexui sua conservata est sanctitas? nonne vestris cautum est litteris, adamatum esse ab Aurora Tithonum, arsisse in Endymionem Lunam, Nereidem in Aeacum, in Achillis genitorem Thetim, Proserpinam in Adonem, matrem eins Cererem in Iasionem nescio quem rusticanum et post Vxdcanum Phaetontem Martern in Anchisae nuptias ipsam illam Veiierem Aeneadum matrem et Romanae dominationis auctorem? Nach den Liebschaften der Götter zu Sterblichen kommt Arnobius nun auf die Göttinnen zu sprechen. Am Ende der Reihe mythologischer exempla steht Venus mit ihrem Geliebten Anchises. Dabei läßt einerseits ihre Bezeichnung mater Aeneadum an den Beginn von Lukrezens Proömium (Aeneadum genetrix9 hominum divomque voluptas, / alma Venus) denken, andererseits stellt allein schon der Name des Anchises, vor allem aber der Hinweis auf die Romanae dominationis auctorem die Verbindung zur Aeneis und zur zentralen Rolle der Venus in deren Götterapparat her. Unter Umständen ist der Bezug auch näher einzugrenzen auf Jupiters Prophetie nach der Beschwerde der Venus (Aen. 1,252 sqq.) mit den Stichworten domini (282) und dominari (285). Das zeigt sich noch deutlicher im Vergleich mit dem Vorbild dieser Passage über die Liebschaften von Göttinnen mit Sterblichen, Clem. Alex, protr. 2,33,7—9: 'AXX' ol jiiv &ppeve< auxolc xöäv 8ea>v laa>c iiövoi (xxoooi Ktpl %IL &9pooloia'
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handle ja der ganze erste Teil des dritten Georgikabuches von der Macht und Gefahr des amor bei Mensch und Tier. Indem Arnobius den Mythos aus diesem motivierenden Zusammenhang reißt, tritt das Anstößige offen zutage. Das Vorhandensein einer expliziten Markierung könnte übrigens mit dem schon von BÜRNER (37) angemerkten (weitgehenden) Fehlen einer poetischen Diktion zusammenhängen: Die markierende Funktion diatypischer Interferenzen erübrigt sich angesichts einer expliziten Markierung durch Addition. Auch SITTE (145) hält, wenn auch mit gewisser Skepsis, Vergil für die Quelle. In diesem Sinne konstatiert SANTORELLI (246) "abbassamento" des Saturnus.
II.5.2
Die Vergilzitate
311
8r|Xuxepai 5i öeal (iivov al&ol olxoi bcdoxr), tf
9T)alv O(X7)poc[II. 5,403], al&ou|xevai al 8eal 5iit oqxvöxr)xa 'A^po&lirjv 'I&eiv |i^jLOixo|iivr|v. AT 6fc äcxoXaoxalvouoiv i|X7ca8£oxepov £v xfj (JLOIXIIQI 5e5e|iivai, 'Hd>cfcrciTt9covcp, EeXi^vri 5' tal 'Ev6uiiia>vi, Nriprjic £iti Alaxcp xal i%\ Ur\Xil 8£xtc, ini hl 'Iaotcovi Ar\kLT\xr\p xal ln\ 'AßaiviBi ^epo^axxa. *A9po8txTj 8t £TC' "Apei xainoxuiiuivT) |iexfjX8ev ircl Ktvupav xal 'A^X^0^ Eynixev xal $a£8ovxa iXöxoc xal fjpa 'Aou>vi5oc, iqpiXovelxei oi xf) ßoc&iuoi xal &ico5uod|ievai 5iöt u,fjXov al Seal yuixval itpooeixov xcj> icoi|i£vi, ffttc aüxajv 86£ei xaXf). Während bei Klemens die Affäre der Aphrodite mit Anchises nur eine unter vielen ist, stellt Arnobius sie in seiner Version des Kataloges betont ans Ende und fügt einen Hinweis auf die Rolle der Venus im römischen Nationalepos hinzu. Wie schon oben im Kapitel 4,21 greift Arnobius auch hier im Rahmen einer lectio Romana seiner Vorlage Klemens von Alexandrien auf Vergil zurück. 4,35 (M. 243,11) Saltatur et Magna sacris compta cum infulis Mater et contra decus aetatis illa Pessinuntia Dindymene in bubulci unius amplexum flagitiosa fingitur adpetitione gestire, nee non et illa proles Iovis Sophoclis in Trachiniis Hercules pestiferi tegminis circumretitus indagine miserabiles edere inducitur heiulatus, violentia doloris frangi atque in ultimam tabem diffluentium viscerum maceratione consumi. Der im Kapitel 32 von einem flatus interlocutor vorgebrachte Einwand, bei diesen anstößigen Göttergeschichten handle es sich doch nur um poetarum figmenta, bringt Arnobius zur Kritik am paganen Umgang mit der Dichtung: So lasse man die Beleidigung der Götter in der Dichtung nicht nur zu, sondern finde auch noch Gefallen daran. Im Kapitel 35 wendet sich Arnobius der dramatischen Dichtung und dem Theater zu. Neben der lüsternen Venus, der ekstatischen Magna Mater und dem ehebrecherischen Jupiter, auf die Arnobius ohne nähere Angaben verweist, erwähnt er den leidenden und sterbenden Herakles aus Sophokles' Trachinierinnen. Das in diesem Zusammenhang verwendete Epitheton prvles Iovis ist vielleicht eine Übersetzung des sophokleischen ZTJVÖ? yövo?, so wehklagt Tr. 956 der Chor, xöv Zr\vb$ &Xxt[xov yövov so hilflos leiden sehen zu müssen, und Herakles selbst nennt sich TV. 1106 6 xoü xax' ioxpa ZVT)Ö$ au6r)6el<; y6vo$. Bei der lateinischen Formulierung steht Arnobius offenbar unter dem Einfluß Vergils; so endet das Gebet des Euander an Herkules, Aen. 8,301 sq.: Salve, vera Iovis proles, decus addite divis, / et nos et tua dexter adi pede sacra seeundo. Der Ausdruck findet sich dann in der Dichtung, jedoch auch auf andere Götterkinder, nicht nur auf Herkules bezogen.1 Wahrscheinlicher als eine direkte Das PHI 5.3-Corpus bietet für Herkules Ov. met. 9,229; Val. Fl. 3,667; 4,327; für andere Götter und Heroen Prop. 3,1,12 (Skamander); Val. Fl. 4,542 (Minerva); 4,757 (Pollux); Homer. 10 (Apoll); 248.520 (Sarpedon); Sil. 4,47,6 (Scipio); lul. Val. 1,46 vers.
312
II.5
Arnobius
Benutzung des Sophoklestextes, auf den sich Arnobius nur ganz allgemein bezieht,1 ist jedoch, worauf MCCRACKEN und SITTE hinweisen,2 eine Vermittlung durch Cicero,3 der in den Tuskulanen (2,20) in der Diskussion über das Problem des Schmerzes den Herkules aus Sophokles9 Trachinierinnen als Beispiel anführt. Anschließend zitiert Cicero daraus die Verse 1046 bis 1102, einen Klagemonolog des Herkules, in lateinischer Übertragung. Das bei Arnobius hinzugesetzte üla scheint sich dementsprechend eher auf die Bekannt heit der Szene vom Sterben des Herkules zu beziehen, die hier als Beispiel dient, als einen pejorativen Ton zu haben.4 Angeregt von Cicero würde Arnobius demnach das exemplum verwenden und mit einem aus Vergil übernommenen color poeticus ausschmücken.5 5,5 (M. 253,15—17) Apud Timotheum, non ignobilem theologorum virum, nee non apud alius aeque doctos super Magna deorum Matte superque sacris eius origo haec sita est, ex reconditis antiquitatum libris et ex intimis eruta, quemadmodum ipse scribit insinuatque, mysteriis. In Phrygiae finibus inauditae per omnia vastitatis petra, inquit, est quaedam, cui nomen est Agdus, regionis eius ab indigenis sie vocata. Ex ea lapides sumptos, sicut Themis 1 (Aiakos). Zum dichterischen Charakter (Cic. De orat. 3,153; Quint. inst. 8,3,26) von proles und dem Vorkommen in der Geschichtsschreibung FOUCHER 174. Das Wiedergegebene läßt sich keiner bestimmten Textstelle zuordnen. MCCRACKEN ad l (II 564 Anra. 231) verweist auf den Bericht des Hyllos Tr. 74^—806 und die Klage des Herkules TY. 1024—1030, jedoch bestehen keine wörtlichen Übereinstimmungen. MCCRACKEN II 564 Anm. 232; SITTE 147.
Auch die beiden weiteren Erwähnungen des Sophokles liefern keine Indizien für dessen Benutzung: 4,25 quis in Thraciae finibus proereatum [sc. Martern}? non Sophocles Atticus eunetis consentientibus theatris? geht wohl, wie der ganze Passus, auf Clem. Alex, protr. 2,29,2 EofoxXifc 64 0p*xa olfev aötdv [sc. "Apnv/ zurück; 7,33 bezieht sich wiederum auf die Figur des Herkules in den Trachinierinnen. BÜRNER (37) recht plakativ: uDas üla klingt übrigens sehr ironisch und wegwerfend.** SANTORELLI (249) sieht üla als Ersatz für das vergilische vera und interpretiert etwas vorsichtiger: "Arnobio altera la connotazione redendo quell'sMa denso di oecuri significati: la sostituzione in queBto caso sortisce un effetto ironico e sprezzante.** — Jedoch wird ille ganz regelmäßig für Verweise auf Bekanntes gebraucht (KS I 622 Anm. 6; 'allgemeindeiktischer Gebrauch1 LHS II 185), für eine dezidiert abwertende Konnotation müßte iste stehen (KS I 621 Anm. 5). Im späteren Latein ist zwar eine Bedeutungsabschwächung (LHS II 191*0.) bis hin zur Verwendung als bestimmter Artikel im Romanischen, aber keine pejorative Tendenz zu beobachten. Hier scheint üla wohl doch nur eine als Betspiel erwähnte und als bekannt vorausgesetzte Figur einzuführen. SANTORELLI (249) sieht in dieser Passage drei weitere Vergilreminiszenzen: saUatur et Magna sacris compia cum infuhs Mater zu Aen. 10,5385?. nee proeul Haemonides, Phoebi Triviaeque sacerdos, / infula cui sacra redimibai tempora vüta, ctrcwnrctitus indagtne zu Aen. 4,121 dum trepidant alae saltusque indagine cingunt; das im nächsten Satz vorkommende regnator poti zu Aen. 2,779; 4,35; 7,558; 10,437 regnator Olympi. Die ersten beiden Anklänge jedoch beruhen lediglich auf nicht ungewöhnlichen Einzelworten, infula (bei Arnobius übrigens nicht im vergilischen Sinne gebraucht, c/. BERJNGER 53—56) und indago, regnator rindet sich seit Naevius als Gottesbezeichnung häufig in der Dichtung, später in Prosa (c/. OLD J.V. regnator 6), etwa TBC. Germ. 39,4 regnator omnium; Apul. met. 11,30 — dem Wort dürfte ein color poeticus anhaften, als Vergilreferenz im engeren Sinne kann man es kaum verbuchen.
II.5.2
Die Vergilzitate
313
mandaverat praecinens, in orbem mortalibus vacuum Deucalion iactavit et Pyrra, ex quibus cum ceteris et haec Magna quae dicitur informata est Mater atque animata divinitus. Den ersten Teil (Kapitel 1—31) des fünften Buches widmet Arnobius der Auseinandersetzung mit dem Kult des Iuppiter Elicius (1—4), mit dem Mysterienkult des Attis und der Magna Mater (Kapitel 5—17), mit dem Phrygischen Jupiterkult (Kapitel 20—23) und mit den Eleusinischen Mysterien (24—27). Arnobius erzählt jeweils den zugrunde liegenden Mythos, um ihn dann einer polemischen Kritik zu unterziehen. Hier referiert er den mythischen Ursprung der Magna Mater, die aus einem von Deukalion und Pyrrha nach der Flut geschleuderten Stein des Berges Agdus entstanden sei.1 Zur Darstellung dieses Sachverhaltes verarbeitet Arnobius, obwohl er sich ausdrücklich auf den theologus Timotheus bezieht,2 einen Vers aus dem ersten Georgikabuch, mit dem Vergil auf die seit der Zeit von Deukalion bestehende Aufteilung bestimmter Anbaugebiete hinweist, georg. 1,62 (60—63): continuo has leges aeternaque foedera certis imposuit natura locis, quo tempore primum Deucalion vacuum lapides iactavit in orbem, unde homines nati, durum genus. /.../ Arnobius übernimmt auffälligerweise den gesamten Vers,3 dessen Elemente er allerdings permutiert und stark erweitert: Hinzugefügt wird die Angabe über die Herkunft der Steine (ex ea /.../ sumptos),4 der Rückbezug auf eine Vorhersage der Themis (sicut Themis mandaverat praecinens),5 die Ergänzung mortalibus zu vacuum, der Name der Pyrrha und vor allem der Relativsatz, der von der Entstehung der Magna Mater berichtet (ex quibus cum ceteris et haec Magna quae dicitur informata est Mater atque animata divinitus). Die vergilische Kurzfassung des Deukalionmythos in einem Vers, der eigentlich nur poetisch formulierte Zeitangabe ist ('seit Menschengedenken*)6, wird von Arnobius durch die Erweiterungen nicht nur vervollständigt, sondern auch umgedeutet als Mythos von der Entstehung der Magna Mater aus dem Agdus. Arnobius umkleidet den vergilischen Kern, eine bekannte und besonders griffige Darstellung, sowohl mit bekannten Mythologumena über Deukalion und Pyrrha, wohl von Ovids klassischer Darstellung (met. 1,313—415) beeinflußt,7 als auch mit den nur bei ihm belegten Aussagen über den Ursprung 1 2 3
Cf. A. HERMANN, 'Deukalion', RAC 3 (1957) 784—794, v.a. 793. Zur Quellen frage MoRA Arnobio e i culti di mistero 125—129. Bemerkenswerterweise ist dieses relativ umfangreiche Zitat der Forschung über die Vergilrezeption des Christen bislang entgangen. Gewürdigt hat es, soweit ich sehe, lediglich FRENTZ 43.
4 5 6 7
Die Variante mit dem Berg Agdus ist nach MORA Arnobio e i culti di mistero 117sq. nur bei Arnobius belegt. Bekannt aus Ovids Darstellung des Mythos, met. 1,318—323. So ad i antike (Serv.) und moderne (MYNORS 14) Kommentatoren. Die ältere Überlieferung geht von einer lokalen Flut aus, als universales Schöpfungshandeln wird das Steinwerfen erst von Ovid an betrachtet, cf G.A. CADUFF, 'Deukalion', D N P 3 (1997) 489.
314
II.5
Arnobius
der Magna Mater aus dem Stein des Agdus1. Wie schon im Kapitel 2,14, wo Arnobius Piatons Aussagen über die Unterwelt mit einem color Vergilianus wiedergibt, formuliert er auch hier ausdrücklich dem Timotheus zugeschriebene Aussagen (inquit) mit vergilischen Worten. Möglicherweise soll der Leser den klassischen Ton heraushören und deswegen eher geneigt sein, sich den Inhalten, trotz ihrer Abweichung von Vergil und der bekannten Überlieferung, zu öffnen; vielleicht ist aber auch der Rhetor Arnobius fasziniert von Vergils prägnanter Kurzfassung des Mythos und greift sie daher auf.2 Vielleicht kommt ein Aspekt hintergründiger Polemik noch hinzu: Die Magna Mater wird auf diese Weise mit den homines nati, durum genus (georg. 1,63) auf eine Stufe gestellt, mehr noch: Die geworfenen Steine werden zu Menschen, die Magna Mater aber bleibt Stein und wird als solcher seit 204 vor Christus in Rom verehrt. Möglicherweise will Arnobius im Zitat auch diese Absurdität vor Augen führen. 5,13 (M. 265,11) Per sinum, inquit, Nanafilium concepit ex pomo. Sequitur se ratio: ubi enim cautes et saxa pariunt dura, ibi poma necesse est suriant. Glandibus atque ficis alebat Berecyntia religatam. Convenienter et rede: pomis enim debuerat vivere quae mater fuerat facta de pomo. Hier bezieht Arnobius sich auf einen bereits dargestellten (5,6) Passus des Kultmythos des Attis und der Magna Mater, wonach diese die von ihrem Var ter zum Hungertod bestimmte Königstochter Nana in ihrem Verlies ernährt habe. Mit inquit verweist Arnobius auf einen zu Beginn des Abschnittes über Attis genannten, ansonsten unbekannten Gewährsmann, Timotheum, non ignobilem theologorum virum (5,5) 3 , vielleicht aber auch nur allgemein auf den Inhalt des Mythos4. Die dabei für die Magna Mater gebrauchte Metonymie Berecyntia ist erstmals bei Vergil belegt,5 der diese Bezeichnung zweimal gelegentlich eines besonders auffälligen Auftritts der Göttin gebraucht: Zum einen nämlich vergleicht Anchises in der Heldenschau des sechsten Buches (Aen. 6,784) den Aufstieg des mit heroischen Nachkommen gesegneten Rom (felis prole virum) mit dem Glück der als Berecyntia mater bezeichne1 2
3 4 5
CJ. G. BAUDY, 4Agdistis\ DNP 1 (1996) 244. Zwar schließt Mo RA Arnobio e i culti di mistero 116 aus der Formulierung apud Timotheum [...] nee non apud alius aeque doctos (5,5), Arnobius kenne Timotheus uprobabilmente attraverso una fönte intermedia", die Vermutung aber, daß dort schon der Vergilbezug vorgegeben sei, ist wohl nur theoretisch als eine weitere Erklärungsmöglichkeit in Betracht zu ziehen: Ganz abgesehen von den grundsätzlichen Problemen, die solch postulierte Zwischenquellen mit sich bringen, sobald sie bei der Interpretation ins Feld geführt werden, ist das Vergilzitat viel zu verständig und sinnreich in den Folgetext eingepaßt, als daß man eine unwissentliche Übernahme vermuten könnte. Höchstens eine allgemeine Anregung zur Dichterbenutzung in der Vorlage wäre nicht ganz auszuschließen. Dazu MORA Arnobio e t culti di mistero 116. Dazu MCCRACKENS Bemerkung zu dieunt eam [sc. fabulamj euneti patres (5,12; ad L II 572 Anm. 22): "The word (patres) has probably no more force than 'sources'." Cf. ThLL II s.v. Berecyntius 1923,12—20, dann Ov. fast. 4,355; Stat. Theb. 4,782; Arnob. nat. 5,13 etc.
II.5.2
Die Vergilzitate
315
ten Göttermutter (786 laeta deum partu), zum zweiten verwendet Vergil die Metonymie anläßlich der Bitte der deum [...] genetrix Berecyntia (Aen. 9,82) an Jupiter um Rettung der Schiffe.1 Arnobius greift hier also bewußt und erstmals in der Prosa eine dichterische Metonymie auf, die Vergil für die Mater Mater in ihrer besonderen Würde als Göttermutter und in ihrem Einfluß auf Jupiter prägt. Durch den Zusammenhang, in den er dieses nur in einem einzigen Wort bestehende Zitat stellt, bringt Arnobius eine höchst skurrile Pointe zustande: Die würdevolle Göttermutter füttert eine unter dubiosen Umständen — nämlich durch einen Granatapfel von einem Baum, der aus dem bei der Entmannung des seinerseits der inzestuösen Leidenschaft Jupiters zu seiner Mutter entsprungenen Attis vergossenen Blut gewachsen ist — Geschwängerte mit Eicheln und Feigen. 5,19 (M. 273,15) Sed et illa desistimus Bacchanalia altera praedicare, in quibus arcana et tacenda res proditur insinuaturque sacratis, ut occupatus puerilibus ludicris distractus ab Titanis Liber sit, ut ab isdem membratim sectus atque in ollulas coniectus ut coqueretur, quemadmodum Iuppiter suavitate odoris inlectus, invocatus advolarit ad prandium conpertaque re gram grassatores obruerit fulmine atque in imas Tartari praecipitaverit aedes. Cuius rei testimonium argumentumque fortunae suis prodidit in carminibus Thracius talos speculum turbidines, volubiles rotulas et teretis pilas et virginibus aurea sumpta ab Hesperidibus mala. Die Überleitung vom Kult der Magna Mater zum Phrygischen Jupiterkult bildet eine die Kapitel 18 und 19 umfassende praeteritio, in der Arnobius auch die nicht näher erörterten Mysterien mit polemischen Bemerkungen bedenkt. Darunter erwähnt er, neben den Bacchanalien, dem Kult der Venus und der Korybanten, auch die Bacchanalia altera. Bei der Wiedergabe des Kultmythos2 scheinen in denjenigen Passagen, die von der Bestrafung der Titanen und ihrer Verbannung in den Tartarus handeln, vergilische Einflüsse in bezug auf den Titanensturz und die Unterwelt erkennbar zu sein. So läßt Vergil die Sibylle in ihrer Erklärung des Tartarus auf den Ort der Bestrafung der Titanen hinweisen, Aen. 6,580sg.: hie genus antiquum Terrae, Titania pubesf fulmine deiecti fundo volvuntur in imo. Die Erwähnung der Titani und des fxdmen sind sachlich motiviert, die Diktion der Unterweltsschilderung geht teilweise, so die Verwendung von imus, auf Vergil zurück, teilweise, so Tartari sedesy auf älteren, aber von Vergil aufgegriffenen Sprachgebrauch, etwa Aen. 8,668 Tartareas /.../ sedes, doch wird diese Terminologie in der späteren und vor allem in der christlichen Literatur häufiger verwendet.3 Auch wenn sich also eine unmittelbare Vergilreferenz Zu dieser Metonymie bei Vergil DINC.EL ad Aen. 9,82 (69). Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund und zur Quellenfrage MORA 156—162. Was imus angeht, so ist nach ThLL VII. 1 s.v. inferus (imus) 1402, 14—35 der Gebrauch
316
II. 5
Arnobius
hier nicht sicher nachweisen läßt, so zeigt sich in jedem Fall die Expansion einer zunächst der Dichtung vorbehaltenen und bei Vergil klassisch ausgeprägten eschatologischen Begriffs- und Vorstellungswelt in der späteren und vor allem christlichen Latinität. 5,21 (M. 274,21) luppiter satagit fractus metu nee quibus remediis leniat violatae animos reperit. Fundit preces et supplicat: obstructae sunt dolentis aures. Arnobius verwendet für das vergebliche Liebeswerben des Jupiter um seine Mutter Ceres die ursprünglich vergilische Junktur preces fundere (Aen. 5,234; 6,55), die sich bei Cyprian (Demetr. 20b, dazu oben 233) in christlichem Sinne findet. Hier dürfte weniger ein color Vergilianus als vielmehr eine feste Wendung für inständiges Bitten vorliegen,1 vielleicht mit einer gewissen polemischen Spitze durch die Übertragung aus einem religiösen in einen inzestuös-erotischen Kontext. 5,23abc (M. 277,175g. 20sq. 278,3) Vellem itaque videre (a) patrem illum deorum Iovem, aeternam verum atque hominum potestatem, bubulis esse cohonestatum cornibus, hirsutas agitantem aures, contractu in ungulas gressibus (b) rumigantem pallentis herbas et ex parte postica caudam suffragines talos molli fimo perlitum atque intestina proluvie delibutum. Vellem, inquam, videre — dicendum est enim saepius — (c) torquentem illum sidera et qui pallidas nationes fragore perterret et prosternit consectantem vervecum greges, inspicientem testiculos arietinos, arripientem hos manu censoria illa atque divina qua vibrare coruscos ignes et saevire fulminibus suetus est, tum deinde secreta rimantem summotisque arbitris circumiectas prolibus diripientem membranulas ferventique adhuc matri velut quasdam infulas eliciendae miserationis offerentem: /.../. Im Kapitel 23 stellt Arnobius im Rahmen seiner Kritik am Phrygischen Jupiterkult2 das von diesem Mysterienkult vermittelte Bild des Gottes, der sich im Fell eines ausgesuchtermaßen cum grandibus testiculis (5,21) versehenen Widders seiner Mutter Ceres nähere und mit ihr Proserpina zeuge, polemisch dem hoheitlichen Göttervater gegenüber, (a) Letzteren charaktersiert Arnobius zunächst als patrem illum deorum Io~
1 2
de inferno seit Vergil (georg. 4,471; Aen. 3,565; 6,404.459 etc.) belegt, die Verbindung ima Tartara findet sich nachvergilisch in der Dichtung (Ov. Ib. 573sq.; Sen. Oed. 869), dann vor allem in später und christlicher Prosa (Apul. met. 1,15; 6,17; Tert. apol. 11,11 in imum Tartarum demerserint etc. Sedes als "the place occupied by the spirits of the dead" belegt OLD s.v. sedes 6b ab Cic. Phil. 14,32; Tusc. 1,36 Tartarus mit Adjektivableitungen findet sich seit Ennius (ann. 220 tartarino) in der Dichtung, dann in späterer (etwa Apul. met. 2,5) und vor allem christlicher (Tert. apol. 11,11 etc.) Prosa, dazu THOME 190—194. Cf. ThLL VI,1 s.v. fundo 1566,81: nach Tac. ann. 14,30 upassimn. Den Kultnamen Sabazius verwendet er nicht; dazu, zum religionsgeschichtlkhen Hintergrund und zur Quellen frage Mo RA 163—171.
II.5.2
Die Vergilzitate
317
vem, aeternam rerum atque hominum potestatem. Damit gibt er fast wörtlich die captatio wieder, mit der die vergilische Venus sich in der entscheidenden Götterversammlung des zehnten Aeneisbuches an ihren Vater wendet, Aen. 10,18: '0 pater, o hominum rerumque aeterno, potestas,/ /.../•' Arnobius nimmt nur wenige Änderungen vor: Um das Zitat syntaktisch und semantisch zu adaptieren, ergänzt er verallgemeinernd illum deorum lovem zu dem bei Vergil eindeutigen pater und bringt den ganzen Ausdruck in den Akkusativ. Der Ersatz von -que durch atque und die Permutation von hominum rerumque zu rerum atque hominum hingegen scheinen eher einer pointierenden Verfremdung zu dienen. Nichtsdestoweniger ist die Referenz deutlich erkennbar, vor allem da der auffällige personifizierte Gebrauch von potestas für einen Gott erhalten bleibt.1 (b) Im Gegensatz dazu führt Arnobius den als Widder auftretenden Gott des Mysterienkultes vor. Die Formulierung rumigantem pallentis herbas geht wohl zurück auf Vergils sechste Ekloge: In seinem Weltgedicht läßt er dort, ganz in der Tradition hellenistischer Dichtung2, den Silen auch Pasiphaes Schicksal erwähnen und den von ihr so tragisch geliebten Stier beschreiben, ecl. 6,54 (53—55): Ille latus niveum molli fultus hyacintho ilice sub nigra pallentis ruminat herbas aut aliquam in magno sequitur grege. /.../ Zwar ersetzt Arnobius das überwiegend dichterische ruminare durch das gleichbedeutende nachklassische rumigare, dem vielleicht eine kolloquiale Nuance anhaftet,3 löst die geschlossene Wortstellung auf und gibt den Ausdruck als Partizipialkonstruktion wieder, doch bleibt die Vergilreferenz durch drei Elemente und durch die Seltenheit der Junktur pallentes herbae,4 eindeutig. Wenn man daher davon ausgeht, daß auch der vergilische Kontext, die Pasiphaeepisode innerhalb der sechsten Ekloge (ecl. 6,45—60), evoziert wird, so ergibt sich aus der nochmaligen Steigerung des Abseitigen und Perversen 1 2
3
4
Cf. HARRISON ad l. 63; ThLL X,2 s.v. potestas 319,50—52. So verweisen etwa der epyllionartige Einschub der Pasiphaeepisode ecl. 6,45—60 (cf. CLAUSEN ad l. 194) und der absonderliche Charakter der Liebesgeschichte auf hellenistische Vorbilder, dazu auch M. PUELMA, Die Aitien des Kall imachos als Vorbild der römischen Amores-Elegie, in: ders., Labor et itma, Basel 1995, 360—414, v.a. 396sqq. Nach WALDE / HOFMANN S.V. 2. ruma wird rumigare vom Grammatiker Flavius Caper getadelt, OLD s.v. rumigo bietet als einzigen Beleg Apul. met. 4,22; FORCELLINI s.v. daneben Garg. Mart. cur. boum 5. Dafür, daß ruminare (Arnob. nat. 7,24 ist übrigens der erste Beleg für ruminator) das drastischere Wort ist, spricht auch, daß ruminare schon von Livius Andronicus (cf. OLD s.v. rumino 2 4to turn over in the mind') und im Spät- und Mittellateinischen (cf. SOUTER, HABEL / GROB EL s.v.) übertragen gebraucht wird, während rumigare nur für das Wiederkäuen verwendet wird (cf. FORCELLINI, OLD, HABEL / GRÖBEL S.V.). FaustUS SABAEUS druckt in seiner editio princeps (Rom 1543) ruminantem statt rumigantem, wohl unter dem Einfluß der Vergilstelle. OLD s.v. pallens 2b of plants and their parts' bietet dichterische Belege von Vergil an; ThLL VI,2.3 s.v. herba 2620,37—2621,32 (hier 2620,78) nennt für die Junktur mit pallens nur ecl. 6,54. Nach CLAUSEN ad ecl. 6,54 (196) upallentis presumbly represents xXo>p6c, pale greenish-yellow, as grass becomes during the Mediterranean summer".
318
II.5 Arnobius
gegenüber Vergil — dort schmachtet eine FVau nach einem wiederkäuenden Stier, hier wiederkäut der Gott selbst in der Gestalt eines Ziegenbocks aus inzestuöser Leidenschaft — eine subtil konstruierte Emphase, (c) Im folgenden Satz baut Arnobius bewußt nochmals (dicendum est enim saepius) den Gegensatz auf, diesmal spricht er von Jupiter als torquentem illum sidera. Auch dieser Ausdruck der Hoheit des Göttervaters hat eine Parallele in der Aeneis, wenn Jupiters Entgegnung auf die Bitte der Magna Mater um Errettung der trojanischen Schiffe eingeleitet wird, Aen. 9,93: Filius huic contra, torquet qui sidera mundi. Die Formulierung sidera torquere ist selten und dichterisch.1 Für die Eindringlichkeit der Gottesprädikation spricht aber ihre Rezeption in einem epischen Fragment der Augusteischen Zeit für Jupiter (FPL MOREL fr. 29,1: Iuppiter omnipotens caeli qui sidera torques / ore tuo dicenda loquar.)2 und in den carmina Latina epigraphica für die Götter insgesamt (CE 1140,11 Hos omnes tibi pro meritisf qui sidera torquent / secum placatos semper habere velint)3. Arnobius wandelt bei seiner Übernahme den Relativsatz in eine Partizipialkonstruktion um und setzt zur Klärung des Bezuges parallel zur ersten Reminiszenz ein illum hinzu. Das beiden Vergilreferenzen eingefügte illum weist in seiner Ferndeixis über die Anaphorik des Kontextes hinaus: Iuppiter ille meint hier das traditionelle römische Bild des mächtigen Iuppiter Optimus Maximus, als dessen klassische Ausdrucksform der Jupiter der Aeneis zitiert wird. Das illum erfüllt also mittelbar die Funktion einer Markierung, insofern es die Referenz auf ein von Vergil repräsentiertes System, hier das Bild des Jupiter, anzeigt. Im Rahmen der Kontrastierung, die freilich den alleinigen Zweck hat, das Gottesbild im Phrygischen Jupiterkult negativ darzustellen, steht der vergilische Jupiter demnach für diejenige Seite, mit der der Leser sich in dieser Phase der Argumentation identifizieren soll. Arnobius nutzt hier einerseits die anerkannte, ja klassische Geltung der theologischen Formulierungen in der Aeneis rhetorisch aus, andererseits spielt er mit dem vergilischen Prätext, indem er ihn auch für die Gegenseite heranzieht und eine in der manieristischen Tradition der hellenistischen Dichtung stehende Formulierung pointiert auf den angegriffenen Jupiterkult überträgt. Arnobius führt die Gegenüberstellung der beiden Jupiterbilder also auf einer intertextuellen Ebene weiter, indem er zwei von Vergil auf Jupiter bezogene Aussagen auf ernst-heitere Weise in polemischer Absicht mit einem dritten Vergilzitat kombiniert, das aus dem Zusammenhang herausgerissen ist.4 1
2
Im PHI 5.3-Corpus sind außerdem belegt Manil. 1,278 caelumque et sidera torquent, Ov. met. 2,71 sxderaque alta trahit ceierique volumine torquet, zitiert Sen. nat. 7,10,1; cf. Ps. Quint. decl. 10,17 sed quo sidera volant et quo sacri torquentur axes. Allerdings bezieht sich keine der Stellen auf Jupiter. Daß Ovids Rückgriff auf die Vergilstelle im Rahmen der Ratschläge an Phaeton Arnobius hier angeregt habe, wie LE BONNIEC (ßchos ovidiens 143) vermutet, muß rein hypothetisch bleiben. Valerius Soranus fr. 2 bei MOREL / BÜCHNER / BLÄNSDORF, bei COURTNEY als fr. 15 unter den 'selected anonymous fragments' (p. 460).
3
Cf. HOOGMA 312.
4
Auf die grundsätzliche Bedeutung der Vergilzitate für das Verständnis dieser Arnobius-
II.5.2
Die Vergilzitate
319
5,25 (lanitium): Siehe oben (271) zu 1,21. 5,31 (M. 289,8) Quis caduca et mortalia corpora deos edidit amasse? Non vos? Quis illa furta dtdcissima in alienis genialibus perpetrasse? non vos? Im Kapitel 31 faßt Arnobius noch einmal die den Göttern in der Mythologie zugeschriebenen Vergehen zusammen, um dann (Kapitel 32—49) gegen deren allegorische Deutung zu polemisieren. Die andernorts unumwunden beim Namen genannten adulteria der Götter umschreibt Arnobius hier als furta dulcissima in alienis genialibus. Mit diesem Euphemismus scheint Arnobius in ironisierender Weise heidnischen Sprachgebrauch aufnehmen zu wollen. Die Formulierung dulcia furta hat einen deutlichen color poeticus: Die Rede von erotischen furta gehört in die Liebesdichtung,1 die Junktur dulcia furta findet sich erstmals im vierten Buch der Georgika, für den Gesprächsstoflf unter dem Gefolge der Cyrene, georg. 4,346 (345—347): inter quas curam Clymene narrabat inanem Volcaniy Martisque dolos et dulcia furta aque Chao densos divum numerabat amores. Wenig später erwähnt Properz (2,30,28) die dulcia furta Iovis. Hingegen einem Menschen, Sulpicia, in den Mund gelegt sind die dulcissima furta Tib. 3,11,7.2 Ovid (met. 9,558) weist solche der Byblis, Statius (Ach. 1,938) dem Achill zu, auch Nemesian (ecl. 2,7) greift den Ausdruck auf; Arnobius verwendet ihn hier erstmals in Prosa, durch den Superlativ und Inversion leicht verfremdet und seines hexametrischen Rhythmus entkleidet.3 Bei dulcia fürta handelt es sich also um eine geläufige Formulierung der erotischen Dichstelle weist schon HAGENDAHL Methods 128 hin. — An SANTORELLIS (248) ausführlicher Interpretation der Stelle erscheint problematisch, daß sie die Verunglimpfung Vergils durch den gerade kovertierten Arnobius ( 'Arnobio placa la sua coscienza di neofita ardente con un consapevole vilipendio di Virgilio e a un tempo delle divinitä pagane e di chi in loro crede [...].") als erstes Motiv nennt. Sicherlich liegt in dem dreifachen Rückgriff auf Vergil eine deutliche ironische Pointe, jedoch ist Vergil überhaupt nicht das Ziel der Polemik — die richtet sich gegen den Mythos des Phrygischen Jupiterkultes —, vielmehr liefert seine klassische Versprachlichung römischen Gottesverständnisses und seine Kurzfassung des Liebesabenteuers das Mittel zu einer geistreichen Ausgestaltung der Polemik. Im Zentrum steht das im übergreifenden Argumentationszusammenhang motivierte subtile Spiel mit der Disparität des klassischen Prätextes Vergil, aber nicht die Verunglimpfung des Dichters. Die von SANTORELLI (248 mit Anm. 33 — bei HAGENDAHL Methods 128, auf den
sich berufen zu wollen scheint, findet sich nichts dergleichen) als vergilisch (Aen. 8,6859.) reklamierte Junktur solis lumina am Ende des Kapitels 23 liest man Cato orig. 77; Cic. de orat. 3,178; div. 2,10; Sen. epist. 92,17; nat. 1,2,10; Gell. 2,28,7 etc. Von furta im erotischen Sinne spricht erstmals Catull im carmen 68, zunächst auf seine Liaison mit Lesbia bezogen (v. 136), dann (t/. 140) auf die von Juno großzügig verziehenen Liebesabenteuer des Jupiter; diesen Sprachgebrauch nimmt auch die spätere Prosa auf, so etwa Petron (100,1 solus ergo amor furtum potius quam praemium erit?) und Arnobius selbst an anderer Stelle (4,26 libidinosa ut perficeret furta [sc. luppiterj). Zur Topik auch H. TRÄNKLE, Appendix Tibulliana, Berlin / New York 1990, ad L 284. Cf. ThLL VI,1 s.v. furtum 1649,71-77. SANTORELLI
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320
II.5
Arnobius
tung. Arnobius kann sie zwar durchaus aus den Georgika kennen, doch ist wahrscheinlicher, daß er hier nicht gezielt auf Vergil, bei dem die dulcia fürta an der angeführten Stelle ja eher Zierrat als Gegenstand der Darstellung sind, sondern auf einen typischen Euphemismus der Liebensdichtung zurückgreift.1 Vielleicht verweist also illa dulcia furta nicht nur zusammenfassend auf das in den vorhergehenden Kapiteln ausgeführte, sondern auch auf die erotische Dichtung überhaupt, die die Liebesabenteuer der Götter zum Thema hat. 5,34 (M. 293,3) Cum enim rebus de occlusis omnis ista quae dicitur allegoria sumatur nee habeat finem certum in quo rei quae dicitur sit fixa atque immota sententia, unieuique liberum est in id quo velit adtrahere lectionem et adfirmare id positum in quod eum sua suspicio et coniectura opinabilis duxerit Als Grund für seine Ablehnung allegorischer Deutungen der anstößigen Mythen führt Arnobius ins Feld, daß es dabei ja kein eindeutiges und allgemeines Verständnis gebe. Die dabei gebrauchte Formulierung fixa atque immota sententia scheint in Zusammenhang zu stehen mit Verg. Aen. 4,15 si mihi non animo fixum immotumque sederet, wo Dido von ihrem festen Entschluß spricht, nach der durch den Tod getrennten Ehe mit Sychaeus keine weitere einzugehen. Nach Vergil erscheint das Begriffspaar fixum und immotum bei Seneca (dial. 6,2,2 sors immota et in aeternum fixa), Statius (Theb. 6,160), Tacitus (ann. 1,47 immotum /.../ fixumque Tiberio fuit)2, Apuleius (Plat. 1,10 perennitatis fixa et immota natura est), dann bei Arnobius.3 Zwar steht fixum bei Arnobius häufiger neben synonymen Ausdrücken,4 doch aufgrund der Übereinstimmung in der Pragmatik — übrigens ist in beiden Fällen der Ausdruck negiert — und aufgrund der Tatsache, daß Arnobius an anderer Stelle (4,18; dazu oben 303) sedere im hier vorliegenden Sinn gebraucht, kann man annehmen, daß Arnobius die von Vergil geprägte und später in die Prosa übernommene Ausdrucksweise im Bewußtsein ihres Ursprunges verwendet. 6,3 (M. 310,17) Sint ergo haec (sc. templaj licet aut ex molibus marmoreis strueta, laquearibus aut renideant aureisf splendeant hie gemmae et sidereos evomant variata interstinetione fulgores: terra sunt haec omnia et ex faece ultima vilioris materiae concreta. Die letzten beiden Bücher widmet Arnobius der Kritik am paganen Umgang mit templa, simulacra und sacrificia (6,1), deren Geringschätzung den 1 2 3
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Im Sinne einer eindeutigen Vergiteferenz SANTORELLI (247). C/. FOUCHER 10259.317. Vornehmlich für die Konstruktion alicui fixum atque immotum est könnte man einen vergilischen Einfluß annehmen; c/. ThLL VI,1 3.v. figo 719,79— 720,47; ThLL VII,1 s.v. immotus 498,49—67. So etwa 1,28; 2,52 quodsi verum et fixum est; 2,75; 3,35 vera, fixa et certa sententia; 4,5 nihil habent perpetuum, nihil fixum; 6,7 ut immobilis /.../ atque fixa /.../ perpetuitas staret.
11.5.2
Die Vergilzitate
321
Christen zum Vorwurf gemacht wird. Tempel zu errichten, so Arnobius hier, bedeute eine Vermenschlichung der Götter, die keiner Behausung und keines irdischen Schmuckes bedürften. Die prunkvolle Austattung paganer Tempel mit glänzenden Edelsteinen beschreibt er mit der bildhaften Formulierung sidereos fulgores evomere, die auf die Dichtersprache zurückgeht. Nahe kommen die vergilischen Beschreibungen von Aeneas' neuem Helm, Aen. 8,620 terribilem cristis galeam flammasque vomentem, und vom Glanz seines Schildes beim Entsatz des bedrängten Lagers, Aen. 10,271 et vastos umbo vomit aureos ignis.1 Indem er die vergilische Ausdrucksweise variierend aufnimmt, verleiht er dem dargestellten Glanz ein sprachliches Pendant. 6,5 (M. 312,1059.) Constituamus enim noscendae rei causa templum numinis alicuius esse apud Canarias insulas, eiusdem apud rdtimam Thylem, eiusdem apud Seros esse, apud furvos Garamantas et si qui sunt alii quos ab sui notitia maria montes silvae et quadrini disterminant cardines: /.../ Gegen den fiktiven Einwand, pagane Tempel verstünden sich als Orte des Gebetes und der Verehrung, konstruiert Arnobius den Fall, daß Heiligtümer einer Gottheit auf der ganzen Welt verteilt seien. Dann nämlich wäre sie entweder überall anwesend, also auch außerhalb der Tempel, oder nirgends, also auch nicht in den Tempeln. Die weltweite Verbreitung der Heiligtümer illustriert Arnobius in einem Merismus: Thule steht bei den Dichtern der Augusteischen und der folgenden Zeit urein sprichwörtlich als Namen des äußersten Teils der bewohnten Erde" 2 , die Formulierung ultima Thule findet sich von Vergil an (georg. 1,30, dann Plin. nat. 4,104; Sen. Med. 379). Auch die Serer und Garamanter kommen bei Vergil und den Augusteern vor: Erstere, die Chinesen, die Arnobius auch nat. 2,12 bei seiner Aufzählung der christianisierten Gebiete nennt,3 erscheinen vornehmlich als Seidenproduzenten 4 . Letztere, in Afrika angesiedelt, werden von Vergil an öfter als Beispiel 1
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Häufiger findet sich in der Dichtung ignem sim. (e)vomere für einen Vulkan, so etwa Lucr. 1,724; Verg. Aen. 8,199.259; Aetna 411 (evomere)\ für ein Gestirn Avien. Arat. 229 (evomere); übertragen auf Personen Verg. Aen. 8,68059. (Augustus in der Schildbeschreibung) tempore flammas / laeta vomunt; Sen. Phaedr. 1040 flammas vomunt oculi; wie Arnobius für den Glanz edelsteingeschmückter Wände Prud. psych. 853 animasque colorum / viventes liquido lux evomit alta profundo; cf ThLL V,2 s.v. evomo 1072,29—33; OLD s.v. vomo 3. Trotz der Änderungen von vomere zu evomere — vielleicht zieht Arnobius generell das compositum vor: außerdem 7,3 für das Aufsteigen des Opferrauches; einziger Beleg für das simplex ist 5,18 (tunc saneta eeferventia numina vim vomuxsse Lucilü ac regem Servium natum esse Romanum.), wo es sich wegen der Alliteration steht — und von flammas bzw. aureos ignis zu sidereos (dichterisch, cf. OLD s.v.) fulgores bleibt die zugrunde liegende poetische Metaphorik erhalten. G. MACDONALD, 4Thule\ RE 6,1 (1936) 627—630; hier 627; Verg. georg. 1,30; Stat. silv. 5,1,91; Sil. 3,597; luv. 15,112 etc. Cf MCCRACKEN II 587 Anm. 25. nat. 2,12 Enumerari enim possunt atque in usum computationis venire ea quae in India gesta sunt, apud Seres Persas et Medos /.../ ipsa denique apud dominam Romam. Zur historischen Problematik dieser Aussage GIERLICH ad l. (202—204). Cf. Hör. epod. 8,15; carm. 1.12,56; 3,29,27; 4,15,23; Verg. georg. 2,121; Prop. 1,14,22; Ov. am. l,14,5sg.; A. HERRMANN, *Seres\ RE II A,2 (1924) 1679.
322
II.5
Arnobius
einer weit entfernt lebenden Völkerschaft erwähnt.1 Die insulae Canariae hingegen sind als Gesamtbezeichnung nur bei Arnobius belegt, ansonsten heißt, wie der Ältere Plinius überliefert (nat. 6,205), eine der insulae Fortunatae wegen der zahlreichen Hunde (Solin. 56,17; Mart. Cap. 6,702) insula Canaria.2 Für den Norden (apud ultimam Thylem), Osten (apud Seros) und Süden (apudfurvos Garamantas) greift Arnobius also auf die Topik des Exotischen in der Dichtung und inbesondere bei Vergil zurück, den Westen ergänzt er anderweitig. Diese teilweise poetische exotische Stilisierung soll, wie der ganze Merismus, das rhetorische Konstrukt der über die ganze Welt verteilten Heiligtümer veranschaulichen. 6,7 ex fundaminum 3,1.
sedibus caput hominis evolutum: Siehe oben (296) zu
6,16ab (M. 328,4; 328,1154.) Ita enim non videtis (a) apirantia haee Signa, quorum plantas et genua contingitis et contrectatis orantes, modo casibus stillieidorum labi, putredinis modo carie relaxari, ut nidoribus atque fumo suffita ac decolorata nigrescanty quemadmodum saecli longioris incuria perdant situ species et robigine convulnerentur exesa? Ita, inquam, non videtis sub istorum simulacrorum cavis (b) steliones sorices mures blattasque lucifugas nidamenta ponere atque habitare, spurcitias huc omnes atque alia usibus accommodata conducere, semirosi duritias panis, ossa in spem tracta, pannos lanuginem chartulas nidulorum in mollitiem sollicite, miserorum fOmenta pullorum? In seiner Polemik gegen die paganen simulacra verweist Arnobius auf deren Herstellung von Menschenhand (Kapitel 13) aus irdischem Material (Kapitel 14.15) und auf ihren staffageartigen Charakter (Kapitel 16), der sich enthülle, wenn man sie nur eingehender betrachte; dann sehe man die Götterbilder auch von Moder und Ungeziefer beschmutzt. (a) Der Ausdruck spirantia signa, mit dem Arnobius ironisch die vermeintliche künstlerische Pracht der Standbilder ihrem verfallenen Zustand gegenüberstellt, findet sich erstmals an zwei exponierten Vergilstellen: in der Schilderung des zu erbauenden Tempels zu Beginn des dritten Georgikabuches (georg. 3,34 stabunt et Parii lapides, spirantia signa) und, leicht abgewandelt, in der Priamel der Anchisesprophezeiung (Aen. 6,847 excudent alii spirantia mollius aera). Später werden Wendungen mit spirare in der Prosa öfter aufgegriffen3 für den Topos des lebendigen, weil im höchsten Mar 1
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Cf. Aen. 6,794sq. super et Garamantes et Indos / proferet imperium; ecl. 8,44 out Tmaros aut Rhodope aut extremi Garamantes, dazu H. DESSAU, 'Garamantes', RE 7,1 (1910) 752: "seit Vergil (...) häufig bei römischen Dichtern", etwa Sen. Herc. O. 110; Lucan. 4,334; Sil. 3,103; Prud., Claud. Cf. ThLL Onomasticon I s.v. Canaria 132,8; RE 7,1 42sq. FORCELLINI s.v. Spirans nennt als Belege ude pictis sculptisve imaginibus, quibus ad vivum quispiam imitatur": Aen. 6,848; georg. 3,34; Plin epist. 3,6,1*?. Hoc tarnen Signum ego quoque intellego. Est enim nudum, nee aut uitia si qua sunt celat, aut Landes parum
II.5.2
Die Vergilzitate
323
ße lebensnahen, Kunstwerkes1. Mit spirantia signa aber hält sich Arnobius am engsten an den Wortlaut der Georgika. (b) Auf dieses Werk lassen sich auch die von Arnobius als Bewohner der simulacra, bei Vergil aber als Bienenschädlinge aufgezählten stelio und lucifugae blattae zurückführen, georg. 4,243 (242—244): /.../ Nam saepe favos ignotvs adedit stelio et lucifugis congesta cubilia blattis immunisque sedens aliena et pabula fucus. Die Junktur lucifugae blattae wird öfter, auch als markiertes Zitat, in der Prosa aufgenommen,2 doch die Erwähnung des stelio zeigt, daß Arnobius eigenständig auf die Vergilstelle zurückgreift und mit Bedacht statt der bei Vergil im Anschluß genannten Drohne, die als Ungeziefer in einer Götterstatue seltsam anmuten müßte, Mäuse3 anführt. 6,17 (M. 330,11^9.) Et quid in testulis dii petunt, ut eas sedibus anteponunt?
sidereis
Im folgenden Kapitel hält Arnobius dem Einwand, in den simulacra hätten die Götter im Rahmen einer dedicatio Wohnung genommen, die polemische Frage entgegen, warum diese wohl ihre sidereae sedes zugunsten von Menschenhand gemachter Abbilder verlassen sollten. Der Ausdruck siderea sedis für den himmlischen Aufenthaltsort der Götter findet sich erstmals zu Beginn des zehnten Aeneisbuches, Aen. 10,3 (1—3): Panditur interea domus omnipotentis Olympi conciliumque vocat divum pater atque hominum rex sideream in sedem, /.../. Das vergilische sidereus geht zwar in die spätere Prosa4 ein, doch in der ostentat. Effingit senem stantem; ossa musculi nervi, venae rugae etiam ut spirantia adparent [...]; Gell. 6,5,7 [...] opplevit omnia non simutacris neque imitamentis, sed luctu atque lamentis veris et spirantibus. Apul. met. 11,17 disponunt rite simulacra spirantia; außerdem Val. Max. 8,11 ext. 4 cuius coniugem Praxiteles in marmore quasi spirantem in templo Cnidiorum collocavit. Häufig in den hellenistischen Beschreibungen der Kuh des Myron, dazu OVERBECK 550—588. Cf. NORDEN (337) und AUSTIN (261) zu Aen. 6,847; THOMAS (II 45sq.) zu georg. 3,34. Cf ThLL U s.v. 1. blatta 2050,31—34: ab Laber. mim. 94 amore cecidi tamquam blatta in pelvim; Verg. georg. 4,243 zitiert Colum. 9,7,6 und Plin. nat. 29,28; ThLL VI1,2 s.v. lucifugus 1712,41—45: seit Vergil für blatta. Die Maus als Schädling, der die Ertrage menschlicher Anstrengung gefährdet, erwähnt Vergil übrigens georg. 1,181 sq. Zum vergilischen Ursprung NORDEN ad 6,281 (auch Aen. 3,586; 12,167); nach Vergil sehr häufig in der Dichtung, so etwa (nach dem Befund des ThLL-Archivs): Prop. 3,20,18 deae; Ov. am. 3,10,21 arcein; ars 2,39 sedes; met. 1,779 ignibus; 4,169 luce; 6,342 luce-, 10,140 caelum; 11,445 coniunx; 15,31 caput; 15,665 ignes; fast. 4,941 cane; al.; Manil.; Sen. trag.; al.; Cypr. Call. exod. 134; 993; al.; in Prosa: Gramm. VI 88,31; Apul. met. 6,28 stellis; Plat. 1,10 luce; mund. 1 p. 291 conpago; 22 p. 338 luce; Ps. Tert. haer. 6 p. 223,23 (eine Häresie über die Menschwerdung Christi) carnem; Novatian.
324
II.5
Arnobius
dichterischen Junktur mit sedes1 für die Wohnstatt der Götter tritt der Vergilbezug hervor, mit dessen Hilfe Arnobius hier den Kontrast zwischen den himmlischen Gefilden und den ärmlichen Götterstatuen verdeutlicht. 6,18 (M. 331,2) Sed concedamus ut (ea) caelo et sidereis sedibtis anteponant: /.../• Die nochmalige Aufnahme der FormuUerung ist in ihrer Echtheit umstritten. 2 6,23 (M. 336,19) Sed si deae Veneres ingeniis placidioribus praeditae gerendum esse morem infortuniis iudicavere caecorum, cum Capitolium totiens edax ignis absumeret Iovemque Capitolinum cum uxore corripuisset ac filia, ubinam fulminator tempore ülofuit, ut sceleratum illud arceret incendium et a pestifero casu res suas ac semet et cunctam familiam vindicaret? Als weiteres Argument gegen die Verehrung der simxäacra führt Arnobius an, daß die Götter offensichtlich nichts zum Schutze ihrer Abbilder unternähmen. So ließe Venus die Schändung ihrer Statuen (Kapitel 21 sq.) zu, und Jupiter die Zerstörung der seinen durch Blitzschlag. Die Junktur ignis edax erscheint erstmals in der vergilischen Iliupersis (Aen. 2,7585g. Ilicet ignis edax summa adfastigia vento / volvitur; [...].) und wird dann häufig in der Dichtung, aber auch in der Vetus Latina und von Chalcidius aufgenommen.3 Arnobius bedient sich hier der eindringlichen Metaphorik des vielzitierten Ausdruckes, um die ohnmächtige Tatenlosigkeit des Göttervaters angesichts der Naturgewalt des Feuers zu illustrieren. 7,15 (M. 360,55?.) Quod est honoris genus, lignorum structibus incensis caelum fumo subtexere et effigies numinum nigrore offuscare ferali? Quod si ea quae fiunt propria vi pendere, non ante sumptis placet opinionibus aestimari, arae istae quas dicitis altariaque haec pulchra infelicissimi animalium genus ustrinae, rogi sunt et busticeta in opus structa foedissimum atque in sedem fabricata faetorum. Im ersten Teil des siebten Buches (bis Kapitel 25) setzt Arnobius sich mit der paganen Praxis des Tieropfers auseinander: Daß die Götter dadurch besänftigt oder erfreut würden, seien anthropomorphe Vorstellungen, auch als honor könne man die an ein Leichenbegängnis erinnernden Brandopfer nicht
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trin. 10 (67) aeteriam sive sideream /.../ voluit carnem; Paneg. 3,6,4; Arnob. nat. 3,21; 6,3; Symm. rel. 3,20; Aug. civ. 5,5 nexibus; 5,6; 5,9; al.; serm. 199,2,3; 200,1,1; Mart. Cap. 1,94 und öfter in der spätantiken Prosa. Cf. FORCELLINI; OLD s.v. sidereus; zum hymnischen Gebrauch im Christentum A. BLAISE, Le vocabulaire latin des principaux themes liturgiques, Turnhout 1966, §§290; 304. Ov. ars 2,39 non ego sidereas adfecto tangere sedes (als mögliche Anregung der Arnobiusstelle betrachtet von LE BONNIEC £cho$ ovidiens 142*0.); Manil. 4,267 quippe etiam mundi fadem sedesque movebit / sidereas caelumque novum versabit in orbem. MARCHESI ad i AUSTIN ad l. (274)
Über edax "introduced here by Virgil into elevated style; alter him, ignis edax became a common tum." Cf. ThLL V,2 s.v. edax 62,18—28.
H.5.2 Die Vergilzitate
325
ansehen. Die Formulierung caelum fumo subtexere, mit der Arnobius den düsteren Charakter solch einer Kulthandlung beschreibt, findet sich wörtUch in Vergils ätiologischer Schilderung vom Sturz des Giganten Enceladus ins Innere des Ätna, Aen. 3,582 (578—582): Fama est Enceladi semustum fulmine corpus urgeri mole hac, ingenternque insuper Aetnam impositam ruptis flammam exspirare caminis, et fessum quotiens mutet latus, intremere omnem murmure Trinacriam et caelum subtexere fumo. Arnobius permutiert die ihrerseits von Lukrez (Lucr. 5,4655g. omnia quae sursum cum conciliantur, in alto / corpore concreto subtexunt nubila caelum.) beeinflußte, aber eindeutig vergilische Formulierung, um den Hexameterschluß zu beseitigen.1 Im Folgekontext verleiht der bei Vergil auf ein vulkanologisches Phänomen zu beziehende Ausdruck dem von Arnobius beschriebenen Szenario einer Opferhandlung die hyperbolische Dimension einer Katastrophe kosmischen Ausmaßes, zumal wenn auch der Zusammenhang des Gigantensturzes evoziert zu denken ist. 7.16 (lanitium): Siehe oben (271) zu 1,21. 7.17 (M. 361,25; 362,10) Ecce, si vos canes — necesse est enim quaedam fingt, perspici ut liquidius res possint — si, inquam, canes et asini, si motacillae cum his simul, si hirundines garrulae pariterque cum his porci sensu aliquo humanitatis accepto deos putarent atque existimarent vos esse sacraque vobis intenderent honoris ergo facere, non ex materiis aliis aliisque de rebus sed quibus ali moris est Ulis et naturali adpetitione fulciri: audire a vobis exposcimus, utrumne hunc honorem an contumeliam potius esse iudicaretis amplissimam, cum hirundines vobis muscas, motacillae caederent consecrarentque formiculas, cum altaribus vestris darent asini faenurn paleasque libarent, cum inponerent canes ossa et humani stercoris proluviem concremarent, cum ad ultimum porculi caenum vobis profunderent ex volutabris horrentibus, lutosis et voraginibus sumptum? 1
Cf. Sen. nat. 1,4,2 Ingens enim varxumque corpus intra momentum subtexitur caelo et aeque celeriter aboletur. Stat silv. 3,1,127 cum grave nocturna caelum subtexitur umbra. Nach FORCELLINI s.v. subtexo, OLD s.v. subtexo 2 gehört subtexere in der Bedeutung 'den Himmel verdunkeln1 in die Dichtersprache, in der Prosa Überwiegt gemäß dem Material im ThLL-Archiv die übertragene Verwendung, so Nep. Att. 18,2 familiarum onginem subtexuit; Liv. 37,48,6 subtexit /.../ fabulae huic legatos [...] hoc /.../ interrogatos esse; Sen. controv. 1 praef. 22 nee his argumenta subtexam; 3 praef. 18; suas. 2,10; Vell. 14,1; Val. Max. 6,9.7; Sen. dial. 2,35,2; Colum. 11,1,2; Piin. nat. 10,190; Quint. inst. 4,2,14; 4,4,4; Suet. Aug. 94; Tert. ieiun. 2; adv. Marc. 4,25.33; 5,2; paenit. 7,2.5; Iul. Val. 1,46; Chalc. comm. 186; 187; 235; 236; al.; (cf. Plin. nat. 20,264; 24,129.138; 25,132 für das Anwenden von Präparaten); vom Himmel aber Sen. nat. 1,4,2 corpus ingens intra momentum subtexitur caelo; Iul. Val. 2,13 aera subtexuisse iaculis; 3,22 nubes solis lumen coepere subtexere. Cf. W. SCHETTER, Statius Thebais 5,296, RhM 122 (1979) 344—347, hier 345s?., zur dichterischen Verwendung von subtexere.
326
II.5
Arnobius
Dem Einwand, im Tieropfer werde das den Göttern dargebracht, was den Menschen als Nahrung diene (Kapitel 16), hält Arnobius hier polemisch das Konstrukt entgegen, daß dann wohl alle Tiere, hätten sie Götter, ihr jeweiliges Futter opfern müßten. Den in diesem Zusammenhang genannten hirundines gibt Arnobius das seit Vergil (georg. 4,307 garrula quam tignis nidum suspendat hirundo.) sprichwörtliche garrulae bei.1 Schon Tertuilian (anim. 32 [sc. non fient] hirundines ex garrulis) geht von einer festen Wendung aus. Bei Arnobius fungiert garrulae hier als reines Epitheton. Das erstmals bei Vergil (georg. 3,411 saepe volutabris pulsos silvestribus apros / latratu turbabis agens) belegte volutabrum findet sich hier und beim etwa gleichzeitigen2 Solinus (5,22) anscheinend erstmals in Prosa belegt — bei den späteren Christen erscheint das Wort dann zwar häufig, für Arnobius ist aber wohl mit einem color Vergilianus zu rechnen.3 7,19 (M. 365,359.) Sed si sexibus sexus pares, id est feminas feminis, mares autem hostias dis maribus immolari sacrificiorum iura praescribunt: quae in coloribus ratio estt ut merito his albas, Ulis atras conveniat nigerrimasque mactari? In den Kapiteln 19 bis 22 führt Arnobius das Argument ad absurdum, das Opfertier müsse in irgendeiner Hinsicht zu der Gottheit passen, der es dargebracht werde. Hier setzt er sich mit der Praxis auseinander, den dii superi weiße, den Göttern der Unterwelt schwarze Tiere zu opfern. SANTORELLI (247) sieht darin eine Reminiszenz der vergilischen Schilderung vom Opfer des Anchises nach der Deutung des fälschlich auf Kreta bezogenen Apollorakels, Aen. 3,118—120: sie fatus meritos aris maetavit honores, taurum Neptuno, taurum tibi, pulcher Apollo, nigram Hiemi peeudem, Zephyris felicibus albam. Zwar stimmen beide Stellen nicht nur in der Sache, das heißt in der Darstellung eines nach den Farben der hostiae für die einzelnen Götter differenzierten Opfers, überein, sondern auch in den zentralen Stichworten maetare, niger und albus. Jedoch handelt es sich bei der geschilderten Opferpraxis um die allgemein übliche, die Begriffe niger, albus und maetare sind die gängigen termini technici.4 Obwohl die Vergilstelle mit ihrer knappen, eingängigen Darstellung der Zuweisung unterschiedlicher Opfer für unterschiedliche Götter 1
Cf. ThLL VI,2 garrulus 1698,84—1699,5 als Epitheton: Eleg. in Maecen. 1,102; Arnob. nat. 7,17; Avien. Arat. 1701; Carm. de mens. 2,11; Eug. Tolet. carm. 33,11; vorausgesetzt als feste Wendung: Sen. Ag. 675 furta mariti garrula narrat (und zwar die in eine Schwalbe verwandelte Procne); Tert. anim 32.
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Cf. K. SALLMANN, DNP 11 (2001) 701.
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FORCELLINI s.v. volutabrum, PHI 5.3 und CLCLT-5 bieten außer der Vergil- und der Arnobiusstelle beispielsweise Ambr. hex. 3,1,4; 5,8,21; virg. 1,8,45; Aug. fid. et op. 24,45; Vulg. 2 Petr. 2,22; Salvian. adv. Avar. 1. Cf. LEHR 79; BERINGER 64—67. Im Übrigen führt Arnobius selbst im folgenden Kapitel 20 dazu weiter aus: Et quae causa, quae ratio est, ut atrae his hostiae nigerrimique
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II.5.2
Die Vergilzitate
327
sehr wohl als locus classicus im Hintergrund stehen kann, zumal wenn man die Nachwirkung vergilischer Kultsprache bei den späten und namentlich den christlichen Autoren bedenkt, ist dennoch unwahrscheinlich, daß eine gezielte Referenz auf das Opfer des Anchises vorliegt und der vergilische Kontext evoziert werden soll. Im übrigen geht es Arnobius in seiner Gedankenführung ja gerade um eine allgemein gebräuchliche, nicht um eine an einer bestimmten Stelle bei Vergil erwähnte Opferpraxis.l 7,20 (M. 366,25g.) Solas ergo immolate diis lanas vulsasque ex hostiis saetulas, velinquite infelicissimas pecudea spoliatas licet ac tonsas caeli animam ducere et pastibus innocentissimas incubare. und 7,24 (M. 370,9) Esto, concedatur infelicissimas pecudea non sine aliquo religionis officio divorum apud templa mactari et quod ex usu consuetudinis factum est rationis alicuius causam aliquant continere: /.../ Im Kapitel 20 kritisiert Arnobius die Praxis, den Unterweltsgöttern schwarze Opfertiere darzubringen: Da könne man gleich nur die Wolle opfern und die armen Tiere leben lassen. Im Kapitel 24 sucht Arnobius die Unsinnigkeit der das Opfer begleitenden Riten zu erweisen und räumt um der Argumentation willen zunächst ein, es sei tatsächlich geboten, infelicissimae pecudes zu opfern. Die Junktur infelix pecus begegnet auch zu Beginn der dritten Ekloge, wo Menalcas in provozierender Absicht die Damoetas anvertrauten Schafe bedauert, ecl. 3,3 (1—6): (M.) Die mihi, Damoeta, cuium pecus? an Meliboei? (DJ Non} verum Aegonis; nuper mihi tradidit Aegon. (M.) Infelix o semper, oves, pecus! ipse Neaeram dum fovet ac ne me sibi praeferat illa veretur, hie alienus ovis custos bis mulget in horat et sueus pecori et lac subducitur agnis. Die Verwendung der Junktur läßt sich ansonsten nicht nachweisen.2 Beide Male wird in vermenschlichender Weise Mitleid mit Tieren ausgedrückt, beide Male steckt dahinter eine Invektive gegen Menschen. Vieles spricht dafür,
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admoveantur coloris? quia nigra nigris conveniunt et tristia consimilibus grata sunt. Quid ergo? non videtis, ut vobiscum et nos stolide similiterque ludamus, albas esse hostiarum carnes ossa dentes pinguitias omenta cum cerebris mollesque in ossibus medullas? — Diese polemischen Einlassungen sind am ehesten vor dem Hintergrund einer auch zur Zeit des Arnobius allgemein üblichen Opferpraxis zu sehen. Allzu kühn daher SANTORELLI (247), wenn sie annimmt, daß die Arnobiusstelle usi riverbera con forza sui versi di Virgilio e rimanda un'immagine deformata e grottesca di questi poveri ometti che si affannavano tanto a fare cose assurde" — für einen solchen Bezug ist die Markierung viel zu schwach. ThLL VI LI s.v. infelix 1361139—53 belegt infelix für Tiere im vorliegenden Sinn nur an der Vergilstelle; für die Junktur infelix pecus bieten ThLL XI s.v. 1. pecus und 2. pecus 945,403??., PHI 5.3 und CLCLT-5 außer der Vergil- und Arnobiusstelle Aug. conf. 3,2,4 (über sich selbst).
328
II.5
Arnobius
dafi Arnobius an dieser spaßhaften Bosheit in ihrer auffälligen sprachlichen Gestaltung mit dem Hyperbaton, das erst am Satzende die Tiere, nicht den Gesprächspartner als Angeredete zu erkennen gibt, Gefallen gefunden hat und die Wendung daher gleich zweimal verwendet.1 7.22 Tritonia virgo: Siehe oben (298) zu 3,21. 7.23 (M. 370,3) Ut si manu viperam mulceas, venenato blandiaris aut scorpio, petat ille te morsu, hie contractus aculeum figat, nihilque illa prosit adlusio, cum ad nocendum res ambae non stimulis exagitentur irarum sed quadam proprietate naturae: ita nihil prodest promereri velle per hostias deos laevosf cum sive illud feceris sive contra non feceris agant (secundum) suam naturam et ad ea quae factitant ingenitis legibus et quadam necessitate ducantur. Gegen das Argument, man müsse wohlgesonnenen Göttern opfern, damit sie helfen, und übelgesonnenen, damit sie nicht schaden, hält Arnobius, dafi die jeweilige Natur, ob gut oder böse, ohnehin zum Durchbruch komme. Als Analogie verweist er auf Schlange und Skorpion, die auch ohne Stimuli irarum angriffen. Diese Formulierung findet sich bei Lukan (2,324 irarum movit stimulos) und Statius (Theb. 10,75 horruit irarum stimulis), könnte aber auf entsprechende verbalisierte Ausdrücke bei Vergil (Aen. 11,451 sq. Extemplo turbati animi concussaque vulgi / pectora et arrectae stimulis haud mollibus irae. ll,727sg. Tyrrhenum genitor Tarchonem in proelia saeva / suscitat et stimulis haud mollibus inicit iras.)2 zurückgehen. Das Bild vom Stimulus, auch mit Genitiv, findet sich zwar häufiger,3 doch der auf Vergil zurückzuführenden Verbindung mit ira scheint zumindest ein gewisser color poeticus anzuhaften.4 7.24 (infelicissimae
pecudes): Siehe oben (327) zu 7,20.
7,26 (M. 375,11) Nam neque temporibus, quemadmodum creditur et perhibetury heroids quidnam esset thus scitum estf scriptoribus ut conprobatur a 1
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LE BONNIEC (ßchos ovidiens 143 sq.) nennt auch gedankliche Parallelen bei Ovid, doch liegt die Vergi Ist eile in ihrer sprachlichen Gestalt als Vorbild näher. Für die (auch von Arnobius wahrgenommene) Prägnanz der Eklogenstellen spricht vielmehr die Nachahmung (c/. ThLL X,l 950,61) Ov. met. 15,1165?. Cf. Lucan. 7,103 st modo virtutis stimulis iraeque calore; Stat. Theb. 11,497 tunc vero accensae stimulis maioribus irae. Etwa Cic. Arch. 29; Arnob. nat. 1,64 et in odia vos aspera furialibus stimulis concitaret?\ 2,5 ad credendi Studium prohibitionis ipsius stimulis excitetur?; 3,28 qui furialibus stimulis animos inquietent 7,22 nullis umquam stimulis (in) in nullius opens excitata conatus. FORCELLINI und OLD s.v. Stimulus belegen die Verbindung von Stimulus und tro nur Verg. Aen. 11,452; ThLL VIII,2 s.v. ira 367,15—30 führt Stimuli irarum nicht unter den üblichen Wendungen aliqua res irae auf. Aber etwa Serv. Aen. 12,830 stimulos iracundiae ad futurum reservent.
II.5.2
Die Vergilzitate
329
priscis, quorum in libris posita nulla eins mentio reperitur, neque genetrix et mater superstitionis Etruria opinionem eins novit aut famam, sacellorum ut indicant ritus, neque quadringentis annis quibus Albana res viguit in usum cuiquam venu, sacra cum res fieret, neque ipse Romulus aut religionibus artifex in comminiscendis Numa aut esse scivit aut nascif ut pium far monstrat, quo peragi mos fuit sacrificorum sollemnium munia. Im Kapitel 26 wendet sich Arnobius den Rauchopfern zu. Man könne, so gibt Arnobius zu bedenken, gar nicht wissen, ob den Göttern Weihrauch willkommen sei. Dabei handle es sich ja um eine novella /.../ propemodum res, in der Vorzeit habe man schließlich noch pium far geopfert.1 Mit dieser Umschreibung bezeichnen Horaz, carm. 3,23,20 (17—20): Inmunis aram si tetigit manus, non sumptuosa blandior hostia, mollivit aversos Penatis farre pio et saliente mica. Vergil, Aen. 5,745 (743—745): Haec memorans cinerem et sopitos suscitat ignis, Pergameumque Larem et canae penetralia Vestae farre pio et plena supplex veneratur acerra. und Lygdamus, Tib. 3,4,9: Et natum in curas hominum genus omina noctis farre pio placant et saliente sale. die mola salsa als Sinnbild eines einfachen und althergebrachten Opfers.2 Ob Horaz, bei dem die Einfachheit des Opfers deutlich im Mittelpunkt steht, oder Vergil der Bezugspunkt für Arnobius ist,3 läßt sich nicht entscheiden. Jedenfalls scheint er, wie die Formulierung ut pium far monstrat zeigt, in dem von den Augusteern geprägten Ausdruck eine bekannte Wendung zu sehen, deren Erklärung — das heißt, warum das far ein pium ist — er beim Leser selbstverständlich voraussetzt. 7,28 (M. 378,20) Nam si verum est, ut ab sapientibus creditur, incorpomles hos [sc. deos] esse nee validitatis alicuius eminentia sublevarif inanis apud hos odor est nee sensibiliter commovere aura eos potis est nidore alicuius, 1
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Der Sache nach hat Arnobius zwar Unrecht, da schon für das vorrömische Italien Weihrauchopfer archäologisch nachgewiesen sind. Jedoch wird die Ansicht, Weihrauch sei ein später eingeführtes Opfer, in der Antike allenthalben vertreten; dazu folgende Anmerkung. So ausdrücklich Ov. fast. 1,337—342 mit BÖMER ad L (40): uEs ist eine weitverbreitete und durch antike Nachrichten gestützte Auffassung, daß Weihrauch und Myrrhe in Rom erst verhältnismäßig spät [...] bekannt geworden sind [...]. Man muß diese Angaben aufgrund der Bodenbefunde ein wenig modifizieren: Schon die Villanova-Urnen von Bologna kennen Beigaben von Weihrauch [..]" Cf. ThLL VI,1 s.v. far 278,37—50 ab Verg. Aen. 5,745, als erster Prosabeleg Arnob. nat. 7,26.
330
II.5
Arnobius
non si mille tu pondera masculi thuris incendas caelumque hoc totum redundantium vaporum nebulositate cludatur. Den Gedanken, Weihrauchduft erfreue die Götter, weist Arnobius als anthropomorph zurück: Nicht einmal mille [...] pondera masculi thuris könnten die dei incorporales erreichen. Von mascula tura spricht zwar auch Vergil (ecl. 8,65 verbenasque adole pinguis et mascula tura), doch handelt es sich dabei um den ob ihrer hodenähnlichen Form gewählten Fachausdruck (&ppr|v Xlßavoc) für die am meisten geschätzte Weihrauchsorte.1 Ob Arnobius sich also auf die Vergilstelle, den ältesten und vielleicht bekanntesten Beleg, bezieht, muß fraglich bleiben, vornehmlich geht es um Quantität und Qualität des Weihrauchs.2 7.32 (M. 382,255g.) Sed sit ut vultis honor in vino, sit in thure, immolatione et caedibus hostiarum irae numinum offensiones placentur. Etiamne di sertis, coronis adficiuntur etfloribus? etiamne aeris tinnitibus et quassationibus cymbalorum? etiamne tympanis? etiamne symphoniis? Quid? efficiunt crepitus scabillorum ut, cum eos audierint numina, honorifice secum exitiment actum et ferventes animos irarum oblivione deponant? Im Kapitel 32 setzt sich Arnobius mit den paganen Kult Veranstaltungen auseinander. Die wohl auf orientalische Mysterienkulte zu beziehende3 Formulierung aeris tinnitus et quassationes cymbalorum hat eine Parallele in Vergils Anweisungen zur Lenkung eines schwärmenden Bienenvolkes (georg. 4,64 tinnitusque cie et Matris quate cymbala circum). Die Junktur cymbala quatere, bei Vergil verbal, bei Arnobius nominal, findet sich in Prosa nur selten und spät4; auch das parallele tinnitud* im ersten Glied verweist auf Vergil. Anscheinend läßt sich also Arnobius zur Darstellung der Musik im Kybelekult von Vergil anregen. 7.33 et crudis mutilare de caestibus: Siehe oben (276) zu l,36e. 7,39ab (M. 392,14; 393,7) Ventum est ergo, dum loquimur, ad ipsum articulum causae, ventum rei ad cardinem, ventum veram atque ad iunctissimam quaestionem, in quam convenit ut debeamus inspicere formidine superstitio1
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Cf. Plin. nat. 12,62; W.W. MÜLLER, • Weihrauch1, RE Suppl. XV (1978) 718; ThLL VIII s.v. masculus 428,44—49: neben Verg. ecl. 8,65 (cf. Apul. apol. 30); Ov. medic. 94 mascula tura sehr häufig in der medizinischen und pharmakologischen Fachliteratur (etwa Cels. 5,18,7b.24 etc.; Scrib. Larg. 206 etc.). Liegt eine derbe Pointe außerdem in der Verwendung von pondera neben mascuU thuris nach Catull. 63,5 (über die Entmannung des Attis) devolsit üei acuto sibi pondera silice; Petron. 92,9 habebat entm inguinum pondus tarn gründe?
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Cf. MCCRACKEN ad L II 612 Anm.
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ThLL IV 1588s?. s.v. cymbalum nennt als Junkturen cymbalum quatere sim.: Anth. 723,8 [sc. lunaj sistro renovas brumam, tu cymbala quassas; Arnob. nat. 7,32; Larapr. Comm. 11,3 quatientem cymbala; Carm. c. pag. 73 (Ende 4.Jh) cymbala /.../ quatere. Für den Klang der cymbala Min. Fei. 22,3; Lact. epit. 18,11, beide aber über die Korybanten; Sol. 24,10; Firm. err. 6,5; Ven. Fort. Mart. 2,167.
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99.
II.5.2
Die Vergilzitate
331
nis amota et gratificatione deposita, utrumne hi dii sint quos saevire adseveratis offensos reddique sacrificiis mites an sint longe aliud et ab huius vi debeant et nominis et potentiae segregari. /.../ Ludis dein [dein] terminatis profligatisque curriculis non multi post temporis spatium civitatem occepisse pestilentia vastari, cumque dies adderet malum malo gravius, catervatim et populus interiret, rusticulo cuidam sorte humilitatis obscuro Iovem per insomnium dixisse, uti ad consules vaderet, praesulem sibi displicuisse monstraret, posse melius fieri civitatis st ludis sua religio redderetur et ex integro rursus curiosa observatione procederent Im Kapitel 39 gelangt Arnobius an eine entscheidende Stelle seiner Argumentation gegen die pagane Opferpraxis: zur Leugnung der Existenz der heidnischen Götter. Der Ausdruck cardo rei, mit dem er diesen Höhepunkt bezeichnet, findet sich erstmals bei Vergil, Aen. 1,672 haud tanto cessabit cardine rerum. Venus drückt mit diesen Worten gegenüber Amor ihre Bedenken aus, Juno werde in einer so entscheidenden Situation nicht untätig Aeneas' gastfreier Aufnahme bei Dido zusehen.1 Zwar wird der cardo häufiger in Redewendungen bemüht 2 , die Formulierung mit rerum beziehungsweise rei jedoch ist nach Vergil erstmals bei Arnobius, dann bei seinem Schüler Laktanz und bei Ambrosius belegt3. Arnobius greift also offenbar bewußt auf die vergilische Form einer geläufigen Metaphorik zurück, um seiner fast hyperbolisch emphatischen Einleitung durch die Anspielung auf die Worte der Venus eine Pointe zu verleihen.4 Einem Hinweis von SPINDLER (14) folgend, könnte man in catervatim aufgrund des Zusammenhangs einen Einfluß der Seuchendarstellungen des Lukrez und des Vergil annehmen: Zwar handelt es sich um ein unpoetisches Wort5, jedoch wird es sowohl in Lukrezens Pestschilderung (6,1144 inde catervatim morbo mortique dabantur) als auch in Vergils Norischer Viehseuche6 für die zu Haufen aufgetürmten Opfer verwendet.7 AUSTIN ad l. 204: "[Sjhe will not be idle at so important a turning point." So Servius ad /.: de proverbio tractum, quo dicitur 'res in cardine est'. Belege aus der Dichtung ThLL III s.v. cardo 446,40—56. in Prosa Plin. nat. 18,264 anni cardo; Quint. inst. 5,12,3 causae cardinem; 12,8,2 litium cardo. Cf ThLL III s.v. cardo 446,31—37: zur Vergilstelle Arnob. nat. 7,39 und Lact. inst. 2,8,55 hie est cardo rerum, hie vertuntur omnia; 7,5,2 (cf. ira 6,2). — Im übrigen verwendet Arnobius cardo ansonsten nur im geograpisch-astronomischen Sinne, cf. 2,13 mundus oeeeperit [...] in cardinem vergere; 2,58 axis eum sustineat extremis cardinibus nitens; 4,5 si orientem solem respexero, cardo mihi frigoris et septentrio fit laevus; 6,5 alii quos ab sui notitia maria montes silvae et quadrimi disterminant cardines; 7,40 (sc. luppiter] orientalem conversus ad cardinem. Zum sprichwörtlichen Charakter der Metaphorik OTTO 76 Nr. 351. Cf. ThLL III 6\0sq. s.v. catervatim: ab Lucr. 6,1144, dann in Prosa, etwa Bell. Afr. 32,3; Sali. lug. 97,4 etc. Verg. georg. 3,556 (554—558) Balatu pecorum et crebris mugitibus amnes / arentesque sonant ripae collesque supini. / iamque catervatim dat stragem atque aggerat ipsis / in stabulis turpi dilapsa cadavera tabo, / donec humo tegere ac foveis abscondere diseunt. Die Verse Verg. georg. 3,5565g. nimmt bereits Liv. 4,30,8 auf, cf. FOUCHER 296 —
332
II.5
Arnobius
7,44 (M. 402,24; 403,859.) Ex Epidauro tarnen quid est aliud adlatum msi magni agminis coluber? Fidem si annalium sequimur et exploratam eis adtribuimus veritatem, nihil, ut conscriptum est, aliud. Quid ergo dicemus? Aesculapius iste quem praedicatis, deus praestans, sanctus deus, salutis dator, valetudinum pessimarum propulsator, prohibitor et extinctor, serpentis est forma et circumscriptione finitus, per terram reptans, caeno natis ut vermiculis mos est, solum mento radit et pectore, tortuosis voluminibus se trahens, atque ut pergere prorsus possit, partem sui postremam conatibus prioris adducit. Die letzten Kapitel seines Werkes widmet Arnobius der Auseinandersetzung mit verschiedenen historiae von in Rom verehrten Göttern, hier1 derjenigen des Äskulap. Nach polemischen Bemerkungen gegen dessen angeblich göttliche Herkunft, sucht Arnobius den vermeintlichen Helfer und Heiler als Giftschlange zu entlarven. Die dabei für die Fortbewegung verwendeten Ausdrücke agmen2 und voluminc? gehören zum charakteristischen Vokar bular vergilischer Schlangenschilderungen {agmen georg. 3,423; Aen. 2,212; 5,90; volumen Aen. 2,208; 5,85; 11,753). Die Formulierung solum mento radit könnte von Horazens Beschreibung der demütigenden Niederlage bei Philippi (carm 2,7,12 cum fracta virtus et minaces / turpe solum tetigere mento) herrühren.4 Arnobius sucht für die Polemik gegen Äskulap offenbar einen color poeticus. So wie Arnobius den Gott Äskulap als am Boden kriechende Giftschlange vorführt und dazu das vergilisch-
1
2 3 4
vielleicht ein Indiz für die Eindringlichkeit der Stelle und dafür, daß auch Arnobius sie hier vor Augen gehabt haben kann. Im Kapitel 44 deuten einige Hinweise, vor allem Dubletten zu den Kapiteln 39 und 41, auf eine fehlende Endredaktion hin, dazu WLOSOK, HLL 4 (1989) 372. Cf. ThLL I s.v. agmen 1340,75—1341,7 Belege ab Verg. georg. 3,423; Aen. 2,212; in Prosa ab Iul. Val. 1,4 p. 9,21 K. und Arnob. nat. 7,44. FORCELLINI und OLD bieten für volumen von Schlangen nur Vergil-Belege. ThLL VIII s.v. 1. mentum nennt für die Berührung des solum mit dem Kinn beim Menschen nur die Horazstelle (cf. 783,84—784,11), beim Tier nur die Arnobiusstelle, cf. 784,45—56.
II.5.3
Auswertung
333
zugleich widerlegten Wege, wie von deren heiligem Stein eine göttliche Wirkkraft ausgehen könne, nennt Arnobius den Gedanken, ein numen wohne dem Stein so inne wie die Möglichkeit, aus ihm Feuer zu schlagen. Der Formulierung für das Feuermachen liegen, wie schon REIFFERSCHEID gesehen hat, der in diesem Sinne ignis ergänzt, die vergilischen Darstellungen dieses Vorganges zugrunde, georg. 1,135 (129—135): Ille malum virus serpentibus addidit atris praedarique lupos iussit pontumque moveri, mellaque decussit foliis ignemque removit et passim rivis currentia vina repressit, ut varias usus meditando extunderet artis paulatim, et sulcis frumenti quaereret herbam, ut silicis venia abstrusum excuderet ignem. Aen. 6,7 (5—8): /.../ Iuvenum manus emicat ardens litus in Hesperium; quaerit pars semina flammae abstrusa in venia silicis, pars densa ferarum tecta rapit siluas inventaque flumina monstrat TYotz der von Arnobius vorgenommenen Ergänzungen, die teilweise durch den Kontext des Vergleichs begründet (silicis fragmentis (ignis) more), teilweise unmotiviert (subiectam venisque in eins abtrusam) sind, und trotz des in der Handschrift fehlenden ignis ist durch den Inhalt und die Verwendung von abstrudere1 der Vergilbezug zweifelsfrei. Vielleicht regt Vergils Version des epischen Topos vom Feuermachen (Hom. Od. 7,13; Verg. Aen. 1,174—176) Arnobius überhaupt zu dieser Erklärung für die göttliche Kraft eines Steines an. Auch Novatian (cib. lud. 3,3) und Cyprian (hab. virg. 1), dazu oben (199; 237), greifen die Vergilstellen auf.
5.3 5.3.1
Auswertung Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
Obwohl Vergil von Arnobius nirgends erwähnt oder wörtlich zitiert wird, enthält die vorausgehende Auflistung etwa 80 Stellen, für die mit einiger Sicherheit ein vergilischer Einfluß angenommen werden kann.2 Siebenmal übernimmt Arnobius mindestens drei Elemente in unmittelbarem Zusammenhang, allerdings mit kleineren Veränderungen (1,11a; 3,30; 4,1; 5,5; 5,23a; 5,23b; 7,15), sechsmal greift er Formulierungen aus mehreren Elementen auf, 1 2
Cf. ThLL I s.v. abstrudo 204,1. Hinzu kamen etwa 10 Stellen, an denen Vergil als Vorbild denkbar, aber nicht sicher ist. SANTORELLI (242 Anm. 6) spricht von 131 Parallelen, nennt in ihrem Aufsatz aber weit weniger und schweigt sich auch über die Quelle bzw. das Zustandekommen dieser Zahlenangabe aus.
334
II.5
Amobius
aber mit wesentlichen Substitutionen und Additionen (1,2a; 1,36c; 2,24; 3,32; 4,21; 7,50), zehnmal gibt er einen vergilischen Gedanken oder eine Szene mit mehreren Stichwörtern wieder (1,17a; 1,36a; 2,71; 2,14abc; 2,67; 3,29; 4,24; 4,26; 5,19; 6,16b)1, eine Anspielung richtet sich ohne sprachliche Parallelen auf die Aeneis insgesamt (4,27). Bei allen Zitatsegmenten kommt es dabei zur Permutation, bei fast allen2 zur morphosyntaktischen Adaptation, wodurch sich auch die prosodische Prosifikation ergibt. Manche Änderungen an den Zitatsegmenten lassen sich als inhaltliche Adaptationen erklären: So dient beispielsweise der Plural ovilibus insidiatur lupus (1,11a) der vom Folgekontext geforderten Verallgemeinerung, tremefaciens caelum statt Olympum (4,21) unterstreicht die kosmische Dimension der göttlichen Macht, rumigare statt ruminare (5,23b) wirkt drastischer.3 Ein besonders weitgehendes Beispiel für inhaltliche Anpassung ist das Zitat eines Georgikaverses (georg. 1,62) über Deukalion, den Arnobius (5,5) zu einer Darstellung des Mythos von der Entstehung der Magna Mater ausbaut, die im Prätext nicht vorkommt. Oft aber scheint Arnobius darüber hinaus den Wortlaut nur um der Raffinierung willen zu verfremden, teilweise nur in einzelnen Elementen, wenn er etwa rupes statt cautes (2,24) schreibt4, häufig jedoch bis hin zu einer neuen Formulierung des vergilischen Gedankens, die nur noch einzelne Stichworte enthält, wenn etwa Cyllenae gelido conceptum vertice fudit zu Cyllenius in algido /usus monte (3,32) wird5. Ein großer Teil der Zitate besteht jedoch aus zweigliedrigen Junkturen, unter denen die nominalen, meist aus Substantiv und Adjektiv6 oder Substantiv und Substantiv7, zweimal aus Adjektiv und Adjektiv8, gegenüber den verbalen9 überwiegen. Einige dieser Junkturen scheinen bei Arnobius erstmals in Prosa (etwa 1,2c cruor taeter, 1,17b anhelum pectus\ l,36f vulneratis /.../ auribus; 6,23 edax ignis; 7,26 pium far) oder überhaupt erstmals nachvergilisch belegt zu sein (etwa l,36e par. crudo /.../ caestu\ 7,39a rei ad cardinem). Was die aus nur einem Element 1 2 3
4 5
6
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Unsicherer 3,9b; 7,19; 7,32. Ausnahmen sind etwa 3,30 soror et coniunx; 4,1 Romanos, dominos rerum; 7,15 caelum fumo subtexere. Auch bei Zitaten, die eher auf einer Struktur- als einer Elementenreproduktion beruhen, lassen sich für manche Änderungen Motive vermuten, so paßt beispielsweise 2,8 nur senectutis ad metas, nicht aber das vergilische aevi; 4,24 ist für die Begründung der Benennung von Latium quod semantisch genauer als das vergilische quonxam. Viele Zitate verändert Arnobius aber so stark, daß eine Betrachtung einzelner Substitutionen gar nicht mehr möglich ist. Hierher gehört wohl auch die Änderung von -que zu atque (5,23a). Hierfür sind die Beispiele zahlreich, etwa die Pathographie des Zornes (l,17ab), die Etymologie von faniculum und Saturnia (1,36a), die Genealogie der Nachfahren des Saturn (2,71), die Etymologie von Latium (4,24), der Titanensturz (5,19), die Musik im Kybelekult (7,32). 1,2c; 1,17b; l,25porr.; l,36e par.; 2,70a; 3,21par.; 3,31; 6,5; 6,16a; 6,17; 6,23; 7,17; 7,20par.; hierher gehören auch die unsicheren Belege 5,31; 7,26; 7,28; im weiteren Sinne 1,2b, wo allerdings das Bezugsnomen ergänzt ist. 2,14b; 2,53; 3,13; 3,31; 4,35; 5,19; 7,39a; unsicher 2,59; 7,23. 1,54; 5,34 1,11b; l,36f; 2,16; 3,9a; 5,21; 5,23c
II. 5.3
Auswertung
335
bestehenden Zitatsegmente betrifft, so verwendet Arnobius viermal ein von Vergil an belegtes Wort erstmals in Prosa (2,36 inremeabilis; 2,70b ignipotensr, 3,lpar. fundamen; 5,13 Berecyntia)1 \ für die schon in der älteren Dichtersprache gebräuchlichen tutamen (l,28bpar.) und arquitenens (l,36dpor.) ist Vergil nächstliegender Bezugspunkt. Achtmal wird ein Wort nach vergilischem Vorbild gebraucht: 1,28c tumor, 1,34 immanis; 2,58 obtunsum (mit Stichwörtern aus dem Kontext); 4,18 sedere; 4,26 obsitus; 6,3 evomere; 7,44a agmen; 7,44c volumen.2 Öfter stellt Arnobius mehrere Reminiszenzen zu Zitatennestern zusammen. Im Kapitel 1,36 beispielsweise verwendet Arnobius fünf vergilische Götterepitheta und drückt auch die Reaktion der Götter auf das über sie Erzählte mit einer vergilischen Wendung (vulneratis accipiunt auribus) aus. Im Kapitel 5,23 hebt er das Unwürdige eines Kultmythos über Jupiter durch die Kontrastierung mit vergilischen Formulierungen heraus. In manchen Fällen ergänzt Arnobius primär inhaltliche Zitate mit weiteren vergilischen Einzelformulierungen, etwa bei der Jenseitsschilderung, die ein Element aus vergilischen Vulkandarstellungen erhält (2,14b).3 Es finden sich aber auch aus Vergil und anderen Autoren kombinierte Zitatennester, so etwa die Klimax poetischer Aussagen über die göttliche Hoheit des Jupiter aus dichtersprachlichen, epischen, homerischen und vergilischen Elementen im Kapitel 4,21, die Darstellung schädlicher Pflanzen und Tiere in einer Verflechtung von Reminszenzen aus Vergil und Lukrez sowie von Motiven des Goldenen Zeitalters im Kapitel 1,11 oder die in lukrezischem und vergilischem Kolorit gehaltene Weltbetrachtung im Kapitel 1,2.4 Arnobius kontaminiert dabei nicht willkürlich verschiedene Dichterstellen, sondern sucht einen bestimmten Zusammenklang poetischer Töne, teilweise zur Kontrastierung, teilweise zur adäquaten Wiedergabe eines spezifisch dichterischen, etwa kosmologischen oder theologischen, Themenbereichs. Formal betrachtet haben diese Zitatennester darüber hinaus eine markierende Funktion, und tatsächlich setzt das Verständnis wenigstens der umfangreicheren unter ihnen die Perzeption der intertextuellen Struktur des Folgetextes voraus.5 Während weitere Strategien der Markierung durch Position6 oder durch 1 2 3
4
5
Fraglich ist 7,17b volutabrum, lanxtium (1,21 parr.) erscheint etwa schon bei Plinius dem Älteren. Unsicher 1,36b indiges; 3,33par. datory 7,39b catervatim; cf. 5,25par. ineluctabtlis, ein echter Grenzfall, dazu unten 388. Weitere Beispiele wären etwa die Wiedergabe der vergilischen Episode von Saturn und Philyra mit dem vergilischen obsitus (4,26), die Darstellung des Götterzornes durch Vereinigung von Zügen aus dem Zorn des Turnus und der Ekstase der Sibylle (1,17) oder der Titanensturz (5,19). Daneben die wohl weniger signifikanten Beispiele 1,28; 2,70; 6,16; 7,39. Hierher gehört vielleicht auch die Stilisierung von Äskulap als Schlange mit vergilischen und horazischen Elementen im Kapitel 7,44. Ein Sonderfall ist die in vergilischem Ton gehaltene Wiedergabe der platonischen Jenseitsvorstellungen 2,14. Für 5,23 hat darauf bereits HAGKNDAHL Methods 128 hingewiesen, dasselbe gilt aber auch etwa für 1,11; 2,14; 4.21.
336
II.5
Arnobius
Frequenz1 bei Arnobius keine Rolle spielen, finden sich an manchen Stellen ausdrückliche Hinweise. Jedoch wird Vergil nie direkt oder in Anspielung genannt, die Markierungen durch Addition beziehen sich in seinem Fall nur auf das Vorhandensein intertextueller, genauer gesagt folgetextfremder Einschübe. Sie appellieren also an die Prätextkenntnis, statt sie zu ersetzen: 2,24 (Marpesia ut dictum est rupes stabit) bezieht sich Arnobius zwar eindeutig, wie das Perfekt dictum est zeigt, auf eine bestimmte Vergilstelle, doch ist dieser Verweis nur für den Kenner des Prätextes erkennbar. Auch die rhetorische Frage numquid /.../ Saturnus /.../ nostris carminibus indicatur [...]? (4,26) erhöht zwar die Sensibilität für die folgende Paraphrase der vergilischen Version vom Liebesabenteuer des Saturn mit Philyra, setzt aber deren Kenntnis voraus. Die übrigen Verweise sind noch allgemeiner: Für die Genealogie der Nachfahren des Saturn (2,71) und die Etymologie von Latium als Versteck des Saturn (4,24) beruft sich Arnobius generell auf pagane Überlieferung (2,71 ut vos idem vestris scriptis atque auctoribus traditio, 4,24 numquid [...Ja nobis [sc. dicitur] [.../?), greift aber dezidiert auf die vergilische Variante zurück. Die für altüberliefert (3,29 vetustas edidit prisca) erklärte Darstellung des Saturn geht, wenn auch irrtümlich, auf Vergil zurück. Die Markierung quemadmodum dicitur (2,53) führt Orci fauces als eine öfter gebrauchte Redensart, nicht aber als Vergilzitat ein. Am Rande gehören hierzu auch die Stellen, an denen Arnobius die ausdrücklich genannten Autoren Piaton (2,14), Sophokles (4,35) und den theologus Timotheus (5,5) mit einem color Vergilianus wiedergibt. Festzuhalten bleibt also, daß Arnobius, während er aufzahlreiche andere Autoren ausdrücklich verweist2, beim Leser eine so tiefe Vertrautheit mit Vergil voraussetzt, daß er nicht nur an Stellen, für deren Verständnis die Perzeption der intertextuellen Struktur Voraussetzung ist, auf explizite Markierungen verzichtet, sondern vielmehr an zentralen Punkten seines Rückgriffes auf Vergil gerade die dezente Subtilität dieses Rückgriffes zum Stilmittel macht. Ähnlich wie Minucius Felix schafft Arnobius bei aller Polemik eine Gesprächssituation, die vom selbstverständlichen Rekurs sowohl des Autors als auch des Lesers auf das Bildungsgut Vergil geprägt ist.
5.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Die Verteilung der Zitate im Werk des Arnobius bietet insofern ein auffälliges Bild, als sich keine wirklichen Schwerpunkte oder Konzentrationen der Vergilbenutzung feststellen lassen. Zwar enthält das erste Buch, bezogen auf 6 1 2
Eine gewisse Markierung durch exponierte Stellung im Folgetext könnte 1/2 und 4,1 vorliegen. Repetition findet sich zwar für manche Reminiszenzen (etwa 1,36c und 3,32; 3t21 und 7,22; 1,25, 1,28a und 3,24 etc.), aber kaum im Sinne einer Markierung. Dazu etwa der index scriptorum qui ab Arnobio citantur in der Ausgabe von MARCHESI (413s.).
II.5.3
Auswertung
337
den Textumfang, mehr Vergilreferenzen als der Durchschnitt der übrigen. Das läßt sich aber vor allem auf die Zitatennester in den Kapiteln 2, 11 und 36 zurückführen, von denen nur das erste, da es Aspekte einer captatio benevolentiae und Einstimmung aufweist, in Zusammenhang mit dem Aufbau des Werkes steht. Insgesamt bleibt es jedoch bei der Beobachtung, daß Arnobius Vergil nicht nach kompositorischen Gesichtspunkten zitiert, sondern nach rhetorisch-stilistischen dort, wo es die elocutio nahelegt. 5.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Bei der Provenienz der Zitate lassen sich keine Schwerpunkte erkennen. Die Besonderheit besteht bei Arnobius vielmehr darin, daß sich seine Zitate über das ganze vergilische Werk verteilen. Vielleicht wird man darin ein Indiz umfassender Kenntnis und rhetorischer Professionalität im Umgang mit dem Dichter sehen, die nicht unter dem Einfluß subjektiver Vorlieben steht. Daß der bei weitem größte Teil der Zitate sich auf pagane Götter und Religion bezieht oder von Arnobius für Aussagen darüber verwendet wird, wird man bei einer Apologie, deren Schwerpunkt in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Heidentum liegt, von vorneherein erwarten. Und tatsächlich bilden Epitheta oder periphrastische Bezeichnungen für heidnische Götter die größte thematische Gruppe unter den Reminiszenzen: für Saturn civitatis Saturniae auctor (l,36e) und vitisator falcifer (3,29), für Jupiter rector poliy pater deorum et hominum, supercilii nutu totum tremefaciens caelum (4,21), pater deorum, aeterna wrum atque hominura potestas (5,23a) und torquens sidera (5,23c), für Juno soror et coniunx omnipotentis Iovis (3,30), für Kybele Berecyntia (5,13), für Minerva virgo Tritonia (3,21; 7,22) und inventrix oleae (3,31), für die Paraphrase von Merkurs Geburtsmythos in der Art einer Epiklese utero fusus Maiae, Cyllenius (1,36c; 3,32), für Apoll alleine (4,22) und zusammen mit Diana (l,36d) arquitenens, für Pluto Iuppiter Stygius (2,70a; 3,31 Iovis Stygius)y für Bacchus hilaritatis dator (3,33), für Herkules proles Iovis (4,35), für Vulkan ignipotens (2,70b), für Pollux crudo inexuperabilis caestu (l,36e) und für Aeneas indiges (1,36b).1 Aus der Tatsache jedoch, daß sich die meisten dieser Götterbezeichnungen schon vor Arnobius in der Literatur oder auf Kultinschriften rezipiert beziehungsweise verwendet finden,2 muß man schließen, daß es sich dabei um allgemein übliche Ausdrucksformen handelt, die vom Leser als die zutreffenden und gebräuchlichen akzeptiert werden sollen. Arnobius sucht darin also keinen color Vergilianus um seiner selbst willen, er bemüht sich vielmehr um die einschlägigen, authentischen Formulierungen, die aber oft auf Vergil zurück1 2
Im weiteren Sinne läßt sich auch die Darstellung des Äskulap im Kapitel 7,44 hierzu zählen. Genauere Belege finden sich jeweils oben in der Einzeldiskussion. Inschriftliche Parallelen haben beispielsweise die Epitheta 2,70; 3,39; 3,31; 3,33, literarische diejenigen l,36d; 2,70b; 3,30; 5,13; 5,23c.
338
II.5 Arnobius
gehen oder durch die Verwendung bei Vergil erst ihre klassische Gültigkeit erhalten haben. Vergil wird hier letztlich als die Sprache in theologicis prägende Instanz zitiert. In bezug auf Jupiter jedoch scheint Arnobius, indem er umfangreichere und spezifischere Bezeichnungen übernimmt, nicht nur auf das vergilische Wortmaterial, sondern auch auf die theologische Konzeption des Iuppiter omnipotens in der Aeneis rekurrieren zu wollen. In denselben thematischen Bereich gehören diejenigen Zitate, die Aussar gen über Götter in einem weiteren Sinn zum Inhalt haben. Dabei kann man unterscheiden zwischen solchen, die bereits bei Vergil auf Taten und Erlebnisse von Göttern bezogen sind, etwa die Mythologumena von Saturn und Philyra (4,26), vom Titanensturz (5,19), von der Flucht des Saturn nach Latium (4,24) und die Genealogie seiner Nachfahren (2,70),* und solchen, die erst Arnobius auf Götter überträgt. In letzterem Falle scheint er entweder das anthropomorphe Element heidnischer Gottesvorstellungen herausarbeiten zu wollen, namentlich den Zorn der Götter (1,17 ex eorum luminibus scintillae emicent flammeae, aestuet anhelum pectus; l,36f vulneratis accipiunt auribus), oder auf eine Travestie abzuzielen, insbesondere indem er vergilische Aussagen über tierische Verhaltensmuster bei Nahrungsaufnahme oder Fortpflanzung auf Götter überträgt, etwa edunt per uteros fetus (2,16), sufficere prolem (3,9a) oder rumigare pallentis herbas (5,23b). Ein Beispiel einer nicht ironisierenden Übertragung ist Vergils Darstellung des Deukalionmythos, die Arnobius (5,5) übernimmt und auf die Entstehung der Magna Mater hin ausbaut. Ebenfalls die Religion zum Inhalt haben diejenigen Vergilzitate, die sich auf den heidnischen Kult beziehen. Freilich überträgt Arnobius hier vergilisches Gut, um seine Aussage zu verdeutlichen, etwa um durch die Formulierung caelum fumo subtexere (7,15) dem Brandopfer eine bedrohliche Nuance zu verleihen.2 Meist aber verwendet er allgemein übliche, aber durch Vergil gewissermaßen klassisch gewordene Ausdrücke3 oder legt die vergilische Darstellung von religiösen Bräuchen, etwa beim Ritus zu Kriegsbeginn (2,67) oder bei der Musik im Kybelekult (7,32), zugrunde. Was Gebet und Frömmigkeit angeht, so wendet Arnobius einzelne vergilische Ausdrücke an, die Junktur rebus fessis (1,25; 1,28a; 3,24) bemerkenswerterweise für das christliche Gebet in verzweifelter Lage.4 Jenseitsvorstellungen haben vor al1
2
3 4
Außerdem wären hierzu zu rechnen der tumor der Götter (1,28c), die Anspielung auf die Rolle der Venus in der Aeneis (4,27), die allerdings unsicheren furta dulcissima der Götter (5,31), die sedes sidereae (6,17), vielleicht auch das zweifelhafte plena esse diis omnia (3,9a). Weitere Beispiele wären die Formulierungen für das Innere (3,13) und den Glanz (6,16) der Götterbilder, der Vergleich des numen im simxdacrum mit dem im Stein verborgenen Feuer (7,50) oder das etwas unsichere infelicissimae pecudes (7,20; 7,24) für die Opfertiere. So etwa für die Götterbilder spimntia signa (6,16a), die Opferterminologie im Kapitel 7,19, pium far (7,26) und masculum tus (7,28). Das vergilische tutamen wird 1,28 ebenfalls für christliches Beten gebraucht. Eine Nuance der Übereinstimmung mit Vergil liegt vielleicht auch in der Verwendung von immanis
II.5.3
Auswertung
339
lern die Zitate im Kapitel 2,14 zum Gegenstand, hinzu kommt die sprichwörtlich gebrauchte Wendung ab Orot faucibus (2,53). Als zweiter Themenbereich neben der Religion läßt sich die Naturbeschreibung im weitesten Sinn festhalten: Hierher gehören meist als exempla oder im Rahmen von Vergleichen übernommene vergilische Aussagen über das Pflanzen- und Tierreich1, Formulierungen aus dem geographischen (6,5 ultima Thyle) und kosmologischen (l,2abc; 2,58; 6,23 edax ignis) Bereich, schließlich Formulierungen über das menschliche Leben, etwa über die Altersstufen (2,8).2 Einem dritten Bereich schließlich sind Einzelwörter und Junkturen zuzurechnen, die sich weniger auf eine bestimmte Thematik beziehen, sondern eher rhetorische Funktion haben, so etwa sedere (4,18) und fixum atque immotum (5,34) für das Feststehen einer Ansicht, der bildliche Ausdruck rei ad cardinem (7,39a) und der Vergleich mit der Marpesia rupes (2,24).3 Die Anrede der Leser als Romanos, dominos rerum (4,1) rekurriert zwar auf die nationalrömische Thematik der Aeneis, fungiert im Kontext aber als ironisierende captatio. Den Aussagen der Zitatsegmente nach zu urteilen, wird Vergil also in erster Linie als Quelle für Inhalte und vor allem Aussageweisen spezifisch römischer Gottesvorstellung und Religiosität, in zweiter Linie als Weltdichter, am Rande auch als rhetorische Fundgrube verwendet. 5.3.4
Vergil bei Arnobius: Funktion und Bewertung
Was die Funktion der Zitate im Folgetext angeht, so lassen sich aus den obigen Einzelinterpretationen drei Schwerpunkte herausarbeiten, nämlich 1. die Erzielung einer Pointe mit Hilfe eines Vergilzitates, meistens durch parodistische Kontrastierung, 2. die sachliche Bezugnahme auf den Vergiltext als eine Quelle und 3. die Übernahme eines treffenden Ausdruckes. Natürlich wird sich für manche Zitate mehr als eine dieser Intentionen namhaft machen lassen, während für andere keine sicher zu benennen ist. 1. Das Zitat dient dazu, meist durch Kontrast eine Pointe zu erzeugen. Am deutlichsten ist dieser Fall im Kapitel 5,23, wo Arnobius zwischen zwei Aeneiszitate über die Hoheit des Jupiter ein Eklogenzitat über
1
2 3
(1,34) für einen in fruchtloser Frömmigkeit errichteten Sakralbau. In paganem Kontext rezipiert ist preces fundere (5,21). So etwa der Wolf vor dem Schafsgatter und die Giftschlangen (1,1 lab), die Obsorge für die Schafe (1/21). der, allerdings in seiner Referentialität unsichere, Hinweis auf avenae und lolium (2,59), die Nennung von stelio und blattae lucifugae (6,16b) und die hirundines garrulae (7,17). Hierzu wären wohl auch die Verbindungen vanus mendax (1,54), Stimuli irarum (7,23) oder die Pestopfer (7,39b) zu rechnen, aber mit gewissen Unsicherheiten. Bei den vergilischen Einzelwörtern inremeabilis (2,36) und fundamen (3,1; 6,7) ist eine thematische Zuordnung kaum möglich.
340
II.5 Arnobius Pasiphaes Stier stellt, das den gemäß dem Kultmythos, gegen den sich die Stelle richtet, in einen Bock verwandelten Göttervater beschreibt. Hier kontrastieren in den Vergilzitaten auf intratextueller Ebene die göttliche Hoheit des Jupiter mit seinem Erscheinen in Bocksgestalt, auf intertextueiler beziehungsweise prätextueller Ebene die Aeneis und eine travestierte Eklogenstelle. Nur auf einer Ebene hingegen baut Arnobius den Kontrast im Kapitel 4,21 auf, nämlich zwischen einer in Vergil kulminierenden Systemreferenz auf epische Aussageformen über die Hoheit des Jupiter und dem zu der Frage ex viro concretus etfemina est? führenden Folgekontext. Arnobius läßt also die vergilisch formulierte GöttÜchkeit und die anthropomorphen Gottesvorstellungen, gegen die seine Polemik sich richtet, aufeinandertreffen. Daraus entsteht zwar eine parodierende Nuance, die auf das Dichterzitat zurückfällt, diese trifft aber eher die Widersprüchlichkeit des paganen Gottesbildes als den Dichter. Ähnlich, doch weit subtiler geht Arnobius beispielsweise vor, wenn er im Kapitel 5,13 gerade dort das bei Vergil ihre besondere Würde unterstreichende Berecyntia verwendet, wo der Kultmythos Kybele wenig göttliches Verhalten zuschreibt, oder wenn er dichterische Formulierungen und Mythologumena in parodistisch wirkender Dichte zusammenstellt, etwa nulla Iovis enata de crebro inventrix oleae (3,31). An anderen Stellen gewinnt Arnobius die Pointe eher aus den Zitaten selbst, etwa indem er die in den Götterepitheta enthaltenen anthropomorphen Elemente in den Vordergrund stellt, wenn er beispielsweise 1,36 Janus als Stadtgründer, Merkur als schwere Geburt der Maia oder Pollux als Faustkämpfer darstellt, oder indem er, gegen die pagane Opferpraxis gewandt, für die virgo Tritonia (7,22) als Opfer virgines verlangt. Hier liegt der Kontrast im unterschiedlichen Verständnis des Zitatsegmentes im Prätext und im Folgetext. Noch deutlicher wird das bei den von Tieren auf Götter übertragenen Aussagen edunt peruteros fetus (2,16) und sufficere prolem (3,9a). Weniger eine polemische als eine vertiefende Pointe durch den Kontrast zwischen Prätext und Folgetext schafft Arnobius, wenn er caelum subtexere fumo (7,15) vom Ätna auf ein Brandopfer, cruor taeter (1,2c) auf die Gewinnung von Olivenöl oder die Todesprophezeiung für Turnus auf das ungewisse Schicksal eines Kindes (2,8) überträgt.
2. Das Zitat besteht in einer sachlichen Bezugnahme, aus Vergil wird ein Faktum oder ein exemplum aufgegriffen. So übernimmt Arnobius aus der Aeneis die Genealogie der Nachfahren des Saturn (2,71) als Beleg dafür, daß auch die pagane Religion historische Abläufe kenne. Aus der Etymologie von Latium als Versteck des Saturn (4,24) erweist er die tmpietas des Jupiter gegen seinen Vater. Das Liebesabenteuer des Saturn mit Philyra (4,26) übernimmt Arnobius von Vergil ebenso wie einen in der Aeneis geschilderten Brauch zu Kriegsbeginn (2,67) als exemplum
II.5.3
Auswertung
341
für einen nicht mehr geübten Ritus.1 Außerdem könnte Vergil manche im color Vergilianus gehaltenen exempla aus der Natur erst angeregt haben (etwa l,llab; 2,59; 6,16b). Vergil wird hier also als Fundus von Informationen über Religion und Natur verwendet, der beim Leser als bekannt und anerkannt vorausgesetzt werden kann.2 3. Vergil gibt den treffenden Ausdruck vor. Hierher gehört als Ausnahmebeispiel Vergils Darstellung des Deukalionmythos in einem Vers (georg. 1,62), den Arnobius (5,5) vollständig übernimmt, obwohl er ihn erst in seinem Sinne ausbauen muß. Hauptsächlich aber sind zu nennen Götterepitheta und Aussagen über die Hoheit Jupiters, aber auch die Diktion der Jenseitsschilderung (2,14) und kosmologischer Darstellungen (1,2) sowie Formeln wie Romanos, dominos rerum (4,1): Hier bietet Vergil die authentische, auch vom Leser anerkannte Formulierung. Im weiteren Sinne finden sich bei Vergil stilistisch treffende Ausdrücke, etwa als ornatus geeignete Junkturen wie spirantia signa (6,16a), edax ignis (6,23), obtunsus für Himmelskörper (2,58), rei ad cardinem (7,39a) oder Vergleiche wie Marpesia rupes (2,24). Ein Sonderfall hiervon sind imitationes poetischer Passagen um ihrer besonderen Expressivität willen, so der Zorn der Götter (l,17ab) nach dem Zorn des Turnus und der Ekstase der Sibylle, die Altersstufen (2,8), der Titanensturz (5,19), die Musik im Kybelekult (7,32) und vor allem die zum Vergleich herangezogene Kraft des Feuers im Stein (7,50).3 Hier sind freilich die Grenzen fließend zwischen einem gezielt angebrachten color poeticus und einer Grundtendenz der nachklassischen Literatur zur Erweiterung ihrer Ausdrucksformen in den Bereich des bis dahin der Dichtersprache Vorbehaltenen hinein. Solche Grenzfälle4 bei Arnobius wären Worte wie etwa tutamen (l,28bparr.) und fundamen (3,lpar.),5 oder auch die Verwendung des altlateinischen Relativpronomens cuius, -a, -um6. Insgesamt gesehen kann man in der Vergilrezeption des Arnobius zwei Grundlinien ausmachen: Einerseits benutzt er ihn als christlicher Polemiker, andererseits als Lehrer der Rhetorik.
4 5 6
Ebenso die Gründung von Saturnia und Ianiculum (1,36a) und die Geburtsgeschichte des Merkur (1,36c; 3,32) als Belege für ein anthropomorphes Gottesbild. Sollte 1,34 larbas evoziert sein, läge darin auch ein exemplum für die Sinnlosigkeit, sich auf die Errichtung von Tempeln zu berufen. Die Zitate 2,67 (Ritus zu Kriegsbeginn); 4,26 (Saturn und Philyra); 4,27 (Venus in der Aeneis), vielleicht auch 1,34 (larbas) beruhen darauf, daß der Leser das im Folgetext nur Angedeutete aus seiner Vergilkenntnis vervollständigen kann. Vielleicht lassen sich auch die Aufzählung der Schädlinge (6,16b), die Opferterminologie (7,19) und die Schlangenschilderung (7,44) hierzu rechnen. Siehe auch unten 290 zu ineluctabilis 2,58par. Außerdem inremeabilis (2,36) oder lanitium (l,21par.). 1,30 in cuia possessione. Bei Plautus und Terenz gebräuchlich, findet es sich noch einmal ecl 3,1, c/. LE BONNIEC ad /. 272.
342
II.5
Arnobius
Zum einen nämlich dient Vergilisches als Mittel der Polemik, indem durch einen parodistischen Kontrast zwischen Prätext und Folgetext heidnische Positionen ad absurdum geführt oder in ihrer Widersprüchlichkeit offengelegt werden. Dabei wendet sich der christliche Polemiker aber an keiner Stelle gegen Vergil; vielmehr demonstriert er dem paganen Leser immer wieder seine Fähigkeit, von der derben Pointe über die geistreiche Spitze und die souveräne Verfügung über Formulierungen und Inhalte bis zur vergilischen Ausgestaltung eigener Aussagen mit dem als solchem unangefochtenen Klassiker umzugehen. Zum anderen zeigt sich der Lehrer der Rhetorik nicht nur in dieser professionellen Handhabung des Schulautors, sondern auch in dessen über das bei den älteren Christiani Latini ÜbÜche weit hinausgehender Heranziehung als Quelle für Theologisches, für Naturdarstellungen und für Rhetorisches und als bewußt imitiertes stilistisches Vorbild. Außerdem scheinen an manchen Stellen Hinweise für den Einfluß antiker Vergilerklärungen zu sprechen, sei es daß manche Zitate offenbar eine Kommentierung voraussetzen, sei es daß öfter schwierige und daher in der Vergilerklärung exponierte Stellen zitiert werden.1 So zeigen sich in der Vergilrezeption des Arnobius zwei Grundfaktoren des ganzen Werkes, der impetus des neubekehrten Christen in einer Zeit schärfster Auseinandersetzung und Polemik einerseits und andererseits die Schulpraxis des erfolgreichen Lehrers der Rhetorik. Vergil wird niemals Ziel oder Gegenstand der Polemik, vielmehr ist einerseits dessen klassische Versprachlichung römischer Religiosität und römischen Gottesverständnisses Mittel zur bald polemischen, bald geistreich schmückenden Pointierung, andererseits ist dessen Werk allgemein verfügbarer Wissensfundus über Religion und Welt in einer spezifischen, von Arnobius im Hinblick auf seine Leser gesuchten lectio Romana. Vergil fungiert als kommunikatives Bindeglied zwischen Arnobius und seinen Lesern, zwischen Heiden und Christen, als Medium der Ablehnung, der Provokation und der Akzeptanzgewinnung. In manchen Fällen mag auch die ästhetische Wertschätzung der vergilischen Darstellung, die einen Sachverhalt knapp und prägnant faßt, eine Rolle jenseits einer unmittelbaren Funktionalisierung spielen.
Sicher belegen läßt sich das natürlich nicht. Doch hat die Einzelinterpretation gezeigt, daß sich die Zitate 1,2b; l,36e; 2,67; 4,21 und 4,26 (vielleicht auch 1,54?) vor dem Hintergrund einer Autor und Leser verfügbaren (mündlichen oder schriftlichen) Erklärung eher verstehen lassen. Das Zitat 1,28c bezieht sich auf eine sachlich falsche Vergilstelle, die daher erörtert worden sein könnte; auch der Bezug 3,29 muß nicht auf einen Merkfehler zurückgehen, sondern könnte in einer Kommentierung für möglich erachtet worden sein. — Generell lassen sich öfter Vergilzitate beobachten, in die Kommentarwissen einzufließen scheint, siehe oben (70) zu Tert. anim. 50,3, v.a. 71 Anm. 1.
Teil III
Zusammenschau 1
Linien der Individualität — Versuche einer Einzelcharakteristik
Bei der Untersuchung der Vergilzitate und vor allem bei den Auswertungen der Zitate bei den einzelnen Autoren ist immer wieder erkennbar geworden, daß der Umgang mit Vergil im Hinblick auf Stilistik, Argumentation und Konzeption deutlich von individuellen Merkmalen geprägt ist. In der Auseinandersetzung mit Vergil spiegeln sich Charakterzüge, Vorlieben, Ansichten und Konzeptionen der einzelnen Schriftsteller.
1.1
Tertullian
Im Vergleich mit den anderen untersuchten Autoren könnte man Tertullians Umgang mit Vergil als vordergründig charakterisieren. Damit ist freilich keine Wertung des Autors impliziert, vielmehr lassen sich darin die Grundzüge seiner Zitiertechnik und seines Verhältnisses zu Vergil fassen: Keiner der übrigen Autoren nennt Vergil, sein Werk oder dessen Figuren so oft wie Tertullian, keiner zitiert den Dichter so oft wörtlich. Betrachtet man hingegen die Häufigkeit der Zitate bezogen auf den Umfang des Gesamtwerkes, so spielt Vergil bei Tertullian, wiederum verglichen mit den übrigen untersuchten christlichen Autoren, eine relativ geringe Rolle. Auch zeigt sich, daß Tertullian wenig sorgsam mit den Zitaten verfährt. Insbesondere der Rhythmik schenkt Tertullian kaum Beachtung: Weder behält er sie bei, noch adaptiert er sie an die Prosa. Während bei den übrigen Autoren durchgängig die Tendenz zur Prosifikation vorherrscht, achtet Tertullian allein auf die Einpassung in die Syntax. Auch inhaltlich bleibt Tertullian bei dem, was Vergil ihm vorgibt. Während Minucius Felix und manchmal Arnobius subtil mit der Spannung zwischen Prätext und Folgetext spielen, Novatian vergilische Metaphern rezipiert, zitiert Tertullian meist nur an Stellen, an denen keine eigentliche Übertragung notwendig ist. Damit geht einher, daß Tertullian oft Allgemeingültiges oder Proverbielles, also nichts ausdrücklich Poetisches zitiert. So fehlen zum einen dichterische Naturbeschreibungen, die bei Minucius Felix, vor allem aber Novatian und Cyprian eine wesentliche Rolle spielen. Zum anderen beschränkt Tertullian sich bei denjenigen Zitaten, denen eine argumentative Funktion zukommt, auf Formulierungen für allgemein einsichtige oder bekannte Sachverhalte, während Minucius Felix — der einzige, der Vergil ebenfalls in dieser Funktion anführt — gezielt die Autorität des Dichters sucht.
344
ULI Linien der Individualität — Versuche einer Einzelcharakteristik
Charakteristisch für Tertullian ist aufierdem, daß er Vergil für wohlgesetzte Pointen verwendet, die sich allerdings gegen die heidnischen oder häretischen Gegner, nicht gegen den Dichter richten. Das und überhaupt die Spuren professioneller Rhetorik im Umgang mit Vergil haben Tertullian und Arnobius gemeinsam, der aber Tertullian an polemischer Schärfe weit übertrifft. Eine Bewertung Vergils macht Tertullian nirgends zum Gegenstand, sie bleibt Minucius Felix vorbehalten. Sein Umgang mit dem Dichter erweist sich durchgehend als unreflektiert und pragmatisch — auch das macht die eingangs behauptete Vordergründigkeit aus. Hinter der Routine und Selbstverständlichkeit lassen sich in Tertullians Verhältnis zu Vergil jedoch zwei individuelle Züge ausmachen: Zum einen die Wertschätzung des Rhetors für den treffenden Ausdruck, zum anderen und vor allem aber der karthagische Lokalpatriotismus, der sich in der Auswahl der Vergilzitate, im Verhältnis zu Dido und Aeneas, beide nicht-Vergilisch gezeichnet, und in der Haltung zur Aeneis als römischem Nationalepos niederschlägt. Dieses subjektive Moment bleibt übrigens Tertullian unter vier Afrikanern allein vorbehalten.
1.2
Minucius Felix
Tertullians apologetischer Nachfolger ist in vielerlei Hinsicht sein genaues Gegenbild. Das wird schon aus den formalen Gesichtspunkten im Umgang mit Vergil deutlich: Bei Minucius Felix wird Vergil so häufig zitiert wie bei keinem anderen der untersuchten Autoren. Es zeigen sich keinerlei Spuren mangelnder Sorgfalt oder beiläufiger Routine, im Gegenteil: Minucius Felix zitiert überlegt, achtet auf stilistische und gedankliche Einfügung, vermeidet Uberdeutliche Markierung und richtet vor allem sein Augenmerk auf die Rhythmik. An einzelnen Stellen ist ein hintersinniges Spiel mit der Spannung zwischen Prätext und Folgetext zu vermuten. Ein fundamentaler Unterschied besteht auch in der zugrunde liegenden apologetischen Konzeption, die Minucius Felix ja in Auseinandersetzung mit dem Apologeticum entwickelt. Minucius Felix verwendet Vergil nicht, wie die übrigen diskutierten Autoren, bei sich gerade bietenden Gelegenheiten an einzelnen Stellen, sondern plant ihn bewußt in seine apologetische Strategie ein: Einerseits nämlich sollen die Vergilzitate eine Atmosphäre erzeugen, welche die gebildete Oberschicht anspricht. Andererseits präsentiert er Vergil, nach dem Vorbild der paganen philosophischen Literatur, als Beleg für seine theologische Position. Die Vergilbenutzung ist also ein Teil des Gesamtprogrammes, das Christentum facilis et favorabilxs (39) darzustellen. Aufgrund dessen aber tritt das bei den anderen Autoren mehr oder weniger deutlich faßbare subjektive Moment im Umgang mit Vergil hinter den Erfordernissen des protreptischen Konzeptes zurück. Abgesehen von einer gewissen Affinität des Minucius Felix zu kosmologischen Passagen im Werk Vergils, insbesondere zur Anchisesrede, die er als erster in philosophisch-theologischem Kontext heranzieht, ist
III. 1.3
Novatian und Cyprian
345
die individuelle Haltung des Autors zu Vergil nur darin erkennbar, daß er den Dichter in zentraler Funktion einerseits zur Protreptik, andererseits zur intellektuellen Selbstvergewisserung des gebildeten Christen einbaut.
1.3
Novatian und Cyprian
Novatian und Cyprian bezeugen das Eindringen vergilischen Einflusses in den innerkirchlichen Diskurs. In ihrem Umgang mit Vergil zeigen die beiden Autoren so auffallende Übereinstimmungen, daß man sie am besten nebeneinander betrachtet: Novatian und Cyprian greifen in ihren Werken immer wieder auf Vergil zurück,1 jedoch nicht in Form von Zitaten, die der Leser erkennen müßte. Vielmehr gebrauchen sie Versatzstücke Vergilischer Sprache, wobei es ihnen in erster Linie auf die Ausdruckskraft und das Bildhafte ankommt. Es ist das spezifisch Poetische, was sie suchen: Naturbilder, Darstellungen von Affekten, Metaphern — stets jedoch sorgfältig in Prosa gesetzt. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu TertuUian, der zwar auch in seinen innerchristlichen Schriften Vergil zitiert, aber das Dichterische meidet und bloß treffende Ausdrücke und Pointen auswählt. Bemerkenswerte Gemeinsamkeiten von Novatian und Cyprian werden auch in beider Vorliebe für die Georgika und deren Themen deutlich, außerdem darin, daß beide zwar vereinzelt Vergil als klassischen Repräsentanten der paganen Welt zitieren, vor allem in bezug auf Religion und Kult, ihn aber in erster Linie unter pastoralen Gesichtspunkten benutzen: Beide geben an vielen Stellen biblische Inhalte oder exegetische Reflexionen darüber mit vergilischen Worten wieder. Vergils ausdrucksvolle und einprägsame Sprache wird bei Novatian und Cyprian also zum Mittel christlicher Verkündigung. Sowohl in Novatian als auch in Cyprian scheint ein an Vergil und im Umgang mit ihm und der klassischen Literatur insgesamt geschulter Rhetor zum christlichen Prediger konvertiert zu sein.
1.4
Arnobius
Bei Arnobius nimmt Vergil einen erstaunlich breiten Raum ein. Dem steht gegenüber, dafi Arnobius den Dichter, anders als seine apologetischen Vorläufer TertuUian und Minucius Felix, weder nennt noch wörtlich zitiert, sondern dort, wo er ihn wiedergibt, nicht nur die Übergänge stilistisch glättet, vielmehr die Zitate auch bewußt verfremdet. Dichterische Einzel Wörter hingegen übernimmt Arnobius oft, worin er sich deutlich von den übrigen untersuchten Autoren abhebt, die eindeutig poetische Wörter eher vermeiden. 1
Für Cyprian ist freilich keine gleichmäßige Verteilung der Zitate im Werk, sondern ein Schwerpunkt an denjenigen Stellen zu konstatieren, die sich mit der paganen Umwelt auseinandersetzen oder die rhetorisch ausgearbeitet sind. Jedoch macht das von Novatian Erhaltene kaum den sechsten Teil von Cyprians Werk aus. Wahrscheinlich ergäben sich also auch bei ersterem erkennbare Ungleichgewichte.
346
III. 1 Linien der Individualität — Versuche einer Einzelcharakteristik
Vor allem zwei Themenbereiche sind es, zu denen Arnobius den Dichter zitiert: die pagane Religion und, weit seltener, die Natur. Zwar finden sich diese beiden Stränge auch bei den übrigen untersuchten Autoren, aber so nachdrücklich setzt nur Arnobius Vergil als klassischen Repräsentanten paganer Gottesvorstellungen ein. Oft verbindet er damit eine polemische Pointe gegen das Heidentum, die bei ihm jedoch, anders als bei Tertullian, der ihm darin vorangeht, nicht nur einen Seitenhieb, sondern beinahe ein Grundprinzip der apologetischen Argumentation darstellt. Ein weiteres Charakteristikum des Arnobius ist die Verwendung Vergils als eine Quelle zu den Religionsaltertümern, die teilweise akribisch und unter dem Einfluß der philologischen Vergilerklärung der Zeit ausgewertet wird. Die Neigung zur Polemik und das antiquarische Interesse bestimmen das Werk des Arnobius ebenso entscheidend wie sie seinen Umgang mit Vergil als Christ und Rhetoriklehrer prägen.
2
Linien der Kontinuität — Versuch einer Gesamtauswertung
2.1
Die Zitatsegmente: Form und Veränderungen
Insgesamt betrachtet lassen sich die Zitatsegmente nach Umfang und Form etwa folgendermaßen gruppieren: Zunächst sind natürlich die wörtlichen Zitate zu nennen. Jedoch, abgesehen von einem bewußt eingesetzten und konzeptionell bedeutsamen wörtlichen Zitat bei Minucius Felix (19,2b), finden sich unwesentlich veränderte Wiedergaben längerer syntaktischer oder rhythmischer Einheiten nur bei Tertullian, immerhin aber sieben Mal1. Zwar übernehmen auch die übrigen Autoren ganze Sätze oder Verse von Vergil, aber sie verändern die Zitatsegmente deutlich.2 Als eine zweite Gruppe lassen sich die aus mehreren Elementen bestehenden Ausdrücke und Prädikationen fassen, die in den Text eingebaut werden.3 Einen häufigen Sonderfall darunter stellen die Beschreibungen oder Formulierungen eines spezifischen Sachverhaltes dar, bei denen die oft frei gehandhabte Aussageform zusammen mit dem Aussageinhalt übernommen wird.4 Ein großer Teil der Zitate besteht lediglich aus zweigliedrigen Junkturen, wobei die nominalen gegenüber den verbalen überwiegen,5 und aus Einzelwörtern, wobei wiederum die besondere Verwendung eines Wortes nach vergilischem Vorbild (etwa in einer erstmals bei Vergil belegten Konstruktion oder Bedeutung) häufiger zu beobachten ist als der Rückgriff auf von Vergil geprägte Wörter der Dichtersprache6. Wörtlich zitiert wird also nur von Tertullian und Minucius Felix. Doch selbst in diesen Fällen tragen die Auswahl der Zitate, ihr Ausschnitt aus dem Kontext, ihre Zusammenstellung und ihre Einleitung zu einer Veränderung gegenüber dem Prätext bei — wie weit diese gehen kann, zeigt die christliche Lesart Vergils bei Minucius Felix7. Meist aber betreffen die Veränderungen auch den Wortlaut des Zitatsegmentes. Dabei ist der häufigste, beinalie regelmäßig anzutreffende Fall die morphosyntaktische Adaptation, das heißt die Anpassung von Person, Nume1 2 3 4 5 6
7
So nat. 1,7,2; apol. 7.8; nat, 2,17,6; apol. 25,8; pall. 1,3b: spect. 9,3; fug. 10,1. So etwa Min. Fei. 19,2a: 23,11; Novation, pudic. Cypr. Demetr. 23; laps. 4; Arnob. nat. 5,5; aber auch Tert. nat. 2,13,14. So etwa Tert. apol. 25,8c; 25,16; pall. 1,3a; adv. Val. 10,2; Min. Fei. 35,1; Cypr. unit. eccl. 9; Demetr. 20a; mortal. 12b; Arnob. nat. 1,1 la; 3,30. So etwa Tert. apol. 40,4; anim. 27,8; 43,7; Min. Fei. 3,3; 26,8; Novatian. spect. 9,2ab; Cypr. ad Donat. 3; 4ab; 11; Arnob. nat. 1,2a; l,36ac; 2,14; 4,26. Die Beispiele dieser formal homogenen Gruppe sind jeweils oben in den Auswertungen zu den Zitatsegmenten zusammengestellt. Vergilisch verwendete Einzelwörter finden sich vor allem bei Tertullian und Minucius Felix. Auf von Vergil geprägte Wörter der Dichtersprache greift vor allem Arnobius zurück. Die Beispiele sind wiederum oben in den Auswertungen zu den Zitatsegmenten genannt. Min. Fei. 19,2, dazu oben \36sqq.
348
III.2 Linien der Kontinuität — Versuch einer Gesamtauswertung
rus, Kasus oder Diathese an die grammatikalischen Erfordernisse des Folgekontextes, in den das Zitat eingebaut wird. Während diese Art des Eingriffes unmittelbar mit der Entscheidung für ein nicht-wörtliches Zitat verbunden ist, ermöglichen die übrigen Arten der Veränderung weitere Beobachtungen und Rückschlüsse: Eine häufige und weniger schwerwiegende Form der Veränderung ist die Permutatioru Teilweise dient sie der gedanklichen Anpassung, indem sie etwa Bezüge klar werden läßt, der Prosifikation oder der Entfernung vom Prätext, oft aber scheint sie ohne erkennbares Motiv zustandezukommen.1 Grundsätzlich kommt auch die Subtraktion häufig vor. Sie greift nicht allzu tief in das Zitatsegment ein, da ja letztlich jedes Zitat an sich aus einer Auslassung hervorgeht. In manchen Fällen aber wird bewußt gekürzt, um einen bestimmten Gedanken besonders deutlich hervortreten zu lassen.2 Substitutionen dienen anscheinend häufiger zu einer bewußten Entfernung vom Prätext, die das Zitat durch eine gewisse Verfremdung raffinierter erscheinen lassen, aber noch erkennbar halten soll. Das zeigt sich vor allem darin, daß in den meisten Fällen unter Beibehaltung des Verbums das Präfix geändert3, ein Wort durch ein Synonym ersetzt4 oder ein Wortstamm in einer anderen Wortart wiedergegeben wird6: Der Autor wahrt gezielt die semantische Kontinuität trotz der verfremdenden Substitution. Auch Additionen können der verfremdenden Raffinierung dienen, sofern ein Element des Zitatsegmentes durch einen synonymen Ausdruck verdoppelt oder das Zitat durch einen inhaltlich wenig tragenden Ausdruck erweitert wird.6 In anderen Fällen hat die Hinzufügung eine inhaltliche Funktion, indem sie die Aussage des Zitates in den Gedankengang des Folgetextes einfügt.7 Zu Kontaminationen von Elementen aus unterschiedlichen Vergilpassagen oder von Zitaten verschiedener Dichter kommt es meist an Stellen, an denen der Autor zur Ausgestaltung einer bestimmten Szenerie den einschlägigen color poeticus sucht.8 Ausdrückliche Markierungen durch Hinweise auf Autor oder Werk sind die Ausnahme: Tertullian und Minucius Felix nennen je einmal Vergil als 1 2
3 4 5 6 7 8
So etwa Tert. anim. 43,7; Min. Fei. 2,4; 3,3b; Cypr. ad Donat. lab; 10; Demetr. 20,ab; hab. virg. 1; unit. eccl. 9; mortal. 12b; Arnob. nat. 4,1; 6,23; 7,15. So interessiert sich beispielsweise Tertullian nat. 2,13,14 nur für den idealen Zustand der Natur im Goldenen Zeitalter, nicht aber für die Eigentumsverhältnisse. Minucius Felix läßt 19,2a das pantheistische magno se corpore miscet weg, da es seiner monotheistischen Sichtweise widerspräche. So etwa Min. Fei. 16,3; Novatian. spect. 9,2b; Arnob. nat. 2,8. So etwa Min. Fei. 3,3a; 7,4b; 39; Novatian. trin. 1,2; pudic. 10,1; Cypr. laps. 8; epist. 37,2,2; Arnob. nat. 1,2a; 2,24; 3,32; 3,33; 4,24; 5,23b. So etwa Tert. anim. 53,6; Min. Fei. 22,7; 23,11; Novatian. spect. 9,2b; Cypr. ad Donat. 10; patient. 18; Demetr. 23; Arnob. nat. 1,21; 1,36a. So etwa Min. Fei. 3,4; 5,6; 9,2; 25,1; 30,1; Arnob. nat. 4,1; 4,21. So etwa Min. Fei. 3,3b; Cypr. Demetr. 20a; Arnob. nat. 1,36c; c/. 5,5. So etwa Min. Fei. 3,3; 7,6; Novatian. cib lud. 2,6; spect. 5,1; 7,2; pudic. 10,1; Cypr. ad Donat. 3; 4; 10.
III.2.1
Die Zitatsegmente: Form und Veränderungen
349
Quelle eines Zitates,1 je einmal verweisen sie über den Protagonisten Aeneas auf die Aeneis2. Insgesamt wird viermal eine Vergilreferenz allgemein als Dichterwerk angekündigt.3 Außerdem spricht Tertullian zweimal ausdrücklich von einem Zitat aus der paganen Literatur,4 Arnobius verweist fünfmal im Zusammenhang mit einer Vergilreferenz auf die Übernahme von vorgegebenem, textfremdem Material5. Auch andere Formen der Kenntlichmachung spielen keine allzu große Rolle: Bei Tertullian sind viele Zitate durch ihre wörtliche Übernahme, das heißt durch die Beibehaltung der Interferenzen, als solche ersichtlich. Bei Minucius Felix und Arnobius wirken die in manchen Passagen auftretenden Häufungen von Zitaten markierend. Insgesamt aber läßt sich die Anwendung des subtileren Instrumentariums für Minucius Felix nur vermuten und nirgends belegen. Bei den untersuchten Autoren sind zwei verschiedene Grundtendenzen in der Zitiertechnik festzustellen: Während Tertullian wörtlich, ohne Rücksicht auf die Rhythmik und mit einer gewissen Nachlässigkeit zitiert, achten die übrigen Autoren auf die Anpassung der Zitate an stilistische und rhythmische Vorgaben der Prosa. Diese Sonderrolle Tertullians zeigt sich sowohl bei Morphologie und Umfang der Zitatsegmente, als auch bei den Veränderungen daran. In den meisten Fällen begegnet also, häufig auch bei Tertullian, unmarkierte oder, zieht man die Tendenz zur morphosyntaktischen Adaptation und zur Prosifikation in Betracht, entmarkierte Intertextualität. Nichtsdestoweniger rechnen Minucius Felix und Arnobius sicher, die anderen Autoren zumindest an manchen Stellen damit, daß ihre Leser die Zitate wahrnehmen. Obwohl oft keine Entscheidung möglich ist, ob es sich um produktionsorientierte oder um rezeptionsorientierte Referenzen handelt, wird man diese Praxis der unmarkierten vergilischen Intertextualität doch dahingehend deuten müssen, daß alle Autoren auf Vergil als verfügbaren Prätext rekurrieren, der, selbst wenn die exakte Perzeption nicht gewährleistet ist, in jedem Fall sozusagen als kultureller 'Intertext'6 — hier scheint tatsächlich eine gewisse Entgrenzung des Textbegriffs angemessen — in bestimmten Sprachregistern und zu bestimmten Themen wahrgenommen wird. Mit anderen Worten, die Tatsache, daß Vergil überwiegend ohne Kenntlichmachung zitiert wird, impliziert keine Distanzierung und kein Bestreben, den Rückgriff auf den paganen Dichter zu vertuschen, sondern zeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit die Christiani Latini sowohl bei ihren heidnischen als auch bei ihren christlichen Lesern die Vertrautheit mit Vergil und mit der Kultur, deren religiöse Vor1 2 3 4 5 6
Tert. nat. 2,13,20; Min. Fei. 19,2. Tert. adv. Marc. 1,5,1; Min. Fei. 23,6. Tert. anim. 50,3; 53,6; Min. Fei. 35,1; Arnob. nat. 4,26. Tert. apol. 7,8; fug. 10,1. Arnob. nat. 2,24; 2,53; 2,71; 3,29; 4,24; ähnlich Min. Fei. 23,6 ülic. Zum Begriff M. RIFFATERRE, Intertextual Representation: On mimesis as interpretive discourse, Critical Inquiry 11 (1984) 141—162, hier 142, und ALLEN 120—130.
350
III.2 Linien der Kontinuität — Versuch einer Gesamtauswertung
Stellungen und deren Wahrnehmung der Welt der Dichter in klassisch gültiger Weise sprachlich repäsentiert, voraussetzen können.
2.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Gerade zur Verteilung der Zitate im Folgetext sind übergreifende Aussagen nur mit der entscheidenden Einschränkung zu treffen, daß die wesentliche Bezugsgröße dabei das Einzelwerk oder das Gesamtwerk eines Autors darstellt. Hier seien daher nur einige Beobachtungen über die Stellung der Zitate im Korpus der untersuchten Texte angemerkt. Daß sich, insgesamt betrachtet, der weitaus größte Teil der besprochenen Zitate in den apologetischen Schriften des Minucius Felix und des Arnobius findet, während die mehr heterogenen Gesamtwerke TertuUians, Novatians und Cyprians weitaus weniger Referenzen aufweisen, wird allein schon aus den Proportionen der ihnen gewidmeten Seitenzahlen deutlich. Erwartungsgemäß bilden also die apologetisch oder auf die Auseinandersetzung mit der paganen Umwelt ausgerichteten Schriften, wie vor allem die Befunde bei Tertullian und Cyprian zeigen, einen Schwerpunkt des vergilischen Einflusses. Vergil wird aber auch in der antihäretischen Polemik und in der innerkirchlichen Paränese verwendet. Vergilischer Einfluß dringt also, wenngleich in abnehmender Quantität, von der Auseinandersetzung mit außenstehenden Gegnern bis in den inneren Diskurs des Christentums vor, sogar in die theologisch-pastorale Diktion, in die Korrespondenz unter den Gemeinden und in die Wiedergabe biblischer Texte, Jedoch bleibt eine konzeptionelle Einbindung von Vergilzitaten in die Argumentation den apologetischen Werken des Tertullian und des Minucius Felix vorbehalten, ansonsten kommen die Referenzen in der Regel nicht über eine Wirkung im unmittelbaren Kontext oder im Bereich der sprachlichen Gestaltung hinaus.
2.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Was die Provenienz der Zitate aus dem Vergilischen Werk angeht, so nivellieren sich in der Zusammenschau die Befunde, die noch für die einzelnen Autoren gewisse Schwerpunkte aufweisen. Insgesamt läßt sich nur festhalten, daß die Eklogen nur von Cyprian und Arnobius, die Georgika nur von Novatian, Cyprian und Arnobius in größerem Umfang benutzt werden, während Tertullian und Minucius Felix sich im wesentlichen auf die Aeneis beschränken. Innerhalb derer verteilen sich die Zitate in etwa gleichmäßig, mit einer bezeichnenden Ausnahme: Aus dem sechsten Buch wird etwa dreimal so häufig zitiert wie aus jedem anderen einzelnen Buch. Offenbar bieten die Inhalte dieses Buches besonders viele Anknüpfungspunkte für die christlichen Autoren. Das bestätigt sich bei einem Blick auf die thematischen Schwerpunkte der
III.2.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
351
Zitate. Hier sind drei große Bereiche zu bestimmen, denen sich beinahe alle diskutierten Zitate zuordnen lassen: erstens, eher formal betrachtet, Proverbielies und markante Ausdrücke oder Einzelwörter, zweitens Religion, Kult und Mythologie, drittens Darstellungen der natürlichen Lebenswelt des Menschen. Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, jedes einzelne Zitat genau und eindeutig einem Bereich zuzuweisen. Vielmehr sollte es das Ziel sein, diejenigen gedanklichen Gesamtkomplexe zu fassen, in denen es zu Berührungen zwischen Vergil und den christlichen Autoren kommt, unabhängig davon, ob in jedem Fall der gedankliche Zusammenhang ausgeführt ist oder nicht. 1. Prvverbielle Zitate und markante Ausdrücke Hier gelangt man an die unscharfe TYennlinie zwischen dem Zitat, dessen Provenienz bewußt wird und das auf diese Weise eine Verbindung zu einem anderen Text herstellt, und dem Sprichwort oder der Redewendung, die lediglich auf einen allgemein bekannten Fundus an Einsichten und Formulierungen zurückgreifen. Sentenziöse Vergilzitate, bei denen der Bezug auf den Dichter nicht mehr allzu deutlich hervortritt, finden sich unter den besprochenen Autoren nur bei Tertullian.1 Bei allen Autoren häufig sind hingegen Ausdrücke oder Einzelwörter, die zwar auf Vergil zurückgehen, aber in ihrer Verwendung und in ihrem Inhalt so unbestimmt sind, daß sie beliebig übernommen werden können, ohne daß eine zwingende gedankliche Verbindung entstünde2. Ein Beispiel wäre etwa der von Amobius (nat. 7,39a) gebrauchte Ausdruck cardo verum.3 Letztlich verweisen diese Zitate auf Vergils Rolle als Schulautor und als Vorbild in der Rhetorik und verdeutlichen auf formaler Ebene die Kontinuität paganer Bildung, in der die christlichen Autoren bei ihrem Rückgriff auf Vergil stehen. Die Verfügbarkeit des Dichters und die gelernte Selbstverständlichkeit seiner Verwendung bei der sprachlichen Ausgestaltung, die in diesem Bereich besonders hervortreten, sind auch bei solchen Zitaten zu berücksichtigen, die bestimmte Themen zum Gegenstand haben. 2. Religion Angesichts der inhaltlichen Ausrichtung der untersuchten christlichen Werke ist die Anzahl der Zitate, die in irgendeiner Weise die Religion zum Gegenstand haben, erwartungsgemäß groß. In diesem Bereich sind wiederum zwei Themenkomplexe zu unterscheiden, nämlich Zitate, die sich auf pagane Götter und Mythologie beziehen, und solche, die grundlegende religiöse Handlungen und Vorstellungen zum Gegenstand haben: Cf. Ten. nat. 1,7,2; apol. 7,8; pall. 1,3b; fug. 10,1; c/. oben (134) ad Min. Fei. 19,1b zum proverbiellen Charakter der dortigen Homerzitate. Ob eine solche im einzelnen anzunehmen ist, wird jeweils bei der Diskussion der entsprechenden Stellen (siehe folgende Anm.) erörtert. Weitere Beispiele Tert. apol. 12,6; 50,7; nat. 1,7,1; mart. 4,9; Min. Fei. 1,1; 3,4; Cypr. ad Do nat. 3; 12; unit. eccl. 27; Arnob. nat. l,36e; 2,36; 3,1; 4,18; 5,34; 7,33; 7,39a.
352
III.2
Linien der Kontinuität — Versuch einer Gesamtauswertung
(a) Zunächst sind Zitate zu nennen, die sich auf die paganen Götter beziehen, zum einen Bezeichnungen, Epitheta und Charakteristika, die vor allem bei Arnobius eine wichtige Rolle spielen,1 zum anderen die mit diesen Göttern verbundenen Mythen, für die Vergil als klassische und knappe Darstellung rezipiert wird2. Besonderen Raum nehmen daneben spezifisch römische Vorstellungen in Mythologie und Religion ein, zum einen der Bereich der mit Latium und mit Aeneas verbundenen Stoffe3, der nicht zu trennen ist von den heroischen Episoden aus der älteren Geschichte Roms4, zum anderen die religiöse Begründung römischen Herrschaftsanspruches5. Bei Tertullian kommt eine besondere karthagische Sichtweise römischen Selbstverständnisses hinzu.6 Diese Zitate haben ihren Platz meist in der Auseinandersetzung mit der paganen Umwelt. Sie liefern den gültigen und authentischen Ausdruck heidnischer Vorstellungen, die ins Lächerliche gezogen, ad absurdum geführt oder euhemeristisch widerlegt werden sollen. Im Fall des Minucius Felix dienen sie als gesuchter Identifikationspunkt für den paganen Leser. (b) Ebenfalls in den Bereich der Religion gehören Zitate zu den Themen Kult7, Opfer8, Gebet9 und Mantik, wobei vor allem die Darstellung der Sibylle aufgenommen wird10. Überhaupt stellt die Vergilische Unterweltsschilderung einen bedeutenden Themenkomplex dar: Neben den eher formalen Beobachtungen, daß das sechste Buch deutlich häufiger als andere zitiert wird, daß öfter auf Elemente der Atmosphärenschilderung11, auf Szenen aus der xaxAßaot?12 und den Anchisesreden13 Bezug genommen wird, ist vor allem zu bemerken, daß die Ausgestaltung des Jenseits auf die Christen stark einwirkt: Während sich Tertullian noch beiläufig auf die philosophi als Zeugen für die Existenz eines jenseitigen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
So etwa Tert. nat. 2,13,20; apol. 25,8b; anim. 53,6; Min. Fei. 22,5; Arnob. nat. l,36cde; 2,70ab; 3,21; 3,29; 3,30; 3,31; 3,32; 3,33; 4,21; 4,22; 4,35; 5,13; 5,23ac; 7,22. So etwa Tert. nat. 2,13,14; spect. 9,3; Min. Fei. 22,7; 23,6; 35,2; Arnob. nat. 4,26; 5,5; 5,19; 5,23b; 5,31; 6,17. So etwa Tert. nat. 2,9,12—18; adv. Marc. 2,5,1; Min. Fei. 7,6; 23,6.11; Arnob. nat. 1,36b; 2,71; 4,24. So etwa Tert. apol. 26,2; Min. Fei. 6,2; 7,4ab; 25,3; Arnob. nat. 2,67. So etwa Tert. apol. 25,16; Min. Fei. 25,1; Arnob. nat. 4,1. So insbesondere Tert. nat. 2,17,6; apol. 25,8a; auch in der Figur der Dido (mart. 4,5par). So etwa Tert. apol 24,7por.; Min. Fei. 7,5; 12,6; Arnob. nat. 1,34; 7,32. So etwa Novatian. spect. 5,1; Cypr. unit. eccl. 18; Arnob. nat. 7,19; 7,26. So etwa Min. Fei. 12,1; Cypr. Demetr. 20b; Fort. 8; Arnob. nat. 1,25; 1,28a; 3,24; 5,25. So etwa Tert. adv, Marc. 2,5,1; Min. Fei. 7,6; 27,1; Cypr. mortal. 19; Arnob. nat. 1,17b; c/. Tert. adv. Marc. 1,5,1. So etwa Tert. anim. 43,7; 50,3; Arnob. nat. 1,2a; 2,14; 2,53; 5,19. So etwa Tert. mart. 4,9; 1,7,1; Min Fei. 5,6; 16,3; Novatian. cib. lud. 6,3; Arnob. nat. 2,24. So etwa Min. Fei. 6,2; 18,6 (?); 19,2a; 32,7; Novatian. trin. 1,2; spect. 9,1.
III.2.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
353
Strafortes mit feurigem Charakter bezieht,1 verweist Minucius Felix (35,159.), °hne ausdrückliche Namensnennung, aber unverkennbar auf Piaton und Vergil, worin ihm Arnobius (nat. 2,14) folgt, der sich zwar auf Piaton beruft, dessen Unterwelt aber in Vergilischem Vokabular schildert. Wie prägend sich, auch über jene apologetisch motivierte Suche nach analogen Denkmodellen hinaus, antike, Vergilisch formulierte Unterweltsvorstellungen auf die Darstellung des christlichen Jenseits auswirken, zeigt der Einfluß Vergilischer Diktion auf Novatians (Cypr. epist. 30,7,2) Schilderung der Hölle. Schließlich gehört hierher eine Reihe von Rückgriffen auf die Sprache Vergils in theologischen und kosmologischen Zusammenhängen,2 worunter die Berufung auf Vergil als Monotheisten bei Minucius Felix weit herausragt (19,2). Insgesamt betrachtet überwiegt in diesem zweiten Themenkomplex der Zitate aus dem Bereich Religion, wenn auch einige in die Auseinandersetzung mit dem paganen Kult gehören, eine Tendenz zur Aneignung. Dabei bleibt die gezielte Anknüpfung im apologetischen Kontext die seltene Ausnahme.3 Häufiger und von entscheidender Bedeutung im Gesamtrahmen christlicher Vergilrezeption ist die Übernahme vergilischer Diktion in die christliche Sprache. Die vollzieht sich zum einen in einzelnen Wendungen, die sich das Christentum zu eigen macht wie etwa vana superstitio4 oder preces fundere5, zum anderen darin, daß Vergilische Diktion verwendet wird, um christliche Theologumena zu formulieren6. Die Benutzung Vergilischer Sprache in christlicher Theologie und Verkündigung läßt sich aber auch für den folgenden Themenbereich, die natürliche Lebenswelt des Menschen, immer wieder beobachten. 3. Natur und Lebenswelt7 Hierher gehören, noch auf der Ebene der theologisch-kosmologischen Betrachtung, Darstellungen der Gestirne8 und ihres Laufes, der mit 1 2 3 4 5 6 7
8
Tert. apol. 48,14 Noverunt et philosophx diversitatem arcani et publicx ignis. So etwa Min. Fei. 32Jsq.\ Novatian. trin. 1,2; spect. 9,1; Cypr. ad Donat. 4a; Arnob. nat. 1.28c; 3,9b. Hierher gehören Min. Fei. 19,2 für den Monotheismus und Min. Fei. 35,1 sq. sowie Arnob. nat. 2,14 für die Hölle. Tert. apol 24,7; Min. Fei. 9,2; Novatian. spect. 2,1; Cypr. Demetr. 5. Cypr. Demetr. 20b; Arnob. nat. 5,25. So etwa Min. Fei. 27,1; 32Jsq.; Novatian. Cypr. epist. 30,7,2; Cypr. ad Donat. 4a; mortal. 19; Arnob. nat. 1,25; l,28ac; 3,24. Die Bedeutung von Naturbeschreibungen, die in der judischen Wurzel des antiken Christentums kaum eine Rolle spielen und in denen sich bei den frühen Christiani Latini oft Vergilisches findet, hebt schon SCHNEIDER (Geistesgeschichte 246) hervor. So etwa Min. Fei. 19,2; 26,8; Novatian. trin. 1,2; spect. 9,1; Arnob. nat. 1,2a.
354
III.2
Linien der Kontinuität — Versuch einer Gesamtauswertung
dem Wechsel der Jahreszeiten sowie von Tag und Nacht einhergeht1. Eine andere Gruppe von Zitaten bezieht sich auf das Wetter2 und die Elemente, also die Erde und ihre geographischen Besonderheiten3, das Feuer4, vor allem aber den Wind5 und das Meer mit seiner Brandung6. Ein weiterer Teil der Zitate hat Flora7 und Fauna8 zum Gegenstand. Häufiger aber werden Tiere und Pflanzen9, außerdem das Feuer10, in Zitaten unter dem Gesichtspunkt der Nutzung durch den Menschen erwähnt. Der Mensch selbst, sein Körper11, seine Emotionen12 und seine elementaren Lebensvollzüge13 stellen einen letzten thematischen Schwerpunkt der Zitate dar. Das Verbindende all dieser Zitate ist der Mensch in seinem Verhältnis zur Welt, also in der Betrachtung von Gestirnen, Wetter, Erde und Meer, in der Nutzung der Ressourcen und in der Erfahrung seiner selbst. Bemerkenswerterweise finden sich gerade Referenzen aus diesem Themenbereich öfter im innerkirchlichen Diskurs bei Novatian und Cyprian, die damit theologische oder exegetische Aussagen veranschaulichen.14 Thematisch umfassen diese Punkten zwei wesentliche Bezüge des Menschseins: seine Stellung zum GöttUchen und seine Stellung in der Welt. Vergil scheint den Autoren anerkannte Muster zu liefern, diese Grundgegebenheiten der condicio humana in Worte zu fassen. In dieses Bild passen auch die im ersten Punkt zusammengefaßten proverbiellen Zitate und markanten Wendungen: Vergil wird zitiert, weil er die gültige und unbestrittene, die angemessene, die ästhetisch ansprechende oder die rhetorisch treffende sprachliche Wiedergabe bietet. Die inhaltliche Bandbreite ist groß und reicht von "geschwätzigen Schwalben' bis zu Einsichten über das Wirken des Göttlichen in der Welt. Dementsprechend schwankt auch das Gewicht der Zitate. Dabei bleibt aber die kontroverse Auseinandersetzung relativ eng auf den 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
So etwa Tert. an im. 43,7; Novatian. spect. 9,2a; Arnob. nat. 1,2b. So etwa Novatian. spect. 9,2b; Cypr. epist. 37,2,2; mortal. 8. So etwa Tert. apol. 40,4; pall. 2,3; Arnob. nat. 2,14b; 2,24; 6,5. So etwa Arnob. nat. 1,14b; 6,23; 7,15. So etwa Min. Fei. 2,4; 3,3a; Cypr. mortal. 12a. So etwa Min. Fei. 3,3bcd; 3,4; 3,6; Novatian. trin. 1,7; Novatian. Cypr. epist. 3,20,1; Cypr. laps. 16. So etwa Cypr. Demetr. 3; Arnob. nat. 2,59; 3,31. So etwa Tert. anim. 27,8; 32,8; Novatian. pudic. 13,2; Cypr. ad Donat. la; Arnob. nat. 1,11b; 2,16; 3,9a; 5,23b; 6,16b; 7,44ac. So etwa Tert. nat. 2,13,14; pall. 2,7; spect. 9,3; Cypr. ad Donat. 2; Demetr. 20a; 23; unit. eccl. 9; patient. 4; mortal. 8; 12c; Arnob. nat. 7,20; 7,24. So etwa Novatian. cib. lud. 3,3; Cypr. hab. virg. 1,1; Arnob. nat. 7,50. So etwa Min. Fei. 7,3; 9,5; Cypr. ad Donat. lb; laps. 8; patient. 18; Arnob. nat. 1,2c; 1,17b; l,36f. So etwa Min. Fei. 39; Novatian. pudic. 10,1; Cypr. zel. 8; Arnob. nat. 1,17a; 1,54; 7,23. So etwa Tert. anim. 27,8; Min. Fei. 36,9 (c/. 5,10); Cypr. unit. eccl. 27; Arnob. nat. 2,8. So etwa Novatian. trin. 1,7; pudic. 10,1; 13,2; Cypr. unit. eccl. 9; mortal. 8; 12abc; laps. 4; patient. 4; 18.
III.2.4 Vergil bei den ersten christlichen Autoren: Funktion und Bewertung 355 Bereich der polytheistisch-mythologischen Vorstellungen und der mit vergilischen Schlagworten operierenden Romideologie konzentriert. Daß Vergils Metaphorik und Naturbeschreibungen sich zur Übernahme anbieten, liegt nahe. Hier und bei der Verwendung einzelner Formulierungen spielt auch die Routine rhetorischer imitatio eine gewisse Rolle. Daß aber Vergil auch in theologischen Zusammenhängen, etwa in der paränetischen Exegese, in einzelnen Ausdrücken gelebter Frömmigkeit, in der kontemplativen Weltbetrachtuug oder in der Konkretisierung des Jenseits zitiert wird, erscheint bemerkenswert — um so mehr, als damit wesentliche Punkte markiert sind, an denen mit der vergilischen Sprache auch pagan-römische Vorstellungen und Denkmuster weiterwirken, denen Vergil die übliche und allgemein anerkannte und vielleicht gerade deswegen auch für die Christen annehmbar erscheinende sprachliche Form gegeben hat.
2.4
Vergil bei den ersten christlichen Autoren: Funktion und Bewertung
Die Frage, mit welchem Gewicht, in welcher Absicht und in welcher Weise Vergil von den untersuchten Autoren zitiert wird, läßt sich zusammenfassend mit einer dreifachen Abstufung beantworten: Vergil wird erstens in der Argumentation zitiert, zweitens zum Zweck einer Pointierung, die dadurch zustandekommt, daß Prätext und Folgetext zueinander in Beziehung gesetzt werden, und drittens um einer adäquaten Formulierung willen.1 1. Von den untersuchten Autoren werden nur ganz vereinzelt Zitate ausdrücklich in der Argumentation verwertet. In diesen Einzelfällen wiederum finden sich deutliche Unterschiede: (a) Nur in einem Fall,2 nämlich wenn sich Minucius Felix (19,2) auf Vergil als Zeugen für den Monotheismus beruft, geht es dem Autor in erster Linie um die Autorität des Dichters. Hier liegt die einzige Referenz vor, die dem Typos des Autoritätszitates zuzurechnen wäre. Auf die argumentative Funktion angewandt: Das Zitat selbst ist das Argument. Hier wird also eine Systematisierung vorgenommen, die nicht ganz dem einleitend (29) vorgestellten Dreierschema aus Autoritätszitat, Argumentationszitat und Schinuckzitat entspricht, sondern die letzte (anders gesagt: die niedrigste) Kategorie des Schmuckzitates näher zu differenzieren versucht. Dabei werden eine Art kumulativer Funktion von Zitaten im Folgetext je nach dessen (apologetischer oder innerchristlicher) Ausrichtung und die von den Zitaten berührten Themenbereiche als Kriterien zur näheren Differenzierung herangezogen. Vieles spricht dafür, daß in ähnlicher Weise Min. Fei. 35,1*9. (dazu oben 164) Vergils Autorität für die Vorstellung von einem feurigen Strafort im Jenseits in Anspruch genommen werden soll. Jedoch wird Vergil nicht erwähnt; die Berufung auf die Autorität des Dichters wird also nicht ausdrücklich argumentativ verwertet.
356
III.2
Linien der Kontinuität — Versuch einer Gesamtauswertung
(b) Dreimal bei Tertullian belegt ist der Fall, daß zwar das Argument in einer allgemein einsichtigen Sentenz, beispielsweise über das Wesen des Gerüchtes, besteht, diese aber in einem Vergilvers wiedergegeben wird, ohne daß die Persönlichkeit des Dichters unmittelbar ins Gewicht fiele.1 Das Zitat formuliert also das Argument. (c) Im dritten Fall belegt das Zitat die Richtigkeit einer argumentativ verwerteten Tatsachenbehauptung. Der Gedanke, der das eigentliche Argument darstellt, geht also über den Dichter hinaus, der mit seiner Autorität lediglich für den Sachverhalt einsteht. So zitiert beispielsweise Tertullian Verse aus der Aeneis, die Junos Vorliebe für Karthago zum Gegenstand haben, um zu zeigen, daß sich ein römischer Herrschaftanspruch kaum auf die Wertschätzung durch diese Göttin berufen könne.2 Das Zitat unterstützt also das Argument. 2. Entschieden häufiger sind diejenigen Zitate, die darauf abzielen, durch die Einblendung eines Prätextes an einer bestimmten Stelle eine Pointe oder eine besondere Nuance zu bewirken. Dabei kann es sich zum einen um polemische Spitzen handeln, wenn beispielsweise Arnobius die vergilischen Hoheitstitel des Göttervaters Jupiter mit seiner Verwandlung in einen grasenden Stier, ebenfalls nach Vergilischem Vorbild dargestellt, kontrastiert.3 In manchen Fällen aber geht es nur um die geistreiche oder die hintergründige Anspielung, etwa wenn Arnobius den Vergleich aufgreift, mit dem Vergil das Schweigen der Dido in der Unterwelt beschreibt,4 oder wenn Minucius Felix die Situation des Heiden Caecilius derjenigen des Aeneas am Scheideweg zwischen Elysium und Tartarus gegenüberstellt (16,3). Schließlich liegt die Pointe oft nicht im Einzelzitat, sondern in der ironischen Verwendung Vergilischer Darstellungselemente, also in der TYavestie. So überzeichnet beispielsweise Novatian durch heroisch-schauriges Vokabular aus der Aeneis den Bühnenauftritt eines tu6a-Spielers.5 3. Der dritten, mit Abstand größten Gruppe von Zitaten läßt sich keine primäre Funktion zuordnen. Vielmehr werden Vergilische Wendungen gewählt, da sie die adäquate Formulierung eines Sachverhaltes bieten. Dabei läßt sich näherhin unterscheiden zwischen einer primär rezeptionsorientierten Verwendung, die eher den apologetisch ausgerichteten 1 2 3 4 5
Tert. nat. 1,7,2; apol. 7,8; fug. 10,1. Tert. nat. 2,17,6; apol. 25,8a; cf. Tert. nat. 2,13,14; spect. 9,3; anim. 53,6; Min Fei. 23,11. Arnob. nat. 5,23abc; cf. Tert. nat. 2,13,20; apol. 25,8b; adv. Marc. 1,5,1. Arnob. nat. 2,24; cf. Tert. adv. Marc. 2,5,1. Novatian spect. 7,2; cf. Novatian. spect. 5,1. Arnobius spielt in ganz ähnlicher Weise mit vergilischen Götterprädikationen, besonders gehäuft im Kapitel nat. 1,36; aber auch 2,16; 3,9a; 3,29; 3,31; 3,32; 3,33; 4,35; 5,13.
I1I.2.4
Vergil bei den ersten christlichen Autoren: Funktion und Bewertung 357
Werken zugehört, und einer primär produktionsorientierten, die sich im innerchristlichen Schrifttum findet: (a) Der Autor sucht bewußt den locus classicus oder eine passende dichterische Formulierung. Der Leser soll nicht in jedem Fall das Zitat als solches wahrnehmen, wohl aber die Klassizität und die Wahl des einschlägigen Ausdruckes, also die Referenz auf ein bekanntes Sprachregister, perzipieren. Vergilzitate dieser Art gehören überwiegend in die Auseinandersetzung mit der paganen Welt. Vor allem bei Sachverhalten aus Religion, Mythologie oder Geschichte soll damit der Eindruck authentischer Darstellung vermittelt werden. So verweist Minucius Felix beispielsweise auf die als historisches exemplum angeführte Allia-Niederlage mit einer vergilischen Formulierung.1 Bei anderen Inhalten soll die Verwendung klassischer Formulierungen eher Lesererwartungen in bezug auf die Stilistik erfüllen.2 (b) Der Autor greift auf Vergil zurück, um einen Gedanken im Kontext angemessen zu formulieren oder auszugestalten. Ausschlaggebend ist dabei die erwartete Wirkung der Diktion auf den Leser, nicht die Perzeption einer Referenz. Hierher gehören vor allem die auf das commovere im pastoralen und theologischen Diskurs angelegten Vergilbenutzungen bei Novatian und Cyprian.3 Diese Differenzierungen bleiben allerdings zwangsläufig unscharf und sind im Einzelfall nicht immer sicher nachweisbar. Gerade bei Zitaten von geringem Umfang, geringer Deutlichkeit und geringer Referentialität läßt sich eine Intentionalität, die sich ohnehin nur auf den Mikrokontext beziehen könnte, kaum eindeutig fassen. Bei dem Versuch, ein Gesamtbild der Bewertung Vergils durch die untersuchten Autoren zu gewinnen, kann man sich nicht auf direkte Aussagen über den Dichter stützen: Zum einen sind es nur Tertullian und Minucius Felix, die ihn erwähnen, zum anderen wird dort, wo sie ihn nennen, die Aussage vom jeweiligen Argumentationsgang bestimmt und keinesfalls von der Absicht, eine grundsätzliche Einschätzung Vergils zu formulieren. Auswertbar ist daher nur das umfassende Bild, das der Umgang mit Vergil bei den Autoren im einzelnen und insgesamt bietet. Dabei zeichnen sich zwei Grenzlinien ab, zwischen denen die Einschätzung Vergils sich bewegt: 1. Vergil als solcher steht nirgends im Mittelpunkt des Interesses. Nur Minucius Felix bezieht ihn bewußt in sein apologetisches Konzept ein, für Min. Fei. 7,4a; c/. Tert. apol. 24,7par.; 25,16; Min. Fei. 7,4b; 7,5; 18,6 (?); 23,6; 25,3; Arnob. nat. 4,1; 5,5. Tert. apol. 50,7; anim. 27,8; 32,8; Min. Fei. 2,4; 3,3; 3,4; 3,6; Cypr. ad Donat. 2; Demetr. 3; 20a; 23; Arnob. nat. 1,1 lab; 6,5; 7,50. So etwa Novatian. trin. 1,2; 1,7; spect. 9,1; 9,2a; pudic. 10,1; 13,2; cib. lud. 3,3; Cypr. laps. 16; unit. eccl. 9; 18; mortal. 12bc; zel. 8; c/. Tert, mart. 4,9; Arnob. nat. l,25par.
358
III.2 Linien der Kontinuität — Versuch einer Gesamtauswertung die anderen Autoren erscheint er in erster Linie als Zutat literarischen Schaffens. Cyprian und Novatian verwenden den Dichter ganz überwiegend produktionsorientiert. Tertullian und Arnobius zitieren Vergil oft zum Zweck gehässiger Polemik, die zwar die Bekanntheit, aber kaum die besondere Wertschätzung des Dichters zum Ausdruck bringt.
2. Alle Autoren greifen in ihren Werken auf Vergil zurück. Die Benutzung Vergils beschränkt sich nicht auf Schriften, welche die Auseinandersetzung mit der paganen Welt zum Inhalt haben, sondern erstreckt sich auch auf die rein innerchristliche Literatur und reicht bis zur Wiedergabe biblischer Gedanken mit vergilischen Formulierungen. Die Autoren haben den Dichter nicht nur selbst präsent, sondern setzen ihn als kulturellen Intertext auch bei ihren Lesern voraus. An keiner Stelle wird Vergil ausdrücklich abgelehnt oder unmittelbar zum Gegenstand der Polemik. Im Gegenteil, Minucius Felix zieht Vergil als Zeugen für christliche Glaubens Wahrheiten heran, entwickelt in seinem Octavius eine Konzeption, Vergil geschickt und ästhetisch ansprechend im Sinne des Christentums einzusetzen, und gibt somit ein Modell christlicher Aneignung Vergils vor. Bei den übrigen Autoren lassen Vorlieben für bestimmte Abschnitte oder Themen erkennen, daß der Vergilbenutzung im Detail, also in der sprachlichen Ausgestaltung, nicht nur ein eingeübter Automatismus rhetorischer imitatio, sondern auch subjektive Empfänglichkeit für die Schönheit und Ausdruckskraft der Vergilischen Dichtung zugrunde liegt. Vergil wird, so zeigen die Themenschwerpunkte bei den Zitaten, anerkannt in seiner dichterischen Leistung, die Grundbezüge des Menschen zu Gott und zur Lebenswelt sprachlich zu fassen. Dabei läßt sich beobachten, daß der Wechsel von Distanz und Anknüpfung den jeweiligen Facetten des dichterischen Schaffens entspricht: Vergil wird als mythologischer Dichter und als Künder religiös begründeten römischen Selbstverständnisses in kritischer Auseinandersetzung von den Apologeten rezipiert, als Philosoph und Theologe bewußt von Minucius Felix in einzelnen Positionen in Übereinstimmung mit dem Christentum präsentiert und als Gestalter von Sprache in bemerkenswerter Selbstverständlichkeit von allen benützt.
3
Entwicklungslinien — Versuch einer abschließenden Zusammenfassung
Die Frage nach der Entfaltung christlicher Wirkungsgeschichte Vergils kann man unter zwei Gesichtspunkten stellen: unter dem Gesichtspunkt der Entwicklungen innerhalb der fünf untersuchten Autoren, also im ersten Jahrhundert christlicher Auseinandersetzung mit Vergil, und unter dem Gesichtspunkt der weiteren, darauf aufbauenden Rezeption. Innerhalb der besprochenen Autoren sind in diesem Zusammenhang eine apologetische Entwicklungslinie von Tertullian über Minucius Felix (als Tangente bei Cyprian, bei dem das apologetische Moment marginal bleibt) zu Arnobius und eine Entwicklungslinie innerchristlichen Schrifttums von Tertullian zu Novatian und Cyprian zu betrachten. Was die apologetischen Schriften angeht, so scheinen bei Tertullian einige subjektive Elemente den Umgang mit Vergil zu prägen, etwa seine Neigung zur rhetorischen Pointe und zum karthagischen Lokalpatriotismus. Minucius Felix setzt sich davon bewußt ab: Er rezipiert Vergil im Rahmen einer ausgeklügelten apologetischen Gesamtkonzeption. Daher sind den apologetischen Werken der beiden Autoren, trotz der Abhängigkeit des Octavius von Tertullians Apologeticurn, nur zwei formelhafte Zitate gemeinsam.1 Cyprians apologetisches Werk ist von eigener Prägung. Zwar scheint er in einzelnen Punkten, etwa bei der Gestaltung des Proömiums zu ad Donatum,2 von der Vergilrezeption bei Minucius Felix angeregt zu sein, die Berührungen bleiben aber hierauf beschränkt. Arnobius hingegen weist manche Übereinstimmungen mit Tertullian und Minucius Felix auf: Mit dem ersteren verbindet ihn die Neigung zur polemischen Verwendung von Vergilzitaten und der rhetorische Zug seiner Vergilbenutzung. Mit dem letzteren hat er nicht nur die sorgfältige Prosifikation der Zitate gemein, er läßt sich auch in entscheidenden Einzelpunkten offenbar direkt anregen: So findet er zum einen in Minucius Felix ein Vorbild im Rückgriff auf Vergil als Quelle für römische Altertümer aus Geschichte und Mythologie — besonders wahrscheinlich ist das bei der Etymologie von Latium3 —, wenngleich bei Arnobius das antiquarische Interesse, bei Minucius Felix die Bemühung um Authentizität im Vordergrund steht. Zum anderen folgt er Minucius Felix in der vergilischen Darstellung der platonischen Unterwelt.4 Allerdings wird der von Minucius Felix eingeschlagene Weg, Vergil bewußt im christlichen Sinne heranzuziehen und einem christlichen Verständnis zu eröffnen, weder von Cyprian noch von Arnobius weitergegangen. Arnobius hat in seinem Umgang mit Vergil wieder viel von der Schärfe Tertullians. Das mag zum einen an der Persönlichkeit, vor allem aber an den äußeren Rahrnenbedingungen liegen: Sein Schaffen steht ganz 1 2 3 4
Dazu Dazu Dazu Dazu
oben 186. oben 219. oben 308. oben 286.
360 III.3 Entwicklungslinien — Versuch einer abschließenden Zusammenfassung unter dem Einfluß der entscheidenden politischen wie intellektuellen Auseinandersetzung zwischen Heidentum und Christentum, an deren Ende der Umschwung in der kaiserlichen Religionspolitik unter Konstantin steht. In seinen innerchristlichen und antihäretischen Schriften gibt Tertullian eine rhetorisch und polemisch geprägte Vergilbenutzung vor, die bei Novatian und Cyprian keine Fortsetzung findet: Beide zitieren, in einer bemerkenswerten Übereinstimmung, nie wörtlich. Jedoch verwenden sie Vergil in einer bei Tertullian nicht zu findenden Weise als Gestaltungsmittel in der Paränese und der theologischen Reflexion. Bei ihnen scheint Vergil, von dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem Heidentum weitgehend befreit und souverän angeeignet, seinen Weg in die Sprache der Kirche zu finden. Damit ist der zweite Bereich angeschnitten: die Stellung der untersuchten Autoren in der christlichen Dichterrezeption und die Anregungen, die von ihnen für die weitere Wirkungsgeschichte Vergils im Christentum ausgehen. Dabei muß es bei einigen Ausblicken bleiben. Ausgangspunkt sind zwei wenig spektakuläre Feststellungen: Im Vergleich mit der Dichterrezeption in der griechischen Apologetik des zweiten Jahrhunderts1 nimmt Vergil bei den christlichen lateinischen Autoren des dritten Jahrhunderts nur wenig Raum ein, obwohl er weit bedeutender nachwirkt als jeder andere lateinische Dichter. Dieses deutliche Übergewicht jedoch gegenüber anderen Dichtern scheint charakteristisch für die Geltung Vergils bei den Römern zu sein, bei den Griechen nämlich erscheinen Hesiod und die Tragiker, vor allem Euripides, insgesamt nicht wesentlich seltener als Homer. Auch fehlen bei den Lateinern die Spitzen gegen den poeta Vergil — gemeinsam ist lediglich die Verwendung von Zitaten als Mittel der Polemik — und die direkte Auseinandersetzungen mit seinen Aussagen, wie sie bei den Griechen hingegen vor allem für Tatian und Theophilos charakteristisch sind. Vergil stellt offenbar eine weniger problematische Größe dar als Homer oder Hesiod. Auch in thematischer Hinsicht steht die christliche Vergilrezeption unter römischen Vorzeichen. Oft ist es die Auseinandersetzung mit römischer religio und Geschichte, die zu Vergilzitaten Anlaß gibt. Ein spezifischer color Romanus wird auch dort erkennbar, wo die Lateiner in ihren Zitaten durch ein griechisches Vorbild angeregt sind.2 Die Lateiner sind, insgesamt betrachtet, in ihrer Dichterrezeption weit zurückhaltender als die Griechen, was sowohl Umfang als auch Tendenzen zur Abwertung oder zur Anknüpfung angeht. Was freilich mit den Griechen verbindet, und darin liegt die zweite Beobachtung, ist die Selbstverständlichkeit der Dichterrezeption. Kein Autor der christlichen lateinischen Kunstprosa enthält sich der Benutzung Vergils. Dazu oben 19 Anm. 3. So folgt etwa auf das Homerzitat Min. Fei. 19,1 (dazu oben \34 sqq.), das Vorbilder in der griechischen Apologetik aufweist, ein Vergilzitat; Arnob. nat 4,21 laßt sich durch ein Homerzitat bei Klemens von Alexandrien zur Wiedergabe der entsprechenden Vergilstelle anregen, dazu oben 306.
361 Die Marksteine sind darin: Tertullian, mit dem Vergil, wenngleich wenig reflektiert und unter der Prämisse rhetorischer Routine, Eingang in christliche Latinität findet; Minucius Felix, der sich als erster bewußt mit Vergil auseinandersetzt und ein Muster christlicher Rezeption schafft; Novatian und Cyprian, mit denen der Dichter einen Platz in der Sprache der Kirche findet. Von den späteren, namentlich von Laktanz, werden vor allem die Vorgaben des Minucius Felix aufgenommen und weitergeführt. Das gilt sowohl für einzelne Zitate1, als auch für eine Konzeption, nach Anknüpfungspunkten für christliche Lehren bei Vergil zu suchen. Erst den Späteren ist es aber vorbehalten, aus Vergil einen heimlichen Christen zu machen: So sehr Minucius Felix sich bemüht, Vergil in wesentlicher Übereinstimmung mit dem Christentum erscheinen zu lassen, so deutlich halten sich doch er und die anderen untersuchten Autoren von christlicher Vergilallegorese fern. Die Vorbedingungen dafür schaffen freilich die ersten Autoren, indem sie Vergil apologetisch wie innerchristlich benutzen und damit aufzeigen, wie sich christliches Denken die Möglichkeiten, welche die vergilische Sprache zur Erfassung von religiöser Erfahrung und Welterleben bietet, zu eigen machen kann. Zusammenfassend kann man daher sagen, daß sich der Beginn christlicher Vergilrezeption bei den ersten Vertretern der christlichen Latinität in dreifacher Staffelung vollzieht: Tertullian überführt die pagane Tradition rhetorischer Vergilbenützung bruchlos in die Sprache und Argumentation christlichlateinischer Kunstprosa, was Arnobius in subtilerer Weise fortführt. Minucius Felix bemüht sich um ein Konzept christlicher Inanspruchnahme Vergils und präsentiert den Dichter als Zeugen christlicher Glaubenssätze. Mit ihm beginnt daher, im nachhinein betrachtet, die Tradition bewußter christlicher Aneignung Vergils. Novatian und Cyprian erschließen die Ausdrucksformen VergiUscher Sprache für die Diktion des lateinischen Christentums und der Kirche.
Signifikant für Min. Fei. 16,3 zu Lact. inst. 6,3sq. (dazu oben 128sqq.) und Min. Fei. 19,2 zu Lact. inst. 1,5,11 sq. (dazu oben \42sqq.).
Teil IV
Anhang 1 1.1
Ausgeschiedene Parallelen Tertullian
BÜRNER (18) erinnert die häufiger vorkommende Wendung omne hominum genus an georg. 3,242 omne adeo genus in terris hominumque ferarumque. Der Ausdruck ist jedoch ganz gebräuchlich, so etwa Cic. dorn. 27; Sest. 124; Marceil. 27; rep. 2,48; leg. 1,32 etc. nat. 1,7,20 Quis u(m)quam tarnen semeso cadaveri supervenit? quis in cruentato p(ane) vestigia dentium deprehendit? Den Abschnitt aus der Widerlegung der Christengreuel sieht UGLIONE (Virgilio 516sg.) im Zusammenhang mit Aen. 3,244 (über die Harpyien) semesam praedam et vestigia foeda relinquunt und 8,297 (über Kerberoe, zitiert Sen. epist. 82,16) ossa super recubans antro semesa cruento. Inhaltlich verbindet die Stellen zwar, dass in drastischer Weise ein grausiges Szenario der Menschenfresserei geschildert wird, aber eine Nachwirkung vergilischer Diktion ist nicht anzunehmen: Semesus erscheint häufig in nachklassischer Prosa (etwa Curt. 5,5,13; Petron. 64,6; Suet. Tib. 34,1; Vit. 13,3; Ps. Quint. decl. 12,13, insbesondere im Zusammenhang mit verzehrten Menschen: Petron. 141,11 Cum esset Numantia a Scipione capto, inventae sunt matres quae liberorum suorum tenerent semesa in sinu corpora. Apul. met. 8,15 iacere semesa hominum corpora suisque visceribus nudatis ossibus cuncta candere.). Auch liegen supervenire — mit 24 Belegen nicht ungewöhnlich bei Tertullian — und recubare super semantisch so weit voneinander entfernt, daß sie kaum zusammenzubringen sind. Die BiSspuren im blutigen Brot erklären sich sachlich aus den abgehandelten Vorwürfen (c/. nat. 1,7 tot panes cruentati). Übrigens haben bei Vergil die Stichworte vestigia und cruentus keinerlei Zusammenhang. Die einzelnen lexikalischen Übereinstimmungen ergeben sich allein aus der Sache (ähnlich wie etwa Scrib. Larg. 196 Tauri sanguinis potum quamvis difficile quis celaverit, hunc tarnen vestigia cruoris relicta inter dentium commissuras produnt). Einen Hinweis auf menschenfressende Mythenwesen gibt Tertullian tatsächlich im Apologeticum (7,5): Quis unquam taliter vagienti infanti supervenit? quis cruenta, ut invenerat, Cyclopum et Sirenum ora iudici reservavit? — aber auch nur in dieser Ausdrücklichkeit kann er Wirkung entfalten. nat. 1,10,17 Ceterum Serapem et Isidem et Arpocraten et Anubem prohibitos Capitolio commemora{t) [...]. apol. 6,8 Serapiden et Isiden et Arpocraten cum suo CynocephcUo Capitolio prohibitos /.../. Anubis wird in der Schildbeschreibung als Gegner der römischen Götter erwähnt (Aen. 8,6985^. omnigenumque deum monstra et latrator Anubis / contra Neptunum et Venerem contraque Minervam; ähnlich Prop. 3,2,41), wie COURCELLE (Lecteurs 606 Anm. 230) zu den Tertullianstellen anmerkt. Tertullian bezieht sich in beiden Fällen aber ausdrücklich auf Varro.
IV. 1.1 Tertullian
363
nat. 2,17,3 Nimirum Sterculus et Mutun(us et Larentina) pro(vexit) hoc imperium, in ins Romanum destina(tumf). apol. 25,3 Sterculus et Mutunus et Larentina provexit imperium! UGLIONE (Virgilio 507sq.) sieht in TertuIIians polemischer Replik auf die These, Rom sei von den Göttern wegen seiner Frömmigkeit so groß gemacht worden, einen Bezug auf Aen. 6,795 Augustus {...] super et Garamantas et Indos / proferet Imperium /.../. UGLIONE erkennt darin eine 'antiphrastische' Umdeutung ( Virgilio 507): Das erhabene Bild des Augustus werde entmythisiert und herabgewürdigt. Die Verbindung zum Prätext sei gesichert durch die ähnliche Bedeutung von proferre und provehere, durch den im Folgetext grammatikalisch unpassenden Singular, durch den Eigennamen im Nominativ und die Dominanz des u-Lautes in Sterculus et Mutunus und Augustus. Jedoch gibt es an beiden Stellen keinen sprachlichen oder inhaltlichen Anhaltspunkt für einen Bezug auf Vergil: Erstens geht die Junktur imperium proferre (cf. ThLL X,2 s.v. profero 1638,23—26) nicht auf Vergil zurück (Liv. 1,33,9, vor der Aeneis erschienen, c/. M. FUHRMANN, P.L. SCHMIDT, 'Livius', DNP 7 [1999] 378) und ist in der Prosa durchaus gebräuchlich (Orat. imp. Claud. [CIL XIII 1668] 1,39; Sen. nat. 6,23,2; Tac. ann. 1,3,6 a/.; Plin. epist. 8,6,6; paneg. 26,6). Zweitens finden sich weitere übliche Junkturen aus Verba composita mit pro- und imperium (-movere z.B. Ov. Pont. 2,2,67; -pagare z.B. Nep. Harn. 2,5; über eine Befehlsgewalt -latare z.B. Sali. hist. fr. 4,70; -rogare z.B. Liv. 9,42,2), vor deren Hintergrund der römische Leser die anscheinend (CLCLT-5; PHI 5.3; BTL-2) nur hier belegte Junktur imperium provehere versteht. Drittens sind die von UGLIONE angeführten sprachlichen Indizien keine Markierungen: Das Prädikat im Singular nach Polysyndeton ist gebräuchlicher als der Plural (c/. KS I 46sqq.), die u-Lautung im Lateinischen völlig unauffällig, bei Vergil sind Augustus und imperium proferet durch zweieinhalb Verse getrennt, so daß der Rezipient sicherlich keine lautliche Einheit im Kopf hat. Außerdem meint provehere hier nicht konkret die weitere Ausdehnung des römischen Reichs wie proferre bei Vergil, sondern allgemein dessen Begünstigung durch die Götter (c/. OLD s.v. proueho 4b). Viertens würde der Gedanke an den siegreichen Augustus die Gedankenführung stören und die Pointe verderben, die in den unwürdigen, aber urrömischen Göttern liegt. Cf. oben (121) zu Min. Fei. 6,2. nat. 2,17,5 Ita ne Iuppiter quidem Cretam Romanis fascibus premi sineret. Diese und andere Stellen bei Tertullian (apol. 12,5 solet et in insula deus vester nasci aut mori; 25,7), Minucius Felix (23,13) und Arnobius (4,25), an denen auf den Mythos von Geburt und Begräbnis des Jupiter auf Kreta angespielt wird, zitiert COURCELLE (Lecteurs 240 Anm. 80) im Zusammenhang mit Aen. 3,104 Creta Iovis magni medio iacet insula pontor / mons Idaeus ubi et gentis cunabula nostrae. Im Hintergrund steht aber die Verwertung dieses Mythos durch Euhemerus (cf. Euhemeri Messenii reliquiae. Ed. M. WINIARCZYK, Stuttgart / Leipzig 1991, test. 69 AB; cf SCHIPPERS 43), die schon Cicero (nat. deor. 3,53, von COURCELLE I.e. ebenfalls gennant) referiert. Eine wörtliche Übereinstimmung mit Vergil ist nirgends festzustellen. apol. 10,8 Mons, quem incoluerat, Saturnius dictus; civitast quam depalaverat, Saturnia usque nunc est; tota denique Italia post oenotriam Saturnia cognominabatur. COURCELLE (Lecteurs 581 Anm. 92) sieht einen Einfluß von Aen. 8,329 et nomen posuit Saturnia tellus, doch ist Saturnius sehr gebräuchlich (cf. OLD s.v. lb).
364
IV. 1 Ausgeschiedene Parallelen
apol. 11,6 Vani eruni homines, nisi cerii sint, a primardio ei pluvias de caelo ruisse ei sidera radiasse ei lumina fioruisse ei ioniirua mugisse ei ipsum Iovem, quae in manu eius vmponitis fulmina iimuisse; iiem omnem frugem ante Liberum ei Cererem ei Mineruam, immo ante illum aliquem principem hominem de ierra exuberasse, quia nihil coniinendo et sustinendo homini prospectum posi hominem poiuit inferri. Tertullians Aufzählung der Merkmale für die Vollkommenheit der Schöpfung sieht UGLIONE (Virgilio 5175g.) im Zusammenhang mit Lucr. 4,213 sidera /.../ radiantia und 450 ftoreniia lumina sowie mit Aen. 8,5255?. ruere omnia xnsa repente / Tgrrhenusque tubae mugire per aethera clangor. Jedoch haben die Tertullian- und die Vergilstelle nichts als das bloße Vorkommen der Verben ruere (bei Tertullian wie pall. 2,2 imbres ruunt für Regen, bei Vergil für den Eindruck, alles stürze ein) und muntre (bei Tertullian für den Donner, bei Vergil für eine Kriegstrompete) gemeinsam, zu diesem Gebrauch von mugire ThLL VIII s.v. 1559,70sqq.) Radiare erscheint eher in der Dichtung (sidus radians auch Cic. Arat. frg. 9,4; Ov. met. 7,3255?., aber rieh* bei Vergil), nachklassisch aber auch in Prosa (c/. OLD s.v.). Ebenso gehört florere in der Bedeutung leuchten1 zunächst in die Dichtung (kein Beleg bei Vergil), in der Prosa kommt es von Apuleius an und mehrmals bei Tertullian vor (ThLL VI,1 s.v. 920,43599.). Der leichte color poeticus, der dieser stark stilisierten (richtig UGLIONE) Passage anhaftet, hat nichts Vergilisches. apol. 14,2 Sed conversus ad litteras vestras, qutbus informamini ad prudeniiam et liberalia officia, quania invenio ludibria! deos inter se propter Troianos et Achivos, ut gladiatorum paria congressos, depugnasse; Venerem humana sagxtta saudatam, cumfilium suum Aeneam, ne interimeretur, rapere voluisset; /.../. Zwar wird die Verwundung der Venus, wie BÜRNER (16) unter Berufung auf NÖLDECHEN zu Recht anmerkt (in diesem Sinne auch QUACQUARELLI Difesa 167 Anm. 21), Aen. 10,295g. (/.../ equidem credo, mea vulnera restant / et tua progenies mortalia demoror arma.) vorausgesetzt, der locus classicus aber, auf den die pagane und christliche Mythenkritik immer wieder Bezug nehmen (dazu im einzelnen ZEECERS-VANDER VORST 55), ist Homer (II. 5,335—340.376). Kein antiker Leser wird daher bei den Worten Venus humana sagiiia sauciata in erster Linie an Vergil denken, zumal sich auch keine wörtlichen Obereinstimmungen ergeben. apol. 21,14 Iste igiiur dei radius, ut retro semper praedicabatur, delapsus in virginem quandam et in utero eius caro figuratus nascitur homo deo mixtus. BÜRNER (17) sieht ab Vorbild der Formulierung homo deo mixtus Vergils Worte über die Schwangerschaft der Rhea Silvia nach der Vergewaltigung durch Mars, Aen. 7,661 mixta deo mulier. Doch divergiert die Semantik zu stark: Vergil verwendet mixtus als Bedeutungslehnwort nach lulfvuiial xivt sensu amatorio (c/. ThLL VIII s.v. misceo 1087,48; Min. Fei. 25,10, dazu unten 372). Tertullian hingegen macht eine christologische Aussage über die hypostatische Union (c/. ThLL VIII s.v. misceo 1090,59 zur Verwendung von miscere in diesem Sinne; BRAUN Deus Christianorum 3\3sq). apol. 30,15g. Sciunt quis Ulis dederit imperium; /.../ (2) Recogiiant quousque vires imperii sui valeant, et ita deum intellegunt: adversus quam valere non posaunt, per eum valere se cognoseunt Caelum denique debellet imperator, caelum captivum triumpho suo invehat, caelo mittat exeubias, caelo vectigalia imponat. Non polest.
IV. 1.1 Tertullian
365
(Virgilio 508—510) Annahme eines Bezugs auf Aen. 6,847—853 (excudent alii spirantia mollius aera / (cedo equidem), vivos ducent de marmore voltus, / orabunt causas melius, caelique meatus / describent radio et surgentia sidera dicent: / tu regere imperio populos, Romane, memento / (hae tibi erunt artes) pacique imponere morem, / parcere subiectis et debellare superbos.) beruht nur auf dem gemeinsamen Vorkommen der unspezifischen Stichwörter imperium, caelum, debellare und imponere in einem mehr als fünf Zeilen langen Abschnitt. Auch deren Verwendung spricht gegen eine Verbindung zwischen beiden Stellen: Mit imperium ist bei Vergil die geschichtliche Sendung Roms, bei Tertullian in §2 tatsächliche militärische Macht gemeint. Debellare ist hier unauffällig (c/. ThLL V,l s.v. debello 84,27: ab Vergil und Livius; 54sqq.) und nicht außergewöhnlich bei Tertullian (zehn weitere Belege). Das Stichwort caelum hat bei Vergil (in einer Aufzählung erwähnter Gegenstand der Astronomie) und Tertullian (unerreichbarer Sitz Gottes, als Chiffre für dessen Transzendenz und Allmacht) andere Bedeutung und völlig anderes Gewicht. Die Junktur vectigal imponere ist so üblich (z.B. Liv. 31,13,5; 33,30,8; 38,48,3) und ergibt sich aus dem Kontext so zwingend, daß sicher nicht Vergil evoziert wird, bei dem überdies der Aussageschwerpunkt auf mos liegt (dieser Aspekt fehlt wiederum bei Tertullian). Tertullians iSuvaxov von der Unterwerfung (stimmig: besiegen, TViumph feiern, Besatzung verteilen, tributpflichtig machen) des Himmels würde durch die Interferenz der Vergilstelle letztlich sogar eher gestört. UGLIONES
Scap. 1,2 Denique cum omni saevitia vestra concertamus, etiam ultro erumpentes, magisque damnati quam absoluti gaudemus. BÜRNER 18 "Hier verbindet Tertullian gaudere wie das griechische x«tp*iv mit dem Particip. Dieser Gebrauch findet sich, wie Norden in der Kunstprosa p. 609, Anm. 2 zeigt, auch bei Vergil", Aen. 10,500 gaudetque potitus. KS I 702sq. belegt, daß diese Kontruktion zwar nie in klassischer Prosa, wohl aber bei Petron (129,4 querer decepta) und Apuleius (met. 7,14 promitterent [...] habituri) vorkommt; zu dieser und ähnlichen Auffälligkeiten in Tertullians Umgang mit Partizipien H. HOPPE, Syntax und Stil des Tertullian, Leipzig 1903, blsq. Scap. 2,1 Nos unum deum colimus, quem omnes naturaliter nostis, ad cuius fulgura et tonitrua contremiscitis, ad cuius beneficia gaudetis. UGLIONE (Virgilio 5l3sq.) sieht einen Zusammenhang mit Lucr. 6,121sq. hoc etiam pacto tonitru concussa videntur / omnia saepe gravi tremere und Verg. Aen. 5,694sq. tempestas /.../ furit tonitruque tremescunt / ardua terrarum et campi, außerdem gehört hierzu Pacuv. trag. 413 caelum tonitru contremit. Doch ist erstens von unterschiedlichen Dingen die Rede: bei Tertullian vom Erschrecken des Menschen vor den göttlich verstandenen Zeichen Blitz und Donner, bei Lukrez und Vergil von der Erschütterung, die durch den Donner ausgelöst wird. Zweitens ist es eine Grunderfahrung — und genau darauf basiert ja auch Tertullians Argumentation mit natürlicher Theologie an dieser Stelle —, daß Menschen vor Donner und Blitz erschrecken (c/. Lucr. 6,96sqq.; Cic. Phil. 5,15; div. 2,42; Sen. nat. 6,2,3—5; Hyg. fab. 61,1). Drittens hat die Formulierung nichts Dichterisches, contrimescere von Menschen ist ciceronisch (cf. ThLL IV s.v. 775,39s^.). adv. lud. 9,20 Sic bellipotens et armiger Christus et sie aeeipiet spolia non solius Samariae verum et omnium gentium. Agnosce et spolia figurata, cuius et arma allegorica didicisti: atque ita in tantum Christus, qui venu, (Eseiae erit Christus, in quantum) non fuit bellator, quia non talis ab Eseia praedicabatur.
366
rV.l
Ausgeschiedene Parallelen
adv. Marc. 3,14,7 Sic bellipotens et armiger Christus creatoris, sie et nunc accipiens spolia, non solius Samariae verum et omnium gentium. Agnosce et spolia figurata, cuius et arma allegorica didicisti. UGLIONE (Virgilio 520sq.) sieht für adv. Marc. 3,14,7, worin adv. lud. 9,20 aufgegriffen wird (H. TRÄNKLE HLL 4 [1997] 453), einen Zusammenhang mit der Aen. 11,5—16 geschilderten Errichtung eines Tropaeums für Pallas: ingentem quercum [...] / constituit [sc. Aeneas] tumulo fulgentiaque induit arma, / Mezenti ducis exutrias, tibi magne tropaeum / bellipotens; / . . . / / /•••/ * u m socios [...]/ /.../ sie ineipiens hortatur ovantis: /[...]/[...] haec sunt spolia et de rege superbo / primitiae manibusque meis Mezentius hie est. In Vers 32 wird dann noch Acoetes als armiger des Pallas erwähnt. Tertullian bezieht sich an beiden Stellen in ausdrücklich allegorischer Deutung alttestamentliche Worte über einen in Waffen siegreichen göttlichen Heilbringer auf Christus (zur Topik auch BRAUN Deus Christianorum 439 mit Anm. 4). Der eigentliche Prätext ist also das Alte Testament. Es könnte höchstens ein Einfluß vergilischer Sprache vorliegen, doch auch dagegen spricht vieles: Bellipotens ist zwar rein dichterisch (seit Ennius), kommt aber nur hier bei Vergil, häufig hingegen in der nachklassischen Epik vor (ThLL II s.v. 1815,5459?.). Tertullian verwendet das Wort gelöst vom poetischen Kontext als Gottesprädikat auch adv. Marc. 1,6,1 (über den Dualismus Markions) und 3,21,3 (Christum non bellipotentem). Armiger ist vorvergilisch und in der Prosa gebräuchlich (ThLL II s.v. 613sq.). Der Hinweis auf die arma erklärt sich sachlich zwingend aus dem Kontext, da jeweils vorher (adv. Marc. 3,14,7; adv. lud. 9,19) im Rahmen eines Bibelzitates (Ps 45,6) von sagittae die Rede war. Die spolia Samariae beziehen sich auf Jes 8,4 (c/. adv. Marc. 3,12,1; 3,13,1.6.8 etc.). Auch ensis (c/. UGLIONE Virgilio 521) gehört klassisch in die Dichtung (c/. ThLL V,2 s.v. 6Q8,40sqq.)y erscheint aber bei Tertullian im Zitat von Ps 45,4 (adv. lud. 9,16; adv. Marc. 3,14,1). Somit bliebe höchstens für bellipotens ein gewisser color poeticus (aber nicht Vergilianus). pall. 1,2 Instar eius [sc. pallii] hodie Aesculapio iam vestro sacerdotium est. Sic et in proximo soro civitas vestiebat, et sieubi alibi in Africa Tyros. BÜRNER (16, unter Berufung auf NOELDECHEN) sieht eine Beziehung zu Aen. 4,669*9. non oliter quam si immissis ruat hostibus omnis / Karthago aut antiqua Tyros. Die einzige Gemeinsamkeit besteht jedoch im Hinweis auf die Tatsache, daß Karthago aus einer tyrischen Kolonie enstanden ist. Diesen Hinweis muß Tertullian aber sicher nicht erst der Vergilstelle entnehmen. adv. Marc. 1,1,3 Dies numquam patens, sol numquam libens, unus aer nebula, totus annus hibernum, omne quod flaverit aquilo est. Die Beschreibung der unwirtlichen Heimat des Markion am Pontus im einleitenden Porträt des Häretikers sieht BRAUN (Pottes 22 Anm. 4) beeinflußt von georg. 3,356 (über das Klima, in dem die Skythen Viehzucht betreiben) semper hiems, semper spirantes frigora Cauri. Jedoch bestehen keine wörtlichen Gemeinsamkeiten, an beiden Stellen wird die topische Beschreibung der Region am Schwarzen Meer wiedergegeben, zu der der dauernde Winter (Hp. Aer. 19 töv |iiv x^i^va 4*i elvai, xö 61 Bipoc öXl*r<xc fyipac xal xauxac \ii\ Xlr)v. Hdt. 4,28,2 OCXCÜ \ikv hi\ tobe öxxco lifjvac 5ia%eXta x^Hv iciv, xoix; 8' iiciXoticooc xiooepae 4>uxta aOxöOi ioxl. Varro. rust. 1,2,4; Sen. nat. 4a,2,29; Mela 1,115) und der starke Wind, namentlich der Aquilo (Lucan. 5,603 Scythici [...] rabies Aquilonis\ Plin. nat. 2,127 In Hispania et Asia ab Oriente flatus est eorum, in Ponto ab aquilone, reliquis in partibus a meridie.) gehören. Im Mittelpunkt steht wohl hier eine Gedankenfigur der Invektive, aus
IV. 1.1 Tertullian
367
jemandes Herkunft aufsein verabscheuungswürdiges Wesen zu schließen. In diesem Zusammenhang greift Tertullian auf die Topik über das Schwarze Meer zurück, die auch bei Vergil anklingt. anim. 20,3 Comici Phrygas timidoa inludunt, Sallustius vanos mauros et feroces Dalmatos pulsat, mendaces Gretas etiam apostolus inurit COURCELLE (Lecteurs 684) sieht neben den Komikern (aber WASZINK ad l. 284: keine Stelle bei Plautus und Terenz erhalten, vielleicht Eur. Orest. 1351 ^puyac xaxouc; Herondas 2,1005?. a>c ö $pi>£ xh vöv 5p.iv / icXi^elc iiielvwv iooex'; auch OTTO 278 Nr. 1411 kennt nur die Tertullianstelle) Vergil als Quelle für das Motiv von der Furchtsamkeit der Phryger. Das Adjektiv timidus wird in der Aeneis allerdings nie ausdrücklich auf die Phryger bezogen, COURCELLE legt die Worte des Turnus an seine geschleuderte Lanze zugrunde, Aen. 12,96s?.: da sternere corpus / semiviri Phrygis. Es müßte also ein Einfluß der antiken Vergilerklärung vorliegen, die ein Motiv der furchtsamen Phryger bei Vergil herausarbeitet, c/. Serv. Aen. 1,273 sed ex aliis rebus alia dat nomina, ut pios Aeneadas appellavit, ut timidos Phrygas, ut nobiles Dardanidas, ut periuros Laomedontiadas. 1,468 'hac Phryges1 bene ubique Vergilius pro negotii qualitate dat Troianis et nomina. nam timidos Phrygas vocat, ut hoc locot item lo vere Phrygiae, neque enim Phryges'; Dardanidas generosos, ut *Dardanidae magni genus alto a sanguine divum'; Laomedontiadas perfidos, ut 'nondum Laomedonteae sentis periuria gentis1; Troas fortes, ut iTroes agunt, princeps turmas inducit Asilas1; Hectoreos quoque fortes, ut 'nunc nunc insurgite remis, Hectorei socii \ Anzunehmen ist jedoch die Referenz auf ein verlorenes Komikerwort, das das von den Kommentatoren auch bei Vergil gefundene Motiv der Furchtsamkeit der Phryger sprichwörtlich faßt. anim. 30,3 Omnia iam pervia, omnia notat omnia negotiosa, solitudines famosas retro fundi amoenissimi oblitteruverunt, Silvas arva domuer-unt, feras pecora fugaverunt, harenae seruntur, saxa panguntur, paludes eliquantur, tantae urbea quantae non casae quondam. Iam nee insulae horrent nee scopuli terrent; ubique domus, ubique populus, ubique respublicaf ubique mta. Tertullians Ausführungen über den Anstieg von Bevölkerungszahl und Siedlungsdichte will UGLIONE ( Virgilio 514—516) mit Passagen aus der Uiupersis, Aen. 2,363 urba antiqua ruit 368sq. crudelis ubique luctus, ubique pavor et plurima mortis imago, 755 Horror ubique animo, simul ipsa silentia terrent, in Zusammenhang bringen. Doch sind die sprachlichen Indizien viel zu schwach, auch ein inhaltlicher Bezug ist nicht zu erkennen: Mehrgliedrige Anaphern mit ubique finden sich bei Tertullian öfter (nat. 2,8,2; test. anim. 6,4; adv. lud. 7,9 — hier soll diese Anapher neben derjenigen mit omnia die Allfaltigkeit der von Tertullian genannten Indizien unterstreichen). Das Stichwort urbs ist bei Vergil deutlich (fünf Verse) von der ubique-Anapher entfernt, lexikalisch überhaupt nicht markant und jeweils völlig anders gebraucht: Bei Vergil steht es für TVoja, bei Tertullian im Plural — also eben nicht auf eine bestimmte Stadt bezogen — für große Ansiedlungen. Der Vers 755 schließlich folgt in viel zu großem Abstand auf die Anapher, als daß man ihn damit zusammenbringen könnte. Außerdem drücken horrere und terrere (zusammen etwa auch Sen. epist. 102,29; nat. 6,2,5s?.) bei Tertullian die mangelnde Eignung bestimmter Orte für menschliche Besiedlung aus — weder Gefahr, wie UGLIONE (Virgilio 516) meint, noch die schaurige Stimmung, wie sie in Vergils zerstörtem Troja herrscht. Eine uanalogia [...] tematica" (UGLIONE, /.c.) ist mithin nicht zu erkennen. Auch ist nicht einzusehen, inwiefern der lokalpatriotische Afri-
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IV. 1 Ausgeschiedene Parallelen
kaner Tertullian hier mit urbes ausgerechnet Rom als das neue Troja (so UGLIONE, I.e.) meinen sollte. Im Gegenteil, der Gedanke an Rom oder Troja würde die Allgemeingültigkeit des Arguments nur stören. Tertullian will lediglich anhand überall (eben ubique, und nicht nur in Rom) zunehmender Besiedlung veranschaulichen, daß es heute mehr Menschen gibt als früher. anim. 43,10 Inde deducimur etiam imaginem mortis iam tunc eum recensere. Si enim Adam de Christo figuram dabat, somnus Adae mors erat Christi dormituri in mortem, ut de iniuria perinde lateris eius vera mater viventium figuraretur ecclesia. Ideo et somnus tarn salutarist tarn rationalis etiam in publicae et communis iam mortis eßingitur exemplar. BÜRNER (17sq.) und COURCELLE (Lecteurs 179) sehen hinter der imago mortis den Einfluß von Aen. 2,369 luctus, ubique pavor et plurima mortis imago. Doch zum einen meint Tertullian damit den Schlaf (cf. Ps 13,4; 1 Thess 4,14; M. HUTTER, 'Schlaf9, LCA [1999] 330), Vergil ein 4Bild des Grauens1, zum anderen ist die bei Tertullian vorkommende Metapher so gebräuchlich (cf. WASZINK 460 ad anim. 42,3 Schlaf als Spiegel des Todes: Hom. II. 14,231 etc.; Hes. th. 756; Orph. hymn. 85,8; Plato apol. 40 c; Cic. Tusc. 1,38,72; Lucr. 3,919sqq.\ Sen. Herc. für. 1069 etc.; ThLL VII,1 s.v. imago 412Jsq. Cic. Tusc. 1,92 somnum imaginem mortis; Ov. am. 2,9,41; Tert. anim. 43,10; a/.), daß sicher keine Verbindung besteht. anim. 49,2 Sed quod Libyca gens Atlantes caeco somno transigere dicuntur, animae utique natura taxantur. Porro aut Herodoto fama mentita est nonnumquam in barbaros calumniosa aut magna vis eiusmodi daemonum in Mo climate dominatur. Si enim et Aristoteles heroem quendam Sardiniae notat incubatores fani sui visionibus privantem, erit et hoc in daemonum libidinibus, tarn auferre somnia quam inferret ut Neronis quoque seri somniatoris et Thrasymedis insigne inde processerit Nach dem Schlaf kommt Tertullian im zweiten Teil des Exkurses auf die Träume zu sprechen (Kapitel 45—49). Am Ende der Ausführungen, im Kapitel 49, widerlegt er schließlich einige Meinungen, wonach bestimmte Menschen gar nicht träumen würden. Unter anderem bezieht sich Tertullian auf einen Bericht des Aristoteles (phys. 218b) von einem Heros, der Träume raube. Tertullian erklärt dieses Phänomen unter Rückgriff auf die oben (anim. 47,1) bereits entfaltete Lehre, daß Dämonen die Träume senden, damit, daß diese die Träume tarn auferre somnia quam inferre könnten. WASZINK vermutet hinter diesem Ausdruck den Einfluß einer Vergilstelle über den als Dämon betrachteten Merkur, auf die sich Tertullian etwas weiter unten (anim. 53,6) deutlicher bezieht (ad l. 517). Es handelt sich um die Darstellung des sich zum Flug rüstenden Götterboten, Aen. 4,244 (242—244): tum virgam capit: hac animas ille evocat Orco / pal lentis, alias sub Tartara tristia mittit, / dat somnos adimitque, et lumina morte resignat. Die Übereinstimmung zwischen tarn auferre somnia quam inferre und dat somnos adimitque bewegt sich allerdings nur auf der semantischen Ebene. Auch wird man die Äußerung Tertullians in ihrem Zusammenhang als Ergänzung zu a daemoniis plurimum incuti somnia (anim. 47,1) verstehen müssen: Wenn Dämonen Träume senden, liegt es auch in ihrer Macht, keine Träume zu senden, ohne daß deswegen aber bestimmte Menschen grundsätzlich nicht träumen könnten. Die Aussage ergibt sich also aus dem Argumentationskontext. Vielleicht steht Tertullian also auch hier, was die Struktur der Formulierung angeht, unter dem Einfluß der später (anim. 53,6) zitierten Vergilstelle, von einer Bezugnahme auf den Prätext kann man aber nicht ausgehen.
IV. 1.1
Tertullian
369
anim. 50,4 Suspectam enim faciam tantam raritatem securissimi atque tutissimi sacramentt, apud quod nee pro deo ipso mori lex est, cum contra omnes iam nationes ascendant in montem domini et in aedem dei Iacob mortem per martyrium quoque flagitantist quam de christo etiam suo exegit. Tertullian polemisiert gegen den Häretiker Menander, der mit seiner Taufe irdische Unsterblichkeit verleihen will. In der Verwendung von securus sieht COURCELLE (Lecteurs 482) eine "allusion" auf Aen. 6,715 (713—715): tum pater Anchises: antmaef quibus altera fato / corpora debentur, Lethaei ad fluminis undam / securos latices et longa oblivia potant. Zwar verweist WASZINK (ad l. 523) auf diese Vergilstelle als Parallele für die kausative Verwendung von securus (öfter in der Dichtung, etwa Ov. Pont. 2,4,23; c/. OLD s.v. securus 2c), zumal es in beiden Fällen um eine Flüssigkeit (das Lethewasser bzw. das besondere Taufwasser des Menander) geht, aber WASZINK geht zu Recht nicht von einer Vergilreferenz aus, denn zum einen steht securus neben tutus, was die Prägnanz des Einzelwortes in den Hintergrund treten läßt, zum anderen bezieht Tertullian securus syntaktisch auf das sacramentum, wie auch Scorp. 6,9 lavacrum sanguinis exinde securum. Vielleicht könnte Vergil diesen Sprachgebrauch angeregt haben, von einer interpretatorisch verwertbaren Referenz kann man nicht ausgehen. mart. 1,5 Fugiat conspectum vestrum, et in ima sua delitescat contractus et torquens, tamquam coluber excantatus et effumigatus. Nach BÜRNER (16) könnte der Gebrauch von (ex)cantare angeregt sein durch ecl. 8,71 frigidus in pratis cantando rumpitur anguis. Auch wenn cantare (und Komposita) für eine Schlangenbeschwörung ansonsten offenbar nur im Zusammenhang mit der Vergilstelle vorkommt (Serv. ecl. 8,71 cantando: dum ei incantatur, Nemes. ecl. 4,70 cantarnt, quo lumine turnet, quo rumpitur anguis), ist doch excantare für das magische Herausrufen (cf Lex XII 8,8; Sen. nat. 4b,7,2; Varro Men. 151; Hör. epod. 5,45; Lucan. 6,458; 6,686; Comment. Lucan. 6,481; ThLL V,2 s.v. excanto 1202,12—46; F. BECKMANN, Zauberei und Recht in Roms Frühzeit, Diss. Münster 1923, 11 Anm. 2) ebenso terminus technicus wie effumigare (c/. ThLL V,2 s.v. 214,615?.). All das spricht ebenso wie der christliche Zusammenhang mit der Schlange als Versucherin (cf. Gen 3,1—6) eher für eine unabhängige Formulierung. orat. 17,2 Nam et ille publicanus, qui non tantum prece, sed et vultu humiliatus atque deiectus orabat, iustificatior phariseo procacissimo discessit BÜRNER (18) konstatiert eine u[interessante Verbindung des spezifisch christlichen humiliatus und des bereits in der heidnischen Litteratur ausgeprägten deiectus" (Aen. 6,862 deiecto voltu, cf. BÖMER ad Ov. fast. 2,756 [134sg.)). Doch erscheint auch deiectus häufig in der christlichen Literatur, bei Tertullian etwa adv. Marc. 1,6,4
(cf. BLAISE S.V.).
virg. vel. 14,5 Quantum velis bona mente conetur, necesse est publicatione sui periclitetur, dum [...] inter amplexus et oscula assidua concalescit. UGLIONE (Virgilio 5\9sq.) sieht einen Zusammenhang mit Aen. 1,685—687 te [...] aeeipiet /.../ Dido / regalis inter mensas laticemque Lyaeum, / cum dabit amplexus atque oscula dulcia figet. Jedoch werden Umarmung und Kuß seit der Komödie immer wieder zusammen erwähnt (Plaut. Cas. 471; Mil. 245 etc.), in nachklassischer Prosa sind amplexus und osculum nebeneinander gut belegt, etwa Suet. Otho 10,2; Ps. Quint. decl. 10,1; 14,9 inter oscula, inter amplexus; 15,12 inter oscula amplexusque (mit gleicher Verwendung des inter wie bei Tertullian),
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IV. 1 Ausgeschiedene Parallelen
bei Tertullian selbst idol. 2,2 adulterium in osculis et in amplexibus. Die Formulierung ist also ein Gemeinplatz. Zu Tertullians nichtvergilischer und keuscher Dido übrigens oben 8bsqq. spect. 23,2 an deo placebii auriga üle tot animarum inquietator, tot furiarum minister, rostratus ut sacerdos coronatus vel coloratus ut leno, quem curru rapiendum diabolus adversus Eliam exornavit? UGLIONE (Virgilio 510—512) sieht einen Bezug zur Darstellung des Agrippa (Aen. 8,6835?. arduus agmen agens, cui, belli insigne superbum / tempora navali fulgent rostrata Corona) und des Catilina (6685g. /.../ et te, Catilina, minaci /pendentem scopulo Furiarumque ora trementem) in der Schildbeschreibung. Wenn an dieser schwierigen Tertullianstelle tatsächlich rostratus (nur Codex O) zu lesen sein sollte, muß damit gemeint sein: 'Der Wagenlenker hat (in seiner Kopfbedeckung oder seiner Siegerkrone, cf. Sidon. epist. 8,9,6, kaum seiner Haartracht) etwas Schnabelförmiges an sich wie ein Priester, der eine Krone trägt, und ist geschminkt wie ein Zuhälter.' Coronae sind Abzeichen priesterlicher Würde (ThLL IV s.v. corona 983,72sqq.\ Tert. coron. 10,9), unklar bleibt jedoch, was rostratus hier, d.h. auf einen Menschen bezogen, genau meint (zu der insgesamt nicht ganz klaren Stelle CASTORINA ad l. 332—334; 2. Kön 2,11 sq., wo freilich der diabolus keinen Anhalt hat). Die Vergilsteile trägt also weder zur textkritischen Klärung bei noch ist sie irgendwie als Vorbild anzusehen: Denn zum einen geht es bei Tertullian auf keinen Fall um eine Corona rostrata, also ein militärisches Ehrenzeichen, das Vergil meint. Zum anderen hat der Fachausdruck (c/. Plin. nat. 22,6) auch nichts typisch Vergilisches. Außerdem meint Tertullian mit furiae hier wahrscheinlich wie spect. 16,4 die Raserei der Zuschauermassen. Agrippa paßt ebensowenig in den Kontext wie Catalina, es wäre nicht komisch (so UGLIONE Virgilio 512), sondern störend, wenn sie evoziert würden. Nur so wirkt auch die Pointe, die in der der Gleichstellung von sacerdos und leno liegt. Der auriga erscheint hier als niedere Halbweltgestalt (c/. Tac. ann. 15,67,1 al.) in einer lächerlichen und unwürdigen Aufmachung. coron. 12,2 Cum et myrto ait milites redimiri solere, 'Veneris enim' (inquit) 'myrtus, matris Aeneadum, et iam amiculae Martis, per fliam et Romulos et Romanae.' Sed ego Venerem non credo ex hac parte cum Marie Romanam, quae paelicis dolor est. BÜRNER (17) sieht eine Verbindung zu Verg. ecl. 7,6154. Populus Alcidae gratissima, vitis Iaccho, / formosae myrtus Veneri, sua laurea Phoebo. Daß jedoch die Myrte in den Venuskult gehört, ist eine oft erwähnte Tatsache (c/. R. SCHILLING, La religion romaine de Venus, Paris 1954, 2185g.; BÖMER ad Ov. fast. 4,15 [207]; A. STEIER, 4Myrtos\ RE XV1,1 [1933] 1171—1183, hier 1180; ThLL VII 1750$?. s.v. myrtus; etwa Plin. nat. 15,125; Gell. 5,6,20 etc.), für die Tertullian nicht Vergil konsultieren muß, zumal er hier wie coron. 7; 10; 12; 13 aus dem Werk eines Claudius Saturnius, vielleicht zu identifizieren mit einem Rechtsgelehrten des 2. Jahrhunderts (c/. P. JÖRS, 'Claudius 333)', RE III [1899] 2865*?.), über Kränze referiert.
1.2
Minucius Felix
3,5 eandem emensi viam rursus versis vestigiis terebamus: Die von BÜRNER (I2sq.) angenommene Verbindung zu Vergil, georg. 1,380 formtca
IV. 1.2
Minucius Felix
371
terens Her, erscheint kaum zwingend, da die Wendung Her bzw. triam terere durchaus geläufig ist (cf. OLD s.v. tero; Varro ling. 5,4,22 ausdrücklich als Wendung; Cic. Brut. 281; Sen. dial. 7,1,2; Min. Fei. 36,6). 5,9 nebulas semper adolescere, quibus densatts coactisque nubes altius surgere: Die Wendung altius surgere führt BÜRNER (13) auf Aen. 10,813 saevae iamque altius trat / Dardanio surgunt ductori zurück. Doch ist die Junktur in nachklassischer Prosa gut belegt (in Juxtaposition wie bei Minucius Felix Sen. dial. 10,17,4; epist. 19,13 und Quint. inst. 4,27,7; Mela 2,31; c/. 1,53; 3,101). 8,4 Ausgehend von der Konjektur lucifuga statt des &iwc£ Xe-föiievov lucifugax (cf. ThLL VII,2 1712, s.v. lucifugax) ist das in der Aussage über die Christen lucifuga natio verwendete Adjektiv nach BÜRNERs Meinung (13, mit Verweis auf georg. 4,243: lucifugis congesta cubilia blattis) ursprünglich Vergilisch. Jedoch gebraucht Vergil das Wort de animalibus (ebenso dann Tert. adv. Val. 3; Arnob. nat. 6,16), während Minucius Felix es (wie Lucil. 468; Cic. fin. 1,61; Carm. de fig. 29; Rut. Nam. 1,440) de hominibus, contumeliose dictum anwendet (cf. ThLL VII,2 s.v. lucifugus 1712), so daß hier Vergilischer Einfluß gewiß auszuschließen ist. Siehe unten (379) zu Novatian. cib. iud. 3,23. 17,6 Relinquenda vero astrologis prolixior de sideribus oratioy vel quod regant cursum navigandi vel quod arandi metendique tempus inducant. Die Aussagen über die Sterne als Anzeiger der Zeit von Aussaat und Ernte und als Weiser des rechten Kurses auf dem Meer sind wohl zu allgemein, um sie mit BÜRNER (14) gerade auf georg. 1,2525?. hinc [sc. aus den Bewegungen der Gestirne] tempestates dubio praediscere caelo / possumus, hinc messisque diem tempusque sercndi zu beziehen, zumal der gesamte Kontext von Ciceros de natura deorum beeinflußt (vgl. insbesondere Cic. nat. deor. 2,155 lam vero circumitus solis et lunae reliquorumque siderum, quamquam etiam ad mundi cohaerentiam pertinentt tarnen et spectaculum hominibus praebent; nulla est enim insatiabilior speciesf nulla pulchrior et ad rationem sollertiamque praestantior; eorum enim cursus dimetati maturitates temporum et varietatts mutationesque cognovimus.) und der Gedanke an sich ein alter Topos ist. So heißt es schon Hes. op. 383*9. nXf]i&5a)v 'AxXayfcvicuv £icixeXXo|xevda>v / &pxeo8' i ^ i o o , ätpöioio 5t 6uoo(xevda)v. 18,11 cum ad caelum manus tendunt Eine Beziehung zu Aen. 10,845 ad caelum tendit palmas besteht entgegen BÜRNER (14) und DOUGLAS SIMPSON (27) wohl nicht: Zum einen ist die Geste an sich durchaus übUch, zum anderen die Formulierung ad caelum manus tendere in der Prosa häufig (Caes. civ. 2,5,3; Sali. Catil. 31,3; Curt. 7,28; Liv. 25,37,9; 26,9,8; 35,31,13), in der Dichtung hingegen selten, bei Vergil kommt sie nur einmal, Aen. 3,176sg., vor. Überhaupt zieht die Dichtung variierende Ausdrucks weisen vor, cf. Aen. 2,688; 12,196; Manil. 1,388; Ov. met. 2,580; 9,210.293). Vorbild ist hier wohl Tert. apol. 24,5 Colat alius deumt alius lovem; alius ad caelum manus supplices tendaty alius ad aram fidei [manus]; alius nubes numeret oransf alius lacunaria; alius suam animam deo suo voveat} alius hirci. Siehe aber oben (248) zu Cypr. Fort. 8. 19,3 Deprehendes eosf etsi sermonibus variist ipsis tarnen rebus in hanc unam coire et conspirare sententiam. Die Junktur varxus sermo ist so häufig (allein bei Cicero: leg. agr. 2,95; De orat. 2,3; 3,60.67; orat. 12; fin. 5,1; nat. deor. 1,6; Cato 47; ad fam. 2,5,1; 8,10,2; 9,16,4; Att.
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rV.l
Ausgeschiedene Parallelen
16,2,4), daß der von BÜRNER (14) vermutete nähere Zusammenhang mit Aen. 6,160 (tnter sese vario sermone serebant) gewiß nicht besteht, zumal sich die Semantik von sermo Min. Fei. 19,3 und Aen. 6,160 deutlich unterscheidet. 20,3 Centaurvs equos suis hominibus inplexos, et, quicquid famae licet fingere, Ulis [sc. maioribus nostris] erat libenter audire. Die Verwendung von implexus sieht BÜRNER (14) beeinflußt durch georg. 4,4825g. implexaeque crinibus angues / Eumenides. Jedoch hat die Konstruktion von implexus Min. Fei. 19,3 nichts Ungewöhnliches (c/. Plin. nat. 2,117; 33,13; Apul. met. 3,15; apol. 8), zumal gerade der für die Vergilstelle signifikante Akkusativgebrauch (c/. KS I 289) nicht übernommen ist. 25,3 cum earum parentibus, id est cum soceris suis, bellum miscuit Nach BÜRNERs (14) Ansicht besteht ein Zusammenhang zwischen bellum miscuit Min. Fei. 25,3 und proelia miscent Aen. 10,23. Jedoch ist die Wendung proelia sim. miscere seit Lucr. 4,1013 sehr geläufig (c/. ThLL VIII s.v. misceo 1084,41— 45; c/. 1085,11), vorwiegend allerdings in der Dichtung, in Prosa etwa Liv. 2,19,5 certamina miscuere. 25,10: Für Minucius Felix' Vorwurf an die Vestalinnen inconsuitius se viris miscuissent nehmen, in bezug auf die Formulierung se mris miscere, BÜRNER (14) und COURCELLE (Lecteurs 102) Aen. 1,4405g. infert se saeptus nebula (mirabile dictu) / per medios, miscetque viris neque cernitur xälis als Vorbild an, wo es um den Weg des in einer Wolke verborgenen Aeneas durch Karthago geht. Der Gebrauch von miscere jedoch sensu amatorio ist sehr geläufig (cf. ThLL VIII s.v. misceo 1081,46—55), und auch bei Minucius Felix nicht singulär (31,3, als Präpositionalkonstruktion mit cum). Die Verwendung von miscere mit dem Dativ in Anlehnung an das griechische liet^vuiial xivi taucht zwar erstmals bei Vergil auf (Aen. 7,661 mixta deOy cf. ThLL VIII s.v. misceo 1087,43—69), nicht aber in der hier wie schon Ov. met. 5,638; 13,866; Apul. Plat. 1,1 vorliegenden reflexiven Konstruktion. Mit Sicherheit kann also Aen. 1,4405?. aufgrund der vollkommen anderen Sinnrichtung keinen Einfluß auf die Formulierung Min. Fei. 25,10 haben, bestenfalls liegt ein unbewußter Reflex der vergilischen Übernahme der Dativkonstruktion bei miscere zum Ausdruck einer sexuellen Vereinigung vor. 37,9 Rex es? sed tarn times quam timeris et, quamlibet sis multo comitatu stipatus, ad periculum tarnen solus es. Für die Formulierung multo comitatu stipatus nimmt BECKER (Octavius 59 Anm. 81) das Vergilische Iteratum magna stipante caterva (Aen. 1,497; 4,136, beide Male für Dido und ihr Gefolge) als Vorbild an. Doch zum einen findet sich das einzig gemeinsame stipare sehr häufig für eine Begleiterschar in der bei Minucius Felix vorliegenden passivischen Partizipialkonstruktion (cf. OLD s.v. stipo: seit Titius und Cicero in der Bedeutung u to Surround (a person) closely (with guards, attendants, or sim.).n FORCELLINI s.v. stipo II % etwa Cic. Mur. 49; Verr. 2,4,86; Sest. 95.147; Phil. 2,6; 13,8; wie hier über einen rex Val. Max. 3,2,5; Curt. 5,1,3; 10,7,17; königliche Entourage als stipatores und comitatus Apul. mund. 26). Zum anderen stimmt der Aussagegehalt nur in dem allgemeinen Punkt Übereins, daß es sich an beiden Stellen um das Gefolge eines Königs handelt, dessen Erwähnung hier freilich ganz in die Topik von der Autarkie des (stoischen) Weisen (cf. CLARKE ad L 368 Anm. 632; POHLENZ I 261—263) gehört, formal ähnlich wird sie ausgeführt etwa Apul. Socr. 23; cf. Sen. Herc. O. 604—615; zum sprichwörtlichen Charakter
IV. 1.3
Novatian
373
von tarn times quam timeris OTTO 349 Nr. 1785. Jedenfalls spricht nichts für eine Einwirkung Vergib. 38,2 His [sc. floribus] enim et sparsis utimur mollibus ac solutis et sertis colla complectimur. Die in mollia serta angenommene Vergilreminiszenz (Aen. 7,488 mollibus intexens ornabat cornua sertis) veranlaßte DOMBART (und nach ihm WALTZING und SCHÖNE) ZU einer heute nicht mehr vertretenen Textumstellung (mollibus nach sertis). Freilich ist weder die Aufassung von serta als Substantiv zwingend (als Adjektiv in ähnlichem Kontext Apul. met. 2,16; 4,29; 10,32, c/. PELLEGRINO ad /.), noch auch verweist die Junktur mollia serta besonders auf Vergil, findet sie sich doch auch Prop. 3,1,19; Tib. 1,7,52; 2,2,6; Ov. fast. 5,340; Stat. silv. 2,7,15; Mart. 7,89,1.
1.3
Novatian
trin. 1,1 Regula exigit veritatis ut primo omnium credamus in deum patrem et dominum omnipotentem, id est rerum omnium perfectissimum conditorem, qui caelum alta sublimitate suspenderit, terram deiecta mole solidaverit, maria soluto liquore diffuderit et haec omnia propriis et condignis instrumentis et ornata et plena digesserit. Für die Formulierung omnia digerere möchte BÜRNER (27) Aen. 2,182 ita digerit omina Calchas mit der in einigen späteren Handschriften (vor allem Codices des 9. Jahrhunderts, nach RIBBECK zum Teil in Rasur, aber vielleicht im Veronensis) überlieferten Lesart omnia als Vorbild annehmen. Aber selbst wenn Novatian (als lectio facilior) omnia gelesen hätte, spricht zum einen die semantische Divergenz der Kontexte, die auch BÜRNER einräumt, gegen einen Zusammenhang, da bei Vergil Zeichen gedeutet (aber: ThLL V s.v. digero 1118,7 liest omnia; cf. Quint. inst. 10,4,1 inordinata digerere), bei Novatian hingegen eine Weltordnung geschaffen wird. Zum anderen schließt die Unauffälligkeit der Verwendung von digero (nach ThLL V s.v. 1116,8—14 ab Cato, dann häufig in der nachklassischen Prosa), die in ähnlicher Form und ähnlichem Kontext bei den anderen frühchristlichen Autoren zu beobachten ist (Tert. apol. 19,1* penes quem (sc. MoysenJ et temporum ordo, digestus ab initio, supputationem saeculi praestitit; Min. Fei. 5,7 totius mundi membra coalita, digestat formata; Novatian. trin. 16,9 rerum omnium ordo digestus sit; Arnob. nat. 1,8 prima materies quae in rerum quattuor elementa digesta est), eine bewußte Referenz aus. trin. 1,9 Et ne in periculum caderet rursum soluta libertas, mandatum posuit, quo tarnen non inesse malum in fructu arboris diceretur, sed futurum, si forte, ex voluntate hominis de contemptu datae legis praemoneretur. Die Formulierung soluta libertas nach HARNACK (41) mit georg. 2,386 risus solutus in Beziehung zu setzen, ist angesichts der Prosabelege für diesen Gebrauch von solutus (OLD s.v. solutus 12a, cf. Sen. dial. 5,37,1 solutior est post vinum licentia; soluta libertas etwa Val. Max. 7,2,6; Cod. Iust. 27,l,24pr.; Iulian. in psalm. 9,176) nicht haltbar. trin. 1,14 Nam neque quae infra terram iacent, neque ipsa sunt digestis et ordinatis potestatibus vacua — locus enim est quo piorum animae impiorumque ducuntur
374
IV. 1 Ausgeschiedene Parallelen
futuri iudicii praeiudicia sentientes —, ut operum ipsius in omnibus partibus redundantes magnitudines non intra mundi huius capacissimos licet, ut diximus, sinus conclusas videremus, sed etiam infra ipsius mundi et profunda et altitudines cogitare possemus et sie considerata operum magnüudine tantae molis digne mirari possemus artificem. HARNACK (41) sieht hier den bekannten Vers Aen. 1,33 tantae molis erat Romanam condere gentem (zitiert Quint. inst. 8,5,11; c/. Paneg. 12,24,2) nachwirken. Doch zum einen erscheint die Formulierung tanta moles in der Prosa, vor allem der spätund nachklassischen, sehr häufig (etwa Cic. Cat. 3,17; Liv. 1,9,5; 5,37,1; 8,3,4; 10,16,4; 22,54,10; 26,6,9; 26,19,9; 27,49,2; 29,35,9; 33,20,2; 38,46,4; Curt. 4,3,7; 5,3,21; 8,10,32; Sen. dial. 1,6,8; 10,18,5; benef. 4,24,1; epist. 111,5; 117,32; nat. 4a,2,6; Plin. nat. 2,6; 2,26; 36,6; 39,95; 36,96; 36,106; Tac. hist. 2,16; 2,74; ann. 1,4; 1,11; 12,66; Suet. Aug. 84,1; Flor. epit. 2,18; Apul. met. 7,18; flor. 2,22), zum anderen unterscheidet sich die Semantik: Vergil verwendet moles im Sinne von 'Schwierigkeit, Anstrengung' (c/. ThLL VIII s.v. moles 1340,15—19), Novatian hingegen bezeichnet damit die Welt in ihrer materiellen Gesamtheit (c/. 1343,52—81), wie es bei den frühen Christen häufiger vorkommt (Tert. apol. 17,1 quod colimus, Deus unus est, qui totam molem istam (...) de nihilo expressit; adv. Hermog. 30; Min. Fei. 11,1; 34,4; Arnob. 1,2; 1,9; 2,37; 3,35 und bei späteren). Zwar läßt sich dieser Sprachgebrauch vielleicht auf die kosmologische Dichtung (Lucr. 5,96 moles [...] mundi] Verg. Aen. 6,727 mens agitat molem; Manil. 1,478; 4,878) zurückführen, aber eine Referenz auf Aen. 1,33 ist nicht faßbar. trin. 2,10 Nam si ad solis aspectum oculorum nostrorum acies hebetescit, ne orbem ipsum obtutus inspiciat obviorum sibi superatus fulgore radiorum, hoc idem mentis acies patitur in cogitatione omni de deo, et quanto ad considerandum deum plus intenditur, tanto magis ipsa cogitationis suae luce caecatur. Der Formulierung acies hebetescit liegt kein, wie HARNACK (41) meint, Vergilischer (Aen. 2,605 mortalis hebetat visus tibi; 6,200 Quantum acie possent oculi servare sequentum), sondern der übliche Sprachgebrauch zugrunde (hebetescere ist terminus technicus, cf. ThLL VI,3 s.v.; zu acies oculorum ThLL I s.v. acies 400,74—401,15), c/. Cic. fin. 4,56 hebes acies est cuipiam oculorum; Plin. nat. 20,48 aciem oculorum hebetare traditur. trin. 2,12 Minora enim sint necesse est omnium genera virtutum eo ipso qui virtutum omnium et deus et parens est, ut vere dici possit id deus esse quod eiusmodi est cui comparari nihil polest. Super omne est enim quod dici potest, mens est enim quaedam gignens et complens omnia, quae sine ullo aut initio aut termino temporis cauaas rerum naturaliter nexas ad utilitatem omnium summa et perfecta ratione moderetur. Die Formulierung causas nectere, die HARNACK (41) auf Aen. 9,219 causas nequiquam nectis inanis zurückführen will, divergiert zum einen semantisch von Vergil (Novatian beschreibt Naturzusammenhänge, Vergil meint vorgebrachte Bedenken und Argumente), zum anderen ist weder der Gebrauch von nectere (cf. OLD s.v. 7 u to connect causaUy") noch die Junktur (z.B., etwa im Sinne Novatians, Cic. div. 1,125 Fatum autem id appello, quod Graeci d\L*p\Livr\, id est ordinem seriemque causarum, cum causae causa nexa rem ex se gignat.) in Prosa ungewöhnlich. trin. 8,10 Sub iugo enim naturalis legis omnibus datae alia quasi frenis revocata retrahuntur, alia quasi effusis habenis excitata impelluntur.
IV. 1.3 Novatian
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Die Formulierung habenas effundere — hier mit quasi, absolut nochmals cib. lud. 4,3 effusis [...] habenis /.../ crescit — (cf. ThLL V,2 s.v. effundo 218,78—219,3) erscheint zwar in finiter Form erstmals bei Vergil (Aen. 5,818; 12,499), den Ausdruck effusis habenis aber verwendet Livius als feste, schon ganz deverbalisierte Wendung (37,20,10 Superlativ (!); Aug. cons. evang. 1,33,51 Komparativ; im Positiv etwa Curt. 7,7,35; 7,9,13; 8,16,4; Frontin. st rat. 2,5,31), Valerius Maximus in übertragener Bedeutung (4,6 ext. 2 effusis caritatis habenis amavit; cf. Aug. in psalm. 142 enarr. 13/23 habenis iniquitatis effusis; cons. evang. 1,33,51) — dieser Befund läßt also an eine sprichwörtliche Metapher aus dem Reiterjargon denken (OTTO kennt sie allerdings nicht). Überdies liegt der Lebensbereich, aus dem das secundum gegriffen wird, so nahe, daß sich die von BÜRNER (27) und COURCELLE (414) postulierte Verbindung zu Vergil nicht halten läßt. Übrigens scheint auch das von Novatian parallel gesetzte (zusammen mit sub iugo zu sehen) frenis revocare ins metaphorische Instrumentarium zu gehören, jedenfalls findet es sich schon bei Valerius Maximus (9,2 pr. etenim quem modum sibi ipsa statuet [sc. crudelitasj, si ne suggillationis quidem frenis fuerit revocata?) — Vielleicht variiert vielmehr Vergil eine Redensart effusis habenis, indem er sie (archaisierend?) reverbalisiert (deutsch etwa 'den Galopp strecken' aus in gestrecktem Galopp')? Die verbale Formulierung erscheint jedenfalls nur in Dichtung bei und nach Vergil. trin. 16,9 Nam cum apud Deum et personarum et verum omnium ordo digestus sitt ante hanc praedestinationem Christi in gloria multi praedestinati fuisse dicentur. Die Wendung ordo rerum, die BÜRNER (27) von Aen. 7,44 maior rerum mihi nascitur ordo (zitiert Amm. 15,9,1; cf. FOUCHER 105) beeinflußt sieht, findet sich häufig in der Prosa (cf. ThLL IX,2 s.v. ordo 958,51—71; Cic. har. resp. 19; nat. 2,15; div. 2,148; Liv.25,6,6). trin. 28,30 Campus enim et quidem latus ac fusus aperietur, plenius haereticum istum si agitare voluerimus, quandoquidem duobus istis locis quibusdam effossis luminibua orbatus totus sit in doctrinae suae caecitate superatus. Als Vorbild für die Formulierung effossis luminibus sieht BÜRNER (27) Aen. 3,663 luminis effossi fluidum lavit inde cruorem. Jedoch ist die Wendung lumina effödere (neben dem gebräuchlicheren oculos eff ödere) gut belegt (cf. ThLL V,2 s.v. effodio 196,40—72, die Junktur Ov. ars 1,339; Lucan. 2,185; Florent. dig. 18,1,43,1; Ps. Rufin. in Am. 1,1), außerdem erscheint lumen im Zusammenhang mit dem Verlust des Augenlichts — oft zusammen mit dem von Novatian hier redundant verwendeten orbare — in Prosa häufig (cf ThLL VII,2 s.v. lumen 1818,35—62). In der Junktur lumen effodere liegt also also nichts Vergilisches, zu vergleichen sind mit der insgesamt übertragenen Novatianstelle wohl eher Vell. 2,52,3; Lact. inst. 7,25,8. Cypr. epist. 30,1,1 Cypriano papae presbyteri et diaconi Romae consistentes s. (I) Quamquam bene sibi conscius animus et evangelicae disciplinae vigore sub~ nixus et verus sibi in decretis caelestibus testis effectus soleat se solo Deo iudice esse centus nee alterius aut laudes petere aut aecusationes pertimesceret tarnen geminata sunt laude condigni qui, cum conscientiam sciant deo soli debere se iudici, actus tarnen suos desiderant etiam ab ipsis suis fratribus conprobari. Die Wendung bene sibi conscius animus (hier wie auch pudic. 3,1 Pudicitia semper ornatur solo pudore, bene sibi tunc. conscia de pulchritudine, si improbis displicet.) steht nicht, wie BÜRNER (29) und COURCELLE (119) meinen, mit Aen. 1,604 mens
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IV. 1 Ausgeschiedene Parallelen
sibi conscia recti in Zusammenhang, sondern eher mit einer meist persönlich gebrauchten spezifisch christlichen Formulierung bene sibi conscius (c/. ThLL IV s.v. conscius 372,25—373,42; Tert. resurr. 16 calix bene sibi conscius; Cypr. laps. 31; Novatian. cib. lud. 2,6; pudic. 3,1; Aug. lib. arb. 1,2 1. 11; epist. 23,1; 78,2; serm. 51,406; 71,29 civ. 1,28; util. cred. 1,1 etc.; Sid. epist. 1,7,3 dazu Helga KÖHLER, C. Sollius Apollinaris Briefe Buch 1, Heidelberg 1995: "mit reinem Gewissen**; Claud. Mam. anim. 1,2). Die vorliegende Ergänzung mit animus läßt sich aus dem üblichen Sprachgebrauch erklären animus sibi conscius (ähnlich schon Plaut. Most. 544; vor allem Seneca, etwa dial. 3,20,3; 6,11,4; nat. 6,2,4; epist. 116,5), im christlichen Zusammenhang findet sie sich etwa auch Aug. de mend. 4,4. Hinter dem Ausdruck geminata sunt laude condigni scheint die Formel geminatus honor (Liv. 39,39,9; Curt. 6,5,22; Plin. paneg. 92,1; c/. ThLL VI,2 s.v. gemino 1738,37—75) zu stehen, eine nähere Beziehung zu dem von HARNACK (41) angeführten georg. 2,5085g. plausus /.../ geminatus läßt sich jedenfalls nicht fassen. Cypr. epist. 30,2,2 Nee hoc nobis nunc nuper consilium cogitatum est nee haec apud nos adversus inprobos modo supervenerunt repentina subsidia, sed antiqua haec apud nos severitas, antiqua fides, [diseiplina legitur antiqua,] quoniam nee tantas de nobis laudes apostolus protulit dicendo quia fides vestra praedicatur in toto mundo, nisi iam exinde vigor iste radices fidei de temporibus Ulis mutuatus fuisset, quarum laudum et gloriae degenerem fuisse maximum crimen est Minus est enim dedecoris numquam ad praeconium laudis accessisse quam de fastxgxo laudis ruisse. Das Wort degener, auf dessen Vorkommen Aen. 2,549; 4,13 HARNACK (41) verweist, erscheint zwar zunächst nur in der Dichtung, wird aber in der nachklassisdien Prosa geläufig (c/. ThLL V s.v. 379,65*4.). Der hier vorliegende Gebrauch mit Genitiv im Sinne von '(einer Fähigkeit) unteilhaftig' ist belegt ab Ovid, dann in Prosa (380,18—29, etwa Plin. nat. 5,44; Tert. adv. Val. 30; etc.). Cypr. epist. 30,3,3 Absit enim ab ecclesia Romana vigorem suum tarn profana facilitate dimittere et nervös severitatis eversa fidei maiestate dissolvere, ut cum adhuc non tantum iaceant, sed et cadant eversorum fratrum ruinae, properata nimis remedia communicationum utique non profutura praestentur et novo per misericordiam falsam vulnera veteribus transgressionis vulneribus inprimantur, ut miseris ad eversionem maiorem eripiatur et paenitentia. HARNACK (41) sieht hier eine Gemeinsamkeit mit Aen. 11,613 contxi ineurrunt hastis primique ruinam / dant\ 11,888 pars in praeeipitis fossas urgente ruina / volvitur im Gebrauch von ruina für Kämpfende. Doch findet sich ein aktivisch auf Personen übertragenes ruina schon Cic. prov. 13 publicanorum ruinös; Sest. 109 De me, quem tyrannum atque ereptorem libertatis esse dicebat illa ruina rei publicae, dicit se legem tulisse. Cypr. epist. 30,5,4 Non sit minor medicina quam vulnus est, non sint minora remedia quam funera, ut quomodo qui ruerunt hoc ruerunt quod caeca temeritate nimis incauti fuerunt, ita qui hoc disponere nituntur, omni consiliorum moderamine utantur, ne quid non ut oportet factum tamquam inritum ab omnibus tudicetur. Auch Aen. 11,781 caeca sequebatur (sc. venatrixj totumque incauta per agmen / femineo praedae et spoliorum ardebat amore finden sich, so HARNACK (41), caecus und incautus, ebenfalls in etwa parallel. Zwar ist dieses Zusammenkommen selten belegt (nach PHI 5.3 ansonsten nur Zeno 1,4,7 animus infidelis etiam sibi; actus improvidus, instabilis, caecus, incautus, inconstans, totus concüatus in ruinam; res
IV. 1.3 Novatian
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sine substantia, negotium sine persona?), aber weder besteht eine Junktur im eigentlichen Sinne noch ist Novatians Formulierung caeca temeritate nimis incauti fuerunt irgendwie auffällig: Incautus erscheint öfter in der christlichen Literatur (Cypr. unit. 2; epist. 16,4 temerani et incauti et tumidi quidam; Arnob. nat. 5,9; Lact. inst. 4,30,3; als Substantiv Cypr. Fort, praef. 2; Min. Fei. 9,5; wie hier für die Abgefallenen Cypr. laps. 15 laxatur incautis communicatio; cf ThLL VII, 1 s.v. incautus 851,3—64; 852,6—14), die sinnverwandten Begriffe incautus, temerarius (hier: temeritas) und caecus werden gern kombiniert, etwa Curt. 9,8,21 incautum et temerarium regem; Cypr. epist. 16,4 temerarii et incauti et tumidi quidarn; Cic. inv. 1,2 caeca ac temeraria dominatrix animi cupiditas; Apul. met. 8,16 caecae festinationis temeritate; Sen. benef. 4,31,3 me homines /.../ caecum ac temerarium dicent. Cypr. epist. 30,6,3 Castrorum caelestium excubent portis, sed armati modestia qua intellegant se desertores fuisse. Resumant precum suarum tubam, sed qua non bellicum clangant Mit HARNACK (41) und BÜRNER (29) in den Worten tuba und clangere einen color Vergilianus zu sehen, ist schwierig: Zwar erscheint das Substantiv clangor für den Ton der tuba ab Vergil (dazu oben [203] zu Novatian. spect. 7,2 clangores tubae [...] imitatur raucos), aber zum einen steht clangere hier eben nicht in direkter Junktur mit tuba, zum anderen findet sich die zugrunde liegende Formulierung instrumentis quibusdam sonum clangere häufig in der Vulgata, dürfte also in dieser Form nichts erkennbar Vergilisches mehr an sich haben, cf. ThLL III s.v. clango 1262,6—16; Apul. mund. 30 nam cum tuba bellicum cecinitt milites clangore incensi /.../. Cypr. epist. 30,7,1 Immo si dedecoris admissi magnitudinem perhorrescuntt si pectoris et conscientiae suae letalem plagam et sinuosi vulneris altos recessus vere medica manu tractant, erubescant et peteref nisi quia maioris est rursum et periculi et pudoris auxilium pacis non petisse. HARNACKS (42) Einlassung zur Stelle: "das ist ganz Vergilisch, sowohl pectus als auch letalis als playa als der letzte Ausdruck" hält einer näheren Überprüfung kaum Stand: Pectus als Ort, an dem man angegriffen oder verwundet wird, hat nichts spezifisch Vergilisches (cf. ThLL X,l s.v. pectus 909,5—30), ebensowenig plaga (cf. OLD s.v.; in der vorliegenden Bedeutung 'Wunde' ab Curt. 9,8,20) und recessus (cf OLD s.v. recessus2 3 AA receding part, recess, depression': wörtlich Belege ab Aen. 8,193 spelunca [...] vasto recessu /.../, übertragen schon Cic. de or. 3,101; ähnlich der vorliegenden Verwendung Plin. nat. 8,121 oculi in recessu cavo). Sinuosus scheint zwar vorVergilisch nicht belegt, findet sich aber in nachklassischer Prosa (cf OLD s.v.; zur vorliegenden Verwendung etwa Plin. nat. 11,182 Prima domicilia intra se animo et sanguini praebet sinuoso specu et in magnis animalibus triplici, in nullo non gemino. Max. Taur. serm. 42 1. 79 CC; Petr. Chrys. serm. 24 1. 51 CC; Aug. de duab. anim. 11; Hier, epist. 3,54). Auch letalis erscheint nicht vor Vergil, in Prosa aber ab Seneca (cf ThLL VII,2 s.v. 1183,54), hier aber hier liegt eine christliche Sonderverwendung (ab Tert. spect. 27) vor, bezogen auf die mors spiritualis (1184,29—61, hier 40, cf Cypr. laps. 15 Operiuntur morientium vulnera et plaga letalis altis et profundis visceribus infixa dissimulato dolore contegitur.). Cypr. epist. 30,8,1 /.../ cum quibusdam episcopis vicinis nobis et adpropinquantibus et quos ex aliis provinciis longe positis persecutionis istius ardor eiecerat /.../. Die Verwendung von ardor läßt sich kaum nach HARNACKS (42) Vorschlag mit Aen.
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rV.l
Ausgeschiedene Parallelen
4,581 idem omnis simxd ardor habet in Verbindung bringen, vergleichbare Junkturen (ardor irarum, cupiditatum, avaritiae) kennt schon die klassische Prosa, etwa Cic. div. 1,61; fin. 1,43; 5,50 etc. (c/. ThLL II s.v. ardor 491,8-10). Cypr. epist. 36,1,1 Cum perlegissemus, frater carissime, litteras tuas quas per fortunatum hypodiaconum miseras, gemino sumus dolore percussi et duplici maerore confusi, quod neque tibi requies ulla in tantis persecutionis necessitatibus traderetur et lapsorum fratrum inmoderata petulantia usque ad periculosam verborum temeritatem producta denotaretur. Für die parallele Verwendung von geminus und duplex verweist HARNACK (42) auf Aen. 4,470 et solem geminum et duplices se ostendere Thebas. Trotz der Auffälligkeit dieser Vergilstelle (zitiert Ter. Maur. 1204; nach Serv. auct. ad l. übernimmt Vergil Eur. Bac. 918s?. xal (xfjv öpav IJLOI 5UO piv ^Xlouc 6oxa>, / Siao&c 6i OVjßac.) aber ist der parallele bzw. synonyme Gebrauch der beiden Adjektive so naheliegend (cf. ThLL V s.v. duplex 2266,24—26; 2271,26««.) und zunächst in der Dichtung, dann in der nachklassischen Prosa so häufig (etwa Lucr. 4,274; Tib. 3,7,105; Sen. Ag. 729; Manil. 2,662; PI in. nat. 11,102; 11,209; Cypr. eleem. 19; Chromat, in Matth. 2 1. 21; Aug. epist. 109,1; Serv. Aen. 2,661; Boeth. in Porph. comm. 1,2,3), daß eine dezidierte Vergilreferenz nicht anzunehmen ist. Cypr. epist. 36,1,2 Quos quidem satis mirati sumus ad hoc usque prosilire voluisse, ut tarn urgenter et tarn inmaturo atque acerbo tempore, in tarn ingenti et inmenso crimine atque delicto pacem sibi non tarn peterent quam vindicarent, immo iam et in caelis habere se dicerent. Sowohl acerbus (ThLL I s.v. 368,5—46 ab Plautus) als auch immaturus (ThLL VII,1 s.v. 445,68—446,4 ab Cicero) sind geläufige Ausdrücke für einen frühen, unzeitigen Tod. Eine Verbindung zum entsprechenden Gebrauch der Vokabeln bei Vergil (Aen. 6,429 = 11,28; 11,166), wie HARNACK (42) sie sieht, läßt sich nicht fassen. Cypr. epist. 36,2,1 Nam et evangelii fracta iam et iacens videbitur esse mau es tos, si potuit alterius decreti novitate superari, et de martyrum capite gloriosa confessionis corona detracta, si non ülam de evangelii conservatione invenientur consecuti, unde martyres fiunt, ut merito nulli magis tarn sit competens nihil contra evangelium decernere quam qui martyris nomen ex evangelio laborat accipere. Sowohl fractus (cf. ThLL VI,1 s.v. frango 1247,79—65; 1252,26—71; etwa Cic. ac. 1,33 auctoritatem\ Hör. carm. 2,7,11 virtus) als auch iacens (cf. ThLL VII,1 s.v. iaceo 26,5—47, etwa Cic. fam. 2,16,1 ab excitata fortuna ad inclinatam et prope iacentem; mit maiestas Lucr. 5,1136; Petron. 119,44) erscheinen öfter in dieser Verwendung; die von HARNACK (42) gesehene Verbindung zu Vergil (georg. 4,240 res miserabere fractas; Aen. 7,297 numina [...] / fessa iacent) läßt sich nicht erhärten. cib. lud. 1,4 Nam qui sincerum evangelium et excretum ab omni perversae labe doctrinae non tantum tenetis, verum etiam animose vindicatis, magistrum hominem non quaeritis, qui rebus ipsis (Christi) vos discipulos esse monstratis. HARNACK (41) sieht einen Zusammenhang zwischen dem evangelium excretum ab omni perversae labe doctrinae und dem vergilischen concretam exemit labern (Aen. 6,746) über die Reinigung der Seelen von der ihnen anhaftenden Sündhaftigkeit. Jedoch übernimmt Novatian excernere metaphorisch als fachsprachlichen Terminus in der Bedeutung 'reinigen durch Scheiden, Absondern9 (cf. ThLL V,2 s.v. 1227,1—9) wie nach ihm Hieronymus (adv. Iovin. 1,12) und Paulinus von Nola
IV. 1.3 Novatian
379
(epist. 11,7), während das vergilische concretam auf concrescere zurückzuführen ist (zum Gebrauch des Partizips ThLL IV s.v. concresco 97,1—44). Das vergilische labes ist unauffällig (cf. ThLL VI1,2 s.v. 771,1—33), während bei Novatian bereits der christliche Gebrauch im Sinn von 'Häresie' vorliegen dürfte (cf. 772,45—61). Mit einem faßbaren vergilischen Einfluß ist an dieser Stelle also nicht zu rechnen. cib. lud. 2,6 Sed ut ab exordio verum et unde oportet incipiam, cibus primxis hominibus solus arborum fuit fetus et fructus. Mit BÜRNER (27) hinter den arborum fetus die vergilischen arborei fetus (georg. 1,55) zu sehen, ist problematisch, da fetus für Baumfrüchte (cf. ThLL VI,1 s.v. fetus 639,7—38) zwar zunächst nur in poetischer Sprache, ab Columella und dem Älteren Plinius aber häufig in Fachprosa vorkommt. Den ausdrücklichen Hinweis auf die Bäume (im prosaischen Genitiv, nicht im vergilischen Adjektiv) motiviert Gen 3,3—7. cib- lud. 2,7 Postea etiam usus carnis accessit, divina gratia humanis necessitatibus conpetentia ciborum genera obportunis temporibus porrigente. Nam et teneros et rüdes homines alere debebat mollior cibus, et (nocentes) (non) sine labore confectus ad emendationem, scilicet ne iterum liberet delinqueref si innocentiam inpositus labor non admoneret. Das Adjektiv mollis für Speisen findet sich, auch fachsprachlich, häufig belegt (cf. ThLL VIII s.v. mollis 1372,13—30) und ist hier aus dem Kontext (zu teneros et rüdes) gut erklärbar, eine Verbindung zu ecl. 1,81 castaneae molles, wie HARNACK (41) sie sieht, besteht daher kaum. cib. lud. 2,12 Sic in piscibus quoque ea demum mundat quae essent cooperta squamis et armata remigiis; at quae contraf haec esse non munda. Die Formulierung armatus aliqua re für die natürliche Ausstattung von Tieren, die BÜRNER (28) mit Aen. 3,517 armatumque auro circumspicit Oriona und Aen. 6,288 /.../ flammisque armata Chimaera in Verbindung bringen will, ist schon in der klassischen Prosa üblich (cf. ThLL II s.v. armo618,52—€8, etwa Cic. nat. 2,121 [sc. animantesj cornibus armatas). cib. lud. 3,23 Passerem quoque cum interdicit [sc. lex ludaeorum], intempemntiam coarguit; quando noctuam, odit lucifugas veritatis; quando cygnumt cervicis altae superbos; quando caladrionemt [quando] garrulam nimis linguae intemperantiam; quando vespertilionemf quaerentes tenebras nocti similis erroris. Einen Vergilbezug sehen BÜRNER (28) und HARNACK (41) in der Verwendung des Ausdruckes lucifugus, der seit georg. 4,243 /.../ lucifugis congesta cubilia blattis vereinzelt für Wanzen gebraucht wird (cf. ThLL VI 1,2 s.v. lucifugus 1712,41—50: auch Plin. nat. 11.99; Arnob. nat. 6,16), da Novatian damit eine Eule, also ein Tier, bezeichne. Jedoch bietet Novatian eine moralische Ausdeutung des Verbotes, Eulen zu verzehren (Lev 11,16), das sich, so erklärt er, eigentlich gegen die lucifugae veritatis richte. Damit aber werden, einem seit Tertullian belegten christlichen Sprachgebrauch folgend, hier (cf. ThLL VI1,2 s.v. lucifuga 1712,26sg. ad /.: "quibus haeretici praefigurati sunt") die Häretiker bezeichnet (cf. ThLL VII,2 s.v. lucifuga: ab Sen. epist. 122,15 für Personen; über Häretiker mit Genitiv 1712,19—27, etwa Tert. resurr. 47 age tarn, quod ad Thessalonicenses [1 Thess 5,23) ut ipsius solis radio putem scriptum (ita claret). qualiter accipient lucifugae isti scripturarum [sc. eum locum?]; zur selben Stelle Ps. Orig. tract. 17,11b quod lucifugae isti haeretici non libenter accipiunt). Auf die Eule nimmt Novatian in diesem Zusammenhang
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IV. 1 Ausgeschiedene Parallelen
und mit dem Adjektiv lucifuga erstmals Bezug (wohl von ihm abhängig ist Isid. in lev. 9,9 quando noctuam, odii lucifugas vanitates; später verwenden lucifugus für die Eule Anth. 762,40; Eustath. Basil. hex. 8,7,5; Serv. georg. 1,403). Ansonsten wird von den Christen auf die Lichtscheu der Eule eher in der Paränese als in der Häretikerpolemik Bezug genommen, auch scheint diese Auslegung von Lev 11,16 Novatian eigen zu sein, cf. Ilona OPELT, 'Eule', RAC 6 (1966) 897—899. Novatian verbindet also in seiner allegorischen Auslegung das Verbot, Eulen zu verzehren, mit dem christlichen Sprachgebrauch lucifuga für die Häretiker, ohne daß aber Vergils blatiae lucifugae einfließen. Siehe oben (371) zu Min. Fei. 8,4. clb. lud. 4,3 Non reciptt luxoria Dei timorem, dum praecipitantibus illarn voluptatibus in solam fertur cupiditatum temeritatem. Effusis enim habenis ignis more admotis sumptibus quasi pabulis crescit exedens Patrimonium cum pudore aut ut torrens aliquis, montium iugis cadens, non tantum opposita transcendit, sed illa ipsa in aliorum ruinam secum rapit. Das von HARNACK (41) mit Aen. 5,785 non media de gente Phrygum exedisse nefandis / urbem odiis satis est in Beziehung gebrachte exedens ist unauffällig. Exedere Über die zerstörerische Wirkung von Feuer oder Wasser findet sich öfter (cf. ThLL V,2 s.v. 1316,35—54), und Novatian zieht hier sogar beide Bilder heran: ignis more [...] aut ut torrens. Die von BÜRNER (28) für Vergilisch erklärten Worte montium iugis cadens weisen keine faßbare Referenz auf: Cadere mit bloßem separativen Ablativ (diesen scheint BÜRNER ZU meinen, er spricht aber von einem ablativus hei) wie georg. 1,487 caelo ceciderunt, ist zwar unklassisch, aber ab Livius auch in der Prosa gut belegt {cf. ThLL III s.v. cado 32,8—13; KS I 366sq.). Die Junktur iuga montium, zu der BÜRNER auf ecl. 5,67 dum iuga montis aper [...] amabit verweist, ist ganz unauffällig, etwa Caes. Call. 1,21,2 summum iugum montis (cf. ThLL VII,2 s.v. iugum 643sq.). cib. lud. 6,6 Nee tarnen desunt inter ista, qui cum sibi nominis Christiani personam induerint, exempla praebeant intemperantiae et magisteria; quorum usque eo vitia venerunt, ut et ieiuni matutini bibant non putantes Christianum esse polare post eibum, nisi in vacuas et inanes adhuc venas infusa statim post somnum vina descenderint; minus enim qui bibunt sapere videntur, si ingesta vina cum eibis permisceantur. Die vorliegende prädikative Verwendung von matutinus hat sich in der nachklassischen Prosa so fest eingebürgert (cf ThLL VIII s.v. matutinus 506,67—507,6, etwa Apul. met. 9,11; Vet. Lat. lob. 29,7; Cypr. ad Donat. 11; Comm. instr. 2,12,9; Arnob. nat. 7,32), daß die zunächst rein dichterische Verwendung (ab Cinna carm. frg. 6), somit auch das von BÜRNER (2Ssq.) reklamierte Aen. 8,465 nee minus Aeneas se matutinus agebat, hier kaum mehr nachklingt. Vielmehr hat Novatian Sen. epist. 122,6 Non videntur tibi contra naturam vivere qui ieiuni bibunt, qui vinum reeipiunt inanibus venis et ad eibum ebrii transeuntf vor Augen, das parallel zu ieiuni eingefügte matutini scheint der Reflex einer innerchristlichen Diskussion über den rechten Zeitpunkt der Eucharistiefeier zu sein, gegen einen Termin am Abend wendet sich Cypr. epist. 63,16,2 nos autem resurrectionem Domini mane celebramus. spect. 10,159. (1) [...] Spectabit de caelo descendentes messes, non ex areis aratro impressas. (2) Inspiciet flumina transitus siecos refrenatis aquarum agminibus ex-
IV. 1.3 Novatian
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hibentia. Videbit in quibusdam fidem cum igne luctantem, religione superatas feras et in mansuetudinem conversas. Intuebitur et animas ab ipsa iam morte revocatas, considerabit etiam de sepudcris admirabiles ipsorum consummatorum iam vitas corporum redactas. HARNACK (40) glaubt in diesen Hinweisen auf spectacula aus der biblischen Heilsgeschichte einige Elemente Vergilischer Sprache zu erkennen, von denen sich aber keines als solches erweisen läßt: 10,1 de caelo descendentes messes: Der Plural messes erscheint seit Lucilius und Varro (cf. ThLL VIII s.v. messis 856,18—23), der vorliegende Kontext legt ihn außerdem nahe, ähnlich schon Min. Fei. 17,7 Quid? cum ordo temporum ac firugum stabili varietate distinguiturf nonne auctorem suum parentemque testatur ver aeque cum suis floribus et aestas cum suis messibus [...]? und Cypr. epist. 37,2 aestas ecce messium fertilitate fecunda est et area frugibus plena est Eine Beziehung zu vergilischen Belegen für den Plural (ecl. 8,99; georg. 1,49; 1,103; 1,161; 4,330) läßt sich nicht erkennen. 10.1 non ex areis aratro impressas: Der Gebrauch von imprimere hängt nicht mit Aen. 5,536 cratera impressum signis /.../ zusammen, sondern ist hier technisch (c/. ThLL VII,1 s.v. imprimo 681,70—72) wie auch Plin. nat. 18,162 impressis vestigio seminibus, ähnlich Pallad. 4,9,2. Die Formulierung refrenatis aquarum agminibus (10,2), auf die auch BÜRNER (30) verweist, scheint zwar an ein poetisches aquarum agmen (georg. 1,322; Sil. 12,619; Carm de resurr. 238; Non. 459) bzw. refrenare aquam sim. (Lucr. 6,531; Ov. her. 6,87) anzuklingen. Aber aquarum agmen ist ein in der nachklassischen Prosa geläufiger Ausdruck (Apul. mund. 23; Sol. 2,53; Amm. 24,2,7; Chalc. comm. 352; c/. ThLL I s.v. agmen 1340,34—56) für die Strömung eines Gewässers, refrenare findet sich in ähnlicher Bedeutung auch in Prosa (c/. OLD s.v. refreno i; klassisch meist übertragen, etwa Cic. Cael. 76; div. 2,4; Phil. 11,4; dann aber Zeno 1,4,5; Aug. ord. 1,3; epist. 23,4; Ps. Orig. tract. 15,11; Hier, in 1er. CSEL LIX 75,22). Ein Vergilbezug jedenfalls läßt sich nicht fassen, Novatian strebt nach besonderer sprachlicher Ausgestaltung und greift zu expressiven Ausdrücken, die in klassischer Zeit auf die Dichtersprache beschränkt sind. Die Metaphorik in fidem cum igne luctantem (10,2) ist allgemein gebräuchlich und seit Tert. fug. 1,5 im christlichen Kontext für Märtyrer und Bekenner belegt (c/. ThLL VII,2 s.v. luctor 1733,70—1734,2), eine besondere Verbindung zu Aen. 1,53; 7,28 besteht nicht. 10.2 religione superatas feras: Ferae ist nicht spezifisch "Vergilisch" (HARNACK 40), sondern seit Naevius (trag. 31) belegt und allgemein gebräuchlich (etwa Caes. Galt. 6,25,5; cf ThLL VI,1 s.v. ferus 606sq.). pudic. 3,1 bene sibi [...} conscia: Siehe oben (375) zu Novatian Cypr. epist. 30,1,1. pudic. 10,3 Digni tanto divini iudicii praemio, quorum alter regio paene throno illustrarelur, altera concordia mariti dotata inimicorum mortibus redimeretur. Die von HARNACK (41) herbeigezogene Vergilstelle Aen. 7,318 sanguine Troiano et Rutulo dotabere, virgo, / et Bellona manet te pronuba ist in ihrem bildhaften Gebrauch von dotare zwar auffällig (cf. ThLL V s.v. doto 2056,67—74), doch hat zum einen die Novatianstelle nichts mit dieser Besonderheit gemein, zum anderen ist das adjektivisch gebrauchte dotatus (2057,25—60) hier ganz unauffällig, so etwa Tert. uxor. 2,8 matore dote dotabitur de bonis eius, qui in deo dives est
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IV. 1 Ausgeschiedene Parallelen
pudic. 12,2 Pudicitiae [...Jcompetunt et cognata sunt in primis divinus timar /.../ et mens attonita ad sacram religionem /.../. Das Wort attomtus, das HARNACK (41) mit Aen. 7,580 tum quorum attonüae Baccho nemora avia matres / insultant thiasis /.../ in Zusammenhang bringt, ist ab Sallust in Prosa üblich (cf. ThLL II s.v. 1154,39s?.; FOUCHER 190*?.). pudic. 13,4 /.../ ante oculos obversetur deformis
iste atque deiectus peccati pu-
dor {...]. Weder für deformis (c/. ThLL V s.v. 368,8359.: ciceronianisch auch für Abstrakta; Min. Fei. 31,1 Et de incesto convivio fabulam grandem adversutn nos daemonium contio mentita est, ut gloriam pudicitiae deformis infamiae aspersione macularet (...). — nach ThLL 369,1 Isq. wäre deformis auf pudicüia zu beziehen, wahrscheinlicher aber wohl auf infamiae, deformis steht zur Vermeidung des Homoioteleuton zwischen den beiden Genitiven) noch für deiectus (c/. ThLL V s.v. deicio 401,31*?.: deiectus hier als Adjektiv in der Bedeutung humilis, abiectust debilitatus, wie auch schon Apul. mund. 25) läßt sich ein spezifischer Einfluß der vergilischen Verwendung dieser Vokabeln (georg. 4,478; Aen. 3,320; 6,862; 11,480), wie HARNACK (41) ihn sieht, nachweisen.
1.4
Cyprian
epist. 55,9 (CC III B 266,152) Tunc deinde /.../, quantum robur animif qualis firmitas fidei, quod nos aimplici corde et perspicere penitus et laudare debemus, sedisse intrepidum Romae in sacerdotali cathedra eo tempore cum tyrannus infestus sacerdotibus Dei fanda atque infanda (nefanda R) comminareturt cum multo patientius et tolerabilius audiret levari adversus se aemulum principem quam constitui Romae Dei sacerdotem. Die Wendung fanda atque infanda (auch Lucif. moriend. 9 1. 1) ist Variante (cf. ThLL VII, 1 s.v. infandus 1346,20$?.; zudem Rufin. apol. adv. Hier. 1,21) des sprichwörtlichen (cf. Donat. Ter. Eun. 1059; OTTO 132 Nr. 642) Merismus fandus und nefandus (cf. ThLL VI,1 s.v. (for) 1032,7—19; nach WACKERNAGEL Vorlesungen über Syntax I 298, als oblique Formen zu fas und nefas gebraucht, das ebenfalls gern zusammengestellt wird, etwa Liv. 6,14,10; Sen. contr. 1,2,8; Sen. dial. 4,9,2; ähnlich schon ; grundsätzlich Hes. op. 3sq.; Reflexion des sprachlichen Zusammenhangs Varro ling. 6,4,31), das sich auch Aen. 1,543 memores fandi atque nefandi findet. Einen Zusammenhang mit Vergil (so COURCELLE Lecteurs 112) sollte man nicht annehmen, da die Junktur, wie gezeigt, proverbiell und vorvergilisch (Catull. 64,405) ist. ad Donat. 3(CC III A 4,33) Ego cum in tenebris atque in nocte caeca iacerem /.../> difficile prorsus ac durum pro Ulis tunc moribus opinabar, quod in salutem mihi divina indulgentia pollicebatur, ut quis renasci denuo posset [...]. Die Formulierung caeca nox, die BÜRNER (23) in Beziehung zu georg. 3,260 nocte natat caeca serusfreta und Aen. 2,397 multaque per caecam congressi proelia noctem setzt, erscheint häufig, so auch schon Cic. Mil. 50 et neque caeca nox ostendisset Milonem (cf. ThLL III s.v. caecus 44,72—77). Zu den biblischen und christlichen Belegen für das Motiv BUCHHEIT Cyprian 350 Anm. 12.
IV. 1.4 Cyprian
383
ad Donat. 5 (CC III A 6,99) Inde iam facultas datur /.../ immundos et erraticos Spiritus [...] ad confessionem minis increpantibus cogere, ut recedant duris verberibus urgueref conflictantes, heiulantes, gementes incremento poenae propagantis extendere, flagris caedere, igne torrere. Die Formulierung igne torrere gehört wohl, gegen BÜRNER 23, nicht zu georg. 1,267 nunc torrete igni fruges (c/. Demetr. 3), vielmehr, da nicht von der Getreidebearbeitung (so aber Demetr. 3), sondern von der Folter die Rede ist, zu Stellen wie Cic. Pis. 42 ignibus torreatur (über den Phalaris-Stier; c/. ThLL VII,1 s.v. ignis 298,13*/.). ad Donat. 6 (CC III A 6,119) Madet orbis mutuo sanguine: et homicidium cum admittunt singuli, crimen est: virtus vocatur, cum publice geritur. Von der blutgetränkten Erde spricht zwar schon Homer (II. 4,451 (>U 5' aliiaxi fala) und ihm folgend Vergil (Aen. 12,691 sanguine terra madet), doch findet sich die Wendung auch in in der rhetorischen Prosa, etwa schon Cic. de orat. 3,214 [Capitolium] fratris sanguine madet (c/. ThLL VIII s.v. madeo 33,29—49). Der von BÜRNER (20) und COURCELLE (Lecteurs 694) postulierte Vergilbezug läßt sich nicht erweisen. ad Donat. 11 (CC III A 10,244) Tunc laceratae domus plagae conscientiam feriuntt tunc r-ei familiaris exhaustae damna noscuntur, quibus redemptus favor vulgi et caducis atque inanibus votis popularis aura quaesita est. Die Formulierung popularis aura ist in der Prosa geläufig (etwa Cic. har. resp. 43, cf. ThLL II s.v. aura 1479,49—76), die von BÜRNER 20 und COURCELLE Lecteurs 496 postulierte Beziehung zu Aen. 6,816 gaudens popularibus auris läßt sich daher nicht näher belegen. Demetr. 1 (CC III A 36,20) Certe et labor inritus et malus effectus offerre lumen caecoy sermonem surdo, sapientiam bruto, cum nee sentire brutus possit nee caecus lumen admittere nee surdus audire. Zu Recht verweist GALLICET ad l. (138) auf den allgemein sprichwörtlichen Charakter der Formulierung offerre sermonem surdo, so etwa Ter. Heaut. 222 surdo narrare fabulam; Prop. 4,8,47 cantabant surdo, nudabant pectora caeco\ Verg. ecl. 10,8 non canimus surdis; Hör. epist. 2,1,199*4. narrare [...] assello /fabulam surdo; Liv. 3,70,7 haud surdis auribus dieta; 40,8,10 vana surdis auribus canere, während MARA (591) die Stelle als Vergilreminiszenz verzeichnet. Demetr. 10 (CC III 40,177) Qui alios iudicas aliquando esto et tui iudex, conscientiae tuae latebras intuere, immot quia nullus iam delinquendi vel pudor est et sie peccatur quasi magis per ipsa peccata placeatur, qui perspieuus et nudus a eunetis tnderis et ipse te resptee. domin. orat. 5 (CC III A 92,63) Quod Anna in primo Regnorum libro ecclesiae typum portans custodit et servat, quae Deum non clamos petitione sed tacite et modeste intra ipsas pectoris latebras precabatur. BÜRNER (24) sieht das Bild der pectoris latebrae von Verg. Aen. 10,601 tum latebras animae pectus mucrone recludit beeinflußt. Doch ist der übetragene Gebrauch von latebrae seit klassischer Zeit in der Prosa gut belegt (cf. ThLL VH,2 s.v. latebra 993,44—994,6, etwa z.B. Cic. Marcell. 22; off. 3,106 ne quaeratur latebra periurio; Paneg. 4,1,3 pectorum latebras); bei den christlichen Autoren, darunter Cyprian selbst, wird damit öfter der Ort der Gewissensentscheidung bezeichnet (etwa Tert. paenit. 3,9 mediocritas humana facti solummodo iudicai quia voluniatis latebris par
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IV. 1 Ausgeschiedene Parallelen
non est; Cypr. laps. 27 voluntates /.../ in ipsis adhuc clausi pectoris laiebris intuetur (sc. deusj; Demetr. 10 conscientiae tuae latebras intuere; zel. 9 curae /.../ Quae se intm conscientiae latebram caeco dolore cluserunt; Lact. inst. 5,19,32 [sc. deusj latebras cordis videt), wobei gern, wie auch hier, ein Genitivattribut hinzutritt. hab. virg. 2 (HARTEL I 189) Dat vivendi timorem, dat innocentiae legem, postquam contulit sanitatem, nee habenis liberis et solutis vagari postmodum patitur, sed ipsis potius quibus sanatus fuerat maneipato gravius comminatur, quod sit scilicet minor culpa deliquisse ante, cum needum nosses diseiplina Dei, nulla sü venia ultra delinquere, postquam Deum nosse coepisti. Gegen die von BÜRNER (23) angenommene Verbindung von liberis habenis mit Verg. georg. 3,194 liber habenis (cf. ThLL VII,2 s.v. liber 1285,50—52, etwa Ov. am. 2,9,20 carcere liber equus; Liv. 4,33,10 liberi frenis [...] equi; für die Junktur Petron. 124 vers. 258 abruptis ceu liber habenis; Stat. Theb. 6,318 liber habenis / xmpetus, zum übertragenen Gebrauch von habena auch KEENAN ad hab. virg. 2,88) spricht der oxymoronhafte Bezug von liber auf habenae (cf. ThLL VII,2 s.v. liber 1288,53) parallel zu dem auffälligen solutus (cf. ThLL VI,3 s.v. habena 2394,64 für die Junktur mit solvere sonst nur Stat. Theb. 8,423). Die Formulierung ist also zwar als gesucht und poetisch, aber nicht als dezidiert Vergilisch zu bezeichnen. hab. virg. 14 (HARTEL I 197) Neque enim Deus coccineas aut purpureas oves fecit aut herbarum sucis et conehyliis tinguere et colorare lanas doeuit nee destinetis auro lapillis aut margaritis contexta serie et numerosa conpage digestis monilia instituit, quibus cervicem quam fecit absconderet, ut operiatur illud quod Deus in homine formavit et conspiciatur id desuper quod diabolus invenit. NAZARRO (51) sieht hier 'die erste Spur für die Gegenwart der Vierten Ekloge in der christlichen Literatur', nämlich der Verse ecl. 4,42—46: nee varios discet mentiri lana colores, / ipse sed in pratis aries iam suave rubenti / murice, iam croceo mutabit vellera luto; / sponte sua sandyx pascentis vestiet agnos. Allerdings gibt es keinerlei wörtliche Obereinstimmung, und die Kritik am Wollförben als Zeichen der Dekadenz ist topisch, Text belege und Angaben zu rechtlichen Einschränkungen in bezug auf das Wollefärben bietet KEENAN ad hab. virg. 14 (140*4.). Cf. Lucr. 5,1423*?.; Tib. 2,4,28 O pereat, quicumque legit viridesque smaragdos / et niveam Tyno murice tingit ovem. Verg. georg. 2,465 alba neque Assyrio fucatur lana veneno; cf. B. THORNTON, A Note on Vergil Eclogue 4.42—45, AJPh 109 (1988) 22fr— 228, zu Vergils Umgang mit der Topik. In christlichem Kontext rezipiert wird die Eklogenstelle aber Cypr. Galt. exod. 1324. laps. 22 (CC III 233,444) Atta et ereeta cervix nee quia cecidit inflexa est, tumens animus et superbus nee quia vitus est fractus est. lacens stantibus et integris vulneratus minatur et, quod non statim Domini corpus inquinatis manibus aeeipiat aut ore polluto Domini sanguinem bibat, sacerdotibus sacrüegus irascüur. Adque — o tuam nimiam, furiose, dementiam, — irasceris ei qui abs te avertere iram Dei nttitur; ei minaris qui pro te Domini misericordiam deprecatur, qui minus tuum sentit quod ipse non sentis, qui pro te lacrimas fundit quas forsitan ipse non fundis. Gegen BÜRNER (23) steht sanguinem btbere kaum in Zusammenhang mit Aen. 11,804 [sc. hasta] virgineumque alte bibit acta cruorem. Zum einen erscheint die Formulierung häufig (cf. ThLL II s.v. bibo 1962,44—49, etwa Sen. Thy. 917; 10555«.; dial. 4,33,4 non aliter quam si filii sanguinem btberet, Flor. epit. 3,3,9; 4,1,4; Plin. nat. 28,4 (gladiatores); 28,147; 31,119; 28,148; 28,225 etc.), zum anderen geht es
IV. 1.5
Arnobius
385
hier natürlich um den eucharistischen Genuß des Blutes Christi nach Joh 6,56 6 xpcoTUv iiou xf)v o&pxoc xal 7clva)v [LO\> xö OLI\LOL iv i^xoi |jivei xitya> £v aut<J> (c/. Hier, epist. 120,2; Aug. civ. 21,25; serm. 382,2). Auch bei lacrimas fundit, das BÜRNER (24) auf Aen. 3,348 et multum lacrimas verba inter singula fundit zurückführen will, liegt ein in späterer Prosa ganz üblicher Sprachgebrauch vor (c/. ThLL VI,1 s.v. fundo 1564,42—52, etwa Sen. contr. exe. 8,69; Sen. dial. 6,1,2; 9,15,6; Plin. nat. 8,157 etc.). laps. 25 (CC III 234,478s?.) Uli ei aput idolum quo populus confluebat, quod Carmen needum posset edere per aetatem, panem mero mixtum, quod tarnen et ipsum de immolatione pereuntium supererat, tradiderunL BÜRNER (24) sieht hinter der Formulierung panem mero mixtum die Vergilische Schilderung vom trunken im Schlaf sich erbrechenden Polyphem, Aen. 3,633 eructans et frusta cruento / per somnum commixta mero. Doch ist der Ausdruck ebenso naheliegend wie unauffällig: Merum findet sich häufiger in nachklassischer Prosa (cf. ThLL VIII s.v. merus: 848,66 merum, etwa Min. Fei. 31,5; Arnob. nat. 5,2), ebenso miscere mit dem Dativ für Rezepturen und ähnliches (cf. ThLL VIII s.v. misceo 1086,61—1087,14). unit. eccl. 18 (CCL III 262,4425g.) Sic Chore et Dathan et Abiron, qui sibi contra Mosen et Aaron sacerdotem sacrificandi licentiam vindicare conati sunt, poenas statim pro suis conatibus pependerunt: terra compagibus ruptis in profundum sinum patuit, stantes adque viventes recedentis soli hiatus absorbuit. Die Formulierung terra /.../ patuit bringt BÜRNER (23) in Zusammenhang mit Aen. 1,298 (297—299) ut terrae utque novae pateant Karthaginis arces / hospitio Teucris. Jedoch divergieren beide Stellen deutlich in semantischer Hinsicht: Cyprian spricht von einem sich auftuenden Erdspalt (cf. ThLL X,l s.v. pateo 659,40—57; ähnlich Cic. nat. 2,95 patefactis terrae fauabus; Liv. 7,6,4 patentes terrae hiatus), Vergil von Land, das zur Nutzung zur Verfügung steht (cf. ThLL X,l s.v. pateo 664,1—46). eleem. 13 (CC III A 63,253s?.) Obsederunt animum tuum sterilitatis tenebrae et recedente inde lumine veritatis carnale pectus alta et profunda avaritiae caligo caecavit. BÜRNER (24) sieht in der Beschreibung des spendenunwilligen Gewissens den Einfluß des vergilischen (Aen. 3,311) lux alma recessit. Gegen eine Referenz, die auf der Verbindung von recedere mit dem Semem lu[c]~ basieren müßte, spricht aber zum einen die Unauffälligkeit der Formulierung bei Cyprian — der vorliegende Gebrauch von recedere ist allgemein (cf. OLD s.v. recedo 2 l to move back or away1), die Metaphorik von lumen, tenebrae, caligo in christlichem Kontext üblich, so etwa bei Cyprian selbst domin. or. 35 sole ac die saeculi recedente quando oramus et petimus ut super nos lux denuo veniat; ähnlich zel. 10; 11 —, zum anderen die Divergenz der Pragmatik — bei Vergil wird der Tod umschrieben.
1.5
Arnobius
2,18 (M. 86,21—24) Vestem illa [sc. animalia] non norunt, seilas naves atque aratra conpingere nee denique superlectilem ceteram quam familiaris usu exposcit. Non sunt ista scientiae munera sed pauperrimae necessitatis inventa. Der aus dieser Gegenüberstellung von Mensch und Tier herausgearbeitete Gedanke
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IV. 1 Ausgeschiedene Parallelen
von der Kulturentstehung aufgrund der natürlichen Schutzloeigkeit des Menschen, steht zwar, wie RAPISARDA (Arnobio 247) bemerkt, vielleicht auch hinter Vergils labor tmprobus (georg. 1,143—146). Doch ist die natürliche Schwäche des Menschen als Ursache für Kulturentstehung und Staatenbildung Gemeingut antiken Denkens (grundlegend etwa Lucr. 5,925—1010; 1105—1121; Cic. off. 1,158; 2,73*?.; rep. 1,39). 2,67 (M. 145,9) Aut Martium discrimen obeuntes spem proelii sumitis ex acuminibxis auspxcati? SPINDLER (12) nennt als Vorbild für spem proelii sumere Verg. Aen. 11,18 spe praesumite bellum. Das Vergilische spe praesumere aliquid (so auch Tac. ann. 11,7,1 aeternitaiem famae spe praesumat; Rufin. Basil. hom. 3,1 p.l744 D divitias /.../ insani spe inaniier praesumebat, cf. ThLL X,2 s.v. praesumo 962,36; praesumere verwendet Arnobius durchaus, so 1,38; 2,22; 2,33; 3,7; 3,10; 3,16; 5,4; 6,4; 7,37) weicht semantisch zu stark von spem alicuius rei sumere ab, als daß man, trotz ähnlicher Pragmatik, einen Zusammenhang fassen könnte. Für Martium discrimen muß man nicht mit RAPISARDA (254) den Einfluß von Lucan. 3,336; 4,770 (auch 5,723; Sil. 5,660) discrimen Martis annehmen, denn etwa auch Curtius Rufüs hat 9,6,24 belli Martisque discrimen impavidus subibo; 9,9,4 sine ullo Martis discrimine, cf. ThLL V,l s.v. discrimen 1359,19—37. 2,75 (M. 155,4) Non infantes sub uberibus matrum centenarios legitis edidisse vagitum [...]? Die Wendung sub uberibus braucht nicht mit SPINDLER (12) aus Verg. Aen. 5,285 geminique sub ubere nati erklärt zu werden, da sie zum einen häufiger vorkommt (so etwa Liv. 10,23,12 sub uberibus lupae; Calp. ecl. 2,68; Stat. silv. 5,5,25.735«.; Theb. 3,682; Sil. 3,63; Vulg. lev. 22,27; cf. Sil. 4,377 vagitum cohibens suspendit ab ubere natos; 9,71 matris in ubere nati) und sich Arnobius zum anderen nicht, wie die Vergilstelle, auf Romulus und Remus, sondern ausdrücklich (legitis) auf eine andere Quelle (wohl Hdt. 1,68, zitiert bei Gell. 3,10,11—15, cf. MCCRACKEN ad l. I 347 Anm. 471) bezieht, der er entnimmt, daß die Menschen früher größer — und damit, so folgert er, der Erlösungstat Christi noch nicht bedürftig gewesen seien. 3,10 (M. 168,12) Havel animus atque ardetf in chalcidicis Ulis magnis atque in palatiis caeli deos deasque inspicere intectis corporibus atque nudis, ab laccho Cereremt Musa ut praedicat Lucretia, mammosam, Hellespontiacum Priapum inter deas virgines atque matres circumferentem res illas proeHorum semper in expeditionem parat as. Nach SANTORELLI (246) stelle Arnobius hier Priapus auf eine Stufe mit den Tieren, indem er ihn durch die Referenz auf georg. 3,98 st quando ad proelia ventum est darstelle als "un cavallo che, ormai vecchio, si giunge a un duello d'amore, si scatena inutilmente" (cf Serv. georg. 3,98 bene 'si quando', quia senex raro. et 'proelia' pro coüu dixit.): uLa malinconia dell'immagine rende grottesca la diviniUt che non ha altro spessore se non quello sessuale che si esaurisce nelTaccoppiamento." Jedoch besteht die dieser Interpretation zugrundegelegte Vergilreferenz lediglich aus einem sensu amatorio gebrauchten proelium. Diese metaphorische Ausdrucksweise findet sich jedoch häufiger, naheliegenderweise in der Liebesdichtung (etwa Catull. 66,20 invisente novo proelia torva viro; Prop. 2,1,45 nos contra angusto versamus proelia lecto), aber auch in der Umgangssprache, wie die Belege bei Plautus (Persa 24 Saucxus factus sum in Veneris proelio) und in den Metamorphosen des Apuleius
IV.1.5
Arnobius
387
(2,16 Miserere, inquam, et subveni maturius. Nam, ut vides, proelio quod nobis sine fetiali officio indixeras iam proximante vehementer intentust ubi primam sagittam saevi Cupidinis in ima praecordia mea delapsam excepi, arcum meum et ipse vigorate tetendi et oppido formido ne nervus rigoris nimietate rumpatur. 5,21 Nox aderat et maritus aderat primxsque Veneris proeliis velitatus in altum soporem descenderat.) zeigen (cf. OLD s.v. proelium 3b). Angesichts dieser Konnotation nähme sicher kein Leser zum Verständnis des Wortes proelia in diesem Kontext den Umweg über die Georgika-Stelle. Hinzu kommt, daß Arnobius die ganze Passage über Priapus in entsprechender eindeutig-zweideutiger Diktion gestaltet: res illas [...] in expeditionem paratas (cf. VAN DER PUTTEN ad i 94; nat. 5,9 o habitus foedus Iovis ad obsceni certaminis expeditionem parati). Damit illustriert Arnobius rhetorisch geschickt das den Gott Priapus umgebende Obszöne, welches aufzudecken es ja auch keiner höchst subtilen Vergilreferenz bedürfte. 3,21 (M. 178,20) Inminentia dii nesciunt et sortibus vivunt agitanturque fatalibus: ut quid cuique crastinus dies /erat aut hora, Latonius explicet atque aperiat vates. Die von RAPISARDA (Arnobio 248 Anm. 2) hergestellte Verbindung zur SibyllenSchilderung Aen. 6,77sq. at Phoebi nondum patiens immanis in antro / bacchatur vates hat ihren Anhalt in dem Stichwort vates und in dem Verweis auf Apoll, bei Arnobius durch dichterisches (cf. OLD s.v.) Latonius. Da die sprachlichen Gemeinsamkeiten aber allgemein bleiben, und da bei Arnobius nichts auf die Sibylle im besonderen verweist, ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Referenz. 3,36 (M. 193,6) St totidem nos modis totidemque sententiis deorum vestrorum subrueremus fidem, nulli esset dubium, quin ira et rabie concitati ignes, feras et gladios atque alia postularetis suppliciorum in nos genera} quibus sitxm soletis vestram nostri sanguinis adpetitione proluere. Für den Gebrauch von proluere sieht SPINDLER (13) Verg. Aen. lJ3Ssq. ille impiger hausit / spumantem pateram et pleno se proluit auro als Vorbild. Doch geht es Arnobius hier in erster Linie um einen drastischen Ausdruck, der, wie vor allem die Belege bei den Satirikern zeigen (cf. Hör. sat. 2,4,27 leni praecordia mulso prolueris melius; Pers. prol. 1 nee fönte labra prolui caballino, dazu KlSSEL 75: "Ersetzte die gepflegte Dichtersprache das Verb bibere zuweilen durch die denzentere Vorstellung des Netzens [...], so wird bei dem 'ordinären' Satiriker gleich ein 'Spülen' daraus." Hör. sat. 1,5,16 multa prolutus vappa nauta; daneben etwa Copa 29 si sapis, aestivo reeubans nunc prolue vitro), der Umgangssprache angehört. Daß Vergils umgangssprachliche Verwendung von proluere (dazu etwa HORSFALL 211) Arnobius angeregt habe, ist zwar nicht auszuschließen, aber angesichts der freien Verfügbarkeit des kolloquialen Sprachregisters unwahrscheinlich. 4,16 (M. 219,1.4) R(es) si cum divinas apparamus adgredi atque aris flammantibus sua reddere constituta, Minervae omnes advolent ac de istius nominis possessione certantes poscant sibi singulae apparatum illum sacrorum reddi: quid in medio faciemus nos animal tenue vel in partes quas potius pH muneris officia transferemus? Das für die Darbringung von Opfern verwendete reddere findet sich zwar auch, worauf SPINDLER (13) hinweist, bei Vergil (georg. 2,194 pandis fumantia reddimus exta), doch handelt es sich dabei um einen häufig gebrauchten Fachausdruck der Kultsprache (so Serv. georg. 2,194; BERINGER 125; OLD s.v. reddo 9b 4to render ritual oflFerings'; cf. Caes. Gall. 7,90,8 dierum XX supplicatio redditur, Hör. carm. 2,7,17; 2,17,30; Tib. 1,3,34; Ov. trist. 4,2,7sg.; Stat. Theb. 4,466; 9,564; Tac. hist.
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IV. 1 Ausgeschiedene Parallelen
4,53 super caespitem redditis extis, zur Verbindung mit exta ThLL V,2 s.v. exta 1964,75—82), den Arnobius doch wohl unabhängig von der Vergilstelle kennen und benutzen dürfte. 4,31 (M. 238,12) 5t in caeremoniis vestris rebusque divinis postilionibus locus est et piaculi dicitur contractu esse commissio, si per imprudentiae lapsxim aut in verbo quispiam aut simpuvio deerrarit, [...]: audetis abnuere in delictis tarn gravibus violari semper a vobis deost cum in levioribus causis irasci eos ipsi cum pernicie saepius confiteamini civitatis? In dem umständlichen, vielleicht auf rechtliche bzw. sakralrechtliche Sprache rekurrierenden Ausdruck piaculi dicitur contracta esse commissio (dazu Liv. 5,52,14 tantum sibi reique publicae piaculi contrahetT) geht Arnobius von der Wendung piacula committere aus, die weniger Vergilisch, so RAPISARDA (Arnobio 248 Anm. 2) mit Verweis auf Aen. 6,569 distulit in seram commissa piacula mortem, als vielmehr in der Rechtssprache üblich zu sein scheint, so etwa Liv. 5,52,13 Nonne in mentem venu quantum piaculum committatur? 29,18,9 quod piaculi commiserunt\ Gell. 19,13,5 st piaculum [...] non committitur praesente Apollinarer, Vocabularium Iurisprudentiae Romanae IV, 1 785 s.v. piaculum mit Verweis auf Paul. 1,21,4; piaculum im Sinne von 'Sünde, Verbrechen' auch schon Plaut, truc. 223; Fabius Pictor bei Gellius 10,15,10. 5,5 (M. 235,21) Hanc [sc. Magnam MatremJ in vertice ipso petrae datam quieti et somno quam incestis Iuppiter cupiditatibus adpetivit, sed cum obluctatus diu id quod sibi promiserat optinere nequisset, voluptatem in lapidem fudit victus. Obwohl SPINDLER (13 Anm. 1) zu Recht darauf hinweist, daß obluctari erstmals bei Vergil (Aen. 3,38 adgredior genibusque adversae obluctor harenae) belegt ist, hat sich der Ausdruck schon im ersten nachchristlichen Jahrhundert in der Prosa eingebügert (c/. ThLL IX,2 s.v. obluctor 116,81; Curt. 4,8,8 diu flumini obluctatus [nautaj; Colum. 3,18,12; 6,16,6; 8,14,8; Sen. dial. 7,25,6). 5,22 (M. 276,24) Alcumena Electra Latona Laodamia, mille aliae virgines ac mille matres cumque Ulis Catamitus puer pudoris spoliatus est honestate: eadem ubique est Iuppiter fabula (...]. Die Affäre des Zeus mit (der Atlastochter) Elektra gehört zum Grundbestand der antiken Mythologie (etwa Apollod. 3,10,1; Ov. fast. 4,31.177) und muß nicht, so JlRANl (416), durch Aen. 8,134—137 (Dardanus, Iliacae primus pater urbis et auctorf / Electra, ut Grat perhibent, Atlantide cretus, / advehitur Teucros; Electram maximus Atlas / edidit, aetherios umero qui sustinet orbis.) angeregt sein. Für das dreimal (5,25; 7,11; 7,40) bei Arnobius vorkommende ineluctabiUs verweist SPINDLER (13) insofern zu Recht auf Vergil, als dort (Aen. 3,324; 8,334) das Wort erstmals belegt ist. Jedoch wird es schon bald (Vell. 2,57,3; Sen. nat. 3 pr. 16; 6,7,2; T e r t . a d v . M a r c . 1,4,6; C y p r . zel. 0) in die Prosa übernommen und vor allem in der späteren Latinität häufig verwendet (c/. ThLL VII,1 s.v. 1291). Hier liegt ein echter Grenzfall und ein typisches Beispiel für die Aufnahme ursprünglich dichterischer Lexik in die Sprache der nach klassischen Kunstprosa vor (siehe oben 25 Anm. 1). Weil das Wort bereits im ersten nachchristlichen Jahrhundert mehr als vereinzelten Eingang in die Prosa findet, zur Zeit der behandelten Autoren also keinen color Vergilianus mehr an sich haben dürfte, ist es hier ausgeschieden. Vergib Einfeluß auf die Sprache der christlichen Latinität ist in diesem Fall eindeutig indirekt.
2
Stellenregister
2.1
Vergil
Ausgeschiedene Parallelen ecl.
1,81: Novatian. cib. lud. 2,7 (379) 4,42—46: Cypr. hab. virg. (384) 6,615?.: Tert. coron. 12,2 (370) 8,71: Tert. mart. 1,5 (369) 10,8: Cypr. Demetr. 1 (383) georg. 1,55: Novatian. cib. lud. 2,6 (379) 1,143—146: Arnob. nat. 2,18 (385) 1,252s?.: Min. Fei. 17,6 (371) 1,276: Cypr. ad Donat. 5 (383) 1,380: Min. Fei. 3,5 (370) 1,440*?.: Min. Fei. 25,10 (372) 1,487: Novatian. cib. lud. 4,3 (380) 1,497: Min. Fei. 37,9 (372) 2,194: Arnob. nat. 4,16 (387) 2,386: Novatian. trin. 1,9 (373) 2,605: Novatian. trin. 2,10 (374) 3,98: Arnob. nat. 3,10 (386) 3,194: Cypr. hab. virg. 2 (384) 3,311: Cypr. eleem. 13 (385) 3,356: Tert. adv. Marc. 1,1,3 (366) 4,136: Min. Fei. 37,9 (372) 4,240: Novatian. Cypr. epist. 36,2,1 (378) 4,243: Min. Fei. 8,4 (371); Novatian. cib. lud. 3,23 (379) 4,478: Novatian. pudic. 13,4 (382) 4,482«?.: Min. Fei. 20,3 (372) Aen. 1,298: Cypr. unit. eccl. 18 (240) 1,543: Cypr. epist. 55,9 (382) 1,604: Novatian. Cypr. epist. 30,1,1; pudic. 3,1 (375) 1.685—687: Tert. virg. vel. 14,5 (369) 1,739: Arnob. nat. 3,36 (387) 2,182: Novatian. trin. 1,1 (373) 2,313: Novatian. Cypr. epist. 30,6,3 (377) 2,363.3685?.755: Tert. anim. 30,3 (367)
2,369: Tert. anim. 43,10 (368) 2,397: Cypr. ad Donat. 3 (382) 2,549: Novatian. Cypr. epist. 30,2,2 (376) 3,38: Arnob. nat. 5,5 (388) 3,104: Tert. nat. 2,17,5; apol. 12,5; 25,7; Min. Fei. 23,13; Arnob. nat. 4,25 (363) 3,244: Tert. nat. 1,7,20 (362) 3,320: Novatian. pudic. 13,4 (382) 3,324: Arnob. nat. 5,25; 7,11; 7,49 (388) 3,348: Cypr. laps. 22 (239) 3,517: Novatian. cib. lud. 2,12 (379) 3,633: Cypr. laps. 25 (385) 4,13: Novatian. Cypr. epist. 30,2,2 (376) 4,244: Tert. anim. 49,2 (368) 4,470: Novatian. Cypr. epist. 36,1,1 (378) 4,581: Novatian. Cypr. epist. 30,8,1 (377) 4,6695?.: Tert. pall. 1,2 (366) 5,285: Arnob. nat. 2,75 (386) 5,818: Novatian. trin. 8,10 (374) 5,6945?.: Tert. Scap. 2,1 (365) 5,785: Novatian. cib. lud. 4,3 (380) 6,775?.: Arnob. nat. 3,1 (296) 6,160: Min. Fei. 19,3 (371) 6,200: Novatian. trin. 2,10 (374) 6,288: Novatian. cib. lud. 2,12 (379) 6,429: Novatian. Cypr. epist. 36,1,2 (378) 6,569: Arnob. nat. 4,31 (388) 6,715: Tert. anim. 50,4 (369) 6,746: Novatian. cib. lud. 1,4 (378) 6,795: Tert. nat. 2,17,3; apol. 25,3 (363) 6,816: Cypr. ad Donat. 11 (226) 6,847—853: Tert. apol. 30,15?. (364) 6,862: Tert. orat. 17,2 (369); Novatian. pudic. 13,4 (382)
390
IV.2
7,44: Novatian. trin. 16,9 (375) 7,297: Novatian. Cypr. epist. 36,2,1 (378) 7,318: Novatian. pudic. 12,2 (382) 7,488: Min. Fei. 38,2 (373) 7,580: Novatian. pudic. 10,3 (381) 7,661: Tert. apol. 21,14 (364) 8,134—137: Arnob. nat. 5,22 (388) 8,297: Tert. nat. 1,7,20 (362) 8,329: Tert. apol. 10,8 (363) 8,334: Arnob. nat. 5,25; 7,11; 7,49 (388) 8,465: Novatian. cib. lud. 6,6 (380) 8,5255^.: Tert. apol. 11,6 (364) 8,526: Novatian. Cypr. epist. 30,6,3 (377) 8,63859.66859.: Tert. spect. 23,2 (370) 8,69859.: Tert. nat. 1,10,17; apol. 6,8 (362) 9,219: Novatian. trin. 2,12 (374) 10,23: Min. Fei. 25,3 (372) 10,2959.: Tert. apol. 14,2 (364) 10,500: Tert. Scap. 1,2 (365)
Stellenregister
10,601: Cypr. Demetr. 10; domin. orat. 5(383) 10,813: Min. Fei. 5,9 (371) 10,845: Min. Fei. 18,11 (371) 11,5—16: Tert. adv. lud. 9,20; adv. Marc. 3,14,4 (365) 11,18: Arnob. nat. 2,67 (386) 11,28: Novatian. Cypr. epist. 36,1,2 (378) 11,166: Novatian. Cypr. epist. 36,1,2 (378) 11,192: Novatian. Cypr. epist. 30,6,3 (377) 11,480: Novatian. pudic. 13,4 (382) 11,613: Novatian. Cypr. epist. 30,3,3 (376) 11,781: Novatian. Cypr. epist. 30,5,4 (376) 11,804: Cypr. laps. 22(239) 11,888: Novatian. Cypr. epist. 30,3,3 (376) 12,9659.: Tert. anim. 20,3 (367) 12,499: Novatian. trin. 8,10 (374) 12,691: Cypr. ad Donat. 6 (383)
Zitate ecl. 1,68
caespite culmen
Cypr. ad Donat. 2 (220)
ecl. 3,3
infelix /.../ pecus
Arnob. nat. 7,20 (327); 7,24 (327)
ecl. 3,60
Iovis omnia pleno
Arnob. nat. 3,9b ? (297) Min. Fei. 32,7 (159)
ecl. 5,37
lolium [...] avenae
Arnob. nat. 2,59 ? (291)
ecl. 6,54
pallentis ruminat herbas
Arnob. nat. 5,23b (316)
ecl. 8,65
mascula iura
Arnob. nat. 7,28 ? (329)
georg. 1,1859.
Arnob. nat. 3,31 (301)
georg. 1,30
oleaeque Minerva / inventrix ultima Thxde
georg. 1,55
arbarei fetus
Cypr. Demetr. 3 (231)
georg. 1,62
Deucalton vacuum lapides iaciavit in orbem exustus ager morientibus aestuat herbis
Arnob. nat. 5,5 (312)
georg. 1,107
Arnob. nat. 6,5 ? (321)
Cypr. Demetr. 20a (232)
IV.2.1
Vergil
georg. 128
1,125.127b.
391 nullt subigebant arva coloni /.../ ipsaque tellus / omnia liberius nullo poscente ferebat serpentibus addidit /.../ lupos
Tert. nat. 2,13,14 (44)
georg. 1,135
silicis venis abstrusum /.../ ignem
Arnob. nat. 7,50 (332)
georg. 1,152—154
intereunt segetes /.../ interque nitentia culta / infelix lolium et steriles dominantur avenae die /.../ horas /.../ dividit
Cypr. Demetr. 23 (234)
georg. 1,280 c/. 3,304
(inrorare)
Cypr. ad Donat. 14 ? (230)
georg. 1,298
terit area Jruges
Cypr. mortal. 12b (242)
georg. 1,395s?.
stellis /.../ obtunsa /.../ Luna
Arnob. nat. 2,58 ? (290)
georg. 1,461s?.
serenas /.../ nubes
Cypr. mortal. 8 (241)
georg. 1,473 c/. Aen. 3,574
flammarumque globos
Arnob. nat. 2,14b (283)
georg. 2,44
lege litoris oram
Min. Fei. 3?4 (117)
georg. 2,87
pomaque /.../ Alcinoi
Tert. pall. 2,7 ? (61)
georg. 2,135 c/. Aen. 12,790
(anhelus)
Min. Fei. 7,3 ? (122)
georg. 2,461 sq.
foribus /.../ superbis / mane salutantum /.../ undam
Cypr. ad Donat. 11 (226)
georg. 2,464
auro vestis
Cypr. ad Donat. 3 ? (221)
georg. 2,482 = Aen. 1,746
tardis /.../ noctibus
Arnob. nat. 1,2b (265)
georg. 2,486
(inglorius)
Cypr. ad Donat. 3 ? (221)
georg. 2,495
fasces /.../ purpurn
Cypr. ad Donat. 3 ? (221); 12 ? (228)
georg. 1,129s?.
georg. 1,2085^.
georg. 2,502
insanumque forum
Arnob. nat. 1,11b? (267)
Novatian. spect. 9,2a (204)
ad Donat. 10b (226)
georg. 2,506
gemma bibat et Sarrano dormiat ostro
Cypr. ad Donat. 12 (228)
georg. 2,509
per cuneos
Cypr. ad Donat. 3 ? (221)
georg. 2,516
pomis exuberat
Cypr. patient. 4 (245)
georg. 2,542 cf. Aen. 12,338
(fumans)
Min. Fei. 7,3 ? (122)
IV.2
392
Stellenregister
georg. 3,20 c/. Aen. 5,69
crudo /.../ caestu
Arnob. nat. l,36e (276); 7,33 (330)
georg. 3,34
spirantia signa
Arnob. nat. 6,16a (322)
georg. 3,65
suffice prolem
Arnob. nat. 3,9a (296)
georg. 3,92—94
(Saturn und Philyra)
Arnob. nat. 4,26 (308)
georg. 3,1135g.
Tert. spect. 9,3 (74)
georg. 3,134
primus Ericthonius currus et quattuor ausus / iungere equos rapidusque rotis insu stere victor paleae iactantur inanes
georg. 3,136
genitali arvo et sulcos olimet
Tert. anim. 27,8 (67)
georg. 3,261
scopulis inlisa
Novatian. Cypr. epist. 30,2,1 ? (196); Cypr. laps. 16 7(196)
georg. 3,304 c/. 1,280
(inrorare)
Cypr. ad Donat. 14 ? (230)
georg. 3,384
(lanitium)
Arnob. nat. 1,11 ? (267); 1,21 (271); 5,25 ? (319); 7,16 ? (325)
georg. 3,415
agitare [...] nidore
Tert. uxor. 2,6,1 (76)
georg. 3,423
(agmen)
Arnob. nat. 7,44a ? (332)
georg. 3,530
somnos abrumpit
Cypr. unit. eccl. 27 (240)
georg. 3,556
catervatim
Arnob. nat. 7,39b ? (330)
georg. 4,61 sq.
frondea /.../ tecta petunt
Cypr. ad Donat. la (219)
georg. 4,64
Arnob. nat. 7,32 (330)
georg. 4,261
tinnitusque [...] quate cymbala rauci /.../ sonitus imitata tubarum (fundamen)
georg. 4,199
fetus (...] edunt
Arnob. nat. 2,16 (287)
georg. 4,22lsq.
deum namque ire per omnis / terrasque tractusque maris caelumque profundum
Min. Fei. 19,2b (142)
georg. 4,243
stelio /.../ lucifugis /.../ blatte generis lapsi sarcire ruinös
Arnob. nat. 6,16b (322)
georg. 4,71 sq.
georg. 4,249
Cypr. unit. eccl. 9 (239); mortal. 12c (242)
Novatian. spect. 7,2 (203) Arnob. nat. 3,1 ? (296); 6,7 ? (322)
Novatian. pudic. 13,2 (207)
IV.2.1
Vergil
georg. 4,307
garrula /.../ hirundo
Tert. anim. 32,8 ? (68); Arnob. nat. 7,17 ? (325)
georg. 4,311s?.
tenuemque /.../ aera /.../ e//usus nubibus imber
Novatian. spect. 9,2b (204)
georg. 4,346
dulcia furta
Arnob. nat. 5,31 ? (319)
georg. 4,422
obice saxi
Min. Fei. 4,5 ? (119)
georg. 4,528s?.
altum /.../ spumantem undam
Novatian. trin. 1,7 (195)
Aen.
(Aeneas)
Tert. nat. 2,9,12—18 (80); apol. 14,2 (51); adv. Marc. 1,5,1 (64); Min. Fei. 23,6 (151)
Aen.
(Dido)
Tert. mart. 4,5 (85); nat. 1,18,9; apol. 50,5; anim. 33,9; castit. 13,3; monog. 17,2; Min. Fei. 20,6
Aen. 1,12—18
urbs /.../ Karthago /.../ Iuno /.../ posthabita /.../ Samo. hie illius arma, / hie currus fuit; hoc regnum dea gentibus esse, / si qua jata 5tnant, iam tum tenditque fovetque
Tert. nat. 2,17,6 (47); apol. 25,8a (52)
Aen. 1,13s?.
Karthago /.../ asperrima belli
Tert. pall. 1,3a (58)
Aen. 1,46s?.
Iovisque / et soror et coniunx
Tert. apol. 25,8b (52); Arnob. nat. 3,30 ? (300)
Aen. 1,49
aris imponet
Cypr. unit. eccl 18 (240)
Aen. 1,106
summo in
Aen. 1,176
nutrimenta /.../ in fomite
Cypr. hab. virg. 1 ? (237)
Aen. 1,266
transierint /.../ hiberna
Cypr. epist. 37,2,2 (218)
Aen. 1,279
imperium sine fine dedi
Aen. 1,282
Romanos rerum dominos
Tert. apol. 25,16 (54); Min. Fei. 25,1 (154) Arnob. nat. 4,1 (303)
Aen. 1,4465?. Aen. 1,661
templum /.../ donis opulentum et numine ambiguam /.../ bilinguis
Tert. adv. Val. 1,4 ? (62)
Aen. 1,672
cardine rerum
Arnob. nat. 7,39a (330)
studiisque
fluetu
Min. Fei. 3,6 (118)
Min. Fei. 7,5 (125)
394
IV.2 StellenKgbter
Aen. 1,557.660 c/. 7,355
pectore /.../ implicet
Min. Fei. 1,2 (114)
Aen. 1,734
laetitiae Bacchus dator
Arnob. nat. 3,33 ? (302)
Aen. 1,739
spumantem pateram
Novatian. spect. 5,1 (202)
Aen. 1,743
unde hominum genus et pecudes, unde imber et ignes
Min. Fei. 19,2b (142)
Aen. 2,1
intentique am tenebant
Min. Fei. 39 (168)
Aen. 2,80
vanum /.../ mendacemque
Arnob. nat. 1,54 ? (282)
/.../ finget Aen. 2,208 et al.
(volumen)
Arnob. nat. 7,44c ? (332)
Aen. 2,212
(agmen)
Arnob. nat. 7,44a ? (332)
Aen. 2,313 c/. 8,526; 11,192
clangorque tubarum
Novatian. spect. 7,2 (203)
Aen. 2,407 c/. 588
furiata mente
Cypr. zel. 8 (247)
Aen. 2,447 = 11,846
extrema [...] motte
Min. Fei. 36,9 (168)
Aen. 2,758
ignis edax
Arnob. nat. 6,23 ? (324)
Aen. 2,774 et al.
(haerere)
Cypr. laps. 8 ? (238)
Aen. 3,665g.
spumantia cymbia /.../ sanguinis /.../ pateras
Novatian. spect. 5,1 (202)
Aen. 3,75
(arquüenens)
Arnob. nat. l,36d ? (276); 4,22 (280)
Aen. 3,118—120
mactavit /.../ nigram (...) albam cum tabida /.../ caeli tractu
Arnob. nat. 7,19 ? (326)
Aen. 3,145 c/. 11,335
fessis /.../ rebus
Arnob. nat. 1,25 (272); 1,28a (273); 3,24 272
Aen. 3,176s?.
supinas /.../ manus
Cypr. Fort. 8 ? (248)
Aen. 3,391 = 8,44
tnginta /.../ fetus
Ter. adv. Marc. 1,5,1 (64)
Aen. 3,415
tantum aevi longinqua valet mutare vetustas venu medio vi pontus et undis / Hesperium Siculo latus absddit globos flammarum
Tert. pall. 1,3b (58)
Aen. 3,13759.
Aen. 3,417*f.
Aen. 3,574 c/. georg. 1,473
Min. Fei. 5,10 (121)
Tert. apol. 40,4 (56); pall. 2,3 (60) Arnob. nat. 2,14b (283)
1V.2.1 Vergil
3S
Aen. 3,582
caelum subtexere fumo
Arnob. nat. 7,15 (324)
Aen. 3,626s?.
membra fluentia tabo /.../ artus cervicem inflexam
Cypr. patient. 18 (246)
Aen. 3,664 c/. 8,230; 10,718
(infrendere)
Tert. apol. 12,6 ? (51); coron. 1,2 ? (76)
Aen. 4,2
caeco carpitur igni
Novatian. pudic. 10,1 (206)
Aen. 4,15
fixum immotumque
Arnob. nat. 5,34 (320)
Aen. 4,15 et al.
(sedere)
Arnob. nat. 4,18 (303)
Aen. 4,26
(nox)
Novatian. Cypr. 30,7,2 (197)
Aen. 4,122
desuper infundam
Cypr. ad Donat. 4a (224)
Aen. 4,174
Fama, malum qua non aliud velocius ullum
Tert. nat. 1,7,2 (41); apol. 7,8 (49)
Aen. 4,199
templa /.../ immania
Arnob. nat. 1,34 (275)
Aen. 4,242
(Mercurius) animas /.../ evocat (Cyllenius) alatis /.../ plan tis low Stygio
Tert. anim. 53,6 (72)
Aen. 5,69 c/. georg. 3,20
crudo /.../ caestu
Arnob. nat. l,36e (276); 7,33 (330)
Aen. 5,90
(agmen)
Arnob. nat. 7,44a ? (332)
Aen. 5,230 = 12,49
pro laude pacisci
Tert. apol. 50,7 (57)
Aen. 5,234 c/. 6,55
fudissetque preces
Cypr. Demetr. 20b ? (233); Arnob. nat. 5,21 ? (316)
Aen. 5,262
(tutamen)
Arnob. nat. 1,28b et a/. ? (273)
Aen. 5,309
caput nectentur
Min. Fei. 12,6 (127)
Aen. 5,591
(inremeabilis)
Arnob. nat. 2,36 ? (289)
Aen. 5,743 = 8,410
sopitos suscitat ignes
Novatian. cib. lud. 3,3 (199)
Aen. 5,745
farre pio
Arnob. nat. 7,26 ? (328)
Aen. 6
Tartarus
Novatian. Cypr. 30,7,2 (197)
Aen. 3,631
Aen. 4,259 Aen. 4,638
Cypr. laps. 22 ? (239)
epist.
Min. Fei. 22,5 (150) Arnob. nat. 2,70a ? (293); 3,31 ? (301)
epist.
396
IV.2
Stellenregister
Aen. 6 ? cf. Sen. suas. 3,5
plena deo {SibyüaTj
Min. Fei. 7,6 (125)
Aen. 6,7 cf georg. 1,135
abstrusa in venis silicis
Arnob. nat. 7,50 (332)
Aen. 6,48
pectus anhelum
Tert. pall. 4,6 (61); Arnob. nat. 1,17b (270)
Aen. 6,55 cf 5,234
funditque preces
Cypr. Demetr. 20b 7 (233); Arnob. nat. 5,21 ? (316)
Aen. 6,66
praescia venturi
Tert. adv. Marc. 1,5,1 ? (66); Cypr. mortal. 19 ? (244)
Aen. 6,93 = 11,480
causa malt tanti
Tert. adv. Marc. 2,5,1 (66)
Aen. 6,100
obscuris vera involvens
Min. Fei. 27,1 (157)
Aen. 6,121
alterna morte
Min. Fei. 22,7 (150)
Aen. 6,129*?.
aequus [...] Iuppiter
Tert. 2,13,20 (46)
Aen. 6,135
insano [...] indulgere labori
Min. Fei. 5,6(119)
Aen. 6,1965(7.
ne defice rebus / diva parens
Novatian. cib. lud. (200)
Aen. 6,272
rebus nox abstulit atra coloretn
Tert. anim. 43,7 (68)
Aen. 6,273
in faucibus Orci
Arnob. nat. 2,53.78 ? (290)
Aen. 6,296
caeno /.../ voragine
Arnob. nat. 2,14c (283)
Aen. 6,323 cf. 6,369
(Stygia palus)
Tert. anim. 50,3 (70); Min. Fei. 35,1 (164)
Aen. 6,369 cf. 6,323
(Stygia palus)
Tert. anim. 50,3 (70); Min. Fei. 35,1 (164)
Aen. 6,424
(inremeabilis)
Arnob. nat. 2,36 ? (289)
Aen. 6,429
(mergere)
Arnob. nat. 2,14a (283)
Aen. 6,471
stet Marpesia cauies
Arnob. nat. 2,24 (287)
Aen. 6,502
cui tantum de te licuit?
Tert. mart. 4,9 (73); nat. 1,7,1 (41)
Aen. 6,540
ubi se via findit in ambas
Min. Fei. 16,3 (128)
Aen. 6,550
flammis f...] torrentibus
Arnob. nat. 2,14b (283)
Aen. 6,580*?.
Titania /.../ fulmine /.../ in imo lumine vestit /.../ solemque(...] sidera
Arnob. nat. 5,19 ? (315)
Aen. 6,640*9.
6,3
Arnob. nat. 1,2a? (265)
IV.2.1
Vergil
Aen. 6,724—729
Principio caelum ac terras camposque liquentis / lucenternque globum lunae Titaniaque astra / spiritus intus alit, totamque infusa per artus / mens agitat molem et magno se corpore miscet. / inde hominum pecudumque genus vitaeque volantum / et quae marmoreo fert monstra sub aequore pontus.
Min. Fei. 19,2a (136)
Aen. 6,725
globum lunae /.../ astra
Novatian. trin. 1,2 (193); spect. 9,1 (204)
Aen. 6,726sg.
infusa /.../ se miscet
Min. Fei. 32,7s«. ? (159)
Aen. 6,730
vigor /.../ caelestis origo
Min. Fei. 26,8 (156)
Aen. 6,740
(supplicia)
Novatian. Cypr. 30,7,2 (197)
Aen. 6,742
(exuri)
Arnob. nat. 2,14a (283)
Aen. 6,748
(volvere)
Arnob. nat. 2,14a (283)
Aen. 6,784 c/. 9,82
Berecyntia
Arnob. nat. 5,13 (314)
Aen. 6,795sg.
imperium /.../ extra /.../ solisque vias
Aen. 6,830^.
socer /.../ gener
Min. Fei. 18,6 ?(130)
Aen. 6,881 c/. 11,770; 12,651
(spumans)
Min. Fei. 7,3 ? (122)
Aen. 7,8
aspirant aume
Min. Fei. 2,4 ? (115)
Aen. 7,275g.
venti posuere f...] flatus
Min. Fei. 3,3a (116)
Aen. 7,4
(revocare)
Min. Fei. 1,1 ? (114)
Aen. 7,45—49
Latinus [...] Fauno Picus pater /.../ Saturne
Arnob. nat. 2,71 (294)
Aen. 7,177.179
ex ordine /.../ vitisator /.../ servans /.../ falcem
Arnob. nat. 3,29 (299)
Aen. 7,355sg. c/. 1,557.660
sensus /.../ implicat /../ pectore
Min. Fei. 1,2(114)
Aen. 7,606
Parthosque reposcere Signa
Min. Fei. 7,4b (123)
Aen. 7,611
(sedere)
Arnob. nat. 4,18 (303)
Aen. 7,661
mixta deo mulier
Min. Fei. 7,6 (125)
epist.
398
IV.2
Stellenregist
Aen. 7,717
infaustum /.../ Allia nomen
Min. Fei. 7,4a (123)
Aen. 7,790 c/. 8,307
(obsitus)
Arnob. nat. 4,26 ? (308)
Aen. 7,811
tingeret aequore plantas
Min. Fei. 3,3b (116)
Aen. 8,1
belli Signum /.../ ab arce
Arnob. nat. 2,67 (292)
Aen. 8,40
(tumor)
Arnob. nat. 1,28c ? (273)
Aen. 8,44 = 3,391
triginta /.../ fetus
Ter. adv. Marc. 1,5,1 (64)
Aen. 8,138*?.
Mercurius /.../ quem Candida Arnob. nat. 1,36c (276); Maia / Cyllenae gelido con- 3,32 (301) ceptum vertice fudii
Aen. 8,187
vana superstitio
Tert. apol. 24,7 ? (51); Min. Fei. 9,2 ?, 1,5 ? (126); Novatian. spect. 2,1 ? (201); Cypr. Demetr. 5 ? (232)
Aen. 8,230 c/. 3,664; 10,718
(infrendere)
Tert. apol. 12,6 ? (51); coron. 1,2 ? (76)
Aen. 8,301
lovis proles
Arnob. nat. 4,35 (311)
Aen. 8,307 c/. 7,790
(obsitus)
Arnob. nat. 4,26 ? (308)
Aen. 8,322^.
Latiumque vocari / maluit, his quoniam latuisset tutus in oris silvestribus horrida dumis
Min. Fei. 23,11 (152); Arnob. nat. 4,24 (307) Tert. apol. 26,2 (55)
Aen. 8,35754.
Ianus /.../ Saturnus condidit /.../ Ianiculum /.../ Saturnia
Min. Fei. 23,11 (152); Arnob. nat. 1,36a (276)
Aen. 8,410 = 5,743
sopitos suscitat ignes
Novatian. cib. lud. (199)
Aen. 8,424—428
(Vulkans Schmiede im Ätna)
Min. Fei. 23,6 (151)
Aen. 8,526 c/. 2,313; 11,192
tubae /.../ clangor
Novatian. spect. 7,2 (203)
Aen. 8,5825«.
auris / vulneret
Arnob. nat. l,36f(276)
Aen. 8,620
(vomere)
Arnob. nat. 6,3 (320)
Aen. 8,635
raptas sine more Sabinas
Min. Fei. 25,3 (155)
Aen. 8,668
Tartareas /.../ sedes
Arnob. nat. 5,19 (315)
Aen. 9,59
lupus insidiatus ovili
Arnob. nat. 1,11a (267)
Aen. 8,348
3,3
IV.2.1
Vergil
Aen. 9,82 c/. 6,784
Berecyntia
Arnob. nat. 5,13 (314)
Aen. 9,93
torquet qui sidera
Arnob. nat. 5,23c (316)
Aen. 9,10459. = 10,1135^.
Stygii per flumina fratris, / per pice torrentis atraque voragine ripas
Min. Fei. 35,2 (164)
totum nutu tremefecit O/ympum
Arnob. nat. 4,21 (304)
Aen. 10,3
sideream in sedem
Arnob. nat. 6,17 (323)
Aen. 10,18
O pater, o hominum rerumque aeterna potestas
Arnob. nat. 5,23a (316)
Aen. 10,11359. = 9,10459.
Stygii per flumina fratris, / per pice torrentis atraque voragine ripas
Min. Fei. 35,2 (164)
totum nutu tremefecit Olympum
Arnob. nat. 4,21 (304)
Aen. 10,271 c/. 8,620
(vomere)
Arnob. nat. 6,3 (320)
Aen. 10,307
retrahitque /.../ relabens
Min. Fei. 3,3c (116)
Aen. 10,319
deiecit leto
Novatian. cib. (199)
Aen. 10,472
metasque /.../ pervenit ad aevi
Arnob. nat. 2,8 (282)
Aen. 10,646
vertu vestigia
Min. Fei. 3,5 (118)
Aen. 10,718 c/. 3,664; 8,230
(infrendere)
Tert. apol. 12,6 ? (51); coron. 1,2 ? (76)
Aen. 10,72759.
taeter /.../ cruor
Arnob. nat. 1,2c (265)
Aen. 10,733
caecum /.../ vulnus
Min. Fei. 9,5 (126)
Aen. 10,899
hausit caelum
Cypr. ad Donat. 4b (224)
Aen. 11,82
caeso /.../ sanguine
Min. Fei. 30,1 (158)
Aen. 11,192 c/. 2,313; 8,526
clangorque tubarum
Novatian. spect. 7,2 (203)
Aen. 11,335 cf 3,145
rebus /.../ fessis
Arnob. nat. 1,25?; 1,28a?; 3,24 ? (272)
Aen. 11,452
stimulis (...] irae
Arnob. nat. 7,23 ? (328)
Aen. 11,480 = 6,93
causa mali tanti
Tert. adv. Marc. 2,5,1 (66)
Aen. 11,483
Tritonia virgo
Arnob. nat. 3,21 (298); 7,22 (328)
Aen. 9,106 10,115
Aen. 10,115 9,106
=
=
lud. 2,6
400
IV.2
Aen. 11,507
oculos [...]
Aen. 11,625—627
nunc /.../ perfundü harenam /.../ nunc /.../ resorbens
Min. Fei. 3,3d (116)
Aen. 11,770 c/. 6,881; 12,651
(spumans)
Min. Fei. 7,3 ? (122)
Aen. 11,846 2,447
extrema /.../ morte
Min. Fei. 36,9 (168)
Aen. 12,49 = 5,230
pro laude pacisci
Tert. apol. 50,7 (57)
Aen. 12,90
ignipotens
Arnob. nat. 2,70b (293)
Aen. 12,102
scintillae /.../ rnicat [...] ignis nulla dies pacem hanc Italis nee foedera rumpet
Arnob. nat. 1,17a (270)
=
Aen. 12,202
fixus
Stellenregister
Cypr. ad Donat. lb (220)
Cypr. ad Donat. 10a (226)
Aen. 12,338 c/. georg. 2,542
(fumans)
Min. Fei. 7,3 ? (122)
Aen. 12,367
venti ineubuere
Cypr. mortal. 12a (242)
Aen. 12,486
vario /.../ fluetuat aestu
Cypr. laps. 4 (237)
Aen. 12,508
costas et cratis
Arnob. nat. 3,13 (298)
Aen. 12,646
usque adeone mori miserum est? (spumans)
Tert. fiig. 10,1 (77)
Aen. 12,780
cassa /.../ vota
Min. Fei. 12,1 (127)
Aen. 12,790 c/. georg. 2,135
(anhelus)
Min. Fei. 7,3 ? (122)
Aen. 12,794
indigetem Aenean
Tert. nat. 2,9,18 (80); Arnob. nat. 1,36b ? (276)
Aen. 12,651 c/. 6,881; 11,770
Min. Fei. 7,3 ? (122)
[V.2.2
Arnobius
2.2
Arnobius
401
Ausgeschiedene Parallelen: nat. nat. nat. nat. nat.
2,18 2,67 2,75 3,10 3,21
(385) (386) (386) (386 (387)
nat. nat. nat. nat.
3,36 (387) 4,16 (387) 4,31 (388) 5,5 (388)
nat. nat. nat. nat.
5,22 5,25 7,11 7,49
(388) (388) (388) (388)
Zitate:
nat. 1,2b (265)
siderum sol /.../ luce vestiuntur tardissimas luces nox
georg. 2,481 = Aen 1,7
nat. 1,2c (265)
cruor taeter
Aen. 10,727
nat. 1,11a (267)
ovilibxis insidiatur lupus
Aen. 9,59
nat. 1,11b? (267)
georg. 1,1295?.
nat. 1,17a (270)
lupus (...) serpens /.../ addiderunt scintillae emicent /.../ex ore
nat. 1,17b (270)
anhelum pectus
Aen. 6,48
nat. 1,21 (271)
lanitia curent
georg. 3,384
nat. 1,25? (272)
rebus fessis
Aen. 3,145; 11,335
nat. 1,28a? (273)
rebus fessis
Aen. 3,145; 11,135
nat. 1,28b? (273)
(tutamen)
Aen. 5,262
nat. 1,28c (274)
(tumor)
Aen. 8,40
nat. 1,34(275)
Capitolia /.../ immania
Aen. 4,199
nat. 1,36a (276)
lanus laniculi conditor et civitatis Saturniae Saturnus auctor Indigetes
Aen. 8,3575?.
nat. 1,2a? (265)
nat. 1,36b? (276)
Aen. 6,640
Aen. 12,1015?.
Aen. 12,794
nat. 1,36c (276)
Mercurius utero fusus Maiae [...] candidae
Aen. 8,1385?.
nat. l,36d ? (276)
(arquitenens)
Aen. 3,75
nat. l,36e (276)
crudo /.../ caestu
georg. 3,20; Aen. 5,69
nat. l,36f (276)
vulneratis auribus
Aen. 8,5825?.
nat. 1,49? (282)
(dator)
c/. ad 3,33
402 nat. 1,54 ? (282)
IV.2
Stellenregister
nat. 2,14a ? (283)
vanos mendaces /.../ finge- Aen. 2,80 rent per gradus aetatis venturam Aen. 10,472 senectutis ad metas volvi mergi exuri Aen. 6,748.742.550
nat. 2,14b (283)
torrentia flammarum globis
georg. 1,473; Aen. 3,574; 6,550
nat. 2,14c (283) c/. 2,30
caenosis voraginibus
Aen. 6,296
nat. 2,16 (287)
edunt per uteros fetus
georg. 4,199
nat. 2,17 ? (287)
(tutamen)
Aen. 5,262
nat. 2,24 (287)
Marpesia ut dictum est rupes stabit
Aen. 6,471
nat. 2,30 (285)
caenosis gurgitibus
Aen. 6,296
nat. 2,32 ? (289)
mortis /.../ in faudbus
Aen. 6,273
nat. 2,36 ? (289)
(inremeabilis)
Aen. 5,591; 6,424
nat. 2,40 ? (290)
(tutamen)
Aen. 5,262
nat. 2,53 ? (290)
(Orci fauces)
Aen. 6,273
nat. 2,58 (290)
luna /.../ stellae /.../ obtunsi
georg. 1,395*?.
nat. 2,59 ? (291)
avenae /.../ /o/tum
ecl. 5,37; georg. 1,154
nat. 2,67 (292)
bellat Signum [.../ ex arce
Aen. 8,1
nat. 2,70a ? (293)
(luppiter Stygius)
Aen. 4,638
nat. 2,70b (293)
(ignipotens)
Aen. 12,90
nat. 2,71 (294)
(Picus, Fauni pater atque atms Latini; Saturnis)
Aen. 7,45b—49
nat. 2,78 ? (296)
mortis /.../ in faudbus
Aen. 6,273
nat. 3,1 ? (296)
(fundamen)
georg. 4,261
nat. 3,9a (296)
sufficere prolem
georg. 3,65
nat. 3,9b ? (297)
plena esse diis omnia
ecl. 3,60
nat. 3,13 (298)
Aen. 12,508
nat. 3,21 (298)
sub costis eourmque sub cmtibus virgo Tritonia
Aen. 11,483
nat. 3,29 (299)
(vüisator falcifer)
Aen. 7,179
nat. 2,8 (282)
IV.2.2 Arnobius
403
nat. 3,30 ? (300)
[sc. Inno] soror et coniunx /.../ Iovis
Aen. 1,465?.
nat. 3,31 (301)
virgo [sc. Minerva] inventrix oleae
georg. 1,18s?.
nat. 3,32 (301)
Cyllenius [...]/usus
Aen. 8,139
nat. 3,33 ? (302)
Liber /.../ hilaritatis dator
Aen. 1,734
nat. 4,1 (303)
Romanos, dominos rerum
Aen. 1,282
nat. 4,18 ? (303)
(sedere)
Aen. 4,15 et cd.
nat. 4,21 (304)
supercüii nutu totum motans Aen. 9,106 = 10,115 et tremefaciens caelum quod tutus fuisset a filio, Aen. 8,321—323 nomen Latio inposuisse pro munere obsitus Aen. 7,790; 8,307
nat. 4,24 (307)
nat. 4,26 ? (308) nat. 4,26 (308)
sub pecoris specie hinnitibus evolavisse iactatis (Anchisae nuptiae; Venus Aeneadum mater)
georg. 3,92—94
nat. 4,35 (311)
[sc. Hercules] proles Iovis
Aen. 8,301
nat. 5,5 (312)
lapides [...] in orbem [...] vacuum Deucalion iactavit Berecyntia
georg. 1,62
[sc. Titanos] fulmine [...] in imas Tartari praecipitaverit sedes fundit preces
Aen. 6,5805?.
nat. 4,27 (310)
nat. 5,13 (314) nat. 5,19 ? (315)
nat. 5,21 ? (316)
(Aen. 1,2525??.)
Aen. 6,784; 9,82
Aen. 5,234; 6,44
nat. 5,23a (316)
patrem [...] aeternam rerum atque hominum potestatem
Aen. 10,18
nat. 5,23b (316)
rumigantem pallentis herbas
ecl. 6,54
nat. 5,23c (316)
torquentem [...] sidera
Aen. 9,93
nat. 5,25 ? (319)
(lanitium)
georg. 3,384
nat. 5,31 ? (319)
furta dulcissima
georg. 4,346
nat. 5,34 ? (320)
fixa
atque immota
Aen. 4,15
nat. 6,3 (320)
(evomere)
Aen. 8,620; 10,271
nat. 6,5 ? (321)
(ultima Thyle)
georg. 1,30
IV.2
Stellenregister
nat. 6,7 ? (322)
(fundamen)
georg. 4,261
nat. 6,16a (322)
spirantia Signa
georg. 3,34; Aen. 6,847
nat. 6,16b (322)
(stelio, blatta lucifuga)
georg. 4,234
nat. 6,17.18 (323)
(sedes sidereae)
Aen. 10,3
nat. 6,23 ? (324)
edax ignis
Aen. 2,758
nat. 7,15 (324)
caelumfumo subtexere
Aen. 3,582
nat. 7,16 ? (325)
(lanitium)
georg. 3,304
nat. 7,17 ? (325)
hirundines garrulae
georg. 4,307
nat. 7,19 ? (326)
albas (...] mactari
Aen. 3,118—120
nat. 7,20.24 (327)
(infelicissimae pecudes)
ecl. 3,3
nat. 7,22 (328)
Tritonia virgo
cf. ad 3,21
nat. 7,23 ? (328)
(stimuli irarum)
Aen. 11,452.728
nat. 7,24 (327)
(infelicissimae pecudes)
cf. ad 7,20
nat. 7,26 ? (328)
pium far
Aen. 5,745
nat. 7,28 ? (329)
(masculum thus)
ecl. 8,65
nat. 7,32 (330)
tinnitibus et quassationibus cymbalorum
georg. 4,64
nat. 7,33 (330)
crudis /.../ caestibus
georg. 3,2; Aen. 5,69
nat. 7,39a (330)
(rei cardo)
Aen. 1,672
nat. 7,39b ? (330)
catervatim
georg. 3,556
nat. 7,44 ? (332)
(agmen, volumen)
nat. 7,50 (332)
vim süicis fragmentis ignis mare subiectam venisque in eius abstrusam
georg. 3,423 et o/.; Aen. 2,208 et al. georg. 1,135; Aen. 6,7
nigerrimasque
405
IV.2.3 Cyprian
2.3
Cyprian
Ausgeschiedene Parallelen: Demetr. 1 (383) Demetr. 10 (383) ad Donat. 3 (382) ad Donat. 5 (383) ad Donat. 6 (383)
ad Donat. 11 (383) eleem. 13 (385) epist. 55,9 (382) hab. virg. 2 (384) hab. virg. 14 (384)
laps. 22 (384) laps. 25 (385) unit. eccl. 18 (385) zel. 9 (388)
Zitate: Demetr. 3 (231)
arboreis fetibus
georg. 1,55
Demetr. 5 ? (232)
vanis superstitionibus
Aen. 8,187
Demetr. 20a (232)
herbis siccitate morientibus aestuans campxis arescat
georg. 1,107
Demetr. 20b ? (233)
preces fundimus
Aen. 5,234; 6,55
Demetr. 23 (234)
georg. 1,152—154
ad Donat. la (219)
inter cultas et fertiles segetes lolium et avena dominetur petamus [...] frondea tecta
ad Donat. lb (220)
in me oculos [...] fixus
Aen. 11,507
ad Donat. 2 (220)
nullis ad copiam fecundi cae- ecl. 1,68 spitis culminibus
ad Donat. 3 ? (221)
(aurum, purpurn, fasces, inglorius, cuneus)
georg. 2,4645?.; 4955?.; 486; 508*?.
ad Donat. 4a ? (224)
desuper se lumen infudit
Aen. 4,122
ad Donat. 4b (224)
caelitus spiritu hausto
Aen. 10,899
ad Donat. 10a ? (226)
pace rupta
Aen. 12,202
ad Donat. 10b (226)
forum /.../ insanum
georg. 2,502
ad Donat. 11 (226)
superbas fores matutinus salutator obsedit defossae /.../ bibat /.../ gemma (die laudes agricolarum)
georg. 2,461 sq.
ad Donat. 14 ? (230)
(inrorare)
georg. 1,280; 3,304
epist. 37,2,2 (218)
transmeavit hibernum
Aen. 1,266
Fort. 8 ? (248)
supinaj manus
Aen. 3,1765?.
ad Donat. 12 (228) ad Donat. 135?. ? (229)
georg. 4,615?.
georg. 2,5065?. georg. 2,458—540
406
IV.2 Stellenregister
hab. virg. 1 ? (237)
(nutrimenta, fomes)
Aen. 1,176
lape. 4 (237)
fluctuans vario /.../ aestu
Aen. 4,532; 8,19; 12,486
lape. 8 ? (238)
(haerere)
Aen. 2,774 et <ü.
lape. 16 ? (238)
scopulis /.../ inlidunt
georg. 3,261
laps. 22 ? (239)
cervix /.../ inflexa
Aen. 3,631
mortal. 8 (241)
nubila serena
georg. 1,461^.
mortal. 12a (242)
ventis incumbentibus
Aen. 12,367
mortal. 12b (242)
area fruges terit
georg. 1,298
mortal. 12c (242)
inanes paleae
georg. 3,134
mortal. 19 ? (244)
praescius
Aen. 6,66
patient. 4 (245)
exuberare pomis
georg. 2,516
patient. 18 (246)
tabescentes ac fluentes artus
Aen. 3,6265?.
unit. eccl. 9 (239)
inanes paleae /.../ iactantur
georg. 3,134
unit. eccl. 18 (240)
inposuerunt aUari
Aen. 1,49
unit. eccl. 27 (240)
somno abrupto
georg. 3,530
zel. 8 (247)
furiatae mentis
Aen. 2,407
IV.2.4
2.4
407
Minucius Felix
Minucius Felix
Ausgeschiedene Parallelen: 3.5 (370) 5.9 (371) 8.4 (371) 17,6 (371)
18,11 (371) 19,3 (371) 20,3 (372) 25,3 (372)
25,10 (372) 37,9 (372) 38,2 (373)
Zitate: 1.1 ? (114)
(revocare)
Aen. 7,40
1,1*9. ? (114)
dulcedo (...) pectori (...) sensibus implicata
Aen. 1,660; 7,355
1.5 ? (51)
superstitiosis vanitatibus
Aen. 8,187
2,4 ? (115)
aura adspirans
Aen. 7,8
3,3a ? (116)
positis
3,3b (116)
aequoris limine plantas tingueremus relabens [...] retrahens
3,3c (116) 3?3d (116)
3.4 (117)
flatibus
Aen. 7,27sq. Aen. 7,811 Aen. 10,307
harenas /.../ perfundens /.../ Aen. 11,625—627 nunc (...) nunc (...) resorberet oram (...) litoris (...) legeba- georg. 2,44 mus
3.5 (118)
versis vestigiis
3,6(118)
summis
4,5? (119)
petrarum obicibus
georg. 4,422
5.6 (119)
indulgentes insano (...) labori (...) cupiditate cum tabe pestifera caeli tractus inficitur
Aen. 6,133—135
5.10 (121)
Aen. 10,646 fluctibus
Aen. 1,106
Aen. 3,1375?.
6.2 (121)
imperium suum ultra solis mos
Aen. 6,795*9.
7,3a ? (122)
(anhelus)
georg. 2,135; Aen. 12,790
7,3b ? (122)
(spumans)
Aen. 6,881 et. al.
7,3c ? (122)
(Jumans)
georg. 2,542 et a/.
7,4a (123)
Allia nomen infaustum
Aen. 7,717
IV.2
Stellenregist
7,4b (123)
Parthos signa repetamus
Aen. 7,606
7.5 (125)
templis /.../ numinibus /.../ opulenta
Aen. 1,4465g.
7.6 (125)
pleni et mixti deo vates
Aen. 7,661; 6,12.65; c/. Sen. suas. 3,5—7
9,2 ? (126)
vana superstitio
Aen. 8,187
9,5 (126)
caecis /.../ vulneribus
Aen. 10,732
12,1 (127)
cassa vota
Aen. 12,780
12,6 (127)
caput nectitis
Aen. 5,309
16,3 (128)
viam /.../ ubi /.../ in plures una diffinditur generi et soceri bella
Aen. 6,540
18.6 (130)
Aen. 6,830s?.
19,2a (136)
Quid? Mantuanus Maro Aen. 6,724—729 nonne apertius proximius verius principio ait caelum ac terras et cetera mundi membra Spiritus intus alit et infusa mens agitat, inde hominum pecudumque genus et quicquid aliud animalium?
19,2b (142)
Idem alio loco mentem istam et spiritum deum nominat Haec enim verba sunt: 'deum namque ire per omnes / terrasque tractusque maris caelumque profundum, / unde homines et pecudes, unde imber et ignes.'
georg. 4,220s?. + Aen. 1,743
22,5?(150)
pedibus Mercurius alatis
Aen. 4,259
22.7 (150)
Castores alternis moriuntur
Aen. 6,121
23,6 (151)
Aen. 8,424—428
23,11 (152)
ülic lovis fulmen cum Aeneae armis /.../ fabricatur quod tuto latuisset, vocari maluit Latium, et urbem Saturniam idem /.../ et Ianiculum lanus /.../ reliquerunt
Aen. 8,322s?. 3575?.
25,1 (154)
Romanis dedit /.../ imperium
Aen. 1,279
25,3 (155)
virgxnes /.../ sine more mpuit
Aen. 8,635
IV.2.4
Minucius Felix
26.8 (156)
a caelesti vigore
Aen. 6,730
27,1 (157)
oracula [...] falsis pluribus involuta sanguinem /.../ caedat
Aen. 6,100
32,7sg. ? (159)
omnia /.../ deo /.../plena /.../ infusus [...] miscetur
ecl. 3,60; Aen. 6,724— 727
35.1 (164)
Stygia palude saepixis ambientis ardoris per torrentis ripas et atram voraginem
Aen. 6,550; 6,323.369 et al. Aen. 9,1043?. = 10,113s?.
36.9 (168)
ad extremam mortem
Aen. 2,447; 11,146
39 (168)
intentos vultus tenebamus
Aen. 2,1
30,1 (158)
35.2 (164)
Aen. 11,82
410
2.5
IV.2
Stellenregister
Novatian
Ausgeschiedene Parallelen: cib. lud. 1,4 (378) cib. lud. 2,6 (379) cib. lud. 2,7 (379) cib. lud. 2,12 (379) cib. lud. 3,23 (379) cib. lud. 4,3 (380) cib. lud. 6,6 (380) Cypr. epist. 30,1,1 (375) Cypr. epist. 30,2,2 (376) Cypr. epist. 30,3,3 (376)
Cypr. epist. 30,5,4 Cypr. epist. 30,6,3 Cypr. epist. 30,7,1 Cypr. epist. 30,8,1 Cypr. epist. 36,1,1 Cypr. epist. 36,1,2 Cypr. epist. 36,1,2 pudic. 3,1 (375) pudic. 10,3 (381) pudic. 12,2 (382)
(376) (377) (377) (377) (378) (378) (378)
pudic. 13,4 (382) spect. 10,1 sq. (380) trin. 1,1 (373 trin. 1,9 (373) trin. 1,14 (373) trin. 2,10 (374) trin. 2,12 (374) trin. 8,10 (374) trin. 16,9 (375) trin. 28,30 (375)
Zitate: cib. lud. 2,6 (199)
terrae soloque deiecit
Aen. 10,319
cib. lud. 3,3 (199)
ignium more /.../ sopita
Aen. 5,743 = 8,410
cib. lud. 6,3 (200)
mater deficere
Aen. 6,196s?.
Cypr. epist. 30,2,1 ? (1%) Cypr. epist. 30,7,2 (197)
inlidat in scopulos
georg. 3,261
(Tartarus, caligo)
supplicia,
nox,
Aen. 6,740 et al.
pudic. 10,1 (206)
flammas /.../ in medullis caeca /.../ incendia
Aen. 4,2.66
pudic. 13,2 (207)
ruinae collapsi generis resarciuntur superstitiones vanas
georg. 4,249
spect. 5,1 (202)
cruor /.../ calidus exceptus spumanti patera
Aen. 1,739; 3,66$?. 6,248
spect. 7,2 (203)
clangores tubae /.../ imüatur raucos
Aen. 2,313 et ai\ georg. 4,71s?.
spect. 9,1 (204)
gtobum lunae
Aen. 6,725
spect. 9,2a (204)
(divideret dies, hora, librare)
georg. 1,208*?.
spect. 9,2b (204)
imbres contractis nubibus profundeniem lunae /.../ globum /.../ astrorum spumans unda
georg. 4,311s?.
spect. 2,1 ? (201)
trin. 1,2 (193) trin. 1,7 ? (195)
Aen. 8,187
Aen. 6,725 georg. 4,528s?.
IV.2.6
2.6
411
Tertullian
Tertullian
Ausgeschiedene Parallelen: anim. 20,3 (367) anim. 30,3 (367) anim. 43,10 (368) anim. 49,2 (368) anim. 50,4 (369) apol. 6,8 (362) apol. 10,8 (363) apol. 11,6(364) apol. 14,2 (364) apol. 21,14 (364)
apol. 25,3 (363) apol. 30,1 sq. (364) coron. 12,2 (370) adv. lud. 9,20 (365) adv. Marc. 1,1,3 (366) adv. Marc. 1,4,6(388) adv. Marc. 3,14,7, (366) mart. 1,5 (369) nat. 1,7,20 (362)
nat. 1,10,17 (362) nat. 2,17,3 (363) nat. 2,17,5 (363) orat. 17,2 (369) pall. 1,2 (366) Scap. 1,2 (365) Sacp. 2,1 (365) spect. 23,2 (370) virg. vel. 14,5 (369)
Zitate: anim. 27,8 (67)
limus /.../ sulco et arvo
georg. 3,136
anim. 32,8 ? (68)
hirundines ex garrulis
georg. 4,307
anim. 33,9 (68)
(Dido)
c/. 85sqq.
anim. 43,7 (68)
nox /.../ auferens verum /.../ colorem (Achills Feiung in der Styx)
Aen. 6,272
anim. 53,6 (72)
evocatoris animarum, Mercurii poetarum
Aen. 4,242; 6,749^.
apol. 7,8 (49)
Fama est malum, qua non aliud velocius ullum
Aen. 4,174
apol. 12,6? (51)
(infrendere)
Aen. 3,664 et ai
apol. 14,2 (51)
(Aeneas)
cf. SOsqq.
apol. 24,7? (51)
vanae superstitionis
Aen. 8,187
apol. 25,8 (52)
posthabiia Samo /.../ hie illius arma; / hie currus fuit; hoc regnum dea gentibus esse, / si qua fata sinant, iam tunc tenditque fovetque. /.../ coniunx lovis et soror imperium sine fine
Aen. 1,16—18.46
anim. 50,3 (70)
apol. 25,16 (54)
Aen. 6,57sg.
Aen. 1,279
apol. 26,2 (55)
(silvestris Roma, Capitolium)
Aen. 8,3475g.
apol. 40,4 (56)
vis undarum Lucaniam abscisam in Siciliae nomen relegavit
Aen. 3,417sg.
412
IV.2
Stellenregister
apol. 50,5 (57)
Carthaginis conditrix
cf 85544.
apol. 50,7 (57)
de laude pepigerunt
Aen. 5,230
castit. 13,3 (78)
(Dido)
cf. &5sqq.
coron. 1,2 ? (76)
(infrendere)
Aen. 3,664 et al.
füg. 10,1 (77)
usque adeone mori miserum est? triginta Aeonum fetus, tarnquam Aeneiae scrofae
Aen. 12,646
adv. Marc. 1,5,1 (64)
Aen. 3,391 = 8,44
adv. Marc. 2,5,1 ? (66)
(praescius)
Aen. 6,66
mart. 4,5 (85)
(Dido)
cf. 85 sqq.
mart. 4,9 (73)
tantum [...] licet de
Aen. 6,502
monog. 17,2 (78)
regina Carthaginis
cf. Sbsqq.
nat. 1,7,1 (41)
tantum de /.../ licuit
Aen. 6,502
nat. 1,7,2 (41)
Aen. 4,174
nat. 1,18,3 (44)
Fama malum, quo non aliud velocius ullum (Dido)
nat. 2,9,12—18 (80)
(Aeneas)
cf SOsqq.
nat. 2,13,14 (44)
nxäli subigebant arva coloni; ipsaque omnia tellus nullo poscente ferebat
georg. 1,125—128
nat. 2,13,20 (46)
Vergilii aequus Iuppiter
Aen. 6,12959.
nat. 2,17,6 (47)
luno urbem suam posthabita Samo düectam /.../ hie llius arma; / hie currus fuit; hoc regnum dea gentibus esse, / si qua fata sinant, tarn tunc tenditque fovetque.
Aen. 1,16—18
pall. 1,3a (58)
studiis asperrima belli
Aen. 1,14
pall. 2,3 (60)
(latus, mediotenus, Sicilia)
Aen. 3,417sq.
pall. 2,7 ? (61)
Alcinioi pometum
georg. 2,87
pall. 4,6 (61)
Aen. 6,485^.
pall. 4,10 ? (62)
pectus /.../ anhelum /.../ tument vanissimis superstitionibus
Aen. 8,187
praescr. 39,3sg. (78)
(Vergüius)
cf 78sq.
cf. Sbsqq.
413
IV.2.6 Tertullian spect. 9,3 (74)
Primus Erichthonius currus et quattuor ausus / iungere equos rapidusque rotis insistere victor.
georg. 3,1135g.
uxor. 2,6,1 (76)
nidore turis agitabitur
georg. 3,414*9.
adv. Val. 1,4 ? (62)
ambiguitates bilingues
Aen. 1,661
adv. Val. 10,2 (63)
causa mali tanti
Aen. 6,93= 11,480
3
Literaturverzeichnis
3.1
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ZEEGBRS-VANDER VORST,