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Und wieder sprach Gun Madleys Colt Western von U. H. Wilken Ein Stöhnen ging durch die Stadt – der Tod war gekommen! »Sheriff!« Keuchend erreichte der Mann das Office und stürzte hinein. »Heyes ist in der Stadt! Er sitzt drüben im Saloon und wartet auf Sie! Wenn Sie ‘rübergehen, dann wird er Sie abknallen! Das hat er gerade eben erst gesagt – und ich wette, daß er es tun wird, Sheriff!« »Er wird es versuchen ...« Langsam richtete Gordon Smith sich hinter dem Schreibtisch auf und langte nach dem Stetson, rückte den Waffengurt zurecht und nickte dem Mann zu. »Geh jetzt.« Smith war wieder allein. Reglos verharrte er in seinem Office und preßte die Lippen zusammen. Nicht Angst trieb ihm den Schweiß auf die Stirn; es war drückend warm, ein Wettersturz lag in der Luft. Er blickte zum Saloon hinüber, vor dem ein fremdes abgetriebenes Sattelpferd stand. »Heyes«, murmelte er, »der Mankiller ...« Er straffte die Schultern und verließ das Office, trat in den glühenden Sonnenschein hinaus und überquerte langsam die Straße. Jeder Schritt brachte die Entscheidung näher und konnte sein Leben verkürzen. Starr haftete sein Blick an der Front des Saloons. Viele schwere Gedanken bewegten ihn in
diesen Sekunden. Es gab immer wieder schießwütige Kerle, die es auf Sheriffs abgesehen hatten. Er konnte sich nicht drücken! Schon betrat er den Gehsteig, und die Planken knarrten unter seinem Gewicht. Langsam drückte er die Türflügel auseinander und schob sich in den Saloon hinein, wich von der Tür weg und verengte die Augen. Im Saloon war nur ein einziger Gast. Heyes! Der rothaarige Mann lehnte lässig am Tresen. Mit zitternder Hand füllte der Keeper gerade das Glas. Die Türflügel schwangen auf und zu. Lässig drehte Heyes sich halb um. »Tag, Sheriff«, dehnte er. »Ein schöner Tag zum Sterben, wie?« »Wir müssen alle einmal sterben, Heyes«, erwiderte Gordon Smith frostig. »Der Tod fragt nicht nach guten oder nach schlechten Tagen.« »Schöne Worte sind das, Sheriff. Yeah, ich habe auf dich gewartet. Natürlich wirst du mich aus der Stadt werfen wollen – aber nur über meine Leiche, Smith. Ich warte ...« Smith spürte, wie seine Hände feucht wurden und wie der Schweiß über das Gesicht rann. »Blinky, bring mir einen Whisky.« Der Keeper kam mit Glas und Flasche hinter dem Tresen hervor und bewegte sich steif um die Tische. Am Tisch neben der Tür setzte er das Glas ab und füllte es. Whisky tropfte auf die Tischplatte. Sofort wich Blinky wieder in den Schutz des Tresens zurück. »Natürlich werden Sie die Stadt verlassen, Heyes«, versetzte Smith düster. »Tot oder lebendig ...« Er griff zum Glas, trank und ließ Heyes nicht aus den Augen. »Nehmen Sie Ihren Gaul und verschwinden Sie. Hier wird nicht gekillt. Ich hab’ gehört, daß Sie schon zwei Sheriffs erschossen hätten, Heyes. Alles im ehrlichen Duell?« »Stimmt, Sheriff.«
»Planstellenschießen, wie? Allerdings nicht hier! Sie wollen berühmt werden. Nun soll es auch überall heißen, daß Sie der Mann sind, der Sheriff Gordon Smith erschossen hat.« »Sie haben was dagegen, Sheriff?« Heyes grinste bösartig. »Ich bezahl’ auch die Beerdigung ...« »Was für ein Trost für mich!« Smith stellte das Glas zurück und ließ die Hand wieder dicht neben dem Colt hängen. »Gehen Sie jetzt, Heyes! Seien Sie vernünftig! Es hat keinen Sinn, auf Menschen zu schießen, um Ihren Ruhm an sich zu reißen.« »Du bist schon alt, Smith, aber noch berühmt«, höhnte Heyes. »Es wäre besser für dich gewesen, wenn du den verdammten Blechstern vor ein paar Monaten schon abgegeben hättest!« Smith atmete schwer. Im Saloon waberte die Luft vor Hitze. Whisky tropfte vom Tisch. Aus Heyes’ Zigarillo stieg der Rauch spiralförmig empor. Das Grinsen des Revolverschwingers verriet die höllische Absicht, ein Menschenleben auszulöschen. Geduckt stand der Keeper hinter der Theke, Draußen auf der Straße war es totenstill. Kein Einwohner wagte sich in die Nähe des Saloons. Das Leben in der Stadt war erstarrt. Alle horchten – und dann hörten sie zwei Schüsse. Der Knall stieß aus dem Saloon und gegen die Häuserfronten, flatterte über die Dächer hinweg und erstarb ... Pulverrauch wallte aus dem Saloon. Noch immer tropfte der Whisky, noch immer qualmte Heyes’ Zigarillo. Sporen klirrten, Hände drückten die Türflügel auf – und Heyes trat ins Freie, rauchte und blickte mit glühenden Augen bösartig umher. Er stand wohl eine ganze Minute lang auf dem Gehsteig, dann verschwand er im Saloon – und der Keeper zog wenig später den leblosen Körper des Sheriffs Gordon Smith auf den Plankenweg, ließ ihn los und hastete davon, wie von Peitschenhieben getroffen ... Endlich standen die Türflügel still.
Heyes’ Pferd stampfte vor dem Saloon und soff das warme Wasser aus der Tränke. Schlaff lag Gordon Smith vor dem Saloon im Schatten des Vordaches, in Erfüllung seiner Pflicht erschossen … *** Auf den kahlen Bäumen im öden Land hockten die Aasgeier. Die wirbelnden Hufe eines dahinhetzenden Pferdes stießen den Staub empor ... Trübe brannte das Licht in der Hütte. Im flackernden Schein lag eine Frau auf dem Bett. Ihr Lächeln war verwischt, ihre Augen hatten den Glanz verloren. Neben dem Bett stand ein breitschultriger Mann. Er hatte seine dickbauchige Tasche geöffnet und verschiedene Flaschen auf den Tisch gestellt. Mit einem feuchten Tuch versuchte er, die Stirn der Frau zu kühlen. Am Kopfende des Bettes krümmte sich ein junger blonder Mann und krampfte die Hände um die Bettstange. Mit fiebrig flackernden Augen sah er auf das blasse Gesicht der Frau. »Mam!« stöhnte er und sank auf die Knie. »Mam ...!« Die Frau drehte langsam den Kopf und sah ihren Sohn leer an. »Es ist Gottes Wille, mein ... Junge«, hauchte sie. »Nicht ... weinen, ich bleib’ ja bei dir.« Draußen trommelten die Hufe eines Pferdes. Der große, sehnige Mann am Fußende des Bettes horchte. Die Falten im wettergegerbten Gesicht vertieften sich, und in den grauen Augen verdunkelten sich die Pupillen. Er warf dem breitschultrigen Arzt einen schnellen Blick zu und wandte sich ab, verließ den Raum und trat auf den staubigen Hof hinaus. Dicht vor ihm riß der Mann das Pferd zurück, rang nach Atem und stieß mit heiserer Stimme hervor: »Heyes ist in der Stadt! Er will Sheriff Smith umlegen! Ich war beim Sheriff, ich
hab’ ihn gewarnt, aber er wollte nicht auf mich hören! Vielleicht ist jetzt schon alles zu spät, Madley!« Gun Madley starrte über den Hof und in die Ferne, wo die Stadt lag. Grau und trist lagen die tiefen Schatten der Dämmerung auf dem öden Land. In der Ferne grollte es dumpf; ein Unwetter zog herauf. Bizarr erhoben sich die Felsen vor dem westlichen Horizont ab, und verkrüppelte Bäume ragten in den Abendhimmel empor. Staub hüllte ihn und den Reiter ein. »Hast du meinen Sohn Dave gesehen?« »Nein, Madley. In der Stadt war er nicht. Du mußt dich beeilen, wenn du Smith noch helfen willst! Er ist doch dein Freund!« »Yeah.« Unruhig zuckte es im harten Gesicht. »Reite zurück. Ich werde gleich kommen.« »Aber mach schnell, Madley, sonst ...« »Ja, ich weiß schon!« fuhr Gun Madley grimmig dazwischen. »Hau ab! Und wenn du meinen Sohn Dave siehst, dann sag ihm, daß er sofort zu seiner Mutter kommen soll!« »In Ordnung, Madley! Bis gleich also!« Der Mann riß das Pferd herum und ritt von der kleinen Ranch, vorbei am Korral und zurück nach der Stadt. Langsam ging Gun Madley in das Haus zurück. Noch immer kniete sein Sohn Billy am Bett der Mutter, und Doc Miller stand daneben. Beide sahen ihn fragend an. Er verharrte wieder am Fußende des Bettes und sah in das blasse Gesicht seiner Frau. »Donna«, sprach er ernst, »Gordon Smith ist in tödlicher Gefahr. Du weißt, daß er mein Freund ist ...« Die Frau blickte ihn mit verschwommenen Augen an. Zitternd griff sie nach den Händen des blondes Sohnes. »Ich habe dich nie zurückgehalten, Gun«, flüsterte sie mit klangloser Stimme, »aber ich ... habe dich immer gebeten, endlich ... die Colts wegzulegen ...« »Es ist das letztemal, Donna. Ich bin bald zurück.«
Doc Miller richtete sich auf, nahm Gun Madley am Arm und ging mit ihm in den Wohnraum. »Reiten Sie nicht, Gun«, raunte er. »Es sieht schlimm aus um Ihre Frau. Ich weiß nicht, wie lange sie noch am Leben sein wird.« Tiefer Ernst lag auf Gun Madleys Gesicht. »Ich bin in kurzer Zeit zurück, Doc. Bleiben Sie bei meiner Frau. Ich kann ihr doch nicht helfen.« »Ein Mann muß bei seiner Frau sein in ihrer schwersten Stunde, Gun. Ich kann Ihnen die Entscheidung nicht abnehmen. Ich kann Ihnen nur sagen, Gun, daß Ihre Frau morgen vielleicht schon tot sein kann! Es ist eine sehr schwere Krankheit, gegen die ich machtlos bin. Gun – ich bin nicht Gott!« »Doc!« Madleys Stimme zerriß fast. »Ich bin in der Nacht noch zurück. Ich kann Gordon Smith nicht allein lassen. Mein Gott, ich weiß nicht, was ich tun soll ...!« Er griff zum Waffengurt, legte ihn an und rannte hinaus. Die Tür schlug. »Ich weiß es auch nicht«, flüsterte Doc Miller, kehrte ans Bett zurück und zwang sich zu weichem Lächeln. »Er wird bald zurückkommen, Mrs. Madley – und vielleicht bringt er Dave mit.« Sie hatte die Augen geschlossen. Der Schatten des Todes lag auf dem Gesicht. »Nein, Doc«, stöhnte sie, und Tränen kamen aus den geschlossenen Augen. »Nein ...« »Mutter!« schrie Billy erstickt auf. »Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben! Du bist immer ein guter Mensch gewesen! Es gibt doch einen Gott!« Sie hielt seine Hände mit letzter Kraft. »Es ist gut, dich ... zu haben, mein Junge«, flüsterte sie langsam. »Wo bleibt nur Dave? Er ist doch auch mein Junge!«
*** Der Regen prasselte auf die Dächer. Grelle Blitze fuhren über den Himmel, und das fahle Licht flammte durch das verhangene Fenster in den kleinen Raum hinein, erhellte Tisch, Stuhl und Bett und die beiden jungen Menschen, die sich umschlangen und liebten. »Ich könnte dich beißen vor Liebe!« hauchte Guadalupe und fuhr mit gespreizten Fingern durch sein pechschwarzes Haar. »Ich bin richtig wild auf dich, Amigo!« »Dann friß mich auf, Amiga!« stöhnte Dave Madley und riß die Mexikanerin an sich. »Ich will dich haben! Du machst mich verrückt!« Lachend wälzten sie sich auf dem Bett. Ihre Fingernägel krallten sich in seinen bloßen Rücken, doch der Schmerz machte ihm nichts aus. Er gab sich ihr hin. Atemlos lagen sie unter der Decke. Er hatte alles andere vergessen, und wieder langte er nach der Flasche Whisky, trank und reichte sie der Mexikanerin. Draußen brüllte das Unwetter. Der Regen schlug gegen das Fenster. Im Haus knackte es, eine Tür fiel zu, eine Mexikanerin lachte, und ein Mann stieß ein brüllendes Gelächter aus. »Ich muß jetzt weg!« flüsterte Dave Madley plötzlich. »Alle werden schon auf mich warten!« Er wollte das Bett verlassen, doch die Mexikanerin hielt ihn fest und kicherte. Er spürte ihren Körper und ihre Zähne, die sich in sein Ohr gruben, ihre Hände und die Wärme ihres Leibes. »Aber ich muß weg, Guadalupe!« »Das hat doch Zeit, Amigo! Du kannst mich doch nicht einfach allein lassen! Ich liebe dich, Dave! Und denk an das Unwetter! Du wirst naß bis auf die Haut. Bleib noch, bis das
Unwetter vorbei ist! Oder hast du mich nicht mehr gern, Amigo?« »Doch, ja – aber es geht nicht! Verdammt, was ist bloß mit mir los? Du hast mich verrückt gemacht, Guadalupe! Ich komm’ morgen wieder, Amiga.« Er glitt vom Bett und kleidete sich an. Die Mexikanerin richtete sich halb auf. Die sonnengebräunten Schultern schimmerten weich. »Es wird kein Morgen geben«, sagte sie traurig, »ich weiß es. Du wirst dir eine andere suchen, Dave, und mich vergessen.« »Nein, Guadalupe!« »Dann bleib bei mir, Carino.« »O verdammt, das geht nicht! Ich muß zur Ranch zurück! Wo hab’ ich bloß meine Gedanken gelassen?« »Dreimal verfluchter Kerl!« fauchte sie und sprang vom Bett, fiel ihn an und schlug auf ihn ein. »Du hast mich betrogen, mir das alles nur vorgemacht! Du liebst mich nicht, du stinkender widerlicher und hundsgemeiner Cowboy!« »Schluß jetzt!« fauchte er zurück und stieß sie von sich. »Du bist ja verrückt! Leg dich schlafen! Morgen ist ein anderer Tag!« Ihr kamen die Tränen der Wut. Sie packte das Kissen und warf es ihm ins Gesicht. Und sie wollte ihm derbe Worte sagen, als es draußen hell aufblitzte und bersternder Donner die Fensterscheibe klirren ließ. Eine harte, metallisch klingende Stimme folgte dem Gewitterschlag ... »Heyes ...!« Dave Madley schien zu erstarren. Er stierte zum Fenster und krümmte sich. »Was war das?« flüsterte die Mexikanerin. Der junge Madley gebot ihr mit heftiger Handbewegung zu schweigen. Das gebräunte Gesicht war schweißnaß und eingefroren. Wie gebannt blickte er zum Fenster.
Und wieder rief diese harte Stimme durch das Prasseln des Regens: »Heyes ...!« *** Im strömenden Regen stand Gun Madley auf der Straße. Er sah das Sattelpferd am Straßenrand und die Lichtbahn, die aus dem Saloon fiel – und er hatte den leblosen Körper des Sheriffs auf dem Gehsteig erkannt … An der Theke stand Heyes. Zu seinen verstaubten Stiefeln lagen die Stummel der Zigarillos. Das rote Haar leuchtete wie Feuer im Licht. Scharf gruben sich die Zähne in das Zigarillo hinein und bissen es durch. Fauchend spie er den Stummel aus, drückte sich von der Theke ab und zog beide Colts aus den Halftern hervor. »Ich warte, Heyes!« Der Revolverschwinger schüttelte schwach den Kopf. »Der Kerl muß verrückt sein!« krächzte er. »Wer, zum Teufel, steht da draußen?« In diesen Sekunden hörte er das durchdringende Klirren von stählernen Radsporen. Stiefel wühlten sich durch den aufgeweichten Boden. Jetzt knarrten die Planken. Der Wind bewegte die Türflügel. Ein Regenschauer wurde von einer Windbö hereingetrieben. »Wer ist da?« schrie Heyes wütend. Reglos stand Gun Madley auf dem Bretterweg. Vor ihm waren die erleuchteten Fenster, lag Sheriff Gordon Smith an der Hauswand, fiel die Lichtbahn heraus. Sein Gesicht war naß und wie aus Stein. Beide Colt Revolver steckten noch in den Halftern. Wieder klirrten seine Sporen ... Heyes blickte umher. Schüsse krachten, und das Licht erlosch. Vorsichtig näherte er sich der Tür und stierte hinaus. Dunkel lag die nächtliche Straße vor ihm. Er konnte Madley nirgendwo sehen. Kein Licht fiel aus den Häusern. Die Tür des
Sheriff’s Office schwang im Wind hin und her. Irgendwo in der Stadt kläffte ein Hund sich heiser. Blitze zerrissen die Schwärze der Nacht und erhellten die Straße. Eine Fußspur führte über die Straße. In den Abdrücken der Stiefel hatte sich das Regenwasser gesammelt. Die Spur führte zum Saloon ... »Komm heraus, Heyes!« tönte es kalt durch den Regen. »Ich will dich in die Hölle jagen, Heyes!« »Versuch’s!« schrie Heyes voller Haß auf den Unbekannten. »Mich schaffst du nicht!« Hart lehnte Gun Madley sich an die Wand. Sein Blick streifte wieder den Sheriff. Er dachte an seine Frau, die ihn brauchte, und er wollte seine Frau nicht verlieren ... Langsam wich er zurück, erreichte die Hausecke und glitt am Haus entlang. Sein Weg führte ums Haus und zur Hintertür. Lautlos öffnete er sie und verschwand im Haus. Hier kannte er alle Räumlichkeiten – und er kam unbemerkt an die Tür, die nur angelehnt war. Vorsichtig drückte er sie auf und blickte in den Saloon hinein. Heyes war nicht zu erkennen. Er mußte irgendwo im Saloon lauern. Es war dunkel, und Madley wartete auf den nächsten Blitz am dunklen Himmel. Ohne Hast zog er die Colts hervor, glitt hinter die Theke und langsam daran entlang. Fern grollte es. Draußen wieherte kläglich das Pferd des Revolverschwingers. Jetzt hatte Gun Madley das Kopfende der Theke erreicht. Hager und entschlossen verharrte er. Im Saloon knarrte es dumpf. Heyes bewegte sich durch den Raum. Plötzlich flammte es auf, und das fahle Licht geisterte durch den Saloon. Nur für Bruchteile einer Sekunde war Heyes zu erkennen – und schon peitschte ein Schuß vom Tresen herüber. Vom Streifschuß getroffen, schrie Heyes auf und stürzte zur Tür hinaus, hastete über den Gehsteig und sprang auf die Straße ...
Geduckt rannte Madley zur Tür. Gerade riß Heyes sich in den Sattel und wollte das Pferd antreiben. »Heyes!« Die Stimme ließ Heyes die Colts hochreißen, er wollte auf die schemenhaft verschwommene Gestalt vor dem Saloon schießen – doch Gun Madley feuerte bereits. Kugeln schüttelten den Revolverschwinger und stießen ihn aus dem Sattel. Klatschend stürzte er auf die nasse Straße, versuchte noch im Sterben, die Waffen anzuheben – und wieder blitzte es unter dem Vordach des Saloons auf ... Leblos lag Heyes im Dreck – und dorthin gehörte er auch. Mit den nassen Colts in den sehnigen Händen, stapfte Gun Madley über den Plankenweg und starrte auf den Toten. Er sagte kein Wort der Genugtuung oder gar des Hasses, wandte sich ab und beugte sich über Sheriff Smith. »Zu spät, Gordon ...« Steif richtete er sich auf und ging zu seinem Pferd, saß auf und ritt dicht am Straßenrand entlang. Da trat ein junger, schlanker Mann aus dem Haus der käuflichen Liebe hervor. »Dad!« krächzte Dave Madley. »Ich wußte nicht, daß du es warst! Ich komm’ mit dir, Dad!« Gun Madley antwortete nicht, blickte den fast erwachsenen Sohn nur sekundenlang düster an – und ritt an ihm vorbei und jagte in die Nacht hinaus. »Dad!« schrie der Sohn. »Warte doch auf mich!« Regen schlug in Gun Madleys Gesicht. Tief gebeugt saß er auf seinem Pferd. Felsen erhoben sich aus dem Dunkel, und kein Totenvogel saß mehr auf den kahlen Bäumen. Weitab grollte es dumpf, und langsam ließ der Regen etwas nach. Als er sein Haus erreichte, stand der Buggy des Arztes noch neben dem Stall. Im Korral hob sich die kleine Herde als dunkle Masse ab. Trübes Licht sickerte aus dem Haus. Er trieb sein Pferd in den Stall und rannte zum Haus, riß die Tür auf und starrte Doc Miller fragend an. Miller stand im
Wohnraum und schloß gerade seine Arzttasche. Er war sehr ernst und schüttelte den Kopf. »Nein, Gun ...« Es war, als hätte Gun Madley einen Schlag ins Gesicht bekommen. Gun Madley schwankte etwas und zerrte den nassen Stetson vom Kopf. Mit flachen Schritten durchquerte er den Wohnraum und hörte das Schluchzen seines Sohnes Billy im Schlafzimmer. Dicht vor der Tür drehte er sich um und blickte Miller leer an. »Ich will nicht mehr, Doc ...« »Ich glaube, es ist zu spät dazu, Gun«, antwortete Miller leise, nahm die Tasche und verließ das Haus. Gun Madley hörte ihn davonfahren. Seine Schritte waren schwer und erdhaft, als er den Schlafraum betrat. Leblos lag seine Frau im Bett, und Billy kniete daneben und weinte. Erschüttert zog Gun Madley einen Hocker heran und ließ sich darauf nieder. Das Gesicht war wie eine öde Landschaft. Der Regen rann noch hinab. In den Augen erlosch die letzte Hoffnung. »Sie ist tot!« stöhnte Billy. »Dad, sie hat noch leben wollen! Bis zu deiner Rückkehr. Dad ...« Gun Madley konnte nicht sprechen; eine würgende Hand umschloß den Hals. Erinnerungen wurden wach – Tage und Jahre des Glücks, Stunden schlimmster Höllen, schlaflose Nächte, in denen er über sein Leben nachgegrübelt hatte. Und immer wieder hörte er die Worte seiner Frau, die ihn angefleht hatte, die Colts für immer wegzulegen. Diese Colts hatten ihm den Ruhm eines großen Revolvermannes gebracht. Was ihm in dieser Nacht blieb, war nichts als gähnende Leere. »Du bist nicht bei ihr gewesen, Dad!« Langsam stand Madley auf und ging um das Bett, legte die Hand auf den Rücken seines Sohnes und gab ihm das Gefühl, nicht allein zu sein.
Draußen wieherte ein Pferd. Schritte hasteten ins Haus, und dann stand der schwarzhaarige Dave in der Tür und stierte auf die leblose Mutter. »Das hab’ ich nicht gewollt«, flüsterte er. »Mam hat auf dich gewartet, Dave!« stöhnte Billy verzweifelt. »Wo bist du nur gewesen?« »Bei einem Mädchen«, sagte Gun Madley düster. »Er hat das Flittchen seiner Mutter vorgezogen.« »Und du, Dad?« fragte der Sohn mit zerrissener Stimme. »Bist du bei Mam gewesen? Du hast einen Halunken erschossen, das war dir wichtiger.« »Sprich nur weiter.« Gun Madley trat ans Fenster heran, zog die Gardine etwas auf und blickte in die Nacht. »Ich wollte Gordon Smith helfen. Er war mein Freund. Ich mußte mich entscheiden, und ich hatte gehofft, rechtzeitig zurück zu sein. Aber du, Dave!« In Daves Gesicht zuckte es. Er schritt zum Bett und sackte in die Knie. Lange blickte er auf seine Mutter. Seltsame Worte kamen über seine Lippen. »Schluß«, unterbrach Madley seinen Sohn rauh. »Wir werden morgen Mam begraben, die Ranch verkaufen und weiterziehen. In einem anderen Land werden wir von vorn beginnen – und ich will verflucht sein, wenn ich die Colts jemals wieder in die Hand nehme!« *** Auf ihrem alten, knarrenden Planwagen kamen sie nach Tucson. Der Wagen, das Wasserfaß und die Pferde waren noch naß vom Durchqueren des Flusses, als sie in den Talkessel kamen und die ersten Adobehäuser dieser alten Stadt erreichten. Gun Madley lenkte die Wagenpferde. Seine Söhne ritten nebenher. Sein Sattelpferd war mit dem Zügel am Wagen
festgebunden. Er dirigierte die Pferde auf den Hof des Mietstalls und kletterte ächzend vom Wagen. »Ich brauche Platz für die Pferde«, sagte er zum Mietstallbesitzer. »Sucht ihr Land? Im Norden ist noch Platz für verwegene und tapfere Männer, aber jeder, der dorthin zieht, wird im Schatten von Big Logan leben.« »Ich werde darüber nachdenken«, nickte Gun Madley und spannte die Pferde aus. Der Stallbesitzer warf einen Blick auf die Söhne und betrachtete dann wieder Madley. Der Revolvermann trug keine Colts. »Ohne Kanonen wird es hier nicht gehen, Mister – besonders dann nicht, wenn Sie der Nachbar von Big Logan werden wollen. Vergessen Sie auch nicht die Indsmen.« Madley sah auf. »Es muß ohne Colts gehen.« »Auch Ihre Begleiter tragen keine Colts. Das ist verdammt ungewöhnlich in diesem Land, Mister.« »Es sind meine Söhne.« Madley zog die Pferde zum Stall. »Wo kann man hier gut essen?« »Bei Edda, ein paar Häuser weiter.« Madley nickte und schritt mit seinen Söhnen zur Straße. Sie folgten dem Gehsteig und erreichten das Etablissement, gingen hinein und setzten sich an einen der freien Tische. Eine gewichtige Frau kam aus der Küche, nahm die Bestellung auf und lächelte. »Es wird euch schmecken, Jungs. Edda ist bekannt für gute Steaks – und ich bin Edda.« »Fein, Ma’am, dann immer her damit«, lächelte Madley flüchtig, lehnte sich zurück und blickte seine Söhne an. »Ihr bleibt zunächst in der Stadt; ich werde mir das Land im Norden erst einmal ansehen. Es wird bald dunkel. Wir übernachten im Mietstall. Morgen früh reite ich los.«
Dave nickte. Immer wieder glitten seine Hände über die Oberschenkel, wo die Colthalfter gesessen hatten. »Allein – ist das nicht zu gefährlich, Dad?« »Ich nehme die Winchester mit. Kein Wort zu den Leuten hier, wer wir sind und wer ich gewesen bin, verstanden? Ich will keinen schießwütigen Idioten auf meiner Spur haben. Wir beginnen ganz neu.« Billy blickte zum Fenster hinaus. In Gedanken war er noch immer am Grab seiner Mutter. Er konnte den Morgen ihrer Beerdigung nicht vergessen. Ihm fehlte die Liebe der Mutter. Sie aßen die Steaks, und Madley zahlte und verließ mit seinen Söhnen das Etablissement. Sie mieden die vielen Saloons und suchten den Mietstall auf. Der Besitzer wies ihnen die Schlafplätze zu, und als die Sonne untergegangen war, lagen die Madleys in ihre Decken gerollt im Stall und schliefen. Der Knall mehrerer Schüsse riß sie aus dem Schlaf. Unwillkürlich griff Gun Madley zur Hüfte. Nur langsam nahm er die Rechte zurück und erhob sich. Gefolgt von den Söhnen, erreichte er die Straße und erblickte mehrere angetrunkene Cowboys, die auf der Straße vor den Saloons umherschossen und dabei wie Irre lachten. »Das ist nichts für uns«, sagte er grimmig. »Kommt, wir schlafen weiter ...« *** Der Morgenwind strich über das weite Land und ließ Gun Madleys Halstuch flattern. Bewaffnet mit einer Winchester, ritt er auf dem staubigen Weg nach Norden. Er war schon lange unterwegs. Die Landschaft gefiel ihm nicht; hier konnte er keine Ranch aufbauen.
Als er in die Nähe des Flusses kam, veränderte sich das Gesicht der Landschaft. Er ritt in eine Niederung und lenkte das Pferd an das Wasser heran, saß ab und ließ es saufen. Nachdenklich starrte er auf das in der Sonne funkelnde Wasser. Jäh wurde die lastende Stille scheinbaren Friedens um ihn herum von Schüssen zerrissen. Er richtete sich auf und horchte angestrengt. Gebrüll drang zu ihm herüber. Irgendwo wieherten Pferde – und immer wieder peitschten Schüsse auf. Er wollte sich aus allem heraushalten, und doch stieg er in den Sattel, durchquerte das seichte Wasser auf dem steinigen Flußbett und trieb das Pferd den sanften Uferrücken empor. Unter schattigen Bäumen verhielt er und blickte in das Flußtal hinaus. Mitten im Tal stand eine flachgedeckte Ranch. Unter Bäumen hetzten bewaffnete Männer umher und schossen zum westlichen Talhang hinauf, wo Wolken und Pulverrauch emporwallten. Kugeln jaulten bösartig durch das Tal, wo sich eine Herde drängte. Die Rinder brüllten und bewegten sich im Kreis. Eine Frau stürzte mit einem Gewehr aus dem Haus, lief geduckt in die Deckung des Stalles und feuerte zum Talhang empor. »Gebt es ihnen, Jungs!« schrie sie voller Zorn. »Jagt ihnen das Blei in den Hintern!« Madley hörte die Stimme nur schwach. Die Schüsse übertönten fast die Worte der Frau. Dann sah er, wie mehrere Reiter hinter den Bäumen und Strauchgruppen am Talhang hervorkamen und in wildem Galopp verschwanden. Der Staub zeichnete ihren Weg nach ... Stille trat ein. Verhallt war das Echo der Schüsse, und drei Männer blieben neben der Frau stehen und senkten die Gewehre. Langsam ritt Madley unter den Bäumen hervor. Der Hufschlag seines Pferdes ließ die Männer herumschnellen, und drei Gewehre richteten sich drohend auf ihn.
Dennoch ritt er weiter, kam durch die Niederung und hielt genau auf die Ranch zu. Ein Schuß krachte, und die Kugel streifte seinen Stetson. Da verhielt er. Die sehnigen Hände ruhten auf dem Sattelhorn. Sandfarben und strähnig hing das Haar unter dem Stetson hervor. Die grauen Augen verengten sich, beobachteten kalt. Es gab in diesem Land ein Gesetz: Niemand durfte auf einen Mann schießen, der mit offenen Händen kam – es sei denn, er war vogelfrei und wurde steckbrieflich gesucht, tot oder lebendig ... Aber es gab auch noch ein ungeschriebenes Gesetz: Wer den Grund und Boden eines anderen betrat, mußte damit rechnen, erschossen zu werden ... Die Frau im langen, weiten Kleid, das im Wind viele Falten warf, hielt das Gewehr noch immer zu Boden gerichtet. Sie bewegte sich schwach und sagte irgend etwas zu den Männern. Daraufhin ließen sie die Gewehre etwas sinken. Madley ritt an und näherte sich der kleinen Ranch. Das Gesicht war von einer Staubschicht bedeckt, in die der Schweiß Furchen gezogen hatte. Er kam den Menschen immer näher, und obwohl sie noch immer eine feindselige Haltung zeigten, war er sich sicher, daß sie nicht auf ihn schießen würden. An diesem Tag traf Gun Madley die Vergangenheit, die er totgeglaubt hatte. An diesem heißen Tag unter dem blaßblauen Himmel von Arizona leitete ihn das Schicksal. Es konnte kein Zufall sein! Denn das Land war so weit ... Die blonde Frau machte auf einmal drei Schritte nach vorn, Madley entgegen. Der Wind preßte das Kleid an ihren Körper. Die Sonne ließ das Haar leuchten. Um ihren Mund zuckte es. Sie drehte sich halb um und sagte ein paar Worte. Daraufhin zogen sich die drei Männer in den Schlagschatten des Stalles zurück – und die Frau ging weiter, Gun Madley entgegen. Der Saum ihres Kleides wischte über den heißen, staubigen Boden
hinweg. Plötzlich blieb sie stehen und sah mit blauen Augen in das harte Gesicht des Mannes. »Nein, du bist es nicht«, flüsterte sie. »Du kannst es nicht sein. Wie heißt du, Fremder?« Gun Madley verhielt vor ihr, nach vorn gebeugt. Er betrachtete das Gesicht der Frau, die ihm in den rauchigen Saloons von Phoenix begegnet war. »Ich bin für dich kein Fremder, Angie Malone«, murmelte er mit brüchiger Stimme. »Ich erkenne dich wieder. Eine Frau wie dich vergißt man nicht.« Sie strich das Haar aus dem Gesicht und schluckte, sah schnell zum Stall zurück und dann Madley wieder an. »Der große Revolvermann Gun Madley«, sagte sie leise. »Der Mann, der sich mit seinen Colts schlafen legte und ein Mädchen von damals einmal liebte. Und dieses Mädchen hatte immer auf ihn gewartet, aber er war schon verheiratet.« »Es ist viele Jahre her, Angie ...« »Ja, viele Jahre«, seufzte sie, »und jetzt taucht dieser verdammte Kerl wieder auf, als hätte es ihn all die Jahre nicht gegeben!« »Angie, meine Frau ist tot. Ich bin mit meinen Söhnen nach Tucson gekommen, und ich suche Land hier im Norden.« »Tot?« flüsterte sie und ließ die Schultern sinken. »Immer sterben Menschen in diesem Land ... Die Lebenden trachten einander nach dem höchsten Gut, nach dem Leben – und auch nach dem Besitz. Ich kann darüber nicht mehr weinen, Gun Madley.« Sie bewegte müde die Hand. »Steig ab, komm ins Haus.« »Du bist angegriffen worden, Angie?« murmelte er und rutschte vom Pferd. »Yeah – von Big Logans Leuten. Er will mich zermürben, dieser Schweinehund, aber er schafft es nicht, ich gebe nicht auf, ich habe mich hier festgebissen. Warum, zum Teufel, hast du keine Colts mehr, Gun Madley?«
»Alles hat seinen Grund, Angie.« Er folgte ihr zum Haus und ließ den Zügel los. Sie trat ein und nickte ihm zu. Die Männer starrten verwundert herüber. Er ging über die Türschwelle und blieb im Wohnraum stehen. Alles war einfach, aber sauber. »Ich habe das Leben in den Saloons gehaßt, Gun«, sprach Angie Malone, »und dieses Leben hier gesucht. Ich weiß, was mir gehört, und hier glotzt mich kein liebestoller Kerl an ...« Sie lehnte sich an die Wand und betrachtete ihn wieder. Er blickte umher und zerrte den Stetson vom Kopf. »Auch ich hatte eine Ranch, Angie. Ohne Frau ist das Haus leer, ohne Leben. Es war schrecklich.« Die Zeit all der Jahre als Revolvermann und die schwerste Stunde seines Lebens hatten das Gesicht dieses Mannes für immer geprägt. Unauslöschbar waren die Spuren, und tiefste Bitterkeit steckte in jeder Falte dieses Gesichtes. Angie betrachtete ihn sorgenvoll. Sie vergaß dabei ihre Sorgen. Langsam kam sie auf ihn zu und legte die Hände auf seine Arme. »Uns hat das Leben nichts geschenkt, Gun«, sagte sie leise. »Wir müssen um die Zukunft kämpfen. Es gibt keinen Zufall. Das Schicksal hat dich hierhergeführt. Große Worte, wie?« Sie lächelte bitter. »Aber so ist das nun einmal. Du suchst Land? Dann mußt du kämpfen.« »Ich will die Colts nicht mehr, Angie. Sie bringen Unglück. Jeder Vollidiot knallt einfach drauflos, um sich den Ruhm an die Sporen zu heften. Ich wäre froh, wenn es den Revolvermann Madley nie gegeben hätte!« »Für dich gibt es keinen anderen Weg, du mußt eine Waffe haben, Gun, sonst bist du verloren.« Sie ging im Raum hin und her. Ernstes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Sie trat an den Herd heran und schob den Kaffeetopf auf die Feuerstelle.
»Es gab mal einen Mann, der sagte mir, daß er mich als Partnerin genommen hätte, Gun ... Gibt es diesen Mann noch?« Er verstand den Sinn ihrer Frage und sah nachdenklich auf ihren Rücken. Aus der Lebedame und Saloonlady von einst war eine Frau geworden, die tapfer um ihren Besitz kämpfte und so schnell nicht aufgeben würde. »Yeah, es gibt ihn noch, Angie.« »Dann laß uns zusammenziehen Gun!« sagte sie entschlossen. »Hol deine Jungs her, und wir kämpfen gemeinsam gegen Big Logan! Dieses Tal ist groß genug für uns beide!« Als er davonritt, sah sie ihm noch lange nach. Schweigend kamen die drei Männer heran. »Ich kenne ihn von Phoenix her«, sprach sie leise. »Wir sind Freunde gewesen. Es wird wieder so werden. Er hat kein Haus und kein Land mehr. Es gibt keinen besseren Boß für diese Ranch.« »Du bleibst unser Boß, Angie.« »Nun seid man nicht albern, Jungs. Für einen Mann ist es keine Schande das zu tun, was dieser Mann will ...« *** Plötzlich standen sie da – sechs Männer, die Beine gespreizt, die Hände lässig und herausfordernd auf die Colt Revolver gelegt. Lang fielen ihre Schatten über den Hof des Mietstalls. Das Sporengerassel war verstummt. Im Saloon gab es keinen Lärm mehr. Die angetrunkenen Cowboys waren hier vor dem Mietstall erschienen. Einer von ihnen, ein schwarzhaariger Bursche, sagte verächtlich: »Sie wollen sich hier ansiedeln, diese Scheißkerle. Aber wo denn, frag’ ich euch, wenn alles meinem Alten gehört?«
Die anderen grinsten. Die Lust zur Gewalt war ihnen deutlich anzusehen. Steif richteten Dave und Billy sich am Wagen auf. Sie hatten dort vor einem glühenden Feuer gesessen und Kaffee getrunken. Ihr Gesichtsausdruck wurde ablehnend. Allein der Klang der Stimme des Ranchersohnes hatte sie gewarnt. »Wir wollen nichts von euch«, murmelte Dave dumpf, »also laßt uns in Ruhe.« »Was seid ihr denn, he?« grinste Humphrey Logan kalt. »Schollenbrecher oder Zwei-Kühe-Rancher? Nichts von beiden – heruntergekommene Landsucher seid ihr, Dreckskerle, die meilenweit gegen den Wind stinken! Und jetzt reißt ihr noch das dreckige Maul auf, wie? Aber das werden wir euch schon stopfen!« Er zog den Colt und drückte den Hahn zurück, schlug die Waffe auf die beiden Brüder an und sagte gepreßt: »Gebt es ihnen, Jungs! Macht sie fertig!« Langsam rückten die Cowboys näher. Humphrey Logan wich zur Seite aus, um die Brüder beobachten zu können. Die Cowboys seines Vaters sollten auch nicht in die Schußbahn kommen ... Dave und Billy sahen in die verzerrten Gesichter, in tückisch glänzende Augen – und sie blickten auf den Colt in der Hand des jungen Logan und wußten, daß sie kaum eine Chance hatten. »Billy«, flüsterte Dave undeutlich, »Dad hat uns beigebracht, mit den Fäusten zu kämpfen. Tun wir das, was wir gelernt haben!« Sie mußten sich wehren. Die Männer hatten sie halb eingekreist und kamen immer näher, ballten schon die Hände zu Fäusten – und Humphrey Logan bedrohte sie mit dem Colt. Im offenen Stalltor erschien der Besitzer, machte sofort einen Schritt zurück und verbarg sich hinter der Bretterwand ... Gewalt war wieder einmal das Gesetz des Handelns geworden. Dabei hatte Humphrey Logan keinen Grund, die
Cowboys auf die Brüder zu hetzen. Er liebte eben die Unterdrückung, dieses Gefühl der Macht, über andere herfallen zu können, er wollte die beiden jungen Männer sich quälen sehen. »Los!« fauchte er. Die Cowboys stürzten sich sofort auf Dave und Billy. Sie schlugen grausam zu, traten mit Füßen, stießen die Knie in die Körper der Brüder, rissen ihnen an den Haaren und warfen sie zu Boden. Schwer lagen sie auf Billy und Dave und schlugen zu, lachten gepreßt und zynisch ... Dave war ein Jahr älter als Billy, er wehrte sich mit seiner ganzen Kraft und seinem Willen, nicht aufzugeben. Er schlug und trat zurück und sah für wenige Sekunden, wie zwei Männer über seinen Bruder Billy herfielen und ihn unmenschlich schlugen. Billy schrie und röchelte. Einer würgte ihn, preßte ihm die Hand auf den zerschlagenen Mund, und der andere wuchtete Füße und Fäuste in ihn hinein ... »Nein!« keuchte Dave und riß sich los. »Ihr Schweine! Ihr ...« Sie rissen ihn an den Beinen um, er stürzte zwischen sie – und wieder marterten und quälten sie ihn, während Humphrey Logan den Colt wegschob und sich das alles grinsend ansah. Erst als Dave und Billy bewußtlos waren, als sie blutend im Staub des Hofes lagen, ließen die Cowboys von ihnen ab und verschwanden lachend mit Humphrey Logan hinter dem Nachbarhaus. Wie tot lagen die Brüder im Schmutz. Nur zögernd kam der Stallbesitzer und goß Wasser über sie aus. Auf der Straße stampften Hufe. Ein Reiter bog in die Einfahrt ein, trieb das Pferd heran und warf sich aus dem Sattel. Er kniete bei Billy nieder und nahm den Kopf in beide Hände. »Billy, mein Junge!«
Das ganze Gesicht war geschwollen. Billy konnte seinen Vater kaum erkennen. Ein Blutfilm bedeckte die Augen. Er wollte sprechen, doch es wurde nur ein Stöhnen. Da ließ Gun Madley ihn los und lief zu Dave. Dave kam zitternd mit dem Oberkörper hoch. Über das nasse Gesicht floß Blut. Die rechte Hand fuhr flatternd über den zerstampften Boden. »Ich ... kann nicht ... mehr, Dad!« flüsterte er mühsam und sackte zurück. Düster blickte Gun Madley auf. Der stechend gewordene Blick bohrte sich in die Augen des Stallbesitzers, und seine Stimme klang wie brechendes Eis. »Wer hat das getan?« »Humphrey Logan und fünf Cowboys. Es ging alles zu schnell.« Der Hufschlag mehrerer Pferde donnerte die Straße hinauf, brach sich an den grauen Hausfronten und verlor sich draußen vor der Stadt. »Wo finde ich den Sheriff?« Madley erhob sich. »Wo?« schrie er. »Warum tut der Kerl nichts dagegen?« »Fragen Sie ihn selber, er ist im Office. Ich hab’ damit nichts zu tun, Mister.« Der Mietstallbesitzer fürchtete offensichtlich die Macht des Ranchers Big Logan; dabei bemühte er sich, diese Angst mit Lässigkeit und Kaltschnäuzigkeit zu verbergen. »Ich lebe schon lange hier. Wenn Ihre Jungs die Cowboys herausfordern, dann ist das ihre Sache.« »Ich habe die Schrotflinte im Stall gesehen«, murmelte Madley grimmig. »Sie hätten mit der Knarre die Cowboys zurücktreiben können, aber Sie sind wohl auch nur einer von vielen Scheißkerlen in diesem County.« Wieder kniete er neben Billy nieder und tupfte das zerschlagene Gesicht mit einem feuchten Tuch ab. Billy blickte ihn an, und der Schmerz schüttelte den Körper.
»Es wird schon wieder werden, mein Junge. Das nächstemal wißt ihr, was diese Kerle wollen!« »Er hat uns mit dem Colt in Schach gehalten, Dad«, stöhnte Billy. »Wir konnten uns nicht wehren, sonst hätte er geschossen. Wir haben doch keine Waffen ...« Madley sah über den Sohn hinweg, über den Hof und in das Abendrot. Die vom Staub eingetrockneten Schweißfurchen ließen ihn älter erscheinen. Er schien dort in der Ferne am westlichen Horizont nach einer Antwort zu suchen, schüttelte dann den Kopf und half Billy auf die Beine, geleitete ihn zum Wagen und schnauzte den Mietstallbesitzer an: »Holen Sie die Gäule raus, Mann!« Schwankend kam Dave heran und hielt sich am Wagen fest. Ein gequälter Ausdruck lag auf seinem Gesicht. »Gib uns die Colts zurück, Dad!« stöhnte er. »Sonst schießen sie uns irgendwann wie tollwütige Hunde ab!« Gun Madley sah seine Söhne ernst und bitter an. »Wollt ihr so werden wie ich? So ein Leben führen? Ihr seid zusammengehauen worden. Da braucht ihr noch lange nicht zu schießen. Bleibt hier. Ich bin gleich zurück.« Mit großen, raumgreifenden Schritten verließ er den Hof und stapfte durch die alte Stadt der puebloähnlichen Häuser. Vor dem Sheriff’s Office verharrte er einen Atemzug lang, dann polterte er ins Office und schreckte einen alten, knochigen Mann hoch, der träge hinter dem Schreibtisch gesessen hatte. »Wo ist der Sheriff?« Der Mann zog die Jacke zur Seite und zeigte auf den Stern an der Weste. »Ich bin es, Fremder. Was wollen Sie von mir?« Gun zog die Augenbrauen hoch und musterte den dürren Mann. »Sie haben natürlich nichts gehört, wie?« grollte er. »Keinen Lärm, keine Schlägerei?«
»Wovon reden Sie, Mister?« Der Sheriff zuckte die Achseln. »Ich weiß von nichts ...« Er blickte hinaus auf die Straße, die im roten Schein des Sonnenuntergangs vor dem Office lag. »Ach so, Sie meinen die Logan-Cowboys? Was ist schon dabei? Die Jungs müssen sich mal austoben.« »Die Mistkerle haben gerade meine Jungs zusammengeschlagen!« fauchte Madley in kalter Wut und trat dicht an den Tisch heran. »Das hätten sie nicht so schnell geschafft, wenn Logans Sohn sie nicht mit seinem Schießeisen bedroht hätte! Sie tun wohl nichts gegen diese Meute, wie?« »Was sollte ich schon tun, he?« knurrte der Sheriff. »Schlägereien sind nicht verboten in Tucson.« »Dann kann ich ja gleich mit Ihnen anfangen, Mr. Sheriff!« entgegnete Madley kalt. »Vorher sollten Sie den Stern wegschmeißen, der steht Ihnen nicht! Aber keine Sorge, ich vergreife mich nicht an einem jämmerlichen Sheriff, der Angst vor Logan hat!« Gun schwieg. Im stillen verglich er diesen Sheriff mit Gordon Smith. Beide unterschieden sich wie Feuer und Wasser. Smith war allzeit mutig gewesen. Dieser Mann hier war ein jämmerlicher Abklatsch seiner Selbst aus früheren Jahren – alt, zerbrochen und feige. Und der Sheriff stöhnte dumpf und blickte Madley unruhig an. Unwillkürlich sah er auch auf Madleys Oberschenkel, wo die Hose ziemlich abgescheuert war. Dort hatten die Colthalfter auf dem Tuch der Hose gerieben. In den Augen des Sheriffs flackerte es kurz auf, dann wandte er sich ab und kehrte Madley den krummen Rücken. Gebeugt stand er vor der Wand. »Vielleicht bin ich wirklich ein jämmerlicher Kerl, Mister«, murmelte er, »aber meine besten Jahre sind längst vorbei. Ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Das sehe ich!« Schroff war Madleys Antwort, hart sein Gang, als er das Office verließ. Er schien die Menschen auf der Straße nicht zu sehen, als er zum Mietstall ging. Dave und Billy warteten im Sattel. Sein Pferd war am Wagen festgebunden. Wortlos stieg er auf den Wagen, packte die Zügelenden und trieb die Pferde an. Die Madleys verließen Tucson und schlugen die Richtung nach Norden ein. Auf einem zerklüfteten Hügel verhielten mehrere Reiter im letzten Tageslicht. Grinsend beugte Humphrey Logan sich im Sattel vor und beobachtete den Wagen und die beiden Reiter. »Da fahren sie!« sagte er gehässig. »Wenn sie länger im County bleiben, dann verrecken sie alle! Los, kommt – reiten wir, Jungs!« Als sie vom Hügel ritten, wallte der rote Staub auf. Lautlos verschwanden sie. Gun Madley hatte sie gesehen … *** »Mein Gott, wie die Zeit vergeht!« flüsterte Angie Malone und stand Madleys Söhnen gegenüber. »Deine Söhne sind groß geworden, Gun, es sind schon Männer.« Gun nickte. Angie reichte seinen Söhnen die Hand. Beide verzogen das Gesicht. Noch immer schmerzte ihnen die Hand. »Ihr übersteht das schon«, meinte Angie aufmunternd. »Ich werde euch die Platzwunden nähen und die Schwellungen kühlen. Legt euch dort auf die Lager.« »Ma’am, das ist nicht nötig«, wehrte Dave ab. »Wir sind doch keine Kinder.« »Kein Wort, Jungs«, bestimmte Angie resolut. »Ihr seid in meinem Haus, und hier wird das gemacht, was ich sage, verstanden?«
Stilles, flüchtiges Lächeln erschien auf Gun Madleys Gesicht, als er sah, wie seine Söhne gehorchten. »Du hast noch immer Haare auf den Zähnen, Angie ...« »Und bei dir gehen sie langsam aus«, versetzte sie, holte Nadel und hauchdünne Sehnen aus dem Nebenraum und stellte eine Flasche Whisky auf den Tisch. Horchend blickte sie zur Tür. Draußen wachten ihre Cowboys mit schußbereiten Gewehren; Schritte waren zu hören. Angie nickte vor sich hin und schob die Lampe an die Tischkante. »So, Jungs, es wird etwas weh tun, aber ich muß die Platzwunden gleich jetzt nähen. In ein paar Stunden ist es zu spät dazu, dann schließen sie sich nicht mehr. O ja, ich hab’s gelernt in Phoenix! Da gab es jeden Abend einen Schlägerei! Auf geht’s!« Gun setzte sich und sah zu, wie Angie die Wunden mit Whisky säuberte und sie nähte. Dave und Billy verbissen die Schmerzen. Ihnen kamen die Tränen. Schon begann Angie, die Schwellungen zu kühlen. »Was machst du für ein Gesicht, Gun?« meinte sie und blickte herüber. »Du hast ein paar Falten mehr im Gesicht – und dabei hast du für die Falten Platz genug am Hintern.« Die Söhne sahen Angie verwundert an. Sie waren einer Frau wie Angie Malone noch niemals in ihrem Leben begegnet. Dave wollte hoch, doch Angie drückte ihn zurück. »Liegengeblieben! Ihr ruht euch jetzt aus, savvy? Morgen sehen wir weiter. Gun, du holst dir ein paar Decken aus dem Nebenraum und legst dich hierhin. Ich schlafe nebenan.« »Well«, nickte Gun. »Dad«, fragte Dave leise, »können wir uns morgen die Gegend ansehen? Oder brauchst du uns hier?« »Ihr könnt reiten, aber der Teufel soll euch holen, wenn ihr nicht wachsam seid!« Angie merkte, daß die Söhne mit ihrem Vater allein sein wollten, und sie verließ wortlos das Haus und schritt über den Hof. Im hellen Sternenlicht blieb sie stehen. Die drei Cowboys
kamen heran. Sie hielten ihr Gesehr in der Rechten. Die durchschwitzten und verstaubten Stetsons warfen Schatten auf die gebräunten Gesichter. »Du kennst ihn gut, Boß?« knurrte Ballard. »Ja«, sagte sie und spürte den Nachtwind in Gesicht und Haar. »Er war ein gefürchteter und berühmter Revolvermann, und er ist ein feiner Kerl geblieben.« »Er trägt keine Colts«, bemerkte Tom. »Er will sie nicht mehr, Tom. Sie haben ihm Unglück gebracht.« »Ohne Colts wird er sterben«, meinte Joe. »Er und seine Söhne werden draufgehen, Boß. Du kennst doch Big Logan – und es gibt genug Gesindel in dieser Gegend. Ich denke, daß es Wahnsinn ist, ohne Colts ‘rumzulaufen.« »Er muß es wissen, Joe.« Angie ging weiter und verharrte am Korral, sah zur Herde hinüber und blickte nach der Baumkette am Fluß, wo die kalten Nebel vom Wind zerpflückt wurden. Sie lehnte sich gegen die Holzlatten und schloß die Augen. Viele Gedanken beschäftigten sie. Die Haustür knarrte, und Schritte kamen heran. Dicht vor ihr blieb Gun Madley stehen. »Danke, Angie ...« »Wofür, Gun? Wir haben viel durchgemacht. Jetzt halten wir zusammen.« Sie sah ihn seltsam an. »Damals hattest du deine Colts und deinen Mut. Jetzt hast du nur noch deinen Mut, Gun ... Aber Mut allein nützt nichts.« »Ich weiß, Angie.« Seine Stimme klang spröde und schleppend. »Erinnerst du dich noch daran, was du mir damals gesagt hattest? Ich könnte nur schießen, immer nur schießen und töten – das hast du gesagt. Und du hast mich sogar etwas verachtet, als du an das Schießen gedacht hattest.« »Ja, ich weiß. Damals wußte ich noch nicht, daß ein Mann nicht allein durch seine Colts ein Mann ist. Ach, Gun – warum gibt es keinen Frieden in diesem weiten Land? Das Schicksal
wird dich irgendwann zwingen, wieder nach den Colts zu greifen. Niemand kommt davon los, niemand.« »Wenn meine Jungs Colts getragen hätten, dann wäre es zu einer Schießerei gekommen, dann hätte es Tote gegeben. Jetzt ist es so besser, Angie.« »Du kennst Big Logan noch nicht. Der läßt auch auf einen unbewaffneten Mann schießen!« Gun schwieg, legte die Arme über die Korrallatte und sah zur Herde hinüber. »Woran denkst du, Gun?« »Ich werde Rinder kaufen, Angie. Dann haben wir einen große Herde. Wir schaffen es schon.« »Und ich werde immer älter«, seufzte sie, »und wenn ich eine alte Schachtel geworden bin, sieht mich kein Mann mehr an ...« Er lächelte. »Ich werde dich nie übersehen, Angie Malone.« »Ja, ich weiß.« Ihre Rechte berührte ihn am Arm. Ernst blickte sie in sein rauhes Gesicht. »Ich habe viel Zeit, Gun, wenn du bei mir bleibst ...« Hinter den zerklüfteten Hügeln erschallte der heisere Chor der Coyoten. Das dumpfe Murren drang herüber. Leise sang der kühle Wind. Die Nacht blieb ruhig … *** Seit Jahren hatte sich nichts auf der Logan-Ranch verändert; noch immer bestand das Haus am Adobe, und die Stallungen waren kaum ausgebessert und sahen recht schäbig aus. Aber hier lebte Big Logan. Ein Mann, der das Land mit Feuer und Blei freigefegt hatte, der die Apachen vertrieben und viele Revolverschwinger in das Land geholt hatte.
Er war oft im Sattel. An diesem frühen Morgen kam er zurückgeritten und traf seinen Sohn Humphrey auf dem Hof an. Ächzend stieg er aus dem Sattel. Big Logan war ein Riese von Mann, grau und verbissen, unduldsam bis zum letzten Atemzug. In verstaubter Lederkleidung blieb er vor seinem Sohn stehen. Kalt funkelnde Augen unter buschigen Augenbrauen starrten den Sohn an. »Du bist in Tucson gewesen?« »Ja, Dad. Du hast einen neuen Nachbarn bekommen!« Humphrey Logan wechselte schnell das Thema, weil er wußte, daß sein Vater kein Verständnis für Saufereien in den Saloons hatte. »Drei Fremde. Sie sind nach Norden gezogen – mit einem schwerbeladenen Wagen. Wahrscheinlich zu dieser Malone.« »So ...«, Logan stapfte zum Haus. »Komm mit!« Sie betraten das Haus und blieben im großen Wohnraum stehen. An den Wänden hingen Büffelfelle, alte Gewehre, Bogen und Pfeile – und die Skalpe von Apachen ... »Nach Norden also«, knurrte Logan bissig. »Wenn sie sich hier ansiedeln wollen, kriegen sie Zunder. Ich hab’ gar nichts dagegen, wenn sie zur Malone fahren. Dann habe ich sie alle zusammen. Die Malone wird sowieso den nächsten Angriff nicht überstehen. Das Weib muß verschwinden – wenn sie es nicht freiwillig tut, dann mit Gewalt.« »Wir haben zwei von den drei Fremden zusammengeschlagen. Sie sind in meinem Alter, vielleicht etwas jünger – aber sie tragen keine Colts, Dad.« »Sie müssen verrückt sein – oder lebensmüde.« Schwer warf Big Logan sich in den abgewetzten Sessel. »Gib mir einen Whisky.« Humphrey Logan ging zur Anrichte und füllte ein Glas, kam damit an den Tisch zurück und stellte es vor seinem Vater hin. Logan stierte in das Glas.
»Wo ist Pat, deine Schwester?« murmelte er plötzlich. »Ich hab’ sie noch nicht gesehen.« »Ich werde mal nachfragen.« Der junge Logan verließ das Haus. Big Logan wartete und trank langsam. Dann kam der Sohn zurück. »Sie ist rausgefahren, Dad. Der alte Hope hat den Buggy gelenkt. Aber Pats Pferd war hinten angebunden.« »Verfluchter Mist!« Big Logan fuhr hoch, schleuderte das Glas in den Raum hinein und blickte seinen Sohn wütend an. »Was will das Mädel nur immer draußen? Hol sie sofort zurück! Du wirst sie schon finden.« Sporenrasselnd rannte Humphrey Logan hinaus und schrie nach seinem Pferd. Reglos verharrte Big Logan vor seinem Haus, als der Sohn davonritt. Die Morgensonne erhellte das zerfurchte Gesicht des Ranchers. Er kaute auf der schmalen Unterlippe und straffte den großen, schweren Körper. Sein Sohn jagte durch das weite Tal und an der großen Herde vorbei. Düster starrte Big Logan in die rauchige Ferne, wo sich die Berge türmten, wo rote Felsen in den Himmel stießen und hohe Kakteen wie erstarrte Wächter der Einsamkeit standen. »Ich muß das Mädel an die Kette legen ...!« *** Quietschend hielt der Buggy in der Hügelfalte. Tiefe Stille lag über dem zerklüfteten Land. In der Ferne ragten gewaltige rote Felskolosse empor. Der Wind raunte, und trockenes Gras raschelte auf sandigen Hängen. Der weißhaarige alte Mann schlang die Zügelenden der beiden Wagenpferde um die Bremsstange und hörte, wie das schlanke Mädchen vom Buggy sprang. »Miß Pat, ich bin ganz und gar nicht einverstanden damit«, sagte er dumpf. »Sie wollen wieder allein durch die Gegend
reiten? Es gibt Schlangen hier, Skorpione und anderes Kriechzeug. Allein ist das viel zu gefährlich.« »Du machst dir wieder unnötig Sorgen um mich, Hope«, lachte Pat Logan leise auf. »Was soll mir schon zustoßen? Ich bin in diesem Land aufgewachsen!« Hope blieb noch still sitzen. »Ja, und ich habe gegen die Indianer gekämpft, Miß Pat – und ein paar Hundert von ihnen strolchen noch immer durch diese Gegend. Nein, ich fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken daran ...« »Unsinn, Hope, du siehst Gespenster. Du bleibst wieder hier und wartest auf mich, ja?« Das blutjunge Mädchen stieg auf das Pferd und ritt dicht an den Buggy heran. Der Alte, der für ihren Schutz verantwortlich war und sie ständig begleitete, betrachtete sie mit väterlicher Sorge und zugleich mit Wohlwollen. Im Grunde konnte er Pat keinen Wunsch abschlagen. In sein zerknittertes Gesicht stahl sich ein weiches Lächeln, als er in die braunen Augen sah. »Sie sind ein kleines Biest, Miß Pat ...« »Und du bist ein alter Bär, der immer brummt«, lächelte die schöne zierliche Pat. Hope brummte wirklich und strich über sein Gesicht, zerrte am grauen Bart und seufzte. »Na gut, dann reiten Sie mal, Miß Pat – aber nicht zu weit weg! Ich warte hier.« »Du bist ein feiner alter Kerl, Hope!« Schon jagte Pat los und trieb den Hengst durch die Hügelfalte. Ihr langes dunkles Haar flatterte im Reitwind. In enger Hose ritt sie wie der Teufel davon. Nachdenklich blickte der Alte ihr nach. »Wie kann der Boß nur ein so nettes Mädel haben?« brummte er vor sich hin. »Hach, diese Jugend! So frisch wie ein neugeborenes Kalb, so wild wie ein Wildpferd von der Mesa ... Man müßte noch mal jung werden. Aber was rede ich
alter Knochen da? Das Alter hat doch auch seine guten Seiten. Schließlich wird jeder mal alt ...« Er seufzte schwer und kletterte dann vom Buggy, löste die Bremse und lenkte die beiden Pferde in den Schatten der Felsen und Sträucher. Hier setzte er sich an einen Felsen und genoß die Stille. Erinnerungen an alte Zeiten wurden wach. Er sah wieder die Indianer über die kahlen Höhenzüge reiten und hörte wieder ihre Kriegsrufe. Ein alter Mann träumte ... Und er konnte nicht ahnen, daß an diesem Tag Schreckliches geschehen würde ... Er fragte sich, wo die Stimmen der Indianer geblieben waren. Verweht waren ihre Spuren, verklungen ihre Stimmen, verhallt der Kriegsgesang. Und verstummt der klirrende Trab der US-Kavallerie, erstickt das Kommando ... Wo waren sie alle geblieben in diesem Land, wo soviel Blut geflossen war? Nur die alten, längst eingesunkenen Gräber im Land erinnerten noch an die blutigen Kämpfe – und doch gab es die Apachen noch, die der Weiße bis in alle Ewigkeit verteufelt hatte. Tucson lag fern ... Der alte, treue Begleiter der jungen Pat Logan versank über seine Träumereien in einen Schlaf. Er wußte nicht, wie lange er geschlafen hatte, als trommelnder Hufschlag ihn weckte und aufspringen ließ. Er erreichte den Buggy und zog die Winchester herunter, als der Reiter heranjagte; das Pferd durchbrach das Gestrüpp und stampfte wild und keuchend neben dem Buggy. Mit glühendem Gesicht beugte Humphrey Logan sich über den Pferdehals hinweg und starrte den Alten wütend an. »Wo ist meine Schwester?« schrie er. »Ich will wissen, wo Pat ist, Alter!« Fast erschrocken sah Hope ihn an. Er brauchte Sekunden, um zu antworten, und die Antwort fiel ihm sehr schwer.
»Sie ist davongeritten, allein. Sie wollte allein sein. Sie kommt bestimmt bald zurück.« »Du verfluchter Idiot!« brüllte Humphrey Logan. »Du sollst auf sie aufpassen, du blöder Kerl! Verdammt, das wirst du bereuen! Wenn wir erst mal auf der Ranch sind, dann gnade dir Gott!« Schweigend erduldete der Alte den Wutausbruch. Der junge Logan schrie ihn an und beschimpfte ihn haltlos, gab dem Pferd die Sporen und jagte weiter in die Hügelfalte hinein. Schnell verlor sich der Hufschlag, und der heiße Wind trieb den Staub davon. Seufzend lehnte der alte Mann sich an den Buggy und wischte mit flatternder Hand über die Augen. Reue erfaßte ihn, und die Sorgen fraßen an ihm. »Miß Pat«, flüsterte er, »passen Sie gut auf. Kommen Sie heil zurück. Sonst bring’ ich mich um ...« *** »Schön ist dieses Land«, schwärmte Billy und sah über die bizarren Schluchten und weiten roten Ebenen hinweg. »Ja«, nickte Dave und zügelte neben ihm auf dem Hügel das Pferd, »aber es taugt nicht für die Rinderzucht. Da muß man schon am Fluß bleiben. Hier geht jedes Rind ein. Nachts kommen die Wölfe von den Bergen herunter und würden die Rinder anfallen und zerreißen. Nein, Bruder – Schönheit bedeutet noch nichts Gutes. Das ist bei den Menschen so wie bei den Tieren und bei der Landschaft.« Billy tastete über das Gesicht. Sein Lächeln war verzerrt. Er nickte und zog das Pferd herum. Sie verließen den Hügel und ritten durch die staubgefüllten Senken, erreichten eine steinige Hügelfalte und folgten ihr. Dave zügelte sein Pferd.
»Was ist los?« Billy drehte sich halb im Sattel um. »Warum hältst du denn jetzt an?« »Warum wohl?« erwiderte Dave. »Ich muß mal! Reite nur weiter, ich hol’ dich schon ein.« Billy grinste und ritt weiter, verließ die Hügelfalte und trieb das Pferd an. Er wollte es dem Bruder schwermachen, ihn wiederzufinden. So änderte er oft die Richtung – und dann war er allein inmitten der Felsen und Hügel. »So schnell findest du mich nicht, Bruder!« meinte er, entdeckte einen buschbestandenen Hang und lenkte das Pferd darauf zu. Er mußte noch eine Felsengruppe umreiten, und als er dicht davor war, hörte er ein Pferd wiehern. Sofort griff er an die Hüfte – doch er hatte keine Waffe. Bevor er einen Gedanken fassen konnte, erblickte er das schlanke dunkelhaarige Mädchen, das ihn mit seinen braunen Augen fragend ansah. Sie beide kannten sich nicht. Keiner wußte, wer der andere war. Sie hatten sich mitten in der Einsamkeit getroffen – der junge Billy Madley und die zierliche Pat Logan ... »Tag«, sagte Billy leise. »Tag«, flüsterte Pat. »Heiß heute, nicht wahr?« »Ja ...« Pat bemerkte den verstörten Gesichtsausdruck und lachte auf. »Sie brauchen keine Angst zu haben! Ich beiße Sie nicht, Fremder!« Er wischte verlegen übers Gesicht und schluckte. »Es ist doch gefährlich, allein zu reiten ...« »Ich habe keine Angst, ich kenne das Land gut. Aber Sie sind fremd hier. Wollen Sie nach Tucson?« »Ja, das heißt ... Nein. Ich reite hier nur so herum.« »Ich auch.« Pat lächelte sanft. »Leisten Sie mir doch Gesellschaft. Mein Pferd steht hinter diesen Felsen.« Er ritt hinterher, blieb aber im Sattel, als er den Rastplatz erreicht hatte.
»Ich bin Billy Madley«, sagte er leise. »Nennen Sie mich einfach Pat, Billy«, lächelte Pat. »Was sind schon Namen? Ich will gar nicht wissen, woher Sie kommen und was Sie in diesem Land suchen.« Sie hatten Vertrauen zueinander. Sie waren beide jung. Pat gefiel der junge blonde Mann, der wie ein Cowboy aussah. Sie fragte sich nur, wer ihm das Gesicht so zerschlagen hatte. »Steigen Sie doch ab, Billy!« »Mein Bruder ist in der Nähe. Ich glaube, er wird mich hier nicht finden, wenn ich ihm kein Zeichen gebe.« »Dann machen wir ein Feuer und geben ihm ein Rauchzeichen – wie die Apachen«, lachte Pat. »Das ist doch ganz einfach! Nun kommen Sie schon ‘runter, Billy.« »Ja, wenn Sie meinen.« Billy lächelte scheu. Er hatte das Mädchen vom ersten Augenblick an gern. Es zog ihn an, er dachte an seine Mutter – und er suchte die Liebe eines Mädchens, eines Menschen, der wie seine Mutter sein müßte, sanft und weich, voller Liebe und Güte. »Das mein’ ich«, nickte Pat. »Wir machen ein Rauchzeichen und ...« Hufschlag unterbrach das Mädchen. Billy horchte. »Da ist er schon. Er wird sich wundern, mich mit Ihnen hier zu finden«, sagte er arglos. »Jetzt kann ich absteigen ...« Pat lächelte weich und wartete, während der Hufschlag immer lauter wurde. Sie dachte an nichts Böses und sah, wie Billy das rechte Bein mühsam anzog und wie der Schmerz sein Gesicht verzerrte. »Ist es so schlimm?« flüsterte sie. »Mein Gott, wer hat Sie nur so geschlagen, Billy? Kann ich Ihnen helfen?« »Nein, es geht schon ...« Billy zog den Fuß aus dem Steigbügel und wollte das Bein nach hinten über den Pferderücken hinwegziehen, als er den Reiter erblickte. Es war nicht Dave.
Erst in den letzten Sekunden erkannte er in dem wie verrückt heranrasenden Reiter jenen jungen Mann, der sie in Tucson mit dem Colt bedroht hatte und niemand anderes als Humphrey Logan sein konnte. »Du verdammtes Schwein!« schrie Humphrey Logan, riß die Hand mit dem Colt hoch und feuerte ... Mit weißglühender Hitze schlug die Kugel in Billy hinein und riß ihn vom Pferd. Schwer stürzte er in den heißen Staub, wollte sich aufrichten – doch er sackte zurück, hörte das Echo des Schusses, den trommelnden Hufschlag und den Aufschrei des Mädchens. Schon raste Humphrey Logan heran, warf sich vom Pferd und rannte zu Billy heran. Drohend richtete er den Colt auf ihn, keuchte und starrte ihn mit tödlichem Haß an. »Ich bring’ dich um, du Hundesohn! Ich mach’ dich kalt, du Schwein! Du wolltest meine Schwester vergewaltigen, ich weiß das genau! So ein verfluchtes, schmutziges Schwein!« Billy stierte in die Coltmündung. Blut sickerte aus dem Körper. Wie aus weiter Ferne hatte er die Worte gehört und wollte antworten, doch die Bewußtlosigkeit riß ihn in ihre Tiefen. Schlaff lag er unter der Sonne ... »Humphrey!« stöhnte Pat und preßte die Hände ans Gesicht. »Nicht schießen! O mein Gott, was hast du getan? Du hast ihn einfach vom Pferd geschossen!« »Ja«, fauchte er, »und ich gebe ihm den Rest! Weißt du, wer dieser Dreckskerl ist? Was glotzt du mich so an, he? Ich bin dein Bruder, verdammt!« Entsetzen flackerte in Pats Augen. Sie schüttelte verzweifelt den Kopf, löste nur mühsam den Blick von ihrem Bruder und sah auf Billy nieder. »Er wird sterben!« hauchte sie. »Dann hast du ihn umgebracht!« »Noch ist er nicht tot!« zischte er. »Er ist einer von den drei Fremden, die zur Malone-Ranch gezogen sind! Dad wird sie
alle fertigmachen! Und ich beginne mit diesem Kerl! Den leg’ ich um!« »Er hat doch nichts getan!« »Nichts? Bist du verrückt? Er wollte dich vergewaltigen! Ich habe das genau gesehen! Ja, er wollte sich gerade auf dich werfen!« »Das ist nicht wahr!« schrie Pat auf. »Du lügst! Nichts wollte er, nichts!« »Halt’s Maul! Du hast den Verstand verloren! Du willst nur nicht, daß ich ihn erschieße! Davor hast du Angst! Ich laß’ mir diese Chance doch nicht entgehen! Er wird sterben, das ist sicher. Dreh dich um, dann siehst du es nicht. Und morgen wird jeder im County wissen, daß er dir Gewalt antun wollte!« Pat konnte kein Wort hervorbringen. Zum erstenmal sah sie ihren Bruder so, wie er wirklich war – so brutal, grausam und kaltherzig wie ihr Vater ... Sein heiseres Lachen ging ihr durch Mark und Bein. Seine Hemmungslosigkeit war teuflisch, seine Lust zum Töten unmenschlich. Schon richtete er den Colt erneut auf den Bewußtlosen. Da warf sie sich nach vorn und stieß ihren Bruder weg. Er fiel, fluchte schrecklich und sprang auf, schlug zu und schleuderte sie in den Sand. »Du blöde Ziege! Wenn du es nicht sehen kannst, dann verschwinde!« brüllte er. Sein Schlag brannte ihr auf der Wange. Taumelnd richtete sie sich auf, sah ihn an Billy Madley herantreten und den Colt auf ihn richten – und sie schrie gellend auf und warf sich herum. Hart rasselten Sporen. Um die Felsen kam ein schwarzhaariger junger Mann geschnellt, hechtete nach vorn und prallte gegen den Ranchersohn. Beide stürzten und rollten durch den Staub.
Pat stierte auf die Kämpfenden. Sie konnte sich nicht bewegen, und jeder Schrei blieb ihr in der Kehle stecken. Dave war wie von Sinnen. Er glaubte seinen Bruder tot, und sein Haß war wie ein Feuer, in dem Humphrey Logan verglühen mußte. Sie rollten fauchend umher, und immer wieder versuchte Logan, den Colt abzudrücken. Mit beiden Händen hatte Dave das Handgelenk des Gegners umfaßt. Er keuchte Worte, die Pat nicht verstand – doch es mußten vernichtende Worte sein, Worte des Hasses und der Wut, Worte des Tötenwollens ... An diesem Tag nahm alles seinen schlimmen Anfang. Plötzlich löste sich ein Schuß – und Dave zuckte heftig zusammen, ließ das Handgelenk fast los und stöhnte auf. Die ganze Schulter war vom Pulver versengt und verbrannt. Der Schmerz machte ihn beinahe wahnsinnig. Er hatte nur noch ein einziges Verlangen – den Gegner fertigzumachen. Und er setzte noch einmal seine ganze Kraft ein, bevor er schwach werden würde, bevor alles aus wäre. Und er preßte das Handgelenk zur Seite, während Humphrey Logan ihn trat und mit der linken Hand in sein Gesicht fuhr, während sich die Hand in sein Gesicht krallte und die Wunden wieder aufriß ... Und dann hatte er die Hand mit dem Colt herumgedrückt, der Lauf schlug gegen Humphrey Logans Brust – und Dave ruckte heftig daran. Zu dicht lag Logans Finger am Abzug, zu hart war der Ruck – und er riß den Abzug durch und jagte sich die Kugel selber in die Brust. Mit dem Knall erschlaffte er ... Der Colt lag im Sand. Blutend und zitternd rollte Dave sich auf die Seite und starrte auf den Sterbenden. Staub haftete am blutigen Gesicht, das Hemd war zerfetzt, die Schulterwunde spie Blut aus. Noch niemals zuvor hatte Pat so ein Gesicht gesehen, in dem der Schmerz, der Haß und der Triumph so wild wüteten.
Sie konnte sich nicht rühren, sie war willenlos, stand nur da und blickte auf die Männer. Humphrey Logans Mund bebte. Die Hemdbrust färbte sich dunkelrot. Er atmete pfeifend, und aus den Mundwinkeln rann es hervor. Er hustete schwer und röchelnd und flüsterte mit ersterbender Stimme: »Du ... Schwein, du ... wirst ... verrecken ...« Das waren seine letzten Worte. Der Knall der Schüsse war verhallt. Humphrey Logan war tot ... Zitternd kam Dave hoch und schleppte sich zu Billy, fiel auf die Knie und stierte auf die blutige Brust. »Billy!« schrie er röchelnd. »Ich bin es, Dave! Komm hoch, Billy, du darfst nicht sterben! Ich will nicht, daß du stirbst! Komm doch, Billy, komm hoch, sonst wirst du sterben!« Der blonde Billy sah ihn trübe an. »Ich schaff es nicht, Dave ...« »Doch! Du mußt es schaffen, bei Gott! Dad wartet auf uns! Großer Gott, hilf mir, so hilf mir doch ...« Er zerrte Billy hoch, schleifte ihn durch den Sand und zum Pferd und quälte sich, und Pat stand da und weinte bitterlich. Wie von einer fremden Hand geführt, kam sie plötzlich heran und half Dave, Billy auf das Pferd zu heben. Dave umklammerte das Sattelhorn. Erst jetzt wurde er sich der Anwesenheit des Mädchens voll bewußt. »Wer ... bist du?« stöhnte er. »Pat Logan.« Das Mädchen ging weg und kniete neben dem Bruder. Ganz langsam legte es die Hand auf ihn. »Er ist ... mein Bruder. Ihr müßt verschwinden, sonst bringt mein Vater euch alle um ... Geh doch endlich – nun geh doch, um Himmels willen!« »Der Bruder«, hauchte Dave, »der Bruder ...« Er nahm den Zügel und fiel beinahe nach vorn. Langsam verschwand er mit dem Pferd hinter den Felsen und zerrte sich mit letzter Kraft in
den Sattel seines Pferdes. Der Hufschlag der Pferde entfernte sich ... Totenstille. Heiß brannte die Sonne. Ein Mädchen kniete zusammengesunken neben seinem Bruder, reglos und wie geistesabwesend. Und so sah der alte Hope die junge Pat, als er den Buggy oben am Hang zum Stehen brachte. Er kam den Hang heruntergehumpelt. In seinem Alter konnte er sich nicht mehr schnell bewegen. Er sah die Spuren im Sand und den Colt – und ihm entging nicht, daß Humphrey Logans Halfter leer war. Langsam schritt er heran und beugte sich über Pat. »Pat, mein Mädel«, sagte er schwer, »geh zum Buggy, ich trag’ ihn nach oben.« Er zog Pat hoch, und sie fiel weinend gegen ihn. Lange standen sie so neben dem Toten, und der Alte klopfte immer wieder sanft Pats Rücken. »Komm, Mädel.« Hope brachte Pat zum Buggy und kehrte zurück, hob den Toten an und trug ihn schwankend zum Wagen, legte ihn darauf und umfaßte dann Pats Hände. »Wer hat das getan, Pat?« Sie schüttelte den Kopf und sah ins Leere. Sie wollte nicht antworten, denn sie wußte, daß ihr Vater eine Hölle entfesseln würde. Der Alte stieg auf den Buggy und nahm die Zügel. »Ich hab’ die Spuren gesehen. Sie führen nach Norden, Pat. Du wirst es mir schon noch sagen. Du kannst nicht schweigen. Das wäre zuviel für dich.« Er fuhr an und lenkte den Buggy durch die Wildnis. Still saß Pat neben ihm. »Das ist mein schwerster Weg«, sprach der alte Hope. »Ich habe die Schuld und weiß, was mich erwartet – aber ich kann
dich jetzt nicht allein lassen, Mädel. Es wird eine schreckliche Zeit werden. Ja, ich bin alt – zu alt schon ...« *** Als schwarze Silhouetten hoben sie sich vor dem roten Himmel ab. Der heisere Ruf der Cowboys ließ Gun Madley und Angie aus dem Haus stürzen – und jetzt sahen auch sie, wie Dave im Sattel schwankte und Billy wie tot auf dem Pferd hing ... »Gun!« Angie faßte sofort nach Madleys Arm. »Ganz ruhig bleiben, Gun. Bitte, reg dich nicht auf! Laß sie herankommen, vielleicht lebt Billy noch und ...« Er stürmte los, über den Hof, am Korral vorbei und seinen Söhnen entgegen – und zehn Yard vor ihnen blieb er im glühenden Rot stehen und starrte auf Billy. »Er lebt, Dad«, flüsterte Dave mit zersprungener Stimme. Gun Madleys Schultern sackten ein, es war, als würde er gleich zusammenbrechen. Er atmete in den Wind, und wieder hatte er die Kraft, nicht aufzugeben. Er nahm Dave die Zügel ab und zog beide Pferde hinter sich her. Vor dem Haus warteten Angie und die Cowboys. Sie halfen sofort und brachten Billy und Dave in das Haus. In fieberhafter Eile wurden alle Vorbereitungen für die Operation getroffen. Niemand fluchte oder klagte an. Dafür hatte niemand Zeit. Billy war bewußtlos. Dave hielt sich bewunderungswürdig tapfer und zäh. Mit schleppender Stimme sagte er: »Zwischen den Hügeln im Südwesten ... Humphrey Logan schoß auf Billy ... Ich kam gerade noch rechtzeitig ... Ich hab’s ihm gegeben, er ist tot – erschossen.« Gun blickte ihn todernst an. »Woher hattest du den Colt, Dave?« »Es war ... sein Colt, Dad – und seine Schwester stand daneben. Sie hat mir geholfen, Billy aufs Pferd zu heben ...«
Dave konnte nicht weitersprechen. Fragend sah Gun zu Angie hin. Sie nickte gefaßt. »Ja, der alte Logan hat eine Tochter, Gun. Pat heißt sie. Das Mädel ist wie eine Blume inmitten einer Wüste aus Haß. Ihr müßt aus dem County verschwinden, Gun, sonst geht ihr alle drauf.« »Logan wird alles erfahren, Angie«, sprach Gun dumpf, »alles – und er wird herkommen. Ich muß kämpfen, Angie. Aber meine Jungs müssen in Sicherheit gebracht werden, und sie können nicht allein irgendwo in dieser Wildnis liegen ... Angie, ich brauche dich.« »Ich werde immer dasein, wo ich gebraucht werde, Gun. Und nun hilf mir. Deine Jungs müssen wieder auf die Beine kommen.« Nach zwei Stunden war alles vorbei, waren Dave und Billy verbunden, lagen die herausgeholten Kugeln am Boden. Gun und Angie waren völlig fertig. Wie tot lagen die Brüder auf den einfachen Betten. Angie hatte sich auch um Daves Gesichtswunden gekümmert. Zusammengesunken saß Gun auf dem Stuhl, während Ballard, Joe und Tom draußen wachten. Er wußte, daß seine Söhne bei einem Kampf sterben würden. Sie hatten keine Chance. »Du hattest dir fest vorgenommen, nicht wieder die Colts zu nehmen, Gun«, flüsterte Angie, »und jetzt zwingen sie dich wieder dazu.« »Ja.« »Big Logan wird dich hetzen – und er wird diese Ranch angreifen.« »Wir müssen uns alle erst einmal in Sicherheit bringen.« »Du kennst Tom, Joe und Ballard noch nicht gut genug, sonst würdest du wissen, daß sie die Ranch nicht verlassen werden. Sie hängen an dieser Ranch, die ihnen eine neue Heimat gegeben hat.« »Hast du sie von Phoenix mitgebracht, Angie?«
»Sie lungerten dort herum. Ja, es sind ehemalige Banditen, Gun. Aber hier haben sie sich großartig gemacht, und darum werden sie hierbleiben, um für meine Ranch zu kämpfen. Wenn man ihnen die Ranch nimmt, dann sind sie ohne Heimat.« Düster starrte Gun auf den Tisch, während die Sonne sank. »Was einmal war, zählt nicht mehr, Angie. Dann werde ich zur Ranch zurückkehren und gemeinsam mit ihnen gegen Logan kämpfen. Das muß sein, sonst findet er eure Spuren und bringt dich und meine Jungs um.« Steif erhob er sich und ging hinaus. Der Wagen stand neben dem Stall. Noch immer lag viel auf dem Wagen – und auch die Waffen lagen dort. Er stieg auf den Wagen und hantierte oben herum, und Angie kam aus dem Haus und wartete neben dem Wagen. Sie wußte, was in Gun Madley vor sich ging. Als er hinunterstieg, trug er seinen alten schweren Waffengurt mit den beiden abgegriffenen Colt Revolvern. Angie blickte auf die Waffen. Die Kolben schimmerten im ersten Sternenlicht. »Es sind noch die alten, Gun ...« »Yeah. Von Freunden trennt man sich nicht, Angie.« Er straffte die Schultern. »Wir wollen den Wagen fertigmachen und aufbrechen. Kannst du einen Wagen lenken? Gut, dann werde ich die Spuren verwischen.« »Am besten wäre es, wenn wir nach Nordwesten fahren würden – in Richtung Casa Grande«, schlug Angie nachdenklich vor. »Wir müßten die Strecke schaffen.« Gun Madley atmete schwer ein und nickte. Die sehnigen Hände glitten über die Colts hinweg. Er dachte an die Gewitternacht zurück, als er Gordon Smith helfen wollte und seine Frau starb – und er ging groß und hager über den Hof, um die Pferde zu holen …
*** Das Wetterleuchten schlimmster Gefühle zuckte über Big Logans Gesicht hinweg. Langsam trat er in dieser späten Stunde an den Buggy heran und starrte auf seinen Sohn Humphrey. »Er ist für diese Ranch gestorben ...« Seine Stimme klang hohl, wie aus einer tiefen Gruft – und schweigend standen die Männer auf dem Ranchhof und warteten, doch Big Logan brach nicht zusammen, er zeigte auch keine Erschütterung, als hätte er keine Seele und kein Herz. Fackeln und Lampen erhellten mit dem Sternenlicht den Hof. Pferde stampften, Zaumzeug rasselte. »Das ist nicht wahr, Dad«, ertönte Pats dünne Stimme. »Nein, nicht für die Ranch ist er gestorben. Er wollte töten und wurde getötet ...« »Schweig!« Schwerfällig drehte Logan sich um und starrte in die Gesichter der Männer. Nur flüchtig sah er die Cowboys an; dafür ruhte sein schlimmer Blick um so länger auf den Gesichtern von fünf Männern, die jeder zwei Colts tief am Körper trugen – und er nickte kaum merklich ... »Meine Tochter Pat ist verwirrt«, sagte er laut über den Hof hinweg, »sie hat Schlimmes durchgemacht, sie weiß nicht, was sie sagt. Zu ihrem Schutz hatte ich den alten Hope auserwählt. Hope hat versagt ...« Der grauhaarige alte Mann senkte den Kopf. »Ja, es war meine Schuld, Boß«, antwortete er mit brüchiger Stimme. »Ich hätte Miß Pat niemals allein losreiten lassen dürfen. Aber ich hatte es zugelassen.« In diesem Moment sah Pat, wie sich die fünf Revolverschwinger ihres Vaters in Bewegung setzten. Ihre
Augen weiteten sich, sie schrie auf und stürzte zu Hope, stellte sich vor den Alten und breitete die Arme aus. »Das darfst du nicht tun, Dad!« rief sie bebend. »Hope ist ein guter, alter Freund! Er hat an deiner Seite gegen die Indsmen gekämpft! Du hast ihm immer vertrauen können. So ist es auch jetzt noch! Ich liebe und verehre Hope.« Big Logans Mund blieb verschlossen, sein Gesichtsausdruck verriet keine Regung. Er starrte durch seine Tochter hindurch, als wäre sie gar nicht da, und er blickte den alten Hope völlig kalt an. Erloschen war die Freundschaft vergangener Jahre. Nichts galt mehr. Logan kannte keine Dankbarkeit. Und die fünf Revolverschwinger kamen immer näher, ließen die Hände lässig hängen. Keiner grinste. Die Gesichter waren maskenhaft starr. Sie waren wie Bluthunde, die nun von der Kette gelassen worden waren, und sie gehorchten Big Logan aufs Wort. Entsetzt sah Pat den Männern entgegen. »Bleibt, wo ihr seid!« flüsterte sie in die lastende Stille hinein. »Rührt ihn nicht an!« Die Männer blieben nicht stehen. Sie sahen auch nicht zu Logan hinüber. Nur sein Wort konnte sie aufhalten. Aber Logan sagte nichts ... »Geh, Pat«, seufzte der alte Hope, »ich hab’ es doch gewußt, verstehst du? Niemand kann vor sich selber weglaufen. Ich hab’ nicht auf dich aufgepaßt. Darum mußte dein Bruder sterben. Geh zur Seite, Mädel, laß sie tun, was sie tun müssen!« Pat drehte sich um und umarmte den alten Mann. Tränen rannen über ihre Wangen und näßten sein faltiges Gesicht. Sie wollte sprechen, hörte die Sporen rasseln – und plötzlich wurde sie von zwei Männern zurückgezogen. Sie versuchte, sich an Hope festzuhalten, doch die Männer rissen sie los. Harte Hände hielten sie gepackt und zerrten sie an den Rand des Hofes
zurück. Keiner der Cowboys rührte sich. Das Licht flackerte über den Hof. Hope hielt den Kopf gesenkt. Drei Schießer umstanden ihn. Logan blickte zum Buggy hin, auf dem sein Sohn lag. Bleich und eingefallen war das Gesicht des Toten. Um Logans Mund grub sich die Unbarmherzigkeit ein. Langsam hob Hope den Blick an und sah in Logans Augen. Er sagte kein Wort, flehte nicht – doch dieser Blick besagte mehr als tausend Worte; er war ohne Haß, ohne Feindschaft, beinahe verzeihend. Dann fielen die Schüsse der drei Revolverschwinger – und der alte Hope stürzte zu Boden, rollte auf den Rücken und krallte die Hand in den Sand. Die Männer ließen Pat los. Das Mädchen stürzte sofort zu Hope hin und warf sich auf die Knie. »Hope!« Mit erlöschendem Blick sah der Alte das blutjunge Mädchen an. Die Lippen zuckten. Pat beugte sich tief über ihn. Wie ein Hauch kamen die Worte: »Geh ... zu Rocco – San Xavier, wenn du ... Hilfe brauchst ...« Die Stimme verwehte, der alte Hope war tot. Zusammengesunken kauerte Pat neben ihm und hörte die Stimme ihres Vaters kalt über den Hof tönen. »Mein Sohn soll in dieser Nacht seine ewige Ruhe finden.« Schritte hasteten umher. Der Buggy wurde vom Hof gebracht. Langsam rollte der Wagen ins weite Tal. Reiter schwärmten aus. Pat sah nicht auf. Alle Geräusche kamen wie aus weiter Ferne zu ihr. Ihr Blick ruhte auf dem faltigen Gesicht des Toten. Dann, später, hörte sie einen Schuß im Tal, und erst jetzt blickte sie ins Tal. Dort hatten die Cowboys ihren Bruder auf einen großen Haufen trockener Zweige und Äste gelegt. Ihr Vater hatte den
Schuß abgefeuert, und ein Cowboy hatte Feuer gelegt. Hoch schlugen die Flammen empor. Ihr Bruder Humphrey wurde verbrannt ... Die ganze Gewalt dieses Landes vereinigte sich in Big Logan. Er verkörperte die Gewalt und glaubte dabei wohl auch noch, daß das männlich wäre. Die Reiter kamen zurück und waren dunkle verzerrte Silhouetten vor dem lodernden Feuer. Auf dem Hof versammelten sie sich – und wieder hörte Pat ihren Vater: »Ich will, daß sie alle sterben ...!« Reiterrudel schwärmten aus, verließen die Ranch. Ihr Vater war verschwunden. Nur die Ranchhelfer waren zurückgeblieben, und nur wenige Cowboys bewachten die Rinderherden in diesem Tal und in den Nachbartälern. Totenstille kehrte ein auf der Logan-Ranch. Ranchhelfer standen auf dem Hof neben Bit und Hope. Sie sprachen leise und bedrückt auf Pat ein. Schließlich richtete sie sich langsam auf, und die Ranchhelfer trugen den alten Hope vom Hof und dorthin, wo mehrere Kreuze standen. Dort lagen die Cowboys begraben, die im Laufe vieler Jahre im Kampf gegen Banditen, Viehdiebe und Indianer gefallen waren. Pat sah zu, wie die alten Männer das Grab aushoben. Im Tal glühte es noch. Behutsam legten die Männer den alten Hope in das Grab und deckten ihn zu. Dann warfen sie Erde in das Grab. »Ich glaub’, er hat das so gewollt«, sagte einer dumpf. »Ja«, krächzte ein anderer, »er hat es mir gesagt – vor ein paar Wochen schon. Er liebte das Leben, aber er wollte nicht im Bett sterben, hat er gesagt.« Ihre Worte sollten Pat trösten. Das Mädchen wußte es besser. Hope hatte an diesem Leben gehangen. Den Tod hatte er nie gesucht. Die letzte Schaufel Erde fiel auf das Grab, und die Ranchhelfer entfernten sich. Reglos verharrte Pat am Grab.
Mondlicht erhellte die Landschaft. Die Wölfe heulten auf den Bergzügen. Ein kalter Wind strich über die Gräber. Langsam schritt Pat vom Friedhof der Männer und blieb am Grab ihrer Mutter stehen, die schon lange in dieser Erde ruhte. »Er hat dich früh ins Grab gebracht, Mam«, flüsterte sie. »Er wird auch andere Menschen ins Grab bringen ...« Schweigend standen die Ranchhelfer auf dem Hof, als Pat zurückkam. Sie ging kraftlos in das Ranchhaus, tastete sich durch den dunklen Raum und ließ sich in einen Sessel fallen. Sie war so allein wie noch nie. Noch niemals hatte sie hassen können. In dieser Nacht begann sie, ihren Vater zu verabscheuen – und auch ein Haßgefühl war dabei. In der sengenden Hitze seines Hasses mußte sie verwelken wie eine Blume unter der glühenden Sonne. Der Haß schlug über ihr zusammen. Draußen in der Nacht jagten Reiter dahin … *** Schwer beladen rollte der Wagen durch das Flußbett. Nach Casa Grande war es noch weit. Hart trieb Gun Madley die Wagenpferde an. Immer wieder sah er zurück und unter den Planenhimmel, wo seine Söhne in Decken gerollt lagen. Neben dem Wagen ritt Angie Malone. Hinter dem Wagen liefen Daves und Billys Pferde. Besorgt blickte Angie zurück. Von Verfolgern war nichts zu erkennen. Der Wagen erreichte das andere Ufer und rollte auf dem staubigen Weg weiter nach Nordwesten. Schweiß lief über Guns Gesicht. Zum erstenmal hatte er Angst – Angst um seine Söhne. Angie sah ihm das an. »Wir kommen hin, Gun!« rief sie vom Pferd aus zu ihm hinauf. »Bald wird der Weg besser.«
»Du mußt jetzt wieder lenken, Angie«, antwortete er. »Komm ‘rauf!« Er hielt den Wagen nicht an. Angie ritt hart heran und kletterte vom Pferd aus auf den Wagen, nahm die Zügel und fuhr weiter, und Gun Madley sprang vom Wagen und in den Sattel, wendete sofort und ritt zur Seite. Dort schwang er das Lasso, riß Sträucher aus dem Boden und zerrte sie hinter sich her. Wieder verwischte er ihre Spuren. Angie hatte große Mühe, die Wagenpferde zu lenken, doch sie hielt sich tapfer und verbissen. Noch vor Morgengrauen hielten sie an. Madley befestigte das Lasso mit den Sträuchern am Wagen und ritt nach vorn. Schweißnaß und mit zitternden Flanken standen die erschöpften Wagenpferde im Geschirr. Angie wischte sich den Staub vom Gesicht. »Zum Henker, wir müssen es schaffen, Gun!« »Bald wird es hell, Angie«, murmelte er heiser. »Wirst du es allein schaffen bis Casa Grande?« »Mein Gott«, seufzte sie, »es muß ja sein, Gun!« Er stieg auf den Wagen und kroch unter die Plane, blickte in die grauen Gesichter seiner Söhne und preßte den Mund zusammen. Sie lagen schlafend vor ihm. Er mußte still von ihnen Abschied nehmen. Angie wartete. Schließlich kam er nach vorn gekrochen und setzte sich neben Angie auf den Bock des Wagens. »Bring sie nach Casa Grande, Angie«, sagte er schwer. »Sie dürfen nicht in den Sattel steigen und mir helfen wollen. Ihr müßt in Casa Grande bleiben, auch wenn Monate vergehen. Ich will nicht, daß Dave und Billy im Kugelhagel dieses verdammten Logan sterben.« Ernst sah sie in sein zerfurchtes Gesicht. »Denk auch an dich, Gun! Du denkst an andere, nur nicht an dich selber. Ich habe Angst um dich, und ich sorge mich um
deine Jungs. Du wirst zur Ranch zurückreiten und mit ihnen gegen Logan kämpfen.« »Yeah.« »Vielleicht sehen wir uns nie wieder«, flüsterte sie. »Der Gedanke daran kann mich verrückt machen.« »Ich komm’ schon durch, Angie. Ich muß sie von eurer Spur ablenken, das ist alles.« Er wollte vom Wagen steigen, als Angie seinen Arm ergriff. Er wandte ihr das Gesicht zu, und sie küßte ihn. »Ich weiß, daß du deine Frau Donna nie vergessen wirst, Gun, aber du sollst auch wissen, daß es eine andere Frau gibt, die dich immer geliebt hat und immer lieben wird.« »Angie ...« Er atmete schwer und sah in ihre blauen Augen. »Die alte Zeit ist wieder da, aber diesmal ist es anders. Ich werde an dich denken, wenn ich kämpfe.« »Sie werden dich hetzen, Gun! Wohin du auch reitest, du wirst immer ein paar von ihnen auf deiner Spur haben. Geh nach Süden, es gibt dort genug kleine Nester. Dort kannst du dich immer für kurze Zeit ausruhen. Aber traue den Mexikanern nicht ... und schon gar nicht den Amerikanern, die dort leben.« »Yeah, Angie.« In seinen grauen Augen wurde es auf einmal weich. So und nicht anders mußte er seine Frau angesehen haben. Er nahm Angie in die Arme, gab ihr einen Kuß und sprang dann vom Wagen. »Adios, Angie ...« Sie blickte auf ihn hinab und lächelte schmerzlich. »Adios, Gun – und sieh zu, daß du am Leben bleibst. Eine Hölle wartet auf dich. Und denk nicht zu oft an mich und an deine Söhne. Wir werden bald in Sicherheit sein.« Er nickte und stieg auf sein Pferd. Schwer hingen die Colts an den Oberschenkeln. Seine Hände glitten darüber, und düster flammte es in seinen Augen auf. Schon trieb er das Pferd an.
Angie richtete sich auf dem Wagen auf und sah ihm nach. Der Morgendunst schlug hinter ihm zusammen. Er war schon verschwunden ... Langsam setzte sie sich und blickte auf seine Söhne. »Angie Malone«, sagte sie, »jetzt mußt du zeigen, wer du bist!« Sie packte die Peitsche und schlug auf die Pferde ein. »Vorwärts!« schrie sie. »Lauft, ihr müßt noch eine Meile schaffen!« Sie zwang die erschöpften Pferde vorwärts und lenkte den Wagen in den grauen Morgen hinein ... *** »Verdammt«, flüsterte Joe und zog den Mund schief, »sind das nun Reiter – oder nicht? Ich fress’ meinen lausigen Hut, wenn das nicht Logans Leute sind!« »Dann friß’ ihn«, knurrte Ballard dumpf. »Sie sind es nämlich nicht. Das ist der verfluchte Dunst im Tal. Morgens zieht er immer den Talhang hoch. Er kommt wie eine dicke Brühe vom Fluß herüber.« »Ich kann nichts sehen«, fluchte Tom. »So eine Scheiße! Der Wind ist weg. Die Nebel hängen so dicht wie ‘ne Wand im Tal.« Die Tür des kleinen Ranchhauses stand weit auf. Niemand war im Haus. Das alltägliche Klappern von Geschirr war verstummt. Niemand kochte den Kaffee für das Frühstück. Im Stall standen die Pferde der Cowboys, rummsten manchmal gegen die Bretterwände der Boxen. Im feuchten Dunst machte sich der schwere, durchdringende Geruch des Weidelandes bemerkbar – ein Duft für jeden Cowboy. »Hört doch mal!« zischte Joe. Nebeneinander lagen sie am Rand des Hofes. Zwei Schritte trennten sie voneinander. Sie hielten ihre Gewehre bereit und starrten sich die Augen aus.
»Was ist denn?« fauchte Ballard gereizt. »Ich hör’ was!« »Du machst mich noch verrückt! Das sind die Vögel in den Bäumen am Fluß. Die Viecher werden jetzt munter, die Sonne wird bald aufgehen!« Aber Ballard war sich nicht ganz sicher. Er und die beiden anderen hörten zum erstenmal nach langer Zeit all die leisen und geheimnisvollen Geräusche der Natur ganz bewußt, sie registrierten sie so, als hätte es sie noch nie gegeben. »Logan müßte längst hier sein«, raunte Tom und legte das Gewehr auf den erkalteten Boden. »Oder er hat erst seinen Sohn begraben. Was meint ihr?« »Ist mir scheißegal«, knurrte Joe. »Ich weiß nur, daß er kommen wird.« Sie schwiegen. Keiner gab zu, daß er sich verdammt mulmig fühlte. Damals waren sie als Banditen geritten. Gemordet hatten sie nie. Nach dem Bürgerkrieg waren viele Männer zu Banditen geworden. Seinerzeit hatten sie geraubt, sich was zum Essen geklaut. Die tödliche Gefahr, die sich an diesem grauen Morgen zusammenbraute, hatten sie noch nie erlebt. Die Nebelschwaden verdichteten sich. Der Wind war gestorben. Im Tal murrten dumpf die Rinder. Vögel stiegen aus den Baumkronen am Fluß und flatterten davon – so plötzlich, als wären sie hochgescheucht worden. Nirgendwo erklang Hufschlag. »Gun Madley wollte zurückkommen«, flüsterte Tom. »Yeah, bestimmt kommt er – aber nicht rechtzeitig. Er muß doch erst den Wagen in Sicherheit gebracht haben – und dann muß er noch den ganzen Weg zurückreiten.« »Mann, halt doch mal die Schnauze!« Ballard wälzte sich auf die Seite und richtete sich auf, stand gebeugt und angespannt im Dunst und horchte. »Nein, nichts. Ich dachte
schon an Indianer. Die haben sich immer ‘rangeschlichen, lautlos wie Schatten ...« Er streckte sich wieder am Boden aus, und die Männer lagen still, stierten umher und horchten. Keiner sagte, daß sie verschwinden, die Ranch einfach aufgeben könnten. Keiner schlug vor, sich in Sicherheit zu bringen. Niemand sagte, daß es doch nicht ihre Sache wäre, für eine verlassene Ranch zu kämpfen. Sie blieben einfach und hatten sich hier im Tal festgebissen, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. Big Logan war unterwegs. Mit ihm ritten Männer, die vor nichts zurückschreckten und alles taten, was Logan verlangte. Noch waren sie nicht zu sehen und zu hören. Im Tal war es ruhig wie im tiefsten Frieden. Drei Cowboys gegen eine Übermacht von hemmungslosen Schießern ... »In Phoenix hatte ich mal ein Girl«, murmelte der blonde Tom versonnen, »das war goldrichtig. Ich hab’ es drei Tage lang geliebt und konnte danach kaum noch gehen. Versteht ihr das?« Ballard grinste schief und warf Joe einen Blick zu, und Joe griente genauso schief und sagte: »Nein, natürlich nicht, Tom ... Was hast du denn gemacht. Mann, erzähl doch mal!« »Das willst du nur hören, wie? Ich werde dir was husten, du Arschgeige! Du willst wieder mal deine faulen Witze machen. Ein Girl wird dich nie mit ins Bett nehmen. In deiner Seele ist es so dunkel wie in einem Rinderarsch!« »Er meint es ganz ehrlich, Tom«, sagte Ballard scheinheilig ernst, »wirklich, es ist so! Joe hat noch nie ein Girl gehabt. Er weiß gar nicht, wie so ein Girl gebaut ist. Frag ihn doch!« »Ihr wollt mich nur aufziehen«, knurrte Tom »Das alles ist ein kleiner Spaß vor dem Sterben, wie?« »Aber nein, Tom!« grinste Joe. »Ich schwör’s dir!« Tom wollte deftig antworten. Ihr ganzes Gerede sollte sie entspannen. Sie wollten für Sekunden mal nicht an den Angriff
denken. Aber Tom blickte zum Talrand – und plötzlich versteifte er sich. »Aufpassen!« zischte er. Sie stierten durch den Dunst. Der Talrand war nur verschwommen zu erkennen. Die Konturen der Felsen, Bäume und Sträucher waren verwischt. Gespenstisch zogen die Nebel davor entlang, hüllten alles ein. Gestalten in weißen Schleiern schienen am Talrand entlangzutanzen. Kein Laut war zu hören. »Ich werde noch verrückt!« flüsterte Joe. »Diese dreimal verfluchten Hundesöhne sollen doch endlich kommen! Sie müßten längst hier sein! Warum kommen sie denn nicht?« »Behalt die Nerven, Joe!« warnte Ballard. »Vielleicht will Logan uns verrückt machen! Er weiß doch nicht, daß der Boß mit Gun Madley und dessen Söhnen weggefahren ist. Natürlich glaubt er, daß wir alle im Haus sind. Und er kann sich doch vorstellen, daß wir die Knarren bereithalten!« »Scheiße!« sagte Joe aus tiefstem Herzen. »Ein hartes Wort für ‘ne weiche Sache«, murmelte Tom und hob das Gewehr an. »Ich wette, daß sie schon da oben sind!« In diesem Moment, er hatte kaum ausgesprochen, erschien dort am Talrand ein Reiter, war kaum zu erkennen, verhielt zwischen den Felsen. »Da ist einer!« zischte Joe und atmete gepreßt ein. »Er glotzt herüber! Natürlich kann er uns nicht sehen ...« »Nicht schießen«, knurrte Ballard. »Wir lassen sie nahe genug herankommen, damit wir ihnen das Blei in die Schädel jagen können! Schießt bloß nicht vorbei, Jungs! Jede Kugel zählt.« Sie richteten sich steif auf, duckten sich, hockten auf dem Hof und beobachteten die fernen Reiter. Sie taten genau das, was Logan wollte ... Der Reiter blieb wie festgenagelt am Talrand. Sekunden später tauchte ein zweiter Reiter auf, der neben ihm das Pferd zügelte. Ob der erste oder der zweite Big Logan war, war nicht
auszumachen. Ballard wollte gerade sprechen, als der dritte Reiter erschien. Mehr kamen nicht ... »Gleich wird es hell«, raunte Ballard. »In ‘ner halben Stunde zieht der Dunst hoch. Sie müssen jetzt kommen, wenn sie eine gute Chance haben wollen!« »Verdammter Mist!« Tom blickte schnell umher. »Wir sollten im Haus verschwinden! Hier auf dem Hof haben wir keinen Deckung!« Ballard und Joe nickten. Langsam schlichen sie über den Hof. Und da geschah es ... Am Stall tauchten mehrere Männer zu Fuß auf, die sich lautlos herangeschlichen hatten. Mündungsflammen stachen orangefarben durch den Dunst. Aufschreiend brach Tom zusammen, schlug der Länge nach hin und rollte tot über den Boden. Joe und Ballard feuerten sofort zum Stall hin und hetzten zum Haus. Ihre Schüsse zwangen die Logan-Cowboys zurück. Nur noch ein paar große Sprünge – dann hätten sie das rettende Haus erreicht. Da krachte ein einziger Schuß neben dem Ranchhaus – und Ballard entkam der Kugel nicht, klappte zusammen und stürzte in den Tod hinein. Als einziger erreichte Joe das Haus, warf sich hinein und rollte zur Seite, schrie wie verrückt, sprang hoch und schlug die Tür zu. Blei knallte in die Tür hinein und bohrte sich mit dumpfen Schlägen durch das Holz ... Joe war allein. Draußen schwiegen die Waffen. Er hörte dumpfes Dröhnen. Viele Reiter stürmten in das Tal. Hufe donnerten über den Boden, und eine heisere Stimme schrie voller Bösartigkeit. Der Cowboy warf sich an die Wand und zertrümmerte das Fenster mit dem Gewehrlauf. Er sah draußen auf dem Hof
Ballard und Tom liegen, und der Anblick wollte ihm das Herz zerreißen. Schüsse peitschten herein ... Joe stöhnte, lehnte hart an der Wand und ließ das Blei vorbeijagen. Die Kugeln klatschten in die gegenüberliegende Wand und durchschlugen die Töpfe auf dem Herd, rissen ein Bild herunter und drangen in eins der Schlaflager hinein. Viele Hufe dröhnten auf dem Hof. Reiter hetzten vorbei und schossen ins Haus, verschwanden hinter Stall und Haus und kamen zurück. »Ihr Hunde!« krächzte Jo. »Ein paar von euch nehme ich noch mit!« Er stieß das Gewehr hinaus und schoß auf die Reiter – und drei riß es aus dem Sattel. Schon war Joe wieder in der Deckung, stierte schräg durch das Fenster und wischte sich den Schweiß vom Gericht. Wieder kamen ganze Salven. Dennoch hörte Joe, daß ihre Pferde aus dem Stall geholt wurden. Jede Chance war ihm genommen. Er mußte ausharren – und am Ende stand der Tod. Schlagartig war es still. »Ihr kommt nicht mehr raus!« brüllte Logan über den Hof. »Sei vernünftig, Angie Malone! Gib auf, und komm raus! Und auch die anderen!« Schweigen war die Antwort. Joe kauerte am Fenster und zitterte vor Anspannung. Immer größer wurde in ihm die Angst, gegen die er sich nicht wehren konnte. Er hatte viele unerbittliche Gegner ... Draußen rief jemand mit verhaltener Stimme. Es war irgendein Cowboy, der Logan verständigte, und dann polterten Hufe davon ... Big Logan ritt mit zwei Revolverschwingern durch das Flußtal. Am Talhang verhielt ein knochiger, alter Mann zu Pferd. Matt schimmerte der Stern im Frühlicht.
»Was willst du?« knurrte Logan. »Willst du dich als Sheriff aufspielen, he? Verschwinde, sonst jag’ ich dich aus den Socken!« Die Revolverschwinger grinsten. Die Hände hielten die Colts. Mit flackernden Augen blickte der Sheriff den Rancher an. »Das dürfen Sie nicht tun, Mr. Logan«, sagte er mit schwankender Stimme. »Angie Malone hat Ihnen doch nichts getan!« »Du Narr!« grollte Logan wütend. »Nichts getan, he?« Wild deutete er zur kleinen Ranch hinunter. »Da unten stecken drei Fremde! Sie sind mit einem Wagen erst vor kurzem in der Stadt gewesen! Jetzt stecken sie da unten. Der Kerl hat zwei Söhne. Einer von ihnen hat meinen Jungen erschossen! Drüben zwischen den Hügeln. Und da sagst du alter Dummkopf, daß ich das nicht tun darf?« »Es ist gegen das Gesetz, Mr. Logan.« »Das Gesetz bin ich! Verschwinde!« »Nein, Mr. Logan – das Gesetz vertrete ich. Und ich weiß, wer der Fremde ist, der mit seinen Söhnen in dieses Land gekommen ist. Mir wollte es erst nicht einfallen, ich habe darüber nachgedacht, gegrübelt, stundenlang – jetzt weiß ich es.« Logan verengte die Augen. »Von mir aus kann es der Präsident sein! Ich will den Mörder meines Sohnes – und ich kriege ihn! Ihn und die anderen. Und wenn die Malone nicht rauskommt, geht sie mit dabei drauf!« Graue Flecken waren auf dem Gesicht des alten Sheriffs. »Der Fremde ist Gun Madley, Mr. Logan«, sagte er dumpf, »einer der größten Revolvermänner unserer Zeit. Wenn er da unten ist, dann wird er nicht lange warten, dann wird er herauskommen und schießen – und Sie werden viele Männer verlieren!«
»Madley?« Logan grübelte. »Ich hab’ schon von ihm gehört. Ja, ich erinnere mich.« Kalt starrte er den Sheriff an. »Wir haben schon genug Revolvermänner in diesem Land! Diesmal werden Madley die Colts nichts nützen! Und jetzt verschwinde, verkriech dich im Office und halt das Maul!« Hart riß er das Pferd herum und ritt hinunter. Die Revolverschwinger grinsten heimtückisch und bewegten auffordernd die Colts. Langsam senkte der Sheriff den Kopf, zog sein Pferd müde herum und verließ das Tal. Er war ein alter, geschlagener Mann, dem die Kraft zum Widerstand fehlte ... Joe harrte noch immer tapfer am Fenster aus und wartete. Draußen klirrten Sporen und wurden Gewehre durchgeladen. »Angie Malone! Gib endlich auf, und komm raus! Ich will die verdammten Mörder haben, nicht dich!« Heiser und bissig tönten die Worte durch die Morgendämmerung. Hinter diesen Worten gab es keine Menschlichkeit und kein Erbarmen. Und Joe, der allein war, dem niemand helfen konnte, schwieg. Was er auch antworten würde, Logan würde ihm nicht glauben. Vorsichtig beugte er sich vor und blickte schnell hinaus. Der Platz vor dem Haus war leer, doch überall war Sporengerassel. Die Pferde der Angreifer mußten abseits gebracht worden sein. Es roch nach Pulverrauch. Tom und Ballard waren im sich verdichteten Dunst kaum mehr zu erkennen. Urplötzlich peitschten wieder Schüsse auf. »Schießt die Ranch zusammen!« brüllte Logan wutentbrannt. »Laßt nichts mehr stehen!« Blei hämmerte gegen die Tür. Fensterglas fiel klirrend herein. Die Gardine wurde von unzähligen Kugeln durchlöchert und zerfetzt. Joe konnte nicht hinausschießen, er mußte sich hart an der Wand in Deckung halten. Während die Schüsse pausenlos krachten, hasteten Männer über den Hof. Dann krachte es laut gegen die Tür. Mehrere
Logan-Cowboys hatten sich gleichzeitig mit voller Macht gegen die Tür geworfen. Doch die Tür hielt stand. Auf einmal roch Joe den Rauch. Der Stall brannte. Einsam kauerte er im Haus und lud das Gewehr durch. Seine Hände zitterten. Er atmete gepreßt und unregelmäßig. Die Angst umkrallte ihn. Er konnte sich nicht dagegen wehren. Fieberhaft überlegte er, was er tun könnte. Schon schleuderten die Angreifer lodernde Fackeln auf das Haus. Die Flammen fraßen sich in das Dach hinein, und Joe sah über sich die ersten Flammen. Qualm drang ins Haus ... »Gerechter!« stöhnte er. »Sie wollen mich ausräuchern ...« Draußen war es still geworden. Niemand schrie, niemand schoß. Joe wußte genau, daß die Angreifer nun auf der Lauer lagen und warteten. Mehr brauchten sie nicht zu tun. Ihre Waffen waren auf das Haus gerichtet. Der Qualm breitete sich immer mehr aus, und über Joe wurde es heiß. Er begann zu husten. Die Augen tränten ihm. Krampfhaft hielt er das Gewehr. Langsam ging er in die Knie und flüsterte Worte, die niemand hörte ... Groß und breitbeinig verharrte Logan abseits. Der Stall brannte lichterloh. Roter Flammenschein drang durch den Dunst. Im Osten erhellte sich der Himmel, und erster Sonnenschein floß über die Hügel und Höhenzüge. »Warum kommen sie nicht raus?« krächzte er verständnislos. »Wollen sie alle verbrennen?« »Die kommen schon noch, Boß«, sagte einer der Revolverschwinger heiser. »Lange halten sie es nicht mehr aus ...« »Ich will endlich Schluß machen mit dieser verfluchten Bande!« murmelte Logan dumpf. »Ich brauche keinen Nachbarn! Vor ein paar Jahren hat niemand es gewagt, sich hier anzusiedeln. Alle haben jämmerliche Angst vor den
Indsmen und Bravados gehabt. Ich habe das Land nicht für Nachbarn freigeschossen!« Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da Männer wie Logan als Pioniere um jeden Yard Boden gekämpft hatten. Sie waren dabei rücksichtslos vorgegangen, und die Weißen, die den Spuren dieser gewalttätigen Männer folgten, hatten sie bewundert. Doch jetzt begann eine andere Zeit, in der die Gewalt nicht ein Gebot der Stunde war. Männer wie Logan wollten das nicht wahrhaben. Sie lebten mit der Gewalt weiter. Logan sah in seinem gnadenlosen Handeln nichts Böses. Er glaubte, so handeln zu müssen. Sein Haß war nicht mehr zu erlöschen ... Das Dach brannte. Feuerstöße fuhren in das kleine Ranchhaus. Die Hölle umgab den einsamen Cowboy. Er hustete und röchelte nach Luft. Vor seinen Augen verschwamm alles. Mit letzter Kraft schleppte er sich zur Tür und zerrte den Riegel aus der Halterung, drückte die Tür auf und taumelte hinaus. »Nicht ... schießen!« schrie er erstickt. »Nicht ...« Schüsse übertönten seine Worte. Er zuckte zusammen, sank auf die Knie und ließ das Gewehr fallen. Das Leben in seinen Augen erlosch. Ganz langsam fiel er nach vorn und auf die zerstampfte Erde des Hofes ... Waffen waren auf die Tür gerichtet. Logans Schießer warteten auf den Ausbruch der anderen. Aber niemand kam – und Logan stand da und schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht verstehen. Mit einem Aufschrei trieb er seine Männer zum Haus. Drei sprangen hinein und kamen sofort wieder heraus, husteten und fluchten. »Sie sind weg!« Feuerschein geisterte über Logans verbissenes Gesicht hinweg. Der aufkommende Morgenwind bewegte sein strähniges Haar. In den Augen flackerte es düster auf. Schweigend wandte er sich ab und stapfte zu seinem Pferd.
Weit abseits sammelten sie sich. Fragend und abwartend blickten sie zu Logan hin. »Sie sind geflüchtet«, sagte er mit rasselnder Stimme. »Wir müssen sie suchen! Sie dürfen uns nicht entkommen. Wir werden uns auf dem ganzen Land verteilen. Fünf Suchtrupps reiten nach allen Richtungen. Jagt sie, bis sie tot vor euren Stiefeln liegen, und bringt sie mir!« Einer der Revolverschwinger hob die Hand an. »Boß, was soll mit dieser Malone geschehen, wenn wir sie haben?« Logan zog die Mundwinkel abwärts. »Ich sagte: ›...bis sie tot vor euren Stiefeln liegen‹! Worauf wartet ihr noch, he? Fünfhundert Dollar für den, der mir den Mörder meines Sohnes bringt!« Im hellen Schein der aufgehenden Sonne jagten die Reiterrudel auseinander. Die Menschenjagd hatte begonnen. Ein einziger Mann konnte den Verfolgern unmöglich entkommen, wenn er nicht dazu geboren war, Terror und Gewalt zu brechen. Nur sekundenlang verhielt Logan am Talrand. Die kleine Ranch der Angie Malone ging in Flammen auf. Unbewacht standen die Rinder im Tal. Der Rauch stieg in den Morgenhimmel und mit ihm die Hoffnung einer Frau auf ein besseres Leben … *** Dumpf tappten die Hufe über den Talrand und verstummten zwischen den Felsen. Die sehnige Rechte hielt die Winchester, und graue Augen starrten zur abgebrannten Ranch hinunter. »Zu spät«, flüsterte Gun Madley mit trockener Stimme und fuhr mit der Linken über die Augen, als müßte er ein schreckliches Bild hinwegwischen. »Er hat es wirklich getan ...«
Die Rinder murrten. Sonst war es totenstill im Tal. Lange harrte Gun Madley oben am Talrand aus und beobachtete, horchte und witterte in den raunenden Morgenwind – dann ritt er abwärts und erreichte die noch schwelenden Ruinen. Drei Männer lagen entseelt auf dem Hof. Die Logan-Cowboys, die bei diesem Überfall ums Leben gekommen waren, lagen nicht mehr hier. Gebeugt saß Gun Madley im Sattel. Lang fiel sein Schatten über den Hof. »Joe, Tom und Ballard«, murmelte er dumpf und schluckte. Eine solche Männertreue hatte er noch nicht erlebt. Drei ehemalige Banditen waren für Angie Malone in den Tod gegangen ... Gerade ihr Tod bewies, wie treu und tapfer Menschen sein konnten. Ihr Tod war mehr als nur das Ende ihres Lebens. Die Stille war bedrückend. Etwas Rauch zog noch aus den Aschenhaufen hervor. Gewehre lagen im Sand. Heiß war die Sonne. Langsam glitt Gun Madley aus dem Sattel und schritt umher, beugte sich über die drei Cowboys und atmete gepreßt. Er hatte sie nicht lange gekannt, und doch war es ihm so, als wäre er jahrelang mit ihnen gemeinsam geritten. Sie hätten aufgeben und verschwinden können – und dann wäre Logan sicherlich schon auf der Spur des Wagens. Aber diese drei Männer hatten durchgehalten und dadurch Gun Madleys Söhne gerettet. Gun wußte nicht, wohin die einzelnen Reiterrudel geritten waren. Er wußte auch nicht, ob Angie es allein schaffen und den Wagen mit seinen Söhnen nach Casa Grande bringen würde. Er durfte nicht nach Casa Grande reiten. Es gab keine Verbindung mehr zu ihnen. Vielleicht gerieten sie in das Feuer der Verfolger hinein. Was ihm blieb, war die Hoffnung.
Er mußte diesen Männern ein Grab geben. In einer Stunde schon würden die ersten Totenvögel am Himmel über dem Tal kreisen ... Dort, wo der kleine Korral war, fand er eine Schaufel. Dort hatte Ballard vor kurzem noch einen neuen Pfahl in den Boden gelassen. Und dort am Korral begrub er sie nebeneinander, ließ die Schaufel fallen und nahm den Stetson ab. Der Wind trieb Staubwirbel heran und um seine langen Beine. Die Sonne brannte in seinem steinernen Gesicht. Pferdegewieher drang herüber. Im Nu hatte Madley seine Winchester an sich gerissen und angeschlagen. Am Talrand zeigte sich ein einsamer Reiter, der nun langsam herunterkam. Gun senkte die Winchester, hob den Stetson auf und stapfte zu seinem Pferd. Dicht neben dem Tier blieb er stehen und beobachtete den Reiter mit kalten Augen. Der Mann verhielt am Rand des Hofes und zog die knochigen Schultern an. Leer sah er umher und schüttelte sich plötzlich wie unter einem eisigen Windstoß. »Ich weiß, daß Sie mich verachten, Madley«, sagte er in die Totenstille hinein, »daß Sie mich so sehr verachten, daß Sie keine Träne über meinen Tod weinen würden. Aber ich bin alt, meine Kraft ist dahin, ich bin ein Feigling geworden. Muß ein Mann immer mutig sein, bis an sein Ende? Verachten Sie mich ruhig, Madley. So wie Sie bin ich nie gewesen, aber ich habe in diesem Land auch einmal gekämpft. Es war nicht immer so wie jetzt ...« Gun stieß die Winchester in den Scabbard und schüttelte den Kopf. »Ich will nichts davon hören, Sheriff.« »Das glaube ich Ihnen«, flüsterte der alte Sheriff bitter. »Ich war heute vor Morgengrauen schon einmal in diesem Tal.
Logans Revolverschwinger haben mich davongejagt. Logan wollte nichts von mir hören. Ich wollte ihn überreden, diesen Kampf aufzugeben, aber man hat ihm den Sohn erschossen. Sein Haß ist groß. Er wird Sie und Ihre Söhne umbringen – wenn er es nicht schon getan hat.« Der Blick des Sheriffs streifte unruhig die Gräber. »Nein, Sheriff, sie leben. Hier liegen drei Cowboys. Miß Malone ist auf dem Weg in Sicherheit.« »Mein Gott, das zu hören ist gut! Ich dachte schon ...« Der Sheriff seufzte schwer. Sein Gesicht war voller grauer Flecken. »Ich kann nichts für Sie tun, Madley. Man hat mir gesagt, daß Ihr Sohn Logans Sohn erschossen hätte.« »Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen, dann fragen Sie Logans Tochter. Sie ist dabeigewesen.« Gun stieg aufs Pferd und packte den Zügel. Der Sheriff nickte zögernd. »Well, ich frag’ sie, aber die Wahrheit wird nichts nützen. Logan hat die Macht. Er schreckt vor nichts zurück. Was er hier getan hat, schreit zum Himmel. Verlassen Sie mit Ihren Söhnen dieses Land, Madley. Selbst der beste Revolvermann kommt nicht gegen eine schießwütige Meute an!« Madley schwieg und ritt an. Der Sheriff blickte noch einmal umher, dann folgte er Madley, und beide ritten schräg durch das Tal. Sie näherten sich dem Talrand und den bizarren Felsen. Dort hielten sie an. Der Sheriff wischte sich das Schweißband des Stetsons trocken. »Und trotz allem, Mr. Madley – ich will Ihnen helfen, wenn ich es kann. Sagen Sie mir, was ich tun kann, und ich werde es tun.« »Reiten Sie in die Stadt zurück.« »Ist das alles? Ist Ihre Verachtung wirklich so groß?« »Ich verachte Sie nicht mehr, aber legen Sie den Stern ab.« »Wenn Sie es sagen, dann werde ich es tun.«
Sie ritten weiter und zum Fluß. Unter den Bäumen stiegen sie ab und ließen die Pferde saufen. Plötzlich knackte es in der Nähe. Der Sheriff stand dicht neben Madley, als das Geräusch zu hören war. Schon wollte Gun nach den Colts greifen, als eine harte Stimme aus dem Unterholz tönte. »Keine Bewegung, Madley! Ich hab’ dich genau vor dem Lauf!« Erschrocken wich der Sheriff zur Seite. Gun stand still. Die Hände hingen dicht an den Colts und waren leicht geöffnet. Rauch schien in seinen grauen Augen zu sein. Der düstere Blick erfaßte die beiden Männer, die hinter den Bäumen hervortraten. Beide hatten ihr Gewehr auf ihn gerichtet. Er kannte sie nicht, doch sie gehörten zu Logans Leuten. Beide grinsten bösartig. »Der Boß hatte also recht, als er uns hier zurückließ«, sagte einer von ihnen schleppend. »Du bist Madley!« »Yeah, der bin ich.« Guns Stimme klang kalt und voll. Nichts von Furcht war ihm anzumerken. In wenigen Sekunden hatte er die Männer richtig eingeschätzt. Sie würden sofort auf ihn schießen. »Fündhundert Dollar gehören uns«, grinste der andere zynisch. »Soviel ist dein Kopf wert, Madley.« Es gab kein Entkommen. Selbst wenn Gun Madley so schnell wie nie zuvor die Revolver ziehen würde, er könnte einer Kugel nicht entrinnen. Das wußten auch diese beiden Männer. Ihr heimtückisches Grinsen verriet die Welt ihrer schlimmen Gefühle. Bluthunde, von der Kette gelassen ... Der Sheriff atmete pfeifend und schüttelte den Kopf. »Laßt es sein, Jungs. Ihr könnt ihn doch nicht einfach abknallen!« »Halt’s Maul, Alter! Mit dir reden wir noch. Du jämmerlicher Feigling hast noch nicht einmal den Mut gehabt,
Madley in den Rücken zu schießen! Wir haben euch genau beobachtet. Mr. Logan wird dich in die Hölle jagen, verlaß dich drauf!« »Seid doch vernünftig, Jungs! Wegen fünfhundert Dollar legt man doch keinen Menschen um!« »Die beiden werden es tun, Sheriff«, murmelte Gun frostig. »Sie sind eben Dreckskerle. Gehen Sie zur Seite, Sheriff, sonst erwischt es auch Sie.« »Er hat recht, Sheriff«, höhnte einer der Männer. »Bring deinen müden Kadaver aus der Schußrichtung. Du hängst doch wie ‘ne Ratte an deinem jämmerlichen Leben.« »Ja«, flüsterte der Sheriff, »das tue ich! Das Leben ist besser als der Tod.« »Davon verstehen wir einiges, Sheriff. Wir werden Madley umlegen. Sein Tod bringt uns was ein.« Gun stand in einer ausweglosen Situation. Er haßte diese beiden Männer nicht. Logan hatte ihnen seinen Haß eingeimpft. Sie waren Handlanger, gekaufte Schießer – billige und bösartige Kerle. Ihnen ging es um das Geld. »Ich gebe euch tausend Dollar«, sagte Gun leise, »wenn ihr mit mir reitet und mir zeigt, wo Logan ist.« Sie stierten ihn seltsam an. »Du willst dich freikaufen, Madley? Darauf fallen wir nicht ‘rein. Wenn wir dir den Rücken kehren, dann legst du uns um, wie? Such dir einen besseren Trick aus! Ein Kerl wie du hat nicht tausend Dollar bar bei sich oder sonstwo. Du hast nichts als deine Colts.« Der Kerl hatte recht. Gun führte das Geld nicht mit sich – und das Geld sollte schließlich für den Aufbau einer kleinen Ranch verwendet werden, es lag auf dem Wagen, der nach Nordwesten rollte. Aber wären diese beiden Männer einverstanden, er hätte ihnen das Geld gegeben, denn seine Söhne und Angie waren ihm wichtiger und wertvoller als alles andere.
Noch immer stand der Sheriff neben ihm. Der Alte zitterte in seiner Verkrampfung. Sie verachteten und mißachteten ihn so sehr, daß sie gar nicht auf ihn aufpaßten, als wäre er nur Luft. Langsam senkte er den Kopf. Er hörte die Worte zwischen Gun Madley und den Männern, ihr heiseres Auflachen – und er begriff, daß er am Ende seines Weges stand, daß er so nicht mehr länger frei leben könnte. Nur ein einziges Mal noch wollte er dieser Welt zeigen, was er einst gewesen war. »Ihr verschwindet jetzt!« krächzte er. »Ihr nehmt eure Gäule und reitet davon! Madley ist mein Gefangener. Er kommt freiwillig mit mir in die Stadt, damit dort geklärt wird, wie Humphrey Logan ums Leben gekommen ist.« Sie stierten ihn an, und ihr Grinsen gefror. »He, was ist denn mit dem los? Der ist verrückt geworden!« »Yeah, total übergeschnappt. Los, verschwinde, du Krücke!« Der Sheriff nickte. Er warf Gun Madley einen seltsamen Blick zu, als wollte er von ihm für immer Abschied nehmen, wandte sich halb um und tat so, als würde er sich auf sein Pferd ziehen wollen – doch urplötzlich langte er zum Colt, drehte sich um und wollte abdrücken ... Sie schossen auf ihn. Nur eine einzige Sekunde lang – und als sie die Gewehre herumrissen und auf Gun Madley schießen wollten, schlug ihnen das Feuer aus den Colts entgegen. Der Tod ereilte sie so plötzlich, daß sie noch nicht einmal aufschreien und abdrücken konnten. Sie stürzten zurück in das niedere Geäst des Unterholzes ... Schon kniete Gun neben dem alten Sheriff. Der Mann mit dem Stern konnte schon nicht mehr sprechen. Sein erlöschender Blick traf das harte Gesicht des Revolvermannes, und ein fernes Lächeln war in seinen Augen. Mit einem verhaltenen Seufzer starb er im Schatten der Bäume ...
»Danke, Alter«, flüsterte Gun, während das Echo der Schüsse in der Flußniederung hallte. »Du warst ein mutiger Mann.« Irgendwo weitab fielen Schüsse. Er richtete sich auf. Zeit, um den Sheriff zu beerdigen, hatte er nicht. Andere Verfolger waren am Fluß. Irgendwer hatte die Schüsse abgegeben, um die Reiter heranzulocken. Ohne Eile und mit sicheren Bewegungen saß Gun auf und ritt in das seichte Wasser hinein. Kaltblütig rechnete er sich seine Chancen aus. Er mußte die Meute hinter sich herlocken, sollte Angie mit dem Wagen Casa Grande sicher erreichen. So folgte er dem Fluß aufwärts, blieb aber noch in der Nähe, verhielt schließlich und horchte angespannt. Bald hörte er Hufe durch das steinige Flußbett poltern und Stimmen von Männern, die sich verständigten. Sie hatten den Sheriff und die beiden anderen Männer entdeckt und suchten jetzt das Flußgebiet nach ihm ab. Er schoß einmal in die Luft und ritt weiter – und sie kamen ihm nach. Stetig ritt er im Fluß entlang. An einer steinigen Stelle rutschte er vom Pferd, tauchte den Stetson ins Wasser und kippte den Schwall Wasser auf die felsige Uferstelle. Sodann ritt er im Fluß weiter. Die Verfolger erreichten die Stelle, sahen die nassen Felsen und trieben die Pferde aus dem Fluß ... Langsam zog Gun Madley weiter, verließ das Wasser und ritt zwischen die Hügel. Dort in der Einsamkeit rastete er, saß auf einem Hügel und befand sich in der Deckung dichter Strauchgruppen. Bedächtig stieß er die Hülsen aus den Trommeln der Colts und schob neue Patronen in die Kammern. Bald vernahm er Hufgetrappel. Vorsichtig kroch er um die Sträucher und beobachtete, wie vier Reiter durch die Hügelwelt zogen.
Logans Leute. Jeder dieser Männer war sein Feind. Sie würden ihn töten, und er durfte nicht hoffen, auf einen Hauch von Menschlichkeit zu stoßen. Schon holte er die weitreichende Winchester hervor, legte an und zielte genau. Blitzschnell feuerte er, und verwundet stürzten die Verfolger aus dem Sattel, torkelten zwischen das Gestrüpp und verschwanden. Sie würden Logan verständigen, daß er noch in dieser Gegend war – und genau das wollte er! Als er den Hügel verließ, machte er sich keine Mühe, die Spur zu verwischen. Um das Pferd zu schonen, ritt er langsam und lenkte es nach Südwesten – hinein in die öde, trostlose Region der roten Felsen und heißen Steinwüsten. Schon bald würden die Verfolger wieder hinter ihm sein. Sein höllisches Spiel um Leben und Tod könnte ihm schnell zum Verhängnis werden … *** »Um Himmels willen, auch das noch!« Stöhnend wischte Angie mit dem Handrücken über die schweißglänzende Stirn und stieg vom Wagen. »Diese verdammte Kiste muß ausgerechnet jetzt ihren Geist aufgeben!« Lange betrachtete sie das gebrochene Wagenrad. Beim Anblick des Rades könnte sie die Hoffnung verlieren. Sie lehnte sich an den Wagen und schloß die Augen. Allmählich entspannte sich das Gesicht. »Es muß weitergehen«, flüsterte sie. »Dann müssen die Jungs eben reiten ...« Sie war ziemlich erschöpft. Der Gedanke an die Verfolger trieb sie wieder hoch. Sie kletterte auf den Wagen und unter die Plane.
»Wie geht’s dir?« Fragend sah sie Dave an. »Hast du große Schmerzen?« Dave verbiß die Schmerzen. Er drehte den Kopf und blickte zu seinem Bruder hinüber. Billy lag schlaff auf den Decken. Das blonde Haar klebte naß auf der Stirn. Er hatte ein eingefallenes, blasses Gesicht und lag wie tot da. »Es geht schon, Miß ...« »Ich bin für euch Angie. Ein Wagenrad ist gebrochen. Wirst du reiten können, Dave?« »Ich muß es versuchen, Angie ...« »Komm, ich helfe dir.« Doch schon beim ersten Versuch, Dave aus dem Wagen zu bringen, sah Angie ein, daß es sinnlos war. Wenn Dave schon nicht die Kraft dazu hatte, dann erst recht nicht Billy. »Bleib liegen, Dave.« »Ich schaff’ es schon.« »Nein. Mach dir nichts vor. Ich muß allein weiter und Hilfe holen. Bis nach Casa Grande ist es nicht mehr weit. Du mußt auf deinen kleinen Bruder aufpassen, Dave ...« Er lächelte verzerrt und lehnte schwer an der Wagenwand. Tiefe Schatten lagen unter den Augen. »Du bist schwer in Ordnung, Angie ... Wo ist Dad?« »Er ist zur Ranch zurückgeritten, Dave.« Ernst sah sie hinaus. Die sandigen Hügel lagen unter der Hitze des Nachmittags. Weit und breit gab es keine Behausung. »Joe, Ballard und Tom sind dort geblieben. Wenn alles gutgegangen wäre, hätten sie schon hiersein müssen. Wir müssen uns auf das Schlimmste gefaßt machen, Dave. Mein Gott, mir ist doch genauso zumute wie dir, Dave! Wir müssen jetzt an uns denken, verstehst du – nur an uns, auch wenn das noch so grausam klingt.« Sie verließ den Wagen und verharrte unter den Bäumen. Der Fluß war in der Nähe. Mühsam zerrte sie Gestrüpp aus dem
Boden und befestigte es an der Plane, tarnte den Wagen und spannte dann die Wagenpferde aus. Schließlich zog sie Daves Pferd neben den Wagen. Dann brachte sie Dave und Billy genug Wasser und legte Proviant griffbereit neben sie. »Gib mir die Waffen!« flüsterte Dave. Sie zog die Waffen heran und blickte ernst in Daves Gesicht. »Ich weiß nicht, wann ich zurück sein werde, Dave. Es können zwei Tage vergehen.« »Wir warten hier«, sagte Dave gepreßt und richtete den Oberkörper unter Schmerzen auf. »Sei vorsichtig, Angie! Vielleicht warten Logans Reiter schon in Casa Grande!« Sie nickte, strich durch sein Haar und lächelte tapfer. Dann verließ sie den Wagen, stieg auf das Pferd und trieb es hart an. Im Galopp jagte sie durch das heiße Land. Horchend lag Dave auf dem Wagen. Er hörte die Pferde fressen und seinen Bruder schwer atmen. In Gedanken war er bei seinem Vater. Das Schicksal zwang Gun Madley, nach den Colts zu greifen. Was aus ihrem Vater geworden war, wußte Dave nicht. Ringsum war es einsam. Und Angie jagte nach Nordwesten, peitschte das Pferd voran und wurde von schlimmen Gedanken gepeinigt. Der Abend brach herein, es wurde kühl, und keuchend arbeitete sich das Pferd durch den Wüstensand, über Geröllhalden hinweg, durch staubgefüllte Senken. Die Sonne ging unter, und über Angie funkelten kalt die Sterne. Noch niemals war sie so allein gewesen. Sie schonte sich nicht. Sie zwang dem Pferd ihren Willen auf. Bräche das Pferd sich ein Bein, wäre sie verloren. Zu Fuß mußte sie umkommen ... Nach vielen Meilen wollte das Pferd nicht mehr, und Angie rutschte aus dem Sattel und zog das Pferd zum Fluß. Erschöpft schwankte sie um die Felsen und fiel vor dem Wasser zu
Boden. Das Pferd soff. Kraftlos kauerte Angie am seichten Ufer und horchte. Die kalte Nacht umgab sie. Coyoten kläfften im heiseren Chor auf dem Höhenzug. Mühsam erhob sie sich und hielt sich am Sattelhorn fest. Im Halbdunkel unter den Bäumen glitzerte es. Angie bemerkte das Funkeln und erschrak. Mit der Rechten griff sie zum Colt in der Satteltasche. In diesem Moment löste sich die Gestalt aus dem Haldbunkel. Ein Indianer trat hervor ... Wie erstarrt stand Angie am Wasser. Der Papago-Indianer starrte sie an. Das Gesicht war ausdruckslos. Er trug eine alte Flinte, doch der Lauf war nicht auf Angie gerichtet. Plötzlich zog ein Lächeln über das Gesicht. »Du keine Angst.« Dumpf klang die Stimme herüber. »Du schlecht zu Fuß, wie? Ich dich bringen durch Land. Weiße Squaw allein wie Mond am Himmel, wie?« Angie atmete auf. »Ich bin unterwegs nach Casa Grande«, flüsterte sie. »Ich brauche Hilfe!« »Ich dich bringen nach Casa Grande«, erklärte der Papago gewichtig. »Du in sicherer Hand von Ferne Wolke.« Er kam heran und grinste. Dabei roch Angie den Alkohol, den der Papago in nicht kleiner Menge zu sich genommen hatte. Sie lächelte unsicher zurück und nickte. »Ja, Ferne Wolke, ich rieche es ganz deutlich. Du bist ein guter Indianer. In Casa Grande gebe ich einen aus für den tapferen Sohn der Papagos.« Ferne Wolke wandte sich ab, verschwand und kam mit einem alten Pony zurück, zog unter der buntbestickten Decke eine Blechflasche hervor und öffnete sie. »Du einen zur Brust nehmen, Squaw!« Das Angebot durfte Angie nicht ablehnen, sonst wäre der Papago beleidigt.
»Tja, wenn du es willst, Häuptling!« lächelte sie unglücklich und nahm die Flasche. »Cheers!« Sie nahm einen großen Schluck, war sie als ehemalige Saloonlady den Alkohol doch gewohnt – aber diesmal mußte sie husten und sich krümmen. Hastig holte sie Atem. Die Tränen stiegen ihr in die Augen. »O mein Gott!« »Gutes Feuerwasser, wie?« grinste der Papago. »Du jetzt laufen können wie Hirsch!« »Mit deinem Whisky kannst du die Berge wegsprengen, Ferne Wolke!« ächzte Angie. »Du es sagen«, nickte der Papago gelassen. »Du jetzt kommen ...« *** An den alten Wänden der prächtig erbauten Missionskirche von San Xavier del Bac brach sich das Echo des Hufgetrappels. Ein Buggy rollte vorbei und folgte der mit Steinen gepflasterten Straße. Vor der kleinen Cantina zog das junge Mädchen die Zügel straff, sprang vom leichten Zweispänner und lief zum Eingang der mexikanischen Kneipe. Erst dicht vor der Tür verharrte es, horchte und blickte umher. Dann betrat es die Cantina und verschwand im Halbdunkel des Saloons. Mexikaner lehnten an den Hauswänden. Ein paar PapagoIndianer handelten auf einer Plaza. Hunde streunten umher, Kinder spielten im Schatten der Patios. Unsicher stand die junge Pat Logan in der Cantina. Die Blicke der dunkeläugigen Mexikaner im Raum hingen an ihr. Langsam ging sie zum steinernen Tresen. Der rote Staub des Landes fiel von ihrer Jacke. In der engen Hose und mit dem Stetson auf dem dunklen Haar sah sie fast wie ein junger Mann aus. »Guten Tag, Señor.«
»Einen schönen Tag, Señorita«, nickte der mexikanische Keeper lächelnd. »Was wünscht die Tochter des mächtigen Señor Logan in San Xavier?« Pat beugte sich vor, sie wollte nicht laut antworten; raunend sagte sie: »Ich suche Rocco.« Das Lächeln des Mexikaners verwischte, doch keine Feindschaft war in seinem Blick. Schnell sah er umher, dann flüsterte er: »Geh ein paar Häuser weiter, Señorita. Es ist eine Hütte aus Adobe. Dort ist Rocco.« »Gracias, Señor!« Pat verließ die Cantina, stieg auf den Buggy und fuhr weiter. Suchend blickte sie umher und entdeckte die Hütte. Langsam lenkte sie die Pferde in die Einfahrt des staubigen Hofes und hielt vor der Hütte. Überall wühlten Hühner im Sand. Eine dickliche Mexikanerin hing gerade die Wäschestücke eines Mannes an die Leine zum Trocknen, rieb sich die Hände an der Schürze ab und betrachtete das schöne, zierliche Mädchen. »Ich möchte zu Señor Rocco«, flüsterte Pat. »Dann geh zu ihm, Muchacha«, sagte die Frau und deutete auf die offene Tür der Hütte. »Er ist da drinnen.« »Gracias.« Pat stieg vom Buggy und schritt auf die Hütte zu. Immer wieder sah sie zur Mexikanerin zurück, die sie reglos beobachtete. An der Tür verharrte Pat, verweilte auf der Türschwelle und roch die gebratenen Zwiebeln. In der Hütte spie ein Mann aus. Zögernd betrat Pat die Hütte. Erst nach mehreren Sekunden gewöhnten sich ihre Augen an das Halbdunkel. Sie erkannte eine einfache Einrichtung und ein breites, ungemachtes Lager, auf dem ein alter grauhaariger Mann saß, der zwischen den Zähnen Kautabak wälzte und sie scheinbar nicht beachtete. An der Wand über dem Lager hing ein Waffengurt; das Leder war alt und glatt. »Señor Rocco?«
»Der bin ich«, knurrte der Mann, ohne aufzusehen. »Setz dich dort auf den Stuhl, Amiga.« Pat ließ sich am Tisch nieder und preßte die Hände aneinander. Mit flackernden Augen betrachtete sie den Mann, von dem der alte Hope ihr in den letzten Sekunden seines Lebens erzählt hatte. »Hope schickt mich, Señor ...« Der Mann sah auf, und in den Augen leuchtete es flüchtig. Er kaute heftiger. »Hope, der alte Gauner?« »Si«, nickte Pat ernst. »Du kommst mir bekannt vor, Muchacha«, murmelte Rocco. »Hast du eine Nachricht von Hope?« Pat atmete tief ein. »Hope ist tot, Senor Rocco. Hope war mein guter, alter Freund. Er war immer an meiner Seite, er hat mich immer beschützt. Von klein auf an ...« Roccos Blick wurde leer und schweifte in weite Ferne, als gäbe es keine Wände, Hügel und Berge. »Dann bist du Pat Logan ...« »Ja.« »Der gute, alte Hope ...« Rocco spie aus und rieb sich das faltige Gesicht. Die Sehnen der Hände traten hervor. Er atmete schwer ein und seufzte. »Wir waren immer Freunde, er und ich. Jetzt ist er tot ...« Er erhob sich ächzend, und erst jetzt merkte Pat, daß Rocco stark humpelte. Der Mann ging zum Schrank, nahm eine Flasche Mescal hervor und füllte sich ein Glas, trank und drehte sich um, blickte Pat an und schüttelte den Kopf. »Er hätte noch viele Jahre leben können, Muchacha«, sprach er dumpf. »Warum ist er tot? Wie ist er gestorben?« »Er wurde erschossen.« »Caramba! Wer hat den guten, alten Hope erschossen?« Rocco stierte das Mädchen an und setzte langsam das
abgestoßene Glas ab. »Wer konnte so gemein und hündisch sein und den guten Hope umbringen?« »Die Revolverschwinger meines Vaters!« Pat richtete sich auf, und Tränen schimmerten auf einmal in ihren braunen Augen. »Mein Vater wollte es so! Er kennt nur die Gewalt, er lebt in der Gewalt und für die Gewalt! Hope hat nur einmal versagt. Er hatte nicht auf mich aufgepaßt.« Humpelnd kam Rocco heran und drückte Pat sanft zurück auf den Stuhl. »Nicht weinen, Muchacha. Erzähl mir alles.« Mit stockender Stimme sprach Pat über die Tragödie. Der alte Rocco stützte sich schwer auf den Tisch. Draußen vor der Tür stand die beleibte Mexikanerin. Eine flüchtige Handbewegung Roccos ließ sie davongehen. Die Sonne brütete über San Xavier. Die Glocken der altehrwürdigen Kirche erklangen. Es war Sonntag ... Steif ging Rocco umher, starrte hinaus und grübelte. Erinnerungen kamen ihm an rauchige Zeiten heißer Kämpfe, an Treue und Kameradschaft. Und an den Tag, da ein Mann ihn zum Krüppel machte. »Liebst du deinen Vater nicht, Pat?« brach er plötzlich das Schweigen. »Ich hab’ es versucht, immer wieder«, flüsterte Pat. »Eine Tochter muß doch ihren Vater lieben, nicht wahr? Das hab’ ich mir immer gesagt und es versucht, aber ich habe es nie geschafft. Nein, ich kann ihn nicht lieben. Es ist furchtbar, ich weiß – aber er hat Hope niederschießen lassen! Ich hab’ ihn angefleht, es nicht zu tun. Aber er hat nicht auf mich gehört. Dann braucht er auch nicht meine Liebe.« »Du bist ein armes Mädchen, Pat. Du liebst ihn nicht – und ich hasse ihn. Nein, es ist nicht der schlimme Haß, der böse Haß. Ich muß ihn hassen, weil er mir damals das Bein zerschossen hat. Ja, damals traf ich ein paar halbverhungerte Mexikaner. Sie wären umgekommen, wenn sie nicht Fleisch bekommen hätten. Ich trieb ein paar Rinder deines Vaters nach
Süden. Ich wollte sogar dafür arbeiten und die Rinder bezahlen, aber als dein Vater dahinterkam, jagte er mir eine Kugel ins Bein und trieb mich von seinem Land. Du warst damals noch klein, Pat, und auch deine Mutter lebte noch. Es war eine schlimme Zeit danach. Aber dein Vater hatte nicht meine Hände zerstört ...« Er betrachtete die Hände und humpelte zum Lager, setzte sich und blickte Pat an. »Du bist sehr einsam, Muchacha ...« Pat starrte auf die Tischplatte. Langsam wischte sie sich die Tränen vom Gesicht. »Ich liebe diesen jungen Fremden, Rocco. Ich weiß es ganz genau.« »Jetzt hast du also Angst davor, daß dein Vater ihn, seinen Bruder und seinen Vater töten lassen wird?« »Ja, aber ich weiß nicht, wie ich meinen Vater davon abbringen könnte.« »Er wird nicht auf dich hören, Muchacha. Er hört auf keinen Menschen, nur auf sich selbst.« Gedankenversunken hockte Rocco auf dem Lager, alt und verbittert – ein Mann, der zum Krüppel geschossen wurde. »Warum hat Hope mir niemals eher was von Ihnen gesagt, Rocco?« flüsterte Pat. »Wenn Sie doch sein Freund waren ...« »Ja, wir waren Freunde, aber wir liebten einmal dasselbe Mädchen ... Wir wußten damals, daß wir uns trennen mußten. Später hörte ich, daß sie gestorben war. Alles ist schon so lange her ...« Er langte plötzlich nach oben und holte den Waffengurt von der Wand, zog den schweren, alten Colt hervor und wog das Eisen in der Hand. »Manchmal verläuft im Leben alles anders, als man sich das gedacht hatte. Vor ein paar Jahren bin ich noch mit Vaqueros nach Süden gezogen. Wir haben Rinder getrieben und mit dem Gesindel an der Grenze gekämpft. Aber dann machte das Bein
immer mehr Kummer, und ich gab auf ...« Er sah Pat ernst an. »Was kann ich für dich tun, Muchacha?« »Ich brauche einen Menschen«, hauchte Pat, »der so gut wie Hope ist, der mich versteht. Mehr will ich nicht. Wenn du Hopes Freund gewesen bist, Rocco, dann mußt du wie Hope sein.« »Ich kann keine Wunder vollbringen, Pat. Aber ich werde mit dir gehen.« »Und sie, die Mexikanerin?« »Sie ist ein lieber Mensch, sie macht mir das Essen und die Hütte sauber. Sie kommt auch ohne mich aus.« Als sie das kleine Haus verließen, stand die Mexikanerin neben dem Buggy. Pat saß auf, und der alte Rocco holte sein Pferd aus dem Stall, leinte es am Buggy an und stieg auf den Wagen. »Du gehst fort, Rocco?« Mit großen dunklen Augen sah die Mexikanerin Rocco an, und schmerzlich zuckte es um ihren Mund. »Dann wird Elvira allein sein.« »Ich komme zurück, Elvira«, lächelte er ernst. »Paß gut auf die Hütte auf.« »Elvira wird weinen.« »Dann heul dich kräftig aus, Elvira. Das wird dir helfen. Und eines Tages werde ich zurückkommen und sehen, ob du meine Hütte auch immer sauber gemacht hast.« »Sie wird immer sauber sein, Rocco.« »Bueno«, lächelte er, beugte sich zur Seite und kniff ihr in die volle Wange. »Adios, Amiga.« Der Buggy rollte durch San Xavier und nach Norden … ***
Zwei Reiter zügelten die keuchenden Pferde und beobachteten den einsamen Mann, der durch die sengende Weite ritt. »Das muß er sein!« stieß einer hervor. »Vielleicht! Er ist groß, die Beschreibung paßt auf ihn. Aber wir wollen sicher gehen. Los, komm – reiten wir ihm nach. Er will bestimmt nach Santa Rosa ...« Sie verließen die Anhöhe und folgten schließlich einem Arroyo. Im ausgetrockneten Flußbett war die Spur kaum zu erkennen. Dennoch blieben Logans Reiter auf der Spur. In der Abenddämmerung sahen sie die flachen Häuser von Santa Rosa vor sich liegen. Schwach drang Hundegekläff herüber. Von dem Reiter war nichts mehr zu sehen. Überall standen hohe Kakteen, die die Sicht nahmen. Gun Madley hatte die kleine Stadt schon erreicht und sein Pferd vor der Cantina gezügelt. Völlig verstaubt, saß er ab und leinte sein Pferd an. Kinder scharten sich um sein Pferd und bettelten ihn um ein paar Centimo an. Er warf ihnen ein paar Cent zu und betrat den ausgedörrten Gehsteig. Mit kalten grauen Augen blickte er zum Ortsausgang zurück. Schlaff und mürbe hing der Umhang von den Schultern. Die Hände berührten flüchtig die Colts. Bitteres Lächeln huschte über das rauhe Gesicht, als er die beiden Reiter bemerkte, die hinten am letzten Haus verhielten. Lässig ging er in die Cantina. Gleich rechts am Eingang ließ er sich am Tisch nieder, öffnete den Umhang und legte die Colts frei. Trübe blakten die Talglichter in der Cantina. Nur drei Mexikaner saßen im Raum. Eine verlebt aussehende junge Mexikanerin kam an seinen Tisch und fragte lächelnd nach seinen Wünschen. »Bring mir drei kleine Krüge Mescal, Muchacha«, antwortete er sanft. »Meine beiden Freunde werden gleich kommen.«
»Si, Señor.« Lässig saß er am Tisch und horchte. Der Stetson warf einen Schatten auf sein Gesicht. Draußen redeten die Kinder durcheinander und liefen davon. Die Flüche der Verfolger waren zu hören; sie scheuchten die Kinder davon und kamen näher. Dann verstummte der Hufschlag. Die Mexikanerin brachte die drei Krüge Mescal. »Wirst du länger bleiben, Fremder? Suchst du ein Bett?« »Nein«, lächelte Gun Madley flüchtig, »kein Bett. Ich reite gleich weiter. Sieh doch mal nach, wo meine Freunde bleiben.« Sie nickte und ging zur Tür, drückte die Türflügel auf und blieb auf dem Gehsteig stehen. Zwei Sattelpferde waren am Nebenhaus abgestellt worden. Von den Männern war noch nichts zu sehen. Die Mexikanerin wartete. Der Abendwind bewegte ihr langes schwarzes Haar und den Dunst um die Bäume. Das lange, einfache Kleid schmiegte sich an die Beine. Barfuß fühlte sie die Bretter. Plötzlich sah sie die beiden Fremden. Sie kamen zwischen den Häusern hervor und näherten sich der Cantina. Lächelnd ging sie zurück. »Sie kommen jetzt, Señor.« »Bueno, dann geh hinter die Theke, Muchacha. Kannst du singen?« »Si.« »Dann nimm die Gitarre dort und singe.« Das Mädchen wußte nicht, um was es ging und daß der Tod draußen näher kam. Es lief zum Tresen, nahm die Marimba, ließ die Saiten erklingen und begann zu singen. Die Mexikaner am Tisch grinsten und klatschten leise im Rhythmus. Die langen Beine unter den Tisch geschoben, wartete Gun Madley. Er hörte die Schritte vor dem Eingang, das Klirren der Sporen – und er wußte, daß die Verfolger dicht an der Tür standen und hereinblickten, doch sie konnten ihn nicht ausmachen.
Jetzt quietschten die Türflügel, und sie kamen herein. Er tat so, als bemerkte er sie nicht und lauschte nur der Musik. Sie starrten umher, und in ihren Augen flackerte es auf, als sie ihn am Tisch sitzen sahen. Unwillkürlich legten sie die Hände an die Colts. Kalt blickte Gun auf. »Ich habe euch schon einen Krug Mescal bestellt, Amigos«, sprach er sanft. »Setzt euch zu mir an den Tisch. Ich freue mich immer, Amerikaner zu treffen ...« Sie zögerten, wußten nicht, was sie tun sollten. Während sie noch fieberhaft überlegten, sagte Gun Madley lächelnd: »Versucht es nicht, Amigos. Ich knall’ euch hier ab wie tollwütige Hunde. Trinkt den Mescal und verschwindet friedlich – und wenn ihr Big Logan trefft, dann sagt ihm, daß ich keine Angst vor ihm habe.« Sie atmeten schwer, stierten in sein steinernes Gesicht – und zum erstenmal waren sie ihm ganz nahe und erkannten seine höllische Gefährlichkeit. Mit der linken Hand zeigte er auf die Krüge. »Na los! Trinkt! Greift lieber zum Krug als zum Colt. Das Leben, Amigos, ist verdammt kurz.« Sie kamen näher und griffen nach den Krügen. Hastig tranken sie, und plötzlich stürzten sie hinaus und rannten über den Brettersteig davon. Der Mut hatte diese beiden Cowboys verlassen. Sie warfen sich auf die Pferde und jagten aus Santa Rosa. Der Hufschlag erstarb in der hereinbrechenden Nacht ... Gun blieb sitzen, trank langsam und zahlte. Die Mexikanerin hatte ihren Gesang unterbrochen. Sie kam an seinen Tisch und sah verwundert auf die nur halbgeleerten Krüge. »Sie hatten es sehr eilig, Ihre Freunde, Senor.« »Sie werden wiederkommen – mit anderen.« Gun erhob sich und ging zur Tür. »Adios, Muchacha.«
Die Türflügel schlugen hinter ihm zusammen. Das Pferd trug ihn davon. Bald flackerte weit draußen im Land ein kleines Feuer. Gun Madley mußte immer wieder die Verfolger auf seine Spur ziehen, wollte er Angie und seinen Söhnen eine Chance geben. So zog sich langsam, doch unaufhaltsam das Unheil über ihm zusammen. Viele Jäger suchten nach ihm. Bald müßte er wild zurückbeißen, wollte er ihnen entkommen. Das Feuer wärmte ihn. Er rieb sich die klammen Hände und lauschte den Lauten der Wildnis. Der ewige Flugsand verwischte seine Spur. Bevor er sich schlafen legte, zog er beide Colts hervor und betrachtete sie wieder einmal. Mit diesen schweren Colt Revolvern würde er sein Leben verteidigen müssen. Längst war der berühmte Revolvermann Gun Madley wieder auferstanden … *** Trunken lagen die Mexikaner in der Cantina von Santa Rosa, und auch die junge Mexikanerin schlief einen leichten Rausch aus, als harttrommelnder Hufschlag die morgendliche Stille in der kleinen Stadt zerriß. Noch bevor die Mexikanerin richtig begreifen und denken konnte, stürmten schon bewaffnete Männer in die Cantina, wieherten draußen Pferde und brüllten Reiter. Im Nu war jedes Haus umstellt. Die Gewalt herrschte. Frauen und Kinder wurden aus dem Schlaf gerissen, Türen wurden aufgetreten, Mexikaner herausgeholt. Mit gezogenen Colts standen fünf Männer in der Cantina. Ihre Blicke hetzten umher und suchten. Vor der Cantina wurde es still. Nur die schweren Schritte eines gewichtigen Mannes waren zu hören. Dann kam Big Logan herein. Seine Revolverschwinger hatten sich in der
Cantina verteilt. Colts bedrohten die Mexikaner, die mit glasigen Augen umherstierten. »Wo ist er?« fauchte Logan. »Wo ist der Fremde, der gestern abend hiergewesen ist? Macht das Maul auf!« Sie wußten es nicht. In ihrer Angst schwiegen sie. Schon schritt Logan wuchtig auf die Mexikanerin zu, packte sie an den Haaren und riß sie an sich heran. Sie schrie auf und krümmte sich. »Wo?« brüllte Logan. »Er ist weggeritten, Señor!« stöhnte die Mexikanerin. »Gestern abend noch. Er hat nur gesagt, daß noch andere Männer kommen werden, Fremde.« Fluchend ließ Logan das Mädchen los und drehte sich um. Düster starrte er seine Revolverschwinger an. Im grauen Morgenlicht waren ihre Gesichtszüge nur undeutlich zu erkennen. Schweigend stapfte er hinaus. Sie folgten ihm und blieben neben ihm auf dem Plankenweg stehen. »Er war hier«, knurrte der Rancher. »Cassidy, Bass – ihr bleibt hier! McKenzie, Holloway und Denver, ihr kommt mit mir. Wir trennen uns vor der Stadt. Ihr drei reitet zusammen weiter. Ich ziehe die Cowboys zusammen. Wir werden das ganze Gebiet absuchen. Es gibt keinen Zweifel mehr, er ist der Revolvermann. Unterschätzt ihn nicht. Ich möchte nur wissen, wo seine verdammten Söhne mit dieser Angie Malone sind! Aber vielleicht bringt er uns zu ihnen.« Nach diesen Worten stieg Logan auf sein Pferd und trieb es an. Die drei Revolverschwinger und die Cowboys ritten ihm nach. Im Galopp verließen sie Santa Rosa. Zurück blieben der schwarzhaarige Cassidy und Bass, dessen rotes Haar unter dem Stetson lang hervorfiel. Sie sahen dem Reiterrudel nach und grinsten eingefroren. Langsam gingen sie in die Cantina und jagten alle Mexikaner hinaus. Nur das Mädchen mußte bleiben. Es mußte die Revolverschwinger bedienen. Immer, wenn es in ihre Nähe
kam, hatte es Angst. Die Blicke der beiden Männer besagten genug. Beide begannen auf einmal zu spielen, und die Mexikanerin begriff, daß es um sie ging in diesem Spiel. Cassidy gewann. Grinsend stand er auf und streckte die Hand aus. »Komm her!« Sie wich zurück und stieß gegen die Theke. Niemand würde ihr helfen. Plötzlich versuchte sie, durch die Hintertür zu entkommen. Blitzschnell sprang Cassidy ihr nach und packte sie an den Schultern, hielt sie fest und warf sie gegen die Wand. Sein aufgewühltes Gesicht war dicht vor ihr, und sein heißer Atem traf ihr Gesicht. »Du gefällst mir, Muchacha!« flüsterte er voller Begierde. »Komm mit mir!« »Nein!« stöhnte sie. »Bitte, Señor, nicht mit Gewalt!« Er ließ sie los und langte in die Tasche, zog ein paar Dollarnoten hervor und hielt sie ihr vor die Augen. »Reicht das?« Sie schloß die Augen und überwand ihre Abneigung. Langsam nickte sie. Grinsend nahm Cassidy sie am Arm und verschwand mit ihr durch die Hintertür. »Scheiße!« knurrte Bass und fegte die Karten vom Tisch, erhob sich und ging wütend auf und ab. Schließlich folgte er den beiden und betrat den Hinterhof. Der Stall war offen. Er überquerte den Hof und hörte das leise Lachen der Mexikanerin. »Hol Mescal!« rief Cassidy. »Presto, Muchacha!« Im Stall rumorte es, dann erschien die Mexikanerin im Stalltor. Strohhalme hafteten an ihren Haaren. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und kam Bass entgegen. Er war stehengeblieben und beobachtete sie mit flackernden Augen. Sie ging an ihm vorbei und hastete in die Cantina. Sofort lief er hinterher. Sie rannte durch die Cantina und vorn hinaus. Fluchend folgte er ihr. Sie versuchte, ihm zu entkommen, hetzte die Straße hinauf und zwischen die Häuser.
Bass gab nicht auf, trieb sie aus der Stadt und sah noch, wie sie hinter den Felsen und Kakteen verschwand. Vor der Cantina rief Cassidy nach ihnen, doch Bass antwortete nicht. Grinsend schlich er der Mexikanerin nach. Horchend verharrte er zwischen den Felsen und spähte umher. Er sah sie nicht, doch sie mußte in seiner Nähe sein. Leise klingelten die Sporen, als er weiterglitt. Die Mexikanerin kauerte in einer Felsenlücke. Spärliches Gestrüpp verbarg sie nur wenig. Sie preßte die Hände an den Mund und hörte die Schritte. Immer mehr preßte sie sich in die kleine Lücke hinein. Die Schritte entfernten sich. Schon glaubte sie, daß der Mann zurückgegangen wäre. Sie harrte noch aus, dann kroch sie hervor und zwängte sich durch das Gestrüpp. Lautlos schlich sie um die Felsen. Jäh stand er vor ihr – grinsend, den Colt auf sie angeschlagen. »Rühr dich nicht weg, sonst schieße ich!« flüsterte er heiser und atmete erregt. »Du gehörst mir! Schrei ja nicht, sonst werde ich verrückt!« Für Cassidy und Bass war die junge Mexikanerin Freiwild. Sie achteten nicht auf Menschenwürde und Anstand, nicht auf Liebe und Achtung. Für sie gab es das alles nicht. Das Mädchen zitterte heftig. Bass bewegte den Colt. Sie verstand die Bedeutung dieser Bewegung, sie sollte sich entkleiden – doch alles in ihr wehrte sich dagegen. Voller Angst rannte sie plötzlich los, und Bass hetzte sie bis vor die Wand aus Kakteen. Sie konnte nicht weiter. Als sie aufschreien wollte, preßte er ihr die Hand auf den Mund und warf sie brutal zu Boden. Schwer lag er auf ihr, drückte sie in den Sand und hielt ihr den Colt an den Hals. »Nicht schreien, hörst du!« fauchte er. »Wir sind beide allein. Du tust ja nur so! Gibt es doch zu, daß du eine kleine Hure bist und nichts weiter!«
Sie war in seiner Gewalt. Der Blick ihrer vor Angst weit aufgerissenen Augen wurde plötzlich ganz starr, sie sah über seine Schulter hinweg und erschlaffte auf einmal. Bass grinste. »Na, also«, meinte er, »endlich hast du begriffen!« Er glaubte sich am Ziel. In seiner Begierde achtete er nicht auf die Umgebung. Mit zitternden Händen zerfetzte er die Bluse und umfaßte ihre bloßen Schultern. Die Mexikanerin sah nur den Mann an, der groß und hager hinter Bass stand. »Sollst du Schweinehund nicht mich suchen?« Die Stimme tötete alle Begierde in Bass, riß ihn aus seiner wilden Lust und ließ ihn sich herumwerfen. Dicht neben der jungen Mexikanerin liegend, langte er zum Colt. Das Gesicht zerriß, der Haß sprühte in den Augen. Er wollte abdrücken, doch Gun Madley feuerte schon. Bass lag jäh still neben der Mexikanerin. Grollend verlor sich das Echo des Schusses ... Madley blieb eiskalt. Er lief nicht davon. In düsterer Ruhe sagte er: »Bleib hier, und nimm seinen Colt, Muchacha. Wie viele Kerle warten unten in der Stadt?« »Nur noch einer, Señor.« »Er wird den Schuß gehört haben und herkommen. Du bleibst, wo du bist. Dir geschieht nichts.« »Señor, er wird mich erschießen!« hauchte sie. »Nein. Er wird es versuchen – das ist alles.« Langsam ging Madley zurück und verbarg sich hinter den Felsen. Cassidy stand noch vor der Cantina. Das Echo des Schusses war verhallt. »Dieser verfluchte Dreckskerl!« stieß er hervor. »Wenn er sie umgebracht hat, dann leg’ ich ihn um!« Mit gezogenem Colt folgte er der Straße und bewegte sich in der Richtung davon, aus der der Schuß gekommen war. Wie ein Raubtier schlich er geduckt um Felsen und Kakteen. Kein Laut warnte ihn. Er suchte lange, bis er die Spur des
Komplicen entdeckt hatte. Wenig später erblickte er die junge Mexikanerin. Sie kauerte neben dem toten Bass und hielt den Colt in der Hand, doch die Waffe ruhte im Sand. Starr sah sie Cassidy an. Der Revolverschwinger richtete sich auf und blickte zwischen Genugtuung und Wut auf Bass und das Mädchen. »Du hast es getan?« krächzte er. »Du hast ihn erschossen?« Die Mexikanerin antwortete nicht. Der Sand haftete an ihrem Gesicht. In der Morgensonne schimmerten die braunen Schultern. »Logan würde dich erschießen lassen, wenn er es erfahren würde«, behauptete Cassidy und näherte sich langsam dem Mädchen. »Aber ich kann schweigen, wenn du mir gehörst ... Wirf den Colt weg.« Sie tat es. Ihr verlebtes Gesicht war blaß. Sie kannte die Männer besser als jedes andere Mädchen in Santa Rosa, und sie sah in Cassidys Augen wieder dieses Flackern. Da erhob Gun Madley sich neben dem Felsen. Leise rieselte der Sand. Cassidy verharrte, stierte das Mädchen an und horchte zurück. Er hörte das harte Sporengerassel und fuhr herum. Der Schuß warf ihn zurück. Schwer verwundet stürzte er in den Sand. Schon war Madley bei ihm und entwaffnete ihn. »Mach, daß du davonkommst!« klirrte Madleys Stimme. »Ich habe die Schnauze voll von solchen Dreckstypen! Hau ab!« Er packte Cassidy, riß ihn hoch und stieß ihn davon. Torkelnd und stöhnend verschwand Cassidy hinter den Felsen. Die Mexikanerin ergriff die Hand, die Madley ihr entgegenstreckte. Er zog sie hoch und ließ die Hand los. »Du wirst dich verkriechen müssen, wenn die Fremden noch einmal herkommen sollten, Muchacha«, murmelte er dunkel. »Versteck dich gut, sonst finden sie dich. Adios!«
Sie sah ihm nach, wie er mit großen Schritten davonging. Immer wieder verdeckten Felsen ihn. Schließlich erblickte sie ihn zu Pferd auf der Bodenwelle. Nur sekundenlang hob er sich vor dem Morgenhimmel ab, dann verschwand er. Die Mexikanerin sah ihn nie wieder … *** Schmatzend trank der bärtige Mann in der alten, verschmutzten Kleidung das Wasser aus dem Holzfaß und ließ die Kelle zurückfallen. Mit tropfnassem Mund wandte er sich Gun Madley zu. »Nach Tumacacori?« dehnte er. »Das ist nicht mehr weit, Mister.« Gun Madley saß am Tisch in der alten Poststation und hatte sich entspannt. Vor ihm stand ein Teller, in dem soeben noch Bohnenbrei gewesen war. Draußen herrschte Nacht. »Wann kommt die nächste Kutsche?« »Das kann noch lange dauern. Die Verbindung nach Nogales wird immer wieder unterbrochen. Banditen lauern an der Postroute. Da nehmen Sie besser Ihren Gaul, Mister, und versuchen es allein.« Gun nickte und stand auf. »Danke für die Bohnen.« Der Postmann winkte ab und verzog den Mund. Er wollte antworten, doch eine Handbewegung des Revolvermannes ließ ihn schweigen. Schon hatte Gun die Tür erreicht und öffnete sie zu einem Spalt. Bleiches Mondlicht erhellte den Hof zwischen Haus und Stall. Im schmalen Schlagschatten des Stalls stand sein gesatteltes Pferd. Dumpfer Hufschlag kam um die Hügel ... »Damn’d«, flüsterte er, »ich muß verschwinden. Die Kerle müssen meine Spur gefunden haben.« »Hier ist noch ein Hinterausgang, Mister.«
»Ich muß zu meinem Pferd!« Gun glitt zum Tisch und löschte das Licht, war wieder an der Tür und spähte hinaus. Am Fuß des Hügels tauchte ein Reiterrudel auf. Zweifellos waren es Logans Reiter. »Zuviel Bohnen sind nicht gut, wie?« meinte er trocken, riß die Tür vollends auf und hetzte über den Hof. Schüsse krachten, und Mündungsfeuer flammten in der Nacht auf. Im Kugelhagel erreichte er sein Pferd, sprang in den Sattel und jagte sofort los. Siedend heiß traf es seine Schulter. Er fiel nach vorn, duckte sich tief und ritt im halsbrecherischen Galopp durch die steinigen Senken. Die Hufe des Pferdes trommelten über das Gestein hinweg. Aufwiehernd raste das Pferd in den Schutz des nächsten Hügels. Unerbittlich blieben die Verfolger hinter ihm. Er spürte das Blut, das aus der Streifwunde sickerte und am Arm hinunterlief, und er verbiß den Schmerz und suchte den felsigen Boden auf. Die Verfolger waren ausgeschwärmt – eine breite Reiterkette folgte ihm. Auch auf die Gefahr hin, daß ihm der Weg abgeschnitten werden könnte, änderte er die Richtung. Im gestreckten Galopp jagte er nach Westen. Vor ihm buckelten sich die Hügel und erhoben sich die Felsentürme. Er raste in die Schatten hinein und hetzte immer weiter. Zehn Reiter jagten ihn. Einer der Reiter war Big Logan. Immer wieder schrie er auf und trieb die Cowboys an. Sie sahen Gun Madley nicht mehr, doch sie hatten seine Spur vor sich. Er hatte keine Zeit, die Spur zu verwischen. Mit der Zeit jedoch wurde es für die Verfolger immer schwerer, die Spur auf dem steinigen Boden zu erkennen, und bei der Suche verloren sie Zeit. Die Schatten der Wolken wanderten über das öde Land. Vor den Verfolgern war es still. Hart riß Logan am Zügel und verhielt.
Überall verharrten die Reiter und horchten. Totenstille. Kein Vogel zeigte sich am Himmel, kein Wild war unterwegs, und selbst die Wölfe heulten nicht. Alles war erstarrt, steinern und trostlos. Logan rief die Namen von drei Cowboys. Die anderen ließ er weitersuchen. Langsam stieg er vom Pferd und lehnte sich schwer an einen Felsen, während die drei Cowboys abseits neben den Pferden warteten. Vom Haß besessen, starrte Logan nach Westen. In seinem Gesicht wühlte es. Er überlegte kalt und versuchte, sich in den Mann Gun Madley hineinzuversetzen. »Er täuscht uns immer wieder. Er lockt uns nach Südwesten, aber die Ranch der Malone lag im Nordwesten, oberhalb meines Weidelandes. Er kann mich nicht länger täuschen und in die Irre führen, dieser verdammte Hund. Nein, Madley, du kannst ein großer Revolvermann gewesen sein, aber denk nur nicht, daß Big Logan ein Dummkopf ist! Du willst uns von deinen Söhnen weglocken. Ich werde sie jetzt suchen, und wenn ich sie abgeknallt habe, dann wirst du von allein in meine Falle reiten!« Er lachte bösartig auf, stieg in den Sattel und ritt mit den drei Cowboys nach Norden zurück. Gun flüchtete weiter. Die Ungewißheit über das Schicksal seiner Söhne und Angie Malone marterte ihn, doch er wußte, daß er durchhalten mußte, daß er die Nerven nicht verlieren durfte. Verwundet saß er auf dem keuchenden Pferd und suchte die Einsamkeit. Er ahnte nicht, daß Big Logan umgekehrt war, daß Logan in Richtung Casa Grande ritt … *** »Doc? Sind Sie der Arzt?« Die leise Frage ließ den Mann im blutverschmierten weißen Mantel aufblicken. Er sah eine
blonde Frau im abgerissenen Kleid im Stalleingang stehen und nickte. »Yeah, der bin ich, Ma’am ...« »Ich brauche Ihre Hilfe, Doc. Es ist gleich zweimal eine schwere Verwundung.« »Well, ich komm’ gleich.« Der Arzt wandte sich wieder ab und beugte sich über die Kuh im Stall, setzte das Messer an und machte einen langen Schnitt. Die Kuh stöhnte unter Schmerzen und zuckte. Erschrocken sah Angie Malone zu, wie der Arzt das Kalb aus dem Leib der Kuh hervorholte. Ein ärmlich aussehender Mann und dessen Frau halfen dem Arzt. Angie schluckte würgend und verließ den Stall, atmete tief die kühle Nachtluft ein und schritt über den Hof. Vor einem Lattenzaun blieb sie stehen und blickte über die Höfe. Hinter dem Arzthaus stand ein Pferd mit einem Schleppschlitten. Daneben wartete der Papago-Indianer. Angie war am Ende ihrer Kraft. Sie sehnte sich nach einem tiefen, erholsamen Schlaf, doch sie durfte noch nicht ruhen. Im Sternenlicht leuchtete ihr blondes Haar, und nichts von dem Staub war zu erkennen, der an ihrem Haar haftete. Im Stall ertönten Stimmen; dann kam der Arzt und zog sich dabei den blutigen Mantel aus. »Wo sind sie?« fragte er. »Hinter Ihrem Haus, Doc.« »So geheimnisvoll, Ma’am?« »Ja«, sagte Angie leise, während sie zum Arzthaus gingen. »Ich will, daß niemand uns sieht.« »Ich hole nicht gern Banditen eine Kugel raus.« »O nein, Doc, das sind keine Banditen! Das sind nette Jungs – die Söhne eines Mannes, den ich sehr gut kenne. Er hat ihnen die Kugeln bereits aus dem Körper geholt, aber sie haben Fieber bekommen, sie sind völlig fertig, Doc.« Wortkarg sprach sie über die Geschehnisse. Ihre Worte beeindruckten den Arzt. Er nickte mehrmals vor sich hin.
»Erst wollten der Papago und ich allein nach Casa Grande, aber dann kehrten wir um, und der Indianer baute diesen Schleppschlitten. Dadurch hatten wir Zeit gewonnen.« Grinsend stand Ferne Wolke neben dem Schlitten, auf dem Billy und Dave fiebernd und schweißnaß lagen. Er nahm einen Schluck Whisky und hielt die Flasche dem Arzt hin. »Du auch Schluck machen, Medizinmann? Dann sichere Hand, ganz ruhig.« »Nicht jetzt – später, mein Junge«, brummte der Doc, der eigentlich wie ein Schlächter oder Schmied aussah, hob Billy hoch und trug ihn durch die Hintertür ins Haus. Dann holte er Dave. Der Papago und Angie folgten ihm. In einem kleinen Raum befand sich nur ein Lager. Darauf ruhte Billy. Der Arzt legte Dave kurz entschlossen auf den Tisch, löste bei beiden die Verbände und betrachtete die Wunden. »Whisky.« Sofort gab der Papago ihm die Flasche, und er trank, hustetete und reichte sie mit geschlossenen Augen zurück. »Was für ein Teufelszeug! Der Kerl fliegt in die Luft, wenn er der Lampe zu nahe kommt!« »Hähä« grinste Ferne Wolke, »du nichts wissen von gutem Feuerwasser. Du noch einen nehmen.« »Nein, nein«, wehrte der Doc ab, »dann klappen mir die Fußnägel hoch! Ma’am, rücken Sie mal die Lampe heran. Die Wunden sind verschmutzt. Ich muß sie reinigen. Ein schöner Scheißkram! Die Jungs sind ziemlich kräftig, sie werden es überstehen, aber wenn niemand sie entdecken soll, dann müssen sie aus Casa Grande heraus. Ich kann höchstens nur einen von ihnen hierbehalten, am besten den blonden Burschen, den hat’s am schwersten erwischt.« »Aber wohin sollen wir, Doc?« flüsterte Angie. »Das Land ist Wüste!« »Ferne Wolke wissen, wohin«, erklärte der Papago ruhig. »Du mitkommen mit Hombre.«
»Himmel, ich kann Billy doch nicht allein lassen in Casa Grande!« »Warum nicht?« entgegnete der Doc. »Er kommt in mein Schlafzimmer. Dort sieht ihn niemand. Der Schwarze schafft es auch ohne mich, ihn können Sie mitnehmen, Ma’am ...« *** »Dad, ich flehe dich an – gib diese Menschenjagd auf! Du hast kein Recht, Menschen zu jagen! O mein Gott, das darfst du nicht!« Blaß stand Pat vor ihrem Vater im Ranchhaus. Draußen ertönten die Stimmen der Cowboys, die gerade die Pferde wechselten und neuen Proviant besorgten. »Humphrey ist tot.« Big Logan starrte düster in das Kaminfeuer. »Du bist ein Mädchen, du verstehst nichts davon.« »O doch, von Menschlichkeit verstehe ich eine ganze Menge«, widersprach Pat erregt, »und ich weiß, daß du unmenschlich bist! Du hast Hope ermorden lassen, und jetzt willst du diese Fremden jagen, bis sie tot sind – aber Humphrey wird nicht wieder lebendig! Er ist tot für alle Zeit! Tot!« Hart schlug er zu. Der Schlag traf ihr Gesicht und stieß sie gegen einen der Sessel. Sie stürzte darüber hinweg und fiel zu Boden. Entsetzt und ängstlich blickte sie hoch und in sein zerrissenes Gesicht. Sie wollte sprechen, doch sie konnte kein Wort hervorbringen. Draußen rief einer der Cowboys nach dem Rancher. Wortlos wandte Logan sich ab und verließ das Haus. Pat stierte ins Leere. Sie weinte stumm. Dieses Haus konnte ihr kein Heim mehr sein. Sie hatte nichts – nur den alten Mann draußen am Talrand. Rocco, der dort wartete, der schon viele Stunden ausharrte. Reiter jagten vom Hof. Mühsam richtete Pat sich auf und hielt sich am Sessel fest. Sie konnte ihren Vater nicht mehr umstimmen und erweichen.
Er würde immer der gewalttätige Pionier bleiben und sich nicht auf das Gute im Leben besinnen. Er wußte gar nicht, wie glücklich er sich nennen konnte, eine solche Tochter zu haben. Als Pat den Hof betrat, war niemand mehr dort. Licht flackerte aus dem Bunkhaus der Cowboys. Stimmengemurmel ertönte. Fern im Tal glühte ein Campfeuer der Cowboys. Nur langsam ging sie zum Stall und sattelte ein Pferd. Abgetrieben und erschöpft standen die Pferde der Cowboys und ihres Vaters in den Boxen. Trübe schien die Stallampe und beleuchtete die schweißnassen Pferde. Pat ritt von der Ranch. Sie wich dem Feuer aus, den Cowboys und der Herde, und bald darauf erreichte sie den alten Rocco. »Nein«, flüsterte sie, als sie seinen fragenden, ernsten Blick auffing. »Er ist noch immer der alte«, murmelte Rocco freudlos und preßte die Hand um das Bein. »Er wird sich niemals ändern. Jetzt ist er mit den Männern nach Norden geritten.« »Ich will nicht auf der Ranch bleiben und warten, Rocco«, sagte sie leise. »Ich kann nicht ruhig dasitzen und nur hoffen.« Rocco zeigte ins Tal und zur Ranch. »Ich kann die Gräber sehen. Es sind ein paar hinzugekommen. Liegt auch Hope dort begraben?« »Ja, Rocco ...« *** Auf seinem müden Pferd erreichte Gun Madley die Ortschaft Tumacacori. In dem Bewußtsein, die Verfolger abgeschüttelt zu haben, hing er, vom Blutverlust geschwächt, im Sattel. Die Straße, umsäumt von alten Häusern, lag vor ihm wie leergefegt im Frühlicht des Morgens.
Niemand begegnete ihm. Die mit staubblinden Scheiben und verdrecktem Ölpapier verschlossenen Fenster zeigten keinen Lichtschein. Die Stadt schlief noch. Vor der Fonda, dem einzigen größeren Gebäude der Ortschaft, hielt er an. Unter dem erhöhten Brettersteg kroch ein struppiger, abgemagerter Hund hervor und begrüßte ihn wedelnd und leise jaulend. Er rutschte vom Pferd und zog es auf den Hinterhof. Das Stalltor war nur angelehnt. Er betrat den Stall und entdeckte mehrere Pferde. Gleich hinter dem Eingang stellte er sein Pferd ab, nahm die Winchester aus dem Scabbard und ging nach vorn. Die verbundene und mit Pulver ausgebrannte Wunde schmerzte bei jeder Bewegung. An der Vordertür verharrte er einen Atemzug lang, blickte über die verlassene Straße – dann schob er sich durch die Tür. Es war ein Gast- und Schlafraum. Auf der Theke standen die Flaschen Whisky und Krüge Mescal. Am Boden lagen mehrere Mexikaner in Decken gerollt. Überall lag Unrat herum, und der Gestank nahm ihm fast den Atem. Vorsichtig stieg er über die schlafenden Männer hinweg und ging zur Treppe. Unter seinem Gewicht knarrten die Stufen, doch niemand wachte auf. Oben hing der kalte Tabakrauch unter der Decke. Ein paar Türen zweigten vom Gang ab. In den Räumen konnten wohl nur jene Männer in dieser Herberge übernachten, die sich das leisten konnten. Die erste Tür war geschlossen, von innen verriegelt. Im nächsten Raum lagen ein offensichtlich jüngerer Mexikaner und ein mexikanisches Flittchen. Der dritte Raum war richtig für ihn – hier war kein Bewohner, und auch das Bett sah noch verhältnismäßig sauber aus. Er zog das Fenster hoch, legte die Winchester auf das Bett und warf sich ächzend auf die Decken. Und obwohl er so müde und innerlich wie ausgebrannt war, dachte er noch eine Zeitlang an Angie und seine Söhne. Nichts
war schlimmer für einen Mann als die Ungewißheit. Zweifel und Sorgen konnten jeden Mann zermürben und verrückt machen. Gun Madley schlief stundenlang. Eigentlich war es ein Tag wie jeder andere, als er erwachte. Die Sonne brannte schon, und auf der Straße bewegten sich die Einwohner und andere, die in der Nähe zur mexikanischen Grenzen einen persönlichen Vorteil sahen. Unten vor der Fonda saßen zwei jüngere Burschen mit einem Mädchen zwischen sich und lachten. Im Gastraum unter Gun Madleys staubigen Stiefeln rumorte es, klirrte Glas und fluchte jemand. Nebenan war es still, doch die Tür des Zimmers direkt an der Treppe quietschte, und Sporen klirrten abwärts. Wieder sah er aus dem Fenster. Die Bergzüge rückten dicht an die Stadt heran. Die Luft verglaste in der Hitze und flimmerte, und die Berge in rauchiger Ferne schienen sich zu bewegen. Unter dem Vordach polterten Schritte. Gun beugte sich weit vor und sah drei Männer. Die Stetsons bedeckten den Kopf, er konnte die Gesichter nicht erkennen. Aber alle drei trugen Colts und schritten auf dem Gehsteig entlang, kehrten ihm den Rücken und stießen die Tür der Cantina auf. Er verzog den Mund, setzte sich aufs Bett und zerrte die Jacke und das Hemd von der Schulter. Vorsichtig tastete er über den Verband. Die Schulter war angeschwollen und lähmte ihn in seinen Bewegungen. Behutsam zog er Hemd und Jacke wieder zurück. Reiter kamen. Sofort war er wachsam, und in den Augen flirrte es kalt. Er blieb dicht neben dem Fenster stehen und beobachtete die sechs Reiter, die die Straße heraufkamen. Ihre Pferde waren abgetrieben, schweißnaß und verstaubt. Sie fluchten und husteten, lenkten die Pferde zur Cantina und saßen ab.
Erschlaffte Gesichter und vom Staub gerötete Augen. Es waren seine Verfolger! Sie waren, auch ohne seine Spur zu sehen, nach Tumacacori gekommen! Ein Zufall, der schlimm für Gun Madley werden könnte ... Doch er verlor die Nerven nicht. Gerade jetzt, in großer Gefahr, herrschte die eisige Kälte eines erfahrenen Revolvermannes in ihm, der genau seine Chancen kannte. Niemand hatte ihn kommen gesehen, kein Mensch wußte, daß er hier oben im Zimmer der Fonda war. Fürs erste gab es kein besseres Versteck ... Mit verkniffenen Augen beobachtete er, wie die Verfolger sich auf dem Gehsteig sammelten und miteinander sprachen. Dann drangen sie in die Cantina ein. Was dort geschah, wußte er nicht ... An einem Tisch saßen McKenzie, Holloway und Denver – drei von Logans Revolverschwingern! Und die Cowboys, die soeben die Cantina betreten hatten, begrüßten sie lärmend ... Wieder saß Gun auf dem Bett. Sechs Cowboys, die sich die Kopfprämie verdienen wollten, waren zuviel für ihn, zumal er verwundet worden war. Noch wußte er nichts von den drei Revolverschwingern. Langsam legte er sich zurück. Noch immer nicht bei Kräften, verspürte er auch keinen Hunger. Schritte kamen die Treppe herauf. Eine Mexikanerin lachte unterdrückt. Dann klappte nebenan die Tür. Stimmen flüsterten. Zwei Menschen liebten sich und ahnten nicht, daß nur eine Wand sie von einem ernsten und einsamen Mann trennte, der an seinen Kampf dachte, und dem viele Männer nach dem Leben trachteten … Lärm tönte aus der Cantina. Die Straße vor der Cantina war leer. Die Einwohner machten einen Bogen um diesen Saloon. Wieder kam jemand die Treppe herauf, diesmal leise und auf weichen Sohlen. Klopftöne waren zu hören. In den beiden ersten Zimmern öffnete niemand. Dann klopfte es an Madleys
Zimmertür. Blitzschnell zog er den rechten Colt, legte die Decke darauf und richtete den Lauf auf die Tür. »Yeah!« Ein mexikanisches Mädchen kam herein. Als es ihn sah, erschrak es und wollte zurück. »Bleib hier«, sagte er leise. »Du brauchst keine Angst zu haben. Willst du dir ein paar Dollar verdienen?« Es blieb stehen. Offensichtlich machte es manchmal die Zimmer sauber. Es war noch sehr jung und scheu gegenüber fremden Gringos. Nur zögernd nickte es. Er lächelte. »Bring mir was zu essen ‘rauf, Muchacha – aber kein Wort zu anderen. Versprich mir das.« Es nickte. »Bueno.« Er zog die Hand unter der Decke hervor und langte in die Tasche. »Hier hast du ein paar Dollar. Nun geh, bring mir was Ordentliches.« Stilles Lächeln erschien auf dem dunklen Gesicht. Das Mädchen nahm das Geld und verließ das Zimmer. Gun Madley blieb liegen. Er mußte dem Mädchen vertrauen. Lange geschah nichts. Dann kam es zurück und brachte ihm einen Teller voll Spiegeleier und Schinken. »Ich habe es selber fertiggemacht, Señor«, flüsterte es. »Fein, gracias, Kleine. Wenn du jetzt gehst, dann vergißt du mich, ja? Ich ...« Er verstummte und hörte laute Stimmen. Langsam rutschte er vom Bett und ging zum Fenster. Die Verfolger kamen aus der Cantina und zogen die Pferde hinter sich her. Auf dem Gehsteig bewegten sich die drei Männer von vorhin entlang. Alle kamen zur Fonda. Sie ließen die Pferde draußen stehen und stampften in die Fonda hinein. Unten wurde es laut. Ein Tisch fiel um. Immer wieder lachten die Kerle. Ernst sah Gun zu dem Mädchen hin, das in der Tür stand. »Geh jetzt, Muchacha.«
»Si, Señor.« Mit großen Augen sah es ihn an. »Sind das Ihre Freunde, Señor?« »Nein – meine Feinde.« »Dann sind Sie gut, Señor«, hauchte das Mädchen und verschwand. »Gut?« murmelte Gun Madley und nahm den Teller. »Manchmal kann ich wie der Teufel sein, Kleine – und diesmal muß ich wohl so sein.« Er aß und lauschte den Stimmen, und als er satt war, glitt er auf den Gang hinaus und hörte den Gesprächen zu. »Warum kommt der Boß nicht?« »Woher soll ich das wissen, he? Er ist zurückgeritten nach Norden!« »Verdammt, das sagst du erst jetzt? McKenzie, das bedeutet was! Wir müssen sofort los! Holloway bleibt am besten hier. Nimm dir zwei Cowboys. Die anderen sollen weitersuchen!« Gun ging zurück. Reglos verharrte er im Zimmer. Auf der Straße dröhnte Hufschlag. Reiter verließen Tumacacori. Die Jagd verlagerte sich nach Norden hin. Logan hatte ihn durchschaut ... Ihm wurde heiß unter der Haut. Am Fenster verharrend, sah er, wie McKenzie, Denver und die Cowboys die Straße hinaufjagten. Unten standen Holloway und zwei Cowboys ... Vor der Stadt trennten sich die Reiter. McKenzie und Denver jagten nach Norden weiter ... Madley mußte handeln – auf seine Art. Von nun an durfte er keine Sekunde verschenken. Sein Gesicht schien zu vereisen. Er packte die Winchester und verließ das Zimmer. Die stählernen Radsporen an seinen Stiefeln drehten sich, die Dielen knarrten – langsam und aufrecht trat er an die Treppe heran. Vor der obersten Stufe blieb er stehen und sah, wie der Revolverschwinger Holloway mit beiden Cowboys hereinkam, wie sie sich an einen Tisch setzten und nach den Flaschen griffen.
Er betrachtete den Schießer Holloway genau. Holloway war ein mittelgroßer Mann mit schütterem Haar. Er trug eine Lederweste und hatte die Colts auffallend tief geschnallt. Die Cowboys waren für Gun bedeutungslos. Als er den linken Fuß auf die Stufe setzte, knarrte es hölzern. Das Geräusch war im großen Raum deutlich zu hören, Holloway stellte die Flasche zurück und drehte sich auf dem Stuhl halb herum. Auch die Cowboys sahen zur Treppe empor. Sie alle erblickten den schmalen, langen Mann dort oben, der jetzt die Winchester losließ. Hart schlug das Gewehr auf und rutschte die Stufen abwärts. Als sie unten auf dem dreckigen Boden der Fonda landete, fuhren die drei Männer hoch. Ganz deutlich war zu erkennen, daß Holloway schneller war. Er hielt die Colts schon in den Händen, als die Cowboys ihre Waffen erst halb aus den Halftern gerissen hatten ... Das menschliche Auge konnte die Bewegung der Hände des Revolvermannes nicht wahrnehmen. Urplötzlich saßen die schweren Eisen in diesen sehnigen Händen, und schon spien sie Feuer und Blei von der Treppe hinunter. Holloway flog über den Tisch. Ein Cowboy kippte hintenüber. Der andere Cowboy warf sich noch hin, doch die Kugeln erreichten auch ihn. Niemals würde er sich wieder erheben. Rauch wallte über der Treppe. Nach den Schüssen herrschte lähmende Stille – und dann knarrten die Stufen, kam Gun Madley herunter und beugte sich über die Gegner. Schweigend nahm er die Winchester hoch und sah zum Tresen hinüber. Dort stand zitternd das Mexikanermädchen. »Gracias, Kleine ...« Das waren seine Worte. Sein Gesicht zeigte kein Leben, kein Lächeln, keine Entspannung. Er wandte sich ab und stapfte hinaus. Die Sonne traf sein kantiges Gesicht. Schon steckten die schweren Colts wieder in den Halftern.
Der Revolvermann Gun Madley verließ Tumacacori, um zum letztenmal in seinem rauchigen Leben einen weiten Weg zu machen. Auf dem sich kaum erholten Pferd ritt er davon. Verwundet und zusammengesunken. Für ein paar Centimo erzählte ein Mädchen den Männern in der Fonda vom Kampf der Fremden … *** Dumpf schnaubten die Pferde am Ufer. Sonnenlicht stach flirrend durch die Baumkronen und spiegelte sich auf dem Wasser. Schwärme von Insekten tanzten über dem Fluß und im Schatten der Bäume. Dort verhielt auch Big Logan mit seinen drei Cowboys. Sie witterten wie Hunde in den Wind. Ihre Blicke suchten, denn sie spürten, daß irgend etwas in ihrer Nähe war, das nicht in diese Flußlandschaft hineinpaßte. »Weiter!« befahl Logan. Er lenkte das Pferd in das seichte Wasser und ritt nordwärts. Nur eine Viertelmeile vom Flußverlauf entfernt, begann wieder das öde Land, über dem es so heiß brütete, daß man sich dort kein Leben vorstellen konnte. Langsam tappten die Pferde durch das Wasser. Einer der Cowboys stieß plötzlich einen unterdrückten Ruf aus und zeigte zum Ufer. Sofort trieben sie die Pferde aus dem Fluß und suchten die Deckung der Bäume und Felsen auf. Stille ... Weitab flogen auf einmal Vögel empor und strichen über den River hinweg, der die Lebensader in dieser Wüste bedeutete. Der Wind bewegte die Zweige. Licht und Schatten fielen auf Logans angespanntes Gesicht, in das sich der unselige Haß eines rachsüchtigen Mannes eingefressen hatte.
Hinter den Bäumen schimmerte es hell. Dort war das Grün der Zweige welk und grau geworden und verbarg nicht mehr hinreichend die Plane eines Wagens. Schweigend gebot Logan den Männer abzusitzen. Sie zogen die Gewehre hervor und glitten geduckt an den Wagen heran. Lange kauerten sie im Unterholz, bis Logan sich vorwärts schob und an den Wagen herantrat. Während die Cowboys ihn deckten und nach allen Seiten hin beobachteten, kletterte der hünenhafte Rancher auf den Wagen und unter den Planenhimmel. Er sah noch ein paar Gegenstände, die auf einer Ranch gebraucht wurden, eine zerschlissene Decke und Reste von Verbandszeug. Auch entdeckte er ein paar Patronen und Blutflecken auf den Wagenplanken. Grübelnd starrte er über den Kutschbock hinweg. »Das ist der Wagen aus Tucson«, murmelte er zu sich selber, »und mit diesem Wagen sind sie von der Ranch geflohen. Sie brauchten den Wagen, aber jetzt haben sie ihn einfach stehengelassen ...« Wenig später, als er vom Wagen gesprungen war, sah er das zerbrochene Rad. Die Cowboys kamen mit den Pferden behutsam näher und hielten die Gewehre bereit. »Sucht überall nach Spuren!« knurrte er. »Los, macht schon! Ich will die Hundesöhne endlich abschießen!« Die Cowboys entfernten sich zu Fuß. Logan lehnte sich an den Wagen und wartete ungeduldig. Nach einiger Zeit kam ein Cowboy zurück. »Ich hab’ Schleifspuren gesehen, Boß. Die Spuren waren nur zehn Yard zu erkennen, dann waren sie verwischt und unkenntlich gemacht worden.« Sofort rannte Logan los, und der Cowboy zeigte ihm die Spur. Grimmig blickte Logan in die Richtung, die das kurze Stück der Schleifspur anzeigte. »Casa Grande ...«
Hinter den Bäumen rief ein anderer Cowboy. Wieder lief der Rancher los, als gelte es sein Leben, als hinge an der entscheidenden Spur seine ganze Zukunft und Macht. Diesmal war die Spur ganz deutlich im Ufersand zu erkennen. Mehrere Pferde waren hier entlanggezogen worden. Die Hufe der Pferde waren nicht beschlagen ... »Indianerpferde«, murmelte Logan spröde, »wahrscheinlich Ponys der Papagos ... Ich möchte wissen, was die verdammten Indsmen hier gesucht haben.« Schon wenig später waren sie wieder im Sattel und folgten der Spur. Sie war im Wasser kaum mehr zu erkennen; die schwache Strömung hatte die Hufeindrücke eingeschwemmt. Dennoch waren immer wieder einzelne Hufeindrücke zu entdecken. Nach einer Meile führte die Spur aus dem Fluß. Jetzt war sie im Sand wieder so deutlich zu erkennen, daß Logan sein Pferd anspornen konnte. Unterwegs überprüfte er sein Gewehr und den Colt. Unheilvoll war der Ausdruck in seinen Augen … *** Frieden war ihnen nur für kurze Zeit vergönnt. Leise drangen die Stimmen durch die Wände der Lehmhütte. Der Rauch von Lagerfeuern wehte in der milden Abendluft herüber. Manchmal trottete ein Pony an der Hütte vorbei. Auf weichen Decken lag Dave. Er hatte das Fieber überstanden und lange geschlafen. Jetzt war sein schwarzes Haar wieder trocken. Seine Augen hatten fast den alten starken Glanz zurückbekommen. Er drehte den Kopf und sah zu Angie Malone hin, die mit ihm in dieser Hütte war und sich von den Strapazen erholt hatte. »Wo ist Billy, Angie?« fragte er leise. Sie schreckte zusammen und blickte ihn an, kam zu ihm und legte die Hand beruhigend auf seine Brust.
»Bleib liegen, Dave. Alles wird in Ordnung kommen. Billy ist in Casa Grande, im Haus des Doc.« »Allein?« In seinen Augen flackerte es auf. »Ohne uns? Wenn Logan nun kommt?« »Er wird ihn nicht finden. Der Doc paßt auf ihn auf.« Angie lächelte ernst. »Der Doc ist so stark wie ein Stier. Ohne seinen Willen kommt Billy nicht aus dem Haus.« »Dann ist es gut«, flüsterte Dave und lauschte. Zwischen den Hütten rief eine kehlige Stimme. Fragend ruhte Daves Blick auf Angie. »Papagos«, antwortete sie leise. »Ohne Hilfe der Indianer hätte ich es nie geschafft. Das sind keine Wilden, keine blutrünstigen Teufel. Sie sind schon lange friedlich. Ich glaube, sie sind es immer gewesen.« Angie erhob sich und trat vor die Hütte. Der Flammenschein der Feuer fiel herüber. Sanftes Dämmerlicht lag über dem Lager der Papagos. Ein bläulicher Dunst strich durch das Tal. Ein paar beladene Ponys wurden durch das Lager geführt. Den Papagos voran schritt stolz und angetrunken Ferne Wolke, stolperte über eine flache Bodenwelle und fiel fast hin. Kunstvoll hielt er die Flasche in der Hand, ohne einen einzigen Tropfen zu verschütten. Grinsend kam er genau auf Angie zu und rülpste. »Ferne Wolke noch klar in Kopf, wie? Alles besorgen, in Sicherheit bringen. Du froh, Squaw?« Langsam trat Angie an die Ponys heran, während die anderen Papagos schweigend warteten. »Was ist denn das?« fragte Angie erschrocken. »Mein Gott, Fuselwolke, du hast alles vom Wagen geholt?« »Si.« »Nichts zurückgelassen?« »Si.« »Und alles hierhergebracht – in euer Lager?« »Si.«
»O verdammt!« Angie sah ihn hoffnungslos an. »Verfluchte Kiste!« »Weiße Squaw reden wie Kutscher auf Postwagen«, murrte Ferne Wolke. »Ich nur gutmeinen. Du alles behalten. Sonst alles vergammeln am Fluß, verstanden?« Angie mußte sich beherrschen. Der Papago war eine treue Seele. Er hatte sie und Dave hierhergebracht und für Unterkunft und Pflege gesorgt – aber daß er alles vom Wagen geholt hatte, beschwor die Gefahr erneut herauf. »Ferne Wolke, eure Spuren! Verstehst du nicht? Eure Spuren führen ins Lager! Jeder Narr wird doch wissen, daß wir hier sind! Die Spur verrät uns, Ferne Wolke!« »Nix verraten. Papagos schweigsam wie Grab«, erklärte der Papago stur. »Du ruhig schlafen.« Er machte eine weit ausholende Handbewegung. Daraufhin zogen die Papagos die Ponys weiter und schleppten dann alles in eine Hütte. Ferne Wolke nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche, rülpste wieder und verschwand in der Dämmerung. »O nein, das gibt es nicht!« hauchte Angie und ging in die Hütte zurück. »Sie haben alles vom Wagen geholt, Dave! Ich werd’ noch verrückt. Warum bin ich Idiot nur in die Gegend von Tucson gezogen? Hundertmal habe ich die Saloons verflucht, aber ich wäre jetzt glücklich, in einem Saloon tausend Meilen von hier zu sein!« Dave richtete sich mühsam mit dem Oberkörper auf und starrte hinaus. Die grauen Schatten mehrere Papagos glitten vorbei. Weitab kläfften plötzlich Hunde. Ein Schuß peitschte scharf herüber. Das Echo erstickte in der Dämmerung. Schreie ertönten … »Was ist das?« flüsterte er. »Komm, Dave! Hinter der Hütte ist ein Erdwall. Wir müssen uns verstecken!« Angie verlor keine Zeit mit langem Überlegen, sie zog Dave hoch und stützte ihn. Beide verließen die Hütte und entfernten sich langsam. Dave hatte große Mühe,
sich auf den Beinen zu halten. Kaum waren sie in der Deckung, als vier Reiter in das Lager kamen. Im Feuerschein waren sie sekundenlang zu erkennen. Angie stockte der Atem. Ihre Situation war jäh todernst geworden. Unwillkürlich umfaßte sie Daves Arm. »Der große Kerl da ist Logan, Dave!« Big Logan und seine Cowboys hatten die Gewehre im Anschlag. Kalt und drohend klang Logans Stimme. »Wir durchsuchen die Hütten! Wenn ihr euch widersetzt, dann greifen meine Männer an, dann sorge ich dafür, daß die Kavallerie hier aufräumt! Wer, zum Teufel, ist euer Häuptling?« Bevor der Häuptling sich zu Wort melden konnte, kam Ferne Wolke schwankend aus dem Halbdunkel hervor und klatschte sich an die dürre Brust. Der Schlag ließ ihn ächzend husten. Mit knochigen Fingern zeigte er auf Logan und lallte: »Du uns wegnehmen wollen Beute von Wagen? Wir gefunden, nicht weißer Mann! Du kein Recht. Wir uns beschweren bei großen weißen Vater in Whiskyton!« »Washington, meint er, Boß«, grinste einer der Cowboys. »Lassen wir uns von dieser Scheißhausfigur nicht aufhalten!« Abwehrend hob Ferne Wolke die Hände, doch sie ritten ihn nieder, jagten die zumeist unbewaffneten Papagos mit mehreren Schüssen auseinander und drangen in die Hütten ein. Geistesgegenwärtig kroch Ferne Wolke in die Hütte, wo Angie und Dave gewesen waren, und legte sich quer vor den Eingang. Als sie ihn erblickten, ließen sie von der Hütte ab und entdeckten nicht den Waffengurt des junge Dave. In kurzer Zeit hatten sie das Lager durchsucht – und wortlos ritten sie davon und verschwanden hinter dem zerklüfteten Talrand. Die Papagos versammelten sich an den Feuern. »Komm, Dave«, flüsterte Angie, »für uns ist die Gefahr vorbei, aber wenn diese gemeinen Halunken Billy finden, dann werden sie ihn erschießen. Ich muß nach Casa Grande!«
»Ich komm’ mit«, stöhnte Dave, »ich laß Billy jetzt nicht allein!« »Du würdest vom Pferd fallen, Dave! Nein, du bleibst hier! Rede nicht dagegen an! Mein Gott, wenn wir nur wüßten, was aus Gun geworden ist ...!« *** In der weiten Wildnis flackerte ein Feuer und warf den zuckenden Flammenschein in die starren Gesichter zweier Männer. McKenzie und Denver rasteten; ihre Pferde standen am Fuß der verwitterten Felsen. Leise knackte das Holz des Feuers. Eine dünne Rauchspirale zog empor und über die Felsen hinweg. Plötzlich wieherte eins der Pferde. Sofort richteten sich die beiden Revolverschwinger auf und griffen nach den Colts, starrten lauernd umher und horchten. Coyoten kläfften in der Nacht. Staub tanzte über die Felsen hinweg und in die Senke hinunter. »Da ist doch was!« raunte McKenzie; sein stechender Blick bohrte sich in das Halbdunkel zwischen den Felsen. »Die Gäule wittern die Coyoten«, flüsterte Denver und verzog das bläßliche Gesicht. »Wer sonst sollte in der Nähe sein!« Er setzte sich wieder und schob die Colts zurück, warf etwas Holz nach und rieb sich die Hände, die in schwarzen Handschuhe steckten. »Du bist plötzlich nervös wie ein altes Weib, McKenzie. Wir sind nur einen Tagesritt von Casa Grande entfernt. Bald stoßen wir auf den Boß. Los, setzt dich wieder, Amigo.« Nur zögernd nahm McKenzie Platz. Die Silberstücke an seiner Lederweste schimmerten rötlich im Feuerschein. Immer wieder blickte er umher. Die Pferde hatten sich beruhigt.
Allmählich entspannte McKenzie sich. Leise sprachen sie miteinander. Schließlich rollten sie sich in die Decken ... Lautlos kam Gun Madley näher, ging dem Wind entgegen. Tastend wie ein Indianer setzte er die Schritte und erreichte die Felsen. Das rauhe Gesicht erschien sekundenlang zwischen den Felsen. Kalt ruhte der Blick auf den beiden Revolverschwingern. Rot leuchtete die Glut herüber. Verstaubte Stiefel glitten durch den Sand des Abhangs. Bleiches Mondlicht fiel auf den großen, hageren Mann. Wohl zehn Schritte von den Halunken entfernt, verharrte er so steif, als wäre er aus Stein. Schaurig riefen die Coyoten ... Die Revolverschwinger hatten nichts gehört – und doch spürten sie auf einmal seine Nähe. Sie wälzten sich unruhig unter den Decken hin und her, und McKenzie öffnete auf einmal die Augen und stierte herüber. Seine Augen weiteten sich, als er Gun Madley erblickte. Der Revolvermann rührte sich nicht. Schlaff hingen die Hände neben den alten Colts, die er viele Jahre seines Lebens getragen hatte und am liebsten in die Ecke werfen würde, wenn er an den Tod seiner Frau dachte. »Denver ...!« raunte McKenzie. »Yeah, was ist los?« Denver rollte sich herum und zuckte zusammen. Auch er hatte Madley entdeckt. Die Erscheinung des Revolvermannes lähmte sie sekundenlang. Vielleicht glaubten sie, einen Geist zu sehen ... Gun bewegte sich nicht. Nur der Wind brachte Bewegung in sein Haar. Er stand vor den Männern, die ihn und seine Söhne umbringen wollten. Furchen durchzogen sein Gesicht. Grau und wie ohne Leben waren seine Augen. Kein Wort kam über die Lippen. Eisige Kälte erfüllte den großen Mann. Die Schulter schmerzte noch immer. Er wußte nicht, ob er noch so schnell mit den Eisen sein würde, wie es die Legende erzählte ...
McKenzie und Denver wußten genau, wen sie vor sich hatten – und doch glaubten sie noch an ihre Chance. Die Gewehre lagen neben ihnen. Verborgen unter den Decken lagen die Colts ... Unendlich langsam tasteten ihre Hände nach den Waffen und umfaßten sie. Noch mußten sie den Hahn zurückziehen, um schießen zu können. Das würde ein leises metallisches Geräusch geben ... Ganz schwach schüttelte Gun in dieser Sekunde den Kopf, und in den Augen wurde es ganz dunkel – schwarz wie die Nacht. Als er das Knacken der Colthähne hörte, klatschten seine Hände auf die blanken Coltkolben – und sein Ruhm wurde wahr! Fauchend stieß er die Colts nach vorn und ließ die Hähne springen. Die Colts hämmerten das Blei in die Senke, durch die hochfliegenden Decken hindurch und in die Körper seiner Todfeinde. Die Glut des Feuers sprühte hoch. Zuckend richtete McKenzie sich noch auf, die Decke rutschte von ihm ab – dann fiel er leblos auf seinen Komplicen. Auf dem Feuer qualmte die Decke. Wild wiehernd stampften die Pferde. Langsam verlor sich das Echo der Schüsse in der nächtlichen Ferne. Stahlsporen klirrten. Gun Madley kam herunter und blieb neben den Toten stehen. Langsam senkte er die Hände mit den Colts. Das Gesicht entspannte sich, der Blick löste sich von den Toten und schweifte in die Weite. Dort im Norden lag Casa Grande … *** Die Angst um Billy hetzte Angie Malone in die kleine Stadt Casa Grande. Auf dem keuchenden Pferd erreichte sie das Haus des Arztes und sprang aus dem Sattel. Die Straße war leer, und die Häuser lagen im Frühlicht dunkel an der Straße.
Schon lief sie zur Tür, stieß sie auf und stürzte ins Haus hinein. Sie sah den bulligen Arzt im Raum, das flackernde Licht und ... Big Logan! Aufschreiend wollte sie zurück, doch schon knallte einer der Cowboys die Tür zu und versperrte ihr den Weg. In diesem Moment schleiften zwei Cowboys den jungen blonden Billy herein. Rücksichtslos ließen sie ihn zu Boden fallen. Angie wollte zu ihm, sie schrie auf und sah Billys blasses, vom Schmerz zerrissenes Gesicht – doch der Cowboy hielt sie fest. Sie wehrte sich, doch der Ritt hatte sie entkräftet. Entsetzt blickte sie Logan an. Mitleidlos war sein Gesichtsausdruck. Die Hölle des Hasses wühlte in ihm. »Raus mit ihnen!« befahl er. »Schmeißt sie auf die Straße!« Die Tür wurde aufgerissen. Angie wurde herumgestoßen und hinausgeworfen. Sie stürzte über den Gehsteig und auf die Straße, und als sie sich halb aufrichtete, sah sie, wie Billy aus dem Haus gezerrt wurde. »Nein!« schrie sie gellend. »Laßt ihn leben! Logan, ich flehe Sie an – tun Sie es nicht! Sie müssen doch ein Herz haben, Sie können doch nicht wie ein Tier sein!« »Wo sind die beiden anderen?« Ihr Flehen prallte von ihm ab. Seine Stimme verriet den tödlichen Haß. »Antworte, Angie Malone – oder wir bringen diesen Burschen um! Wir zertreten ihn wie einen Wurm! Ich will Gun Madley haben!« Stöhnend hob Billy den Kopf an. Niemals würde Angie seinen Blick vergessen. Blut tränkte seinen Verband. Grau wie Asche war sein Gesicht. »Nichts ... sagen, Angie!« röchelte er. »Kein ... Wort!« »Aber sie bringen dich um, Billy!« schrie Angie voller Angst, krallte die Hände in den Straßenstaub und kroch zu ihm. »Billy, ich muß es sagen! Dein Vater ist stark genug, Billy. Du weißt doch, daß auch ich ihn liebe!«
Die Cowboys packten Angie und rissen sie von Billy weg, stießen sie brutal in den kalten Staub – und Logan richtete den Colt auf den wehrlosen Billy. »Rede, Angie Malone, sonst drück’ ich ab!« Angie kauerte vor seinen Stiefeln. Ihre Lippen bebten. Sie sollte den Mann verraten, den sie liebte. »Nein!« flüsterte sie mit plötzlich gefrorener Stimme. »Nein, Logan! Dann werden Sie uns alle umbringen! Ich glaube Ihnen nicht, bei Gott!« »Wie du willst, Malone«, antwortete er erbarmungslos und beugte sich über Billy. »Sprich dein letztes Gebet, du Hundesohn. Ich werde euch alle kriegen und abknallen ...« Schüsse krachten durch die Morgendämmerung. Angies gellender Schrei hallte durch Casa Grande. Sie sah, wie Big Logan tödlich getroffen zu Boden fiel, wie die Cowboys unter den Schüssen zusammenbrachen – und sie sah ein junges Mädchen weinend über die Straße laufen und bei Billy niederknien ... Aus dem grauen Schatten der Häuser löste sich ein alter Mann und kam humpelnd und mit rauchendem Colt heran. Gebeugt blieb er neben Big Logan stehen und ließ die Waffe fallen. »Du hast den Tod herausgefordert, Logan. Ich mußte es tun.« Es war der alte Rocco, und das junge Mädchen war Pat Logan. Weinend hatte sie Billy umarmt. Nicht ein einziges Mal blickte Pat zu ihrem Vater hin ... Schwerfälliger Hufschlag kam näher. Wie von einer unsichtbaren Hand ergriffen, richtete Angie sich auf, stand im zerfetzten Kleid mitten auf der Straße und sah durch die Morgendämmerung. Langsam löste sich der Reiter aus dem Dunst ... Da lief sie los, hastete ihm entgegen. Mit jedem Schritt kam sie einer besseren Zukunft näher. Eines Tages würde ihre
Ranch wieder aufgebaut sein, würde sie für Gun Madley und Dave kochen und würde Billy das gute Mädchen Pat geheiratet haben. Eines Tages ... Und der Mann Gun Madley rutschte vom müden Pferd und legte den Arm um Angie, und gemeinsam gingen sie zu Billy und Pat. Der alte Rocco wischte sich über die Augen und schneuzte sich. »Ich muß zurück«, sagte er undeutlich und humpelte davon. Vor der Stadt tauchten mehrere Papagos auf. Ferne Wolke zuckelte auf seinem Pony heran und hielt vor dem Saloon ... Stilles Lächeln lag auf dem Gesicht des Revolvermannes ...
– ENDE –